Hochschulen in Zeiten der Digitalisierung: Lehre, Forschung und Organisation [1. Aufl. 2019] 978-3-658-26617-2, 978-3-658-26618-9

Digitalisierung für Hochschulen – Dieses Buch zeigt, wie es geht In diesem Buch erfahren Sie alles zu Digitalisierungspr

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German Pages XXIV, 310 [322] Year 2019

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Hochschulen in Zeiten der Digitalisierung: Lehre, Forschung und Organisation [1. Aufl. 2019]
 978-3-658-26617-2, 978-3-658-26618-9

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-XXIV
Front Matter ....Pages 1-1
Digitalisierung in Hochschulen – eine Einführung (Thomas Barton, Christian Müller, Christian Seel)....Pages 3-7
Front Matter ....Pages 9-9
Stell Dir vor, Du hast drei Wünsche frei. Die digitalisierte Hochschule aus Sicht der Studierenden – ein Perspektivenwechsel (Ute Klotz, Sheron Baumann, Patricia Wolf, Christine Larbig, Barbara Kummler)....Pages 11-25
Chatbots in der Studienorientierung (Nora Carstensen, Marc Roedenbeck)....Pages 27-40
Einsatz von Videos im Studiengangmarketing: eine empirische Untersuchung (Michael Gröschel, Jaqueline Dreisbach)....Pages 41-62
Wildauer Maschinen Werke – Digitale Lernfabrik für interdisziplinäre Lehre und Forschung (Stefan Kubica, Eckart Wolf, Detlef Nemak, Frank Gillert, Jörg Reiff-Stephan, Norman Günther et al.)....Pages 63-88
Wissensgraph-basierter Modulkatalog (Vera G. Meister, Wenxin Hu, Philipp Pottenstein)....Pages 89-105
Eine mobile Infrastruktur zur Durchführung von E-Prüfungen (Birte Malzahn, Thomas Groß, Ingo Claßen)....Pages 107-122
Chancen und Herausforderungen von E-Assessments im Anwendungskontext (Xenia V. Jeremias, Birgit Sellmer)....Pages 123-137
Reorganisation und Optimierung von Prozessen am Beispiel der Verwaltung von Abschlussarbeiten und des Qualitätsmonitorings von Studiengängen (Konstantin Root, Henning Wiechers, Alfredo Azmitia, Janett Mohnke, Christian Müller)....Pages 139-153
Der Weg zur Digitalstrategie am Beispiel der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft in Ludwigshafen am Rhein (Peer Küppers, Haio Röckle, Carsten Dorrhauer)....Pages 155-169
Front Matter ....Pages 171-171
Podcasting in digitaler Lehre und Wissenschaftskommunikation (Jürgen Karla, Sabine Hoffmann)....Pages 173-182
Agiles Studieren (Detlef Stern)....Pages 183-195
Integration von Electronic Response-Systemen in Anwendungsfallstudien mit SAP-Software (Gabriele Roth-Dietrich)....Pages 197-220
Augmented Reality in Vorlesung und Übung: Lehre und Interaktion neu gedacht (Gergana Lilligreen, Alexander Wiebel)....Pages 221-238
MOOCs als disruptive Innovation für die akademische Bildung (Kathrin Kirchner, Claudia Lemke)....Pages 239-263
Front Matter ....Pages 265-265
Skalierung von Plattformen in der disruptiven Digitalisierung der Forschung (Markus von der Heyde, Gunnar Auth, Andreas Hartmann, Christian Erfurth)....Pages 267-285
Digitalisierung des Forschungsprozesses aus Sicht von Forschenden – durch Serviceintegration zum persönlichen Forschungsinformationssystem (Gunnar Auth, Christian Czarnecki, Frank Bensberg, Andreas Thor)....Pages 287-307
Back Matter ....Pages 309-313

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Angewandte Wirtschaftsinformatik

Thomas Barton Christian Müller Christian Seel Hrsg.

Hochschulen in Zeiten der Digitalisierung Lehre, Forschung und Organisation

Angewandte Wirtschaftsinformatik Reihe herausgegeben von Thomas Barton FB Informatik Hochschule Worms Worms, Deutschland Christian Müller Technische Hochschule Wildau Wildau, Deutschland Christian Seel Fakultät Informatik Institut für Projektmanagement und Informationsmodellierung (IPIM) Landshut, Deutschland

Die Reihe Angewandte Wirtschaftsinformatik wird herausgegeben von Prof. Dr. Thomas Barton, Prof. Dr. Christian Müller und Prof. Dr. Christian Seel.Die Buchreihe Angewandte Wirtschaftsinformatik bereitet das Themengebiet Wirtschaftsinformatik anhand grundlegender Konzepte, praxisnaher Anwendungen und aktueller Themen auf. Dabei wird auf der einen Seite die Perspektive der betrieblichen Anwendungsentwicklung beleuchtet, welche die Erstellung von betriebswirtschaftlicher Software und deren Einsatz in Unternehmen zum Gegenstand hat. Auf der anderen Seite stellt die Perspektive der Organisationsgestaltung sicher, dass die eingesetzte Software auch eine bestmögliche Einbindung in die betriebliche Organisation erfährt. Das Ziel der vorliegenden Reihe besteht darin, angewandte Wirtschaftsinformatik in Form von betrieblichen Szenarien, Best Practices und anwendungsorientierter Forschung aufzubereiten und in kompakter und verständlicher Form darzustellen. Zielgruppe sind sowohl Studierende und Lehrende als auch Praktiker. Prof. Dr. Thomas Barton ist Professor an der Hochschule Worms. Seine Schwerpunkte liegen in den Bereichen Entwicklung betrieblicher Anwendungen, E-Business und Digitalisierung. Prof. Dr. Christian Müller ist Professor an der Technischen Hochschule Wildau. Seine Schwerpunkte liegen in den Bereichen Operations Research, Simulation von Geschäftsprozessen und Internet-Technologien. Prof. Dr. Christian Seel war Professor an der Hochschule Landshut und Leiter des Instituts für Projektmanagement und Informationsmodellierung (IPIM). Seine Schwerpunkte lagen in den Bereichen Informationsmodellierung, Geschäftsprozessmanagement, hybridem Projektmanagement und Mobile Computing. Er ist plötzlich und unerwartet im Oktober 2019 verstorben. Weitere Bände in dieser Reihe: http://www.springer.com/series/13757

Thomas Barton • Christian Müller • Christian Seel Hrsg.

Hochschulen in Zeiten der Digitalisierung Lehre, Forschung und Organisation

Hrsg. Thomas Barton FB Informatik Hochschule Worms Worms, Deutschland

Christian Müller Techn. Hochschule Wildau Wildau, Deutschland

Christian Seel Hochschule Landshut Landshut, Deutschland

ISSN 2522-0497 ISSN 2522-0500 (electronic) Angewandte Wirtschaftsinformatik ISBN 978-3-658-26617-2 ISBN 978-3-658-26618-9 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-26618-9 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer Vieweg # Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer Vieweg ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

In Erinnerung an Christian Seel, der leider viel zu früh verstorben ist. Wenn du bei Nacht den Himmel anschaust, wird es dir sein, als lachten alle Sterne, weil ich auf einem von ihnen wohne, weil ich auf einem von ihnen lache. (Antoine de Saint-Exupéry) Wir werden dich sehr vermissen! Thomas und Christian

Inhaltsverzeichnis

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

Digitalisierung in Hochschulen – eine Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Barton, Christian Müller und Christian Seel 1.1 Organisation der Hochschule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Lehre im Zeitalter der Digitalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Forschung im Zeitalter der Digitalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3 5 6 6 7

Organisation der Hochschule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9

Teil I 1

Teil II 2

3

Stell Dir vor, Du hast drei Wünsche frei. Die digitalisierte Hochschule aus Sicht der Studierenden – ein Perspektivenwechsel . . . . . . . . . . . . . . Ute Klotz, Sheron Baumann, Patricia Wolf, Christine Larbig und Barbara Kummler 2.1 Ausgangssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Zentrale Fragestellung und Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Datenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Allgemeine Aussagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Szenarien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6 Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.7 Die Fachhochschulen im Jahr 2030 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.8 Digitalisierung der Hochschule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.9 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chatbots in der Studienorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nora Carstensen und Marc Roedenbeck 3.1 Warum Chatbots in Hochschulen eingesetzt werden sollten . . . . . . . 3.2 Was wir aus der Literatur zu Chatbots lernen können . . . . . . . . . . . .

11

12 12 13 13 16 18 20 22 23 24 27 28 29

VII

VIII

Inhaltsverzeichnis

3.3

Wie ein Chatbot an einer Hochschule nachhaltig implementiert werden sollte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Herausforderungen bei der Übertragbarkeit auf andere Hochschulen . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

5

6

Einsatz von Videos im Studiengangmarketing: eine empirische Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Gröschel und Jaqueline Dreisbach 4.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Studiengangmarketing in MINT-Fächern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Einsatz von Videos im Hochschulmarketing . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Aufbau der empirischen Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5 Ergebnisse und Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6 Ausblick/Handlungsempfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33 38 38

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41

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Wildauer Maschinen Werke – Digitale Lernfabrik für interdisziplinäre Lehre und Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stefan Kubica, Eckart Wolf, Detlef Nemak, Frank Gillert, Jörg Reiff-Stephan, Norman Günther, Marc Roedenbeck und Marius Schlingelhof 5.1 Herausforderungen für Lehre, Forschung und Transfer aus Sicht einer deutschen Hochschule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Digitale Lernfabriken als möglicher Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . 5.3 Wildauer Maschinen Werke als digitale Lernfabrik der THWi . . . . . . 5.4 Konstruktion und Fertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5 Technische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.6 Supply Chain Management und Produktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.7 Human Resources . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.8 Vernetzte Mobilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.9 Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wissensgraph-basierter Modulkatalog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vera G. Meister, Wenxin Hu und Philipp Pottenstein 6.1 Der Modulkatalog im Portfolio der Digitalen Hochschule . . . . . . . . . 6.2 Welche IT-Systeme für Modulkataloge gibt es? . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Architektur eines Wissensgraph-basierten IT-Systems . . . . . . . . . . . 6.4 Prototypische Komponenten des digitalen Modulkatalogs . . . . . . . . . 6.5 Flexibler Hub zwischen Lehre und Campusmanagement . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

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Inhaltsverzeichnis

7

8

9

10

IX

Eine mobile Infrastruktur zur Durchführung von E-Prüfungen . . . . . . . Birte Malzahn, Thomas Groß und Ingo Claßen 7.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Technische Infrastruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3 Anwendungsszenarios . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4 Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.5 Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chancen und Herausforderungen von E-Assessments im Anwendungskontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Xenia V. Jeremias und Birgit Sellmer 8.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Einsatzszenarien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3 Ergebnisse einer Evaluation von E-Assessments . . . . . . . . . . . . . . 8.4 Chancen und Herausforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reorganisation und Optimierung von Prozessen am Beispiel der Verwaltung von Abschlussarbeiten und des Qualitätsmonitorings von Studiengängen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konstantin Root, Henning Wiechers, Alfredo Azmitia, Janett Mohnke und Christian Müller 9.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2 Steckbrief Technische Hochschule Wildau . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3 Individuelle Inhouselösungen durch agile Softwareentwicklung . . . 9.4 Thesissystem: Schrittweise Umsetzung der digitalen Antragstellung und Verwaltung von Prüfungsprozessen . . . . . . . . . 9.5 Logbuchsystem: Unterstützung der Qualitätssicherung und (Re-)Akkreditierung von Studiengängen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.6 Reflexion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Weg zur Digitalstrategie am Beispiel der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft in Ludwigshafen am Rhein . . . . . . . . . . . Peer Küppers, Haio Röckle und Carsten Dorrhauer 10.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2 Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3 Enterprise Architecture als Grundlage der digitalen Transformation an der HWG Ludwigshafen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4 Der digitale Transformationsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.5 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

107 107 108 112 116 121 121

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155 156

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159 161 167 168

X

Inhaltsverzeichnis

Lehre im Zeitalter der Digitalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

171

Podcasting in digitaler Lehre und Wissenschaftskommunikation . . . . . . Jürgen Karla und Sabine Hoffmann 11.1 Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2 Umsetzung der Lehrinnovation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3 Qualitätssicherung und Evaluation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.4 Transfer in die Breite und Nachhaltigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

173

Teil III 11

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13

14

Agiles Studieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Detlef Stern 12.1 Was ist agiles Studieren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.2 Erste Praxiserfahrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3 Naive Umsetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.4 Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.5 Erfahrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.6 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Integration von Electronic Response-Systemen in Anwendungsfallstudien mit SAP-Software . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gabriele Roth-Dietrich 13.1 Anwendungsfallstudien in SAP-Systemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.2 Electronic Response-Systeme (ERS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.3 Vergleich von Electronic Response-Systemen . . . . . . . . . . . . . . . . 13.4 Prototyp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.5 Evaluation und Ausbaumöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.6 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

174 175 180 181 182 183 183 185 186 188 192 194 194

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197

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198 201 204 211 217 219 219

Augmented Reality in Vorlesung und Übung: Lehre und Interaktion neu gedacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gergana Lilligreen und Alexander Wiebel 14.1 Einleitung und Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2 Augmented Reality . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.3 Blended Learning . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.4 Handlungsorientiertes Lehren und Lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.5 Fallstudie „Audiovisuelle Produktion“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.6 Transfer im Bereich der Wirtschaftsinformatik – Möglichkeiten und Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.7 Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

221 222 222 223 224 225 236 236 237

Inhaltsverzeichnis

15

MOOCs als disruptive Innovation für die akademische Bildung . . . . . Kathrin Kirchner und Claudia Lemke 15.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.2 Die heutige Vielfalt des Begriffes MOOC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.3 Strukturen und Konzepte von MOOCs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.4 Motive der MOOC-Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.5 Implikationen zur Gestaltung von MOOCs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.6 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Teil IV 16

17

XI

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239

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240 241 249 252 256 258 260

Forschung im Zeitalter der Digitalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

265

Skalierung von Plattformen in der disruptiven Digitalisierung der Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Markus von der Heyde, Gunnar Auth, Andreas Hartmann und Christian Erfurth 16.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.2 Plattformbasierte Wertschöpfung in der Informations- und Kommunikationstechnologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.3 Faktoren der Skalierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.4 Skalierungsfaktoren bei Forschungsplattformen . . . . . . . . . . . . . . . . 16.5 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Digitalisierung des Forschungsprozesses aus Sicht von Forschenden – durch Serviceintegration zum persönlichen Forschungsinformationssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gunnar Auth, Christian Czarnecki, Frank Bensberg und Andreas Thor 17.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.2 IT-Unterstützung für Forschende aus der Sicht interner Anbieter . . . . 17.3 Prozessdigitalisierung in der Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.4 Der Forschungsprozess in der (Wirtschafts-)Informatik . . . . . . . . . . . 17.5 Serviceorientierung im persönlichen Forschungsprozess . . . . . . . . . . 17.6 Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Prof. Dr. Gunnar Auth vertritt das Fachgebiet Informations- und Projektmanagement am Institut für Wirtschaftsinformatik der Hochschule für Telekommunikation Leipzig. Seine Berufslaufbahn begann beim Automobilhersteller Daimler, wo er in verschiedenen Fachund Führungsfunktionen arbeitete. Später war er als Direktor des Rechenzentrums der Universität Leipzig für die zentrale Bereitstellung von IT-Services verantwortlich. Prof. Auth ist zudem Gründer und Direktor des privaten Instituts für Bildungs- und Wissenschaftsmanagement in Leipzig. Seine aktuellen Arbeitsschwerpunkte umfassen innovationsorientierte Ansätze im IT-Management sowie die Auswirkungen und Gestaltungsimplikationen der Digitalisierung in Forschung und Lehre. M. Eng. Alfredo Azmitia absolvierte sein Masterstudium im Studiengang Telematik an der Technischen Hochschule Wildau, wo er die Auszeichnung des DAAD für hervorragende Leistungen ausländischer Studierender an deutschen Hochschulen erhalten hat. Ursprünglich aus Guatemala, arbeitete er ab 2008 – nach seinem Bachelorstudium im gleichen Studiengang – zwei Jahre am Hochhausprojekt „Okhta Centre“ in St. Petersburg, Russland, als Software Engineer und Graphics Developer. Seine Interessen und Kompetenzen sind Webtechnologien, Frontend-Entwicklung und Backend-Logik, Design für Web und mobile Anwendungen, iOS-Entwicklung und 3D-Modellierung. Prof. Dr. Thomas Barton studierte und promovierte an der TU Kaiserlautern. Anschließend war er ca. 10 Jahre bei der SAP AG tätig mit Schwerpunkt Anwendungsentwicklung, auch Beratung, Schulung und Projektleitung. Seit 2006 arbeitet er an der Hochschule Worms als Professor für Informatik mit dem Schwerpunkt Wirtschaftsinformatik. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen Entwicklung betrieblicher Anwendungen, E-Business und Digitalisierung. Er ist Autor und Herausgeber zahlreicher Publikationen. Sheron Baumann arbeitet seit Ende 2012 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am IBR der Hochschule Luzern – Wirtschaft. Er studierte Volkswirtschaftslehre und absolvierte anschließend eine Ausbildung zur Lehrkraft für Wirtschaft und Recht an der Universität Bern. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen in der Forschung. Nebst Projekten in XIII

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den Themenbereichen Risikomanagement und organisationale Resilienz befasst er sich mit Fragen rund um die Zukunft der Arbeit, dem Bildungsnutzen von Hochschulweiterbildungen sowie den Profilen von Dozierenden an Fachhochschulen. Prof. Dr. Frank Bensberg ist seit 2015 Hochschullehrer für Wirtschaftsinformatik an der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Hochschule Osnabrück. Vorher leitete er das Department Wirtschaft der Hochschule für Telekommunikation in Leipzig und war als Senior Expert Personalentwicklung bei der Deutschen Telekom AG tätig. Er promovierte und habilitierte an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Forschungsgebiete sind Big Data, Data Mining und Text Analytics zur Unterstützung sowie Automatisierung betrieblicher Entscheidungsprozesse. Nora Carstensen studierte Europäisches Management im Bachelor und Master an der Technischen Hochschule in Wildau und sammelte internationale Erfahrungen u. a. in Belgien und Portugal. Im Rahmen ihres Studiums schrieb sie ihre Masterarbeit zur nachhaltigen Implementierung eines Chatbots in der Studienorientierung an der Technischen Hochschule Wildau, wo sie auch während ihres Studiums bereits in verschiedenen Digitalisierungsprojekten tätig wurde. Prof. Dr. Ingo Claßen studierte Informatik an der TU Berlin und promovierte dort am Lehrstuhl für Theoretische Informatik über Algebraische Spezifikationen in der Softwareentwicklung. Anschließend war er am Fraunhofer-Institut für Software- und Systemtechnik Berlin tätig, bevor er eine Stelle als Leiter der Abteilung Geschäftsprozesse und IT bei einem Tochterunternehmen der IBM Deutschland übernahm. Seit 2001 ist er Professor für Wirtschaftsinformatik an der HTW Berlin. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen Business Intelligence und Data Science. Prof. Dr.-Ing. Christian Czarnecki ist seit 2019 Professor für Wirtschaftsinformatik an der Hochschule Hamm-Lippstadt. Nach dem Studium der Wirtschaftsinformatik an der WWU Münster hat er in verschiedenen Unternehmensberatungen umfangreiche Praxiserfahrungen gesammelt und eine Vielzahl an Transformationsprojekten in Europa, Afrika und dem Mittleren Osten geleitet. Er wurde an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg zum Doktoringenieur promoviert. Es folgte eine vierjährige Professur an der HfTL in Leipzig. In seiner Forschung beschäftigt er sich u. a. mit digitaler Transformation, Prozessmanagement, Referenzmodellen und Unternehmensarchitekturen. Zu diesen Themen ist er Autor zahlreicher Publikationen. Prof. Dr. Carsten Dorrhauer studierte an der Universität Mannheim BWL und Wirtschaftsinformatik zum Abschluss als Dipl.-Hdl. Im Jahr 2000 promovierte er dort im Fach Wirtschaftsinformatik zum Dr. rer.pol. In seiner Berufspraxis leitete er IT-Projekte bei der Heidelberger Druckmaschinen AG. 2004 wurde er zum Professor an der

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Berufsakademie Stuttgart berufen. Seit 2009 lehrt er an der Hochschule Ludwigshafen am Rhein. Jaqueline Dreisbach ist Absolventin des Kooperationsstudiengangs Translation Studies for Information Technologies der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg und der Hochschule Mannheim. Seit ihrem Abschluss im Jahr 2017 arbeitet sie als Beraterin für das IT-Beratungsunternehmen bridgingIT GmbH. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte liegen im agilen und klassischen Projektmanagement im internationalen Projektumfeld. Prof. Dr. Christian Erfurth studierte Informatik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und promovierte anschließend auf dem Gebiet der verteilten Systeme. Er leitete verschiedene interdisziplinäre Forschungsprojekte, die sich mit spezifischen Fragestellungen der Digitalisierung beschäftigten. Seit 2010 ist er Professor für Informatik im Fachbereich Wirtschaftsingenieurwesen der Ernst-Abbe-Hochschule Jena und wirkte bis 2018 als CIO der Hochschule. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen im strategischen ITManagement, in der Qualitätssicherung sowie bei ganzheitlichen Ansätzen der Digitalisierung im industriellen Bereich. Prof. Dr.-Ing. Frank Gillert leitet die Forschungsgruppe Sichere Objektidentität. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der logistikzentrierten Sicherheitsforschung, u. a. im Rahmen des BMBF-Forschungsprogramms „Zivile Sicherheit“, sowie den Themen AutoID/RFID, Digitalisierung und Industrie 4.0. Zuvor war er in verschiedenen Managementfunktionen u. a. bei der Infineon AG tätig. Frank Gillert ist zudem Vorstandsvorsitzender des LNBB | Logistiknetz Berlin-Brandenburg e. V. und Mitglied des wissenschaftlichen Beirates des Forschungsforums Öffentliche Sicherheit an der FU Berlin. Thomas Groß studierte an der Humboldt-Universität zu Berlin Fachlehrer für Mathematik und Physik und legte sein Diplom mit einer Arbeit über ein schulmathematisches Problem ab. Nach einigen Jahren der Tätigkeit als Lehrer programmierte er Anwendersoftware für Großhandelsunternehmen und arbeitete viele Jahre als Systembetreuer und Dozent. An der HTW Berlin ist er seit 2009 tätig. Er administriert Server und Arbeitsstationen sowie virtuelle Arbeitsumgebungen. Prof. Dr. Michael Gröschel ist Professor an der Fakultät für Informatik an der Hochschule Mannheim. Der Diplom-Wirtschaftsinformatiker beschäftigt sich in Forschung und Lehre seit vielen Jahren mit Themen des Geschäftsprozessmanagements und dem sinnvollen Einsatz von IT in Unternehmen im Rahmen neuer Geschäftsmodelle (digitale Transformation) und den Auswirkungen auf die IT-Landschaft in Unternehmen. Daneben arbeitet er als Trainer mit dem Schwerpunkt auf Geschäftsprozessmodellierung in BPMN.

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Norman Günther studierte Maschinenbau an der TH Wildau. Davor wie auch anschließend arbeitete er in verschiedenen Positionen in der metallverarbeitenden Produktion, zuletzt auch in leitender Position. Seit 2018 ist er als akademischer Mitarbeiter an der TH Wildau im Fachbereich Automatisierungstechnik aktiv. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen im Prozessmanagement, den soziotechnischen Aspekten von Produktionssystemen, Projektmanagement und in der Weiterbildung. Prof. Dr. Andreas Hartmann programmierte bereits in jungen Jahren am Kleincomputer 85/3. An der FSU Jena studierte er Informatik und betrieb parallel ein Gewerbe in Stuttgart. Dort arbeitete er bei IBM im Bereich Pervasive Computing. Zurück in Jena promovierte er kurze Zeit später im Bereich Compilerbau, wobei er einen Forschungsaufenthalt an der University of California, Irvine, absolvierte. Bis 2014 arbeitete er als Leiter der IT und Teamleiter der CIO-Gruppe an der FSU Jena. Vor der Übernahme der Professur an der HfTL führte ihn sein Weg noch als IT-Stratege in das Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur. Aktuell liegt sein Schwerpunkt auf der IT-Architektur. Daneben engagiert er sich für Diskussionen rund um Ethik und die Nachwuchsförderung. Dr. Markus von der Heyde studierte Naturwissenschaftliche Informatik an der Universität Bielefeld. Nach einem Auslandsaufenthalt in den USA promovierte er im Bereich der Kognitionsforschung am Max-Planck-Institut für Biologische Kybernetik in Tübingen. Nach seiner Beteiligung an DFG- und EU-Projekten in der Grundlagenforschung wechselte er als Verantwortlicher für das Rechenzentrum an die Bauhaus-Universität Weimar. Durch seine ehrenamtliche Tätigkeit im ZKI, der GI sowie bei EUNIS und EDUCAUSE ist Dr. von der Heyde national und international zu den Themen der IT-Organisation und Digitalisierung vernetzt. Seit 2014 führt Dr. von der Heyde im Rahmen seines Beratungsunternehmens (vdH-IT) und in Zusammenarbeit mit dem ifib die Studien zur Entwicklung der IT-Governance an den deutschen Hochschulen durch. Seit 2016 organisiert er regelmäßig den CIO-Kongress der deutschen Hochschulen. In 2018 wurde Dr. von der Heyde als außerplanmäßiger Professor an der School of Interactive Arts and Technology (SIAT) der Simon Fraser University (SFU), Vancouver, berufen. Seine aktuellen Arbeitsschwerpunkte sind die Verwendung von Forschungsdatenrepositorien und die Digitalisierung der Hochschulforschung. Sabine Hoffmann verantwortet im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften an der Hochschule Niederrhein Umsetzungen aus Vorhaben zur Digitalisierung der Lehre im Kontext des hochschulweiten Projektes „digitaLe – Raum für digitale Lehre“. Hintergrund des Projekts ist die Tatsache, dass auf dem Arbeitsmarkt zunehmend digitale Kompetenzen gefordert sind. So arbeiten Teams heute oftmals virtuell und über Ortsgrenzen hinaus. Solche Szenarien können auch in die Lehre an der Hochschule integriert werden. Dabei sollen nicht nur die Studierenden, sondern auch die Lehrenden von neuen Konzepten und Erfahrungen profitieren. Es werden Schulungen, Workshops und Beratungen für Lehrende

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angeboten, in denen beispielsweise neue digitale Tools vorgestellt und gemeinsam erprobt werden. Dem Projekt „digitaLe“ stehen 1,9 Millionen Euro aus hochschuleigenen Mitteln zur Verfügung. Das Projekt läuft von Februar 2018 bis Januar 2021. Wenxin Hu befindet sich im 4. Semester des Masterstudiengangs Wirtschaftsinformatik an der Technischen Hochschule Brandenburg. Neben dem Studium hat sie parallel viele Jahre als wissenschaftliche Hilfskraft an der TH Brandenburg gearbeitet. Seit Ende 2018 ist sie als akademische Mitarbeiterin an der Hochschule eingestellt. Tätigkeitsschwerpunkte von Frau Hu liegen in den Gebieten Semantische Technologien, Softwareentwicklung und Prozessmodellierung sowie -automatisierung. Dr. Xenia Valeska Jeremias studierte Soziologie, Mathematik und Informatik an der TU Berlin und der City University London und promovierte in Soziologie an der TU Berlin. Seit 2011 ist sie akademische Mitarbeiterin u. a. im Qualitätspaktprojekt „SOS – TEAM. Strukturierung und Optimierung des Selbststudiums. Tutoring, E-Assessment, Mathematik“ im Zentrum für Qualitätsentwicklung der Technischen Hochschule Wildau. Neben ihren Arbeitsschwerpunkten im Bereich Mathematik (Studienvorbereitung und -begleitung, Erstellung von E-Learning-Materialien) wirkte sie maßgeblich am Aufbau des E-Assessmentservices der TH Wildau mit und berät Lehrende hinsichtlich der Konzeption von Blended-Learning-Veranstaltungen. Prof. Dr. Jürgen Karla ist Professor für Wirtschaftsinformatik an der Hochschule Niederrhein und Angehöriger der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften an der RWTH Aachen. Seine Forschungstätigkeiten bewegen sich mit den Themenfeldern Social Media, Mobile Business Ecosystems und Geschäftsprozessmanagement häufig an den Schnittstellen zwischen Wirtschaftsinformatik und Medienmanagement. In den letzten Jahren hat Jürgen Karla Beiträge zu diesen Themen in internationalen Journals, auf Konferenzen sowie in Büchern veröffentlicht. Daneben dozierte er Inhalte der Wirtschaftsinformatik an deutschen und ausländischen Hochschulen und Universitäten. Prof. Dr. Kathrin Kirchner ist Associate Professor an der Technical University of Denmark (DTU). Ihr Forschungsschwerpunkt ist die Rolle von Social Media für das Management von Wissen, Kommunikation und Zusammenarbeit in Unternehmen und (virtuellen) Lernumgebungen. Sie entwickelt derzeit mit Kollegen an der DTU gemeinsam einen Massive Open Online Course (MOOC) zum Thema „From Analytics to Action“ und forscht zur Unterstützung von virtueller Gruppenarbeit in MOOCS. Weiterhin hat sie zur Datenanalyse sowie zur Modellierung wissensgetriebener Geschäftsprozesse publiziert. Sie veröffentlichte bisher mehr als 80 referierte Zeitschriftenartikel, Buch- und Konferenzbeiträge zu den Themen Social Media, Prozessmodellierung und Data Mining.

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Prof. Ute Klotz studierte Volkswirtschaft und Informationswissenschaft an der Universität Konstanz. Sie arbeitete für verschiedene Deutsche und Schweizer Unternehmen im Bereich Consulting. Seit 2010 ist sie Professorin für Wirtschaftsinformatik an der Hochschule Luzern. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen Informations- und Innovationsmanagement, Technikfolgenabschätzung, Design Fiction und Social Informatics. Prof. Dr. Stefan Kubica studierte Wirtschaftsinformatik an der TH Wildau und promovierte am Institut für Informatik in Erlangen-Nürnberg im Bereich Variantenmanagement modellbasierter Fahrzeugfunktionssoftware. Anschließend arbeitete er in verschiedenen Positionen bei der Volkswagen AG, zuletzt als Leiter der Airbagelektronikentwicklung und Kooperativen Sicherheit. Seit 2014 ist er Professor für Wirtschaftsinformatik an der TH Wildau. Seit 2016 ist er im Vorstand des Wildau Institute of Technology und seit 2017 Vizepräsident. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen Fahrerassistenzsysteme und Business Intelligence. Barbara Kummler studierte Medienplanung, -entwicklung und -beratung an der Universität Siegen, anschließend leitete sie beim Medienarchitekturunternehmen ag4 Gbr die Software- und Contententwicklung sowie bei Pixel Park AG zahlreiche Web- und Softwareentwicklungsprojekte. Sie erhielt mehrere Branchenpreise. Seit 2012 ist sie Dozentin und Projektleiterin, seit 2014 Kernteammitglied des Zukunftslabors CreaLab und seit 2018 Leiterin des Majors Kommunikation. In ihrer Forschung konzentriert sie sich auf das Management und die Kommunikation in vernetzten selbstverwalteten Teams. Prof. Dr. Peer Küppers studierte Technische Informatik an der TU Berlin und Betriebswirtschaftslehre an der WWU Münster. Seine Promotion schloss er im Bereich Wirtschaftsinformatik und SupplyChain Management an der WWU Münster 2013 ab. Nach seiner Promotion arbeitete er als IT-Projektmanager bei der Liebherr-Aerospace Lindenberg GmbH in den Bereichen ERP, APS und BI. Im Anschluss war er als Data Scientist und Data Science Consultant für die Blue Yonder GmbH tätig. Seit 2017 ist er Professor für Wirtschaftsinformatik, insbesondere Data Science und Big Data, an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen. Prof. Dr. Christine Larbig studierte Betriebswirtschaftslehre an der AKAD Fachhochschule in Pinneberg (D) und schloss ihr MBA am Ashridge Management College in Berkhamdsted (UK) ab. In ihrer Zeit bei der Lufthansa AG in Frankfurt arbeitete sie in verschiedenen Projekten und strategischen Bereichen. Sie promovierte an der Cass Business School City University in London (UK) zum Thema „Customer Involvement in Innovation Processes“. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte

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liegen im Bereich Digitalisierung, Social Informatics, Operations Management und Innovation. Prof. Dr. Claudia Lemke ist seit über 10 Jahren Professorin für Wirtschaftsinformatik an verschiedenen Fachhochschulen, derzeit an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin. Ihre Forschungsinteressen liegen im Bereich der digitalen Transformation und Gestaltung von Unternehmen durch IT. Durch ihre Autorenschaft für das zweibändige Lehrbuch zur Wirtschaftsinformatik beschäftigt sie sich seit Längerem zusätzlich mit den Themen zum Design und zur Umsetzung digitaler Lehr- und Lernwelten. Zu diesen Themen publizierte sie bisher mehrere Buch- und Konferenzbeiträge sowie Zeitschriftenartikel, trat als Rednerin auf, engagierte sich an verschiedenen Kinder-Universtäten und berät aktuell Unternehmen auf dem Weg der digitalen Transformation. Gergana Lilligreen studierte Computervisualistik an der Universität Koblenz-Landau, wo sie 2009 ihr Diplom in Informatik erwarb. Anschließend arbeitete sie in einem mittelständischen Unternehmen im Bereich der Webentwicklung. Seit 2016 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Informatik an der Hochschule Worms. Zudem promoviert sie seit 2018 an der Hochschule Worms, in Kooperation mit der Universität Koblenz-Landau. Der Fokus ihrer Arbeit im Forschungsprojekt SAARTE liegt in der Konzeption, Entwicklung und Evaluation von Augmented-Reality-Anwendungen und didaktischen Szenarios und deren Einsatz in der Lehre. Prof. Dr. Birte Malzahn studierte Betriebswirtschaftslehre und promovierte anschließend im Fachgebiet Wirtschaftsinformatik. Anschließend war sie mehrere Jahre bei der SAP Deutschland AG & Co. KG als Softwareberaterin tätig. Seit 2012 ist sie Professorin für Wirtschaftsinformatik an der HTW Berlin. Ihre fachlichen Schwerpunkte liegen in den Bereichen Informationswirtschaft, Prozessmanagement, betriebliche Anwendungssysteme und gesellschaftliche Aspekte der IT. Prof. Dr. Vera G. Meister studierte Mathematik und BWL in Charkow und Hagen und promovierte 1988 in St. Petersburg. Zunächst arbeitete sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der TH Merseburg. Später wechselte sie in die Selbstständigkeit und beriet u. a. den Vorstand der IG Metall in Fragen der Neuordnung kaufmännischer Berufe und der Implementierung innovativer Lehr-/Lernplattformen. 2012 erhielt sie einen Ruf an die TH Brandenburg. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte sind technische Wissensmodellierung, semantische Technologien und Fachdidaktik. Zu diesen Themen ist sie Autorin zahlreicher Publikationen. Prof. Dr. rer. nat. Janett Mohnke studierte mathematische Informatik an der HumboldtUniversität zu Berlin und schloss das Studium 1991 als Diplom-Informatikerin ab. 1999 promovierte sie mit einem Thema der technischen Informatik. Nach ihrem Studium lebte

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sie mit ihrer Familie in Saarbrücken, Princeton, Stanford und dann wieder in Berlin und arbeitete an verschiedenen Universitäten sowie für die Firma DResearch Digital Media Systems GmbH als wissenschaftliche Mitarbeiterin, Softwareentwicklerin und Projektmanagerin. Seit 2008 lehrt und forscht Janett Mohnke als Professorin am Studiengang Telematik der TH Wildau. Neben dem iCampus Wildau-Projekt interessiert sie sich auch für Themen im Bereich der Programmierung eingebetteter Systeme, der Parallelprogrammierung und für Möglichkeiten und Grenzen der Informationsaufbereitung in modernen Informationssystemen. Prof. Dr. Christian Müller studierte Mathematik an der Freien Universität Berlin und promovierte 1989 über Netzwerkflüsse mit Nebenbedingungen. Von 1990 bis 1992 arbeitete er bei der Schering AG und von 1992 bis 1994 bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) im Bereich Fahr- und Dienstplanoptimierung. 1994 erhielt er einen Ruf an die Technische Hochschule Wildau, Deutschland. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Konzeption von Informationssystemen, Mathematische Optimierung und die Simulation von Geschäftsprozessen. Dipl.-Ing. (FH) Detlef Nemak absolvierte zunächst eine Berufsausbildung zum „Maschinenbauer“ und studierte später Maschinenbau mit dem Schwerpunkt Konuktionstechnik an der Ingenieurschule Wildau. Anschließend arbeitete er als Konstrukteur im Schwermaschinenbau, in der Betriebs- und Lastaufnahmemittelentwicklung als auch in der Entwicklung von Fertigungsanlagen der Autoindustrie. Er war geschäftsführender Gesellschafter der Nemak-Aluminiumbau GmbH und der Nemak-Solartechnik. Seit 2005 ist er Dozent für Konstruktion und Produktentwicklung an der Technischen Hochschule Wildau und an Berliner Hochschulen. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen im Bereich des Produktentwicklungsprozesses sowie der CAD-CAM-RP Anwendungen und der Entwicklung von Flip Teaching und Inverted Teaching. Philipp Pottenstein Nach seiner Ausbildung zum Bürokaufmann, dem erfolgreichen Abschluss an der Berufsoberschule und einigen Jahren der Selbstständigkeit entschied sich Philipp Pottenstein für ein Studium der Wirtschaftsinformatik an der Technischen Hochschule Brandenburg. Derzeit befindet er sich im 4. Semester des Masterstudienganges für Wirtschaftsinformatik. Parallel arbeitet Herr Pottenstein im Institut für Innovations- und Informationsmanagement als Projektmanager. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen der Prozessmodellierung, Webentwicklung und des agilen Projektmanagements. Prof. Dr.-Ing. Jörg Reiff-Stephan studierte Informationstechnik im Maschinenwesen an der Technischen Universität zu Berlin und promovierte am Institut für Werkzeugmaschinen und Fabrikbetrieb über neuartige, automatisierte Greifsysteme. Von 1999 und 2010 war er geschäftsführender Gesellschafter der NAISS GmbH. Tätigkeitsschwerpunkte

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waren Handhabungstechnik, Automatisierungstechnik und Prozessoptimierung sowie der Aufbau komplexer Fertigungsautomaten für die Automobilindustrie. 2011 wurde er zum Professor für Automatisierungstechnik an die TH Wildau berufen. Er leitet die Studiengänge „Automatisierungstechnik“ und „Automatisierte Energiesysteme“ und das Institut für Cyberphysische Produktionssysteme (iCPPS). Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen der industriellen Informationsverarbeitung und cyberphysischen Produktionssysteme. Er ist Autor zahlreicher Publikationen und vertritt die Bereiche als Vorstandsvorsitzender des Bundesvereins für Angewandte Automatisierungstechnik in Lehre und Entwicklung sowie als Kollegiat im DFG-Fachkollegium „Systemtechnik/CPS“. Prof. Dr. Haio Röckle studierte Mathematik an den Universitäten Stuttgart, Köln und Bochum mit Promotion 1995. In seiner Berufspraxis bearbeitete und leitete er große Projekte der IT-Beratung und gründete 1999 die Röckle IT-Sicherheit GmbH. Seit 2005 ist er Professor an der Hochschule in Ludwigshafen am Rhein für Softwareentwicklung und Informationssicherheit. Er engagiert sich für die Weiterentwicklung der Hochschule und insbesondere der grundständigen Lehre und gründete 2008 das Institut für Wirtschaftsinformatik an der Hochschule Ludwigshafen (IWIL). Prof. Dr. Marc Roedenbeck promovierte aufgrund seiner Studien zur individuellen Pfadabhängigkeit und Organisationsberatung an der Freien Universität Berlin. Bevor er nach Wildau wechselte, arbeitete er als Senior (HR) Consultant in einer weltweit agierenden Unternehmensberatung sowie einer regionalen Bank in Berlin, als kaufmännischer Geschäftsführer eines Leibniz-Forschungsinstituts, als Niederlassungsleiter einer Management-Headhunting-Agentur in Berlin und Hamburg sowie als Gründungsdekan einer privaten Hochschule. Außerdem war er mehrere Jahre als Dozent an verschiedenen privaten Universitäten in Berlin tätig. Neben seinen Aktivitäten in Wildau ist er Co-Geschäftsführer des Start-ups „The Game Doctors“. M. Eng. Konstantin Root studierte Telematik an der Technischen Hochschule Wildau. Direkt nach dem Abschluss arbeitete er als Softwareentwickler im iCampus-Team an der TH Wildau. Seit 2019 ist er im DCC-Team für den Bereich Business Intelligence und Berichtswesen zuständig. Seine Kompetenzen und Bereich von Interesse sind Business Intelligence, Webtechnologien und Webentwicklungen, Konzeption und Entwicklung der modernen Informationssysteme und Künstliche Intelligenz. Prof. Dr. Gabriele Roth-Dietrich ist Diplom-Physikerin und promovierte in Betriebswirtschaftslehre an der Universität Mannheim über Prozessoptimierung und -automatisierung im Gesundheitswesen. Sie arbeitete knapp 10 Jahre als Projektleiterin und Systemanalytikerin in Entwicklung und Produktmanagement der SAP SE. Nach einer Professur an der Hochschule Heilbronn lehrt sie seit 2011 Wirtschaftsinformatik an der Hochschule

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Mannheim und beschäftigt sich mit den Themenbereichen Unternehmenssoftware, Workflowmanagement, Business Intelligence, Projektmanagement und digitale Transformation. Prof. Dr. Marius Schlingelhof studierte Luft- und Raumfahrttechnik an der TU-Berlin und promovierte dort im Fachgebiet Ortung & Navigation zum Thema Multisensorsysteme und Moving Maps in der Luftfahrt. Anschließend arbeitete er vier Jahre in einem Raumfahrtunternehmen im Bereich Satellitensysteme und Hyperschall-Versuchsträger. Nach einer kurzen Zeit der Selbstständigkeit wirkte er am Institut für Verkehrsforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit und war dort Projektleiter für die DLR-Beiträge in den EU-Projekten CVIS und SAFESPOT, bevor er an die TH Wildau für das Fachgebiet „Luftverkehrsmanagement“ berufen wurde. Dort baute er auch den neuen Studiengang „Verkehrssystemtechnik“ auf. Prof. Dr. Christian Seel studierte Wirtschaftsinformatik an der WWU Münster und promovierte am Institut für Wirtschaftsinformatik(IWi) in Saarbrücken zu einem Thema der Informationsmodellierung. Anschließend leitete er bei IDS Scheer AG und Software AG mehrere Forschungs- und Entwicklungsprojekte. Seit 2011 ist er Professor für Wirtschaftsinformatik an der HAW Landshut. Seit 2014 ist er Leiter des Instituts für Projektmanagement und Informationsmodellierung (IPIM). 2017 wurde er im bundesweiten Wettbewerb „Professor des Jahres“ ausgezeichnet. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen Informationsmodellierung, Geschäftsprozessmanagement, hybrides Projektmanagement und Mobile Computing. Zu diesen Themen ist er Autor zahlreicher Publikationen und Patentinhaber. Er ist plötzlich und unerwartet im Oktober 2019 verstorben. Birgit Sellmer studierte Erziehungswissenschaft an der FU Berlin. Sie leitete verschiedene Projekte zur Gestaltung der Studieneingangsphase. Seit 2011 koordinierte sie das Qualitätspaktprojekt „SOS – TEAM. Strukturierung und Optimierung des Selbststudiums. Tutoring, E-Assessment, Mathematik“ im Zentrum für Qualitätsentwicklung der Technischen Hochschule Wildau, u. a. mit dem Schwerpunkt „E-Assessment“. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte liegen darüber hinaus in der überfachlichen Studienbegleitung, in der Tutorienarbeit sowie in der Beratung von Studierenden. Prof. Dr. Detlef Stern studierte Informatik mit Schwerpunkt Mathematik an der Universität Hamburg und promovierte zum Thema „Softwareschnittstellen“ an der Technischen Universität Hamburg-Harburg. Anschließend leitete er in mehreren Unternehmen die F&EAbteilungen und beriet als Senior Consultant/Senior Architect einige Unternehmen aus den Bereichen Insurance und Automotive. Seit 2008 ist er Professor an der Hochschule Heilbronn. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen agile Methoden, Digitalisierung der Lehre, dezentrale Kollaboration.

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Prof. Dr. Andreas Thor ist seit 2012 Professor für Datenbankmanagementsysteme an der Hochschule für Telekommunikation Leipzig (HfTL). Nach dem Studium der Informatik war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Informatik der Universität Leipzig und promovierte dort 2008 im Bereich Webdatenmanagement. Es folgten ein anderthalbjähriger Aufenthalt als Gastwissenschaftler an der University of Maryland (USA) sowie die Übernahme einer Vertretungsprofessur an der Universität Passau. Prof. Thors Forschungsinteressen liegen in der skalierbaren Verarbeitung und Integration großer Datenmengen zur Datenanalyse sowie im Bereich E-Learning mit Schwerpunkt E-Assessment. Prof. Dr. Alexander Wiebel ist seit 2015 Professor für Medieninformatik an der Hochschule Worms und leitet die Forschungsgruppe User Experience & Visualisierung (UX-Vis). Aktuell konzentriert sich seine Forschung auf virtuelle (VR) und erweiterte Realität (AR) und deren Anwendungen. Er promovierte 2008 an der Universität Leipzig zur Visualisierung von Strömungen. Danach forschte und entwickelte er am Max-PlanckInstitut für Kognitions- und Neurowissenschaften und dem Zuse-Institut Berlin (ZIB) im Bereich interaktiver Visualisierungsmethoden von 3D-MRT-Daten. Während dieser Zeit lehrte er zudem an der Universität Leipzig und der FU Berlin. Ab 2013 war er Professor an der Hochschule Coburg. Henning Wiechers studierte Germanistik an der Freien Universität Berlin und arbeitet seit 2006 freiberuflich als Konzepter und Webentwickler. Seit 2012 ist er im iCampusTeam an der TH Wildau für Entwicklung, Organisation und Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Prof. Dr. Eckart Wolf absolvierte zunächst eine Berufsausbildung zum „Maschinenbauer mit Abitur“ und studierte später Maschinenbau mit dem Schwerpunkt Produktionstechnik an der Fakultät für Maschinenbau der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg. Anschließend arbeitete er als Wissenschaftler am Institut für Fertigungstechnik und Qualitätssicherung und forschte zu den Gebieten Hochgeschwindigkeitsschleifen, HSC-Fräsen und Laserstrahlabtragen. Im Jahr 2007 promovierte er zum Doktoringenieur. Er ist geschäftsführender Gesellschafter der Micro e.t. GmbH und stellvertretender Vorsitzender des REFA Landesverbandes Berlin und Brandenburg e. V. Seit 2010 ist er zum Professor für Produktionstechnik und Produktionsvorbereitung an der Technischen Hochschule Wildau berufen. Er leitet den Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen im Bereich der fertigungstechnologischen Prozessgestaltung sowie der CAD-CAM-CNC-Anwendung. Prof. Dr. Patricia Wolf studierte BWL an der TU Chemnitz und Soziologie, Philosophie und Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der FU Hagen. Sie promovierte zum Thema Wissensmanagement an der Universität Witten-Herdecke und habilitierte sich 2012 zum

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Zusammenhang von Innovations- und Wissensmanagement am Department MTEC der ETH Zürich. Seit 2005 ist sie an der Hochschule Luzern –Wirtschaft, seit 2007 als Professorin, wo sie von 2011 bis 2018 das Zukunftslabor CreaLab aufbaute. Seit September 2018 ist sie Professorin WSR für Integrative Innovation Management an der University of Southern Denmark.

Teil I Einführung

Digitalisierung in Hochschulen – eine Einführung

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Thomas Barton, Christian Müller und Christian Seel

Zusammenfassung

Dieses Kapitel nimmt Bezug auf eine Schwerpunktstudie zur Digitalisierung der Hochschulen und auf die Empfehlungen der Kultusministerkonferenz zur Digitalisierung in der Hochschullehre. Es stellt die Gliederung des Buches in Organisation der Hochschule, Lehre im Zeitalter der Digitalisierung und Forschung im Zeitalter der Digitalisierung vor und gibt einen Überblick über darin enthaltende Beiträge, die aufzeigen, wie Hochschulen mit den Herausforderungen durch die Digitalisierung umgehen. Schlüsselwörter

Digitalisierung · Organisation · Studium · Lehre · Forschung Für Lehrende und Forschende im Bereich der angewandten Wirtschaftsinformatik ist die intensive Auseinandersetzung mit den Grundlagen der Informationstechnologie einerseits und ihrer Anwendung im betrieblichen Kontext andererseits eine Selbstverständlichkeit. In den letzten Jahren hat allerdings sowohl die Geschwindigkeit des

T. Barton Hochschule Worms, Worms, Deutschland E-Mail: [email protected] C. Müller Technische Hochschule Wildau, Wildau, Deutschland E-Mail: [email protected] C. Seel (*) Hochschule Landshut, Landshut, Deutschland E-Mail: [email protected] # Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 T. Barton et al. (Hrsg.), Hochschulen in Zeiten der Digitalisierung, Angewandte Wirtschaftsinformatik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26618-9_1

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T. Barton et al.

technologischen Fortschritts als auch der immer weiter zunehmende, allgegenwärtige Einsatz von Informationstechnologie dazu geführt, dass sich unsere gesamte Gesellschaft in einem Wandel befindet. Dieser Wandel und die zugrundeliegenden Entwicklungen werden mit den Begriffen Digitalisierung und digitale Transformation beschrieben. Für Lehrende und Forschende im Bereich der angewandten Wirtschaftsinformatik ist es daher selbstverständlich, sich mit der Digitalisierung und der digitalen Transformation in Hochschulen intensiv zu befassen. Nach den Ergebnissen einer Schwerpunktstudie [1] zur Digitalisierung der Hochschulen wird an Hochschulen der Stellenwert der Digitalisierung als hoch eingeschätzt. So schätzen 83 % der Hochschulen die Bedeutung der Digitalisierung als hoch oder sehr hoch ein. Die größte Bedeutung kommt der Studie zufolge zwei Bereichen zu: der Digitalisierung von Lehren und Lernen und der Digitalisierung der Verwaltung. Von der Kultusministerkonferenz (KMK) liegen seit März 2019 Empfehlungen zur Digitalisierung in der Hochschullehre vor. Hierbei gehören folgende Empfehlungen zu den acht formulierten Zielvorstellungen [2]: • Die Hochschulen nutzen die Chancen der Digitalisierung konsequent zur hochschulübergreifenden Unterstützung und Weiterentwicklung der Lehre. • Die Hochschule stellt die Information, den Austausch und die Vernetzung der Lehrenden zur Weiterentwicklung digitaler Lehre sicher. • Die Lehrenden tauschen sich in ihren Fachdisziplinen zum Einsatz digitaler Medien aus und entwickeln geeignete Konzepte zur curricularen Integration digitaler Elemente in die Lehre und neuer digitaler Lern- und Lehrformate. Im Rahmen des vorliegenden Bandes 4 der Reihe „Angewandte Wirtschaftsinformatik“ werden hochschulübergreifend aktuelle Konzepte und Beispiele vorgestellt, die aufzeigen, wie Hochschulen mit den Herausforderungen durch die Digitalisierung umgehen. Band 4 stellt eine Zusammenstellung dar, die aus unserer Sicht den State of the Art beschreibt. Hierbei werden in sechzehn Beiträgen von verschiedenen Autorenteams Konzepte und Szenarien zusammengetragen, die sich in drei Abschnitte gliedern lassen: Hochschulorganisation sowie Lehre und Forschung im Zeitalter der Digitalisierung. Hierbei spielt die Gestaltung der digitalen Transformation bei der Organisation der Hochschule eine wichtige Rolle. So sind neun der sechzehn Beiträge in diesem Band diesem Themenbereich zugeordnet. Konzepte und Szenarien zum Einsatz digitaler Technologien finden sich im Teil „Lehre im Zeitalter der Digitalisierung“. Fünf der sechzehn Beiträge in diesem Band widmen sich diesem Thema. Auch Forschung spielt aus Sicht der angewandten Wirtschaftsinformatik eine wichtige Rolle. Zwei Beiträge in diesem Band sind dem Teil Forschung im Zeitalter der Digitalisierung zugeordnet. Die ausgewählten Beiträge sollen gewährleisten, dass die Bedeutung von Digitalisierung und von digitaler Transformation in Hochschulen möglichst umfassend dargestellt werden kann.

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Digitalisierung in Hochschulen – eine Einführung

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Organisation der Hochschule

Teil 1 zu Organisation der Hochschule befasst sich mit der Gestaltung der digitalen Transformation bei der Organisation einer Hochschule. Hierbei werden ausgehend von der Perspektive der Studierenden neue Formen des Dialogs mit Studieninteressierten erörtert. Eine digitale Lernfabrik für eine Hochschule wird vorgestellt. Die Gestaltung von Hochschulprozessen wird anhand eines Szenarios modelliert. Der Einsatz von elektronischen Prüfungen und Tests wird thematisiert. Darüber hinaus werden Softwareanwendungen für Verwaltungsprozesse vorgestellt und Methoden des Enterprise-ArchitectureManagements in der Digitalstrategie einer Hochschule angewandt. Als Ausgangspunkt nimmt das Autorinnenteam Ute Klotz, Christine Larbig, Sheron Baumann und Barbara Kummler in ihrem Beitrag „Stell Dir vor, Du hast drei Wünsche frei. Die digitalisierte Hochschule aus Sicht der Studierenden – ein Perspektivenwechsel“ die Sicht der Studierenden ein und leitet auf der Basis von Science-Fiction-Geschichten, die von Studierenden erstellt wurden, vier Szenarien für die digitalisierte Hochschule im Jahr 2030 ab. Der Beitrag „Chatbots in der Studienorientierung“ von Nora Carstensen und Marc Roedenbeck beschäftigt sich mit der Fragestellung, wie Chatbots als digitale Dialogsysteme eingesetzt werden können, um die Kommunikation mit Studieninteressierten effizienter zu gestalten. Michael Gröschel und Jaqueline Dreisbach untersuchen in ihrem Beitrag „Einsatz von Videos im Studiengangmarketing: eine empirische Untersuchung“, wie die Gewinnung geeigneter Studierender erfolgen kann, indem Videos im Rahmen des Studiengangmarketings eingesetzt werden. Der Beitrag „Wildauer Maschinen Werke – Digitale Lernfabrik für interdisziplinäre Lehre und Forschung“ von Stefan Kubica, Eckart Wolf, Detlef Nemak, Jörg Reiff-Stephan, Marc Roedenbeck, Marius Schlingelhof, Frank Gillert und Sebastian Krautz stellt eine digitale Lernfabrik vor, die unterschiedliche Bereiche eines Unternehmens der Automobilbranche abbildet und für verschiedene Studiengänge eingesetzt werden kann. Vera G. Meister, Wenxin Hu und Philipp Pottenstein stellen in dem Beitrag „Wissensgraph-basierter Modulkatalog“ einen Ansatz vor, wie ein Modulkatalog an der Schnittstelle zwischen digitaler Lehre und digitalem Campusmanagement gestaltet werden kann. Birte Malzahn, Thomas Groß, Ingo Claßen zeigen in ihrem Beitrag „Eine mobile Infrastruktur zur Durchführung von E-Prüfungen“, wie eine einfach skalierbare und relativ kostengünstige Infrastruktur aussehen kann, um Prüfungen ohne Papier durchzuführen. Der Beitrag „Chancen und Herausforderungen von E-Assessments im Anwendungskontext“ von Xenia V. Jeremias und Birgit Sellmer stellt Einsatzszenarien von E-Assessments sowie Evaluationsergebnisse zu E-Prüfungen dar. In dem Beitrag „Reorganisation und Optimierung von Prozessen am Beispiel der Verwaltung von Abschlussarbeiten und des Qualitätsmonitorings von Studiengängen“ von Alfredo Azmitia, Janett Mohnke, Christian Müller, Konstantin Root und Henning

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T. Barton et al.

Wiechers stehen Softwareanwendungen, die sowohl Verwaltungsprozesse rund um die Erstellung von Abschlussarbeiten als auch Akkreditierungsprozesse unterstützen, und ihre Erstellung mit agilen Methoden im Fokus. Peer Küppers, Haio Röckle und Carsten Dorrhauer zeigen in ihrem Beitrag „Der Weg zur Digitalstrategie am Beispiel der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft in Ludwigshafen am Rhein“ auf, wie Mechanismen der strategischen Planung zur Entwicklung einer Digitalstrategie genutzt werden.

1.2

Lehre im Zeitalter der Digitalisierung

Teil 2 zu Lehre im Zeitalter der Digitalisierung befasst sich mit Konzepten und Szenarien rund um die Verwendung von digitalen Technologien in der Lehre. Der Einsatz von digitalen Technologien wie Podcasts, Augmented Reality und MOOCs wird exemplarisch vorgestellt. Weiterhin kommen in der Lehre Informationssysteme wie Issue-TrackingSysteme und Abstimmungssysteme zur Anwendung. In ihrem Beitrag „Podcasting in digitaler Lehre und Wissenschaftskommunikation“ beschreiben Jürgen Karla und Sabine Hoffmann, wie Studierende im Rahmen von Lehrveranstaltungen Podcasts als digitale Produkte selbstständig entwickeln. Der Beitrag „Agiles Studieren!“ von Detlef Stern stellt ein Konzept vor, das auf den Ideen des selbstbestimmten Lernens und der schnellen Rückmeldung von Lösungsvorschlägen basiert und von Coachingprozessen begleitet wird. Gabriele Roth-Dietrich stellt in ihrem Beitrag „Integration von Electronic ResponseSystemen in Anwendungsfallstudien mit SAP-Software“ vor, wie Electronic ResponseSysteme eingesetzt werden, um in Vorlesungen mit großem Teilnehmerkreis Studierende aktiv einzubeziehen. In ihrem Beitrag „Augmented Reality in Vorlesung und Übung: Lehre und Interaktion neu gedacht“ zeigen Gergana Lilligreen und Alexander Wiebel auf, wie der Einsatz von Augmented Reality in Lehrveranstaltungen an Hochschulen erfolgen kann. Kathrin Kirchner und Claudia Lemke diskutieren in ihrem Beitrag „MOOCs als disruptive Innovation für die akademische Bildung“ das Phänomen MOOC auf der Grundlage einer umfassenden Begriffsbestimmung und auf Basis von Interviews mit MOOC-Anbietern.

1.3

Forschung im Zeitalter der Digitalisierung

Teil 3 zu Forschung im Zeitalter der Digitalisierung befasst sich mit den Auswirkungen der Digitalisierung auf Forschung und auf den Forschungsprozess. Der Einfluss von digitalen Plattformen wird thematisiert. Das Konzept eines Forschungsinformationssystems wird vorgestellt.

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Digitalisierung in Hochschulen – eine Einführung

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Der Beitrag „Skalierung von Plattformen in der disruptiven Digitalisierung der Forschung“ von Markus von der Heyde, Gunnar Auth, Andreas Hartmann und Christian Erfurth geht der Fragestellung nach, welche Rolle digitale Plattformen und darauf basierende Ökosysteme für die Digitalisierung der Forschung spielen. Gunnar Auth, Christian Czarnecki, Frank Bensberg und Andreas Thor untersuchen in dem Beitrag „Digitalisierung des Forschungsprozesses aus Sicht von Forschenden – durch Serviceintegration zum persönlichen Forschungsinformationssystem“, wie der Forschungsprozess durch digitale Werkzeuge verbessert werden kann, und skizzieren das Konzept eines persönlichen Forschungsinformationssystems.

Literatur 1. Gilch H, Beise AS, Krempkow R, Müller M, Stratmann F, Wannemacher K (2019) Digitalisierung der Hochschulen – Ergebnisse einer Schwerpunktstudie für die Expertenkommission Forschung und Innovation. https://www.e-fi.de/fileadmin/Innovationsstudien_2019/StuDIS_14_2019.pdf. Zugegriffen am 30.04.2019 2. Kultusministerkonferenz (2019) Empfehlungen zur Digitalisierung in der Hochschullehre. https:// www.kmk.org/fileadmin/Dateien/pdf/PresseUndAktuelles/2019/BS_190314_Empfehlungen_ Digitalisierung_Hochschullehre.pdf. Zugegriffen am 30.04.2019

Teil II Organisation der Hochschule

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Stell Dir vor, Du hast drei Wünsche frei. Die digitalisierte Hochschule aus Sicht der Studierenden – ein Perspektivenwechsel Ute Klotz, Sheron Baumann, Patricia Wolf, Christine Larbig und Barbara Kummler

Zusammenfassung

Im Rahmen des Projektes „Die digitalisierte Hochschule aus Sicht der Studierenden in der Ausbildung im Jahr 2030“ hat man Studierende in Workshops sehr kurze ScienceFiction-Geschichten (Flash Fiction) schreiben lassen und diese analysiert. Aus diesen Science-Fiction-Geschichten wurden vier Szenarien für die digitalisierte Hochschule im Jahr 2030 abgeleitet: (1) Die traditionelle Hochschule mit digitalisierten Lehrveranstaltungen, (2) Die Hochschule mit individualisierter und digitalisierter Lehre, (3) Die Hochschule als digitalisierter Country Club, (4) Die automatisierte/intelligente Hochschule. Der Vergleich mit anderen Studien, die sich ebenfalls mit der Hochschule der Zukunft beschäftigen, aber andere methodische Ansätze gewählt haben, zeigt einzelne thematische Überschneidungen. Die Ergebnisse dieses Projektes fließen in den Strategieprozess 2020–2023 des Departements Informatik der Hochschule Luzern ein. Schlüsselwörter

Hochschule · Digitalisierung · Studierende · Dozierende · Zukunft · Science-Fiction · Qualitätsmanagement · Unterricht · Lehre

U. Klotz (*) · S. Baumann · C. Larbig · B. Kummler Hochschule Luzern, Luzern, Schweiz E-Mail: [email protected]; [email protected]; [email protected]; [email protected] P. Wolf University of Southern Denmark, Odense, Dänemark E-Mail: [email protected] # Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 T. Barton et al. (Hrsg.), Hochschulen in Zeiten der Digitalisierung, Angewandte Wirtschaftsinformatik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26618-9_2

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2.1

U. Klotz et al.

Ausgangssituation

Man weiß, dass die Hochschule der Zukunft anders aussehen wird. Unklar ist, wie sie genau aussehen wird. Nach Ehlers [1] sind die wesentlichen Treiber der zukünftigen Hochschule eine stärkere Bildungsbeteiligung, eine zunehmende Diversität der Lebenslagen, die Digitalisierung und die Bedürfnisse der Studierenden. Während Ehlers [1] die stärksten Treiber einerseits beim gestiegenen Stellenwert der Bildung in der Gesellschaft sieht und andererseits bei der Digitalisierung, möchte die Hochschule Luzern als Teil ihres hochschulweiten Digitalisierungsprojekts bei den Studierendenbedürfnissen ansetzen und zusammen mit den Studierenden herausfinden, wie die Hochschule der Zukunft aussehen soll. Der Grund dafür ist die Annahme, dass die Bedürfnisse der Studierenden einen wesentlichen Teil ihrer Profilbildung ausmachen werden [2]. Die Möglichkeit einer direkten qualitativen Befragung der Studierenden über die zukünftige, digitalisierte Hochschule ist schwierig, da gemäß Weichbold [3] höchstens Vorstellungen über mögliche, alternative Zukünfte erfragt werden können. Für die Einschätzung dieser Vorstellungen wäre es zudem wichtig zu wissen, welches Wissen die Befragten über die Zukunft zum Zeitpunkt der Befragung hatten, wie dieses Wissen zustande kam und wie es formuliert wurde. Das Wissen selbst, das in die Zukunftsvorstellungen einfließt, hat gemäß Grunwald [4] verschiedene Formen. So wird zwischen gegenwärtigem Wissen, das nach Kriterien evaluiert und anerkannt ist, Einschätzungen zukünftiger Entwicklungen, die auf jetzigem Wissen beruhen und sich dadurch erklären lassen, ceteris-paribus-Bedingungen, die disruptive Veränderungen ausschließen, und ad-hoc-Annahmen, die einfach festgelegt werden, unterschieden. Scharmer dagegen definiert dieses Wissen über die Zukunft als Teil des selbsttranszendenten Wissens [5], das wiederum implizites Wissen darstellt. Das innere Sehen bzw. Bewusst werden von Zukunftsmöglichkeiten bezeichnen Senge und Co-Autoren [6] als Presencing. In diesem Projekt wurde deshalb versucht, die Unzulänglichkeiten einer quantitativen Befragung zu umgehen und den Prozessschritt des Presencing durch das Schreiben von sehr kurzen Science-Fiction-Geschichten zu erreichen.

2.2

Zentrale Fragestellung und Methodik

Die zentrale Fragestellung des Projektes lautete: „Wie sieht die digitalisierte Hochschule im Jahr 2030 aus Sicht der Studierenden aus?“ Es wurden insgesamt drei Workshops durchgeführt, in denen 80 Bachelor- und Masterstudierende 219 sehr kurze ScienceFiction-Geschichten von Hand geschrieben haben. Die Studierenden gehörten unterschiedlichen Studiengängen zweier Hochschulen (Hochschule Luzern – Departement Technik & Architektur, Wirtschaft, Informatik und Soziale Arbeit; Eidgenössische Technische Hochschule Zürich) an. Diese Science-Fiction-Geschichten wurden in Deutsch und Englisch geschrieben, transkribiert und inhaltsanalytisch ausgewertet. Basierend auf dieser

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Stell Dir vor, Du hast drei Wünsche frei. Die digitalisierte . . .

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Analyse war es möglich, im Material verschiedene Typen von Zukunftsszenarien zu unterscheiden [7]. Die Methode Flash Fiction [8] bedeutet, auf das Projekt angewandt, dass sehr kurze Science-Fiction-Geschichten im Umfang von 150 bis 300 Wörtern in drei bis fünf Minuten geschrieben werden sollen. Aufgrund der Zeitknappheit wird erwartet, dass die Autorinnen und Autoren sich auf ein Thema, eine Situation oder eine Person konzentrieren [9–11]. Dazu kommt, dass die zentrale Fragestellung in mehrere Leitfragen heruntergebrochen wird. Insgesamt wurden in jedem Workshop drei Durchgänge von jeweils drei bis fünf Minuten durchgeführt, in denen die Kurzgeschichten geschrieben wurden. Nach jedem Durchgang wurden die Studierenden aufgefordert, ihre Science-Fiction-Geschichten vorzulesen, um sich gegenseitig für den nächsten Durchgang zu inspirieren. Alle Science-FictionGeschichten wurden nach den Workshops transkribiert und inhaltsanalytisch untersucht [8]. Für die Workshops wurden drei Leitfragen formuliert, und jeweils eine Fragestellung wurde in einem Workshopdurchgang zum Schreiben benutzt [7]: Stell Dir vor, es gibt eine Hauptfigur in deiner Geschichte im Jahr 2030: 1. In was für einer Welt lebt und arbeitet die Hauptfigur im Jahr 2030? 2. Die Hauptfigur studiert an der digitalisierten Hochschule im Jahr 2030: Was lernt sie und wie lernt sie an einem normalen Tag? Wer und wie wird unterrichtet? 3. Die Hauptfigur studiert an der digitalisierten Hochschule im Jahr 2030: Welche Aktivitäten bietet die Hochschule an einem normalen Tag neben dem Unterricht noch an? Wer nimmt daran teil?

2.3

Datenanalyse

Die insgesamt 219 Geschichten wurden mithilfe eines Codesystems analysiert. Dazu gehörten folgende Codes: Studium/Unterricht, Arbeit, Leben, Digitalisierung, Räume (an der Hochschule), Mobilität, Dozierende, Mitstudierende, Themen (im Studium, fachlich), Freizeit, Leben außerhalb der Hochschule, Wohnen, Aktivitäten Hochschule und Sonstiges. Es wurde damit versucht, einen umfassenden Blick auf die 219 Geschichten zu bekommen, die drei Fragen (Abschn. 2.2) zu beantworten und daraus Zukunftsszenarien zu entwickeln. Die entwickelten Szenarien (Abschn. 2.5) können durchaus auf denselben Codekategorien beruhen, darin aber in unterschiedlicher Ausprägung vorliegen.

2.4

Allgemeine Aussagen

2.4.1

Leben und Arbeiten

Für die Frage 1 „In was für einer Welt lebt und arbeitet die Hauptfigur im Jahr 2030?“ wurden die entsprechenden Geschichten ausgewertet, und es ergibt sich das folgende Zukunftsbild [12]:

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U. Klotz et al.

Das Wohnen findet in Wohngemeinschaften (G152, G155) oder Siedlungen (G1) statt. Bei den Letzteren werden Aspekte der Selbstversorgung erwähnt, z. B. bezüglich Stromversorgung. Die Mobilität erfolgt u. a. durch ÖV (G1, G57, G101), Zug (G187, G197), Carsharing (G10), Fahrrad (G161), Elektroauto (G161, G170) bis hin zum fliegenden Hoverboard (G190). Es gibt aber auch Hinweise auf Einschränkungen des Individualverkehrs. So heißt es: Public transportation is the most common way of mobility since cars are almost something that normal people cannot afford ... to rising fixed taxes imposed by government to decrease city pollution (G101) [12].

Die Gesellschaft wird als eine beschrieben, die langsamer geworden ist, weil die Menschen überfordert waren. Man legt im Jahr 2030 mehr Wert auf Lebensqualität und Ausgeglichenheit und besinnt sich wieder auf die traditionellen Werte. Die Arbeitsprozesse werden aber trotzdem weiterentwickelt, digitalisiert und effizient gemacht (G76). Des Weiteren wird die Gesellschaft als umweltfreundlich, voller Freiheit, ohne Druck und Stress, ohne Verpflichtungen und ohne Geldprobleme beschrieben (G173) [12]. Bezüglich des Themas Sport, der entweder als Angebot der Hochschule beschrieben oder neben dem Studium betrieben wird, werden widersprüchliche Bilder gezeichnet: So gibt es einerseits Studierende, die gern Sport machen (G19, 32, 35, 47, 57, 125, 164) und andererseits Studierende, die als immer bequemer werdend beschrieben werden (G13). Die Einsamkeit nimmt punktuell zu (G80, G182, G207).

2.4.2

Lehren und Lernen

Aus Sicht der Hochschule und der Studierenden sind die Inhalte, die angeboten bzw. studiert werden, wichtig. Deshalb wurde eine Antwort auf die Teilfrage 2 „Was lernt sie (die Hauptfigur) und wie lernt sie an einem normalen Tag?“ gesucht und dazu alle Geschichten analysiert. Es werden die folgenden Themen genannt (in alphabetischer Reihenfolge) [7]: Architektur, Backen, Computer Engineering, Design Cars, Design thinking, creative mood, Freizeitaktivitäten und Achtsamkeit, Geschichte, How to make pizza, How to socialize, How to survive without energy, IT studieren, Keeping bees, Kochkurse, Kreativität, Mathe studieren, Physics and chemistry topics, Programmieren, Recherche, Soziale Kompetenz und Präsentationstechnik, Städtebauliche Entwicklung in Sevilla, Studying whatever catches his interest, Töpfern, Verschiedene Disziplinen, Wirtschaftsinformatik.

Die Bandbreite an Themen ist groß, und zumindest aus heutiger Sicht ist nicht alles hochschulwürdig [7]. Die zur Teilfrage 2 gehörende Frage „Wie lernt sie (die Hauptfigur) an einem normalen Tag?“ bzw. „Wer und wie wird unterrichtet?“ wird am häufigsten mit Onlinevorlesungen

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Stell Dir vor, Du hast drei Wünsche frei. Die digitalisierte . . .

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beantwortet (G2, G8, G20, G23, G26, G39, G59, G65, G77, G87, G90, G99, G102, G105, G117, G123, G132, G144, G156, G180, G205, G208, G211, G217) [12]. Dazu kommen digitale Dozierende, die neue Module/Kurse vorstellen (G108), Chatbots, die den Studierenden die individuellen Fragen beantworten (G179), oder Roboter, die unterrichten (G2, G11, G23, 82, 171) [12]. So heißt es: Dozenten gibt es aber fast keine mehr, diese werden alle ersetzt durch Roboter (wie Einstein, der Mathematik Unterricht gibt) (G23) [12]. Es [der Dozierenden-Roboter] handelt sich um eine künstliche Intelligenz, welche auf alles Wissen auf der Welt Zugriff hat (G11) [12].

Das Thema Künstliche Intelligenz wird mehrmals erwähnt: entweder im Zusammenhang mit individuellen Lernmöglichkeiten (G102) und individuellen Modul-/Kursempfehlungen (G150) oder im Sinne von individueller Unterstützung in Form eines Coaches oder eines Lernprogramms (G102, G153, 185) [12]. He starts connecting via platform online to read and collect infos about the daily tasks that he has been assigned to by the AI learning platform, which provides a customized-based e-learning path to each (G102) [12].

In den Geschichten wird eine Vielfalt an Lernmöglichkeiten beschrieben. Es fängt an beim völlig selbstbestimmten Lernen, über das selbstorganisierte Lernen mit anschließender Lernkontrolle bis hin zum direkten Download in das Gehirn oder die Aufnahme durch die Haut (G55, G99, G108, G141) [12]. So heißt es: Er (Bob) bestimmt selbst, mit was er sich beschäftigt und wann oder wo er dies tut. Sein Abschluss ist individuell und entspricht keinem Standard (G55) [12]. The normal day is completely self-organized. . . . she sets this goal herself, but her personal study coordinator will check, if she has done it and contact her if she did not (G99) [12]. The courses can be directly downloaded to the brain. No need for visiting a university or seeing teachers (G108) [12]. She takes up all the content sub-consciously over hearing and the skin (G141) [12].

Und die Konsequenz daraus wird so beschrieben: Reading books is not required anymore (G141) [12].

Bezüglich des Einsatzes von Technologien werden neben Künstlicher Intelligenz auch Virtual und Augmented Reality erwähnt. VR-Brillen werden verwendet, um den Videolektionen zu folgen (G123), um im Rahmen des Brainstormings Ideen zu generieren (G126) oder um sich mit den Mitstudierenden zu treffen (G114) [12].

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U. Klotz et al.

2.4.3

Freizeit

Bei der Frage 3 „Welche Aktivitäten bietet die Hochschule an einem normalen Tag neben dem Unterricht noch an? Wer nimmt daran teil?“ ist die Vielfalt bezogen auf die erste Teilfrage groß, während die zweite Teilfrage vernachlässigt wurde. Die folgenden Aktivitäten können so interpretiert werden, dass diese von der Hochschule angeboten werden und mehrheitlich Sportaktivitäten sind (in alphabetischer Reihenfolge): Beach Volleyball, Bilder malen, Digiball – die neue Trendsportart, Gaming-Gruppen, Gym, Mountainhike, Partys, Running, Shooting, Hunting, Combat, Speerwurf, Sports, Squash, Swimming & Sauna, Töpferkurs, Triathlon, Virtuell Jassen & Ping-Pong spielen. Des Weiteren werden noch „BBQ with friends“ und „Buch lesen“ erwähnt, ohne diese explizit auf die Hochschule zu beziehen [7]. Die Sportaktivitäten werden durch einen digitalen Assistenten ergänzt, der das tägliche Leistungsniveau testet und bestimmte Trainingsprogramme empfiehlt (G127, G130, G133, G151). Die Sportaktivitäten werden noch durch einen Gesundheitscheck ergänzt. Es heißt: Health is very important and individual analyses on how to improve are offered by university (G142) [12].

Trotz der zahlreichen Sportaktivitäten werden immer wieder die mangelnden sozialen und kommunikativen Kompetenzen erwähnt (G85, G178, 212). So heißt es: Since 2 years, there are designated areas where no Wi-Fi or mobile connections are available and mobile devices are not allowed. This is good for students to train their social abilities. Many students showed problems in interaction with the social in recent years (G85) [12].

2.5

Szenarien

Aus den 219 Geschichten wurden vier Szenarien abgeleitet. Diese dienen als längerfristige Zukunftsbilder, auf deren Basis geeignete Maßnahmen für eine positive Zukunftsentwicklung entworfen werden [13]. Der wichtigste Einflussfaktor ist die Digitalisierung. Es wurden die folgenden vier Szenarien identifiziert [7]: (1) Die traditionelle Hochschule mit digitalisierten Lehrveranstaltungen, (2) Die Hochschule mit individualisierter und digitalisierter Lehre (3), Die Hochschule als digitalisierter Country Club und (4) Die automatisierte/intelligente Hochschule.

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2.5.1

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Die traditionelle Hochschule mit digitalisierten Lehrveranstaltungen

Die meisten Geschichten nehmen die Digitalisierung aus den Leitfragen auf und erwähnen sie in irgendeiner Form. So muss man davon ausgehen, dass die Lehrveranstaltungen mehrheitlich online stattfinden, entweder als auf Video aufgenommene Veranstaltung, welche nach Bedarf konsumiert wird, oder in Echtzeit als Onlinelehrveranstaltung, zu der man sich einloggt. Unklar ist, in welcher Form die Prüfungen stattfinden: vor Ort auf Papier oder elektronisch. Die Konsequenz der zunehmenden Digitalisierung wäre, dass die Hochschule weniger Räumlichkeiten besitzt [7]. So heißt es: Er steht am Morgen auf, zieht seine VR Brille an, und schon ist er im Unterricht. Nur für Projekte muss er nach Horw fahren, sonst ist alles online (G75) [12]. Sie hat Luzern bis jetzt nur an den Prüfungstagen gesehen. Obwohl sonst alles remote passiert – bei der Prüfung sind sie dann doch noch sehr altmodisch (47).

2.5.2

Die Hochschule mit individualisierter und digitalisierter Lehre

Es werden immer wieder Elemente individualisierter, digitalisierter Lehre erwähnt. So heißt es, dass zeit- und ortsunabhängig studiert werden kann, dass man selbst bestimmen kann, was man studieren möchte, dass aufgrund einer Gehirnanalyse festgestellt werden kann, wann die Aufnahmefähigkeit des Gehirns am besten ist und dass der menschliche Dozierende individuell verfügbar ist [7]. Hier zwei Beispiele: Er kann somit jegliche Unterrichtsstunden stationär durchführen und individuell auswählen, was er wann unterrichtet haben möchte (G27) [12]. She reads the description, watches some introduction videos and makes her choice about the following weeks (86) [12].

2.5.3

Die automatisierte/intelligente Hochschule

In diesem Szenario ist die Hochschule am stärksten/weitesten automatisiert. Im Gegensatz zu Szenario 1 sind die Dozierenden, Tutoren, Assistenten mehr oder weniger digitalisiert. So werden u. a. digitale Assistenten eingesetzt, um den Studierenden zu helfen, ihre Aufgaben zu bewältigen oder ihre vielfältigen Freizeitaktivitäten zu steuern. Das Lernen stellt keine Anstrengung mehr dar. Das Lernen ist entweder nicht mehr notwendig, weil man alles nachschauen oder -schlagen kann, oder das Wissen wird direkt ins Gehirn geladen [7].

18

U. Klotz et al. Today, his brain and metabolism analysis shows that it is a good day for him to lean in physics and chemistry topics so the schedule is automatically updated to incorporate the most appropriate lectures he can benefit the most of today (G138) [12]. Lisa with her background in pharmacology is active in a study developing a drug to help students learn to play an instrument without having to practice (G88) [12].

2.5.4

Die digitalisierte Hochschule als Country Club

In diesem Szenario liegt der Fokus auf der Hochschule für extracurriculare und soziale Aktivitäten. Die Hochschule organisiert Mittagessen, um den Studierenden die Möglichkeit zu geben, sich auszutauschen, sie stellt Räume für Studierendentreffen zur Verfügung und belohnt Studierende für gute Studienleistungen mit Massagen. Grundsätzlich stellt die Hochschule sicher, dass die Studierenden ihre Hobbys nicht aufgeben. In der digitalisierten Hochschule können die Räume, die nicht mehr für die Vorlesungen benutzt werden, anderweitig genutzt werden [7]. So heißt es: She doesn't have many friends anymore and socializing is difficult for her, therefore the ETH provides courses in how to socialize, which she will attend in the evening (G136) [12]. Wegen der wegfallenden Vorlesungsräume sind Squashhallen und andere Sportmöglichkeiten in die leeren Vorlesungsräume gezogen (G57) [12].

2.6

Vergleich

Vergleicht man die Science-Fiction-Geschichten der Studierenden mit ausgewählten Aspekten der Skizze von Ehlers [1] zur Hochschule der Zukunft, dann werden die folgenden Dimensionen von Ehlers in den Geschichten bestätigt: • Dimension Abschlüsse: Das Studium setzt sich aus verschiedenen Einheiten zusammen, die eventuell auch an verschiedenen Hochschulen besucht werden und dann später zu einem Abschluss zusammengefasst werden können. Diese Dimension wird in den Geschichten so beschrieben: Bildungsinstitutionenübergreifendes Studium ist möglich (G204) [12]. Sein Abschluss ist individuell und entspricht keinem Standard (G55) [12].

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• Dimension Studienpfad/Taktung: Der Studienverlauf ist individuell und bietet viele Wahlmöglichkeiten. Dazu kommen flexible Zeitstrukturen. Hier vier Beispiele aus den Science-Fiction-Geschichten: Er kann somit jegliche Unterrichtsstunden stationär durchführen und individuell auswählen, was er wann unterrichtet haben möchte (G61) [12]. Sein selbst zusammen gestelltes Lehrprogramm und dessen Umsetzung entscheiden über seine Chancen im Markt (G56) [12]. . . . that he has been assigned by the AI learning platform which provides a customizedbased e-learning path to each ... (G102) [12]. Ich kann das Lernen aber beeinflussen und lerne nur was mir gefällt (G43) [12].

• Dimension Curriculum: Der Fokus ist stärker auf langfristige Beschäftigungsfähigkeit und Handlungskompetenzen ausgerichtet. So heißt es: Wichtiger ist der Beruf, seine Fähigkeiten (G172) [12]. Ich arbeite neben der Hochschule direkt als Assistent (wie jeder, der an dieser Hochschule studiert), so kann ich Gelerntes gleich anwenden und festigen (G58) [12]. Im Studium wird nicht mehr wirklich Wissen angeeignet, da man alles online abrufen kann, es geht mehr um die Anwendung (G183) [12].

• Dimension Lernmodell: Das Lernen findet zusammen mit anderen Studierenden und Dozierenden statt. In den Science-Fiction-Geschichten wird das beispielsweise so beschrieben: Die Studierenden und Dozierenden können Gruppen bilden und sich so schriftlich oder mündlich austauschen (G2) [12]. Die Studis sind immer nach Lerngruppen zugeteilt. Nur werden diese länderunabhängig aufgrund von Interessen gebildet (G194) [12].

• Dimension Prüfungen: Die Prüfungen finden kompetenzorientiert statt, dazu in größeren Abständen und inhaltlich umfangreicher. Der erste Teil der Aussage findet sich auch in den Science-Fiction-Geschichten wieder. Es heißt: Es gibt ja keine eigentlichen Prüfungen wie früher, aber ich muss in der Praxis zeigen, dass ich wirklich was gelernt habe (G43) [12].

Zu den Dimensionen Anerkennung vorheriger Kenntnisse & Erfahrungen, Zertifizierung, Wissenschafts-/Hochschulstruktur, Organisationsrahmen, Reputation und Durchlässigkeit,

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die ebenfalls in der Skizze von Ehlers erwähnt werden, lassen sich in den Science-FictionGeschichten keine Hinweise finden. Das könnte u. a. daran liegen, dass die Zeit für das Schreiben der Science-Fiction-Geschichten relativ kurz bemessen war oder diese Problematiken im Bewusstsein der Studierenden eine untergeordnete Rolle spielen.

2.7

Die Fachhochschulen im Jahr 2030

Die Hochschule der Zukunft ist ein wiederkehrendes Thema, auch wenn die Auslöser verschieden sind. So ist es beim beschriebenen Projekt im Jahr 2018 die Digitalisierung [7], während es bei Gregersen [13] im Jahr 2006 die alternde Gesellschaft war. Man wollte im Rahmen der in Deutschland durchgeführten Delphi-Studie [14] herausfinden, welche Maßnahmen ergriffen werden müssten, um die Herausforderungen der Globalisierung, des demografischen Wandels, neuer Forschungsfragen und der veränderten Erwartungshaltung bezogen auf die Ausbildung bewältigen zu können. Das Ziel des HochschulDelphis war es, mögliche Zukünfte für die Hochschule zu entwickeln und diese in die Diskussion einzubringen. Für die Delphi-Befragung wurden im ersten Durchgang 700 Experten ausgewählt, im zweiten Durchgang wurde der Zugang geöffnet und auf 800 Experten erweitert. Die Rücklaufquote lag bei 33 % bzw. 24 % [13]. Es wurden vor allem hochschulpolitische und -strategische Querschnittsthemen betrachtet. Eines davon befasste sich mit der „Lebenswelt Hochschule: Wie studiert es sich in Zukunft?“ [13], das im Folgenden mit den Ergebnissen aus den Science-Fiction-Geschichten der Studierenden verglichen werden soll [12]. Gemäß den befragten Experten der Delphi-Studie wird sich das Studium in Bachelorund Masterstudiengänge strukturieren. Diese Aussage muss allerdings vor dem Hintergrund des im Jahr 2006 laufenden Bologna-Prozesses gesehen werden. Es wird ebenfalls erwartet, dass sich das Studienangebot weiter ausdifferenziert. Gleichzeitig hoffen die Experten auf innovative Studiengänge, ohne sicher zu sein, ob sich das in interdisziplinären Studiengängen widerspiegelt. Man möchte zwar ein Zusammenkommen von Natur- und Geisteswissenschaften sehen, hält das aber für unwahrscheinlich. Die gleiche Zwiespältigkeit zeigt sich bei der Möglichkeit eines problemorientierten Studiums. Die erwähnte Ausdifferenzierung des Studienangebots zeigt sich vielleicht noch ausgeprägter in den Science-Fiction-Geschichten der Studierenden. Die Vielfalt ist groß und reicht von Architektur über Bienenhaltung und Kochen bis hin zur Wirtschaftsinformatik [4]. Die Beschränkung auf rein hochschulwürdige, wissenschaftliche Themen ist hier nicht mehr gegeben. Das könnte, wie von Gregersen [14] interpretiert, im Zusammenhang stehen mit dem bildungspolitischen Konzept des Lebenslangen Lernens [14, 16] oder der stärkeren Verflechtung von Leben, Arbeiten und Bildung [14]. Gerade das Letztere zeigt sich im Wunsch der Studierenden, das Gelernte direkt anwenden bzw. verwerten zu können [14]. Auch in den Science-Fiction-Geschichten der

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Studierenden wird dieses Thema aufgegriffen und bestätigt (G58, G172, G183) [12]. Es steht aber im Widerspruch zum Wunsch der Experten, die darin eine weitere Marginalisierung der Wissenschaft sehen und sich das nicht wünschen [14]. Aus Sicht der Experten ergibt sich in der Delphi-Studie das Bild der ökonomisierten Hochschule [14], während heute am Zukunftsbild der digitalisierten Hochschule [4] gearbeitet wird. Das Erstere zeigt sich an der Orientierung der Hochschulen am Forschungsbedarf der Unternehmen, um die entsprechenden finanziellen Mittel zu erhalten, verbunden mit einer umfangreichen Verwaltungsorganisation innerhalb der Hochschulen selbst [14, 16] und der Tendenz zur sofortigen Verwertbarkeit der Studieninhalte [14]. Falls sich Studierende eine Form von Persönlichkeitsbildung während des Studiums erhoffen, dann wird das von den Experten eher als unwahrscheinlich befunden [14]. Die Szenarien [14], die im Anschluss an die Delphi-Studie erstellt wurden, orientieren sich an einem wahrscheinlichen Szenario: die ökonomisierte Hochschule und an einem wünschbaren Szenario: die Hochschule in der Mitte der Gesellschaft. Das erste Szenario beschreibt eine heterogene Hochschullandschaft, in der sich die Hochschulen weiter differenzieren, aber sich zwischen zwei Extremen bewegen: auf der einen Seite die lehrende Hochschule, die sich stark an den Arbeitsmarktbedürfnissen orientiert, und auf der anderen Seite die forschende Hochschule, die Eliten ausbilden möchte. Die Studiengebühren werden sich stärker am amerikanischen Hochschulsystem orientieren, was zu einer starken Erhöhung führen kann. Die Hochschule wird zudem unter einem starken Kostendruck sein, sich aber an den Marktbedürfnissen orientieren. Die international ausgerichtete Elitehochschule wird den größten Teil der zur Verfügung stehenden Forschungsmittel akquirieren können. Vergleicht man das wahrscheinliche Szenario der ökonomisierten Hochschule mit den Science-Fiction-Geschichten der Studierenden, dann wird hier nur das Thema Studiengebühren bestätigt, die anderen Themen werden nicht erwähnt. So heißt es: But this is not the only thing that changed; he also has to pay three times more for a semester (G31) [12].

Das Thema Internationalisierung wird in den Science-Fiction-Geschichten erwähnt, aber nicht im Sinne einer Elite-Hochschule. Dazu heißt es: Die Studis sind immer nach Lerngruppen zugeteilt. Nur werden diese länderunabhängig aufgrund von Interessen gebildet (G194) [12]. Walter ist an der Uni eingeschrieben, aber durchs Beamen belegt er Kurse auf der ganzen Welt. Seine Freunde sind dadurch alle international (G23) [12].

Im zweiten Szenario [14], der Hochschule in der Mitte der Gesellschaft, wird auch der Gedanke der Elitehochschulen formuliert, die neben anderen Arten von Hochschulen besteht. Grundsätzlich möchte man den Zugang zur Hochschule Menschen aller Altersgruppen gewährleisten. Besonders erwähnt werden hier die älteren Menschen, aber auch

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Quereinsteiger und Teilzeitstudierende. Die Zugangsbarrieren sollen weiter abgebaut werden. Die Hochschule nimmt in diesem Szenario ihre kritische Funktion bezogen auf die Gesellschaft wahr und möchte auch der Vernachlässigung der Geisteswissenschaften entgegenwirken. Auch in diesem Szenario zeigt sich nur ein Thema, das berufsbegleitende Studium, das sich in den Science-Fiction-Geschichten der Studierenden widerspiegelt. So heißt es: Markus, 24, wohnt in Luzern und studiert auch dort. Neben dem Studium arbeitet er in einer Bar und verdient seinen Lebensunterhalt (G13) [12]. She works part-time as a waitress in Starbucks (G125) [12]. Studying in the morning and evening and the weekend while she is working at daytime to have enough money (G155) [12].

Grundsätzlich ermöglichen Szenarien, dass Ergebnisse zusammengeführt und leichter kommuniziert werden können. Aus der Delphi-Umfrage wurden zwar keine expliziten Handlungsanweisungen abgeleitet, aber sogenannte Interventionsfelder konnten identifiziert werden, um darauf aufbauend weiterführende Fragen stellen zu können [14].

2.8

Digitalisierung der Hochschule

Die Entwicklung der digitalisierten Hochschule ist eine anspruchsvolle und komplexe Aufgabe. Es ist zu eng gedacht, wenn die Digitalisierung nur in einer standardisierten, massentauglichen Vertechnisierung der Lehr- und Lernprozesse gesehen wird und nicht auch die Aspekte der Durchlässigkeit, der Personalisierung, der Effektivität, des Lebenslangen Lernens, der Arbeitsmarktanforderungen, der Bildungspartnerschaften und der Innovation miteinbezogen werden [1, 22, 23]. So weist Ehlers [1] darauf hin, dass sich durch die online frei verfügbaren Wissensressourcen die gefühlte oder tatsächliche Hochschulzugehörigkeit als Möglichkeit des Wissenszugangs auflösen könnte. Ein Patchworkstudium, das orts- und zeitunabhängig geführt und mit einem individuellen Zertifikat abgeschlossen werden kann, hilft eventuell, das Konzept des Lebenslangen Lernens umzusetzen. Wenn die Personalisierung in diesem Zusammenhang weitergedacht wird, bedeutet das, den Studierenden mit unterschiedlichen Wissensständen individuelle Lernpfade anbieten zu können, d. h. vom Lernen mithilfe von Videos, über klassisches E-Learning bis hin zu Eins-zu-eins-Lernszenarien [19]. Im Rahmen der Digitalisierung stellt sich für die jüngeren Studierenden grundsätzlich die Frage, welche Lerninhalte nach dem Studienabschluss überhaupt noch relevant sind, und für die älteren Studierenden stellt sich Frage, wie ihre Kompetenzen individuell und

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effizient erweitert werden können [19]. Egal ob alt oder jung, für viele Beteiligte wird es wichtig sein, die Arbeitsmarktfähigkeit immer wieder aufs Neue zu sichern [20, 21]. Die Digitalisierung der Hochschule könnte auch als Möglichkeit gesehen werden, die unterschiedlichen Realitätswahrnehmungen [21] zwischen der Hochschule und den Studierenden zu erfassen und bewusst abzugleichen. Kennzeichen dafür sind auf Seite der Studierenden u. a. die reduzierte persönliche Lernzeit, die im Studium aufgewendet wird, das notwendige Hintersichbringen des Studiums, das fehlende Wissenschafts- und Methodeninteresse, die Arbeitsmarktfähigkeit und Anwendbarkeit des Wissens als wichtigstes Studienziel und das steigende Interesse an privaten Hochschulen. Jörs [21] formuliert daraus Leitmotive für die Zukunft der Hochschule und gegen die Entfremdung von den Studierenden. So heißt es u. a. (S. 229): Leitmotiv Nr. 1: Im Mittelpunkt all’ unseres Tuns stehen die Studierenden (‚Students first‘), wir sind für sie da. Leitmotiv 5: Hochschulexterne Dynamik zwingt uns, die Qualifikation mit hochschulexogenen Partnern zusammen zu organisieren, sonst verlieren wir den Anschluss.

2.9

Ausblick

Das hier beschriebene Projekt der Hochschule Luzern ist eines von mehreren, die im Rahmen eines hochschulweiten Digitalisierungsprojektes durchgeführt wurden. Die Erkenntnisse aus diesen verschiedenen Projekten sollen in den Strategieprozess des Departements Informatik für die Jahre 2020–2023 einfließen. Der Strategieprozess hat im Februar 2019 begonnen und wird voraussichtlich bis Herbst 2019 fortgesetzt. Es wurden auch weitere Erkenntnisse bezüglich der eingesetzten Methode gewonnen. So sollen zukünftig die Teilnehmenden, wenn möglich, Laptops zum Schreiben der Science-Fiction Geschichten verwenden. Das wurde in einem Workshop ausprobiert, der nicht zu der jetzigen Datenbasis gehört, aber ebenfalls mit Bachelorstudierenden durchgeführt wurde. Dies ermöglichte den Studierenden, so zu schreiben, wie sie es gewohnt waren, nämlich nicht mehr von Hand, und ergibt zumindest quantitativ umfangreichere Geschichten, in denen potenziell mehr Ideen und Gedanken entwickelt werden können. Des Weiteren ist eine Fortsetzung dieses Projektes geplant, um die Datenbasis kontinuierlich zu erweitern. Da gemäß Konegen-Grenier [17] (siehe auch [18]) Digitalisierung und Internationalisierung eng beieinander liegen, ist angedacht, dass die Studierendengruppe, die zu den nächsten Schreibworkshops eingeladen wird, ausschließlich aus internationalen Studierenden besteht. Man erhofft sich dadurch erneut, eine andere Perspektive auf die Hochschule der Zukunft zu gewinnen.

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U. Klotz et al.

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Institut der deutschen Wirtschaft Köln Consult GmbH, Hrsg.) (Schriften zur Wirtschaftspolitik aus dem Institut der deutschen Wirtschaft, Köln), Köln. https://www.iwkoeln.de/studien/ iw-studien/beitrag/institut-der-deutschen-wirtschaft-koeln-iw-consult-wohlstand-in-der-digitalenwelt-279787.html. Zugegriffen am 05.03.2019 19. Pauschenwein J, Lyon G (2018) Ist die Zukunft der Hochschullehre digital? In: Dittler U, Kreidl C (Hrsg) Hochschule der Zukunft. Springer Fachmedien, Wiesbaden, S 145–165 20. Sursock A (2004) Hochschulbildung, Globalisierung und GATS. Bundeszentrale für politische Bildung. Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ): B25. http://www.bpb.de/apuz/28281/hochschul bildung-globalisierung-und-gats?p¼all. Zugegriffen am 09.03.2019 21. Jörs B (2018) Zukunft der Hochschule: Gegen die Entfremdungstendenzen. In: Dittler U, Kreidl C (Hrsg) Hochschule der Zukunft. Springer Fachmedien, Wiesbaden, S 216–231 22. Al-Ani A (2016) Lehren in digitalen Lernwelten. Neue Rollen und Funktionen von Lehrenden. In: Cendon E, Mörth A, Pellert A (Hrsg) Theorie und Praxis verzahnen. Lebenslanges Lernen an Hochschulen. Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung des Bund-Länder-Wettbewerbs Aufstieg durch Bildung: offene Hochschulen. Münster, New York, S 247–257 23. Biesta G (2011) Coming into the world, uniqueness, and the beautiful risk of education: an interview with Gert Biesta by Philip Winter. Stud Philos Educ 30(5):537–542

Chatbots in der Studienorientierung Ein Projekt zur nachhaltigen Implementierung von digitalen Dialogsystemen in der Hochschule Nora Carstensen und Marc Roedenbeck

Heute die Hochschullandschaft von morgen gestalten Zusammenfassung

Chatbots, als digitale Dialogsysteme, gewinnen zunehmend an Bedeutung im Kundenservice bei Wirtschaftsunternehmen. Oft gestellte Fragen werden automatisch durch standardisierte Antworten einfach und schnell beantwortet. Ratsuchenden gegenüber wird gleichzeitig der positive Eindruck einer spezifisch persönlichen Beratung aufrechterhalten. Auch im Rahmen der Studienorientierung an öffentlichen und privaten Hochschulen sind diese Systeme einsetzbar, um z. B. den Kommunikationsprozess mit Studieninteressierten effizient zu gestalten. Die Einführung eines solchen digitalen Systems erfordert die Auflösung von Widerständen auf allen Ebenen, insbesondere im Verwaltungskontext: Angst durch Unwissenheit, festgefahrene Strukturen und allgemeine Unsicherheit im Umgang mit digitalen Medien verstärken diese Blockaden [23]. Mittels einer qualitativen Interviewreihe wurde herausgearbeitet, wie durch die Verknüpfung eines strukturierten Prozess- und eines differenzierten Stakeholdermanagements [24] eine nachhaltige Implementierung in einer Verwaltungsstruktur erreicht werden kann, indem identifizierte Promoter Kontrahenten mittreiben. Das als Pilotprojekt an der Technischen Hochschule Wildau mittlerweile erfolgreich etablierte Konzept soll hier als ein Best Case diskutiert werden.

N. Carstensen · M. Roedenbeck (*) Technische Hochschule Wildau, Wildau, Deutschland E-Mail: [email protected]; [email protected] # Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 T. Barton et al. (Hrsg.), Hochschulen in Zeiten der Digitalisierung, Angewandte Wirtschaftsinformatik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26618-9_3

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N. Carstensen und M. Roedenbeck Schlüsselwörter

Chatbots · Digitalisierung · Studienorientierung · Change-Management-Prozesse · Stakeholdermanagement · moderne Bildungsinstitutionen · Implementierung Prototyp

3.1

Warum Chatbots in Hochschulen eingesetzt werden sollten

Erwartungen nach ständiger Erreichbarkeit betreffen nicht mehr nur das private Leben, sondern stellen auch Ansprüche an Organisationen und den Kontakt zu ihren Zielgruppen. Während Digitalisierung auf der einen Seite diese Erwartungen schürt, bietet sie auch Chancen, selbigen gerecht zu werden. Im Mittelpunkt vieler Diskussionen steht daher die Frage, wie beispielsweise Hochschulen einen schnellen und zugleich nachhaltigen Veränderungsprozess im Bereich der Digitalisierung sicherstellen können. Insbesondere, um damit diesem ständigen Erreichbarkeitsanspruch seitens der Zielgruppen gerecht zu werden 0 [1, 2]. Während Digitalisierung in der deutschen Hochschullandschaft auf vielfältige Weise angekommen ist [3], liegt das Augenmerk der Untersuchungen im Hochschulkontext vornehmlich auf dem Einfluss und den Chancen der Digitalisierung im Bereich der Lehre [4]. In der Verwaltung dagegen ist ein zwar stetiger, aber trotzdem nur allmählicher Prozess der „Informatisierung“ zu erkennen [5]. Trotz deutlichen Zugzwangs gibt es in Deutschland wenige Hochschulen, deren Verwaltungsstrukturen vollständig digitalisiert sind und welche moderne Technologien nutzen [6]. Neue Digitalisierungstechnologien, um dem Erreichbarkeitsanspruch gerecht zu werden, sind da eher noch eine Seltenheit [7]. Die immer weiter wachsende Wichtigkeit der Digitalisierung in der Hochschulverwaltung sehen nicht nur zentrale Verbände wie der Bundesverband Hochschulkommunikation, sondern auch die Bundesregierung: Diese möchte den Digitalisierungswandel mitgestalten und Deutschland auf die Zukunft bestmöglich vorbereiten. Dafür hat sie wichtige Maßnahmen zur Umsetzung in einer Digitalisierungsstrategie zusammengefasst und spricht sich dafür aus, Verwaltungsstrukturen generell zu vereinfachen und barrierefrei zu gestalten [8]. Der Bundesverband Hochschulkommunikation sieht einen wichtigen Handelsschritt besonders darin, Onlinekommunikation als integrierten Bestandteil von Hochschulkommunikation zu etablieren [9]. Beide Zielstellungen lassen sich miteinander vereinbaren und erhöhen den Digitalisierungsdruck auf Hochschulen. Die Diskrepanz zwischen Digitalisierungsdruck und Digitalisierungsstand lässt sich mit einem oft zu verzeichnenden Personal- und Finanzmangel an deutschen Hochschulen begründen [10]. Auch drittmittelfinanzierte Projekte zur Änderung der Hochschulverwaltung werden zu häufig nur als Pilotprojekte gesehen und können, Finanzierungslücken in der Grundfinanzierung geschuldet, selten auf weitere Hochschulen adaptiert werden [10]. Darüber hinaus verlangsamen Aspekte der Datensicherheit und des Datenschutzes die allgemeine Digitalisierung in Deutschland: Neue Kommunikationstechnologien werden oft nur dann implementiert, wenn alle Aspekte des Datenschutzes sichergestellt werden können und eine sichere, schnelle und stabile Internetverbindung besteht [11].

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Chatbots in der Studienorientierung

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Die großen Chancen der Digitalisierung liegen jedoch in der veränderten Kommunikation: In einer aktuellen Studie zeigt der Bundesverband Hochschulkommunikation, dass 86,4 % der interviewten Hochschulen in Deutschland soziale Medien für externe Zielgruppen als (sehr) wichtig einstufen. Gleichzeitig schätzen rund 1/3 der Befragten Dialogformate als unwichtig ein. Eine Trennung der Daten bezüglich Universitäten und Fachhochschulen zeigt ein anderes Bild: Während Universitäten Dialogformate vermehrt als wichtiges Instrument verstehen, definieren kleinere Fachhochschulen sie noch als eher unwichtig [12]. Dies kann zurückgeführt werden auf den Fakt, dass die Anzahl an Studienanfängern an Hochschulen seit 2008 um 0,3 % gesunken ist. Laut Handelsblatt fiel dieser Rückgang an Universitäten stärker aus als an Fachhochschulen [13]. Daraus resultierend mussten Universitäten nach Lösungen suchen, um dem Rückgang von Studienanfängern entgegenzuwirken. Das mag ein Grund dafür sein, dass Universitäten Dialogformate bereits jetzt als wichtiges Onlinekommunikationsinstrument verstehen, während Fachhochschulen dies noch anders einschätzen. Gleichzeitig bedeutet genannter Wissensvorsprung eine Chance für Fachhochschulen, Dialogformate als mögliche Lösung gegen den eigenen Rückgang von Studienanfängern zu verwenden. Des Weiteren können digitale Lösungen im Bereich der Dialogformate Hochschulen auf nationaler und internationaler Ebene einen Wettbewerbsvorteil bieten. So plädiert auch das Hochschulforum Digitalisierung dafür, dass Hochschulen neu entstehende Potenziale digitaler Technologien nutzen sollten [14]. Ein Potenzial digitaler Technologien, welche den Erreichbarkeitsanspruch und das Dialogformat erfüllt und gleichzeitig dem Problem der klammen Finanzierung entgegensteht, ist die Nutzung digitaler Kommunikationsassistenten – Chatbots. Dies sind Programme, welche automatisiert auf Anfragen antworten und den Nutzer ggf. gezielt in eine bestimmte Richtung lenken können. So ist es möglich, Anfragen auch außerhalb der Öffnungszeiten zu beantworten [7]. Die zentrale Frage der im Rahmen einer Masterarbeit durchgeführten Untersuchung lautete „Wie kann ein Chatbot erfolgreich und nachhaltig in eine Hochschulverwaltungsstruktur implementiert werden?“. Dies wurde exemplarisch an der eigenen Hochschule untersucht und implementiert, eine Übertragung auf andere Hochschulen soll im Folgenden skizziert werden.

3.2

Was wir aus der Literatur zu Chatbots lernen können

Das Thema Chatbots allgemein und im Besonderen in der Verwaltung erfreut sich steigender Beliebtheit: Zeitschriften mit besonderem Fokus auf die Digitalisierung, wie z. B. die com! oder t3n, publizieren immer wieder Artikel rund um Chatbots, (studentische) Forschungsarbeiten versuchen sich an der Entwicklung [7, 15, 16, 22] und Implementierung [17] von Chatbots in der Hochschulverwaltung (z. B. IT-Services oder Studienberatung), und mittlerweile bieten sogar Start-ups erste Produkte für e-Government-Anwendungen dazu an [18].

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Chatbots sind zunächst einmal digitale Dialogprogramme. Der Begriff des „Chatbots“ setzt sich aus den englischen Sub-Begriffen „chat“ und „robot“ zusammen, welche für Unterhaltung und Roboter stehen und Anwendungen beschreiben, welche getippten oder gesagten Text auswerten und darauf reagieren können [19]. Diese Reaktion kann entweder eine Antwort sein oder eine automatische Ausführung bestimmter, zuvor festgelegter Aufgaben [19]: Beispiel

Nutzereingabe „Ich mag Spinat“, Chatbotausgabe: „Ah, magst Du auch Popeye?“, Nutzereingabe: „Nein“, Chatbotausgabe: „Ich auch nicht!“ – im Falle eines „Ja“ wäre die Chatbotaussage: „Oh schön, ich auch!“ gewesen [15]. Diese Art der Hilfestellung ist jedoch nicht neu: Verschiedene Arten von Chatbots existieren bereits seit den 1960-Jahren [19, 20]. Geändert hat sich hingegen die Technik hinter den Chatbots und die Art und Weise ihrer Umsetzung. Neben der Anwendung von Bibliotheken bekannter Programmiersprachen (z. B. für C das ChatScript) oder Softwareentwicklungs-Kits (SDK) für modulare Programmgerüste (z. B. für AIML in XML) gibt es heute auch sogenannte modulare Drag- and-drop-Systeme. Damit ist es für jeden möglich, einen Chatbot in bereits bestehende digitale Dialogformate, wie die stark frequentierten Messengerdienste von Facebook oder WhatsApp, zu integrieren. Eines dieser Systeme ist beispielsweise der kostenlose Service Chatfuel, mit welchem ein Chatbot mithilfe von Drag-and-drop für den Facebook-Messenger gebaut werden kann. Mit Chatfuel können neben Willkommensnachrichten und Defaultnachrichten (Nachrichten, welche als Antwort auf offene Anfragen versendet werden) auch verschiedene logische Blöcke erstellt werden (Abb. 3.1). Die Facetten eines Chatbots sind dazu stark abhängig von der jeweiligen Umsetzung und Verknüpfung mit besonderen technischen Leistungsmerkmalen (Abb. 3.2). Einerseits existieren einfache Formen, die eine exakte Nutzereingabe der hinterlegten Texte erfordern oder gleich nur Buttons anbieten, um durch eine Informationshierarchie zu führen. Die oben vorgestellten logischen Blöcke aus Chatfuel folgen einfachen Anweisungen, wie im folgenden Beispiel ersichtlich: Beispiel

Chatbotausgabe: „Die Technische Hochschule bietet Dir eine bunte Auswahl an Studiengängen: von A wie Automatisierungstechnik bis W wie Wirtschaft und Recht. Du kannst zwischen fast 40 Studiengängen wählen. Da stellt sich zunächst die Frage, für welchen Fachbereich Du Dich interessierst.“ Nutzereingabe: Wählt zwischen mehreren vorgegebenen Begriffen „Wirtschaft“ aus. Chatbotausgabe: „Dass Wirtschaft nicht gleich Wirtschaft ist, erkennst Du spätestens, wenn Du Dir unsere Studiengänge anschaust. Neben klassischer Betriebswirtschaft kannst Du in Wildau auch Europäisches Management oder Wirtschaftsingenieurwesen studieren. Über welchen Studiengang möchtest Du mehr erfahren?“

3

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Welcome message

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Default answer

ADD BLOCKS HERE

+ ANMELDUNG WHAPPODO Anmeldung ZS.Broadcast

whappodo

+

UNI-DSCHUNGEL-TOUR Start

Bilder

Wirtschaftsinge nieurwesen

Wirtschaft

Informatik

Recht

Ingenieurwesen

Naturwissensch aften

+

Betriebswirtsch aft

Wirtschaftsinfo

STUDIENGÄNGE Europäisches Management

+ FRAGEN BEANTWORTEN Was dann?

Beratungstermin

Noras Test Block

+

Fragen beantworten

Abb. 3.1 Screenshot 1: Oberfläche von Chatfuel.com

Nutzereingabe: Wählt zwischen mehreren vorgegebenen Begriffen „Europäisches Management“ aus. Chatbotausgabe: „Europa ist viel mehr als nur ein Kontinent. Egal ob Großkonzern oder Start-up, die Europäische Union beeinflusst die Wirtschaft in Deutschland. Dieser Studiengang bereitet auf internationale Zusammenhänge vor und lässt Studierende Europa verstehen. Ob Accounting, Finanzierung oder Marketing – die Richtung entscheidest Du.“

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Abb. 3.2 Screenshot 2: Chatbotleistungsmerkmale von Chatfuel.com

Abb. 3.3 Screenshot 3: Textbeispiel von Chatfuel.com

Darauf folgt die Möglichkeit, zwischen Bildern und weiteren Informationen zu wählen. An dieser Stelle kann der Nutzer dann problemlos auf die Webseite des jeweiligen Studiengangs weitergeleitet werden (Abb. 3.3). Hätte sich der Nutzer für eine andere Thematik entschieden, wäre er am Ende bei einem anderen Studiengang gelandet. Theoretisch sind diese Abfragen auch mit Fragen aus gängigen Interessentests denkbar und umsetzbar. Komplexere Systeme wie intelligente Chatbots fallen durch folgende wesentliche Bestandteile auf: Künstliche Intelligenz durch maschinelles Lernen und Sprachverstehen. Beide Techniken haben sich in den letzten Jahren stark weiterentwickelt und beeinflussen den Nutzen von automatisierten Messengersystemen entscheidend [19]. Gleichzeitig ist das Analysieren und Verstehen von Sprache noch immer eine große Herausforderung:

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Noch immer gibt es deutliche Unterschiede zwischen dem Verstehen englischer, chinesischer und deutscher Sprache. Deutsch wird noch eher schlecht von Künstlicher Intelligenz begriffen [21].

3.3

Wie ein Chatbot an einer Hochschule nachhaltig implementiert werden sollte

Wird ein Chatbot entwickelt, kommt es nicht nur auf das Design und die beim Nutzer entstehenden Eindrücke an. Neben technischen Fähigkeiten beeinflussen diejenigen, welche die neue Technologie einführen und „bespielen“ müssen, die erfolgreiche Implementierung zu großen Teilen mit. Um aus Sicht der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, welche den Veränderungsprozess mitgestalten, einen möglichst fairen Verlauf zu gewährleisten, kommt es auf einen gut vorbereiteten Prozess an. In Anlehnung an den prozessorientierten Blueprint für Veränderungsprojekte [23] wurde die konkrete Implementierung eines Chatbots in der Studienorientierung und Beratung an der Technischen Hochschule Wildau designt (Abb. 3.4). Nach dieser Vorgehensweise beginnt jeder Veränderungsprozess zunächst mit dem Verständnis für eine Veränderung, gefolgt von einer genauen Analyse dessen, was geändert und wie es geändert werden soll. Dabei steht die Zukunftsvision im Mittelpunkt und bereitet vor auf den dritten und im Fokus stehenden Punkt zu planen, wie vorgegangen werden soll, um die definierte Zukunftsvision zu erreichen. Anhand des beschriebenen Abb. 3.4 Veränderungsprozess nach Hayes [23] (Eigene Darstellung)

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Plans wird die Veränderung folglich umgesetzt, und der Prozess wird fortlaufend überprüft und korrigiert. Abschließend werden verschiedene Methoden angewandt, um die Veränderung nachhaltig zu gestalten und einem Rückfall in alte Muster vorzubeugen [23]. Wichtig dabei ist, dass nicht, wie in der Abbildung gezeigt, die Prozessschritte zwangsläufig nacheinander vonstatten gehen, sondern diese ineinander übergehen können. Auf Basis einer Interviewreihe mit betroffenem Fachbereich konnte ermittelt werden, dass auf die folgenden Punkte – neben dem obigen strukturierten Vorgehen – besonderer Wert zu legen ist. Diese wurden auf Basis der allgemeinen Hinweise zu Chancen und Risiken eines Veränderungsmanagementprozesses [23] im Hochschulkontext spezifiziert: Einen Übergangsmanager ernennen Zunächst sollte eine Person bestimmt werden, welche den Prozess steuert. Dabei empfiehlt es sich, einen temporären Projektmanager zu ernennen, welcher Erfahrungen im Bereich Personalmanagement vorweisen kann und damit befähigt ist, die Veränderung vorwärts zu bringen. Besonders in der frühen Phase ist es wichtig, auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bedacht einzugehen und diese zu motivieren, um so neben dem Status quo auch die Veränderung, in diesem Fall den Chatbot, vorzubereiten. Während in der Studienberatung Anfragen gewohnt oft über Telefon, E-Mail, soziale Medien und persönlich beantwortet werden, müssen Fragen und Antworten für einen Chatbot vorbereitet werden. Dies erfordert zu Beginn einen erhöhten Arbeitsbedarf. Diese Mehrarbeit muss durch den Projektmanager umsichtig gesteuert und Ressourcen müssen sorgfältig verteilt werden. Eine anfängliche Überlastung eines eh schon negativ eingestellten Mitarbeiters würde die Qualität des Ergebnisses maßgeblich negativ beeinflussen. Es kann beispielsweise hilfreich sein, anhand von FAQs die Inhalte für einen Chatbot zu erarbeiten, diese können in der übergangsweise zur Informationsbeschaffung online und offline für Studieninteressierte bereitgestellt werden. Um einen solchen sanften Übergang zu ermöglichen, ist es ratsam, wenn der Projektmanager mit der Leitungsebene eng zusammenarbeiten kann, das Verhalten der involvierten Stakeholder und Geschehnisse richtig einordnen und einschätzen kann und sensibel agiert. Drüber hinaus hilft ein grundlegendes Verständnis für digitale Dialogsysteme und neue Technologien, den Veränderungsprozess professionell begleiten zu können. Verstehen was getan werden muss Im zweiten Abschnitt müssen Aufgaben identifiziert werden, welche zu erledigen sind, um die Veränderung durchzuführen. Dabei sollte zwischen inhaltlichen Aufgaben und Aufgaben in Bezug auf das Personalmanagement unterschieden werden. Um inhaltliche Aufgaben besser identifizieren zu können, ist es hilfreich, den Ablaufplan zu kennen und anhand dessen Teilschritte zu definieren: Eine gängige Möglichkeit dafür bietet das Fischgrätendiagramm, welches in Verbindung mit Angaben zu Dauer und Zeitpunkt der einzelnen Aufgaben einen detaillierten Überblick zum Veränderungsprozess geben kann [23]. Basierend auf der Ausgangszielsetzung, einen Chatbot zu implementieren, welcher oft gestellte Fragen im Bereich der Studienorientierung beantwortet, fallen folgende inhaltliche Aufgaben an:

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1. Zunächst sollte ermittelt werden, an welchem Punkt des Entscheidungsprozesses Studieninteressierte ad hoc Ratschläge und Hilfestellungen benötigen. Dafür empfiehlt es sich, neben einer allgemeinen Recherche, den konkreten Entscheidungsprozess von Studienanfängern an der jeweiligen Hochschule zu analysieren, um daraus Rückschlüsse auf den Moment der Entscheidungsfindung treffen und besser einordnen zu können, an welcher Stelle ein Chatbot unterstützend ist. 2. Folgend müssen Fragen zur jeweiligen Thematik und dazugehörige Antworten zusammengetragen werden. Dies kann beispielsweise durch Evaluation der verschiedenen Beratungsformate (Workshops, persönliche Beratung, Telefonberatung etc.) geschehen. Des Weiteren sollte mit anderen Serviceeinrichtungen (Sachgebiet Studentische Angelegenheiten, Studentenwerk etc.) Rücksprache gehalten werden zu offenen Fragen. 3. Um einen reibungslosen Ablauf und eine effiziente Nutzung des Chatbots gewährleisten zu können, sollte vor der Einarbeitung der Fragen zunächst eine Grundstruktur erstellt werden. Dabei gilt es sich zu überlegen, wie der Chatbot beispielsweise den Nutzer begrüßt. Darüber hinaus beeinflusst das zu verbindende Dialogsystem unter Umständen die Struktur. Im Allgemeinen sollte hier auf die Bedürfnisse der Zielgruppe eingegangen und die Funktionsweise sichergestellt werden. 4. Zusammengetragene Fragen und Antworten werden nachfolgend in die Chatbotoberfläche eingearbeitet. Dafür muss zunächst ein geeigneter Serviceanbieter gefunden werden. Passend sollten dabei beispielsweise die Funktionen sein: Entsprechend der Thematik und Art der Fragen eignet sich z. B. die Vorgabe von Antwortmöglichkeiten mehr oder weniger. Darüber hinaus sollten zunächst die involvierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter identifiziert werden. Dabei empfiehlt es sich, besonders nach dem differenzierten Stakeholdermanagementansatz [24] zwischen Unterstützern des Veränderungsprozesses und Gegnern zu unterscheiden. Dies konnte im Fall der vorbereiteten Maßnahmen zur Implementierung eines Chatbots an der Technischen Hochschule Wildau durch qualitative Interviews gesichert werden. Dabei wurden folgende Fragen gestellt [17]: 1. 2. 3. 4.

Was halten Sie von Digitalisierung? Was ist Ihr Eindruck von Chatbots? Haben Sie Chatbots schon einmal ausprobiert? Denken Sie, es ist nötig, sich mit dem Thema Chatbot als Hochschule zu beschäftigen? 5. Was erachten Sie bezüglich der Thematik als wichtig? 6. Was sollte nicht vergessen werden?

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7. Könnten Sie sich vorstellen, an einem Chatbot mitzuarbeiten? 8. Könnten Sie sich vorstellen, die Verantwortung für einen Chatbot zu übernehmen? 9. Was müsste die Hochschule tun, damit Sie an einem Chatbot mitarbeiten könnten? 10. Was müsste die Hochschule tun, damit Sie die Verantwortung für einen Chatbot übernehmen könnten? Mit dem Wissen zu den involvierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kann folgend die Kommunikation vorbereitet werden. Dabei sollte genau überlegt sein, wem was wann und wie kommuniziert wird. Darauf aufbauend ist es hilfreich, verschiedene Aufgaben der Implementierungsphase unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nach Aufgaben aufzuteilen. Während des gesamten Prozesses sollte der Projektmanager darauf vorbereitet sein, dass die finale Zusammensetzung an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sich ebenso wie die Sichtweise ändern kann. Einen Implementierungsplan erstellen Im nächsten Schritt werden die Aufgaben aus dem vorangegangenen Abschnitt in einem Implementierungsplan zusammengefasst. Die genaue Vorgehensweise ergibt sich aus den Aufgaben und der Zusammensetzung der involvierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dabei können verschiedene Vorgangstypen gewählt werden. Im Mittelpunkt steht bei allen Varianten, die Blockaden durch Veränderungsgegner zu minimieren und eine Lösung zu finden, welche den Erfolg maximiert. Alle Varianten bieten nur einen groben Rahmenplan zur Umsetzung und werden erst durch die Art und Weise der Kommunikation und Aufgabenverteilung konkretisiert. Folgende Möglichkeiten gibt es [23]:

1. 2. 3. 4. 5. 6.

Unterstützung einflussreicher Gegner erzielen, Einfluss von Unterstützern vergrößern, Einfluss von Gegner minimieren, einen Zusammenschluss von Unterstützern bilden, Zusammenschluss von Gegnern auflösen, neue Unterstützer von außen in den Prozess holen.

Wichtig für eine erfolgreiche Umsetzung ist neben der richtigen Variante auch die Verbreitung einer inspirierenden Vision durch den Projektmanager. Neben dieser sollten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angeregt werden, selbst positive Argumente für die Implementierung zu erarbeiten. Um dies zu erzielen, ist es hilfreich, Basiswissen zur digitalen Veränderung zu vermitteln und damit sicherzustellen, dass alle Beteiligten die

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Idee hinter der Implementierung eines Chatbots verstanden haben. Neben verschiedenen Workshops können so auch angeleitete Brainstormingmethoden weiterhelfen und insbesondere den Prozess auch bereichern durch weitere Gedankenanstöße und Ideen. In jedem Fall sollte Beteiligten das Gefühl vermittelt werden, dass sie ein wichtiger Bestandteil des Prozesses sind [17]. Mehrere konsequente Hebelpunkte für die Veränderung nutzen und Aktivitäten planen Um eine nachhaltige Umsetzung zu garantieren, ist es sinnvoll, mehrere Punkte parallel zu ändern. Hier bietet es sich beispielsweise an, den Prozess mit der Einführung weiterer sozialer Netzwerke oder der Veränderung der Hochschulkommunikation allgemein zu kombinieren. Auch die Erneuerung oder Einführung einer Strategie für soziale Netzwerke kann an dieser Stelle unterstützend wirken. Mithilfe eines Gantt-Diagrammes können und sollten zuvor bestimmte Fristen und Zeitspannen geplant werden, um auf Probleme schneller und effizienter reagieren zu können. Einführung von Feedbackmethoden und Aufrechterhalten der Veränderung Wie bereits dargestellt, ist ein wichtiger Bestandteil eines erfolgreichen Managementprozesses, die Veränderung langfristig beizubehalten und wenn möglich auf andere Bereiche zu adaptieren. Dies ist, wie beschrieben, im genannten Bereich selten zur Realisierung gekommen. Um eine weitere effiziente Nutzung zu gewährleisten, empfiehlt es sich, den Prozess auszuwerten und einen Erfahrungsbericht zu verfassen. Dabei können z. B. Zahlen zu Studienorientierungsanfragen und Nutzung des Chatbots ausgewertet werden. Welche Herausforderungen bei der Übertragung auf andere Hochschulen auftreten können, wird im nächsten Absatz beleuchtet. Mit den unterschiedlichen Charakteren, welche in den Prozess involviert sind, sollte folgendermaßen umgegangen werden:

1. Einflussreiche Unterstützer sollten gestärkt und dazu motiviert werden ihre Meinungen und Gedanken mit anderen Beteiligten zu teilen. Dies kann beispielsweise in Arbeitsgruppen geschehen. 2. Einflussschwache Unterstützer sollten wenn möglich gestärkt werden. Eine Variante kann es sein, ihnen im Projekt eine tragende Rolle zu geben und damit mehr Einfluss zu erteilen. 3. Einflussreiche Gegner sollten wenn möglich nicht in Gruppen Gleichgestimmter auftreten und aufgeteilt werden. Darüber hinaus kann es unterstützend wirken, wenn diese Gegner zu Unterstützern gemacht werden können. Je nach Aufwand kann es jedoch schon ausreichend sein, ihnen ihren Einfluss zu nehmen.

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N. Carstensen und M. Roedenbeck

4. Einflussschwache Gegner stellen dann eine Gefahr dar, wenn sie in großen Gruppen auftreten, und sollten wenn möglich aus dem Prozess herausgehalten werden, wenn sie nicht umgestimmt werden können.

3.4

Herausforderungen bei der Übertragbarkeit auf andere Hochschulen

Die wohl größte Herausforderung für die Adaptierung an anderen Hochschulen besteht wahrscheinlich in dem Fehlen von Informationen über die Verhaltensweisen der jeweiligen Beteiligten und die unterschiedlichen personellen, finanziellen und technischen Voraussetzungen. Das damit wichtigste Tool zur Einführung von digitalen Dialogsystemen an anderen Hochschulen sind die erprobten Interviewfragen aus dem obigen Bereich „Verstehen, was getan werden muss“ und die daraus folgende stakeholderspezifische ChangeStrategie aus dem obigen Bereich „Einen Implementierungsplan aufstellen“. Mit den dort vorgestellten Ansätzen kann für jede Art von Zusammensetzung an Beteiligten ein erfolgreicher Veränderungsprozess skizziert werden. Dabei sollte neben internen Einflüssen vor allem auch betrachtet werden, welche Stakeholder den Prozess von außen beeinflussen können. Bei der Zusammensetzung der Beteiligten kommt es stark auf die Strukturen an und die daraus resultierende Vorgehensweise. Soll ein Chatbot beispielsweise nicht in der Studienorientierung, sondern in einem anderen Bereich implementiert werden, unterscheiden sich neben anderen inhaltlichen Aufgaben auch die Schwerpunkte in der personellen Umsetzung. Auf diese Arten von Abweichungen sollte sich daher im Vorfeld vorbereitet werden. Die nicht minder große Herausforderung ist nach der Analyse der Stakeholder die Umsetzung der oben aufgestellten Pläne und Aktivitäten durch die Projektmitarbeiter unter Leitung des Projektmanagers. Wie bei jedem Change-Projekt liegt der Erfolg auch im Commitment und Involvement der Beteiligten. So kann jedes noch so gut geplante Projekt am alltäglichen Umsetzungsmanagement scheitern, wenn z. B. die Projektgegner durch mikropolitische Maßnahmen ihre Fraktion stärken und es z. B. schaffen, Projektgelder abzuziehen. Daher ist bei solchen Projekten eine Unterstützung von höchstmöglicher Stelle absolut empfehlenswert.

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Chatbots in der Studienorientierung

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N. Carstensen und M. Roedenbeck

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Einsatz von Videos im Studiengangmarketing: eine empirische Untersuchung Michael Gröschel und Jaqueline Dreisbach

Zusammenfassung

Beim Studiengangmarketing geht es um die Gewinnung geeigneter Studierender durch die Hochschule. Das in den letzten Jahren vielfältiger gewordene Angebot an Studiengängen und hohe Abbruchquoten, insbesondere im MINT-Bereich, erhöhen die Bedeutung des Studiengangmarketings mit dem Ziel, nicht nur die Bewerberanzahl hoch zu halten oder zu erhöhen, sondern auch die geeigneten Studierenden zu finden. Das Konsumverhalten der Zielgruppe junger Studieninteressierter zeigt die hohe Bedeutung von multimedialen Elementen im Internet, insbesondere von Videos. Daher sollten Hochschulen (auch) verstärkt Videos nutzen, um die relevanten Informationen zu ihren Studiengängen zu vermitteln. Die vorliegende empirische Untersuchung dokumentiert und analysiert erstmalig den tatsächlichen Einsatz von Videos beim Studiengangmarketing. Universitäten und Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW) setzen Videos bereits in vielfältigen Formen ein, wobei Statementvideos und Erklärvideos verbreitet sind. Die Videos werden meist längerfristig eingesetzt. Die Analysen zeigen aber auch, dass beim Einsatz von Videos und im Studiengangmarketing weiterhin Verbesserungsbedarf besteht, was zu Handlungsempfehlungen führt. Schlüsselwörter

Content-Marketing · Videos · Studiengangmarketing · Hochschulmarketing · Hochschulkommunikation M. Gröschel (*) Hochschule Mannheim, Mannheim, Deutschland E-Mail: [email protected] J. Dreisbach BridgingIT GmbH, Mannheim, Deutschland E-Mail: [email protected] # Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 T. Barton et al. (Hrsg.), Hochschulen in Zeiten der Digitalisierung, Angewandte Wirtschaftsinformatik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26618-9_4

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42

4.1

M. Gröschel und J. Dreisbach

Einleitung

Jungen Erwachsenen, Schülerinnen und Schülern sowie generell Studieninteressierten fällt es immer schwerer, die Fülle an Studienangeboten zu erfassen und zu vergleichen. Die Bereitstellung von Informationen zu den angebotenen Studiengängen ist damit ein essenzieller Auftrag der Hochschulen zur Entscheidungsfindung der Studieninteressierten. Die Gewinnung geeigneter Studierender erfordert umgekehrt aus Sicht der Hochschulen eine zielgruppengerechte Studierendenakquise. Hierzu stellen die Hochschulen zwar auf ihren Internetseiten umfangreiches Informationsmaterial zur Verfügung, doch in Zeiten der immer jünger und mehr werdenden Studieninteressierten sowie der stärker werdenden Bedeutung von Internet, Social Media und Videos stellt sich die Frage, ob und wie die relevanten und nachgefragten Informationen geeignet präsentiert und transportiert werden können. Videos können dabei ein wichtiger Teil des Hochschulmarketings sein. Dieser Beitrag untersucht dazu den Einsatz und die Verbreitung von Videos als Marketinginstrument für ein einzelnes Studienangebot. Die Betrachtung erfolgt als empirische Untersuchung der Webseiten von Hochschulen in mehreren Ländern der Bundesrepublik Deutschland, konkret die geografisch nahe beieinander liegenden Bundesländer BadenWürttemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen. Die Untersuchung beschränkt sich dabei exemplarisch auf Informatik- und informatiknahe Studiengänge mit Bachelorabschluss. Im Zuge dessen wird das vorhandene Videomaterial auf den offiziellen Webseiten der Hochschulen und dazugehörigen Fakultäten, Instituten oder Fachbereichen analysiert. Ziel der Untersuchung ist die Gewinnung von Erkenntnissen über den Einsatz von Videos im Studiengangmarketing von Hochschulen. Die Webauftritte der Hochschulen werden regelmäßig durch Präsenzen auf unterschiedlichen Social-Media-Plattformen (Facebook, YouTube, Twitter u. Ä.) begleitet. Da auf diesen üblicherweise ebenfalls Videos bereitgestellt und geteilt werden, spielen diese für die Verbreitung der Videos eine wichtige Rolle. Der Beitrag gliedert sich wie folgt: Basis der Untersuchung ist der grundsätzliche Bedarf an Studiengangmarketing, insbesondere im MINT-Bereich, durch ein immer breiteres Studienangebot und das Nutzungsverhalten der Studieninteressierten in Bezug auf das Internet im Allgemeinen und auf Videos im Speziellen. Aus einer kurzen Diskussion des Begriffs Hochschulmarketing ergibt sich die Bedeutung von Content-Marketing und der Verwendung von Videos bei diesen Aktivitäten. Auf der Kategorisierung verschiedener Arten von Videos baut dann die eigentliche empirische Untersuchung auf. Insgesamt werden 38 Hochschulen – 15 Universitäten und 23 Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW) – mit 92 Studiengängen mit Informatikbezug untersucht. Bei der strukturierten Auswertung wurden an 29 Hochschulen Videos gefunden, davon 19 mit studiengangrelevanten Videos. Die Videos werden kategorisiert und in Bezug auf Stil, Dauer, Zugriffszahlen und Einsatzgebiete ausgewertet. Aufbauend auf der Analyse können erste Handlungsempfehlungen ausgesprochen werden.

4

Einsatz von Videos im Studiengangmarketing: eine empirische Untersuchung

4.2

43

Studiengangmarketing in MINT-Fächern

Hochschulmarketing wird in diesem Beitrag verstanden als das Marketing, das Hochschulen u. a. deswegen betreiben, um Studieninteressierte für ihr Studienangebot zu gewinnen. Es grenzt sich insofern ab von den mit dem gleichen Begriff bezeichneten Aktivitäten, die Unternehmen und deren Personalabteilungen durchführen, um Studierende und Absolventen für Praktika, Abschlussarbeiten und den Berufseinstieg zu gewinnen [1]. Studiengangmarketing ist ein Teil des Hochschulmarketings. Während das allgemeine Hochschulmarketing, insbesondere die Kommunikationspolitik [2, S. 265], für die Positionierung und Darstellung der Hochschule im vielfältigen Umfeld von Forschung und Lehre sorgt, adressiert das Studiengangmarketing einzelne oder zumindest inhaltlich aufeinander aufbauende oder sich fachlich nahestehende Studiengänge. Die Abgrenzung soll deutlich machen, dass nicht für alle Studiengänge der gleiche Marketingmix geeignet ist, da sich die Studiengänge beispielsweise hinsichtlich inhaltlicher Positionierung und Nachfrage vonseiten Studieninteressierter und potenzieller Arbeitgeber unterscheiden. Im Vergleich zum Marketing von Unternehmen wurde das Marketing von Hochschulen deutlich weniger untersucht [2] und außerdem wurde dem Hochschulmarketing von den Hochschulen selbst lange keine besondere Bedeutung zugemessen [3, 4]. Verschiedene nachfolgend beschriebene Aspekte machen deutlich, dass Hochschulen ihrem Marketing eine stärkere Bedeutung zumessen sollten (vgl. auch [2, S. 277]). Zunächst hat sich durch die vom Bologna-Prozess angestoßene Umstellung auf Bachelor- und Masterabschlüsse das Spektrum an Studienangeboten deutlich erweitert. Es ist eine Vielzahl von Studiengängen mit neuartigen Bezeichnungen entstanden, die sich für Studieninteressierte nicht offensichtlich erschließen. Wie Abb. 4.1 zeigt, hat sich seit dem Wintersemester 2005/2006 bis zum Wintersemester 2018/2019 die Anzahl der Bachelorstudiengänge von 2138 auf 8832 mehr als vervierfacht. Das Angebot an Masterstudiengängen hat sich im gleichen Zeitraum von 1659 auf 9113 mehr als verfünffacht [5]. Selbst wenn man die parallel verlaufende Abschmelzung des durch Bachelor- und Masterabschlüsse ersetzten Angebots berücksichtigt, ist zu erkennen, dass das Angebot umfangreicher geworden ist und daher ein breiterer Informationsbedarf vonseiten der Nachfrager (Studieninteressierte) besteht. Für Hochschulen wird es wichtiger, diesen Informationsbedarf zu erkennen und zu befriedigen. Dem größer gewordenen Angebot an Studiengängen steht auch eine höhere Nachfrage gegenüber. Die Anzahl der Studierenden in Deutschland ist im Zeitraum vom Wintersemester 2005/2006 bis zum Wintersemester 2018/2019 von knapp zwei Millionen (1.986.106) auf annähernd drei Millionen (2.867.586) gestiegen [6]. Die Anzahl der Berechtigten hat durch die Öffnung des Zugangs zum Studium seit 2009 zugenommen [7, 8]. Gleichzeitig streben immer mehr der Berechtigten, mittlerweile mehr als die Hälfte eines Abschlussjahrgangs einen Hochschulabschluss an [9, 10, S. 14], allerdings ohne zwingend besser dafür qualifiziert zu sein. Diese Aspekte machen deutlich, dass die Hochschulen gefordert sind, bei vielfältigerem Studienangebot und höherer Anzahl von Studieninteressenten mit heterogenem Hintergrund und Kenntnissen nicht nur überhaupt

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Abb. 4.1 Entwicklung der Bachelor-, Master- und übrigen Studiengänge in Deutschland vom Wintersemester 2005/2006 bis zum Wintersemester 2018/2019. (Quelle: [5])

Studienbewerber zu gewinnen, sondern vor allem solche, die sich im gewählten Fachbereich ideal entwickeln und entfalten können. Der Wettbewerb um die „besten“ Studierenden hat sich folglich verstärkt. Nicht zuletzt deshalb ist eine zielgruppengerechte Information entscheidend für die endgültige Wahl eines Studiengangs. Informatikstudiengänge sind grundsätzlich sehr nachgefragt. Im Wintersemester 2017/ 2018 sind in den in Abb. 4.2 dargestellten Studiengängen über 33.000 Studienanfänger erfasst [11]. Im Vergleich der beliebtesten Studiengänge in Deutschland ist der Fachbereich Informatik seit vielen Jahren stetig auf den vorderen Rängen zu finden. Bei jungen Männern liegt der Informatikstudiengang im Wintersemester 2017/18 nach Maschinenbau und Betriebswirtschaftslehre an dritter Stelle mit insgesamt etwa 100.000 Studenten [12]. Weitere 47.000 Studenten sind im Fach Wirtschaftsinformatik eingeschrieben. Bei den Frauen liegt Informatik mit etwa 21.000 Studentinnen zum gleichen Zeitpunkt nur auf Rang 14 der beliebtesten Studiengänge, Wirtschaftsinformatik ist nicht in der Rangliste der 20 beliebtesten Studiengänge vertreten. Diese Problematik ist nicht neu, und es bedarf Anstrengungen, die bereits vor der Studienwahl ansetzen sollten. Der Attraktivität des Informatikbereichs vonseiten der Studieninteressierten und der hohen Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt steht die in den MINT-Fächern über-

4

Einsatz von Videos im Studiengangmarketing: eine empirische Untersuchung

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Anzahl

Studienanfänger: Deutschland, Semester, Nationalität Geschlecht, Studienfach Statistik der Studenten Deutschland Studienanfänger (Anzahl) 18000 17000 16000 15000 14000 13000 12000 11000 10000 9000 8000 7000 6000 5000 4000 3000 2000 1000 0 10/2017 Semester Insgesamt; Insgesamt; Bioinformatik Insgesamt; Insgesamt; Informatik Insgesamt; Insgesamt; Ingenieurinformatik/Technische Informatik Insgesamt; Insgesamt; Medieninformatik Insgesamt; Insgesamt; Medizinische Informatik Insgesamt; Insgesamt; Wirtschaftsinformatik (c)opyright Statistisches Bundesamt (Destatis), 2019 l Stand:30.01.2019 / 12:59:53

Abb. 4.2 Studienanfänger in Deutschland, Informatikstudiengänge zum Wintersemester 2017/18 [11]

durchschnittliche Abbruchquote gegenüber. Während die Abbruchquote in Bachelorstudiengängen an Fachhochschulen im Jahr 2016 25 % betrug, lag sie im Fach Informatik bei 39 % und war auch in den anderen MINT-Fächern überdurchschnittlich hoch [13]. Die genannte Abbruchquote ist über alle Studienfächer in den letzten Jahren deutlich gestiegen; im Bereich Mathematik/Naturwissenschaften von 30 % für die Studienanfänger des Jahres 2006/2007 auf 42 % für die Studienanfänger des Jahres 2010/2011 [14, S. 267]. Die gleiche Untersuchung zeigt die vielfältigen Gründe für einen Studienabbruch auf. Auch wenn die Abbruchmotivation wie in Abb. 4.3 gezeigt im Einzelfall regelmäßig mehrdimensional ist, können die Leistungsproblematik sowie die mangelnde Studienmotivation in einen Zusammenhang mit der unzureichenden Informationsbeschaffung seitens der Studienanfänger bezüglich des belegten Studiengangs gebracht werden. Folgert man daraus den Bedarf an einem besser am Kunden, hier dem Studieninteressierten, ausgerichteten Informationsangebot, so ist zu klären, in welcher Form Informationen üblicherweise oder bevorzugt konsumiert werden. Nach den Erkenntnissen der ARD/ZDF-Onlinestudie 2018 nutzt die Altersgruppe 14 bis 29 Jahre täglich 5:53 Stunden das Internet und damit deutlich überdurchschnittlich gegenüber anderen Altersgruppen [15, S. 405]. Die mediale Internetnutzung nimmt mit über drei Stunden (186 Minuten)

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Ausschlaggebende Studienabbruchmotive 2014 und 2008 Angaben in Prozent 30 31

Leistungsprobleme 17 18

mangelnde Strudienmotivation 15

praktische Tätigkeit

11 11

finanzielle Situation

19 11

persönliche Gründe berufliche Alternative

4 6 3 5

Studienbedingungen familiäre Situation

12 4 7

1 Studienorganisation 0 Studienabbrecher 2014

Studienabbrecher 2008* DZHW-Studienabbruchstudie 2016

*Anteile entsprechend der Faktorenbildung 2014

Abb. 4.3 Gründe für einen Studienabbruch in Prozent [14, S. 21]

enormen Raum ein. Onlinevideos und Videoportale wie YouTube sind die häufigsten Nutzungsarten, auch wenn die Nutzungsintensität zugunsten des Wachstums von Videostreamingdiensten zuletzt leicht gesunken ist. In Summe nutzen 99 % der 14- bis 29-Jährigen Videos [16, S. 429]. Faktisch ist also die Zielgruppe der Studieninteressenten nahezu vollständig und überwiegend mit mobilen Endgeräten (Smartphones) online und nutzt Social-Media Plattformen, Messenger und Videos als primäre Informationsquellen.

4.3

Einsatz von Videos im Hochschulmarketing

Bevor auf den Einsatz von Videos als Bestandteil der Marketingstrategie eingegangen wird, lohnt sich ein kurzer Blick auf die Besonderheiten des Marketings für Hochschulen.

4.3.1

Diskussion des Begriffs Hochschulmarketing

Hell und Hähnel definieren im Jahre 2008 Hochschulmarketing folgendermaßen:

4

Einsatz von Videos im Studiengangmarketing: eine empirische Untersuchung

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Unter Hochschulmarketing wird die bewusst marktorientierte Führung sowie marktorientiertes Entscheidungsverhalten einer Hochschule verstanden. Die Verwirklichung sowohl des Forschungs- als auch des Bildungsauftrags soll dabei durch eine umfassende und konsequente Kundenorientierung erreicht werden. [17, S. 9]

Die Autoren erläutern aber auch die damit verbundenen Problematiken, die sich beispielsweise schon aus dem Begriff des Studieninteressierten oder Studierenden als Kunden ergeben [17, 18, S. 175]. Hell und Hähnel kommen in ihrer Untersuchung zu dem Schluss, dass die in diesem Beitrag adressierten Studieninteressierten bei ihrer Hochschul- und Studiengangwahl folgende bedeutende Entscheidungsfaktoren berücksichtigen: Qualität und inhaltliche Vielfalt der Lehre, Ausstattung der Lehre, Betreuung der Studierenden und das Image der Hochschule [17, S. 8]. Alle diese Aspekte sind in der Realisierung langfristig anzulegen und zeigen die Komplexität beim Marketing für einen Studiengang, verstanden als das Produkt einer Hochschule. Viele Aspekte, die Brennan und Brady in Bezug auf Non-Profit-Organisationen herausarbeiten [19] und dabei für ein Beziehungsmarketing plädieren, lassen sich aber auch auf Hochschulen adaptieren [2, S. 278]. Für Studieninteressierte sind dabei nicht nur die Informationen des konkreten Studiengangs wichtig, sondern auch Themen rund um das Hochschulleben oder das Ansehen der Hochschule im Allgemeinen. Die Community, folglich die Studierenden an der Hochschule, die Professoren und Dozenten sowie der Gesamteindruck der Stadt sind wichtige ausschlaggebende Faktoren bei einer Entscheidung für den Studienort [17, S. 12]. Eine entscheidende Frage, die sich Hochschulen und die jeweiligen Verantwortlichen stellen müssen, um die Studieninteressierten gezielt zu erreichen, ist, wie sich Studieninteressierte aus dem vorhandenen Angebot für eine bestimmte Hochschule und einen bestimmten Studiengang entscheiden. Die bereits erwähnte Fülle der Studiengänge, die von den deutschlandweit über 400 Hochschulen angeboten wird, wächst voraussichtlich er weiter. Für Studieninteressierte kann diese Angebotsvielfalt überfordernd wirken. Somit ist es die Aufgabe der Hochschule, eine bestimmte Zielgruppe zu adressieren, die sich von unterschiedlichen Faktoren beeinflussen lässt, und das Ziel zu verfolgen, dass sich der potenzielle Studierende für diesen einen Studiengang entscheidet. Hochschulen streben eine möglichst geringe Zahl von Studienabbrechern an. Um dies zu erreichen, ist es notwendig, den Studieninteressierten eine möglichst aussagekräftige und wahrheitsgemäße Sammlung an Informationen zur Verfügung zu stellen, anhand derer die Interessierten sich ein Bild vom Studiengang insgesamt, den Lehrinhalten und der Lehrumgebung machen können. Allerdings legt der relativ hohe Anteil von Studienabbrüchen und Studiengangwechseln nahe, dass während der Entscheidungsphase eine Fehleinschätzung seitens der Studieninteressierten vorliegt. Diese Fehleinschätzung kann sich auf verschiedene Faktoren wie Leistungserwartungen oder Lernumfeld beziehen. Liegt ein Informationsdefizit vor, so erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass der Studieninteressierte sich für die falsche Hochschule oder das falsche Studienfach entscheidet. Hochschulen stehen wiederum dem Problem gegenüber, dass sich jeder

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M. Gröschel und J. Dreisbach

Studieninteressierte und potenzielle spätere Bewerber auf einem anderen Wissenstand befindet und ein anderes Leistungsniveau vorweisen kann. Dies erklärt die Wichtigkeit, die das Hochschulmarketing in Bezug auf die Studierendenakquise darstellt. Die Darbietung der Informationen eines einzelnen Studiengangs, einer Fakultät, einer Fachrichtung oder der Hochschule im Allgemeinen muss an den Bedürfnissen der Studieninteressierten und Studierenden ausgerichtet werden.

4.3.2

Videos als Teil des Content-Marketings

Die im vorherigen Abschnitt und in Abschn. 4.2 dargestellten Ergebnisse zeigen auf, dass Videos auch für Hochschulen ein geeignetes Medium sind. Diese sind aber nicht isoliert zu betrachten, sondern können und sollten ein Bestandteil des breit angelegten Hochschulund Studiengangmarketings sein. Obwohl es sogar bereits seit 1988 ein US-amerikanisch geprägtes Journal of Marketing for Higher Education gibt, existieren soweit ersichtlich keine expliziten Untersuchungen über den Einsatz von Videos im Hochschulmarketing. Einige Untersuchungen beschäftigen sich mit dem Nutzen von Social-Media-Plattformen durch Hochschulen und deren Auswirkungen [4, 20, 21]. Social-Media-Plattformen spielen mittlerweile eine selbstverständliche Rolle beim Außenauftritt von Hochschulen. Auch alle Hochschulen, die in der hier beschriebenen empirischen Untersuchung berücksichtigt wurden, sind auf einer oder mehreren Social-Media-Plattformen vertreten (siehe Abschn. 4.5). Die Ergebnisse vieler US-amerikanischer Untersuchungen sind aber nur bedingt auf Deutschland zu übertragen, da in den USA Universitäten oft privat finanziert und einem stärkeren Wettbewerb ausgesetzt sind. Social-Media-Plattformen werden auch genutzt, um Videos zu veröffentlichen. Dabei setzt man u.a. auf den Effekt des viralen Marketings. Studierende können beispielsweise auch selbst Videos und Inhalte, beispielsweise über Projektarbeiten [22, S. 145 f.], erstellen und werden damit nicht nur Kunde oder Partner der Hochschule, sondern integraler Bestandteil der Marketingstrategie [23]. Sie können in vielfältiger Form auch Co-Creator werden. Alle diese Aspekte sollten einer langfristig angelegten, inhaltlich ausgelegten Strategie folgen. Üblicherweise wird dieser Ansatz als Content-Marketing bezeichnet [24], wobei für Hochschulen vor allem auch das sogenannte Storytelling interessant ist [25]. Die voranschreitende Digitalisierung auf allen Gebieten legt selbstverständlich nahe, dass das Content-Marketing vor allem online betrieben wird. Zahlreiche Beispiele aus der Hochschulwelt [26] zeigen das vielfältige Spektrum der Möglichkeiten im Bereich des digitalen Hochschulmarketings auf, das bereits heute genutzt wird.

4

Einsatz von Videos im Studiengangmarketing: eine empirische Untersuchung

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Wirkung von Online-videos Art des Videos

Wirkung / Ziele Bekanntheit

Image

Interesse

Kundengewinnung

Kundenbindung

Unternehmensvideo / Imagevideo Produktvideo Erklärvideo Anleitungen, Tutorials, Support-Videos Interview Webinare / Videokonferenzen Reportage Virales Video Recruiting-Video* * Bei Recruiting-Videos gelten die potenziellen Bewerber als Kunden

© Onlinemarketing-Praxis – WWW.onlinemarketing-praxis.de

Abb. 4.4 Arten und Wirkungen von Videos im Content-Marketing. (Quelle: [27])

4.3.3

Kategorisierung von Videos

Der Einsatz von Videos beim Content-Marketing erfordert eine Ausrichtung an den Zielen. Mattscheck [27] unterscheidet folgende wichtige Zielbereiche: komplexe Vorgänge erläutern, Informationen zu bestimmten Themen vermitteln, Neuigkeiten auf interessante Weise darstellen, Zuschauer ausschließlich unterhalten. Mattscheck hat dabei die in Abb. 4.4 gezeigte Klassifizierung vorgenommen, die Videos anhand der Kriterien Inhalte, Aufbau und Darstellung in neun verschiedene Kategorien einordnen lässt [27]. Die für das Hochschulmarketing besonders relevanten Kategorien mit einer kurzen Beschreibung stellt Tab. 4.1 dar. Es lässt sich anhand der Kategorien erkennen, dass Videos geeignet sind, die unterschiedlichen Aspekte des Studiengangmarketings abzubilden. Die von Mattscheck vorgenommene Abgrenzung der Kategorien kann nur als ein Aufzeigen der Möglichkeiten interpretiert werden. Die Kategorien sind selbstverständlich nicht überschneidungsfrei. In realen Videos lassen sich Elemente verschiedener Kategorien zu einem sinnvollen Gesamtwerk komponieren. In Abschn. 4.5.3 werden außerdem zwei weitere Videoarten, Statementvideos und Werbevideos eingeführt, die sich bei der Auswertung der Daten als sinnvoll herausgestellt haben. Die Kategorien fungieren somit in dieser Untersuchung nur als grobes Orientierungsraster.

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Tab. 4.1 Für das Hochschulmarketing relevante Kategorien an Videos Videokategorie Imagevideo Erklärvideo Interview

Reportage

Virales Video

Produktvideo

Beschreibung Das Imagevideo nutzt reale Filmsequenzen, die dem Zuschauer Einblicke in die Hochschule geben und eine emotionale Bindung erzeugen sollen Innerhalb von kurzer Zeit soll ein Sachverhalt einfach und interessant erklärt werden [28]. Oft werden Animationen oder die typische Comicoptik verwendet Persönliche Erfahrungen lassen sich gut in einem Interview vermitteln. Mithilfe eines Videos, in dem ein Interview komplett oder teilweise dargestellt wird, können auch komplexere Sachverhalte erklärt werden. Klassische statische Interviews stellen allerdings für viele Zuschauer keine reizvolle Option dar Die Reportage bietet die Möglichkeit, Eindrücke aus bestimmten Bereichen einzufangen und den Zuschauern durch Transparenz und das Vermitteln interessanter Inhalte neue Perspektiven darzulegen Das Teilen und Weiterleiten des Videos steht bei einem viralen Video im Vordergrund. Dadurch soll eine möglichst große Bandbreite an Zuschauern erreicht werden. Charakteristikum von viralen Videos ist u. a. die kurze Dauer, welche ein schnelles Erfassen des gesamten Videos ermöglicht Produktvideos dienen dazu, den Zuschauern ein bestimmtes Produkt näherzubringen. Im klassischen Sinne geht es hierbei darum, dass ein Unternehmen einen Kunden von seinem Produkt überzeugen will. Das Produktvideo gibt einen umfangreichen Einblick in die Qualität und Ausstattung des Produkts

4.4

Aufbau der empirischen Untersuchung

4.4.1

Zielsetzung und Abgrenzung

Soweit ersichtlich liegen bisher keine Untersuchungen vor, die den Einsatz von Videos im Hochschulmarketing oder im Studiengangmarketing von Hochschulen thematisieren. Nach [20, S. 367] gibt es nur eine „sehr begrenzte Zahl empirischer Studien“, die überhaupt Online- und Social-Media-Kommunikation betrachten. Metag und Schäfer stellen beispielsweise in ihrer Untersuchung fest, dass multimediale Inhalte nur selten in der Onlinekommunikation von Hochschulen verwendet werden [4, S. 176]. Ausgehend von der generellen Verbreitung von Videos auf Webseiten der Hochschulen zu informatikbezogenen Studiengängen wird untersucht, welche Zwecke diese Videos in Bezug auf Marketing und Informationsvermittlung für solche Studiengänge mit dem Fokus Information und Gewinnung von Studienbewerbern verfolgen. Damit wird das Ziel adressiert, erste Erkenntnisse über den Einsatz von Videos im Studiengangmarketing von Hochschulen zu gewinnen. Dazu erfolgt eine Einschätzung bzgl. der in Tab. 4.1 aufgeführten Videokategorien und eine quantitative Analyse. Um die Untersuchungsobjekte vergleichbar zu halten, wurden die folgenden Einschränkungen vorgenommen:

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Einsatz von Videos im Studiengangmarketing: eine empirische Untersuchung

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• Es werden nur Bachelorstudiengänge mit Präsenzcharakter an staatlichen Hochschulen (Universitäten und Hochschulen für Angewandte Wissenschaften) aus dem Themenfeld Informatik betrachtet. • Lehramtsstudiengänge an Pädagogischen Hochschulen werden nicht betrachtet, auch wenn ein Informatikschwerpunkt gegeben ist. • Die Untersuchung beschränkt sich auf Studiengänge von Hochschulen in BadenWürttemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz. • Ausgeschlossen aus der Untersuchung sind Studiengänge an Dualen Hochschulen, da sich der Bewerbergewinnungsprozess durch die Zusammenarbeit mit Unternehmen anders gestaltet und sich die Bewerber direkt bei Unternehmen bewerben. • Auch Fernstudiengänge sowie berufsbegleitende Studiengänge adressieren andere Zielgruppen und haben durch ihr üblicherweise kostenpflichtiges Studienmodell andere Rahmenbedingungen und Möglichkeiten und bleiben daher in der Untersuchung unberücksichtigt.

4.4.2

Vorgehensweise und Methodik

Als Methoden der empirischen Untersuchung wurde eine einfache Datensammlung mit einer anschließenden Inhaltsanalyse kombiniert. Die Inhaltsanalyse als qualitative Analyse erhobener Daten beschreibt die strukturierte Bearbeitung von gesammelten Informationen. Die quantitativen und qualitativen Faktoren wurden im Untersuchungszeitraum August bis September 2017 in einer Datenbank erfasst. Pro Studiengang wurde eine maximale Untersuchungsdauer von 20 Minuten festgesetzt. Die Datenerhebung selbst wurde in den folgenden acht Schritten durchgeführt: 1. Es wird die Startseite der Hochschule betrachtet und direkt nach Verlinkungen zu Social-Media-Plattformen gesucht. 2. Es wird nach den angebotenen Studiengängen gesucht, wobei der Fokus auf dem Fachbereich Informatik liegt. 3. Wenn ein passender Studiengang gefunden wird, werden die dazugehörigen Menüpunkte untersucht. 4. Es wird nach der passenden Fakultät, dem passenden Institut, dem passenden Fachbereich oder Ähnlichem gesucht. 5. Weiterführende Seiten zu den Ergebnissen aus Schritt 4 werden untersucht. 6. Es werden nochmals verschiedene Menüpunkte der Startseite durchsucht, z. B. das Profil der Hochschule. 7. Falls Videos gefunden wurden, wird festgehalten, ob diese studiengangsspezifisch sind. Nur studiengangsspezifische Videos werden in die Untersuchung einbezogen. 8. Abschließend werden die Social-Media-Plattformen Facebook, YouTube und Twitter entweder über die passende Verlinkung abgerufen oder mithilfe einer Suchmaschine identifiziert.

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Tab. 4.2 Verteilung der untersuchten Studiengänge auf die Bundesländer und Hochschularten Bundesland Baden-Württemberg Hessen Rheinland-Pfalz Summe

Gesamt 46 20 26 92 (100 %)

4.5

Ergebnisse und Interpretation

4.5.1

Überblick

Universitäten 13 7 9 29 (32 %)

HAWs 33 13 17 63 (68 %)

An insgesamt 38 Hochschulen im Untersuchungsgebiet, 23 davon Universitäten und 15 HAWs, wurden 92 Studiengänge mit Informatikbezug identifiziert. Während 46 Studiengänge davon in Baden-Württemberg angesiedelt sind, sind für Rheinland-Pfalz 26 und für Hessen 20 Untersuchungsobjekte erfasst. Der überwiegende Anteil der Studiengänge, nämlich absolut 63 bzw. 68 %, ist an HAWs angesiedelt, was den Schluss nahelegt, dass an HAWs das Angebot im Informatikbereich breiter in einzelne Studiengänge aufgefächert ist, während an Universitäten die Spezialisierung über verschiedene Schwerpunkte unter einem einheitlichen Studiengangnamen stattfindet (siehe Tab. 4.2). Die Heterogenität spiegelt sich auch in der Namensgebung der Studiengänge wider, die in Abb. 4.5 aufgezeigt ist. Es muss davon ausgegangen werden, dass die Namensvielfalt nicht dazu beträgt, dass Studieninteressierte die Studiengänge finden, da die Zielgruppe die ausdifferenzierten Unterschiede nicht kennt – z. B. Informatik vs. Software Engineering oder Wirtschaftsinformatik vs. Angewandte Informatik. Die Webseite des Studiengangs bzw. der Hochschule dient als Einstiegspunkt für einen Studieninteressierten. Aus Sicht der Person, die die Untersuchung durchgeführt hat, wurden die Kriterien „Ansprechende Gestaltung“, „Übersichtlichkeit“ und „angemessene Textmenge“ betrachtet und einer subjektiven Einschätzung unterzogen. Fast 30 % der Hochschulwebsites wurden dabei als unübersichtlich und verwirrend eingestuft. Übermäßige Nutzung von Querverweisen ist eine der Hauptkritikpunkte. Bei der Datensammlung wurden im Durchschnitt fast 14 Minuten der maximal vorgesehenen Bearbeitungszeit von 20 Minuten verbracht, nur bei fünf Hochschulen wurde die maximal geplante Bearbeitungszeit überschritten. Die Beurteilung der Hochschulwebsites war lediglich ein Randaspekt der Untersuchung. Die notwendigen Vorarbeiten offenbaren aber Optimierungspotenzial, vor allem da die Verweildauern auf solchen Webseiten gering sind, die das Bedürfnis des Lesers nicht in kurzer Zeit befriedigen. Alle betrachteten Hochschulen sind auf einer oder mehreren Social-Media-Plattformen vertreten. Eine Detailbetrachtung dieser Auftritte war nicht geplant. Die Präsenz ist aber relevant vor dem Hintergrund, dass die im Fokus stehenden Videos zum einen auf

4

Einsatz von Videos im Studiengangmarketing: eine empirische Untersuchung

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Sonstige 25

Medizininformatik 2 Software Engineering 3 Bioinformatik 3 Informatik 26 Medizinische Informatik 3

Informatik-mit Schwerpunktthema 5

Angewandte Informatik 5

Medieninformatik 8 Wirtschaftsinformatik 13

Abb. 4.5 Variabilität bei den Bezeichnungen der untersuchten Studiengänge

Plattformen wie YouTube gehostet werden können und sie zum anderen eine wichtige Rolle bei der viralen Verbreitung von Videos oder anderen Informationen spielt. Alle 38 untersuchten Hochschulen sind bei Facebook vertreten. YouTube und Twitter werden von 36 bzw. 31 Hochschulen genutzt. Auch Instagram, Google+ und XING werden von mehreren Hochschulen genutzt. Die Nutzung unterliegt sicherlich stetigem Wandel, wie die im Oktober 2018 angekündigte Schließung von Google+ für Endkunden belegt [29]. Hochschulen müssen sich daher beim Content-Marketing kurzfristig an den von Studieninteressierten präferierten Plattformen orientieren.

4.5.2

Quantitative Ergebnisse zu den Videos mit Studiengangbezug

An 29 (76 %) von 38 Hochschulwebseiten wurden, bezogen auf das zu untersuchende Themengebiet, Videos gefunden, d. h., mehr als drei Viertel der Institutionen nutzen bereits Videos im untersuchten Kontext. Von diesen 29 nutzen 19 (66 %) gezielt Videos für das Marketing von Studiengängen, und weitere 10 (34 %) setzen Videos zu weiteren Zwecken ein. Die weitere Untersuchung fokussiert sich auf diese 19 Hochschulen. An den 19 Hochschulen werden insgesamt 31 Studiengänge mit Informatikbezug angeboten. Allerdings bietet nicht jeder Studiengang ein eigenes Video an. Manche Videos

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Tab. 4.3 Universitäten mit Videos zum Studiengangsmarketing (Detailinformationen) Hochschule Universität Konstanz Universität Mannheim Universität Stuttgart Universität Frankfurt Universität Kassel Universität Koblenz Landau Universität Mainz Universität Trier Technische Universität Darmstadt Karlsruher Institut für Technologie (KIT)

Studiengang bzw. Studiengänge Informatik Information Engineering Wirtschaftsinformatik

Dauer (in Minuten) 0:39

Veröffentlichungsdatum 11.12.2015

Aufrufe 1334

1:28 3:00 2:43

n. v. 27.05.2014 15.07.2016

n. v. 16.527 4065

5:12 2:03 1:02

n. v. n. v. 20.02.2015

n. v. n. v. 4851

Wirtschaftsinformatik

9:28

28.10.2013

4363

Informatik Wirtschaftsinformatik Informatik Wirtschaftsinformatik

1:53 2:58 5:57 3:41

n. v. 22.05.2016 n. v. n. v.

n. v. 10.603 n. v. n. v.

Informatik

5:56

15.08.2013

10.637

Mittelwert Median

3:32 2:58

Informatik Medieninformatik Informatik Bioinformatik Informatik

7483 4851

„n. v.“ bedeutet nicht verfügbar, da das Video nicht über eine Videoplattform bereitgestellt wird, auf der die Daten ersichtlich sein können

fassen Informationen zu mehreren Studiengangangeboten zusammen. Tab. 4.3 und 4.4 stellen die erfassten Studiengänge für die Universitäten bzw. HAWs dar. Außerdem werden die Dauer, das Veröffentlichungsdatum sowie die Anzahl der Aufrufe des Videos notiert, soweit die jeweiligen Informationen ersichtlich waren. Da sich über die Hochschularten keine relevanten Unterschiede erkennen lassen, werden für die weiteren Betrachtungen die Daten zusammengefasst. Einige Videos beschreiben die Inhalte von mehreren Studiengängen, wie z. B. an der Universität Konstanz, der Universität Stuttgart, der Hochschule Ulm und der Hochschule Mannheim. Andererseits ist es auch möglich, dass mehrere Videos einen einzigen Studiengang betreffen, dies ist an der Universität Mannheim, der Hochschule Trier und der Hochschule Heilbronn der Fall. Spezialfälle sind die Universität Frankfurt und die Technische Universität Darmstadt. Bei diesen beiden Einrichtungen ist jeweils nur ein Video pro Studiengang erfasst und ausgewertet. Doch vor allem bei der Universität Frankfurt ist die Zahl der Videos bezüglich der Studiengänge wesentlich größer. Hier können insgesamt zehn Videos zu den Studiengängen Informatik und Bioinformatik gezählt werden, welche in das Bild des Studiengangmarketings passen würden. Zur Erhebung der Werte wurde zu

3:49 4:50 4:45 2:43 2:02 2:31 5:28 2:48 2:55 3:12 3:35 2:50 0:46 1:02 3:20 1:43

Geoinformatik und Vermessung Software Engineering Wirtschaftsinformatik

Medizinische Informatik Informatik, Unternehmens- und Wirtschaftsinformatik Medizinische Informatik Mittelwert Median

Angewandte Informatik

3:15 3:03

5:34

Wirtschaftsinformatik und digitale Medien

Informatik, Wirtschaftsinformatik, Data Science Informatik Wirtschaftsinformatik Medien- und Kommunikationsinformatik Software Engineering

Dauer (in Minuten) 4:47

Studiengang bzw. Studiengänge Mobile Computing

3.11.2015 22.06.2015 04.04.2007 03.11.2008 13.06.2015 14.07.2015 19.09.2014 22.09.2014 02.11.2015 29.05.2015 24.01.2017 26.05.2015 18.08.2015 13.12.2016 08.06.2015 27.04.2017

5.08.2014

Veröffentlichungsdatum 14.11.2014

„n. v.“ bedeutet nicht verfügbar, da das Video nicht über eine Videoplattform bereitgestellt wird, auf der die Daten ersichtlich sein können

Hochschule Mannheim

Hochschule Heilbronn

Hochschule Ulm Hochschule Karlsruhe

Hochschule Technische Hochschule Bingen Hochschule der Medien Stuttgart Hochschule Mainz Hochschule Aalen Hochschule Trier

Tab. 4.4 HAWs mit Videos zum Studiengangmarketing (Detailinformationen)

4288 3158

4956 666 12.139 2863 926 4129 3454 3452 4929 10.350 431 12.964 862 317 9801 758

1377

Aufrufe 2812

4 Einsatz von Videos im Studiengangmarketing: eine empirische Untersuchung 55

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jedem Studiengang jeweils zufällig ein Video herausgesucht. Die Technische Universität Darmstadt zählt zum Studiengang Informatik insgesamt acht Videos. Da sich der Aufbau dieser Videos nur wenig unterscheidet, wurde auch hier per Zufall ein Video für die weiteren Analysen herausgesucht. Bei insgesamt fünf Studiengängen können keine Angaben zu den Aufrufen oder dem Alter der Videos gemacht werden, da diese Videos nicht auf YouTube verfügbar, sondern direkt bei den Hochschulen gehostet sind. Bei allen verbleibenden Videos konnten die relevanten Daten über die Videoplattform erhoben werden.

4.5.2.1 Analyse der Länge der Videos Mit Ausnahme eines Videos der Universität Koblenz-Landau, das zu den ältesten gehört, ist die Länge der Videos gleichverteilt. Bei einem hochschulartübergreifenden Mittelwert bzw. Median von 3:22 bzw. 2:58 Minuten reicht die Spanne von sehr kurzen Videos mit einer Dauer von ca. einer Minute bis hin zu Videos im Bereich von fünf bis sechs Minuten. Ein Zusammenhang zwischen der Länge eines Videos und der Anzahl der Aufrufe kann nicht hergestellt werden. Bei der Anzahl der Aufrufe ist zudem zu berücksichtigen, dass dabei nicht erfasst werden kann, ob das Video auch komplett oder in welchen Teilen tatsächlich angeschaut wurde. 4.5.2.2 Analyse des Alters der Videos In den folgenden Auswertungen der angegebenen Daten können Videos ohne Angaben bezüglich des Alters und der Aufrufe nicht berücksichtigt werden. Somit werden von 31 Studiengängen und 31 Videos an 19 Hochschulen nur 16 Hochschulen mit einer Anzahl von 26 Studiengängen und 25 Videos betrachtet. Aus den Daten von Tab. 4.3 und 4.4 ergibt sich, dass die Videos, bei denen das Veröffentlichungsdatum verfügbar ist, zum Zeitpunkt der Betrachtung etwa zweieinhalb Jahre alt sind (Median: 2,26 Jahre; Mittelwert: 2,76 Jahre). Die Nutzung von Videos scheint ab dem Jahre 2014 verstärkt zuzunehmen. Die Videos werden aufgrund des Erstellungsaufwandes offensichtlich eher als dauerhaftes Element beim Content-Marketing genutzt. 4.5.2.3 Analyse der Aufrufszahlen der Videos Zunächst würde man annehmen, dass die Anzahl der Aufrufe umso höher ist, je länger das Video verfügbar ist. Abb. 4.6 stellt allerdings anhand der linearen Trendlinie dar, dass es nur einen schwachen Zusammenhang zwischen der Videolänge und der Anzahl an Aufrufen gibt. Beispielsweise zählt das etwas über drei Jahre alte Video der Universität Mannheim über 16.000 Aufrufe, das ähnlich alte Video der Hochschule der Medien Stuttgart kommt hingegen nur auf knapp 1400 Aufrufe. Da Universitäten größere Studierendenzahlen betreuen und auch mehr Studienplätze anbieten, ist es plausibel, dass Universitäten im Mittel generell höhere Abrufzahlen haben als HAWs, konkret im Mittel 7483 gegenüber 4288. Vielmehr ist aber anzunehmen, dass die Platzierung auf den Webseiten der Hochschulen einen wesentlich höheren Einfluss auf die Aufrufzahlen hat. In Summe sind die HAWs in Bezug auf das Videoangebot offensichtlich aktiver und besser aufgestellt.

4

Einsatz von Videos im Studiengangmarketing: eine empirische Untersuchung

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Abb. 4.6 Zusammenhang zwischen der Anzahl an Aufrufen und dem Alter der Videos

4.5.3

Qualitative Betrachtung der Inhalte

Bei der qualitativen Betrachtung werden die gefundenen Videos anhand der in Abschn. 4.3.3 verwendeten Kategorien eingeordnet. In den Hochschulvideos konnten Erklärvideos, Imagevideos, Interviews und Reportagen identifiziert werden. Ergänzend wurden zwei weitere Kategorien, Statementvideos und Werbevideos, eingeführt. Diese beiden Videoarten wurden im Laufe der Analysearbeit identifiziert, um die Inhalte der vorhandenen Videos zu beschreiben. Das Statementvideo ist dem Interview sehr ähnlich, jedoch besitzt es nicht die klassische Frage/Antwort-Struktur. Es stellt vielmehr eine oder mehrere Personen oder Experten mit deren Aussagen (Statements) zu bestimmten Themen in den Fokus. Hingegen ist ein Werbevideo das klassische Video zum Bewerben eines Produkts oder einer Dienstleistung und ähnelt der Kategorie Produktvideo. Die insgesamt 31 Videos werden gemäß dieser sechs Kategorien eingeordnet. Dabei ist zu beachten, dass bei den meisten Videos eine eindeutige Zuordnung oft nicht möglich ist, da verschiedene Elemente der unterschiedlichen Arten enthalten sind. Folglich wurden für betreffende Videos mehrere Kategorien ausgewählt. Tab. 4.5 stellt die Einschätzung zu den einzelnen Videos dar. Am weitesten verbreitet ist die Nutzung von Statementvideos. Bei dieser Videoart erzählen in den meisten Fällen Studierende über Hintergründe und Inhalte des Studiums

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M. Gröschel und J. Dreisbach

Tab. 4.5 Kategorisierung der Videos Hochschule Universität Konstanz Universität Mannheim

Studiengang bzw. Studiengänge Informatik Information Engineering Wirtschaftsinformatik (2 Videos)

Universität Stuttgart

Informatik und Medieninformatik

Universität Frankfurt

1. Informatik 2. Bioinformatik

Universität Kassel Universität Koblenz-Landau

Informatik

Universität Mainz Universität Trier

Informatik

Wirtschaftsinformatik

Wirtschaftsinformatik

Technische Universität Darmstadt

1. Informatik 2. Wirtschaftsinformatik

Karlsruher Institut für Technologie (KIT) Technische Hochschule Bingen

Informatik

Hochschule der Medien Stuttgart Hochschule Mainz

Wirtschaftsinformatik und digitale Medien Geoinformatik und Vermessung

Hochschule Aalen

Software Engineering

Mobile Computing

Kategorisierung Dieses Video ist am ehesten als Imagevideo einzuordnen 1. Ein Video zeigt eine Mischung aus den Kategorien Interview und Statement 2. Das zweite Video ist ein Erklärvideo Das Video ist abwechselnd als Erklärvideo und Statementvideo gestaltet, mit Elementen eines Interviews 1. Dieses Video ist ein Interview 2. Hierbei handelt es sich um ein Interview, mit Elementen des Statementvideos Werbevideo Dieses Video lässt sich dem Imagefilm sowie dem Interview- und dem Statementvideo zuordnen Hierbei handelt es sich um ein Interview Es handelt sich bei diesem Video um ein Statementvideo 1. Dieses Video lässt sich dem Statementvideo zuordnen 2. Bei diesem Video handelt es sich um ein Statementvideo, welches Elemente eines Imagevideos beinhaltet Hierbei handelt es sich am ehesten um ein Statementvideo mit Text

Es ist am Anfang und am Ende als Imagefilm gestaltet, weiterführend als Interview- oder Statementvideo einzuordnen Dieses Video ist ein Erklärvideo, das als Studienguide fungiert Das Video enthält Elemente des Erklärvideos, des Imagevideos und des Statementvideos Hierbei handelt es sich um eine Art der Reportage, wobei Elemente des Erklärvideos und des Statementvideos auftauchen (Fortsetzung)

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Einsatz von Videos im Studiengangmarketing: eine empirische Untersuchung

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Tab. 4.5 (Fortsetzung) Hochschule Hochschule Trier

Studiengang bzw. Studiengänge Wirtschaftsinformatik

Hochschule Ulm

Informatik, Wirtschaftsinformatik, Data Science 1. Informatik 2. Wirtschaftsinformatik 3. Medien- und Kommunikationsinformatik

Hochschule Karlsruhe

Hochschule Heilbronn

1. Software Engineering (3 Videos) 2. Angewandte Informatik (3 Videos) 3. Medizinische Informatik

Hochschule Mannheim

Informatik, Unternehmens- und Wirtschaftsinformatik Medizinische Informatik

Kategorisierung Dieses Video ist teilweise aufgebaut wie ein Vortrag und enthält Elemente eines Erklärvideos ohne Animationen. Außerdem sind Elemente des Statementvideos vorhanden Dieses Video stellt ein normales Erklärvideo dar 1. Hierbei handelt es sich um ein Statementvideo 2. Es ist aufgebaut wie eine Reportage, mit Elementen des Erklär- und Statementvideos 3. Dieses Video lässt sich als Statementvideo einordnen 1. (a) Es ist am Anfang aufgebaut wie ein Erklärvideo und geht in ein Statementvideo über (b) Hierbei handelt es sich am Anfang um ein Statementvideo und entwickelt sich in ein Erklärvideo mit Interview (c) Dieses Video enthält Elemente des Erklärvideos sowie des Statementvideos 2. (a) Hierbei handelt es sich um eine Kombination aus einem anfänglichen Erklärvideo und einem Statementvideo mit Elementen des Interviews (b) Dieses Video ist ein kurzes Erklärvideo (c) Dieses Video ist ein Erklärvideo 3. Es ist ein Statementvideo, das wie ein Erklärvideo beginnt Hierbei handelt es sich um ein klassisches Erklärvideo

sowie über Motive für die Wahl des Studienorts und was ihnen am Studium besonders gut gefällt. Des Weiteren werden sehr häufig Projekte beschrieben, die während des Studiums bearbeitet wurden oder werden. Zusätzlich zu den Studierenden sind Professoren als Darsteller und Erzähler vertreten. In einigen Videos werden Fragen eingeblendet, welche daraufhin beantwortet werden. Diese zählen dann zur Kategorie Interview. Am ansprechendsten sind die verschiedenen Erklärvideos gestaltet. Diese animierten Videos legen einen besonderen Fokus auf die visuelle Gestaltung des Inhalts. Insgesamt

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sind sechs reine Erklärvideos vorhanden, bei weiteren acht Videos sind animierte Erklärsequenzen zu finden. Aus den Daten lassen sich folgende Erkenntnisse ableiten: Es gibt keine Videokategorie, die bevorzugt abgedeckt wird und die allein erfolgversprechend im Sinne von hohen Aufrufzahlen ist. In vielen Fällen kommt vielmehr eine Kombination verschiedener Videoarten zum Einsatz. Die Videos sind meistens attraktiv gestaltet und entsprechend aufwendig produziert. Allerdings sind die Videos oft nicht an prominenter Stelle auf der Website platziert und scheinen nicht als besonders wichtiges oder zentrales Informationsmedium vonseiten der Hochschulen bzw. Fakultäten eingestuft zu werden. Vielmehr dominieren umfangreiche textuell aufbereitete Informationen. Dies steht durchaus im Widerspruch zu den Ansprüchen der Zielgruppe der Studieninteressierten (siehe Abschn. 4.2).

4.6

Ausblick/Handlungsempfehlungen

Da die Zielgruppe der Studieninteressenten und Studierenden Videos bevorzugt und vielfältig konsumieren, sollten Videos eine wichtige Rolle beim Content-Marketing von Hochschulen spielen. Videos können nicht nur im Studiengangmarketing eingesetzt werden, sondern auch an vielen anderen Stellen. Da die Produktion von Videos mittlerweile auch für Laien einfach und ohne großen Aufwand möglich ist, sollten Videos in vielfältigen Formen – den o. g. Kategorien – eingesetzt werden. Mehrere kurze und aktuelle Videos sind hierbei besser als aufwendig produzierte und lange Videos. Mattscheck empfiehlt generell kurze Videos mit einer maximalen Dauer von fünf Minuten [10]. Videos, die im Sinne des Social-Media-Gedankens „user generated content“ durchaus auch von den vielfältigen Mitgliedern und Stakeholdern an der Hochschule erstellt werden können, sollten prominenter auf den Webseiten der Hochschulen platziert werden als bisher. Bei aller Autonomie der zahlreichen beteiligten Einheiten wie zentrales Hochschulmarketing, Hochschul-Public Relations (PR), Fakultäten, Studiengänge und einzelne Professoren, bietet es sich an, zentral Hilfestellungen zu leisten. Videos können zwar heute auch von Laien ohne viel Erfahrung in der Videoproduktion schnell und einfach erstellt werden, die konzeptionelle Arbeit im Vorfeld der Produktion darf allerdings nicht unterschätzt werden. Mit dem Werkzeug mysimpleshow [30] können beispielsweise animierte Erklärvideos erzeugt werden. Screencasts lassen sich mit kostenfreier Software leicht produzieren. Eine Unterstützung durch eine zentrale Einheit kann neben dem Angebot an konkreter Hilfestellung auch den Erfahrungsaustausch fördern sowie Best Practices sammeln und bereitstellen. Bei Bedarf können Aspekte, die einheitlich dargestellt werden sollen, bereitgestellt werden, z. B. Introsequenzen. Bei professionell erstellten Videos, die mit entsprechendem Aufwand und Kosten einhergehen, sollte darauf geachtet werden, dass auf inhaltlich sich rasch verändernde Inhalte verzichtet wird, da veraltete Informationen eher kontraproduktiv wirken und die Hochschule insgesamt nicht optimal präsentieren. Es war im Rahmen der vorliegenden Untersuchung leider nicht möglich, auch die Erstellungsseite auszuwerten. So wäre es

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Einsatz von Videos im Studiengangmarketing: eine empirische Untersuchung

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zukünftig hilfreich, bei den Ansprechpartnern der Hochschulen den Aufwand zur Erstellung und Aktualisierung bzw. den Produktionsprozess zu erheben und zu analysieren. Ein weiterer offener Punkt ist die Frage nach dem tatsächlichen Nutzen der Videos. Im Rahmen der quantitativen Analyse konnten zwar die Aufrufzahlen erhoben werden, die sich teilweise sehr stark unterschieden haben. Die Messung des Nutzens von Marketingmaßnahmen im Allgemeinen und bzgl. des Angebots von Videos ist generell schwierig, aber zumindest sollte die Analyse des Nutzungsverhaltens im Zuge von Web Analytics auch die Videonutzung einschließen.

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Wildauer Maschinen Werke – Digitale Lernfabrik für interdisziplinäre Lehre und Forschung

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Stefan Kubica, Eckart Wolf, Detlef Nemak, Frank Gillert, Jörg Reiff-Stephan, Norman Günther, Marc Roedenbeck und Marius Schlingelhof

Zusammenfassung

Der stetig steigende Grad an Digitalisierung betrifft alle Bereiche in Wirtschaft und Wissenschaft. Hochschulen stehen vor der Herausforderung, diesen Entwicklungen in Lehre, Forschung und Transfer entsprechend Rechnung zu tragen. Aus diesem Grund hat die TH Wildau im Jahr 2017 in einem Bottom-up-Vorgehen die digitale Lernfabrik „Wildauer Maschinen Werke“ (WMW) gegründet. Hierbei handelt es sich um ein virtuelles Unternehmen, welches als Geschäftsmodell eine Truck-Manufaktur abbildet. Wesentliches Ziel ist es, mit den Kompetenzen der einzelnen Studiengänge möglichst viele Bereiche eines Unternehmens der Automobilbranche abzubilden und somit einen gemeinsamen thematischen Rahmen für die theoretischen und praktischen Anteile verschiedenster Module der einzelnen Studiengänge zu bieten und somit eine inhaltliche Synchronisierung zu erreichen. Hierzu gehören beispielsweise die Bereiche Entwicklung, Produktion, Fertigung, Supply Chain Management, Human Resources, IT-Services und Finanzen. Die realen Produkte der WMW bilden Trucks im Maßstab 1:14, an dem sich die beteiligten Studiengänge inhaltlich orientieren. Innerhalb der Studiengänge werden die Inhalte der Module in einen sinnvollen Zusammenhang gebracht, wodurch die Studierenden verschiedene fachliche Blickwinkel auf einen wiederkehrenden Kontext erhalten und somit ein roter Faden über die Module hinweg entsteht. Darüber hinaus wird auch zwischen verschiedenen Studiengängen ein höherer Grad an Interdisziplinarität gefördert. In den einzelnen Bereichen wird weniger in

S. Kubica (*) · E. Wolf · D. Nemak · F. Gillert · J. Reiff-Stephan · N. Günther · M. Roedenbeck · M. Schlingelhof Technische Hochschule Wildau Wildau, Deutschland E-Mail: [email protected]; [email protected]; [email protected]; [email protected]; [email protected]; [email protected]; [email protected]; [email protected] # Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 T. Barton et al. (Hrsg.), Hochschulen in Zeiten der Digitalisierung, Angewandte Wirtschaftsinformatik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26618-9_5

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Studiengängen und mehr in Berufsbildern gedacht. Die Studierenden aus der technischen Entwicklung begreifen sich eher als Entwicklungsingenieure, welche beispielsweise notwendige Änderungen an den Trucks mit den Konstrukteuren, also den Wirtschaftsingenieurstudierenden, besprechen. Durch das reale Produkt und die hochschulübergreifenden Prozesse wird weiterhin die Einbindung externer Partner erleichtert. Der folgende Beitrag stellt die besonderen Herausforderungen bei der Einführung einer solchen interdisziplinären digitalen Fabrik heraus, beschreibt die beteiligten Bereiche und deren dazugehörigen Berufsbilder sowie die bisherigen Erfahrungen in Lehre und Forschung. Schlüsselwörter

Digitale Lernfabrik · Automobilbereich · Konstruktion · Logistik · Autonomes Fahren · Industrie 4.0

5.1

Herausforderungen für Lehre, Forschung und Transfer aus Sicht einer deutschen Hochschule

Die Herausforderungen für Lehre, Forschung und Transfer an deutschen Hochschulen sind vielfältig. Seit mehreren Jahren befindet sich die Anzahl der Studienanfänger in Deutschland auf einem gleichbleibenden Niveau bzw. verringerte sich im Studienjahr 2018/2019 gegenüber 2017/18 leicht [1]. Gleichzeitig liegt die Studienanfängerquote mit über 50 Prozent im Studienjahr 2018/2019 weiterhin sehr hoch [2]. Der Wettbewerb unter den Hochschulen um die richtigen Studierenden, also Studierende mit einer hohen Wahrscheinlichkeit, auch einen guten Abschluss zu erreichen, nimmt weiter zu. Exzellenzinitiativen für Universitäten sowie Hochschulen, wie beispielsweise „Innovative Hochschule“1 des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unterstützen die Profilierung und Neuausrichtung der Hochschulen. Hochschulen müssen sich in allen Bereichen nach innen und außen entsprechend aufstellen und vermarkten, um mit den richtigen Angeboten gezielt passende Studienbewerber zu akquirieren, aber auch im Studium und bis hin zum Abschluss überzeugende Lehrinhalte und -vermittlungsmethoden bereitzustellen. Im Folgenden wird insbesondere auf Herausforderungen in den Bereichen der interdisziplinären Kompetenzvermittlung und der praxisorientierten Lehre eingegangen. Ein Studium besteht üblicherweise aus einer Vielzahl an Modulen, welche die notwendigen Kompetenzen für die jeweilige Studienrichtung vermitteln. Wie oben erwähnt, sollte dies an einer Hochschule möglichst praxisnah erfolgen und weiterhin auch Kompetenzen und Fertigkeiten ausprägen. Um entsprechende Fertigkeiten an Studierende zu vermitteln, werden theoretische Inhalte der Module mit Praxisanteilen (Projektarbeiten, Übungen, Seminaren) kombiniert. Durch die hohe Autonomie bzw. den hohen Freiheitsgrad für Lehrende bei der Durchführung der einzelnen Module eines Studienganges, mindestens

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https://www.bmbf.de/de/innovative-hochschule-2866.html. Zugegriffen am 16. März 2019.

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gegeben durch Art. 5 Abs. 3 des deutschen Grundgesetztes, sind die Module überwiegend als in sich geschlossene Einheiten ausgelegt. Dies bedeutet, dass ein Zusammenhang zwischen den einzelnen Modulen in der Regel nicht gegeben ist. Anbei ein fiktives Szenario zur besseren Veranschaulichung. In einem informatikorientierten Studiengang werden mehrere aufeinanderfolgende Module aus dem Bereich Management, Visualisierung und Analyse von Daten durch verschiedene Lehrende durchgeführt. Jeder Lehrende bevorzugt hierbei unterschiedliche Praxisbeispiele in seinen Übungsanteilen. Das Modul Datenmanagement wird mit Übungen zu relationalen Datenmodellen für eine Fluglinie begleitet. Im Modul Datenvisualisierung wird mit Geschäftszahlen eines Unternehmens aus dem Energiesektor gearbeitet, und im Modul Datenanalyse werden Daten einer Fahrradfabrik, bereitgestellt durch einen Datenbanksystemanbieter, verwendet, um den Studierenden die entsprechenden Fertigkeiten praktisch zu vermitteln. Verständlicherweise nutzt jeder Lehrende hier seine ihm bekannten Beispiele und Übungsmaterialien, weswegen eine Angleichung schwer realisierbar ist. Weiterhin ist hierzu ein hoher und kontinuierlicher Abstimmungsaufwand notwendig, der auch nicht ohne Weiteres von einem Studiengang realisiert werden kann. Im Ergebnis geht hierbei für die Studierenden der Mehrwert verloren, verschiedene Kompetenzen eines Studienganges in durchgängigen und miteinander in Beziehung stehenden Praxisbeispielen zu erlernen, wobei jedes Modul dann jeweils nur einen anderen Blickwinkel auf denselben Kontext darstellen würde. Die Ausprägung einer interdisziplinären Kompetenz wird hierbei wenig gefördert. Weiterhin wird durch die Kapselung der einzelnen Module das Herausbilden bzw. Vermitteln von Berufsbildern erschwert. Ein Absolvent, beispielsweise der Wirtschaftsinformatik, wird in seinem späteren Berufsumfeld nicht nur Kompetenzen aus einem Modul, beispielsweise Datenbanken, zu tun haben, sondern immer auch mit anderen Modulkompetenzen, beispielsweise Projektmanagement oder Softwareentwicklung. Die immer wieder wechselnden Praxisbeispiele der Module bleiben hierbei zu kleinteilig, um ein komplettes Berufsbild, z. B. das eines Data Scientist, abzubilden. Stellt die Durchgängigkeit innerhalb eines Studienganges bereits eine Herausforderung dar, so ist die Darstellung von Synergien über mehrere Studiengänge hinweg ungleich schwieriger, weswegen gemeinsame Projekte zwischen Studiengängen die Ausnahme bilden und eher punktuelle Einzelaktivitäten darstellen. In der realen Arbeitswelt aber spielen verschiedenste Disziplinen zusammen, um eine Wertschöpfung zu generieren. Eine Entwicklungsabteilung allein kann kein Produkt herstellen und erst recht keine Vermarktung und Vertrieb realisieren. Die Herausforderung hierbei besteht demnach darin, den Studierenden von Anfang an erlebbar zu vermitteln, wie eine interdisziplinäre Zusammenarbeit funktionieren kann, welche Abhängigkeiten und Wechselwirkungen beispielsweise zwischen Entwicklung und Produktion vorhanden sind. Nur wer dieses Wechselspiel richtig nutzt, kann auch eine erfolgreiche Wertschöpfung realisieren. Zu einer praxisnahen Ausbildung gehört auch die Vermittlung von Stand-der-Technik-Kenntnissen. Durch die oben erwähnten unzusammenhängenden Module wird die Darstellung von komplexen Sachverhalten nach aktuellstem Stand erschwert, da jeweils nur kleine Teile eines Systems beleuchtet werden. In einem Modul zur Bildverarbeitung

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werden beispielsweise Algorithmen zur Verkehrszeichenerkennung erlernt. Die Einbettung in den Gesamtkontext eines Fahrzeuges und das Einbeziehen des Fahrermodells oder darauf aufbauender Assistenzfunktion fehlt, da dies Inhalt anderer Module wäre. Gleiches gilt für den Transfer von Lehr- und Forschungsinhalten in die Gesellschaft und Wirtschaft. Auch hier erschweren dedizierte Module das Vermitteln kompletter Anwendungsszenarien. Um die Vor- oder Nachteile einer Innovation zielgruppengerecht erfassen zu können, sind durchgängige und erlebbare Szenarien von Vorteil.

5.2

Digitale Lernfabriken als möglicher Lösungsansatz

Um den oben aufgeführten Herausforderungen zu begegnen, werden an Hochschulen verschiedenste Ansätze entwickelt und erprobt. Beispielsweise sind Ansätze des spielerischen Lernens („game-based learning“ ), also die Kombination von Inhalten mit spielerischen Elementen, ein mögliches Instrument, um Theorie und Praxis erlebbarer zu gestalten und gleichzeitig bei Studierenden eine intrinsische Motivation zu erzielen [3]. Ein weiterer Ansatz sind sogenannte projektbasierte Lehrformen („project-based learning“ ), welche die Autonomie, die Zielsetzung, Kollaboration, Kommunikation und Reflexion der Studierenden mit möglichst realen Beispielen fokussieren [4]. Der vorliegende Beitrag widmet sich einem weiteren Format, den sogenannten Lernfabriken. Spätestens seit der Gründung der „International Association of Learning Factories“2 im Jahr 2011 im Rahmen der „1st Conference on Learning Factories“ wird dieses Format weiter institutionalisiert. Lernfabriken charakterisieren sich hierbei nach [5] als Lernumgebung, in der Prozesse authentisch und über mehrere Stationen hinweg sowie unter Einbeziehung technischer und organisatorischer Aspekte dargestellt werden. Weiterhin wird von veränderlichen Projektrahmen und der Abbildung einer durchgängigen Wertschöpfungskette ausgegangen. Hierbei wird angestrebt, tatsächlich auch reale Produkte zu involvieren. Für die adäquate Vermittlung von Kompetenzen an die beteiligten Studierenden wird von speziellen didaktischen Konzepten ausgegangen, welche die Eigenaktion der Studierenden in diesem Kontext in den Vordergrund stellen. Zusätzlich hat sich in der jüngsten Vergangenheit die Erweiterung der Definition insbesondere auch um dienstleistungsgetriebene Wertschöpfungsketten etabliert. An vielen Hochschulen werden Lernfabriken in unterschiedlicher Ausprägung und thematischer Ausrichtung betrieben. Hierzu gehören beispielsweise die Lernstatt für Produktions-und Qualitätsmanagement an der Hochschule Kempten,3 die Lernfabrik des Lehrstuhls für Produktionssysteme an der Ruhr-Universität Bochum4 und die Lernfabrik für Optimale Zerspanung der Technischen 2

https://www.ialf-online.net. Zugegriffen am 16. März 2019. https://www.hs-kempten.de/hochschule/labore-elektrotechnik/lernstatt/die-lernstatt.html. Zugegriffen am 16. März 2019. 4 http://www.lps.ruhr-uni-bochum.de/lernfabrik/. Zugegriffen am 16. März 2019. 3

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Universität München.5 Die Lernfabriken sind hierbei in der Regel thematisch auf eine Fachdisziplin fokussiert. Der im Folgenden adressierte Ansatz einer Lernfabrik soll thematisch möglichst offen sein und möglichst alle Bereiche einer Wertschöpfungskette abdecken, soweit an der Hochschule auch als Studienrichtung vorhanden.

5.3

Wildauer Maschinen Werke als digitale Lernfabrik der THWi

An der Technischen Hochschule Wildau (THWi) wurde 2017 in einem Bottom-up-Ansatz eine digitale Lernfabrik virtuell gegründet. Grundidee dieser Lernfabrik ist die Schaffung einer zentralen fortlaufenden Fallstudie, in diesem Fall mit dem Geschäftsmodell einer Truck-Manufaktur, an der sich die unterschiedlichen Vorlesungsmodule der an der THWi vorhandenen Studiengänge ausrichten können. Für die Studierenden werden die unterschiedlichen Kompetenzen der einzelnen Fachdisziplinen somit kontinuierlich an demselben Unternehmen vermittelt. Dies führt dazu, dass die Studierenden das Zusammenspiel und die Mehrwerte der einzelnen Module besser einordnen und anwenden lernen, wodurch die Strukturen und Abläufe eines realen Unternehmens bereits während des Studiums erlebbar gemacht werden. Die Truck-Manufaktur trägt hierbei den Namen „Wildauer Maschinen Werke“, kurz WMW, um der Maschinenbautradition am Standort Wildau Rechnung zu tragen. Der Campus der THWi wandelt sich hierbei im Rahmen der digitalen Lernfabrik zum Werksgelände der WMW. Strukturen und Prozesse eines realen Automobilunternehmens werden hierbei soweit möglich durch die vorhandenen Kompetenzen an der THWi ausgefüllt, fehlende Bereiche werden fiktiv ergänzt. Ausgangspunkt für das Geschäftsmodell einer Truck-Manufaktur bildet hierbei der Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen. Im Rahmen der computergestützten Konstruktionsausbildung wird dort seit Längerem das Beispiel von Trucks im Maßstab 1:14 in der Lehre verwendet (siehe Abb. 5.1). Die digitale Lernfabrik besitzt demnach ein reales Produkt mit einem Kleinserienvolumen von ca. sechs Trucks pro Jahr. Der Bereich der Konstruktion für die WMW wird hierbei neben dem Wirtschaftsingenieurwesen durch weitere Studiengänge ergänzt. Abb. 5.2 stellt die Struktur der WMW und die dazugehörigen Studiengänge dar. Studiengänge wie Logistik und Automatisierungstechnik setzen im Rahmen ihrer Produktions- und Supply Chain Management-bezogenen Module bereits auf Beispiele der WMW. Ein Beispiel hierfür ist ein Produktionsplanspiel im Rahmen des Mittelstand 4.0Kompetenzzentrum Cottbus [6], in welchem Planspiele mit ca. 170 realen Stoßstangen der 1:14 Trucks durchgeführt werden sollen. Gleichzeitig bilden diese Studiengänge u. a. den Produktionsbereich der WMW ab.

5

https://www.iwb.mw.tum.de/lernfabrik-optimale-zerspanung/lernfabrik-fuer-optimale-zerspanung/. Zugegriffen am 16. März 2019.

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Abb. 5.1 Truck-Modelle der Wildauer Maschinen Werke im Maßstab 1:14

Analog zu Unternehmen der Automobilindustrie besitzen auch die WMW eine Technische Entwicklung. Dieser Bereich wird durch Kompetenzen der Studiengänge Wirtschaftsinformatik, Verkehrssystemtechnik, Automatisierungstechnik und Telematik abgebildet. Hierbei hat sich als besonderer Schwerpunkt der kompetenzorientierten Lehre der Bereich des Autonomen Fahrens herausgebildet. Die Vision besteht hierbei in der Entwicklung von autonom fahrenden 1:14 Trucks aus der eigenen Entwicklung und Fertigung. Hierzu arbeiten die Studierenden der genannten Studiengänge in unterschiedlichen Vorlesungsformaten gemeinsam an den diversen Fragestellungen in diesem Bereich. Abb. 5.3 zeigt einen entsprechend umgebauten Truck der WMW mit Sensoren, Aktoren und Elektronik aus dem Bereich des Autonomen Fahrens. Um dies zu unterstreichen werden ähnlich wie im Konstruktionsbereich (siehe oben) die Grenzen der Studiengänge aufgeweicht, da die Studierenden nicht mehr nach ihrer Herkunft aus einem spezifischen Studiengang, sondern nach dem in den WMW ausgeübten Berufsbild angesprochen werden. Abhängig vom Vorlesungsformat sind Studierende aus dem Wirtschaftsingenieurwesen und der Mikrosystemtechnik beispielsweise als „Konstrukteure“ tätig. Studierende, die im Bereich der Technischen Entwicklung tätig sind, arbeiten wiederum üblicherweise als „Entwicklungsingenieure“ zusammen und interagieren so auch, je nach Szenario, mit den „Konstrukteuren“. Weiterhin werden auch nichttechnische Bereiche durch entsprechende Studiengänge abgebildet. Hierzu gehört beispielsweise der Bereich Human Resources, welcher das Bewerbermanagement und die Arbeitszeugniserstellung für involvierte Studierende im Studiengang Wirtschaft und Recht bedient, sowie der Bereich Finanzen, der sich mit der Steuerlehre am Beispiel der WMW befasst. Die nachfolgenden Abschnitte geben einen detaillierten Eindruck über eine Auswahl bisher beteiligter Bereiche der WMW. Hierbei werden, soweit bereits vorhanden, anhand

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Abb. 5.2 Bereichsstruktur und dazugehörige Studiengänge der WMW

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Abb. 5.3 Truck mit Elektronikausstattung für Autonomes Fahren

verschiedener Szenarien das Zusammenspiel der verschiedenen Module, die beteiligten Berufsbilder und zukünftige Aktivitäten erläutert. Für weitere Bereiche werden zumindest Beispiele und Impulse für eine Anbindung an die WMW erläutert.

5.4

Konstruktion und Fertigung

Im Bereich des Studienganges Wirtschaftsingenieurwesen wurde bereits frühzeitig das Potenzial der fachübergreifenden Wissensvermittlung erkannt und sukzessive in den Lehrbetrieb der THWi überführt. Die Lehrmodule orientieren sich am logischen Produktionsdurchlauf eines Fertigungsunternehmens. Angefangen bei den Grundlagenmodulen wie beispielsweise Mathematik, Werkstofftechnik und den technischen Grundlagen werden die Studierenden in höheren Semestern befähigt, eigene Konstruktionen zu entwickeln und darauf aufbauend diese in die Fertigung zu überführen. Grundlage hierfür bietet die Komponentenfertigung der Truck-Modelle der Wildauer Maschinen Werke. Inhaltlich orientiert sich die Projektarbeit am logischen Produktionsdurchlauf eines Fertigungsunternehmens. Fachübergreifend werden klassische Unternehmensbereiche, angefangen beim Einkauf über den Bereich der Konstruktion und Entwicklung, der Arbeitsvorbereitung, der Fertigung sowie der Qualitätssicherung und des Vertriebes am Beispiel der Truck-Manufaktur mit jährlich wechselnden Schwerpunkten vermittelt. Flankiert werden die technische Entwicklung und der Fertigungsprozess durch eine vollständige betriebswirtschaftliche Betrachtung in den Schwerpunktmodulen Controlling und Rechnungswesen. Dies erlaubt den Studierenden, jederzeit die „Eigenentwicklung“

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nach ökonomischen Gesichtspunkten zu bewerten und die eigene Arbeit nach monetären und quantitativen Aspekten zu hinterfragen. Methodisch erfolgt die Wissensvermittlung durch klassische Vorlesungen und praktische Laborübungen. Zielsetzend widmen sich die Studierenden in Gruppenarbeit der Lösung von praktischen Themenstellungen der Einzelteilfertigung von Komponenten des jeweilig aktuellen Truck-Modells, vorgegeben von den Entwicklungseinheiten der Wildauer Maschinen Werke. Zur Anwendung kommen volldigitale Entwicklungs-, Planungsund Qualitätssicherungstools. Exemplarisch wurden bereits Sensoraufnahmen für Felgen und das technisch unmittelbar angrenzende Achssystem neu gestaltet und gefertigt. Die Herausforderung der 3D-Modellerstellung bildete hierbei die Schwierigkeit der Nutzung unterschiedlicher nachgelagerter Fertigungsmethoden die hinsichtlich ihrer Montage und Funktionsfähigkeit unter Beachtung unterschiedlicher Fertigungstoleranzen abzustimmen und sicherzustellen waren. So wird beispielsweise in die durch Computerized Numerical Control (CNC)-Drehen hergestellte Radnabe eine Sensorscheibe aus einem 3D-Drucker verbaut. Diese Sensorscheibe dient wiederum der sensorischen Erfassung der Radstellungen des einzelnen Rades (siehe Abb. 5.4). Die konstruktive Umsetzung erfolgt vollständig Computer-Aided-Design (CAD)basiert. Neben 3D-Modellen in nativen Datenformaten werden Fertigungszeichnungen und Stücklisten in diesem Prozess abgeleitet. Diese wiederum bilden die Grundlage für die produktionsvorbereitende Arbeitsplanung und die digitale Computer-Aided-Manufacturing (CAM)-Programmierung der CNC-Maschinen. Neben klassischen Dreh- und Fräsprozessen erfolgt die Bauteilfertigung partiell auch auf additiv arbeitenden RapidPrototyping-Anlagen. Das wesentliche Lernziel der Studierenden besteht hierbei in der Erkenntnisgewinnung der funktionsabhängigen Bauteilfertigung unter Beachtung der

Abb. 5.4 Vorderachse mit Radsensor

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Abb. 5.5 Qualitätsprüfung mit 3D-Datenvergleich

Bauteilbelastung im Anwendungsfall sowie der Herstellungskosten. Als Entscheidungshilfe werden klassische digitale Variantenvergleichsmethoden angewandt. Die Qualitätsüberprüfung der Fertigungsteile erfolgt auf modernen Koordinatenmessmaschinen bzw. auf optischen Messgeräten. Diese wiederum erlauben einen 3D-Datenvergleich und werden zur Qualitätsbewertung herangeführt (siehe Abb. 5.5).

5.5

Technische Entwicklung

Die Entwicklungsabteilung befasst sich mit allen Neu- und Weiterentwicklungen entlang der Wertschöpfungskette. Entwicklungsarbeit kann technische und nichttechnische Aspekte des Produktes betreffen. Gleichzeitig sind aber auch begleitende Entwicklungen, die sich beispielsweise mit der Produktion beschäftigen, ein Teil der Entwicklungsabteilung. In den WMW werden ausgewählte Entwicklungsthemen abgebildet. Hierzu gehören die Entwicklung von Fahrerassistenzsystemen für den Truck, die Optimierung der Bildverarbeitungsalgorithmen und die Maschinenentwicklung, in der beispielsweise spezielle Pressen für die Fertigung von Truck-Einzelteilen entwickelt werden. Abb. 5.6 zeigt eine Auswahl der am Szenario der Fahrerassistenzsystementwicklung beteiligten Disziplinen aus den unterschiedlichen Bereichen der WMW. Im Folgenden werden die hierbei abgedeckten Berufsbilder vorgestellt und näher erläutert.

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Wildauer Maschinen Werke – Digitale Lernfabrik für interdisziplinäre . . .

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Abb. 5.6 Übersicht der am Fahrerassistenzsystemszenario beteiligten Disziplinen

5.5.1

Elektronikaufbau

Die Ausstattung der WMW-Trucks mit den für den Betrieb von Fahrerassistenzsystemen notwendigen Elektronikkomponenten ist Teil der Aufgaben des Berufsbildes eines Entwicklungsingenieurs. Zu den hierfür notwendigen Tätigkeiten gehört die stetige Weiterentwicklung der verwendeten Komponenten, um zukünftige Anforderungen zu erfüllen, beispielsweise leistungsstärkere Prozessoren und Schnittstellen. Weiterhin gehört hierzu der Umbau weiterer Trucks aus eigener Fertigung, um die Flotte an ausgestatteten Trucks stetig zu erhöhen. Diese Art von Tätigkeiten wird von den Studiengängen

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S. Kubica et al.

Wirtschaftsinformatik, Telematik und Verkehrssystemtechnik in verschiedenen Vorlesungen, Projekt- und Abschlussarbeiten wahrgenommen.

5.5.2

Funktionsentwicklung

Die Planung, Entwicklung und das Testen von Fahrerassistenzsystemfunktionen gehört ebenfalls zum Berufsbild eines Entwicklungsingenieurs. Wahrgenommen werden die dazugehörigen Tätigkeiten durch Studierende der Wirtschaftsinformatik und der Telematik. Ein grundsätzlicher Anspruch der Entwicklungsabteilung der WMW ist die Möglichkeit, dass mehrere studentische Teams parallel an Algorithmen arbeiten können und diese möglichst flexibel und agil entwickelt und betrieben werden können. Aus diesem Grund wurde sich für das Robotic Operating System (ROS)6 als agiles und weitverbreitetes Software-Framework mit einer stetig wachsenden Onlinecommunity und -dokumentation entschieden. ROS bietet hierbei eine serviceorientierte Architektur, in der sehr flexibel auf Sensoren Aktoren und Funktionalitäten/Bibliotheken zugegriffen werden kann. Mit jedem Semester oder Projekt steigt die Anzahl an vorhandenen ROS-Funktionalitäten, die für verschiedenste Funktionen genutzt werden können. Zurzeit sind beispielsweise Funktionalitäten zur Abstandsberechnung aus den vorhandenen Sensoren (Laserscanner, 3D-Kameras, Ultraschall), für daraus resultierende automatische Brems- und Ausweichvorgänge, als auch die Ansteuerung der Aktoren (Lenkwinkel, Geschwindigkeit) im ROS implementiert.

5.5.3

Bildverarbeitung

Die Weiterentwicklung von Bildverarbeitungsalgorithmen ist notwendig, um aus den verbauten Sensoren möglichst viele Informationen über das Fahrzeugumfeld zur Verfügung zu stellen. Hierzu gehören beispielsweise die Fahrspurerkennung, Objektklassifizierung und Verkehrszeichenerkennung für die Kamera sowie eine detaillierte Abstandserkennung für den Laserscanner und die Ultraschallsensoren. ROS bietet hierbei Zugriff zu OpenCV,7 einer Bibliothek mit diversen Algorithmen für die Bildverarbeitung. Die zum Berufsbild eines Entwicklungsingenieurs gehörenden Tätigkeiten werden hierbei von Studierenden der Telematik und der Verkehrssystemtechnik wahrgenommen.

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http://www.ros.org/. Zugegriffen am 17. März 2019. https://opencv.org/. Zugegriffen am 17. März 2019.

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Wildauer Maschinen Werke – Digitale Lernfabrik für interdisziplinäre . . .

5.5.4

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Infrastruktur

Für die Entwicklung von Fahrerassistenzsystemen spielt zunehmend auch die Kommunikation mit anderen Fahrzeugen und auch der Infrastruktur (z. B. Lichtsignalanlagen) eine Rolle. Fahrzeugsensorik allein kann das Verkehrsumfeld nicht ausreichend erfassen, weiterhin sind Absprachen mit anderen Verkehrsteilnehmern (Kooperation) so nicht möglich. Aus diesem Grund arbeiten Hersteller, Zulieferer und Forschungseinrichtungen bereits seit vielen Jahren an Technologien und Standards, um entsprechende Lösungen voranzutreiben. Ein entsprechendes Konsortium ist das internationale Car-2-Car Communication Consortium.8 Im Rahmen der WMW wird hierbei eine auf WLAN-basierende Technologie, der IEEE 802.11p-Standard, fokussiert und entsprechend bei den Fahrzeugen und Lichtsignalanlagen erprobt. Die als Entwicklungsingenieure eingebundenen Studierenden der Wirtschaftsinformatik und Verkehrssystemtechnik implementieren hierbei zunächst Steuerungsalgorithmen für Lichtsignalanlagen als auch die Kommunikation zwischen Lichtsignalanlage und WMW-Truck. Ein Anwendungsbeispiel ist hierbei die Weitergabe der Restlaufzeit von Ampelphasen, um dem WMW-Truck entsprechende Informationen für Anfahr- oder Bremsmanöver zu übermitteln.

5.5.5

Konstruktion

Die Ausstattung des WMW-Trucks mit den für Fahrerassistenzsystemen notwendigen Elektronikkomponenten führt zwangsläufig zu konstruktiven Veränderungsmaßnahmen. Durch die Vielzahl an zusätzlichen Komponenten, die in der Fahrerkabine untergebracht werden müssen, war beispielsweise die Traglast der Kunststoffvorderachse nicht mehr ausreichend. Zur Optimierung der Achslast wurden, in Absprache zwischen den Studierenden in der Rolle der Entwicklungsingenieure und Studierenden des Wirtschaftsingenieurwesens in der Rolle der Konstrukteure, neue aluminiumgefräste Achsen für die speziellen Anforderungen konstruiert, gefertigt und montiert. Weitere konstruktive Änderungen wurden beispielsweise im Bereich des Vorderwagens notwendig, da die Befestigung der Ultraschallsensoren einen neuen Querträger und spezielle schwenkbare Sensorhalterungen erforderte. Auch hier wurde in Abstimmung zwischen den Entwicklungsingenieuren und Konstrukteuren eine Lösung konzipiert und in einem studentischen Projekt umgesetzt. Weiterhin ist für den robusten Betrieb einer Fahrerassistenzfunktion auch eine genaue Ermittlung der Eigengeschwindigkeit notwendig. Ein normaler Modell-Truck im Maßstab 1:14 liefert nur Informationen über die gesetzte Ansteuerung des Servomotors, welche Geschwindigkeit dann aber abhängig von Straßenbelag, Belastung und Steigung tatsächlich anliegt wird nicht gemessen. Um dieses Problem zu lösen, wurde eine 8

https://www.car-2-car.org/. Zugegriffen am 17. März 2019.

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S. Kubica et al.

lichtschrankenbasierte Sensierung entwickelt, die konstruktiv in einer entsprechenden Sensoraufnahme in den Felgen resultierte. In Zukunft werden zahlreiche weitere Konstruktionsprojekte die Aufnahme der benötigten Elektronikkomponenten professionalisieren und eine robuste Fahrzeugplattform für Fahrerassistenzfunktionen schaffen.

5.5.6

IT-Consultant

Im Folgenden werden mehrere Tätigkeiten für das Berufsbild eines IT-Consultant in dem Szenario der Fahrerassistenzsystementwicklung zusammengefasst. Um die Vielzahl an beteiligten Studierenden sowie die sehr heterogenen Aufgabenstellungen zu verwalten sind agile Projektmanagementmethoden notwendig. Die im Szenario der Fahrerassistenzsystementwicklung anfallenden Aufgaben unterscheiden sich in ihrer Komplexität, Art und Dauer zum Teil sehr. Um diese Problematik mit Mitteln der Wirtschaftsinformatik und im Berufsbild eines IT-Consultant zu bewältigen, wird die agile Windows-Plattform für kollaborative Softwareprojekte Team Foundation Server (TFS)9 eingesetzt und durch Studierende in der Rolle der Product Owner für die Verwaltung (Aufgaben, Ergebnisse, Quellcode, Tests) und das Monitoring der Projektfortschritte verwendet. Die hohe Anzahl an beteiligten Studiengängen und die daraus resultierende hohe Anzahl an Personen erfordern einen hohen Grad an Abstimmung. Auch die Menge an analogen und digitalen Artefakten (Zeichnungen, Quellcode, Termine) führen zunehmend zu einem hohen Grad an Komplexität. Erschwerend kommt hinzu die Problematik der Know-how-Sicherung. Anders als in klassischen Unternehmen wechselt die Belegschaft in den WMW in einigen Disziplinen durch Semesterende und -anfang fast vollständig. Hierbei sowohl die Ziele und Planungen als auch Projektfortschritte zu bewahren, stellte und stellt sich als eine der größten Herausforderungen für die WMW dar. Die Studierenden der Wirtschaftsinformatik haben deshalb die Kollaborationsplattform SharePoint10 von Microsoft installiert und konfiguriert, um entsprechende Kollaboration zu ermöglichen. Schlussendlich ist auch eine adäquate Außendarstellung unumgänglich, um die Marke WMW für die THWi entsprechend nach innen und außen zu kommunizieren. Aus diesem Grund arbeiten Studierende der Studiengänge Wirtschaftsinformatik und Europäisches Management gemeinsam an der Onlinepräsenz der WMW.11 Auf dieser Website stellen sich die Bereiche der WMW inhaltlich und organisatorisch vor. Weiterhin werden Termine wie die WMW-Jahreskonferenz sowie Pressemitteilungen kommuniziert. Zukünftig ist der 9

https://docs.microsoft.com/en-us/azure/devops/server/release-notes/tfs?view¼azure-devops. Zugegriffen am 17. März 2019Hinweise Verlag/Setzerei. 10 https://products.office.com/de-de/sharepoint/collaboration. Zugegriffen am 17. März 2019. 11 https://www.th-wildau.de/wildauer-maschinen-werke/. Zugegriffen am 17. März 2019.

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Wildauer Maschinen Werke – Digitale Lernfabrik für interdisziplinäre . . .

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Betrieb eines Blogs geplant, um kontinuierlich über Neuigkeiten aus den einzelnen Bereichen der WMW zu berichten und somit die Reichweite der digitalen Lernfabrik zu erhöhen.

5.6

Supply Chain Management und Produktion

Das Thema „Zukunft der Produktion“ unterliegt einer neuen Evolutionswelle durch das Trendthema Industrie 4.0. Unter dem steten Druck zur Auslagerung von Lowtech und Hightechprodukten aus den westlichen Industrienationen in den Fernen Osten wird eine steigende Agilität von den Unternehmen und die Individualisierung der Produkte gefordert. Diese Forderungen können ohne Unterstützungsleistung und strategisches Vorgehen langfristig nicht gewährleistet werden, womit sich auch die Lehre mit ihrem Ausbildungsspektrum an die bevorstehende digitale Transformation unter dem Fokus der Technosofie anpassen muss. Hierfür bieten sich Problem-based-Learning-Methoden sowie Learning-by-DoingAnsätze an, um das benötigte transdiziplinäre Denken wie auch die Partizipation von Wissenschaft und Wirtschaft zu fördern. Am Beispiel eines Third Party Logistics Provider (3PL)-Systems, welches im Mutterkonzern der Wildauer Maschinen Werke eingebettet ist, wird im Rahmen eines Planspiels, dem Wildauer Smart Production Gaming (WSPG), ein historisch gewachsenes Unternehmen analysiert und durch Lehr- und Analysemethodiken zum Industrie 4.0-tauglichen Unternehmen transformiert. Hierbei steht gerade die Vernetzung von Produktion und Supply Chain Management mit allen relevanten Funktionsbereichen eines Unternehmens, wie z. B. Personalabteilung oder kaufmännische Abteilung, im Vordergrund (siehe Abb. 5.7). Im Zusammenspiel der hybriden Kollaboration mit den Laboren und Studiengängen des Supply Chain Management und der Automatisierungstechnik wie auch dem Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Cottbus am Standort Wildau werden am Beispiel des Planspiels WSPG verschiedenste Ansätze des Prozessmanagements, der Inhouselogistik, des Unternehmenscontrollings im Sinne von Smart Production, Smart Products und Smart Service aufgebaut. Hiermit wird es möglich, den digitalen technologischen Wandel als prozessorientieren Ansatz Studierenden und Teilnehmenden zu verdeutlichen und somit langfristig auch die Employability für den Produktionsstandort Deutschland zu sichern. Im Sinne dieser Zielstellung bildet die Geschäftsfeldanalyse, die Prozessmodellierung und -optimierung im Zusammenspiel mit den Lean Ansätzen den Grundstein für eine erfolgreiche Digitalisierungstransformation. Am Beispiel der WMW und der dazugehörigen didaktischen Lehrmethodiken werden die Teilnehmenden befähigt, sich in die Thematik eines Produktions- und Montageunternehmens von Lkw-Stoßstangen (siehe Abb. 5.8) sowohl prozess-, abteilungs-, schnittstellen- wie auch themenübergreifend hineinzudenken. Im Planspiel tauchen die Spieler in unterschiedliche Rollenbilder wie z. B. eines Produktionsplaners, eines Montagemitarbeiters, eines Logistikers, eines Vertriebsmitarbeiters oder eines Kunden ein.

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S. Kubica et al.

Abb. 5.7 Vernetzung von Produktion und Supply Chain Management für ein Industrie 4.0taugliches Unternehmen

Abb. 5.8 Zu produzierende Stoßstangen im Wildauer Smart Production Gaming

Aufgrund der historisch dargestellten Strukturen liegt dem Planspiel eine Komplexität zugrunde, die in vielen mittelständischen Unternehmen anzutreffen ist. Im Rahmen der Metamorphose der Prozessabläufe während des Planspiels werden beispielsweise die Vorteile eines papierlosen Büros/Unternehmen (paper light) aufgezeigt. Darüber hinaus kommen Faktoren wie die Entwicklung des Mehrwerts durch die Rückverfolgbarkeit mittels RFID („radio-frequency identification“ )-Komponenten (Smart Products), die Wichtigkeit von Dienstleistungsservice durch Condition-Monitoring (Smart Service) sowie die vier Kernziele eines Unternehmens (Qualität, Kosten, Zeit und Sozialität) im Zusammenhang und deren Auswirkungen hinzu. Durch den Transformationsprozess können des Weiteren die Fragestellung wie der MTO (Mensch, Technik, Organisation)-Ansatz, der Mensch im Cyber-Physical-Social-System (CPSS), Supply Cha-

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in Management, vernetzte Produktion, Datenbanken, Make-or-Buy, Out- bzw. Insourcingentscheidungen, Anwendbarkeit von Kommissionier- und Automatisierungssystemen wie auch die Überlegungen zu Vorfabrikaten im Sinne von JIT (Just-in-Time) und JIS (Just-in-Sequence) gelehrt und im Sinne des Learning-by-Doing-Konzepts erlebt werden.

5.7

Human Resources

Die Anbindung des Bereiches Human Resource Management (HRM) an die interdisziplinäre digitale Lernfabrik der Wildauer Maschinen Werke erscheint auf den ersten Blick nicht mehr als ein lose gekoppeltes System [7]. Gleichzeitig bietet das System die Chance, bei einer starken Integration z. B. in explizite Managementaufgaben der WMW mit paralleler zeitlicher Abstimmung betroffener Module, einen realen Wertbeitrag zu erbringen. Dies liegt vor allem daran, dass HRM im Business-Partner-Ansatz eine Servicefunktion darstellt, deren Beitrag an der Serviceleistung gemessen wird [8]. Da der Weg zu einer Vollintegration einer Servicefunktion von positiven Chancen gepflastert sein sollte, ist dieser Abschnitt auf Themen fokussiert, die in einem ersten Integrationsschritt bereits einen Wertbeitrag liefern können und gleichzeitig Möglichkeiten zu einer stärkeren respektive Vollintegration bieten. HRM gilt als ein strategisch kohärenter Ansatz, der sich auf die Beschäftigung neuer sowie die Entwicklung und die Gesundheit aktueller Mitarbeiter/innen in Organisationen fokussiert [9]. Somit ist eindeutig umrissen, welche Aufgaben Studierende im Fach HRM zu bewältigen und welche Kompetenzen sie damit zu erlernen haben. In HRM-spezifischen Studiengängen mit großem HR-bezogenem Lehrumfang kann eine internationale Perspektive gewählt werden, gleichzeitig können spezifische Megatrends wie z. B. die Digitalisierung eine besondere Berücksichtigung erhalten. In Studiengängen, bei denen HRM nur eine untergeordnete Rolle spielt, sollten nur nationale Aufgaben vor dem Hintergrund der Digitalisierung berücksichtig werden. Der wichtigste (nationale wie internationale) Kompetenzbereich deckt den Erwerb der Recruitingkompetenz als Beschäftigung neuer Mitarbeiter/innen ab. Dies beginnt mit der Analyse von Personal-Marketing-Kanälen im Allgemeinen (von Zeitungen über Stellenportale bis hin zu Instagram, Snapchat und Co.) wie auch der konkreten Formulierung von Stellenanzeigen. Dies wird fortgeführt über das Verfassen und die Analyse von Bewerbungen (maßgeblich Anschreiben, Lebensläufe und Arbeitszeugnisse), die Durchführung von Eignungsdiagnostik (hauptsächlich quantitative Verfahren), die Führung von Einstellungsgesprächen (auf Basis verschiedener Techniken), bis hin zur Vertragsverhandlung (insbesondere der Compensation & Benefits). In der aktuellen Entwicklungsstufe dienen die WMW mit einer Personalwebsite für Recruiting und dort ausgeschriebenen, virtuellen HRM-Stellen als Anlaufpunkt für Aufgaben aus dem Übungssetting: So sollen die Studierenden einerseits Schwachstellen und Verbesserungsvorschläge in Ausschreibungen anhand von Checklisten identifizieren und

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S. Kubica et al.

sich auch auf eine der Stellen per E-Mail bewerben. Die auf der Seite hochzuladenden realen Unterlagen werden dann in der Übung für weitere Analyseaufgaben genutzt. Zusätzlich sind auf der Recruitingwebsite auch Materialien für die Personalauswahl hinterlegt. Neben Checklisten finden sich dort zumeist digitalisierte Fragebögen, die im Rahmen der Eignungsdiagnostik zu verwenden sind. Die Studierenden können so aufgerufen werden, ausgewählte Verfahren an sich selbst zu erproben. Die Ergebnisse werden mittels Javascript sofort angezeigt, diese können als CSV-Datei heruntergeladen werden und Studierende haben die Möglichkeit, Chancen und Risiken anhand der Selbsterfahrung in der Übung zu diskutieren. Eine zukünftig weiterführende Integration liegt in drei Chancen: Erstens kann die Recruitingwebsite der WMW weiter professionalisiert werden, um den gesamten Ausschreibungs- und Bewerbungsprozess noch stärker zu digitalisieren. D. h., dass die Ausschreibungen mit dem Upload, dem weiteren Handling der schriftlichen Bewerbungen sowie dem Einsatz der Fragebögen und Interviewverfahren verknüpft werden sollen. So stehen Auswertungsoptionen zur Verfügung, welche die Passung von individuellen Bewerbungen automatisch ermitteln. Zweitens soll die Plattform um weitere Module ergänzt werden. Zum einen wäre eine Automatisierung von Ausschreibungen in Richtung der sozialen Medien von WMW denkbar. Zum anderen könnte auf Basis maschinellen Lernens der menschliche Bewertungsalgorithmus zur Beurteilung von Stellenanzeigen und Bewerbungen identifiziert werden, wenn die Plattform mit entsprechenden anonymisierten menschlichen Beurteilungen befüllt wurde. Drittens kann unabhängig von der Recruitingwebsite eine Servicefunktion von HRM wahrgenommen werden, um z. B. für andere WMW-bezogene Wahlpflichtfächer eine Bewerbung und Selektion von Teilnehmer/innen durch das Modul HRM erfolgen zu lassen. Zur Abmilderung des ethischen Problems der Auswahl von Studierenden durch Studierende sollte das HRM-Ergebnis für die betreuenden Dozenten lediglich als Vorsortierung gesehen werden, bis z. B. der Automatisierungsschritt erfolgreich etabliert werden konnte. Darüber hinaus ist der zweite wichtige Kompetenzbereich die Personalentwicklung inklusive der Gesundheit und Motivation am Arbeitsplatz und des Austrittsmanagements. Während die Personalentwicklung ähnlich der Diagnostik bei der Einstellung verschiedene quantitative Verfahren und Interviews einsetzt, um die Passung der Mitarbeiter/innen stetig zu evaluieren und dabei das Thema Gesundheit am Arbeitsplatz mit behandelt wird, geht es beim Austrittsmanagement um den klassischen arbeitsrechtlich relevanten Prozess der Ermahnung, Abmahnung und der Kündigung inklusive der Zeugniserstellung. Da die Personalentwicklung auf dieselben Interviewmethoden, aber unterschiedliche quantitative Instrumente setzt, können diese ohne Weiteres auch auf der WMW-PersonalRecruitingseite zur Anwendung angeboten werden. Der eher administrative Ein- und Austrittsprozess wird im Rahmen des Modules HRM noch nicht angewendet. Allerdings bietet sich die Chance, Teilnehmer/innen WMW-bezogener Module und Wahlpflichtfächer in ein Personaladministrationssystem einzubuchen und Teilnehmerzertifikate oder gar

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qualitative Arbeitszeugnisse auszustellen. Diese würden einen Mehrwert im nationalen und internationalen Bewerbermarkt für Studierende aus dem Kreis der WMW darstellen. Eine Zusammenarbeit des Modules HRM mit z. B. Arbeitsrecht würde darüber hinaus auch ermöglichen, eine digitale Personalakte einzuführen. Beispielakten könnten digital angeboten werden, um z. B. Kündigungsfälle im Kontext der WMW durch Studierende zu evaluieren. So kann HRM auf vielfältige Weise an die WMW angedockt und verflochten werden.

5.8

Vernetzte Mobilität

Seit 2014 gibt es an der THWi den neuen Bachelorstudiengang „Verkehrssystemtechnik“. Dieser soll auf einen spezifischen Fachkräftebedarf im Bereich Verkehr reagieren und der Branche Systemingenieure mit einem breiten technischen, betrieblichen und wirtschaftlichen Fachwissen liefern. Der Studiengang schließt dabei inhaltlich an bestehende Studiengänge an der THWi wie Telematik, Luftfahrttechnik oder Logistik an and nutzt dazu gemeinsame Synergieeffekte und Ressourcen. In dem Studiengang geht es u. a. auch um intelligente Verkehrssysteme und vernetztes Fahren. Um die Studierenden neben ihren Studienschwerpunkten im Bereich Projektmanagement oder Betriebswirtschaft auch technisch auszurichten, werden die Kompetenzen auf dem Gebiet der Digitalisierung systematisch im Studium vermittelt und in aufeinanderfolgenden Modulen ab dem ersten Semester aufgebaut. Hierzu zählen neben Grundlagen zur Mathematik, Informatik oder Elektrotechnik auch erste Kontakte zu digitalen Mess-, Steuer- und Regelungssystemen, bei denen u. a. Microcontroller und programmierbare Roboterfahrzeuge (siehe Abb. 5.9) zum Einsatz kommen. Ein wichtiger Grundsatz hierbei ist, dass die Module des eigenen Studiengangs sowie die der flankierenden Projekte mit anderen Studiengängen gleiche technische Systeme und Programmiersprachen nutzen und somit aufeinander aufbauen können. Damit können die Studierenden verschiedener Studiengänge u. a. den Umgang mit einem gemeinsamen Microrechnersystem erlernen und dort erste hardwarenahe Anwendungen programmieren (z. B. Ampelsteuerungen, Sensorabfragen, Datenaustausch mit anderen Systemen oder Datenbanken). Wichtige Aspekte sind hierbei auch der Umgang mit Ortungs- und Kommunikationssystemen wie etwa beim verkehrsspezifischen C2X-Standard (siehe Abschn. 5.5.4). Entsprechend vorbereitete Bordrechnerplattformen kommen dazu hochschulweit zum Einsatz und können von den unterschiedlichen Studiengängen durch Applikationen Schritt für Schritt erweitert werden. So können auch Beiträge für die Wildauer Maschinen Werke in Form von Lehrinhalten, durchgeführt im studiengangeigenen Labor für Fahrzeugsystemtechnik (siehe Abb. 5.10), oder durch Entwicklungen etwa zur Fahrzeugsensorik geliefert werden. Hier wurden u. a. schon Ampelanlagen in einfacher Weise ansteuerbar gemacht und mit drahtlosen Kommunikationsschnittstellen versehen (siehe Abb. 5.11).

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Abb. 5.9 ROBOTICS TXT Discovery Set von fischertechnik

Abb. 5.10 Labor für Fahrzeugsystemtechnik

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Wildauer Maschinen Werke – Digitale Lernfabrik für interdisziplinäre . . .

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Abb. 5.11 Ampelsteuerung und -vernetzung im wetterfesten Gehäuse

Die realen Ampeln können damit sehr mobil an unterschiedlichen Demonstrationsstandorten zum Einsatz kommen und über Funk mit einer zentralen Datenbank eines MQTT (Message Queuing Telemetry Transport)-Servers12 verbunden werden. Eine entsprechende Nutzeroberfläche gestattet einerseits den Übungseinsatz in der Lehre sowie andererseits auch die Möglichkeit, in kleineren Projektaufgaben entsprechende Funktionalitäten zu programmieren (siehe Abb. 5.12). Diese MQTT-Datenbank lässt sich ferner mit eingehenden Messdaten ergänzen, die z. B. von Verkehrssensoren stammen und über ein neu installiertes Messnetz gesammelt werden. Hierbei kommt LoRaWAN (Long Range Wide Area Network) zum Einsatz, der inzwischen zu einem branchenübergreifenden Standard geworden ist. Solche stationären oder mobilen Messdaten lassen sich schließlich mit einer Steuerungssoftware ebenso weiterverarbeiten wie lokal erzeugte Messdaten von Modellfahrzeugen. Als weiterer Neuansatz bei der studiengangübergreifenden Forschung und Lehre werden auch neuartige Mensch-Maschine-Schnittstellen erprobt. Dabei steht besonders die AR (Augmented-Reality)-Technologie im Fokus, mit deren Hilfe sich virtuelle digitale Informationen über eine geeignete AR-Brille grafisch in das Nutzerblickfeld einblenden und sich somit der realen Umgebung überlagern lassen (siehe Abb. 5.13).

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http://mqtt.org/. Zugegriffen am 16. März 2019.

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Abb. 5.12 MQTT-basierte Bedienoberfläche zur Ampelsteuerung

Abb. 5.13 Microsoft HoloLens im THWi-Flugsimulator

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Abb. 5.14 AR-Projektion im Simulatorsichtfeld

Diese Technologie wird derzeit bereits in der Logistik, der Automatisierungstechnik, der Medizin oder in unserem Fall als Piloten- bzw. Fahrerassistenzsystem eingesetzt und über Abschlussarbeiten oder Forschungskooperationen weiterentwickelt (siehe Abb. 5.14). Damit entsteht hier ein interdisziplinäres Portfolio an digitalen Technologien, die den Studierenden im Rahmen von Laborveranstaltungen, Projekt- oder Abschlussarbeiten zur Verfügung stehen und sie an vorderster Front auch zu eigenen weiterführenden Ideen ermuntern, deren Anwendungsgebiete heute noch gar nicht erschlossen sind. Dies sind die Beispiele, mit denen die jungen Menschen an der THWi für die digitale Zukunft gerüstet werden.

5.9

Zusammenfassung und Ausblick

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die WMW bereits nach kurzer Zeit disruptive Veränderungen an der Hochschule erzeugt haben, die über den anfänglichen Fokus einiger gemeinsamer Lehrveranstaltungen weit hinausgehen. Zurzeit sind neun verschiedene Studiengänge mit mehr als 30 Vorlesungsmodulen bereits teilweise an den Inhalten der WMW ausgerichtet. Der daraus resultierende Abstimmungsbedarf zwischen den beteiligten Akteuren führte zur Einrichtung eines zweiwöchentlichen Austauschtermins. Weiterhin wurde Anfang 2019 ein offizieller Logowettbewerb durchgeführt, da die Vielzahl an beteiligten Bereichen auch zu einer großen Anzahl differierender Logovarianten führte. Durch die steigende Publizität der WMW als eigene Marke der THWi wurde ein einheitliches offizielles Logo unabdingbar. Weiterhin ist die gemeinsame Vorstellung der WMW

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S. Kubica et al.

auf dem jährlichen Hochschulinformationstag inzwischen fester Bestandteil der Außendarstellung. Insgesamt ist es aber wichtig zu erwähnen, dass noch nicht alle Bereiche eines realen Unternehmens abgebildet werden und auch nicht alle Module der einzelnen Studiengänge auf Inhalte der WMW ausgerichtet sind. Die Beteiligung an der digitalen Lernfabrik ist freiwillig und lebt von der intrinsischen Motivation der beteiligten Mitarbeiter und Studierenden. Die Resonanz ist bisher jedoch durchweg positiv, und die Anzahl der beteiligten Module steigt stetig. Weiterhin ist das Angebot zur Teilnahme an den WMW inzwischen auch in den Onboardingprozess neuberufener Professoren aufgenommen worden, um gerade neuen Kollegen das Potenzial der WMW von Anfang an aufzuzeigen und eine Ausrichtung der Module entsprechend zu ermöglichen. Bezogen auf die in Abschn. 5.1 aufgeführten Herausforderungen lassen sich folgende Ergebnisse zusammenfassen. Der Zusammenhang zwischen den einzelnen Modulen eines Studienganges konnte durch die Orientierung an den WMW bereits signifikant erhöht werden. Um hierbei Redundanzen und inhaltliche Unstimmigkeiten zu vermeiden, ist aber auch ein höherer Abstimmungsbedarf zwischen den Akteuren notwendig, was durch die bereits erwähnte Regelkommunikation bereits adressiert wird. Weiterhin müssen zukünftig aber auch die Studiengangkoordinatoren stärker einbezogen werden. Das Vermitteln von Berufsbildern wird durch die Ausrichtung an den WMW definitiv gefördert. Im Austausch mit industriellen Partnern bestätigte sich bereits der Eindruck, dass die Studierenden ihr mögliches späteres Berufsbild bereits wesentlich detaillierter und übergreifender reflektieren und sich auch besser mit ihrer Rolle in einem Unternehmen zu identifizieren wissen. Synergien über mehrere Studiengänge hinweg sind ein Kerngedanke der WMW und in den vorhergehenden Abschnitten bereits adressiert worden. Eine gesteigerte Anzahl an gemeinsamen Themenstellungen innerhalb der Semester soll die Kooperation der Studierenden weiter erhöhen. Die Vermittlung von Stand-der-Technik-Kenntnissen konnte gerade im Bereich der Fahrerassistenzsystementwicklung stark an die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen angepasst werden. Die Sensoriken, Algorithmen sowie die begleitenden Entwicklungsframeworks entsprechen den Standards in der Automobilindustrie. Dies zeigt sich vor allem in der Tatsache, dass Unternehmen aus diesem Bereich zukünftig eine stärkere Einbeziehung in die WMW anstreben, beispielsweise durch Patenschaften und studentische Projekte. Hierbei steht die Chance für eine höhere Studentenbindung und somit der spätere Zugriff auf exzellent ausgebildete Absolventen in beiderseitigem Interesse. Der Transfer von Forschungsinhalten in die Gesellschaft und Wirtschaft hat sich durch die Präsentation und Demonstration von ausgewählten Szenarien bei einer Vielzahl von Konferenzen und Veranstaltungen fest etabliert. Hierzu gehören auch die Vorstellungen bei besonderen Formaten, wie dem Seniorenseminar oder der Kinderuniversität der THWi. Auf der Website der WMW13 können entsprechende Presseberichte eingesehen werden.

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https://www.th-wildau.de/wildauer-maschinen-werke/. Zugegriffen am 17. März 2019.

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Im Folgenden werden ausgewählte Themen vorgestellt, die sich mit der Weiterentwicklung der WMW beschäftigen. Transfer- und Innovationsaktivitäten an Hochschulen und Forschungseinrichtungen setzen häufig bei den Inhalten und Ergebnissen der etablierten Forschungsgruppen an. An der THWi wird gemeinsam mit Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft im Rahmen der Initiative „Innovative Hochschule“ im Projekt Innovation Hub1314 an innovativen Transferinstrumenten gearbeitet. Bisher steht hierbei die Arbeit der Forschungsgruppen im Fokus. Durch eine Einbeziehung der WMW in diese Aktivitäten kann der Fokus für die verwendeten Innovationsprozesse erweitert werden. Es ist daher geplant, den Innovationsprozess bereits als Teil der Lehre zu verstehen, um hierdurch zum einen Innovationsmanagement bereits aus den vermittelten Grundlagen heraus zu ermöglichen und zum anderen den Studierenden Kompetenzen für das Identifizieren und Realisieren von Innovationen zu vermitteln. Das Potenzial einer Verbindung von Lehre und Innovationsmanagement ist hierbei vielfältig. Studierende blicken noch anwenderbezogen und ohne einschränkende Erfahrungswerte auf neue Themen. Weiterhin kann über den Life Cycle einer Innovation (von der Identifikation, dem Bewerten bis hin zur Umsetzung) eine breite Palette an notwendigen Kompetenzen vermittelt werden. Auch Forschungsgruppen können davon profitieren, etablierte Innovationsbereiche durch gezielte Verknüpfung mit Lehrinhalten neu zu denken und somit neue Impulse sowie neue Blickwinkel zu erhalten. Um diese Ziele zu erreichen, sollen Strukturen und Instrumente entwickelt werden, um die etablierten Innovationsprozesse strukturiert und geplant in die Lehre zu integrieren. Hierbei ist es wichtig, nicht nur punktuell und studienmodulbezogen vorzugehen, sondern von Beginn an anwendungsbezogene und interdisziplinäre Szenarien in die Lehre zu integrieren. Für diese Integration müssen in der Lehre entsprechende Voraussetzungen getroffen werden. Erfolgreiche Innovationen in einem Unternehmen oder einer Branche resultieren häufig aus dem optimalen Zusammenspiel verschiedener Fachdisziplinen [10]. Um diese Kompetenz bei den Studierenden zu fördern, müssen die unterschiedlichen Inhalte der Studienmodule entsprechend aufeinander abgestimmt sein, was heutzutage in der Mehrzahl der Studienpläne an Hochschulen und Universitäten nicht der Fall ist. Module in einem Studiengang stehen in der Regel für sich allein. Über verschiedene Studiengänge hinweg ist eine Synchronisierung oder Anpassung der Inhalte noch seltener der Fall. Eine weitere geplante Aktivität für den weiteren Ausbau der WMW, sowohl intern als auch extern, ist die Konzeption und nachfolgende Umsetzung einer sogenannten „Formula Truck“. Ziel ist es hierbei, den Fahrerassistenzsystem-Truck der WMW auch für andere Hochschulen und Unternehmen zur Verfügung zu stellen und hierbei zum einen innovative Lehre und Wettbewerb zu erzeugen, zum anderen aber auch die frühzeitige Bindung zwischen Unternehmen und Hochschulen zu ermöglichen. Die WMW-Trucks haben inzwischen eine Qualität und Robustheit erreicht, dass eine Weitergabe an Partner möglich wird. Auch das Kostenniveau hat sich über die letzten Generationen stark reduzieren

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https://innohub13.de/. Zugegriffen am 16. März 2019.

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S. Kubica et al.

lassen. Vorgesehen ist der Aufbau der Liga mit mehreren Werksteams, jeweils bestehend aus einem Unternehmen oder Hochschule und einer Gruppe Studierender, in wechselnden Themen gegeneinander antreten zu lassen. Erarbeitetes Know how soll hierbei in einer offenen Community geteilt werden. Diese Idee ist nicht neu und wird beispielsweise durch die Audi AG im „Audi Autonomous Driving Cup“15 mithilfe von 1:8-Modellen seit mehreren Jahren gemeinsam mit Hochschulen durchgeführt. Ein Nachteil dieses Wettbewerbs ist hierbei, dass die Leihfahrzeuge nach dem Wettbewerb zurückgegeben werden müssen und das erarbeitete Know how an der Hochschule verloren gehen kann. In der hier adressierten „Formula Truck“ stehen die Fahrzeuge dauerhaft zur Verfügung und werden hochschulseitig selbst weiterentwickelt. Auch die Einbindung externer Partner für mehr Praxisbezug ist durch den Werksteamcharakter möglich. Die jährlichen Herausforderungen für die Teams können hierbei zwischen funktionalen und nichtfunktionalen Themen wechseln, beispielsweise der Entwurf einer intelligenten Rangierfunktion bis hin zum besten IT-Securitykonzept im Truck zum Schutz gegen Cyberattacken.

Literatur 1. Statista – Anzahl der Studienanfänger/-innen im ersten Hochschulsemester in Deutschland in den Studienjahren von 1995/1996 bis 2018/2019. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/4907/ umfrage/studienanfaenger-in-deutschland-seit-1995/. Zugegriffen am 28.02.2019 2. Statista – Entwicklung der Studienanfängerquote in Deutschland von 2001 bis 2018. https://de. statista.com/statistik/daten/studie/72005/umfrage/entwicklung-der-studienanfaengerquote/. Zugegriffen am 28.02.2019 3. Kapp KM (2012) The gamification of learning and instruction: game-based methods and strategies for training and education. Wiley, Hoboken 4. Larmer J, Mergendoller J, Boss S (2015) Setting the standard for project based learning. ASCD, Alexandria 5. Abele E (2016) Learning factory. In: The International Academy for Produ, Laperrière L, Reinhart G (Hrsg) CIRP encyclopedia of production engineering. Springer, Berlin/Heidelberg 6. Mittelstand 4.0 – Kompetenzzentrum Cottbus, HUB Wildau (Produktion und Logistik). https:// www.th-wildau.de/forschung-transfer/ic3/kompetenzzentrum-cottbus/. Zugegriffen am 02.01.2019 7. Weick KE (1976) Educational organizations as loosely coupled systems. Adm Sci Q 21(1):1–19 8. Ulrich D (1998) A new mandate for human resources. Harv Bus Rev 1998(1):124–134 9. Armstrong M (2016) Armstrong’s handbook of human resource management practice. Kogan Page, London 10. Binder J, Post P (2012) Innovation durch Interdisziplinarität: Beispiele aus der industriellen Automatisierung. In: Anderl R, Eigner M, Sendler U, Stark R (Hrsg) Smart Engineering – Interdisziplinäre Produktentstehung. Springer Vieweg, Berlin

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https://www.audi-autonomous-driving-cup.com/. Zugegriffen am 16. März 2019.

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Wissensgraph-basierter Modulkatalog Als Schnittstelle zwischen digitaler Lehre und digitalem Campusmanagement Vera G. Meister, Wenxin Hu und Philipp Pottenstein

Zusammenfassung

Dieses Kapitel präsentiert einen Architekturansatz als Alternative bzw. als Ergänzung zu monolithischen Campusmanagementsystemen. Es zeigt damit Wege auf zur ressourceneffizienten digitalen Transformation zentraler Hochschulprozesse. In einer strategischen Gesamtbetrachtung wird zunächst die Position eines Modulkatalogs im Portfolio der digitalen Hochschule als potenziell bedeutsame Schnittstelle zwischen digitaler Lehre und digitalem Campusmanagement dargestellt. Es wird untersucht, in welchem Maße die an Hochschulen implementierten Prozesse und IT-Systeme diesem Anspruch gerecht werden. Die Untersuchung erfolgt primär an staatlichen Hochschulen im Raum Berlin und Brandenburg. Der Hauptteil widmet sich der Entwicklung eines Wissensgraph-basierten Architekturkonzepts für digitale Modulkataloge. Es werden prototypische Entwicklungen für fünf zentrale Komponenten präsentiert und diskutiert: Wissensschema, Datenintegration, Contentredaktion, Publikation und Medienexport. Das Kapitel schließt mit einem Ausblick auf die Rolle des Wissensgraph-basierten Modulkatalogs als flexibler Hub zwischen digitaler Lehre und digitalem Campusmanagement. Schlüsselwörter

Wissensgraph · Modulkatalog · Modulbeschreibung · Campusmanagement · digitale Lehre

V. G. Meister (*) · W. Hu · P. Pottenstein Technische Hochschule Brandenburg Brandenburg an der Havel, Deutschland E-Mail: [email protected]; [email protected]; [email protected] # Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 T. Barton et al. (Hrsg.), Hochschulen in Zeiten der Digitalisierung, Angewandte Wirtschaftsinformatik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26618-9_6

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V. G. Meister et al.

6.1

Der Modulkatalog im Portfolio der Digitalen Hochschule

Modulkataloge gehören zu den wesentlichen konstituierenden und qualitätssichernden Informationen über Studiengänge an Hochschulen. Sie erfüllen valide Informationsbedürfnisse verschiedenster interner und externer Stakeholder. Grundlegende Qualitätsund Strukturanforderungen an Modulkataloge werden durch Richtlinien der EU [1] und der nationalen Gremien [2] festgelegt. Sie lassen jedoch den Akteuren vor Ort einen großen Gestaltungsspielraum. Ein Modulkatalog beschreibt das Curriculum eines Studiengangs im Detail. Er liefert Informationen zum Ablauf eines Studiums nach Zielen, Inhalten, Methoden, Ressourcen, Anforderungen, Abhängigkeiten und Wertigkeiten der einzelnen Module eines Studiengangs. Als Modul wird hier eine einzelne, fachlich differenzierbare, durch Prüfung abzuschließende Lerneinheit eines Studiengangs angesehen. Modulkataloge sind somit Sammlungen strukturierter Modulbeschreibungen. Unter dem Begriff „Portfolio Digitale Hochschule“ erarbeitete die Ständige ITKommission der Technischen Hochschule Brandenburg (THB) – ein vom Präsidium eingesetztes Beratungsgremium – eine strukturierte Übersicht über Handlungsfelder, Verantwortlichkeiten, Prozesse und Funktionen mit Digitalisierungsbezug. Entlang des Portfolios kann der Digitalisierungsgrad der Hochschule beurteilt und visualisiert werden, was eine Verständigung über die Priorisierung sowie die gegenseitigen Abhängigkeiten einzelner Digitalisierungsvorhaben erleichtert. Das Portfolio (siehe Abb. 6.1) umfasst neben den zwei zentralen Handlungsfeldern digitale Lehre und digitale Forschung, die Supportbereiche Verwaltung und Campusmanagement sowie die IT-Basisdienste, jeweils im Hinblick auf Digitalisierung. Digitale Modulkataloge sind zunächst dem Handlungsfeld digitale Lehre zuzuordnen, zeigen aber auf vielfältige Weise Verknüpfungen und Abhängigkeiten zu anderen Prozessen und Funktionen im Portfolio. So gibt es Bezüge zu Prozessen im selben Handlungsfeld

Digitale Hochschule (Präsidium/IT-Kommission) Internetauftritt Digitale Formulare/Workflows Digitale Prozessinformationen Digitales Berichtswesen Digitale Archivierung Digitale Akte (Projekte, Personal) eRechnung/elektronische Beschaffung Ressourcenmanagement

Bewerbungs- und Zulassungsmanagement Studierendenverwaltung Prüfungsmanagement Frühwarnsystem Studienabbruch Raummanagement Stundenplanung Campus-Card Alumnimanagement

Lernmanagement Lehr- und Ressourcenplanung ePrüfung Virtuelle Lernumgebung Digitale Modulkataloge Videoproduktion und -bereitstellung

Projektakquise Forschungsprojektmanagement Forschungsdatenmanagement Entwicklungsumgebungen Publikationsservice Rechercheservice

Digitale Verwaltung

Digitales Campus-Mgt.

Digitale Lehre

Digitale Forschung

(KanzlerIn)

(PräsidentIn)

(VizepräsidentIn Lehre)

(VizepräsidentIn Forschung)

Groupware (E-Mail, Kontakte, Kalender, Aufgaben, Chat, Newsfeed, VoIP) Dokumentenablage & Medienverwaltung Hochschulweite Suche (Dokumente, Entitäten) Wissensdatenbank (z. B. Wikis, Wissensgraph) Service Desk (IT-Dienste, Technischer Dienst) IT-Sicherheit (Firewall, Verschlüsselung, Nutzerzertifikate, Virenschutz) Vollintegriertes Identity Management

Basisdienste für Information, Kommunikation und Kooperation (Rechenzentrum)

Abb. 6.1 Portfolio Digitale Hochschule der THB

6

Wissensgraph-basierter Modulkatalog

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(Lehr- und Ressourcenplanung) sowie zum digitalen Campusmanagement (Prüfungsmanagement, Stundenplanung und Raummanagement). Außerdem gibt es Abhängigkeiten zum zentralen Informationsportal einer Hochschule, dem Internetauftritt. Alle diese Verknüpfungen gehen auf Überschneidungen der jeweils notwendigen Datenbasen zurück, denn umfassende Modulbeschreibungen enthalten • • • •

auf der Webseite zu publizierende Informationen ! Internetauftritt, Zuordnungen zu Studiengängen und Fachsemestern ! Lehrplanung, Stundenplanung, Daten über Unterrichtseinheiten und Lehrende ! Ressourcenplanung, Anforderungen an die technische Ausstattung von Laboren und Auditorien ! Raumplanung, • Form und Dauer der Modulprüfungen ! Prüfungsmanagement, • etc. Idealerweise werden alle diese Daten und Informationen in einer zentralen Wissensdatenbank zusammengeführt. In diesem Beitrag soll eine Wissensdatenbank in Form eines semantischen Wissensgraphen untersucht werden. Die dargestellten Bezüge und Verknüpfungen lassen erwarten, dass digitale Modulkataloge in einer solchen Umgebung zur effektiven Schnittstelle zwischen digitaler Lehre und digitalem Campusmanagement werden können.

6.2

Welche IT-Systeme für Modulkataloge gibt es?

Den Einsatz von IT-Systemen für Modulkataloge an Hochschulen umfassend zu untersuchen, erweist sich als problematisch in mehrfacher Hinsicht. In einer Ausarbeitung zu prozessorientierter Anwendungssoftware für die Organisation von Studium und Lehre an Hochschulen verweist Auth darauf, dass einige Hersteller von Campusmanagementsystemen (CMS) die Unterstützung von Modulkatalogen im Rahmen ihres Portfolios anbieten [3]. Empirische Daten darüber, wie umfassend diese Angebote in der Hochschulpraxis angenommen werden, finden sich jedoch nicht in der Literatur. Erschwert wird eine solche Untersuchung auch dadurch, dass die IT-Landschaften an Hochschulen fast immer historisch gewachsen und somit zwangsläufig heterogen sind. Klassischerweise nutzen Lehre und Studierendenverwaltung unterschiedliche IT-Systeme, die häufig nicht miteinander verbunden sind. Mehr noch, auch einzelne Fachbereiche oder Studiengänge sehen sich gezwungen, eigene Systeme vorzuhalten, da sich die Vielfalt ihrer Angebote andernfalls nicht abbilden lässt. Zunächst wurde eine interne Untersuchung an der THB durchgeführt, die mit 2600 Studierenden zu den kleineren Hochschulen gehört. Es zeigte sich, dass von den verschiedenen Akteuren in den drei Fachbereichen und in der zentralen Verwaltung insgesamt sechs verschiedene Softwaresysteme für Modulkataloge eingesetzt werden:

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• • • • •

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Atlassian Confluence und TYPO3 (webbasierte Contentmanagementsysteme), Microsoft Word mit SharePoint (dateibasiertes Dokumentenmanagementsystem), Microsoft Excel (individuelle Tabellenkalkulation), Eigenentwicklung (webbasiertes Datenbanksystem im Intranet), HISinOne (CMS).

Die Gründe für den Einsatz dieser Systeme sind sehr unterschiedlich. Bei dateibasierten Systemen wie MS Word und Excel sind die Nutzer sehr frei im Hinblick auf die Gestaltung der Dokumente, Tabellenkalkulation erlaubt zudem, kalkulatorische Abhängigkeiten für die Ressourcenplanung abzubilden, webbasierte Contentmanagementsysteme vereinfachen die Publikation und das gemeinsame Pflegen der Dokumente nach einem hinterlegten Rechtesystem, und ein CMS sichert die hochschulweite Zugänglichkeit und Archivierung der Modulkataloge. Gemeinsam ist allen diesen Systemen, dass sie mindestens zwei der vier Lebensphasen von Modulkatalogen (Erstellung, Pflege, Nutzung, Archivierung) nicht oder sehr mangelhaft unterstützen. Das kann auch als Grund für Eigenentwicklungen angesehen werden, die die jeweils wahrgenommenen Defizite ausgleichen sollen. Im Ergebnis kommt es zu redundanter und inkonsistenter Datenhaltung bei zugleich hohem Pflegeaufwand. Eine tiefere Analyse der Unterstützungsqualität der verschiedenen Systemtypen findet sich in [4]. Nach dieser internen Betrachtung wurde der Untersuchungsradius auf die 14 größten staatlichen Hochschulen in Berlin und Brandenburg ausgedehnt. An acht Hochschulen für angewandte Wissenschaften mit ca. 50.000 Studierenden sowie sechs Universitäten mit ca. 140.000 Studierenden wurden jeweils die zentralen Verantwortlichen für Systemakkreditierung bzw. Qualitätsmanagement befragt. Es wurden somit nicht alle an der jeweiligen Einrichtung eingesetzten Systeme ermittelt, sondern nur die von den genannten zentralen Einrichtungen präferierten, was auch den hohen Anteil an CMS erklärt. Dennoch waren Mehrfachnennungen zulässig. Mit 45 % werden Dateisysteme am häufigsten genutzt, gefolgt von CMS (40 %). Deutlich geringere Anteile (10 %) wurden für Dokumentenmanagementsysteme angegeben, der Rest (5 %) entfiel auf sonstige Systeme.

6.3

Architektur eines Wissensgraph-basierten IT-Systems

Der Begriff Wissensgraph (eng. knowledge graph) erlangte im Jahr 2012 weltweite Aufmerksamkeit, stand er doch im Zusammenhang mit deutlichen Verbesserungen an der Suchmaschine von Google [5]. Für eine Reihe vielgesuchter Arten von Informationen, z. B. zu Schauspielern, Filmen, Musik, Personen der Zeitgeschichte oder auch bedeutenden Orten, wurden nun nicht mehr nur endlose Listen von mehr oder weniger passenden Links angeboten, sondern an prominenter Stelle ganz konkrete, aggregierte Daten und Medien. Der Wissensgraph als spezielle Form einer Wissensdatenbank sorgt für eine flexible Vernetzung zwischen den als Knoten fungierenden Informationsobjekten und stattet sowohl die Knoten als auch die Vernetzungskanten mit einer eindeutigen, idealerweise

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Wissensgraph-basierter Modulkatalog

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organisationsübergreifenden Semantik aus. Dafür stehen inzwischen gut gepflegte und individuell erweiterbare Vokabulare und Standards zur Verfügung. Mit ihrer Hilfe kann das Wissensschema für den jeweiligen Anwendungsfall spezifiziert werden. Dieses potenziell erweiterbare Wissensschema bildet den strukturgebenden Kern der Wissensdatenbank. Bei der Einführung eines neuen Informationssystems in eine bestehende IT-Landschaft stellt die Bereitstellung der Daten, z. B. durch Migration der Daten aus den Altsystemen, eine äußerst aufwendige Aufgabe dar. Insbesondere der Anteil manueller Eingabearbeit muss minimiert werden. Im vorliegenden Fall sind Daten aus strukturierten und unstrukturierten Quellen zu extrahieren, zu analysieren bzw. zu validieren sowie ggf. zu korrigieren oder zu erweitern. Dafür wird der Wissensgraph um geeignete Tools erweitert. Das Technologiespektrum reicht hier je nach Strukturiertheitsgrad der Daten von Methoden der semantischen Textanalyse (vgl. [6]) über das Parsen von regulären Ausdrücken (s. Abschn. 6.4.2) bis hin zum (teil)automatischen Mappen mithilfe von Transformationsvokabularen (z. B. D2RQ in [7], R2RML). Auf der anderen Seite muss das System geeignete Schnittstellen anbieten, um die gewünschten Wissensdienste und Fremdsysteme mit den notwendigen Daten zu versorgen. Neben SPARQL, dem Abfragestandard für semantische graphstrukturierte Daten, werden zunehmend hoch performante und stärker lastverteilende Technologien entwickelt und eingesetzt, wie z. B. Triple Pattern Fragments [8]. SPARQL selbst ist zwar sehr mächtig und flexibel, belässt aber die gesamte Rechenlast beim Server, sodass es bei unmittelbarem produktivem Einsatz zur Serverüberlastung kommen kann. Abb. 6.2 zeigt ein abstraktes Modell der Architektur des Wissensgraph-basierten Modulkatalogs, einschließlich der relevanten Wissensquellen sowie der partizipierenden Wissensdienste und Fremdsysteme. Für die farblich hervorgehobenen Elemente liegen prototypische Entwicklungen vor. Einige davon werden in Abschn. 6.4 vorgestellt. Neben den Autoren haben Studierende des Masterstudiengangs Wirtschaftsinformatik der THB im Rahmen ihres Wahlpflichtmoduls „Enterprise Knowledge Graph Implementation“ an den Entwicklungen mitgewirkt.

6.4

Prototypische Komponenten des digitalen Modulkatalogs

Die Entwicklung eines Wissensgraph-basierten Modulkatalogs ist ein komplexes, innovatives Projekt, das eine Reihe von Experimenten und prototypischen Entwicklungen sowie begleitender Evaluationen bedarf. Die ersten Ergebnisse auf diesem Weg sollen in den folgenden Abschnitten vorgestellt und diskutiert werden. Der Abschnitt schließt mit einem Ausblick auf weiterführende Entwicklungen.

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Wissensquellen

Wissensgraph

Wissensdienste

Wissensgraph-Management Semistrukturierte Texte (z. B. als PDF)

Redaktion

Datenintegration und -kuration

Graph-Datenbank

Schnittstellen Publikation

Extraktion mit RegEx Python

LinkedData API

Semantische Textanalyse mit NLP

SPARQL Endpoint

DBpedia

Validierung mit SHACL

Triple Pattern Fragments

WikiData

Anreicherung mit SPARQL und LOD



Tabellarische und relationale Daten

Archivierung

Prüfungsmanagement

Ressourcenmanagement



... Wissensschema und Vokabulare

Abb. 6.2 Abstraktes Architekturmodell des Wissensgraph-basierten Modulkatalogs

6.4.1

Wissensschema für Modulbeschreibungen

Wie bereits in Abschn. 6.1 herausgearbeitet, gibt es zwar einen EU-weiten Minimalkanon von Informationsanforderungen an Modulbeschreibungen, dennoch sind die realen Ausgestaltungen außerordentlich vielfältig. Zum einen gibt es eine große begriffliche Vielfalt, zum anderen aber auch strukturelle und fachspezifische Besonderheiten einzelner Studiengänge. Beide Probleme lassen sich durch ein semantisches Wissensschema gut adressieren. Die Konzepte eines Wissensschemas sind im Wissensgraphen die Knoten und Kanten, also die Informationsobjekte sowie ihre Relationen untereinander und die sie beschreibenden Attribute. Unter Verwendung und – falls notwendig – der domänenspezifischen Erweiterung geeigneter Vokabulare erhält jedes Konzept eine eindeutige und semantisch spezifizierte Kennung in Form einer dereferenzierbaren URI. Diese eröffnet zugleich den Zugang zu primären und alternativen Bezeichnungen und Definitionen, bei Bedarf auch in mehreren Sprachen. Damit kann der begrifflichen Vielfalt begegnet werden, ohne eine generelle Vereinheitlichung zu fordern. Für strukturelle und fachspezifische Besonderheiten kann das Wissensschema flexibel um weitere Konzepte erweitert werden, die wiederum semantisch mit den bestehenden Konzepten vernetzt werden können. Es besteht demnach keine Notwendigkeit, zunächst die gesamte Domäne zu erforschen. Erweiterungen können jederzeit an das bestehende Schema angedockt werden. Im Forschungsprojekt wurde deshalb der initialen Modellierung des Wissensschemas eine kleine Auswahl von Modulbeschreibungen der THB zugrunde gelegt. Im Fachbereich Wirtschaft werden die Modulbeschreibungen in tabellarischer Form in Word gepflegt. Im ersten

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Wissensgraph-basierter Modulkatalog

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Modellierungsschritt ging es darum, die Tabellenstruktur im Hinblick auf Klassen, Relationen und Attributen von Informationsobjekten zu analysieren. Als Referenz wurde das in der Webcommunity weitverbreitete Vokabular schema.org1 gewählt, das seit 2016 eine essenzielle Erweiterung um Konzepte der Bildungsdomäne erfahren hat. Die zentralen Konzepte hierbei sind Course als Unterklasse der Basisklasse CreativeWork sowie CourseInstance als Unterklasse der Basisklasse Event. Diese Differenzierung passt hervorragend auf die zu adressierenden Anforderungen. Bestimmte Ausprägungen einer Modulbeschreibung haben den Charakter eines Kursdesigns, also einer schöpferischen Entwicklung. Andere Ausprägungen dagegen beziehen sich klar auf die konkrete Durchführung eines Moduls in einem bestimmten Zeitraum, haben also Eventcharakter. Weitere Unterklassen von CreativeWork kommen bei der Modellierung der im Modul eingesetzten Literatur zum Einsatz. Details können Abb. 6.3 entnommen werden. Neben den bereits genannten Klassen kommen die Basisklassen Person, Organization und Intangible zum Einsatz. Für Person werden zwei Unterklassen angelegt: Lecturer für Modulverantwortliche und DozentInnen sowie Author für Autoren der eingesetzten Literatur. schema.org selbst weist für Person keine Unterklassen aus. Die Differenzierung in Author und Lecturer erscheint im vorliegenden Kontext angebracht, da die Vertreter dieser Klassen sehr unterschiedliche Relationen zu anderen Klassen aufweisen. Auch die zur näheren Beschreibung eingesetzten Attribute (Metadaten) sind nicht identisch. Die Klasse Organisation wird verwendet, um den Zugehörigkeit von Personen zu Einrichtungen sowie den Herausgeber von Publikationen zu referenzieren. Der Basisklasse Intangible enthält neben generischen Unterklassen wie PropertyValue und ItemList die Course-spezifische Unterklasse AlignmentObject. Im Wissensschema referenzieren Objekte dieser Klasse ordnungsrelevante Aspekte eines Moduls, für die es keine spezifische Relation gibt. Dazu gehören der Modultyp, die Einordnung in das Curriculum sowie das Qualifikationsniveau. Eine ähnliche Rolle spielen die Klassen PropertyValue für komplexere organisatorische Aspekte eines Moduls, während ItemList inhaltliche bzw. gestalterische Aspekte abbildet, die häufig Aufzählungen enthalten. Sind alle notwendigen Konzepte für das Wissensschema ermittelt und auf entsprechende Klassen, Relationen und Attribute des Vokabulars bzw. seiner Erweiterungen gemappt, kann das Schema visualisiert werden. Dabei ist zu entscheiden, welcher Detaillierungsgrad für die Projektkommunikation optimal ist. Abb. 6.3 zeigt ein recht umfangreiches Modell, dennoch musste aus Gründen der Lesbarkeit auf tiefere Details verzichtet werden. Für die technische Implementierung des Wissensschemas, auch Serialisierung genannt, muss es in eine geeignete technische Notation überführt werden. Da das Schema dem Wissensgraphen als Grundgerüst dienen soll, wurde auf den Einsatz grafischer oder

1

Schema.org-Vokabulare werden in einem offenen Gemeinschaftsprozess unter Verwendung der Mailingliste [email protected] und des GitHub-Dienstes entwickelt, vgl. http://schema.org.

Abb. 6.3 Modellhaftes Abbild des Wissensschemas für den digitalen Modulkatalog

96 V. G. Meister et al.

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Wissensgraph-basierter Modulkatalog

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hierarchischer Ontologieeditoren verzichtet und stattdessen ein textbasierter Editor verwendet. So kann das Schema schlank gehalten werden und die Referenzierung der vokabularspezifischen URIs wird nicht durch Automatismen der Editoren behindert. Der folgende Code zeigt einen Ausschnitt der Turtle-Serialisierung des Schemas.

6.4.2

Datenintegration und Wissensgraph-Population

Unter Datenintegration versteht man im Kontext eines Wissensgraphen die Population der Wissensdatenbank mit Daten aus unterschiedlichen Quellsystemen und/oder -dokumenten. Im Kern besteht die Aufgabe darin, die Daten so aufzubereiten, dass sie semantisch sauber, fehlerfrei und vollständig im Wissensgraphen abgelegt werden. Die technischen Herausforderungen ergeben sich hier zum einen aus der strukturellen Vielfalt der Wissensquellen,

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V. G. Meister et al.

zum anderen aus der Position des Wissensgraphen im Gesamtsystem. Eine Echtzeitintegration ist offensichtlich wesentlich herausfordernder als eine einmalige Migration. Bei einem neu aufzusetzenden System empfiehlt es sich, zunächst mit Testdaten zu experimentieren. Dieser eher manuelle Zwischenschritt dient dem Test des neuen Wissensschemas. So können Fehler und Schwachstellen vor einer aufwendigen Implementierung eines (semi-)automatischen Populationsprozesses erkannt und behoben werden. Außerdem kann so sehr zeitnah auch an anderen Entwicklungen im Rahmen des Gesamtsystems gearbeitet werden. Im vorliegenden Fall wurden fünf Modulbeschreibungen des Studiengangs Wirtschaftsinformatik Bachelor der THB manuell eingepflegt. Für die Verwaltung des Wissensgraphen wurde der Datamanager von eccenca Corporate Memory eingesetzt. Da die Mehrheit der Modulkataloge nicht in strukturierten Datenquellen vorgehalten wird, sondern in textbasierten Tabellen, wurde dieser Anwendungsfall für die prototypische Entwicklung ausgewählt. Untersuchungsgegenstand war in diesem Fall eine Modulbeschreibung aus dem Studiengang Maschinenbau Bachelor des Fachbereichs Technik der THB. Im ersten Schritt wurde das Wissensschema auf vollständige Abdeckung der Anforderungen geprüft. Es hat sich bestätigt, dass die wesentlichen Strukturen passen und notwendige Ergänzungen problemlos möglich sind. Für die Implementierung wurde die Python-Bibliothek re (regular expressions) eingesetzt. Neben der Identifikation der entsprechenden Textstellen und dem Parsen des zugehörigen Inhalts war die Generierung sauberer URIs aus den extrahierten Textstellen eine weitere Herausforderung. Hier wurde von der Nutzung einer Bibliothek abgesehen, um abweichende Urlifizierungsmuster zu vermeiden. Es hat sich gezeigt, dass ca. 70 % der Modulbeschreibung mit sehr geringem Aufwand in ein importierbares Turtle-Dokument übertragen werden konnten. Weitere 20–25 % würden einen höheren Aufwand erfordern, der nur bei entsprechendem Umfang lohnend wäre. Eine gewisse manuelle Nachbesserung ist wahrscheinlich unvermeidlich. Zur Identifikation von Fehlern und Auslassungen bzw. zur sauberen Überführung in die gewünschte Datenstruktur soll zukünftig zusätzlich auf SHACL gesetzt werden, eine Standardspezifikation des W3C zur Definition von Shape Constraints für RDF-Daten. Die folgenden beiden Scriptings zeigen Ausschnitte aus dem Python-Code und dem resultierenden Turtle-Code.

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import re file = open("MB_MBA_Produktplanung.txt", "r") r = file.read() file.close() f = open("RDF_MBA_Produktplanung.txt", "w") f.write("""@prefix schema: ...\n\n""") pattern = re.compile(r'ggf. Kürzel:\s\S+\s\S+') matches = pattern.finditer(r) print(matches) for i in matches: course_code = i[0].split(" ") f.write("course_code" + course_code) pattern = re.compile(r'Modulbezeichnung:\s\S+\s\w+\s\w+') matches = pattern.finditer(r) for i in matches: Modulbezeichnung = i[0].split("\n") Modulbezeichnung[1] = Modulbezeichnung[1].replace(" ","") Modulbezeichnung[1] = Modulbezeichnung[1].replace("-","_") print(Modulbezeichnung) f.write("module:" + Modulbezeichnung[1] + " a schema:Course ;\n") f.write("rdfs:label \"" + Modulbezeichnung[2] + "\" ;\n") f.write("schema:name \"" + Modulbezeichnung[2] + "\" ;\n") f.write("schema:courseCode \"" + Modulbezeichnung[1] + "\" ;\n") …

@prefix schema: … . module:M_1AMB a schema:Course ; schema:name "Produktplanung" ; schema:courseCode "M_1AMB" ; schema:inLanguage "de" ; schema:accountablePerson thb-fbtm:Schroeder ; schema:timeRequired "PT240H" ; schema:educationalCredentialAwarded "8" ; … . module:WiSe_2018M_1AMB a schema:CourseInstance ; schema:courseMode "jedes Wintersemester" ; schema:duration "P0.5Y" ; schema:identifier "M_1AMB WiSe_2018" ; schema:instructor thb-fbtm:Goecke, thb-fbtm:Schroeder. …

6.4.3

Redaktion von Modulbeschreibungen

Bereits in Abschn. 6.4.1 wurde im Kontext der Entwicklung des Wissensschemas thematisiert, dass eine Modulbeschreibung sowohl Aspekte des Kursdesigns im Sinne eines schöpferischen Werkes als auch Aspekte der Durchführung eines Kurses in einem bestimmten Zeitraum umfasst. Während das Design eher konstituierenden Charakter hat, unterliegt die Durchführung potenziell häufigeren Änderungen. Das kann sich auch in der

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V. G. Meister et al.

Begrifflichkeit niederschlagen, indem zwischen Modulkatalog (Sammlung von Moduldesigns) und Vorlesungsverzeichnis (Sammlung von Veranstaltungen) differenziert wird. In diesem Beitrag soll eine solche Unterscheidung nicht vorgenommen werden, da ein wesentliches Ziel des zu entwickelnden Systems darin besteht, eine einheitliche, integrierte Wissensbasis für die verschiedenen Anwendungsfälle in Lehre und Campusmanagement bereitzustellen. Allerdings macht die erwähnte Differenzierung klar, dass es verschiedene Anlässe für die Redaktion einer Modulbeschreibung bzw. eines gesamten Modulkatalogs geben kann. Sie reichen von Änderungen in der Ressourcenausstattung oder inhaltlichorganisatorischen Anpassungen über die Weiterentwicklung bis hin zur wesentlichen Neustrukturierung von Studiengängen. Je nach Anlass liegt auch die Verantwortung bzw. die Berechtigung für diese Änderungen bei unterschiedlichen Rollen. Einfache Anpassungen können von Modulverantwortlichen vorgenommen werden, wesentliche Änderungen verantwortet in der Regel die Studiengangleitung. Eine zuverlässige Pflege digitaler Modulkataloge erfordert somit ein Redaktionssystem mit fein justierbaren Rechten und einer integrierten Versionsverwaltung und Archivierung. Nicht zuletzt sollte das Redaktionssystem einfach zu bedienen sein und den Redakteur optimal unterstützen und zur Vermeidung von Fehlern beitragen. Das aktuell eingesetzte Verwaltungssystem für den Wissensgraphen bietet grundsätzlich die Redaktion von Modulbeschreibungen. Es erfasst und speichert verschiedene Versionen und erlaubt auch die Rückführung von Änderungen. Je nach Informationsobjekt kann auch die redaktionelle Bearbeitung unterstützt werden, indem z. B. bei Modulverantwortlichen bzw. Lehrenden nur Lehrpersonen ausgewählt werden können. Die automatische Archivierung wäre über einen einzubindenden Dienst ebenfalls unproblematisch umsetzbar. Andere Anforderungen, insbesondere die Feinjustierung von Rechten und eine weitergehende Unterstützung von Redakteuren sind zum jetzigen Entwicklungsstand noch nicht umsetzbar. Abb. 6.4 zeigt einen Screenshot des Systems im Redaktionsmodus. Aus der Erfahrung mit fachlichen Nutzern ist zu konstatieren, dass der Umgang mit graphbasierten Templates häufig als kontraintuitiv wahrgenommen wird. Dagegen gibt es trotz ihrer eingeschränkten strukturellen Flexibilität eine klare Präferenz für Tabellenkalkulationssysteme. Es bleibt also zu erforschen, wie dieser Widerspruch aufgehoben werden kann.

6.4.4

Publikation und Export in diverse Medienformate

Um die Modulkataloge einer breiten Öffentlichkeit in gut lesbarer Form zur Verfügung zu stellen, sind sie in geeigneter Form zu veröffentlichen und ggf. in weitere Medienformate zu exportieren. Da es sich bei Modulbeschreibungen nicht um hoch dynamischen Content handelt, bietet sich die Möglichkeit, sie als statische Webseiten zu publizieren. Eine solche Publikationsform bietet ein hohes Sicherheitsniveau bei zugleich ausgezeichneter Perfor-

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Wissensgraph-basierter Modulkatalog

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Abb. 6.4 Redaktionsmodus Modulbeschreibung in Corporate Memory

manz. Mit Jekyll-RDF – einem Static Site Generator mit RDF-PlugIn – können Wissensgraphen in statische Webseiten umgewandelt werden [9]. Abb. 6.5 zeigt die im Projekt verwendeten Technologien im Überblick. Zunächst wird eine RDF-Datei als Wissensbasis aus Corporate Memory exportiert. Die anzuzeigenden Informationen werden mithilfe der Abfragesprache SPARQL aus der Wissensbasis extrahiert. Anschließend erfolgt die Darstellung der Informationen mittels verschiedener Liquid-HTML-Templates. Da unterschiedliche Typen von Informationsobjekten (z. B. Module und Lehrende) eigene Templates beim Generieren nutzen, werden sie nach einem vordefinierten Mappingprinzip den richtigen Templates zugeordnet. Abschließend werden die statischen Webseiten durch Jekyll-RDF generiert. Jedes anzuzeigende Informationsobjekt bekommt dann eine eigene HTML-Seite mit einer PDF-Exportfunktion. Für die zusätzliche Exportfunktion wird die JavaScriptBibliothek jsPDF verwendet. Die generierten Webseiten werden schließlich auf einen Webserver zur Veröffentlichung geladen. Der Prototyp (siehe Abb. 6.6) ist unter folgender URL abrufbar: http://univera.de/FHB/EKGI_ModCat/.

6.5

Flexibler Hub zwischen Lehre und Campusmanagement

In diesem Abschnitt sollen nun die Ansätze aus Abschn. 6.1 wieder aufgegriffen und näher ausgeführt werden. Mit Bezug zum Gesamtportfolio Digitale Hochschule (siehe Abb. 6.1) wurde dort hergeleitet, dass ein Wissensgraph-basierter Modulkatalog als flexibler Hub – oder Schnittstelle – zu folgenden Prozessen agieren kann:

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Templates (SPARQL, Liquid)

Static Sites (HTML, jsPDF)

Static Site Generator Wissensbasis

(Jekyll-RDF)

(RDF)

Abb. 6.5 Generierung statischer Webseiten mit Jekyll-RDF

Abb. 6.6 Modulbeschreibung als publizierte HTML-Seite

Aus dem Bereich digitale Lehre: • Publikation digitaler Modulkataloge, • Raum- und Ressourcenplanung. Aus dem Bereich digitales Campusmanagement:

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Wissensgraph-basierter Modulkatalog

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• Prüfungsmanagement, • Raummanagement, • Stundenplanung. Eine prototypische Implementierung zur Publikation digitaler Modulkataloge wurde bereits in Abschn. 6.4.4 vorgestellt. Eine echte Integration mit dem Wissensgraphen erfordert die zusätzliche Implementierung eines Dienstes, der bei Änderungen an der Wissensbasis oder in vordefinierten Zyklen, z. B. zweimal im Semester, den Publikationsprozess neu anstößt. Alternativ wäre auch möglich, diesen Prozess anlassbezogen durch eine verantwortliche Rolle zu steuern. Potenziell sollte jeder Modulkatalog seine eigene Webpräsenz haben. So könnte auch der Aktualisierungsaufwand auf die sich tatsächlich ändernden Modulkataloge beschränkt werden. Für die anderen vier Prozesse bieten moderne CMS grundsätzlich integrierte Lösungen an. Solche Systeme sind noch nicht an allen Hochschulen eingeführt, aber das Problem liegt tiefer. Es erweist sich als problematisch, die spezifischen Anforderungen aller Studiengänge in diesen Systemen adäquat abzubilden. Hochschulleitungen stehen dann vor der Herausforderung, die Einführung des CMS durch Standardisierungsvorgaben zu erleichtern und damit die Gestaltungsfreiheit von Studiengängen zu beschneiden. Das führt nicht selten zum Ausweichen auf (altbekannte) Systeme und Prozesse, denn Gestaltungsfreiheit der Lehre ist zum einen ein Grundrecht und zum anderen meist aus der Spezifik des Faches und seiner Didaktik getrieben. Alternativ droht eine unkalkulierbare Komplexität des Einführungsprozesses, was in der Praxis bereits mehrfach zum Abbruch langjähriger und kostenintensiver Projekte geführt hat. Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, dass die Pflege von Modulkatalogen in CMS aufwendig und sehr textlastig ist. Eine Vernetzung der Informationsobjekte ist in vielen Fällen nicht gegeben. Ferner kann es auch im CMS Schwierigkeiten bei der feingranularen Zuweisung von Berechtigungen geben. Diese Systeme unterliegen sehr strengen Datenschutzanforderungen. Schließlich kann der zusätzliche Bedarf an Lizenzen eine Kostenfrage für die jeweilige Hochschule darstellen. Aus all den genannten Gründen erscheint es sinnvoll, die Prozesse der Lehr-, Raum- und Ressourcenplanung und die Prozesse des Student-Life-Cycle-Managements in getrennten Systemen abzubilden. Zugleich wäre eine Schnittstelle zwischen diesen Systemen im Sinne der Effizienz und der Datenkonsistenz mehr als wünschenswert. Auf der Schnittstelle könnten aufgabenspezifische Berechtigungen abgebildet werden, sodass auch den Anforderungen des Datenschutzes Genüge getan wird. Da die Prozesse der Lehr-, Raum- und Ressourcenplanung im Wesentlichen periodisch ablaufen, wäre auch hier keine Echtzeitintegration notwendig. Anlassbezogene oder periodische Datensynchronisation wären vollkommen angemessen und rechentechnisch adäquat umsetzbar. Eine abstrakte Visualisierung dieses Ansatzes zeigt Abb. 6.7. Noch nicht ausreichend fachlich erforscht wurde die spannende Frage danach, inwiefern der Wissensgraph auch die didaktischen, lehrplanerischen und ordnungsrelevanten Aspekte in den Studiengängen besser unterstützen kann. Hier ist mit einer noch größeren Bandbreite an Gestaltungsoptionen zu rechnen, da die didaktischen und ressourcenbezo-

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V. G. Meister et al.

Wissensgraph

Stundenplanung

push

Redaktion

SPARQL Endpoint

Raummgt.

pull



Prüfungsmgt.

CMS

Abb. 6.7 Wissensgraph als Schnittstelle zum CMS

genen Bedarfe in den Studiengängen sehr stark differieren. Technische Hinderungsgründe sind jedoch nicht zu erwarten, da mit den beschriebenen Technologien sowohl die Erfassung typspezifischer, auch logischer und numerischer Daten als auch die rechenlogische Verarbeitung und die Ausgabe in verschiedene Formate (XML, JSON, CSV etc.) unterstützt werden. Die bisherigen Arbeiten an diesem Projekt wurden im Rahmen informeller Forschungsarbeit sowie einer thematisch passenden Lehrveranstaltung im Masterstudiengang Wirtschaftsinformatik an der THB umgesetzt. Für die Zukunft bleibt zu hoffen, dass es gelingt, dieses Projekt auf eine leistungsfähige Basis zu setzen. Nur so wird es möglich, die ehrgeizigen Ziele zu erreichen und damit den hochengagierten Mitarbeitern in Lehre und Verwaltung prozessspezifische, effiziente und miteinander vernetzte Werkzeuge bereitzustellen.

Literatur 1. European Union (2015) Standards and guidelines for quality assurance in the European Higher Education Area (ESG). European Union, Brussels 2. Kultusministerkonferenz (2010) Ländergemeinsame Strukturvorgaben für die Akkreditierung von Bachelor und Masterstudiengängen – Beschluss vom 10.10.2003 i. d. F. vom 04.02.2010 3. Auth G (2017) Campus-Management-Systeme – Prozessorientierte Anwendungssoftware für die Organisation von Studium und Lehre. Die Hochschule 1:40–58 4. Meister VG, Beckert J (2018) Konzept und vergleichende Analyse eines Wissensgraph-basierten Modulkatalogs. In: Zendel R, Lucke U et al (Hrsg) Proceedings des Workshops Lernen und Arbeiten im Wandel LAiW co-located zum Informatikfestival INFORMATIK 2018. Potsdam, S 14–28 5. Singhal A (2012) Introducing the knowledge graph: things, not strings. https://googleblog.blog spot.de/2012/05/introducing-knowledge-graph-things-not.html. Zugegriffen am 22.03.2019 6. Meister VG, Jetschni J, Kreideweiß S (2017) Konzept und Prototyp einer dezentralen Wissensinfrastruktur zu Hochschuldaten für Mensch und Maschine. In: Eibl M, Gaedke M (Hrsg) INFORMATIK 2017. Gesellschaft für Informatik, Bonn, S 1717–1732

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Wissensgraph-basierter Modulkatalog

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7. Meister VG, Hahnenwald M (2014) Information Mining durch semantische Erschließung bestehender Content-Management-Systeme – Erfahrungen aus einem Projekt des forschungsbasierten Lehrens. AKWI-Jahrestagung – Angewandte Forschung in der Wirtschaftsinformatik 2014:136–145 8. Verborgh R et al (2016) Triple pattern fragments: a low-cost knowledge graph interface for the web. J Web Semant 37–38:184–206 9. Arndt N, Radtke N (2017) A method for distributed and collaborative curation of RDF datasets utilizing the quit stack. In: Eibl M, Gaedke M (Hrsg) INFORMATIK 2017. Gesellschaft für Informatik, Bonn, S 1873–1881

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Eine mobile Infrastruktur zur Durchführung von E-Prüfungen Birte Malzahn, Thomas Groß und Ingo Claßen

Zusammenfassung

Elektronisch durchgeführte Prüfungen bieten eine Vielzahl von Vorteilen. Eine der größten Hürden zur Durchführung von E-Prüfungen ist jedoch die Bereitstellung der erforderlichen Infrastruktur. Bisherige Lösungen sehen u. a. feste Räume mit fest installierter Hardware oder feste/variable Räume mit Laptops von Leihfirmen oder Studierenden vor [1]. In diesem Beitrag wird eine mobile Infrastruktur zur Durchführung von elektronischen Prüfungen in der Hochschule vorgestellt, die an der HTW Berlin entwickelt wurde. Diese besteht aus einem Server sowie einem Raspberry Pi-Rechner je Arbeitsstation. Die einfach skalierbare und relativ kostengünstige Infrastruktur kann zu Prüfungszeiten in einem entsprechend großen Vorlesungsraum aufgebaut werden und ermöglicht so die Durchführung von E-Prüfungen mit eigener Hardware und unabhängig von der Kapazität vorhandener Computerlabore. Der Beitrag beschreibt die technische Infrastruktur, deren Einsatzszenarios sowie eine Bewertung des Modells aus Sicht von Lehrenden, Studierenden und technischen Mitarbeitern. Schlüsselwörter

E-Prüfungen · mobile Infrastruktur · Client-Server-Architektur · Prüfungen · Elektronisch · Virtualisierung · Client · Anwendungsszenarios

7.1

Einleitung

Trotz vielfältiger Vorteile von E-Prüfungen Abschn. 7.4 findet eine Vielzahl von Prüfungen an Hochschulen noch immer papierbasiert statt. Ein Grund hierfür an der HTW Berlin war, dass die Kapazität eines Computerlabors für die Durchführung einer B. Malzahn (*) · T. Groß · I. Claßen Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin Berlin, Deutschland E-Mail: [email protected]; [email protected]; [email protected] # Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 T. Barton et al. (Hrsg.), Hochschulen in Zeiten der Digitalisierung, Angewandte Wirtschaftsinformatik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26618-9_7

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B. Malzahn et al.

Prüfung häufig nicht ausreichend ist, sodass mehrere Labore und entsprechend viele Aufsichten für eine Prüfung benötigt wurden. Eine dauerhafte Bestückung eines entsprechend großen Hörsaals mit der benötigten Hardware ist an der HTW Berlin aus Kapazitätsgründen nicht möglich. So entstand an der HTW Berlin die Idee, eine portable Infrastruktur zu entwickeln, die relativ kostengünstig, skalierbar, verhältnismäßig leicht aufzubauen und außerhalb der Prüfungszeiten platzsparend zu verwahren ist. In diesem Herausgeberband findet sich ergänzend der Beitrag „Chancen und Herausforderungen von E-Assessments im Anwendungskontext“ von Jeremias und Sellmer, der Evaluationsergebnisse zu E-Prüfungen aus Sicht von Studierenden und Lehrenden darstellt und daraus Entwicklungspotenziale ableitet.

7.2

Technische Infrastruktur

Die Gestaltung einer technischen Infrastruktur zur Durchführung von E-Prüfungen hängt von einer Reihe von Entwurfsentscheidungen ab, die sich aus grundlegenden Anforderungen in Bezug auf technische, organisatorische und fachliche Aspekte ergeben: • • • • •

Größenordnung an Anwendern, mobile vs. fest installierte Lösung, Virtualisierungstechnologie, Netzwerkinfrastruktur (drahtlos, kabelgebunden), Hardwareausstattung, Software: spezialisierte Prüfungssoftware und/oder Software aus dem Übungsbetrieb wie Entwicklungsumgebungen, Modellierungswerkzeuge, Clients zum Zugriff auf Serversysteme, • verfügbares Budget. Die Diskussion dieser Aspekte soll im Folgenden den an der HTW Berlin gewählten Lösungsansatz motivieren und dessen Architektur skizzieren. Details der Lösung finden sich in den nachfolgenden Abschnitten. Vorhandene Computerlabore können auch für E-Prüfungen eingesetzt werden. Diese Lösung bietet erhebliche Vorteile, da bereits vorhandene Hardware genutzt werden kann und somit nur geringe zusätzliche Investitionen notwendig sind. Die meisten Computerlabore der HTW Berlin haben jedoch nur eine Kapazität von ca. 20 Plätzen, sodass die Durchführung von E-Prüfungen mit einer höheren Anzahl an Teilnehmern die parallele Nutzung mehrerer Labore erfordert. Für Klausuren mit großen Teilnehmerzahlen wurden die damit einhergehenden organisatorischen Hürden für eine E-Prüfung unter Nutzung der Computerlabore als zu hoch eingeschätzt. Somit fiel die Entscheidung für den Aufbau einer neuen Infrastruktur. Als Zielgröße wurden 80 Plätze festgelegt, mit der Option, die Kapazität auch auf 100 oder mehr Plätze erweitern zu können. In der vorgegebenen Größenordnung war eine feste Installation der Geräte in einem Raum an der HTW Berlin nicht möglich. Ein Ansatz für eine mobile Lösung ist die

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Eine mobile Infrastruktur zur Durchführung von E-Prüfungen

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Verwendung von Laptops. Diese sind platzsparend, können einfach bereitgestellt werden und ermöglichen den Einsatz verschiedener Softwareanwendungen. Jedoch führen Ersatzbeschaffungen zu einem heterogenen Gerätebestand. Das könnte zu formalen Anfechtungen von Prüfungen führen, da nicht alle Teilnehmer gleiche Bedingungen haben, wenn z. B. neuere Computer eine höhere Leistung aufweisen. Des Weiteren kann sich die Softwareverteilung und die Aktualisierung der Rechner als komplex erweisen. Auch wäre es denkbar, dass Studierende Informationen auf dem Rechner hinterlassen, die von anderen Studierenden nutzbar sind. Gemietete Laptops oder der Einsatz von Studierendenlaptops bringen die gleichen bzw. ähnliche Probleme mit sich. Aufbauend auf diesen Überlegungen wurde ein Lösungsansatz entwickelt, der auf virtuellen Clients basiert. Einfache, preisgünstige Geräte (Thin Clients) schaffen die Schnittstelle zum Nutzer/zur Nutzerin. Der Einsatz großer Monitore ist zudem leichter realisierbar als bei der Verwendung von Laptops. Die Clients werden auf einer leistungsfähigen Servermaschine virtualisiert. Dies vereinfacht die Verteilung der Software, da lediglich virtuelle Rechner geklont werden müssen. Diese Lösung bietet den zusätzlichen Vorteil, dass alle Rechner einen definierten Zustand haben. Nach der Durchführung einer Klausur können die Rechner auf einen gespeicherten Grundzustand zurückgesetzt werden. Mittels Virtualisierung können auch unterschiedliche Betriebssysteme bzw. verschiedene Versionen von Betriebssystemen bereitgestellt werden. Das heißt Lehrende können den Softwarebestand für ihre Prüfungen individuell definieren. Es muss lediglich eine Masterkopie erzeugt werden, die die notwendigen Spezifikationen enthält. Bezüglich der Netzinfrastruktur wurde aufgrund von Leistungs- und Sicherheitsaspekten (z. B. geringere Störanfälligkeit) eine kabelgebundene anstelle einer drahtlosen Lösung gewählt. Hardware Die Hardware der Infrastruktur besteht aus einem Serverrechner, 80 Endgeräten, 2 Netzwerkroutern, 14 Switches, Netzwerkkabeln und Stromversorgungskabeln. Der Serverrechner muss ausreichend dimensioniert und in der Lage sein, eine starke Input-Output (IO)-Last zu bewältigen. Um die erforderliche Ausstattung zu ermitteln, wurden während der Entwicklung der Infrastruktur Lasttests mit Studierendengruppen durchgeführt. Aktuell ist ein Server Dell PowerEdge R630, 512 GB RAM, 2 Intel XEON-Prozessoren mit jeweils „echten“ 10 Kernen, Taktung 2,2 GHz, 10SSD’s a 1,8 TB im Einsatz. Die Endgeräte wurden aus jeweils einem Raspberry-Pi-Kleincomputer [2, 3], einem 20-Zoll-Monitor, einer Tastatur und einer Maus zusammengestellt. Die Komponenten sind auf einem Ständer montiert, der den Transport des Endgeräts mittels eines integrierten Griffs ermöglicht. Der leere Komponentenständer ist in Abb. 7.1 zu sehen. Die auf dem Ständer montierten Komponenten zeigt Abb. 7.2.

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Abb. 7.1 Leerer Komponentenständer

Abb. 7.2 Endgerät

Software Das Wirtsbetriebssystem auf dem Server ist ein SUSE-Enterprise-Linux, das einen stabilen Betrieb ermöglicht. Als Gastsystem wird aktuell Windows 7 eingesetzt, wobei in Zukunft Windows 10 als Standard verwendet wird und andere Betriebssysteme je nach Bedarf der

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Eine mobile Infrastruktur zur Durchführung von E-Prüfungen

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Lehrenden hinzukommen können. Bei den Endgeräten wird Linux auf Debian-Basis für Raspberry-Computer eingesetzt. Als Virtualisierungsplattform wird KVM [4] verwendet. Da eine kostenfreie Software verwendet werden sollte, wurde ein Einsatz von VMware [5] nicht in Betracht gezogen, auch wenn es sich hierbei um ein leistungsfähiges und wartungsarmes Produkt handelt. Auch wäre als Speicherlösung im Backbone-Bereich ein kostenintensives Storage Area Network (SAN) erforderlich gewesen. Als kostenfreie Alternative zu KVM wäre VirtualBox [6] infrage gekommen. Tests beim Einsatz dieser Plattform zeigten Probleme bei der Handhabung von über 50 virtuellen Maschinen, bei denen es zu undefinierten Systemabstürzen kam. KVM erwies sich als stabilere Plattform, was damit zusammenhängen kann, dass VirtualBox auf verschiedenen Wirtsbetriebssystemen läuft (z. B. auch Windows), während KVM sich vollständig auf Linux konzentriert [7]. Die Einschränkung auf Linux als Wirtssystem wurde als unproblematisch bewertet. KVM hat einen weiteren Vorteil in Bezug auf die Nutzung des Hauptspeichers, da dieser den Gastmaschinen teilweise dynamisch zugewiesen wird [8]. Vorbereitungen vor Einsatz der Infrastruktur Die Vorbereitungen einige Tage vor dem Einsatzzeitraum umfassen folgende Aktivitäten: • • • •

automatisierte Aktualisierung der virtuellen Maschinen mittels entsprechender Skripte, Überprüfung, ob die Maschinen per Remote Desktop Protokoll erreichbar sind, Planung des Transports der Hardware, Überprüfung der Funktionstüchtigkeit der Client-Maschinen.

Aufgrund möglicher Hardwareausfälle werden drei Ersatzrechner bereitgehalten, die ebenfalls angeschlossen werden. Ein Umzug auf ein anderes Endgerät ist problemlos möglich, insbesondere, da von einem Hardwaredefekt die virtuelle Maschine mit den bereits bearbeiteten Aufgaben nicht betroffen ist. Aufbau Der Aufbau der Infrastruktur ist in Abb. 7.3 dargestellt. Für jede Tischreihe bestehend aus bis zu sechs Tischen gibt es einen Switch, der eine sternförmige Ethernetverkabelung mit den darauf befindlichen Geräten bereitstellt. Die Tischreihen der linken bzw. rechten Raumseite werden über einen Netzwerkrouter mit dem Campusnetz verbunden. Das Ganze bildet zusammen mit dem Server ein eigenes Subnetz, über das sämtliche Zugriffsmöglichkeiten auf das Internet geregelt werden können. Die Verkabelung wurde selbst entwickelt und beinhaltet Kabelstränge für jeweils eine Tischreihe, die Strom- und Netzwerkkabel kombinieren. Der Aufbau dauert mit fünf bis sechs eingewiesenen Mitarbeitern ca. vier Stunden. Für Nacharbeiten sollten weitere ein bis zwei Stunden eingeplant werden. Nach Aufbau und

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Virtuelle Maschinen

Netzwerkswitch

Netzwerkswitch

Netzwerkswitch

230V

Netzwerkswitch

230V

Abb. 7.3 Aufbaustruktur

Verkabelung der Computer sowie Konfiguration des Netzwerks können die Endgeräte gestartet werden. Sie laden ein Raspbian-Betriebssystem und verbinden sich über das Hochschulnetz per Remote Desktop Protokoll (Windows-Fernsteuerungsprotokoll) mit den virtuellen Maschinen. Danach ist die Infrastruktur arbeitsbereit, und die Studierenden können sich am System z. B. über den Windows-Anmeldebildschirm anmelden. Die fertig aufgebaute Hardware im Prüfungsraum ist in Abb. 7.4 aus Sicht der Lehrenden und in Abb. 7.5 aus Sicht der Studierenden zu sehen.

7.3

Anwendungsszenarios

Prüfungsformen An einer Hochschule gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Prüfungen: Es werden u. a. freiwillige Self-Assessments zur Erleichterung der Studiengangwahl angeboten, Voraussetzungen für die Zulassung in Kurse getestet und Prüfungen zur Vergabe von Noten durchgeführt [1, 9, 10]. Letztere können sowohl semesterbegleitend als auch als Modulabschlussprüfung zum Ende des Semesters geschrieben werden. Aus Sicht der benötigten Software kann die an der HTW Berlin entwickelte Infrastruktur für die elektronische Durchführung jeglicher Prüfungsformen verwendet werden.

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Eine mobile Infrastruktur zur Durchführung von E-Prüfungen

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Abb. 7.4 Aufgebaute Endgeräte im Prüfungsraum aus Sicht der Lehrenden

Da der Einsatz der mobilen Infrastruktur jedoch einen Auf- und Abbau der Hardware erfordert und dieser jeweils mehrere Stunden dauert, ist eine Planung des Einsatzzeitraums erforderlich. Aus Effizienzgründen wird die Infrastruktur deshalb nur aufgebaut, wenn mehrere Prüfungen nacheinander stattfinden. Dies ist der Fall bei den Modulabschlussprüfungen, die an der HTW Berlin gebündelt zum Semesterende sowie in einem zweiten Zeitraum zum Ende der Semesterferien stattfinden. An der HTW Berlin wird aktuell das Auditorium maximum im Prüfungszeitraum für zwei bis vier Tage für E-Prüfungen reserviert. Lehrende können in diesem Zeitraum ihre E-Prüfung platzieren. Dabei sollte eine Pause von einer Stunde zwischen den Klausuren eingeplant werden, um die Stabilität der virtuellen Maschinen durch deren Neustart zu erhöhen.

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Abb. 7.5 Aufgebaute Endgeräte im Prüfungsraum aus Sicht der Studierenden

Für die Durchführung einzelner E-Prüfungen wie beispielsweise semesterbegleitende Leistungsüberprüfungen muss dagegen an der HTW Berlin zurzeit weiterhin auf – ggf. mehrere – Computerlabore zurückgegriffen werden. Softwareanwendungen zur Durchführung von Prüfungen Fast alle E-Prüfungen auf der Infrastruktur wurden bisher als Moodle-Test [11] unter Verwendung des SafeExamBrowsers [12] durchgeführt. Diese Umgebung bietet vielfältige Möglichkeiten für die Gestaltung von Prüfungen und ist durch Verwendung des speziellen Browsers sicher.

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Eine mobile Infrastruktur zur Durchführung von E-Prüfungen

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Viele Module an der HTW Berlin setzen in semesterbegleitenden Übungen spezielle Werkzeuge ein, wie z. B. Entwicklungsumgebungen in der Programmierung und Werkzeuge zur Prozess- und Datenmodellierung. Der Einsatz solcher Werkzeuge erscheint auch in E-Prüfungen sinnvoll, da damit die in den Übungen erworbenen Kompetenzen in einer den Studierenden bekannten Weise abgefragt werden können. Eine Auswahl der im Studiengang Wirtschaftsinformatik verwendeten Werkzeuge soll das Spektrum der Einsatzszenarien illustrieren: • Eclipse: Entwicklungsumgebung für die Programmierung, • R-Studio: Entwicklungsumgebung für die Statistikausbildung, • SqlDeveloper: Datenbank-Client und Modellierungswerkzeug für Module im Datenbankbereich, • Signavio, Camunda: Werkzeuge für die Prozessmodellierung und -ausführung, • SAP-Client: Im Bereich Unternehmenssoftwaresysteme. Für den Einsatz solcher Werkzeuge müssen folgende Aspekte beachtet werden: • Ressourcenverbrauch (CPU, IO), auch bei einer großen Anzahl von Instanzen auf dem Virtualisierungsserver, • Übermittlung der erstellten Ergebnisse (Programme, Modelle usw.) in einer nutzerfreundlichen und sicheren Art und Weise an die Prüfer, • Unterbindung unerlaubter Zugriffe auf das Internet bei Ermöglichung notwendiger Zugriffe z. B. auf einen Lizenzserver. Versuche in dieser Richtung wurden bereits unternommen und erste Erfahrungen gesammelt. Grundsätzlich besteht hierbei das Risiko eines unbekannten Lastverhaltens. Das könnte dazu führen, dass das Gesamtsystem zu hohe Antwortzeiten produziert und damit unbenutzbar wird. Aus diesem Grund sollte der Einsatz weiterer Softwareanwendungen vorab getestet werden. Hinsichtlich der Nutzerkonten bieten sich zwei Varianten an, die aktuell beide zum Einsatz kommen: Um mit Moodle und dem SafeExamBrowser zu arbeiten, werden meistens die normalen Hochschulkonten der Studierenden benutzt. Einige Dozenten dagegen setzen speziell vorbereitete Prüfungskonten ein. Prüfungskonten sind eine sichere Möglichkeit, von Programmen gespeicherte Ergebnisse für die Prüfer bereitzustellen, da sie den Zugriff für die Studierenden nur während der Prüfung erlauben. Allerdings muss nach der Prüfung eine zeitnahe Sperrung der Konten erfolgen.

116

7.4

B. Malzahn et al.

Bewertung

Allgemeine Bewertung von E-Prüfungen aus theoretischer Perspektive Sind technische und rechtliche Rahmenbedingungen geklärt [1, 10, 13], können E-Prüfungen gegenüber papierbasierten Prüfungen vielfältige Vorteile mit sich bringen: Die Erstellung der Prüfungen kann effizienter erfolgen [14], indem mit Fragenpools gearbeitet wird und die enthaltenen Aufgaben je Semester oder auch für unterschiedliche Versionen unterschiedlich kombiniert werden [14]. Des Weiteren können unterschiedliche Fragetypen wie z. B. Freitextfragen, Bildmarkierungen sowie Zuordnungs- und Anordnungsfragen per Drag-and-drop genutzt [14] und mediale Elemente wie Ton und Bild integriert werden [1, 9, 10]. Die Verteilung der Prüfungen an die Studierenden wird erleichtert [9]. Die E-Klausur kann nach einer bestimmten Zeitspanne oder zu einem festgelegten Zeitpunkt vom System automatisch beendet werden [14]. Die Prüfungsbewertung kann effizienter durchgeführt werden [14]: Antworttexte sind unabhängig von der Handschrift leicht lesbar [1], und die Auswertung bestimmter Aufgabentypen wie Multiple Choice kann automatisch erfolgen [9, 15]. Die Verwahrung der Prüfungen nimmt fast keinen Platz in Anspruch, und der Papierverbrauch wird deutlich reduziert. Aus Sicht der Studierenden ergeben sich Vorteile, da sie Antworten ohne sichtbare Spuren beliebig oft überarbeiten können [14, 16], und auch wenn die Klausurergebnisse bedingt durch die schnellere Auswertung früher zur Verfügung stehen [14]. Forschungsergebnisse zeigen zudem, dass viele Studierende Texte generell lieber digital als per Hand verfassen. Viele empfinden das handschriftliche Verfassen von Klausuren als physisches Problem, da sie durch fehlende Gewohnheit nicht mehr in einem angemessenen Tempo leserlich mit der Hand schreiben können [16]. Es gibt aber auch Bedenken gegenüber E-Prüfungen: Der technische Kenntnisstand hinsichtlich der Bedienung der Hard- und Software der Studierenden kann unterschiedlich sein, sodass sich für einzelne Studierende Nachteile bei der Durchführung ergeben [14]. Nicht alle Fragetypen sind für E-Prüfungen geeignet. Mathematische Formeln oder Zeichnungen lassen sich ggf. einfacher auf Papier erstellen [9]. Kritiker äußern zudem die Sorge, dass sich die Art der gestellten Aufgaben an deren digitaler Auswertbarkeit orientieren könnte [14]. Des Weiteren bestehen bei einer digitalen statt einer physischen Verwahrung der Klausuren und Ergebnisse größere Bedenken hinsichtlich eines möglichen Datenverlustes [14]. Ein elektronisches System ist anderen Gefahren bezüglich Angriffen und Betrugsversuchen ausgesetzt [17]. Und schließlich ist die Einarbeitung in ein neues System immer auch mit Aufwand verbunden [14, 17]. Bewertung der technischen Infrastruktur der HTW Berlin durch Studierende, Lehrende und technische Mitarbeiter Die durchgeführte Befragung an der HTW Berlin konzentrierte sich nicht auf die Bewertung allgemeiner Vor- und Nachteile von E-Klausuren, sondern auf die Aspekte, die im

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Eine mobile Infrastruktur zur Durchführung von E-Prüfungen

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Besonderen mit der neu gestalteten Infrastruktur der HTW Berlin zur Durchführung der E-Prüfungen verbunden sind. Die Befragung von Studierenden, Lehrenden und technischen Mitarbeitern wurde zum Ende des Vorlesungszeitraums des Wintersemesters 2018/2019 durchgeführt. In diesem Prüfungszeitraum wurde die Infrastruktur für zwei Tage im Audimax aufgebaut. Insgesamt fanden elf Prüfungen von neun Lehrenden in diesem Zeitraum statt. 97 Studierende nahmen an der Befragung teil, 96 Fragebögen wurden vollständig ausgefüllt. Die Befragung der Studierenden wurde im Rahmen von drei ausgewählten E-Klausuren aus den Studiengängen Wirtschaft und Politik (16 Studierende), Betriebswirtschaftslehre (39 Studierende) und Wirtschaftsinformatik (41 Studierende) durchgeführt. Sie erfolgte auf freiwilliger Basis direkt im Anschluss an die Prüfung über einen Onlinefragebogen. Allen Lehrenden, die eine E-Klausur durchgeführt hatten, wurde nach der Prüfung der Link zu einem Onlinefragebogen per E-Mail zugeschickt. Sechs Lehrende nahmen an der Befragung teil. Die Fragen, in denen Einschätzungen vorzunehmen waren, wurden auf einer dreistufigen Skala (1 stimme nicht zu – 2 teils, teils – 3 stimme zu) gemessen. Zudem gab es am Ende der Fragebögen die Möglichkeit, Anmerkungen in einem Freitextfeld einzugeben. Sicht der Studierenden Für 68 Studierende (71 Prozent) war es die erste Prüfung, die sie auf der neuen Infrastruktur absolvierten (vgl. Abb. 7.6). Die Ergebnisse zeigen insgesamt ein positives Bild, das die Studierenden von der neuen Infrastruktur haben. Die angegebenen Mittelwerte beziehen sich auf die verwendete dreistufige Skala (1 stimme nicht zu – 2 teils, teils – 3 stimme zu). Abb. 7.6 Erfahrung der Studierenden mit der Infrastruktur

War dies die erste E-Prüfung, die Sie auf der neuen Infrasrtuktur der HTW absolviert haben? 80 70

68

Anzahl Studier ender

60 50 40 28

30 20 10 0 ja

nein

118 Abb. 7.7 E-Prüfungen auf Infrastruktur in Zukunft (Studierende)

B. Malzahn et al.

In Zukunft möchte ich Prüfungen an der HTW lieber als E-Prüfung auf der neuen Infrastruktur absolvieren als auf Papier. 56

60 50

Anzahl Studier ender

40 28

30 20

12

10 0 1 Stimme nicht zu

2 Teils, teils

3 Stimme zu

Die Frage, ob der Aufbau der Infrastruktur ein komfortables Arbeiten ermögliche, wurde mehrheitlich bejaht (Mittelwert 2,69). In den Anmerkungen kritisieren jedoch einige Studierende einen zu geringen Abstand zum Bildschirm bzw. den geringen verfügbaren Platz auf dem Tisch. Die Anmeldung am Prüfungsrechner hat mehrheitlich geklappt (Mittelwert 2,68). Auch die Hardware hat bei den meisten einwandfrei funktioniert (Mittelwert 2,60). In allen evaluierten Prüfungen wurde als Software ein Moodle-Test in Verbindung mit dem Safe-Exam-Browser verwendet. Die verwendete Software war für die Studierenden größtenteils klar und verständlich (Mittelwert 2,75) und hat einwandfrei funktioniert (2,63). Bei der Klausur im Studiengang Wirtschaftsinformatik bemängelten jedoch zehn Studierende in den Anmerkungen Performanceprobleme. Die Mehrheit der Studierenden schätzt das Absolvieren von E-Klausuren auf der neuen Infrastruktur als einfach durchführbar ein (Mittelwert 2,77). Hierbei ist hervorzuheben, dass es für die Mehrheit der Befragten die erste Prüfung war, die sie auf der neuen Infrastruktur absolvierten, und somit noch wenig Erfahrung mit der Infrastruktur bestand. Wie Abb. 7.7 zeigt, möchten 56 Studierende bzw. 58,3 Prozent der befragten Studierenden in Zukunft lieber Prüfungen auf der neuen Infrastruktur absolvieren als in Papierform (Mittelwert 2,46). Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Studierenden mit dem neuen Angebot mehrheitlich zufrieden sind. Der größte Kritikpunkt waren die Performanceprobleme im Rahmen einer der durchgeführten Klausuren. Diese sollten behoben werden. Aus Sicht einiger Studierender wäre zudem mehr Platz je Arbeitsplatz aus Komfortgründen wünschenswert. Etwas mehr als die Hälfte der Studierenden bevorzugt E-Klausuren auf der neuen Infrastruktur gegenüber Papierklausuren. Den Studierenden, die hier nur teilweise (29,2 Prozent) oder nicht (12,5 Prozent) zustimmen, muss jedoch Beachtung geschenkt werden. Es sollte in der Zukunft an der HTW Berlin evaluiert werden, welche Gründe aus

7

Eine mobile Infrastruktur zur Durchführung von E-Prüfungen

119

Sicht der Studierenden (noch) für Papierklausuren sprechen, um diesbezüglich das Angebot ggf. verbessern zu können.1 Sicht der Lehrenden Zwei der sechs befragten Lehrenden nutzten zum ersten Mal die neue Infrastruktur zum Angebot einer E-Prüfung. Fünf Befragte hatten bereits E-Prüfungen bei Verwendung einer anderen Infrastruktur (z. B. im Computerlabor) durchgeführt. Die Hälfte der Befragten hat in der Vergangenheit eine Schulung zum Thema E-Klausuren besucht. Im Durchschnitt bieten die Befragten seit 3,8 Jahren Lehrveranstaltungen an der HTW an. Die angegebenen Werte der weiteren Ergebnisse beziehen sich auf die verwendete dreistufige Skala (1 stimme nicht zu – 2 teils, teils – 3 stimme zu). Die Hälfte der Lehrenden ist mit der zeitlichen Verfügbarkeit der Infrastruktur zufrieden, die anderen nur teilweise (Mittelwert 2,50). Für fünf der Lehrenden ist die höhere Anzahl an Arbeitsplätzen im Vergleich zum Computerlabor ein Grund, die neue Infrastruktur zu nutzen. Zwei Drittel der Befragten ist mit der Anzahl der verfügbaren Arbeitsplätze zufrieden (Mittelwert 2,67). In den Anmerkungen gibt ein Lehrender an, dass das Angebot auf 120 Plätze erweitert werden sollte; ein anderer beklagt Performanceprobleme bei Gruppen von mehr als 50 Teilnehmern, die behoben werden sollten. Alle Befragten sind mit dem technischen Support zur Vorbereitung und Durchführung der E-Klausuren zufrieden (Mittelwert 3,0). Alle Lehrenden schätzen den Aufbau der Infrastruktur im Prüfungsraum so ein, dass Prüfungen komfortabel durchgeführt werden können (Mittelwert 3,0). Ein Lehrender regt jedoch an, zusätzlich Sichtschutzschirme zwischen den Arbeitsplätzen zu installieren und mehr Platz zwischen den Arbeitsplätzen zu schaffen. Fünf Lehrende geben an, dass auf der Infrastruktur die von ihnen gewünschte Software genutzt werden kann (Mittelwert 2,83). Jedoch hat die Software nur bei der Hälfte der Befragten einwandfrei funktioniert, in den anderen Fällen teilweise (Mittelwert 2,50). Ein Lehrender beklagt in den Anmerkungen Performanceprobleme. Fünf Befragte meinen, dass die Durchführung einer E-Prüfung auf der neuen Infrastruktur einfach durchführbar ist (Mittelwert 2,83). Abb. 7.8 zeigt auf, dass fünf der sechs Lehrenden in Zukunft lieber E-Prüfungen auf der neuen Infrastruktur anstatt Papierklausuren anbieten möchten (Mittelwert 2,83). Insgesamt kann festgestellt werden, dass auch die befragten Lehrenden mehrheitlich mit dem neuen Angebot zufrieden sind. Ein Kritikpunkt sind auch hier Performanceprobleme. Zudem wird angeregt, die Anzahl der angebotenen Arbeitsplätze noch zu erweitern. Der

Zu diesem Aspekt liefert der Beitrag „Chancen und Herausforderungen von E-Assessments im Anwendungskontext“ von Jeremias und Sellmer in diesem Herausgeberband weitergehende Hinweise. 1

120

B. Malzahn et al.

Abb. 7.8 E-Prüfungen auf Infrastruktur in Zukunft (Lehrende)

In Zukunft möchte ich Prüfungen an der HTW lieber als E-Prüfung auf der neuen Infrastruktur durchführen als auf Papier. 6 5 5 4 3 2 1 1 0

0 1 Stimme nicht zu

2 Teils, teils

3 Stimme zu

Anzahl Studier ender

Anteil der Lehrenden, die in Zukunft lieber E-Prüfungen auf der neuen Infrastruktur anstatt Papierklausuren durchführen wollen, ist mit 83 Prozent hoch. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass die Anzahl der befragten Lehrenden gering war und auch nur Lehrende befragt wurden, die sich bereits für die Durchführung einer E-Klausur auf der neuen Infrastruktur entschieden hatten. Eine Verallgemeinerung der Ergebnisse kann aus diesem Grund nicht erfolgen. Sicht der technischen Mitarbeiter Abschließend wurden auch die beiden zuständigen technischen Mitarbeiter in einem kurzen Fragebogen um ihre Einschätzung der neuen technischen Infrastruktur gebeten. Die technischen Mitarbeiter sehen in einigen Punkten noch Verbesserungspotenzial: Die zeitliche Verfügbarkeit der Infrastruktur sollte aus ihrer Sicht verbessert werden. Die Notwendigkeit, die Anzahl der verfügbaren Arbeitsplätze zu erhöhen, sehen sie nur teilweise. Der Aufbau der Infrastruktur im Prüfungsraum sollte noch teilweise verbessert werden. Das Angebot der Software, die zur Durchführung von Prüfungen auf der Infrastruktur genutzt werden kann, sollte auch noch teilweise ausgeweitet werden. Und schließlich waren sich beide einig, dass die Performance des Systems noch verbessert werden sollte. Diese Ergebnisse sind aufgrund der geringen Anzahl der Befragten nicht verallgemeinerbar. Sie ergänzen jedoch die Ergebnisse, die aus der Befragung der Studierenden und Lehrenden gewonnen wurden.

7

Eine mobile Infrastruktur zur Durchführung von E-Prüfungen

7.5

121

Fazit und Ausblick

Vorteile bietet die entwickelte Infrastruktur gegenüber anderen Lösungen durch preiswerte und stabile Endgeräte, durch die einfache Skalierbarkeit sowie durch eine zentrale Administration der (virtuellen) Clients auf einem Server. Einen großen Schwachpunkt stellt dar, dass die Lösung zurzeit auf einem einzelnen Virtualisierungsserver basiert. Der Ausfall dieses Servers führt zum Abbruch der entsprechenden Prüfung. In Zukunft sollte deshalb ein zweiter Virtualisierungsserver zur Verfügung gestellt werden. Zur Lastverteilung sollten beide Server parallel laufen. Stürzt ein Server ab, muss ein Umzug der Clients auf den anderen Server erfolgen. Um das Lastverhalten von einzusetzenden Softwareanwendungen besser untersuchen zu können, ist der Aufbau eines Testrahmens wünschenswert, mit dem Lasttests durchgeführt werden können, ohne die Endgeräte aufzubauen. Die Infrastruktur könnte auf ein kommerzielles Produkt wie VMware oder VMware-Horizon umgestellt werden. Die Endgeräte wären damit nicht mehr an einen dedizierten Server gebunden, sondern könnten dynamisch auf Server zugreifen. Bei Ausfall wäre dann eine automatische Migration auf einen anderen Server möglich. Langfristig denkbar wäre auch die Nutzung eines kommerziellen Clouddienstes. Die konzipierte Infrastruktur hat sich bereits in ca. 20 durchgeführten Prüfungen bewährt. Durch die neue Infrastruktur wurden E-Klausuren in Größenordnungen ermöglicht, die sonst nicht realisierbar gewesen wären. Die durchgeführte Befragung zeigt, dass Lehrende und Studierende, die die Infrastruktur genutzt haben, mit dem Angebot mehrheitlich zufrieden sind. Sollte der Bedarf an E-Klausuren zunehmen, kann der Verfügbarkeitszeitraum zukünftig erweitert werden. Die relativ geringe Betriebszugehörigkeit der befragten Lehrenden lässt darauf schließen, dass vor allem neu eingestellte Professorinnen und Professoren E-Klausuren einsetzen werden. Auch ist bei einer stärkeren Bekanntheit der Lösung an der Hochschule eine Zunahme der Nachfrage durch Lehrende zu erwarten.

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B. Malzahn et al.

7. Kofler M, Spenneberg R (2012) KVM für die Server-Virtualisierung: von Konfiguration und Administration bis Clustering und Cloud. Open source library. Addison-Wesley, München 8. Chirammal HD, Vettathu A, Mukhedkar P (2016) Mastering KVM virtualization: dive in to the cutting edge techniques of Linux KVM virtualization, and build the virtualization solutions your datacentre demands. In: Community experience distilled. Packt Publishing, Birmingham 9. Krüger M, Schmees M (Hrsg) (2013) E-Assessments in der Hochschullehre: Einführung, Positionen & Einsatzbeispiele, Psychologie und Gesellschaft, Band 13. Peter Lang GmbH, Internationaler Verlag der Wissenschaften, Frankfurt am Main 10. Berkemeier M, Bilo A, Fischer Y, Fortmann LM, Frommer A, Graf-Schlattmann M, Gollan H, Hahne N, Huth D, Kamin A-M, Keller AM, Kirberg S, Pahlke-Kullik K, Stegemerten B, Temps TT, van Ackeren I, Wilde M, Wrenger B (2017) E-Assessments in der Hochschulpraxis. Empfehlungen zur Verankerung von E-Assessments in NRW. https://www.eassessmentnrw.de/ fileadmin/eassessmentnrw/pdf/E-Assessment_in_der_Hochschulpraxis.pdf. Zugegriffen am 12.02.2019 11. Moodle (2019) moodle. https://moodle.org/. Zugegriffen am 14.02.2019 12. ETH Zürich (2019) Safe exam browser. https://www.safeexambrowser.org. Zugegriffen am 14.02.2019 13. Wolf KD (2007) E-Assessment an Hochschulen: Organisatorische und rechtliche Rahmenbedingungen. In: Brahm T, Seufert S (Hrsg) „Ne(x)t generation learning“: E-Assessment und E-Portfolio: halten sie, was sie versprechen? Themenreihe II zur Workshop-Serie. SCIL Swiss Centre for Innovations in Learning c/o Universität St. Gallen, St. Gallen, S 27–40 14. Vogt M, Schneider S (2009) E-Klausuren an Hochschulen. Didaktik, Technik, Systeme, Recht, Praxis. http://geb.uni-giessen.de/geb/volltexte/2009/6890/pdf/VogtMichael-2009-02-20.pdf. Zugegriffen am 12.02.2019 15. Llamas-Nistal M, Fernández-Iglesias MJ, González-Tato J, Mikic-Fonte FA (2013) Blended E-assessment: migrating classical exams to the digital world. Comput Educ 62:72–87 16. Ollermann F, Schneider-Wiejowski K, Loer K (2012) Handgeschriebene vs. elektronisch verfasste Studierenden-Essays – ein Bericht aus der Praxis. In: Csanyi GS, Reichl F, Steiner A (Hrsg) Digitale Medien – Werkzeuge für exzellente Forschung und Lehre. Waxmann, Münster, S 223–231 17. Riedel J, Berthold S, Möbius K (2017) Mehr Feedback für bessere Lehre. Möglichkeiten des E-Assessments. http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:14-qucosa-231726. Zugegriffen am 12.02.2019

8

Chancen und Herausforderungen von E-Assessments im Anwendungskontext Xenia V. Jeremias und Birgit Sellmer

Zusammenfassung

In diesem Kapitel werden Einsatzszenarien von E-Assessments sowie Evaluationsergebnisse zu E-Prüfungen dargestellt. Studierende und Lehrende wurden seit dem Sommersemester 2017 mit einem kurzen Fragebogen zu Vor- und Nachteilen von E-Prüfungen befragt. Von den Ergebnissen der Lehrendenbefragung wird zu dem Mehrwert von E-Assessments in der Lehre übergeleitet. Abschließend werden notwendige Ressourcen und Prozesse erläutert und es wird ein Fazit zu den Chancen und Herausforderungen von E-Assessment gezogen. Schlüsselwörter

Diagnostische · formative und summative E-Assessments · Einsatzszenarien · Evaluation · Studierendensicht · Mehrwert für die Lehre · Ressourcen · Prozesse

8.1

Einleitung

Im Zuge der zunehmenden gesellschaftlichen Digitalisierung nehmen an Hochschulen seit einigen Jahren auch elektronische Lehr- und Prüfungsformen zu (vgl. [1, S. 7]). An der TH Wildau wurde 2012 im Rahmen des Qualitätspaktprojekts „SOS – Strukturierung und Optimierung des Selbststudiums“1 – zunächst mithilfe elektronischer Selbsttests – mit dem Aufbau eines E-Assessmentangebots begonnen. Im Laufe der vergangenen Jahre wurde an 1

Gefördert vom BMBF unter dem Förderkennzeichen 01PL11042 (01.10.2011 bis 30.09.2016).

X. V. Jeremias (*) · B. Sellmer Technische Hochschule Wildau, Wildau, Deutschland E-Mail: [email protected]; [email protected] # Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 T. Barton et al. (Hrsg.), Hochschulen in Zeiten der Digitalisierung, Angewandte Wirtschaftsinformatik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26618-9_8

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124

X. V. Jeremias und B. Sellmer

der Hochschule ein vielfältiger Einsatz von E-Assessments gefördert, der durch den EAssessment-Service des Folgeprojekts „SOS – TEAM. Strukturierung und Optimierung des Selbststudiums. Tutoring, E-Assessment, Mathematik“2 begleitet wird. Da auch die Nachfrage nach elektronischen Prüfungen angestiegen ist, wurden im Sommersemester 2017, im Wintersemester 2017/18 und im Sommersemester 2018 Studierende und Lehrende zu ihrer Einschätzung von E-Prüfungen befragt. Obwohl E-Assessments im Zuge der Digitalisierung als zeitgemäß anzusehen sind, kann nicht automatisch eine positive Einschätzung aller Beteiligten angenommen werden. Zugleich stellt das Feedback der direkt Betroffenen eine wertvolle Ressource für ggf. nötige Anpassungen dar. Neben den Chancen, die E-Assessments für die Modernisierung der Lehre und der Prüfungsgestaltung bieten, stellen sie auch neue Herausforderungen an Lehrende und unterstützende Einrichtungen. Diese beziehen sich nicht nur auf die technische und organisatorische Seite (vgl. [2, S. 3 ff.]), sondern auch auf prüfungsdidaktische (vgl. [3, S. 108]) und juristische (vgl. [4]) Anforderungen. Hochschulprozesse müssen entsprechend angepasst werden, Test- und Prüfungsfragen umgestaltet werden. In diesem Artikel werden zunächst die Einsatzszenarien von E-Assessments an der TH Wildau umrissen. Kern des Artikels bildet die Darstellung der Evaluationsergebnisse zu E-Prüfungen. Aus beiden Punkten lassen sich Chancen und Herausforderungen von E-Assessments weiter präzisieren. So werden abschließend der Mehrwert von E-Assessments für die Lehre und die dafür erforderlichen Prozesse und Ressourcen erörtert, wobei die Sichtweisen von Lehrenden, Studierenden und Organisationseinheiten sowie des E-Assessmentservices einfließen werden. In diesem Herausgeberband findet sich ergänzend der Beitrag „Eine mobile Infrastruktur zur Durchführung von E-Prüfungen“ von Malzahn, Groß und Claßen, der eine an der HTW Berlin entwickelte technische Infrastruktur für E-Prüfungen vorstellt.

8.2

Einsatzszenarien

Der Begriff „E-Assessment“ wird an der TH Wildau in einem breiteren Verständnis verwendet, nicht nur als prüfungsrechtlich relevanter Test, sondern für alle elektronischen Formen von (Selbst-)Tests (diagnostisch oder formativ) und Prüfungen (summativ) (vgl. [5, S. 12]). Dadurch entwickelte sich ein steigender Einsatz von E-Assessments in vielfältigen Anwendungsszenarien, die dem Student Life Cycle – wie in Abb. 8.1 dargestellt – zugeordnet werden können. Ähnlich wie Schulmeister (vgl. [6]) schon 2007 postuliert hat, orientiert sich die TH Wildau im Student Life Cycle an den Phasen im akademischen Bildungsverlauf.

2

Gefördert vom BMBF unter dem Förderkennzeichen 01PL16042 (01.10.2016 bis 31.12.2020).

8

Chancen und Herausforderungen von E-Assessments im Anwendungskontext

125

Abb. 8.1 E-Assessments im Student Life Cycle

In der Phase vor Beginn eines Studiums werden diagnostische E-Assessments eingesetzt. Beispielsweise stehen Studieninteressierten Orientierungstests zur Verfügung, um ihre Fachkenntnisse und ggf. einen Bedarf für den Besuch eines Vorkurses einschätzen zu können. Entsprechende Empfehlungen sind in das Testfeedback integriert. Teilnehmende an Vorbereitungskursen können durch Einstufungstests ihrem Vorkenntnisstand entsprechend eingeteilt werden. Auch zu Beginn des Studiums können durch diagnostische Tests im Feedback gezielte Lernangebote unterbreitet werden. An der TH Wildau wird dies vor allem im Fach Mathematik erfolgreich genutzt, um Studierende, die Schwierigkeiten mit Mathematik haben, so früh wie möglich in passende Unterstützungsangebote weiterzuleiten. Im Verlauf des Semesters ermöglichen formative E-Assessments eine Rückmeldung zum aktuellen Kenntnisstand und können in der Lehre gezielt genutzt werden, um an den Lernstand der Studierenden anzuknüpfen und individuelle Lernwege zu ermöglichen. Dabei muss zwischen einem prüfungsrelevanten und einem nichtprüfungsrelevanten Einsatz unterschieden werden: Prüfungsrelevante Zwischentests können eingesetzt werden, um Studierende zu kontinuierlichem Lernen während des Semesters zu motivieren, aber auch um Prüfungsteilleistungen in die Semesterarbeit einzubetten. Bei nichtprüfungsrelevanten E-Assessments (Selbsttests) sind ein differenziertes Feedback (vgl. [7, S. 151]) sowie ein

126

X. V. Jeremias und B. Sellmer

enge Verzahnung mit der Präsenzlehre für den Lernprozess besonders wichtig. Für den Einsatz von elektronischen Selbsttests (sowohl diagnostisch als auch formativ, nichtprüfungsrelevant) spricht, dass sie den Mediengewohnheiten der meisten Studierenden entsprechen, wodurch sie als Motivationsinstrument dienen können (vgl. [8, S. 41]). In einer steigenden Zahl von Modulen an der TH Wildau wird die Leistung der Studierenden bzw. Prüfungsteilnehmenden am Semesterende mittels summativer E-Assessments abschließend geprüft. Solche E-Klausuren können aus offenen und geschlossenen Fragen bestehen und bei Bedarf eine externe Software integrieren. Sie können als Einzelleistung konzipiert sein oder mit weiteren Teilleistungen (online wie offline) kombiniert werden. E-Prüfungen werden an der TH Wildau mit der lizenzpflichtigen Software Questionmark® Perception in Kombination mit einem Secure Browser durchgeführt. Die Prüfungen finden in Computerlaboren an fest installierten Desktop-PCs statt, die für die Prüfungen entsprechend eingerichtet werden. Ein/e Mitarbeiter/in des E-Assessmentservices ist jeweils in den Computerräumen anwesend, um bei Bedarf Support leisten zu können. Mit der Bewerbungsphase für ein Masterstudium beginnt der Cycle von neuem. An der TH Wildau werden auch im Masterstudium elektronische Selbsttests und Klausuren eingesetzt. Im Unterschied zum Bachelorstudium gibt es hier allerdings keine Vorkurse, da von Bachelorabsolventinnen und -absolventen erwartet werden kann, dass sie bestehende Lücken, die durch das Assessmentfeedback deutlich werden, selbstständig schließen können.

8.3

Ergebnisse einer Evaluation von E-Assessments

Ziel der Evaluation war es, eine Rückmeldung von Studierenden und Lehrenden zu den an der Hochschule noch vergleichsweise neuen elektronischen Prüfungen zu erhalten. Der E-Assessmentservice des Projekts „SOS – TEAM“ wollte damit zum einen ein Feedback auf die eingerichtete Prüfungsumgebung und die vorbereitenden Hinweise und Angebote erhalten und zum anderen die grundsätzliche Einstellung zu elektronischen Prüfungen erheben. Prüfungsrelevante E-Assessments sind dabei aus verschiedenen Gründen besonders relevant für die Studierenden: einerseits wegen der Leistungserfassung und andererseits da sie – im Gegensatz zu Selbsttests – obligatorisch sind. Die Erfahrungen der Studierenden sind daher in diesem Zusammenhang nicht zu vernachlässigen. Die Befragung bietet beispielsweise die Möglichkeit, „Kinderkrankheiten“ des Prüfungssystems zu erkennen und zu beheben. Zugleich kann auch ggf. Optimierungsbedarf bei der Organisation des Prüfungsgeschehens und der Information zu den neuen Rahmenbedingungen erkannt werden.3 Zu den theoretischen Hintergründen liefert der Beitrag „Eine mobile Infrastruktur zur Durchführung von E-Prüfungen“ von Malzahn, Groß und Claßen in diesem Herausgeberband weitergehende Hinweise. 3

8

Chancen und Herausforderungen von E-Assessments im Anwendungskontext

127

Tab. 8.1: Teilnehmende der Studierendenbefragung nach Semestern Semester Sommer 2017

Anzahl Befragte 213

Winter 2017/18

170

Sommer 2018 gesamt

110 493

aus den Studiengängen Biosystemtechnik/Bioinformatik (B), Europäisches Management (B), Wirtschaftsinformatik (B), Betriebswirtschaft (B, berufsbegleitend), Business Management (M) Europäisches Management (B), Betriebswirtschaft (B), Wirtschaftsinformatik (M) Wirtschaft und Recht (B), Betriebswirtschaft (B)

Die Befragung der Studierenden wurde mittels Papierfragebogen (sechs geschlossene und eine offene Frage) im Anschluss an die jeweiligen Prüfungen durchgeführt. Der Medienbruch war dabei beabsichtigt, um den Studierenden auch auf diesem Wege zu verdeutlichen, dass die Angaben bei der Evaluation auf keinen Fall in Zusammenhang mit den Prüfungsergebnissen gesehen und interpretiert werden. Insgesamt nahmen an der Befragung 493 Studierende teil. Die genaue Aufteilung auf die Semester und die Studiengänge ist Tab. 8.1 zu entnehmen. Auch bei gleichen Studiengängen handelt es sich nicht um eine Wiederholungsbefragung der gleichen Studiengruppen. Bei den befragten Lehrenden ist eine positive Haltung zu E-Assessments zu erwarten, da die Lehrenden bei Klausuren die Wahl haben, wie sie diese umsetzen. Wer eine eher ablehnende Haltung gegenüber digitalen Lern- und Prüfungsformen hat, wird sich tendenziell nicht dafür entscheiden. Trotzdem ist es auch hier sinnvoll, die Handhabbarkeit des Prüfungssystems sowie die Unterstützungsangebote zu evaluieren. Auch die Befragung der Lehrenden wurde mithilfe eines Papierfragebogens, der ähnlich wie bei den Studierenden aufgebaut war, durchgeführt. Neun ausgefüllte Bögen lagen zur Auswertung vor, wobei überwiegend Lehrkräfte aus dem Fachbereich „Wirtschaft, Informatik, Recht“ an der Evaluation teilnahmen. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass dieser Fachbereich insgesamt stärker unter den E-Assessmentnutzenden vertreten ist.

8.3.1

Evaluationsergebnisse Studierende

Grundsätzlich kann gesagt werden, dass sich der Mehrwert von E-Assessments in den Befragungsergebnissen widerspiegelt: Studierende bewerten E-Prüfungen überwiegend positiv. Abb. 8.2 zeigt, dass im Sommersemester 2017 E-Prüfungen von 40 % der Befragten besser bewertet wurden als Papierprüfungen. Nur knapp ein Viertel der Befragten fand Papierprüfungen besser. Im Wintersemester 2017/18 bevorzugte jeweils circa ein Viertel der Befragten E-Prüfungen bzw. Papierprüfungen. Knapp die Hälfte der Befragten fand beide Prüfungsformen gleich gut. Im Sommersemester 2018 gaben ein Viertel E-Prüfungen und knapp 20 % Papierprüfungen den Vorzug. Fast 60 % bewerteten beide Prüfungsformen als gleich gut.

128

X. V. Jeremias und B. Sellmer

Abb. 8.2 Bevorzugte Prüfungsform der Studierenden

In allen Semestern bewertete ein nicht unerheblicher Anteil der Studierenden beide Prüfungsformen als gleich gut. Diese Aussage wurde häufig ergänzt durch den Zusatz, dass es auf die Art der Prüfung bzw. der Fragen ankomme, welche Prüfungsform angemessen sei, was auf eine differenzierte Reflexion der Lernumgebung vonseiten der Studierenden hinweist. Studierende aus Informatikstudiengängen bevorzugten E-Prüfungen im Durchschnitt stärker als andere Studiengruppen. Diese Studiengruppen waren bei der Befragung im Sommersemester 2017 stärker vertreten als in den beiden anderen Semestern. Die Gründe für die Bevorzugung von Papierprüfungen sind in Abb. 8.3 zu sehen. Als Argumente wurden überwiegend negativ empfundene Aspekte von E-Prüfungen genannt, vor allem die Einschränkung durch Multiple-Choice-Fragen. Im Detail wurde angemerkt, dass Multiple-Choice-Fragen nicht flexibel seien, keine Begründungen und Skizzen zuließen sowie oft nur auswendig Gelerntes abfragten, wodurch kein breites Spektrum an Wissen gezeigt werden könne. Hierzu kann angemerkt werden, dass MC-Fragen zwar gerne eingesetzt werden, weil sie leicht zu erstellen sind und durch die automatische Korrektur eine Arbeitserleichterung bieten, E-Prüfungen aber keineswegs auf MC-Fragen beschränkt sind. Die an der TH Wildau eingesetzte E-Assessmentsoftware bietet eine große Auswahl an Fragetypen, die teilweise wesentlich mehr Spielraum bei der Beantwortung lassen als MC-Fragen. Die Auswahl der Fragentypen erfolgt bei der Erstellung der Prüfung und liegt damit in der Hand der Lehrenden. Außerdem können auch MC-Fragen so gestaltet werden, dass sie komplexe Zusammenhänge abprüfen und damit weit über die Abfrage isolierter Fakten hinausgehen. Zu den Möglichkeiten der E-Assessmentsoftware und zur didaktisch sinnvollen Gestaltung von E-Prüfungen können alle Lehrenden der TH Wildau Beratungen und Schulungen in Anspruch nehmen. Des Weiteren beklagten einige Studierende die für Prüfungen ungewohnte Sitzhaltung vor einem Computermonitor und empfanden die Lautstärke im Computerlabor als zu hoch,

8

Chancen und Herausforderungen von E-Assessments im Anwendungskontext

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Abb. 8.3 Gründe für die Bevorzugung von Papierprüfungen

wodurch Schwierigkeiten bei der Konzentration entstünden. Für die größeren Computerlabore hat der E-Assessmentservice daraufhin die Beschaffung leiserer Tastaturen veranlasst. Gleichwohl ist die Lautstärke in den Computerräumen, besonders bei Prüfungen, in denen viel Freitext verfasst werden muss, nach wie vor höher als bei Prüfungen, die auf Papier geschrieben werden. An dritter Stelle wurden Unsicherheiten bezüglich der Technik genannt und teilweise mit fehlendem Vertrauen in das System begründet. Es ist zu vermuten, dass der Stellenwert dieses Arguments geringer wird, je häufiger E-Prüfungen problemlos durchgeführt werden. In den seit 2014 durchgeführten E-Prüfungen gab es bislang nur sehr wenige Fälle, in denen einzelne Studierende an einen anderen Rechner umgesetzt werden mussten. Das System an sich läuft stabil; Ausfälle sind nur in Einzelfällen aufgetreten. Nichtsdestotrotz ist die Verwendung von Computern bei der Prüfungsdurchführung im Moment (noch) ungewohnt. Das Argument, bei Papierprüfungen habe der/die Lehrende einen größeren Spielraum für die Interpretation (und damit Bewertung) der Aufgaben, ist nur bedingt zutreffend. Insbesondere bei Freitextaufgaben ist der Spielraum bei der Korrektur bei beiden Prüfungsformen gleich. Auch bei allen anderen Fragetypen innerhalb einer E-Prüfung ist eine manuelle Nachkontrolle der Bewertungen möglich. Hier fehlen den Studierenden vermutlich noch Informationen über den Korrekturprozess bzw. es sollte auf eine größere Fragenvielfalt bei der Erstellung der elektronischen Klausuren geachtet werden. Die Vorteile von E-Prüfungen aus Sicht der Studierenden sind in Abb. 8.4 dargestellt. Es überrascht nicht, dass mit großem Abstand das Argument des schnelleren und angenehmeren Schreibens (mittels Tastatur und nicht mit der Hand) angeführt wird. Zudem

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X. V. Jeremias und B. Sellmer

Abb. 8.4 Gründe für die Bevorzugung von E-Prüfungen

schätzen die befragten Studierenden an E-Prüfungen die schnellere Bekanntgabe der Ergebnisse und das Papiersparen. MC-Fragen würden zudem einen geringeren Aufwand bedeuten, weil nicht viel zu schreiben sei und raten möglich würde. Einschränkend ist hierzu zu bemerken, dass sowohl der Einfluss der MC-Fragen als auch die schnellere Veröffentlichung der Ergebnisse von der Prüfungsgestaltung abhängen. Gestaltet der/die Lehrende für die Prüfung nichtautomatisch auswertbare Aufgaben, kann das Ergebnis erst nach Abschluss der manuellen Korrektur bekannt gegeben werden. Gleichwohl beschleunigt es die Auswertung, wenn eine Kombination von Fragetypen verwendet wird und die Freitextantworten besser lesbar sind (vgl. [9, S. 35 ff.]). Eine Kombination von Fragetypen ist auch empfehlenswert, um den Effekt des Erratens richtiger Antworten zu minimieren. Interessant ist, dass hier – ebenso wie zuvor bei den Papierprüfungen – als Argument angeführt wird, dass diese Prüfungsform übersichtlicher sei. Zu vermuten ist, dass diese Einschätzung von den jeweiligen Mediengewohnheiten sowie von der Gestaltung der Prüfung durch den/die Lehrende/n abhängt. Im Zuge der Digitalisierung ist zu erwarten, dass die Vertrautheit mit elektronischen Medien weiter zunimmt, sodass sich die Gewohnheiten entsprechend ändern werden. Die Auswertung der geschlossenen Fragen von den Studierenden ist in Abb. 8.5 dargestellt. Es zeigt sich, dass fast alle befragten Studierenden problemlos mit der Software umgehen konnten und die Einführung zu Beginn der Prüfung hilfreich fanden. Hilfreich fand die Mehrheit der befragten Studierenden auch die Dummy- bzw. Probeklausur sowie die Informationen für Studierende auf der Website; allerdings war beides einem großen Teil der Befragten nicht bekannt. Als Schlussfolgerung daraus sollten der E-Assessmentservice und die Lehrenden in Zukunft mehr Wert darauf legen, dass die Informa-

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Chancen und Herausforderungen von E-Assessments im Anwendungskontext

131

Abb. 8.5 Allgemeine Einschätzung zu Technik und Raum

tion über die Dummyklausur und die Hinweise auf der Website die Studierenden tatsächlich erreichen. Die Computerarbeitsplätze wurden überwiegend als geeignet eingeschätzt. Unsicherheiten bezüglich der Funktionsfähigkeit der Technik bestanden nur bei einer Minderheit. Beide Aussagen korrespondieren mit den oben aufgeführten Argumenten für und gegen E-Prüfungen.

8.3.2

Evaluationsergebnisse Lehrende

Die Sichtweise der befragten Lehrenden wird in Abb. 8.6 gezeigt. Positiv für den E-Assessmentservice ist, dass die beiden Bereiche, in denen direkter Kontakt zu den Lehrenden besteht (Einweisung und Beratung), ausgesprochen gut bewertet werden. Auch das E-Assessmentsystem insgesamt wird bezüglich Umsetzungsmöglichkeiten, Sicherheit und der Auswertung positiv eingeschätzt. Lediglich am Bekanntheitsgrad der Website www.th-wildau.de/eassessment, auf der ein Leitfaden zur didaktisch guten Gestaltung von Klausurfragen und weitere Hinweise zur Umsetzung einer elektronischen Prüfung gesammelt sind, muss gearbeitet werden. Im Freitextbereich des Fragebogens wurden bessere Formatierungsmöglichkeiten in der Auswertungsdatei und ein einfacherer Import/Export z. B. zu MS Office oder nach Moodle gewünscht. Außerdem wurde angemerkt, dass ein „Plan B“ für den Fall von

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X. V. Jeremias und B. Sellmer

Abb. 8.6 Technik und Support aus Sicht der Lehrenden

Computerausfällen wünschenswert wäre, wobei ein solcher vorhanden ist. Da das E-Prüfungssystem automatisch jede Minute die eingegebenen Antworten zwischenspeichert, können Studierende, deren Rechner während der Prüfung plötzlich nicht mehr funktionsfähig ist, einfach an einen anderen Rechner umgesetzt werden und dort die Prüfung fortsetzen. Für die betroffenen Prüflinge verlängert sich die Prüfungszeit um die für den Computerwechsel benötigte Zeit. Zu beachten ist aufseiten des E-Assessmentservices, dass in jedem Prüfungsraum ein bis zwei Rechner für solche Notfälle frei bleiben, damit diese Zeit so kurz wie möglich gehalten werden kann. Für eine künftige Evaluation wäre es interessant, die Lehrenden zu befragen, die noch kein E-Assessment durchführen, um zu erfahren, unter welchen Bedingungen sie sich dies vorstellen könnten. Beispielsweise könnten sowohl die Zuverlässigkeit der Technik als auch die Möglichkeiten zur Gestaltung der Prüfungsfragen Hinderungsgründe sein. Auch die Anforderungen an den Support könnten konkretisiert werden.

8.3.3

Fazit der Evaluation

E-Assessments haben sich in den vergangenen Jahren von einem versuchsweisen Zusatzangebot („Nice-to-have“) zu einem festen Bestandteil der Hochschullehre („Must-have“) entwickelt. Sie können unabhängig von der Größe der (Fach-)Hochschule als zeitgemäß

8

Chancen und Herausforderungen von E-Assessments im Anwendungskontext

133

angesehen werden, obgleich es Fächer gibt, in denen sich der Einsatz (noch) nicht im gleichen Maße anbietet. Insbesondere Neuberufene erwarten ein solch zeitgemäßes Angebot ebenso wie die Unterstützung bei digitalen Lehrmethoden, darunter auch bei E-Assessments. Gerade bei einer technischen Hochschule wirkt dies direkt auf die Attraktivität des Hochschulstandortes. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass eine steigende Anzahl von Lehrenden, aber auch Organisationseinheiten im E-Assessmentangebot eine hilfreiche Unterstützung sehen. Auch Studierende fragen bereits aktiv nach der Möglichkeit, ein E-Assessment als Modulabschlussprüfung durchführen zu dürfen. Gleichwohl gibt es Verbesserungsvorschläge gerade vonseiten der Studierenden, die zumindest bedacht werden sollten, auch wenn nicht alle umgesetzt werden können und sollen. Einige Vorschläge sind recht konkret, wie beispielsweise die Sauberkeit der Tastaturen und Computermäuse sowie die Minimierung des Zeitverzugs durch den Anmeldeprozess. Auf technischer Ebene bezogen sich die Bemerkungen zum Teil auf Aspekte, die aus Sicherheitsgründen absichtlich so konfiguriert sind (beispielsweise ist die Taste „strg“ deaktiviert). Anderes wurde zeitnah geändert, z. B. die Schriftgröße. Einige genannte Gesichtspunkte können unter dem Oberbegriff „fehlende bzw. verloren gegangene Information“ zusammengefasst werden. Beispielsweise wurde von einigen Studierenden eine Probeklausur gewünscht, um sich vorab mit dem E-Prüfungssystem vertraut machen zu können. Eine solche existiert aber bereits seit Längerem und ist auf der Website des E-Assessment-Services frei zugänglich, was an und für sich auch kommuniziert wird. Ein weiteres Beispiel für fehlende Information ist die Befürchtung von Studierenden, Tippfehler würden bei Textantworten nicht berücksichtigt werden. Fehlende Punkte aufgrund von Schreibfehlern würden jedoch in der manuellen Nachkorrektur behoben werden. Bei diesen Punkten muss also geprüft werden, an welcher Stelle die Information nicht korrekt weitergegeben wurde. Gegebenenfalls müssen die Kommunikationsstränge entsprechend angepasst werden, damit die vorhandenen Hinweise zu E-Prüfungen den Studierenden eine adäquate Vorbereitung auf diese neue Prüfungsform ermöglichen und Befürchtungen gemindert werden. Zuletzt gab es noch Anmerkungen zu dozentenspezifischen Besonderheiten, die durch die Lehrenden in der E-Assessmentsoftware eigenständig geändert werden könnten, wenn dies gewünscht ist. So wünschen sich Studierende konkret eine andere Anordnung der Fragen, größere Abbildungen, genaue Kenntnis der Punktevergabe, einheitlichere Formatierungen und mehr Platz zum Schreiben bei Freitextfragen. Diese Anregungen wurden an die Lehrenden weitergegeben. Abschließend kann gesagt werden, dass schlechte Prüfungsfragen schlechte Prüfungsfragen sind – unabhängig von der Form, wie die Prüfung durchgeführt wird. Die Befragung hat gezeigt, dass sich Studierende durchaus kritisch-reflektiert mit Prüfungen auseinandersetzen und dabei auch didaktisch schlechte Fragen erkennen. Das wird vermutlich auch bei Prüfungen auf Papier so sein. Prüfungsdidaktische Aspekte werden also ebenso wie eine Ausrichtung der Lehre an den Prinzipien des Constructive Alignment und der Kompetenzorientierung in Zukunft wichtiger werden.

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X. V. Jeremias und B. Sellmer

8.4

Chancen und Herausforderungen

8.4.1

Mehrwert für die Lehre

Der Mehrwert von E-Assessments begrenzt sich nicht auf E-Prüfungen (summative Assessments), sondern trifft in ähnlichem Maße auf die diagnostische und formative Nutzung zu. Im Sinne des Constructive Alignment sollten – wo es sich anbietet – von ersten Orientierungstests auf der Website über semesterbegleitende Zwischentests bis zu den Prüfungen E-Assessments eingesetzt werden (vgl. [10]). Studieninteressierten ermöglichen diagnostische E-Assessments eine zielgerichtete Studienorientierung und -vorbereitung, was sich positiv auf das Gesamtniveau späterer Lehrveranstaltungen auswirkt. Durch die Onlinezugänge können die E-Assessments ortsunabhängig, also z. B. auch von internationalen Studierenden, genutzt werden. Der Vorteil für die anbietenden Einrichtungen an der Hochschule ist, dass dadurch eine frühzeitigere Ansprache der Studieninteressierten möglich wird und die Vorbereitungsangebote besser auf den Stand der Vorkenntnisse abgestimmt werden können. Formative Assessments sind an Fachhochschulen wegen des fehlenden Mittelbaus ohne automatische Korrektur kaum durchführbar. Durch elektronische Zwischentests erhalten Studierende bereits frühzeitig Hinweise auf eventuelle Lernbedarfe und somit bessere Chancen, die Prüfung zu bestehen – auch wenn sie dies als Mehrbelastung wahrnehmen. Bei digitalen Lernleistungen (z. B. Nutzung einer speziellen Software) bieten E-Assessments den Mehrwert, dass nun auch die Prüfung in dieser Form angeboten werden kann. Im Rahmen einer zunehmend digitalisierten Arbeitswelt kann der Einsatz von elektronischen Tools in der Lehre als adäquate Vorbereitung auf den Übergang in den Arbeitsmarkt angesehen werden. Hier werden prozedurales und konzeptionelles Wissen gegenüber deklarativem4 Wissen aufgrund der Verfügbarkeit in Onlinequellen an Bedeutung gewinnen. Dies sollte bei der didaktischen Gestaltung von Test- und Prüfungsfragen berücksichtigt werden, indem überwiegend kompetenzorientierte Aufgabenstellungen eingesetzt werden. Solche Aufgabenstellungen sind auch in E-Assessments möglich, wenngleich nicht in allen Fällen. Eine Bewertung des Lösungsweges ist nur bedingt durch die Abfrage von Zwischenergebnissen möglich; in diesen Fällen bieten sich kombinierte Prüfungen (teilweise online, teilweise auf Papier) an. Auch hier zeigt sich, dass durch E-Assessments die (Prüfungs-)Didaktik stärker in den Fokus rückt. Die Zeitersparnis durch die automatische Korrektur von Prüfungsaufgaben bzw. durch gut lesbare Freitexte kann für andere Lehrinnovationen genutzt werden. An der TH Wildau wurden z. B. E-Klausuren mit aufwendigen Präsentationsprüfungen, für deren Bewertung

4

Unter deklarativem Wissen wird Faktenwissen verstanden, während prozedurales und konzeptionelles Wissen Handlungswissen (Wissen über das Ausführen von Handlungsprozessen) bzw. vertieftes inhaltliches Wissen (Erfassen von grundlegenden Konzepten und Verknüpfungen) meint (vgl. [13, S. 193]).

8

Chancen und Herausforderungen von E-Assessments im Anwendungskontext

135

andernfalls keine Zeit gewesen wäre, kombiniert. Dadurch konnten die verschiedenen Aspekte des Moduls mit der jeweils am besten passenden Form geprüft werden.

8.4.2

Ressourcen und Prozesse

Dieser Mehrwert für die Lehre hat seinen Preis und zwar sowohl aufseiten der Lehrenden als auch für die gesamte Hochschule. Dabei gilt es insbesondere auch, nichtintendierte Auswirkungen zu berücksichtigen. Für Lehrende ist zunächst der Initialaufwand für die Erstellung einer elektronischen Prüfung nicht unerheblich, da eine Einarbeitung in eine komplexe Anwendungssoftware erfolgen muss. Außerdem müssen ggf. Aufgaben überarbeitet werden, damit sie in der Software abgebildet werden können bzw. die Möglichkeiten der Software ausschöpfen. Unabhängig von der Software geht es nicht um eine Eins-zu-eins-Abbildung der als Papierversion bereits vorhandenen Tests und Prüfungen, sondern in vielen Fällen auch um eine neue Gestaltung, die den Anforderungen einer modernen Lehre entspricht (vgl. [12, S. 7]). Des Weiteren müssen elektronische Prüfungen an der TH Wildau häufig in mehreren Räumen stattfinden, weil die Kapazitäten in den Computerräumen begrenzt sind. In diesem Fall müssen mehr Aufsichtspersonen organisiert werden, was Auswirkungen auf die an anderer Stelle zur Verfügung stehenden Ressourcen hat. Ein weiterer Effekt aufseiten der Lehrenden ist, dass durch die Kommunikation mit dem E-Assessmentservice die Prüfungsfragen stärker reflektiert werden, was den Austausch über Prüfungen insgesamt steigert. Dies führt zu einer größeren Transparenz der Aufgaben, die auf klassische Prüfungsformen ausstrahlt. Auf Hochschulebene sind Investitionen in Server- und Raumkapazitäten, Lizenzen und einen dauerhaften (technischen und didaktischen) Support innerhalb der Hochschule notwendig. Entsprechende Raumkapazitäten sind bislang unzureichend. Bei größeren Studiengruppen müssen die E-Prüfungen in zwei bis vier verschiedenen Räumen stattfinden, wodurch mehr Aufsichtspersonal benötigt wird. Die Bereitstellung von hochschuleigenen Laptops in Vorlesungsräumen würde mindestens ebenso viel Personal binden. Für durch Studierende mitgebrachte Geräte kann die rechtlich notwendige Prüfungssicherheit derzeit nicht gewährleistet werden. Daher wurde an der TH Wildau entschieden, E-Prüfungen bis auf Weiteres in festen Computerräumen durchzuführen. Ressourcen werden aber auch für die notwendigen Änderungen von (Prüfungs-)Ordnungen benötigt. Nur so kann rechtssicher agiert werden. Wenn die Nachfrage nach E-Assessments eine gewisse Größe überschritten hat, wird die Entwicklung von systematischen Prozessen, beispielsweise zur Abstimmung mit den Fachbereichen bei der Terminkoordination, bei Leitlinien zur Prüfungsdurchführung (inklusive Prüfungsprotokoll) sowie bei der Archivierung nötig. In allen diesen Bereichen gibt es Rückwirkungen auf klassische Prüfungsformen. Zudem haben E-Prüfungen nichtintendierte Rückwirkungen auf die verschiedenen Akteursgruppen. Studieninteressierte könnten durch den Einsatz von diagnostischen Onlinetests verunsichert werden und daraufhin ihre Studiengangswahl überdenken, sollte sich

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X. V. Jeremias und B. Sellmer

herausstellen, dass der zuvor gewünschte Studiengang nicht den Vorkenntnissen und Vorlieben entspricht. Dies ist zwar sicher besser, als es erst im Studium herauszufinden, aber vermutlich nicht die Intention bei der Testdurchführung gewesen. Auf Hochschulseite spiegelt sich dieses Phänomen dahingehend wider, dass ggf. Studieninteressierte abgeschreckt werden. Diese unbeabsichtigten Effekte, insbesondere die auf Hochschulebene und bei den Lehrenden, können sich im Endeffekt qualitäts- und prozessverbessernd auswirken. Zu bedenken ist aber, dass diese Fragestellungen üblicherweise zu einem Zeitpunkt auftreten, den man nicht geplant hatte, und ggf. auch mit einer höheren Dringlichkeit als gewünscht. Die Bearbeitung dieser Effekte muss in der Ressourcenplanung ebenfalls berücksichtigt werden. Je besser der E-Assessmentservice strukturell in der Hochschule verankert ist, desto günstiger sind die Voraussetzungen, um unerwarteten Ereignissen zu begegnen. Ein Schritt, um E-Assessments an der TH Wildau zu etablieren, ist die Aufnahme von E-Assessments in den Hochschulentwicklungsplan. Sie sind Teil der Digitalisierungsstrategie, was nicht nur eine Bereitstellung einer Infrastruktur beinhaltet, sondern auch die Erwartung der Hochschulleitung, dass E-Assessments in der Lehre eingesetzt werden.

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Chancen und Herausforderungen von E-Assessments im Anwendungskontext

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9. Schulz, A, Apostolopoulos, N (Dez 2011) eExaminations put to test. Potenziale computergestützter Prüfungen. Hamburger elMagazin 10. Biggs J (2003) Aligning teaching and assessment to curriculum objectives. https://www.dkit.ie/ga/ system/files/Aligning_Reaching_and_Assessing_to_Course_Objectives_John_Biggs.pdf. Zugegriffen am 27.02.2019 11. Voss T et al (2015) Stichwort Pädagogisches Wissen von Lehrkräften: Empirische Zugänge und Befunde. Z Erzieh 18(2):187–223 12. Al-Smadi M, Guetl C (2008) Past, present and future of e-assessment-towards a flexible e-assessment system. https://www.researchgate.net/publication/236258860_Past_Present_and_ Future_of_e-Assessment-Towards_a_Flexible_e-Assessment_System. Zugegriffen am 06.02.2019 13. Persike M (2018) So viele Antworten – Anleitung Audience Response Systeme in der Lehre. https://hochschulforumdigitalisierung.de/de/blog/anleitung-audience-response-systeme-in-der-lehremalte-persike. Zugegriffen am 31.01.2019

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Reorganisation und Optimierung von Prozessen am Beispiel der Verwaltung von Abschlussarbeiten und des Qualitätsmonitorings von Studiengängen Konstantin Root, Henning Wiechers, Alfredo Azmitia, Janett Mohnke und Christian Müller

Zusammenfassung

Die internen Abläufe an Hochschulen folgen selten vordefinierten Regeln, sodass bei der Digitalisierung solcher Prozesse Standardlösungen vielfach nicht ausreichen. Für die Abbildung ehemals analoger Prozesse sind individuelle Softwarelösungen unabdingbar. In diesem Kapitel soll am Beispiel ausgewählter hochschulspezifischer Softwareanwendungen der Weg beschrieben werden, wie ein solcher Umbau im Rahmen bestehender Systeme vollzogen werden kann. Im Fokus dieser Beschreibung stehen Softwareanwendungen, die sowohl die Verwaltungsprozesse rund um die Erstellung von Thesisarbeiten – beginnend mit der Anmeldung bis zur Abgabe der Arbeit, der Durchführung von Abschlussprüfungen bis zur Publikation der Thesisarbeiten – als auch Akkreditierungsprozesse an der TH Wildau unterstützen, mit denen Modulhandbücher und Logbücher erstellt werden, die die Entwicklung von Studiengängen zwischen den Reakkreditierungen transparent nachvollziehbar machen. Ein besonderes Augenmerk wird auf Schnittstellen anderer Hochschulprozesse gelegt. Diese Anwendungen wurden mit agilen Methoden erstellt. Das Zusammenspiel von agiler Softwareentwicklung und entsprechenden Evaluationsschritten soll zeigen, wie diese Methoden an der Hochschule mit kleinen Teams effektiv eingesetzt werden können, um mit Blick auf die Verbesserung der Qualität und Einheitlichkeit von Studium und Lehre ein bestmögliches Optimierungspotenzial zu erreichen.

K. Root · H. Wiechers (*) · A. Azmitia · J. Mohnke · C. Müller Technische Hochschule Wildau, Wildau, Deutschland E-Mail: [email protected]; [email protected]; alfredo. [email protected]; [email protected]; [email protected] # Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 T. Barton et al. (Hrsg.), Hochschulen in Zeiten der Digitalisierung, Angewandte Wirtschaftsinformatik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26618-9_9

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K. Root et al.

Schlüsselwörter

Hochschulprozesse · Thesis · Qualitätssicherung · Akkreditierung · Monitoring · Implementierung

9.1

Einleitung

Herkömmliche, teildigitalisierte Organisationsstrukturen und -prozesse an Hochschulen sind nicht selten intransparent und unübersichtlich. Die Kontrolle der Einhaltung aller Regeln ist zum Teil schwierig und auch unwirtschaftlich. Eine Digitalisierung der gesamten Prozesse bietet sich deshalb an. Diese Digitalisierung erschwerend folgen interne Abläufe an Hochschulen allerdings selten vordefinierten Regeln, sodass dafür Standardlösungen vielfach nicht ausreichen. Für die Abbildung ehemals analoger Prozesse können individuelle Softwarelösungen deshalb eine gute Alternative sein, wenn die dafür notwendigen Rahmenbedingungen gegeben sind. Neben anderen, zum Teil sehr individuellen Bedingungen, sollten auch die Risiken hinsichtlich Wirtschaftlichkeit und Akzeptanz bei der Einführung neuer Softwareanwendungen in Betracht gezogen werden. In diesem Kapitel soll am Beispiel ausgewählter hochschulspezifischer Softwareanwendungen der Weg beschrieben werden, wie ein solcher Umbau im Rahmen bestehender Systeme vollzogen werden kann. Im Fokus dieser Beschreibung stehen zwei Softwareanwendungen, die an der und speziell für die Technische Hochschule Wildau entwickelt wurden. Die erste Anwendung, im Folgenden Thesissystem genannt, dient der Digitalisierung aller Verwaltungsprozesse im Rahmen von Abschlussarbeiten, konkret von Bachelor- und Masterabschlussarbeiten: beginnend mit der Anmeldung einer Abschlussarbeit durch den Studierenden, über alle Genehmigungen, der Möglichkeit, Verlängerungen der Bearbeitungszeit zu beantragen, bis hin zu den abschließenden Bewertungen der Arbeit durch die Gutachter1 und Gutachterinnen, ggf. einer Abschlussprüfung und der Veröffentlichung der Arbeit. Die zweite Anwendung, im Folgenden Logbuchsystem genannt, unterstützt das permanente Qualitätsmonitoring aller Studiengänge der TH Wildau. Das Logbuch eines Studiengangs hat die Aufgabe, seine Entwicklung zwischen den Reakkreditierungen transparent nachvollziehbar zu machen. Beide Anwendungen sind webbasiert. Informationen bzw. Kennzahlen, die bereits in anderen Systemen der Hochschule digital zur Verfügung stehen, werden durch eine auf Webservices basierende Anbindung dieser Systeme in den Anwendungen automatisch zur Verfügung gestellt. Vor der Einführung des Thesissystems und des Logbuchsystems mussten viele dieser Informationen manuell ermittelt und in die entsprechenden Vorlagen eingetragen werden. Dies allein lässt das Optimierungspotenzial der in diesem Beitrag vorgestellten Digitalisierungen erahnen.

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Der Einfachheit halber wird in diesem Text nur die männliche Form verwendet. Die weibliche Form ist selbstverständlich immer mit eingeschlossen.

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Reorganisation und Optimierung von Prozessen am Beispiel der Verwaltung . . .

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Aus den Informationen, die über die webbasierten Anwendungen zusammengetragen werden, automatisch sowie manuell, werden die notwendigen Dokumente erzeugt: PDF-Dateien zur jährlichen Rechenschaftslegung vor der Qualitäts- und Akkreditierungskommission (kurz QUAK) der Hochschule im Falle des Logbuchsystems sowie die notwendigen Formblätter zum Einfügen in die abzugebende Abschlussarbeit im Falle des Thesissystems. In der Praxis zeigt sich, dass die damit vollzogene strikte Trennung von Form und Inhalt sich auch in diesen Anwendungen gut bewährt. In den folgenden Abschnitten dieses Beitrags wird zunächst die Situation an der TH Wildau beschrieben (Abschn. 9.2) und auf die Vor- und Nachteile einer individuellen Inhouselösung für die Digitalisierung von Hochschulprozessen eingegangen (Abschn. 9.3). Dann werden in zwei Abschnitten die Konzepte zur Problemlösung für das Thesissystem (Abschn. 9.4) sowie für das Logbuchsystem (Abschn. 9.5) genauer erläutert sowie der jeweilige Entwicklungsstand präsentiert. Abschließend erfolgt eine Reflexion der hier beschriebenen Inhouseentwicklungen (Abschn. 9.6). Die iCampus Wildau-Projektgruppe, die die in diesem Beitrag stellvertretend beschriebenen Anwendungen entwickelt hat, unterstützt den Digitalisierungsprozess der Hochschule auch durch die Entwicklung weiterer Anwendungen (Modulhandbuch, Stundenplan, Hochschul-App). Dadurch, dass alle diese Anwendungen in einer Hand liegen, werden Abstimmungen und notwendige Synchronisierungen zwischen den einzelnen Anwendungen nicht nur erleichtert, sondern zum Teil überhaupt ermöglicht. Beide Anwendungen sind inzwischen hochschulweit im Einsatz, sodass in diesem Beitrag auch über Erfahrungen, die während der Einführungsphase an der TH Wildau gemacht wurden, berichtet wird.

9.2

Steckbrief Technische Hochschule Wildau

Die Technische Hochschule Wildau (TH Wildau, [1], Abb. 9.1) ist eine Fachhochschule im Bundesland Brandenburg mit großem Anteil an Forschungs- und Entwicklungsprojekten. Mit einer Studierendenzahl von ca. 3500 und über 100 Professuren ist sie in zwei Fachbereiche untergliedert: Ingenieur- und Naturwissenschaften und Wirtschaft, Informatik, Recht. Die Hochschule zeichnet sich durch einen starken Praxisbezug und anwendungsorientierte Studiengänge aus.

9.3

Individuelle Inhouselösungen durch agile Softwareentwicklung

Wie in jeder technischen Institution mit verfügbaren Ressourcen ist die Idee der Entwicklung einer eigenen individuellen Softwarelösung zur Prozessoptimierung in Betracht zu ziehen. Zuerst gilt es zu definieren, welche Möglichkeiten der Projektentwicklung es gibt und in welchem vertretbaren Zeitrahmen diese einen Stand der Nutzbarkeit erreichen können. Eines der Hauptargumente für die Wahl eines Projekts ist, wie hoch die Anzahl

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K. Root et al. Organigramm der TH Wildau

Präsidium

Senat

Hochschulverwaltung

Studium Aus- und Weiterbildung

Beauftragte Zentrale Einrichtungen Akkreditierungen

Sachgebiete

Fachbereiche

Stud. Angelegenheiten

Ingenieur-und Naturwissenschaften

Personal

Wirschaft, Informatik, Recht

Bibliothek Hochschulrechenzentrum

Datenschutz Informationssicherheit ...

International Office

... Accreditierungsbrüro Digital Competence Center ...

Abb. 9.1 Im Ausschnitt des Organigramms der TH Wildau sind alle Einrichtungen aufgezeigt, die bei der Erstellung der im Beitrag beschriebenen Tools involviert waren

der Personen ist, die direkt oder indirekt davon profitieren werden. Darüber hinaus sehen wir den Vorteil darin, sich auf die Entwicklung eines Systems für eine nichtexistierende Lösung zu konzentrieren, was bedeutet, dass es besser ist, bei null anzufangen, als zu versuchen, ein bestehendes System zu ersetzen oder zu erweitern. Das reduziert Konflikte mit bestehenden digitalen Prozessen und vermeidet, dass eine Gruppe von Benutzern zu einem neuen System verschoben wird, um eine minimale Verbesserung zu erreichen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass bestehende Systeme nicht verbessert werden sollten, sondern es wird als Vorteil erachtet, unberührte Systembereiche zu priorisieren, in denen ein gewisser Arbeitsaufwand die höchstmögliche Effizienz bringen kann.

9.3.1

Effiziente Prozessorganisation

Bei der Definition eines Projekts ist es unerlässlich, eine Person oder eine Gruppe von Personen zu definieren, die für die Realisierung des Projekts verantwortlich ist. Das bedeutet, den größten Teil der Entscheidungsfindung übernehmen, Meetings mit den Beteiligten planen und sicherstellen, dass das Projektziel auf dem richtigen Weg bleibt. Dabei ist zu beachten, dass im agilen Entwicklungsansatz die verantwortliche Gruppe sowohl über Kenntnisse der Softwareentwicklung als auch des Themas verfügen muss. Nach unserer Erfahrung ist dies äußerst wichtig, um gezielt Lösungen anzupassen und die Komplexität der Struktur zu reduzieren. Sicherlich lässt sich eine gewisse Komplexität

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Reorganisation und Optimierung von Prozessen am Beispiel der Verwaltung . . .

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nicht vermeiden, aber in den meisten Fällen kann ein Kompromiss zwischen den Entwicklern und den Endanwendern gefunden werden. Darüber hinaus hilft die Implementierung eines Regelwerks in einem System für die entsprechenden Prozesse Softwareentwicklern und Anwendern, Lücken in der Logik zu erkennen und Verbesserungsmöglichkeiten zu entdecken. Durch den Umstand, dass Softwareentwicklern oft das Wissen um die inhaltlichen Details fehlt, setzt die Digitalisierung von Prozessen jedoch eine Lupe an die Feinheiten ihres Systems und zwingt diejenigen, die die Anforderungen definieren, ein Regelwerk zu konkretisieren, um so möglicherweise sogar ein neues Licht auf den Prozess selbst zu werfen, Lücken in der Logik zu erkennen und Verbesserungsmöglichkeiten zu entdecken. Agile Entwicklung [2] besteht aus mehreren inkrementellen Iterationen zwischen den Entscheidungsträgern, den Endanwendern und den Entwicklern. Bei der Konzeption von Softwaresystemen wird ein Ziel durch klar definierte Anforderungen festgelegt. Der Weg zu diesem Ziel kann insbesondere hier variieren und durch diese Flexibilität sogar über seinen ursprünglichen Zweck hinausgehen. In Beta-Versionen ist es trotz der Priorisierung der Grundanforderungen wichtig, in einem Ticketsystem alle Nice-to-haves zu erhalten, jedoch mit reduzierter Priorität. Um eine positive Akzeptanz eines neu eingeführten Produkts zu erreichen, müssen die Endverbraucher das Gefühl haben, dass ihre Ideen und Wünsche gehört werden.

9.3.2

Transparenz und Kontrolle

An Hochschulen und Universitäten sind oft viele Prozesse miteinander verbunden. In der Regel ist eine Sammlung von Rohdaten vorhanden, die zunächst angepasst, interpretiert und in verschiedenen Formen präsentiert wird und somit den Kern dieser Prozesse darstellt. Einer der größten Vorteile der Digitalisierung von Prozessen besteht darin, dass durch den Datenaustausch innerhalb der hochschulweiten Struktur ein Großteil menschlichen Versagens vermieden wird. Automatisierung verbessert die Effizienz und Korrektheit. Auf diese Weise ist es wichtig zu versuchen, die Verarbeitung von Daten so zu modularisieren, dass getrennte Systeme effizient voneinander profitieren. Dies ermöglicht nicht nur eine bessere Übersicht und Kontrolle über die Daten selbst, sondern auch einen umfassenden Informationsaustausch, der die Kommunikationstransparenz innerhalb der Institution fördert und verbessert.

9.4

Thesissystem: Schrittweise Umsetzung der digitalen Antragstellung und Verwaltung von Prüfungsprozessen

Seit der Gründung der TH Wildau im Jahr 1993 werden an dieser Hochschule Abschlussarbeiten (im folgenden Thesisarbeiten genannt) verfasst. Diese Arbeiten liegen in gedruckter Form in der Bibliothek vor und werden dort manuell katalogisiert. Unterliegen die

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K. Root et al.

Arbeiten einem Sperrvermerk, müssen die Zugriffsregeln manuell aktualisiert werden. Wenn ein Gutachter nach einiger Zeit auf eine von ihm begutachtete Arbeit, bei nur unscharfer Kenntnis des Autors oder Titels, zugreifen möchte, dann kann die Suche aufwendig werden, sofern er die Arbeiten nicht selbst archiviert hat. Aus diesem Umstand heraus entstand die Überlegung, den gesamten Prozess der Thesiserstellung von der Beantragung bis zur Publikation in der Bibliothek zu digitalisieren. Dies umfasst u. a. die Schritte: Beantragung, Genehmigung, Verlängerung, Abgabe, Begutachtung und mündliche Prüfungen. Das System hat Schnittstellen zu • • • •

dem Sachgebiet „Studentische Angelegenheiten“ mit dem Campusmanagementsystem, dem Sachgebiet „Personal“ mit der Abrechnung externer Gutachter, der Deputatserfassung von Hochschullehrern in den Fachbereichen, dem Archivsystem der Hochschule, wo die Daten zu den einzelnen Thesisarbeiten unter Berücksichtigung von Archivierungsfristen gespeichert werden, und • der Hochschulbibliothek, wo die Thesisarbeiten publiziert und die Metadaten registriert werden. Mit dem Thesissystem soll der gesamte Prozess rund um die Erstellung der Thesisarbeit papierlos gestaltet werden. Insbesondere soll auch perspektivisch der Druck von Abschlussarbeiten entfallen. Dies erzeugt jedoch Akzeptanzprobleme bei Gutachtern, die sich weiterhin gedruckte Exemplare wünschen. Auth [3] stellt die in Deutschland gängigen Campusmanagementsysteme vor. Keines dieser Systeme unterstützt Thesisprozesse in der hier geforderten Tiefe. Insbesondere können die individuellen fachbereichsspezifischen Vorgaben nur durch eine Individualentwicklung umgesetzt werden.

9.4.1

Entwicklung und Umbau im Rahmen bestehender Systeme

Ziel der Umstellung des Thesisprozesses ist neben der genannten Archivfunktion eine allgemein effektivere Abwicklung der Antragsvorgänge und eine damit verbundene geringere Fehleranfälligkeit. Die Entwicklung eines digitalen Systems macht die Prozesse transparent und erhöht die Konsistenz der Daten. Durch die Automatisierung und zentrale Verwaltung der Antragsdaten werden die Prüfungsvorgänge aus den Master- und Bachelorabschlüssen vom Anfang (Antragstellung) bis zum Ende (Archivierung in der Bibliothek) dokumentiert. Die vorherige Papierlösung mit Unterschrift und schriftlichem Genehmigungsverfahren wird durch eine digitale Zustimmung in Verbindung mit personenbezogener Authentifizierung ersetzt. Abhängig von hochschulweiten Löschfristen und personenbezogenen Zugriffsberechtigungen sind alle Vorgänge einsehbar und nachvollziehbar. Der Verwaltungsaufwand und nicht zuletzt die Papierressourcen werden somit signifikant reduziert.

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Reorganisation und Optimierung von Prozessen am Beispiel der Verwaltung . . .

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Die Entwicklungsprozesse mit iterativen Entwicklungs- und Evaluationsschritten in einem kleinen Entwicklerteam haben in diesem konkreten Fall nicht nur die Annäherung an die praktischen Anforderungen des Systems ermöglicht. Auch kurze Wege in der Hochschule und eine offene Kommunikationsstrategie erleichtern mithin die Mitnahme aller Beteiligten. Das Einbeziehen aller Verantwortlichen aus Lehre, Verwaltung und Rechenzentrum in die Entwicklung und Bewertung der Prozessabbildung war die Grundlage dafür, dass Ablehnungseffekte sowohl in der Systemintegration als auch in der praktischen Anwendung gering gehalten werden konnten. Eine Umstellung auf digitale Prozesse sollte nicht mit weitgreifenden praktischen Änderungen und einem als erhöht empfundenen Arbeitsaufwand korrelieren. Der praktische Nutzen muss erkennbar sein und sich in der Anwendung beweisen. Mit Einbeziehung aller Prozessbeteiligten wurde zunächst der Ist-Stand aller relevanten analogen Prozesse vom Antragsformular, Druckausgaben über Verwaltungsaufgaben und Säumnismitteilungen bis hin zur Katalogisierung erfasst, skizziert und analysiert und daraus die Schwachstellen und Optimierungsbedarfe ermittelt. Die Aufnahme der analogen Abläufe stellte die wesentliche Voraussetzung für die anschließende Revision etablierter Prozesse dar, die mit Blick auf wirtschaftliche und dokumentarische Aspekte auf den Prüfstein gestellt wurden. Das zu definierende Regelwerk des Thesissystems leitet sich im Wesentlichen von den Studien- und Prüfungsordnungen ab. Hier waren die amtlichen Ordnungsvorgaben in Verbindung mit Automatisierungsprozessen zu konzipieren, sodass ein ordnungsgemäßer Antragsvorgang und die Kontrolle von Fristen im Prüfungsvorgang durch das System gestützt werden. Um eine transparente Prozesskommunikation zu gewährleisten, ist ein Benachrichtigungssystem mit automatischen E-Mail-Sendungen über Prozessfortschritte, Erinnerungen oder Mitteilungen bei Fristüberschreitungen integriert. Die Digitalisierung des Prüfungsprozesses ermöglicht also einerseits die größtmögliche Vereinheitlichung von Abläufen, Formaten und Verwaltungsschritten, andererseits sind fachbereichsspezifische Besonderheiten als Optionen im System verfügbar. Unterschiede und Ausnahmen können mit geringem Zeitaufwand aufgrund der Flexibilität des Systems sowie der Nähe zwischen Entwicklung und Anwendung in kurzen Zyklen eingebunden werden, sodass darunter die Wirtschaftlichkeit des Systems nicht unnötig strapaziert wird. Die Umsetzung als webbasierte Anwendung bringt zudem den Vorteil mit sich, dass die Prozesse nicht mehr ortsgebunden sind und hinsichtlich genereller Mobilitätsgewohnheiten – zumal im internationalen Kontext – über die Anbindung an das Internet abgewickelt werden können.

9.4.2

Prozessphasen des Thesissystems

Die Dateneingabe durch Studierende über das User Interface nach der Authentifizierung im System ist die erste konkrete Prozessstufe im Thesissystem (Abb. 9.2). Die Formulareingabe ist modular gelöst. Obligatorische Eingabefelder mit optionalen Feldern für einzelne Studiengänge oder Fachbereiche sind verfügbar. Der jeweiligen Studiengangs- oder

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K. Root et al.

Rollenverteilung

Sachgebiet Stud. Angelegenheiten Sachgebiet Personal Bibliothek

Prüfungsausschuss

Dekanat

Betreuer / Gutachter

Prozess

Studierende

Antragstellung

Verlangerung, Sperrvermerk

Genehmigung

Upload, Prüfung

Verwaltung

Abb. 9.2 Prozessverlauf und Rolleneinbindung im Thesissystem

Fachbereichsordnung entsprechend werden zudem Zustimmungs- und Genehmigungsregeln bzw. Fristen eingestellt. Unter Berücksichtigung unterschiedliche Prozessordnungen für Anträge, Protokollausgaben oder Druckversionen werden die studiengangspezifischen Prozesse konfiguriert. Zur Vermeidung von Redundanzen und um Eingabefehler zu minimieren wurden in Abstimmung mit dem Hochschulrechenzentrum für bereits im Hochschulsystem verfügbare Kern- und Personendaten interne Datenläufe durch REST-Webservices und DatenbankViews entwickelt. Diese Dienste gewährleisten eine konsistente Datennutzung. Eckdaten wie Seminargruppe, Abschluss oder Matrikelnummer werden im Antragsformular voreingefügt. Abgabedaten werden je nach Ordnung systemisch berechnet. Betreuer und Gutachter sind im Rahmen des Systems als Personenpool mit besonderer Berechtigung angelegt und können vom Antragsteller im Formular ausgewählt werden. Unnötige Verwaltungs- und Bearbeitungszeiten aufgrund fehlerhafter Antragsdaten werden somit vermieden Abb. 9.3. Im Rahmen der ersten Entwicklungsstufe wurden vorhandene Vordrucke für PDF-Ausgaben von Anträgen und Prüfungsprotokollen zunächst eins zu eins umgesetzt – mit der Option, diese nachfolgend anzugleichen. Für eine erste Testphase wurde außerdem der Antragsprozess zunächst auf die Ausgabe des Antragsformulars beschränkt. Die Implementierung der digitalen Zustimmung und der Genehmigungsschritte erfolgte nach einer ersten Testphase in weiteren Schritten. Der Ablauf der Antragstellung ist so gestaltet, dass nach Einreichen/Absenden des digitalen Antrags die Betreuer benachrichtigt werden und ggf. eine Korrekturphase beginnt, während der die Antragsteller die Möglichkeit haben, das Thema und die Inhalte der Arbeit zu konkretisieren. Erst nach Zustimmung des ersten Gutachters wird der Antrag für die Zweitgutachter freigegeben, und eine zweite Korrekturphase kann ggf. beginnen. Nach Zustimmung der Gutachter wird der Antrag dann zur Genehmigung freigegeben. Diese Phase wird unterstützt durch E-Mail-Benachrichtigungen nach jeder Bearbeitung. Nach erfolgter Genehmigung werden alle Beteiligten benachrichtigt.

9

Reorganisation und Optimierung von Prozessen am Beispiel der Verwaltung . . .

147

Abb. 9.3 Struktur der Server und REST-Schnittstellen

Begleitet und fortgeführt wird die Antragstellung durch die Hochschulverwaltung, namentlich des Dekanats, die Zugriff auf alle Vorgänge ihres Fachbereichs hat und als Kontrollinstanz fungiert. Hier werden weitere Aufgaben wie die tatsächliche Eingabe des Abgabedatums, die Organisation der Prüfungen oder das Hochladen von Protokollen und Gutachten sowie die Noteneingabe erledigt. Letztere Aufgaben können z. B. auch dem Betreuer und Gutachter zugewiesen werden. Weitere Prozessstufen bilden die Antragstellung für Verlängerungen und Sperrvermerke ab. Wie bei der eigentlichen Antragstellung sind auch hier die Zugriffe und Zuständigkeiten personengebunden festgelegt, sodass von der Antragstellung über Korrekturen bis hin zur Zustimmung oder Ablehnung die ergänzenden Prozesse an die eigentlichen Antragsvorgänge gekoppelt sind. Die im Thesissystem implementierte Rollenverwaltung regelt den Datenzugriff. Sie weist Hochschulmitarbeitern sowie externen Beteiligten/Gutachtern den Zugriff entsprechend den Aufgaben im Bearbeitungsprozess zu. Zugriffsrollen werden nach Berechtigung vom Administrator oder vom Dekanat festgelegt. Mitarbeiter mit mehreren Rollen (z. B. Prüfungsausschuss und Betreuer) wählen bei jedem Anmeldevorgang ihre entsprechende Rolle.

148

9.4.3

K. Root et al.

An- und Einbindung anderer Hochschulprozesse

Mit der An- und Einbindung angrenzender Hochschulprozesse erfolgt die Rückanbindung des Prüfungsprozesses an zentrale Hochschuleinrichtungen. Die Abteilungen Personal und Studentische Angelegenheiten haben für die Abrechnungen und Zeugniserstellung Zugriff auf das System. Hier werden sowohl Prozessdaten verwendet als auch Statusschritte markiert, die den Prozessstand dokumentieren und für andere Abteilungen sichtbar machen. In der Bibliothek wird, als dem letzten Glied in der Kette, die Katalogisierung anhand von Thesismetadaten vollzogen. Potenzielle Übertragungsfehler der bisherigen teildigitalisierten Prozesse und Verzögerungen können so vermieden werden. Das Thesissystem unterstützt nicht zuletzt die Kontrollinstanzen auf mehreren Ebenen. Der Zugriff nach Zuständigkeitsbereich (nach Studiengang, Fachbereich oder hochschulweit) macht die Statuskontrolle in jedem Prozessschritt möglich, sodass Fehler und Korrekturen unmittelbar veranlasst werden können. Wie auch mit Blick auf die Qualitätssicherung im zweiten Lösungskonzept dieses Beitrags zum Studienlogbuchsystem zu sehen ist, leistet das Thesissystem einen wesentlichen Beitrag zur Transparenz und Kontrolle der Prüfungsvorgänge und somit zur Qualität des Studiums.

9.4.4

Ausblick

Die nächsten geplanten Schritte für das Thesissystem sind eine erweiterte Anbindung an das Campusmanagementsystem zur Status- und Leistungsabfrage, die Implementierung der Uploadschnittstelle zur Einreichung der Abschlussarbeit als digitale Ausgabe sowie die den Abgabeprozess fortführende Anbindung sowohl an das zentrale Archivsystem der Hochschule als auch an das Katalog- und Publikationssystem der Bibliothek. Perspektivisch sollen nicht nur die obligatorisch zu druckenden Ausgaben von Abschlussarbeiten wegfallen, auch das Schreiben von Prüfungsprotokollen soll gänzlich digitalisiert eingegeben und bearbeitet werden. Angedacht ist auch, die Public-Key-Infrastruktur der Hochschule zu nutzen, um Dokumente zu signieren. Die Auswertung von Metadaten zu Themen und Inhalt der Abschlussarbeiten ist ein weiterer Meilenstein auf der Agenda.

9.5

Logbuchsystem: Unterstützung der Qualitätssicherung und (Re-)Akkreditierung von Studiengängen

Ein wichtiger Anspruch, der sich aus dem Leitbild der TH Wildau ableiten lässt, ist die Aufrechterhaltung der hohen Qualität der Bildung und die kontinuierliche Weiterentwicklung und Verbesserung der Ablaufprozesse im Bereich Studium und Lehre. Um eine kontinuierliche Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung der Qualität zu gewährleisten, wurde an der TH Wildau ein zentrales Akkreditierungsbüro und eine interne Qualitäts- und Akkreditierungskommission (kurz QUAK) eingerichtet.

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Die operative Ausgestaltung der Qualitätsentwicklung erfolgt mithilfe von zwei in sich verzahnten Verfahren. Zum einen gibt es die internen Akkreditierungsaudits, die alle acht Jahre für neueingerichtete Studiengänge und für bereits akkreditierte Studiengänge durchgeführt werden. Weiterhin gibt es das jährliche Qualitätsaudit, in dem die Weiterentwicklungen und Veränderungen der Studiengänge, welche im Studienganglogbuch dokumentiert werden, dahingehend bewertet werden, ob sie sich negativ auf die Akkreditierungsfähigkeit der einzelnen Studiengänge auswirken würden. Ziel dabei ist, dass möglichst frühzeitig derartigen Entwicklungen entgegengewirkt werden kann. Die Aufgabe der Qualitäts- und Akkreditierungskommission ist die Überwachung und Förderung einer rechtzeitigen, ordnungsgemäßen und transparenten Durchführung der beiden Verfahren [4].

9.5.1

Die Entwicklung von Studiengängen transparent und nachvollziehbar machen

In beiden Verfahren werden die Studienganglogbücher für die Durchführung eines Qualitäts-, Akkreditierungs- und Reakkreditierungsaudits verwendet [5]. Ein Studienganglogbuch (kurz Logbuch) beinhaltete im Wesentlichen die Dokumentation von Veränderungen, die während des Studienjahres akkumuliert wurden, sowie die statistischen Daten nebst der Beschreibung der Herausforderungen, die sich aus den Studiengangsdaten ableiten lassen. Somit soll innerhalb des Studienganglogbuchs auf vorhandene Probleme aufmerksam gemacht und erklärt werden, wie mit bestimmten Sachverhalten (beispielsweise rückläufigen Bewerberzahlen) umgegangen werden soll [6]. Neben den Studienganglogbüchern werden im Qualitäts- und Akkreditierungsaudit die Berichte der Dekane, des Akkreditierungsbeauftragten und der Qualitäts- und Akkreditierungskommission ausgewertet. Der Workflow ist im Logbuchsystem vollständig digitalisiert und ist auf der folgenden Abb. 9.4 zu sehen.

9.5.2

Rollen und Arbeitsabläufe im Logbuchsystem

Wie aus der Abb. 9.4 ersichtlich ist, wurden im Logbuchsystem mehrere Rollen wie „Qualitätsbeauftragter“, „Dekan“, „Akkreditierungsbeauftragter“ und „QUAK“ implementiert. Es geht um eine m:n-Beziehung zwischen den Rollen und den Benutzern: Ein Benutzer kann mehrere Rollen im System haben und eine Rolle kann mehreren Benutzern zugewiesen werden. Jeder Benutzer hat sein eigenes Interface mit der jeweiligen Funktionalität im System. Das Studienganglogbuch wird von einem durch einen Studiengangssprecher bestimmten Qualitätsbeauftragten des jeweiligen Studienganges erstellt und geführt. Zu einem von dem Akkreditierungsbeauftragten festgelegten Zeitpunkt werden alle erstellten Studienganglogbücher automatisch vom Logbuchsystem an die Rolle „Dekan“ freigegeben. Der Benutzer der Rolle „Dekan“ hat einen lesenden Zugriff auf alle freigegebenen Studienganglogbücher seines Fachbereiches und kann sie im PDF-Format öffnen. In

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K. Root et al.

Qualitatsbeauftragte/r

Dekan/in

Beim Erstellen werden einige relevante Daten des Studienganges (z.B. Kennzahlen) automatisch vom Logbuchsystem ausgefüllt

Akkreditierungsbeauftragte/r

QUAK

Durch die vordefinierten Regeln wird die Kontrolle teilweise vom System übermomment.

Studienganglogbuch erstellen und führen

Studienganglogbücher kontrollieren

Die Grunddaten der Studiengänge mit einigen relevanten Informationen aus den entsprechenden Studienganglogbüchern werden automatisch im Gasamtbericht zusammengefasst.

Gesamtbericht schreiben Studienganglogbücher und Gesamtberichte der Dekane auswerten Das System unterstützt den Benutzer beim Erstellen des Auswertungsberichts, indem es entscheidende Informtionen und kennzahlen aus den Studienganglogbüchern und den Gesamtberichten der Dekane zusammenfasst und mit einem entsprechenden Staus markiert.

Durch die vordefinierten Regeln wird die Kontrolle teilweise vom System übermommen.

Auswertungsbericht an QUAK schreiben Studienganglogbücher, Gesamtberichte der Dekane und Auswertungsbericht uberpfrüfen

Feeback an den Beteiligten und dringende Empfehlungen an den Studiengangschreiben

Auswertungsbericht an Senat schreiben

Abb. 9.4 Workflow im Logbuchsystem mit Rollenverteilung und Aufgabenbeschreibung

seinem Interface hat der Benutzer die Möglichkeit, einen Gesamtbericht zu erstellen und ihn an die Rolle „Akkreditierungsbeauftragter“ freizugeben. Wie im Falle des Studienganglogbuchs kann die Freigabe des Gesamtberichts automatisch vom System erfolgen. Der Rolle „Dekan“ stehen auch andere Funktionen, wie eine schnelle Darstellung aller während des Studienjahres entstandenen Herausforderungen bei einem oder mehreren Studiengängen zur Verfügung. Die Rolle „Akkreditierungsbeauftragter“ hat ebenfalls ihr eigenes Interface mit der Funktionalität. Der Benutzer dieser Rolle liest die Gesamtberichte aller Fachbereiche und prüft die Vollständigkeit. Er hat einen lesenden Zugriff auf alle freigegebenen Studienganglogbücher und auf alle freigegebenen Gesamtberichte aller Fachbereiche. Wichtig ist an der Stelle, dass das System eine gewisse Flexibilität gewährleisten muss. Zum Beispiel wenn es einen neuen Fachbereich an der Hochschule dazugeben sollte, sollen die

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Reorganisation und Optimierung von Prozessen am Beispiel der Verwaltung . . .

151

Studienganglogbücher der neuen Fachbereiche bei der Rolle „Akkreditierungsbeauftragter“ entsprechend angezeigt werden, ohne irgendwelche Anpassungen am Interface dieser Rolle vorzunehmen. Das Gleiche gilt auch für neue Studiengänge u. Ä. Das heißt, dass das System möglichst erweiterbar und dynamisch sein soll. Neben der Rolle „Akkreditierungsbeauftragter“ ist auch die Rolle „QUAK“ für Qualitäts- und Akkreditierungskommission implementiert. Die Aufgabe der Qualitäts- und Akkreditierungskommission ist die Überwachung und Förderung einer ordnungsgemäßen Durchführung des Akkreditierungsaudits. Beide Rollen „Akkreditierungsbeauftragter“ und „QUAK“ können als zentrale Stelle für die Sammlung der Studienganglogbücher für eine weitere Analyse betrachtet werden. Der Benutzer der Rolle „QUAK“ hat einen lesenden Zugriff auf alle freigegebenen Studienganglogbücher und auf alle anderen Arten der Berichte, die von den anderen Rollen freigegeben wurden. Am Ende der gesamten Prozesskette eines Berichtsjahres werden die Feedbacks an alle Beteiligte und die ausgearbeitete dringende Empfehlung an den Verantwortlichen des Studienganges verschickt. Anschließend wird ein Auswertungsbericht an den Senat im Logbuchsystem erstellt. Außerdem kann das System die Benachrichtigungen in Form einer E-Mail an die Benutzer des Systems verschicken. Einerseits können die Benutzer auf wichtige Termine, wie z. B. das Abgabedatum, hingewiesen werden, andererseits können einige Aktionen des Benutzers bestätigt werden. Zum Beispiel wenn der Qualitätsbeauftragte ein Studienganglogbuch freigegeben hat, bekommt der Dekan des entsprechenden Fachbereiches eine Benachrichtigung darüber. Einer der Vorteile des digitalen Logbuches ist es, dass einige Daten vom Logbuchsystem automatisch erfasst und im Studienganglogbuch dargestellt werden. Dazu können folgende Daten gezählt werden: die Daten der Lehrbeauftragten, der internationalen Studierenden, die Kennzahlen eines Studienganges und vieles mehr. Die genannten Daten befinden sich in unterschiedlichen Datenbanken der Hochschule und sollen zuerst vom Logbuchsystem mittels der gebauten Schnittstellen erfasst werden. Der andere Vorteil des digitalen Studienganglogbuches ist, dass die Entwicklung von Studiengängen transparent und nachvollziehbar geworden ist. Um eine klare Architektur des Systems zu gewährleisten, muss die Funktionalität getrennt von der Darstellung programmiert werden. Somit erreicht der Programmierer die Wiederverwendbarkeit der einzelnen Komponenten. Die Trennung erleichtert die Änderung der existierenden Komponenten und die Erweiterung des Systems um weitere Bestandteile. Das entwickelte Logbuchsystem basiert auf dem MVC-Architekturmuster (engl. für Modell-Präsentation-Steuerung).

9.5.3

Ausblick und Perspektiven für das Logbuchsystem

Durch eine intensive Zusammenarbeit der Entwickler mit Ideengebern und Nutzern (Qualitätsbeauftragte der Studiengänge, Dekane, Akkreditierungsbeauftragter, Mitarbeiter des Hochschulrechenzentrums, Qualitäts- und Akkreditierungskommission) ist es möglich

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K. Root et al.

geworden, ein für die Hochschule optimiertes Werkzeug zu erstellen. Mit der wachsenden Digitalisierung setzt man neue Anforderungen an bestehende Systeme und Datenquellen. Durch die Digitalisierung des Studienganglogbuches wurde die Bereinigung einiger Datenquellen initialisiert, wo vorher die Beteiligung mehrerer Akteure erforderlich war. Schon in der Planung eines Digitalisierungsprojektes sollen Fälle dieser Art berücksichtigt und die Zeit für entsprechende Maßnahmen einkalkuliert werden. In naher Zukunft ist eine Implementierung und praktische Einführung eines automatisierten Kennzahlensystems ins Logbuchsystem geplant. Das System soll die ausgewählten Methoden aus dem Business-Intelligence (BI)-Bereich sowohl zur Aggregation als auch zur Visualisierung der Daten verwenden. Ziel ist es, das Logbuchsystem mit integriertem Kennzahlensystem als pragmatisches Arbeitsmittel zur Optimierung von Prozessen und der Verbesserung der Qualität von Studium und Lehre an der Technischen Hochschule Wildau zu nutzen [7]. Die Einführung eines Kennzahlensystems hilft, strategische Ziele zu operationalisieren. Gerade für eine Profilentwicklung lassen sich relevante Indikatoren über Kennzahlen überwachen. Mit einer grafischen Darstellung ist es wesentlich einfacher, die Zahlen zu analysieren und zu vergleichen. In einer grafischen Interpretation können auch die Zielwerte definiert werden, mittels derer man die entstandenen Tendenzen besser einschätzen könnte. Aus diesem Grund wurde in der Anwendung ein Prototyp für die Darstellung der Kennzahlen entwickelt. Das automatisierte Kennzahlensystem kann außerdem auch zur Förderung der Internationalisierung genutzt werden. Anhand spezieller Kennzahlen kann der Grad der Internationalisierung verfolgt werden (z. B. Beobachtung von Lernerfolgen) und so neben einer Bestandsaufnahme auch gezielt Einfluss auf die Qualität der Angebote für internationale Studierende genommen werden.

9.6

Reflexion

Vor der eigentlichen Umsetzung des Thesissystems und des Logbuchsystems lag eine umfangreiche Erfassung des damaligen Ist-Standes beider Prozesse. In Gesprächen mit allen beteiligten Akteuren wurde dabei nicht nur der jeweilige Prozessablauf erfasst, sondern es wurden auch Schwachstellen aufgedeckt und Optimierungsbedarfe ermittelt. Durch diese Anwendungen konnten somit nicht nur die aktuellen Prozesse digitalisiert, sondern auch verbessert und optimiert werden. Die gesamte Organisationsstruktur wird transparenter und übersichtlicher. Dadurch, dass viele zukünftige Anwender bereits in diese Planungsphase einbezogen wurden, konnte frühzeitig auch um eine Akzeptanz für diese Tools geworben werden. Informationsveranstaltungen, die begleitend in der Einführungsphase des jeweiligen Tools allen potenziellen Nutzer angeboten wurden, haben den Einstieg in die Verwendung zudem sehr positiv unterstützt.

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Danksagung Der Erfolg der hier beschriebenen Anwendungen wäre ohne die Unterstützung vieler Kolleginnen und Kollegen der TH Wildau nicht denkbar. Insbesondere möchten wir uns an dieser Stelle bei Herrn Ole Peters bedanken, der als Akkreditierungsbeauftragter sehr viel Zeit und Energie in eine inhaltliche Begleitung der Entwicklung des Logbuchtools investiert hat. Die Entwicklung des Thesisplanertools hat sehr wesentlich von der permanenten inhaltlichen Begleitung durch die Kolleginnen der beiden Dekanate der Hochschule profitiert: Frau Katrin Wiedemann und Frau Gabriela Anlauf vom Fachbereich WIR sowie Frau Annette Erdmann, Frau Kerstin Schulz und Frau Randy Haase vom Fachbereich INW. Abschließend gilt unser besonderer Dank den ehemaligen und aktuellen Dekanen der beiden Fachbereiche: Prof. Dr. Bertil Haack, Prof. Dr. Klaus-Martin Melzer, Prof. Dr. Heike Pospisil und Prof. Dr. Christian Müller für ihre investierte Zeit und die andauernde Unterstützung.

Literatur 1. Technische Hochschule Wildau (2019) http://www.th-wildau.de. Zugegriffen am 22.03.2019 2. Bartonitz, Martin (2018): Skalierung – teamübergreifende Abstimmung. In: M. Bartonitz et al. (Hrsg.) Agile Verwaltung. Springer, Berlin, S. 3 ff. https://doi.org/10.1007/978-3-662-57699-1_8 3. Auth G (2016) Die Rolle von Campus-Management-Systemen für die Digitalisierung der Hochschulen. DNH Die Neue Hochschule 4 4. Hochschulforum Digitalisierung (2016) The Digital Turn – Hochschulbildung im digitalen Zeitalter, Arbeitspapier Nr. 28. Hochschulforum Digitalisierung, Berlin. https://hochschulforumdigitalisierung. de/sites/default/files/dateien/Abschlussbericht.pdf. Zugegriffen am 22.03.2019 5. KMK (2016) Akkreditierungsstaatsvertrag der KMK sichert größtmögliche Qualität von Studiengängen und Mobilität für Studierende. https://www.kmk.org/aktuelles/artikelansicht/ak kreditierungsstaatsvertrag-der-kmk-sichert-groesstmoegliche-qualitaet-von-studiengaengen-und-mobi litaet-fuer-studierende.html. Zugegriffen am 22.03.2019 6. Werner K (2017) Die Akkreditierung von Studiengängen: Status Quo und Ausblick. Neu Zeitschrift für Verwaltungsrecht – Extra 1–2 7. Hammermann A, Stettes O (2016) Qualifikationsbedarf und Qualifizierung: Anforderungen im Zeichen der Digitalisierung, IW Policy Paper, No. 3/2016. Institut der deutschen Wirtschaft (IW), Köln, S 31–32 8. Konegen-Grenier C (2017) Handlungsempfehlungen für die Hochschule der Zukunft, IW-Report, No. 26/2017. Institut der deutschen Wirtschaft (IW), Köln, S 6 ff

Der Weg zur Digitalstrategie am Beispiel der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft in Ludwigshafen am Rhein

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Peer Küppers, Haio Röckle und Carsten Dorrhauer

Zusammenfassung

Im Rahmen der Digitalisierung an Hochschulen spielt die strategische Planung eine wesentliche Rolle. Dabei ist weder die Thematik der „Digitalisierung“ noch die der „strategischen Planung“ neu. Das Kapitel zeigt, wie die Mechanismen der strategischen Planung, insbesondere des Enterprise-Architecture-Managements, an der Hochschule Ludwigshafen zur Entwicklung einer Digitalstrategie angepasst und genutzt werden. Schlüsselwörter

Digitalstrategie · Hochschulprozesse · Digitale Hochschultransformation · Digitale Transformation · Enterprise Architecture

10.1

Einleitung

Die umfassende Diskussion der Digitalisierung in Politik und Gesellschaft bedeutet, dass in einem nie gekannten Ausmaß die Themen der Wirtschaftsinformatik in Öffentlichkeit und Medien Beachtung finden. Für die Wirtschaftsinformatik ergibt sich daraus die Chance, aber auch die Verantwortung, diese Aufmerksamkeit zu nutzen und ihre Kernkompetenzen zur Mitgestaltung der modernen Gesellschaft einzubringen, aber auch die dabei auftretenden Risiken zu kontrollieren. Im Bewusstsein dieser Verantwortung stellt dieser Beitrag exemplarisch das Beispiel der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft in Ludwigshafen hinsichtlich der Digitalisierung dar. Die Autoren danken Michael Werner und Prof. Dr. Hartmut Döringer für die freundliche Bereitstellung von Informationen. P. Küppers · H. Röckle · C. Dorrhauer (*) Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen, Deutschland E-Mail: [email protected]; [email protected]; [email protected] # Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 T. Barton et al. (Hrsg.), Hochschulen in Zeiten der Digitalisierung, Angewandte Wirtschaftsinformatik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26618-9_10

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P. Küppers et al.

Digitale Transformation bezeichnet einen fortlaufenden Prozess, der Organisationen und ganze Branchen, hier speziell Hochschulen, betrifft. Digitaltechniken erlauben dabei ganz neue Lösungen und Ansätze, anstatt nur bestehende zu unterstützen. Schließlich kann die digitale Transformation für eine Organisation „die Neuausrichtung ... hinsichtlich der Strategie, des Geschäftsmodells und der verwendeten Ressourcen und Prozesse“ [10] bedeuten. In einer knappen Übersicht werden deshalb die bisherigen Entwicklungen und deren Bezug zur Hochschulstrategie an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft in Ludwigshafen dargestellt. Daran anschließend werden die Grundlagen der strategischen Planung im Enterprise-Architecture-Management dargestellt, die berücksichtigt werden müssen, um für die Hochschule selbst sowie für Zielgruppen und Anspruchsgruppen gleichermaßen Nutzen entwickeln zu können. Als Kern des Beitrags werden danach die Anpassungen und konkreten Ausprägungen dargestellt, die innerhalb der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft in Ludwigshafen vorgenommen werden, um die allgemeinen strategischen Konzepte auf die Gegebenheiten der Hochschule sowie ihre internen und externen Akteure anzupassen. Um den Rahmen dieses Beitrags nicht zu sprengen, ist es geplant, in einer Folgearbeit Überlegungen zu Chancen und Risiken der Digitalisierung sowie konkrete Beispiele, insbesondere die Anwendung der strategischen Mechanismen auf die Digitalisierung der Lehre, vorzustellen.

10.2

Ausgangslage

10.2.1 IT an der Hochschule Ludwigshafen: schon früh in die Hochschulstrategie eingebettet Die 1965 gegründete Höhere Wirtschaftsfachschule Ludwigshafen wurde 1971 zu einem von 13 Standorten der Fachhochschule Rheinland-Pfalz. Ab 1976 wurde sie Teil der Abteilung Ludwigshafen/Worms. Seit 1996 ist sie eine eigenständige Fachhochschule, die 2008 mit der Evangelischen Fachhochschule Ludwigshafen fusionierte. Der Einzug der IT in Forschung und Lehre fiel also in eine Zeit fortwährenden organisatorischen Wandels, der die Rahmenbedingungen immer wieder neu setzte. Eine Schwierigkeit, mit der die Hochschul-IT fast überall zu kämpfen hat, ist eine lang anhaltende Unterbesetzung. Über viele Jahre war die Stellenzahl den Aufgaben nicht angemessen, weil sie aus den Sollstudienplatzzahlen ermittelt wurde, die weit unter den Ist-Werten lagen. Der seit Langem enge IT-Arbeitsmarkt und die Gehaltsstrukturen im öffentlichen Dienst verschärften die Situation, weshalb schon früh wissenschaftliche Hilfskräfte und ab 2001 Auszubildende im Rechenzentrum beschäftigt wurden. Die IT-Funktion an der Fachhochschule entsprang ursprünglich einem Labor des Fachbereichs Organisation/Wirtschaftsinformatik, der 1973 einen der ersten Wirtschaftsinformatik-FH-Studiengänge überhaupt hervorbrachte und die Lehre in dem Fach auch für BWL-Studiengänge leistete. Eine Honeywell-Bull-Anlage verarbeitete Lochkarten mit

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Der Weg zur Digitalstrategie am Beispiel der Hochschule für . . .

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Programmentwürfen der Studierenden. Ein erster PC wurde beschafft, Mitte der 1980erJahre dann der erste PC-Pool mit Macintosh-Rechnern und etwas später ein Raum mit Bildschirmarbeitsplätzen an einem BS2000-Rechner eingerichtet. Die Personalausstattung des Rechenzentrums bestand aus einem Operator und einem Assistenten des Fachbereichs. Zu dieser Zeit fielen IT-Entscheidungen aus Initiative einzelner Personen. Um einen Operator für die Anlage beschäftigen zu können, hatte der Fachbereich eine seiner Assistentenstellen an das Rechenzentrum abgegeben. Entscheidungsgremium für größere IT-Investitionen war ein Senatsausschuss für Datenverarbeitung der FH Rheinland-Pfalz. Die FH RheinlandPfalz, deren Präsident in Mainz saß, musste ihre IT-Beschaffungswünsche in einem Ausschuss vertreten, in dem neben ihr alle Universitäten des Landes vertreten waren. Später beschafften auch einzelne Professoren anderer Fachbereiche aus Eigeninitiative Personal Computer. Im Laufe der Zeit wurde ein proprietärer Mailserver unter AIX bereitgestellt, sodass Verwaltung und Fachbereiche bei Bedarf schon per Mail kommunizieren konnten. Das Rechenzentrum der Hochschule wurde seit Mitte der 1990er-Jahre als eigene Abteilung geführt, deren Leiter direkt dem Präsidenten, später dem Kanzler, unterstand. Das Budget des Rechenzentrums wurde von Kanzler und Haushaltsausschuss festgelegt. Um auch von wissenschaftlicher Seite Fachkompetenz in Entscheidungsprozesse einzubringen und die Anforderungen der Wissenschaft an die IT der Hochschule angemessen zu berücksichtigen, gab es die Funktion des Wissenschaftlichen Leiters des Rechenzentrums, die aus dem Kreis der Professoren besetzt wurde. In dieser Zeit der organisatorischen Aufwertung entstand z. B. die erste Webpräsenz der FH, von Novell wurde auf NT umgestellt, und die Token-Ring-Vernetzung wurde flächendeckend durch Twisted-Pair abgelöst. Eigene Anstrengungen für serverseitige Dienste machte auch die Trennung von der FH Worms notwendig, an der es schon früh Informatikstudiengänge und damit verbunden einen Rechenzentrumsbetrieb gab. Mit der Notwendigkeit eines eigenständigen Systembetriebs in Ludwigshafen kam die Chance, die Autonomie über IT-Entscheidungen zu erlangen. Eine weitere Antriebskraft für den IT-Betrieb waren die Anforderungen der Hochschulverwaltung, die ab Mitte der 1990er-Jahre im Zuge eines landesweiten Projektes an Bildschirmarbeitsplätzen mit einem Hochschulinformationssystem arbeitete. Die Außenstellen Ostasieninstitut und Turmstraße wurden mit kanalgebündelten ISDNLeitungen an die Zentrale angeschlossen. Kurz nach der Verfügbarkeit von SAP R/3 Anfang der 1990er-Jahre wurde die Software in Ludwigshafen genutzt, womit erstmals mehrere Studiengänge gemeinsam serverseitige Dienste in der Lehre nutzten. Man darf also festhalten, dass seit etwas über zwei Jahrzehnten der IT an der Hochschule Ludwigshafen strategische Bedeutung in der Form beigemessen wird, dass wichtige Entscheidungen seitens des Präsidenten im Einvernehmen mit dem wissenschaftlichen Leiter getroffen werden. Entscheidungsstrukturen außerhalb der Hochschule müssen freilich wegen der benötigten Budgets berücksichtigt werden. So mussten bis 2007 größere

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Investitionen, zu denen insbesondere die PC-Pools für die Studierenden gehörten, gemäß Hochschulbauförderungsgesetz beantragt werden. Um die wissenschaftlichen Leitungsfunktionen von operativen Aufgaben zu entlasten, gibt es einen Senatsausschuss für IT, der z. B. über Softwareupdates entscheidet.

10.2.2 Digitale Revolution an der HWG Ludwigshafen: Treiber und Anspruchsgruppen Für IT-bezogene Dienstleistungen lassen sich an einer Hochschule drei wesentliche Interessengruppen identifizieren: Dozierende, Studierende und Verwaltung (vgl. Abb. 10.1). Die digitale Revolution als gesellschaftliches Phänomen beeinflusst die Hochschule in besonderem Maße. Da es sich bei den Studierenden mehrheitlich um sogenannte „Digital Natives“ handelt, gehören diese zu den wesentlichen Treibern der digitalen Transformation an der Hochschule. Hieraus resultieren Erwartungen an die Hochschule als Organisation, z. B. dass möglichst viele Verwaltungsprozesse online ohne physische Präsenz an der Hochschule abgewickelt werden können. Besonders in der Prüfungsabwicklung ist das für viele Studierende wichtig, da sie während und nach der Prüfungszeit seltener vor Ort sind. Umgekehrt kann die Hochschule zum Treiber für ihre Mitarbeiter werden, die sich Digitalisierungsprozessen stellen müssen, welche ihre gewohnten Arbeitsabläufe ggf. radikal verändern können. Für die Gruppe der Dozierenden dürfte eine Mischung aus beiden Mechanismen der Realität am nächsten kommen. Abb. 10.1 Digitale Transformation der Hochschule

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10.3

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Enterprise Architecture als Grundlage der digitalen Transformation an der HWG Ludwigshafen

Für Hochschulen spielt die Digitalisierung als gesamtgesellschaftlicher Transformationsprozess sowie durch die Entwicklungen in der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) eine immer größere Rolle. Sie stellt die „nächste Entwicklungsstufe für den Umgang mit IKT“ [6] dar. Auf der einen Seite bieten sich große Chancen, die technologische Durchdringung der Gesellschaft für eine effektivere bzw. effizientere Gestaltung des Hochschulangebots zu nutzen. So bieten bspw. Cloudplattformen Möglichkeiten zur Vermittlung von Technologiewissen, die unter Verwendung eigener Infrastruktur und Personalressourcen mit vertretbarem Aufwand nicht machbar erscheinen. Auf der anderen Seite stellen insbesondere die mit digitaler Transformation einhergehenden, potenziell disruptiven Veränderungen von Prozessen Risiken für eine Hochschule dar, wenig zielführenden „Hypes“ nachzulaufen (vgl. [6]) bzw. Technologien ohne nachhaltige Nutzerakzeptanz unter signifikantem Einsatz von Personal- und Finanzressourcen einzuführen. Die Umstellung auf ein reines Onlineangebot in der Lehre lässt beispielsweise den Wunsch Studierender nach sozialer Interaktion in Gruppenarbeit oder den persönlichen Diskurs mit Lehrenden außer Acht. Die digitale Transformation an Hochschulen darf sich somit nicht auf die Einführung moderner Technologien in punktuellen Projekten beschränken, sondern bedingt die Entwicklung einer klaren Strategie, Schwerpunktsetzungen sowie eine hochschulweite bzw. überregionale Verankerung der umzusetzenden Konzepte (vgl. [5]). Es ist eine integrierte Betrachtung im Hinblick auf Forschung, Lehre und Verwaltung notwendig, wobei die digitale Transformation dabei „. . . nicht nur als inkrementelle Ergänzung bestehender Strukturen gesehen wird, sondern die Strukturen selbst infrage gestellt und verändert werden“ [9]. Dabei stellen in Hochschulen die vielfach dezentral organisierten Strukturen und Entscheidungsprozesse sowie die Freiheit von Forschung und Lehre besondere Herausforderungen an das von der DFG empfohlene, integrierte Informationsmanagement (IIM) zur strategischen Verankerung der digitalen Transformation dar (vgl. [5, 6, 9]). Entscheidend ist die Balance zwischen zentralen und dezentralen Verantwortlichkeiten sowie Entscheidungsprozessen, um die hochschulinternen und -übergreifenden Verbesserungspotenziale der digitalen Transformation umzusetzen. Prozesse müssen unter Berücksichtigung der speziellen Rahmenbedingungen vereinheitlicht bzw. unter Effizienzaspekten optimiert sowie auf die Effektivität des gesamten Hochschulangebots ausgerichtet werden. Umstrukturierungen derartigen Ausmaßes setzen zum einen die Verankerung der digitalen Transformation in der Hochschulstrategie und zum anderen eine klare Rollen- und Verantwortlichkeitsdefinition im Sinne der IT-Governance voraus. Dazu haben sich verschiedene Modelle an Hochschulen entwickelt, die die Verantwortlichkeit bei einem Chief Information Officer (CIO) bündeln und die Etablierung des IIM mit strategischer Ausrichtung anstreben. Die Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft (HWG) Ludwigshafen implementiert in diesem Kontext den Empfehlungen der DFG folgend den Ansatz des

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„strategischen CIO mit Stabsfunktion“ zur Koordination der digitalen Transformation im Präsidialstab (vgl. [5]). Im Rahmen der strategischen Steuerung der digitalen Transformation soll sich diese Rolle somit mit der Einführung potenziell disruptiver Digitalisierungskonzepte auseinandersetzen, gleichwohl aber auch die „Optimierung von Prozessen in der Gesamtorganisation“ [5] vorantreiben. Ziel ist somit die aktive Verankerung der digitalen Transformation in der Gesamtstrategie der Hochschule (vgl. [7]). Die dargestellten speziellen Rahmenbedingungen an Hochschulen führen dazu, dass die Umsetzung dieses Ziels als komplexer Aushandlungsprozess zwischen unterschiedlichen Akteuren innerhalb der Hochschulen anzusehen ist (vgl. [8]). Dieser betrifft nicht nur die kollaborative Entwicklung der digitalen Transformationsstrategie an sich, sondern gilt umso mehr, wenn es um die hochschulweite Umsetzung der Strategie durch konkrete Maßnahmen geht. Somit ist es unerlässlich, zunächst die potenziellen Auswirkungen der digitalen Transformation auf die Organisation zu durchdringen. Auch wenn für den Begriff „Digitale Transformation“ in der Wirtschaft kein allgemein akzeptiertes Verständnis vorliegt ist, so umfasst diese üblicherweise zwei interdependente Aspekte (vgl. [4]). Auf der einen Seite werden – wo nötig – veränderte Geschäftsmodelle (im Hochschulkontext bspw. E-Learning bzw. Blended Learning) sowie die Geschäftsprozessoptimierung (bspw. in der Prüfungsverwaltung) angestrebt. Auf der anderen Seite werden diese Ziele durch einen durchdringenden und zweckbezogenen Einsatz von IKT umgesetzt. Die digitale Transformation muss daher in Analogie zu einer Unternehmenstransformation angesehen werden, für deren erfolgreiche Umsetzung die enge Kooperation vieler Stakeholder notwendig ist. Die Transformationsplanung gilt als eine Kernfähigkeit des Unternehmensarchitekturmanagements (Enterprise Architecture Management, EAM), sodass diese Disziplin einen substanziellen Beitrag im Kontext der digitalen Transformation leisten kann (vgl. [14]). Grundlage für das EAM ist der Zugriff auf Konzepte und Modelle aus dem Bereich „Unternehmensarchitektur“ (Enterprise Architecture, EA). In einer EA werden die relevanten Strukturen und Prozesse sowie deren interdependente Beziehungen und ihr strategischer Bezug festgehalten, um ein Gesamtbild der Organisation und mit dieser in Verbindung stehender Stakeholder zu erhalten (vgl. [15]). Das große Potenzial des EAM zur Unterstützung der digitalen Transformation im Hochschulkontext wird durch verschiedene Projekte und Studien bestätigt. Beispielsweise beschreiben Sandkuhl et al. einen EA-basierten Ansatz zur Unterstützung der Transformation an der Universität Rostock (vgl. [17]). Heyde et al. diskutieren EA als ein Kernthema der Digitalisierung an Hochschulen (vgl. [6]), und Sanchez-Puchol et al. schlagen ein EA-basiertes Referenzmodell vor, das zur Kommunikation und Entscheidungsunterstützung im Kontext der strategischen Entwicklung von Hochschulen eingesetzt wird (vgl. [16]). Daher verfolgt die HWG Ludwigshafen im Rahmen der digitalen Transformation den Ansatz, das methodische Konzept EAM mit der organisatorischen Maßnahme „Etablierung der Rolle strategischer CIO“ zu kombinieren. Durch den EA-basierten Ansatz soll sichergestellt werden, die Chancen und neuen Anforderungen aus dem Thema Digitalisierung systematisch und umfänglich unter Einbeziehung der relevanten Stakeholder aufzunehmen (vgl. [1]). Entsprechend der

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Der Weg zur Digitalstrategie am Beispiel der Hochschule für . . .

161

Abb. 10.2 Enterprise Architecture als Grundlage der digitalen Transformation

DFG-Empfehlung wird eine Verbesserung der Arbeitsmöglichkeiten – einhergehend mit Effektivitäts- und Effizienzsteigerungen – durch eine integrative Betrachtung der Hochschulprozesse unter Berücksichtigung des technisch Machbaren angestrebt (vgl. [5]). Abb. 10.2 fasst den EA-Ansatz an der HWG Ludwigshafen und dessen Einbettung in das Spannungsfeld aus externen Einflussfaktoren und Erwartungen von hochschulbezogenen Stakeholdern zusammen. Die Entwicklung einer EA der Hochschule wird somit als Basisvoraussetzung für einen effektiven digitalen Transformationsprozess verstanden. Aufbauend auf den üblicherweise unterschiedenen Perspektiven Geschäfts-, Applikations- und Infrastrukturarchitektur, die sich im Einklang mit der Unternehmensstrategie befinden sollen (vgl. [15]), wurde ein vereinfachter EA-Ansatz gewählt. Kernelemente sind die Prozessarchitektur (in Analogie zur Geschäftsarchitektur) und die IT-Architektur, in der ausgewählte Elemente aus der Applikations- und Infrastrukturarchitektur zum Einsatz kommen sollen. Eine explizite Berücksichtigung hochschulstrategischer Elemente und deren Bezug zu den Prozess- und IT-Perspektiven werden als Basis der digitalen Transformationsplanung angesehen und erhalten somit einen entsprechenden Stellenwert.

10.4

Der digitale Transformationsprozess

10.4.1 Aufnahme der Ist-Situation Für die Planung und Umsetzung der digitalen Transformation an der HWG Ludwigshafen bedeutet der Stellenwert von EA im Rahmen der Digitalisierung, dass zunächst eine Aufnahme und vereinheitlichte Modellierung der Prozess- und IT-Landschaften sowie strategischer Aspekte in der Ist-Situation notwendig ist. Derzeit existiert keine integrierende

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Übersicht über Hochschulprozesse und eingesetzte Applikationen sowie die damit in Verbindung stehenden Stakeholder. Durch Zusammenführung der vorhandenen Prozessmodelle in Kombination mit Interviews von repräsentativen Stakeholdern soll zunächst die zur Transformationsplanung notwendige Transparenz über die Organisation in Form von EA-Modellen aufgebaut werden. Diese vereinheitlichte Sicht auf die Organisation und deren Prozesse sowie Applikationen soll darüber hinaus für sämtliche Akteure sichtbar gemacht werden, sodass bereits in einer frühen Phase der Transformationsplanung eine für spätere Schritte extrem wichtige Feedbackkultur etabliert und damit schnelle Iterationen und Architekturverfeinerungen umgesetzt werden können. Ein gemeinsames und umfassendes Verständnis der Ist-Situation wird somit als Grundlage zur effektiven Gestaltung der digitalen Transformation angesehen. Als im Bereich EA etablierte Modellierungssprache soll ArchiMate zum Einsatz kommen (vgl. [11]). Diese bietet einen integrativen Ansatz und erlaubt die formale Modellierung von Akteuren, Rollen, Geschäftsprozessen und -diensten sowie deren Bezug zu Applikationen und IT-Systemen. Darüber hinaus wird explizit die Verknüpfung der genannten Elemente zu strategischen Modellkomponenten unterstützt, sodass die Anforderungen an ein IIM mit strategischer Ausrichtung durch die ArchiMate-basierten EA-Modelle erfüllt werden. Der oben diskutierte, vereinfachte EA-Ansatz spiegelt sich dabei auch in der Erstellung der EA-Modelle wider. So beschränkt sich die Initiative auf wenige für den Zweck „Unterstützung der digitalen Transformation“ notwendige Modellierungselemente. Darüber hinaus wird in der ersten Iteration keine umfängliche Modellierung sämtlicher Prozesse angestrebt; stattdessen sollen die für die Hochschule relevanten Kernbereiche identifiziert und modelliert werden, um den digitalen Transformationsprozess nicht zu blockieren. Der Aufbau und die transparente Kommunikation von EA-Modellen der Hochschule haben neben der Grundlagenbildung für die digitale Transformation den Zweck, sämtliche Stakeholder über die für sie relevanten Angebote und Dienste der Hochschule zu informieren und Abläufe damit zu standardisieren. So sind beispielsweise nicht sämtlichen Lehrenden die existierenden Möglichkeiten zum sicheren und effizienten Dateiaustausch über die Cloud (bspw. für Klausuren), zur Produktion und Bereitstellung von Videos im Kontext von E-Learning bzw. Blended Learning oder die Möglichkeiten zum Aufsetzen von Webkonferenzen bekannt. Neben dieser Informationsfunktion der EA sollen Best Practices in den jeweiligen Prozessen festgehalten werden, sodass durch diese Maßnahme bereits Ineffizienzen reduziert werden (vgl. [6]). Ziel ist, die Stakeholder so zu unterstützen, dass nicht jeweils individuell neue Prozesse und Schnittstellen gestaltet werden müssen, bspw. zur Bereitstellung von Dateien für eine elektronische Klausur. Stattdessen soll unter Verwendung der vorhandenen IT-Landschaft jeweils nur ein etablierter Prozess in die EA aufgenommen werden, der die Effizienz erhöht (bspw. durch die Vermeidung von Medienbrüchen), aber auch die Effektivität steigert (bspw. durchgängige Nutzung von verschlüsselten Kommunikationskanälen und Wahrung des Datenschutzes). Grundlage einer „Vision für die digitale Hochschule“ [9] ist neben der Einführung innovativer Angebote und der Realisierung von Skaleneffekten durch optimierten Softwareeinsatz die Student Centricity. Durch diese sollen „. . . Studierende mit reduziertem Aufwand

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persönlich betreut und adressiert werden“ [9]. Auch an der HWG Ludwigshafen wird der Fokus auf die Ausrichtung des gesamten lehrbezogenen Produkt- und Dienstangebots auf die Bedürfnisse der Studierenden gelegt. Daher soll als grundlegendes Strukturierungsmerkmal der EA ein „Student Life Cycle“ (vgl. [12, 13, 18]) dienen, in dem phasenbezogen die verschiedenen Kontaktpunkte der Hochschule mit den Studierenden festgehalten werden. Diese Strukturierung ermöglicht Lehrenden sowie mit der Lehre und dem Studienangebot verbundenen Verwaltungseinheiten eine systematische Verankerung der durchgeführten Prozesse und verwendeten Applikationen. Daneben werden die mit der Forschung verbundenen Abläufe in die EA aufgenommen, um den Zugriff auf zentrale Einheiten und Angebote in diesem Kontext zu fördern. Strategische Aspekte spielen für die digitale Transformation und im Kontext von EA eine grundlegende Rolle. An der HWG Ludwigshafen wurden bereits diverse Teilbereiche der Hochschulstrategie definiert (bspw. in Bezug auf Forschung und Transfer). Die existierenden strategischen Aspekte sollen im Rahmen der Ist-Aufnahme festgehalten und mittels der Modellierungsmöglichkeiten von ArchiMate soweit wie möglich und notwendig formalisiert werden. Somit sollen die verschiedenen Komponenten und Dienste des Hochschulangebots im Hinblick auf Prozesse und IT-Applikationen in einer Modellierungsumgebung abgebildet und dabei auch mit strategischen Komponenten in Bezug gesetzt werden (vgl. [2]).

10.4.2 Strategieentwicklung und Pfade der digitalen Transformation Die Entwicklung einer Hochschulstrategie und als deren Teil die Definition einer Digitalstrategie gelten als Basisvoraussetzung für den Erfolg des Digitalisierungsprozesses (vgl. [8]). Es ist sicherzustellen, dass „. . . diejenigen Projekte mit einer hohen Übereinstimmung mit den Zielen der Hochschule dauerhafte Wirkung entfalten“ [6]. Um dem Stellenwert der Strategieentwicklung gerecht zu werden, soll an der HWG Ludwigshafen diese kombiniert „Bottom-up“ und „Top-down“ parallel zur dargestellten EA entwickelt werden. Langfristig wirkungsvolle Maßnahmen sollen durch Reviews der Prozesse und der eingesetzten Software in Kombination mit einem Abgleich von Best Practices identifiziert werden. Darüber hinaus sollen Befragungen relevanter interner Stakeholder (Studierende, Lehrende, Forscher, Verwaltungsangestellte) und externer Stakeholder (bspw. aus Partnerhochschulen) Erkenntnisse sowohl über Potenziale der Prozessoptimierung, aber auch über Möglichkeiten und Trends zur Änderung des Hochschulproduktportfolios geben. Die entsprechenden Ergebnisse sollen „Bottom-up“ mit langfristigen Trends im Bildungsbereich sowie in einem „Topdown“-Abgleich mit der Hochschulgesamtstrategie in Einklang gebracht werden. Um dieses abstrakte Ziel der Entwicklung einer Digitalstrategie zu erreichen, wird zur Umsetzung der vorgestellten Methode eine Strukturierung des Hochschulangebots und der -prozesse in Form von „Produkten“ und dem „operativen Modell“ zugrunde gelegt (vgl. Abb. 10.3 sowie [3, 17]). Das Ziel dieser Strukturierung ist eine differenzierte Betrachtung der möglichen „Pfade der digitalen Transformation“ in den verschiedenen Bereichen der Hochschule.

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Abb. 10.3 Pfade der digitalen Transformation. (In Anlehnung an [3])

Einerseits muss definiert werden, welche von der Hochschule angebotenen Produkte im Rahmen der Transformation zu verändern sind. Ein Produkt kann bspw. ein Studiengang sein, für den wiederum ein spezifischeres Produkt notwendig ist (bspw. die Durchführung einer Vorlesung in der Lehre), die wiederum auf Dienste zurückgreift (bspw. die Anmeldung zu einer Prüfung in der Verwaltung). In der Produktdimension der digitalen Transformation gilt nun zu entscheiden, welche (Teil-)Produkte durch die digitale Transformation aufgewertet, erweitert oder neu definiert werden sollen. Aufwerten könnte bspw. die Nutzung eines Forums in einem Online-Learning-System parallel zur üblichen Veranstaltung bedeuten, ohne das Produkt und den Prozess stark zu verändern. Bei der Erweiterung wird der Kernprozess angepasst, indem bspw. neben der Präsenzlehre digitale Formate angeboten werden. Eine Neudefinition in der Lehre könnte das Angebot eines reinen Onlinevorlesungsformats darstellen (Disruption). In der Dimension des operativen Modells können andererseits bestehende Prozesse von der isolierten Nutzung von Technologien, über eine punktuelle Prozessoptimierung bis hin zu einer vollständig auf den Kunden ausgerichteten (Student-Centricity)Prozess- und IT-Landschaft verändert werden. Diese Dimension wird somit als „klassische“ Prozessoptimierung und Prozessausrichtung auf die relevanten Stakeholder unter Verwendung und Einführung von IT-Systemen verstanden. Beispielhaft sei im Hochschulkontext die Übermittlung von Klausurnoten durch den Prüfer über das Prüfungsamt bis hin zur Information des Studierenden genannt. Diese kann mittels eines durch Medienbrüche geprägten Prozesses umgesetzt sein (Ausdruck von Noteneingabelisten durch das Prüfungsamt, Eingabe der Matrikelnummern und Punkte in eine Excel-Arbeitsmappe durch den Prüfer, Niederschreiben der Punkte auf Notenliste durch den Prüfer, Eingabe im Prüfungsamt, regelmäßige Überprüfung der Noten durch Studierende). Ein erster Schritt könnte die elektronische Übermittlung mittels Excel-Arbeitsmappen und einer standardisierten Schnittstellendefinition zwischen Prüfungsamt und Prüfer sein. Ein voll integrierter und auf den Studierenden ausgerichteter Prozess könnte unter Verwendung entsprechender Zugriffsrechte dem Prüfer Zugriff auf das Prüfungsamtsystem geben und dieses proaktiv

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den Studierenden nach Noteneingabe per E-Mail informieren. Derartige „einfache“ Prozessoptimierungen bedingen keine Disruptionen und stellen keine weitreichende Innovation dar. Sie sind aber als Grundvoraussetzung für weitere Schritte der digitalen Transformation unabdingbar (vgl. die vorgestellten Thesen in [6]). Die vorgestellte zweidimensionale Betrachtung der digitalen Transformation erlaubt die Definition unterschiedlicher Transformationspfade je Anspruchsgruppe. Somit wird nicht zwangsläufig in allen betroffenen Bereichen eine vollständige Neudefinition der Produkte und Dienste angestrebt, sondern eine differenzierte Transformation und damit Strategieentwicklung aufgeteilt auf die von der Hochschule angebotenen Produkte und damit in Verbindung stehenden Stakeholder wird an der HWG Ludwigshafen verfolgt. Die Reichweite und Langfristigkeit von Maßnahmen im Rahmen der digitalen Transformation und nicht zuletzt die begrenzten finanziellen und personellen Ressourcen bedingen eine sorgfältige Auswahl und Priorisierung der in die Digitalstrategie aufzunehmenden Kernelemente. Dementsprechend wird an der HWG Ludwigshafen das im folgenden Abschnitt diskutierte, iterativ-inkrementelle Vorgehen zur digitalen Transformation verfolgt.

10.4.3 Inkrementelle digitale Transformation an der HWG Ludwigshafen Ziele des beschriebenen Vorgehens sind die systematische Ableitung einer Digitalstrategie für die HWG Ludwigshafen insbesondere durch Identifikation und Priorisierung strategischer Transformationsmaßnahmen. Wie bereits motiviert stellen die Konzepte und Methoden der EAM eine passende Grundlage für das Transformationsmanagement dar. Dabei sollte zwischen strategischem und operativem Architekturmanagement unterschieden werden, mit dem Ziel, „. . . nicht nur Strategie in operative Umsetzung zu bringen, sondern auch aus der Umsetzung zu lernen und dieses Erfahrungswissen aus dem operativen Architekturmanagement in das strategische zurück zu transportieren“ [14]. Diesem Ansatz der interdependenten strategischen und operativen Transformation folgend wurde bereits die kombinierte Top-down- und Bottom-up-Vorgehensweise zur Strategiedefinition vorgestellt, durch die aus Erkenntnissen im operativen Umfeld strategische Handlungsfelder abgeleitet werden sollen. Dieser Prozess soll sich allerdings nicht nur auf die Vorbereitungen der Umsetzung (insbesondere die Strategieentwicklung) beschränken, sondern es soll während der kontinuierlich laufenden digitalen Transformation auf geänderte Rahmenbedingungen und Stakeholder-Inputs reagiert werden können. Dieses reaktive Vorgehen in der Transformation und im Architekturmanagement kann als „agile Transformation“ verstanden werden, d. h. ein „. . . schrittweises Vorgehen, unter laufender Beobachtung der Auswirkungen und flexiblem Reagieren darauf“ [4] wird implementiert. In diesem Kontext werden dem Fokus auf die Stakeholder, der dynamischen Risikobehandlung und dem inkrementellen Vorgehen besondere Bedeutung beigemessen. Abb. 10.4 fasst das für die HWG Ludwigshafen entsprechend gestaltete, inkrementelle Vorgehen der digitalen Transformation zusammen.

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Abb. 10.4 Inkrementelle digitale Transformation an der HWG Ludwigshafen

Der Transformationsprozess basiert auf der aufgenommenen IST-EA. Diese bildet den aktuellen Zustand der Hochschule im Hinblick auf relevante Produkte, Dienste, Prozesse und Applikationen ab. Die in Abb. 10.2 vorgestellten externen Einflussfaktoren und die Erwartungen an eine effiziente und effektive Umsetzung des Hochschulangebots bilden die Grundlage, in der IST-EA Schwachstellen und Optimierungspotenziale zu identifizieren. Entsprechende Maßnahmen zur Reaktion sollen wie beschrieben unter intensiver Einbeziehung sämtlicher relevanter Stakeholder identifiziert werden. Die Maßnahmen werden dabei auf die entwickelte Digitalstrategie ausgerichtet (bzw. haben diese dem Bottom-upGedanken folgend beeinflusst). Die Digitalstrategie wird in diesem Kontext leitend für genau ein Inkrement (Zeithorizont 1–3 Jahre) in der verfolgten agilen Transformation verstanden. Dies bedeutet nicht, dass die Digitalstrategie keine langfristigen Elemente über den genannten Horizont hinaus enthalten kann; stattdessen wird in jedem Inkrement eine Prüfung und ggf. Revision der Digitalstrategie angestrebt. Eine Priorisierung der Maßnahmen soll anhand einer Bewertung der Chancen und Risiken insbesondere auch vor dem Hintergrund einer ressourcenbezogenen Bewertung (finanziell und damit einhergehend auch personell) erfolgen. Wie dargestellt erfolgt eine differenzierte Betrachtung der Transformationspfade, sodass insbesondere auch strukturverändernde Projekte (bspw. im Bereich E-Learning bzw. Blended Learning) Teil der digitalen Transformation sein können. Es soll die passende Balance zwischen kurzfristigen Optimierungspotenzialen und der notwendigen langfristigen Reaktion der Hochschule auf die Digitalisierung gefunden werden.

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Im Anschluss an die Priorisierung werden konkrete Projekte initiiert (Umsetzung). Auch in diesem Rahmen soll einer agilen Vorgehensweise folgend eine frühe und kontinuierliche Evaluation, insbesondere vor dem Hintergrund der Digitalstrategie erfolgen. Dazu wird die Nutzung leichtgewichtiger Onlineumfragen zur frühen Einbeziehung der relevanten Stakeholder angestrebt. Darüber hinaus werden sämtliche Veränderungen der Organisation und Strategie dokumentiert und in einer SOLL-EA festgehalten, die nach Durchführung des Inkrements den neuen Ist-Zustand darstellt. Somit wiederholt sich der vorgestellte Prozess im angesprochenen Rhythmus von 1–3 Jahren. Zusammengefasst wird die digitale Transformation an der HWG Ludwigshafen als ein in die Hochschulstrategie eingebetteter, iterativer Prozess verstanden. Dieser basiert auf den Ideen der EA sowie agiler Vorgehensweisen, in denen die frühe Einbeziehung der Stakeholder und das kontinuierliche Risikomanagement einen besonderen Stellenwert innehaben. Die differenzierte Transformationsplanung räumt dabei potenziell disruptiven Konzepten Raum ein, um zu verhindern, dass die Hochschule Innovationen und wichtige Trends im Bildungs- und Forschungsbereich verpasst. Darüber hinaus soll durch die konsequente Perspektive der Prozessoptimierung (operatives Modell) die Zufriedenheit sämtlicher Stakeholder (Studierende, Lehrende, Forscher, Verwaltungsangestellte) gesteigert und Raum für weitere Innovationen geschaffen werden. Sämtliche Maßnahmen sollen durch eine kollaborativ entwickelte Digitalstrategie geleitet werden, die sich in regelmäßigen Abständen aktuellen Entwicklungen und geänderten Rahmenbedingungen stellen muss.

10.5

Fazit

Die Digitalisierung als gesamtgesellschaftlicher Transformationsprozess stellt für Hochschulen aufgrund der Vielzahl von Anspruchsgruppen und Erwartungshaltungen eine große Herausforderung dar. Durch die Anwendung moderner Technologien gilt es, die Chancen der digitalen Transformation in den verschiedenen Bereichen der Hochschule möglichst effizient zu nutzen. Damit einhergehende Risiken, insbesondere durch begrenzt zur Verfügung stehende Ressourcen, müssen demgegenüber evaluiert und in sämtlichen IT-bezogenen Entscheidungsprozessen berücksichtigt werden. Die Notwendigkeit einer langfristigen Planung im Kontext der IT-Entwicklung an der HWG LU wurde früh erkannt und spiegelt sich in der dargestellten Historie von Entscheidungen und Maßnahmen wider. Allerdings sind der Änderungsbedarf, die Komplexität und das Ausmaß derartiger Entscheidungen vor dem Hintergrund der Digitalisierung in den letzten Jahren stetig gewachsen. Diesen Entwicklungen muss mit einer strategischen Verankerung der digitalen Transformation begegnet werden, um die Attraktivität des Hochschulangebots in Forschung und Lehre sowie die Effizienz der gesamten Organisation langfristig sicherstellen zu können. Vor diesem Hintergrund wird derzeit insbesondere die Digitalstrategie an der HWG LU neu definiert. Die Strategieentwicklung und die Durchführung zukünftiger Maßnahmen werden durch die neu geschaffene Stelle des

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„Präsidiumsbeauftragten für digitale Technologien“ im Sinne eines strategischen CIO unterstützt. Somit zeigt die Hochschule eine starke Verbindlichkeit, den aktuellen Herausforderungen der Digitalisierung zu begegnen. Die Entwicklung der Digitalstrategie sowie die Umsetzung der digitalen Transformation werden aufgrund ihrer hohen Bedeutung durch den vorgestellten Enterprise-Architecturebasierten Ansatz gestützt. Auf diese Weise sollen der hohen Komplexität zugrundeliegender Prozesse sowie den hochschulspezifischen Besonderheiten, insbesondere der Vielzahl an Stakeholdern, in der Strategieentwicklung und -umsetzung begegnet werden. Dieses EA-basierte Konzept zeichnet sich durch relativ kurze Iterationen und eine inkrementelle digitale Transformation aus, sodass sich die Digitalstrategie der HWG LU regelmäßig aktuellen Technologie- und Marktentwicklungen stellt. Die digitale Transformation wird somit als ein kontinuierlicher Prozess verstanden, in dem auf technologische und gesellschaftliche Veränderungen – insbesondere getrieben durch die fortschreitende Digitalisierung – möglichst effizient und effektiv reagiert werden soll.

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Proceedings of 10th international workshop, BPMDS 2009, and 14th international conference, EMMSAD 2009, held at CAiSE 2009, Amsterdam, The Netherlands, June 8–9, 2009, Bd 2009. Springer, Berlin/Heidelberg, S 367–380 12. Lizzio A (2011) The student lifecycle: an integrative framework for guiding practice. Griffith University, Brisbane 13. Morgan M (Hrsg) (2012) Improving the student experience. A practical guide for universities and colleges, 1. Aufl. Routledge, Abingdon 14. Niemann KD (2018) Unternehmensarchitektur und Digitalisierung. HMD – Praxis der Wirtschaftsinformatik 55(5):907–927. https://doi.org/10.1365/s40702-018-00441-1 15. Rohloff M (2005) Enterprise architecture-framework and methodology for the design of architectures in the large. ECIS 2005 Proceedings, S 113 16. Sanchez-Puchol F, Pastor-Collado JA, Borrell B (2017) Towards an unified information systems reference model for higher education institutions. Procedia Comput Sci 121:542–553 17. Sandkuhl K, Lehmann H (2017) Digital transformation in higher education-the role of enterprise architectures and portals. In: Rossmann A, Zimmermann A (Hrsg) Digital Enterprise Computing (DEC 2017). July 11–12, 2017: Böblingen, Germany. Gesellschaft für Informatik e. V. (GI), Bonn, S 49–60 18. Schulmeister R (2007) Der “Student Lifecycle“ als Organisationsprinzip für ELearning. eUniversity-Update Bologna, Waxmann/Münster, S 45–77

Teil III Lehre im Zeitalter der Digitalisierung

Podcasting in digitaler Lehre und Wissenschaftskommunikation

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Jürgen Karla und Sabine Hoffmann

Zusammenfassung

Das Bestreben von Hochschulen, Studierenden und Arbeitgebern, eine intensive Verknüpfung der Wissensvermittlung mit praktischen Anwendungsinhalten zur Förderung der „Employability“ zu erreichen, wird immer stärker. Mit der hier vorgestellten digitalen Lehrinnovation wird Studierenden die Möglichkeit gegeben, einen Podcast als ein digitales Produkt selbstständig zu entwickeln. Dabei werden mit der Lehrinnovation zwei Ziele verfolgt: (a) Zum einen werden produzierte Podcastreihen als Teil einer gesamten Prüfungsleistung geltend gemacht und (b) zum anderen über die Publikation der Podcasts Schülern und Schülerinnen, aktuellen Studierenden und Unternehmen Informationen aus der Hochschule und den Studiengängen zur Verfügung gestellt. Inhaltlich werden in den Podcastepisoden Themen aus Abschlussarbeiten aufgegriffen und in anschaulicher Weise vermittelt. Im Beitrag wird die Umsetzung der digitalen Lehrinnovation dargestellt und zwecks Replizierbarkeit ausführlich beschrieben. Dabei werden die Ziele der Lehrinnovation erläutert, die Lernergebnisse skizziert und die Umsetzung in vier Schritten (technische Infrastruktur, Konzeption der Lehrinnovation, Qualitätssicherung und Evaluation, Multiplikation in das Kollegium) erläutert. Der Abschnitt Konzeption wird dabei weiter in Redaktionsplanung, Aufnahmetechnik und Aufnahmeprozess, Schnitt- und Audiobearbeitung sowie Publikation gegliedert. Schlüsselwörter

Podcast · digitale Lehre · Wissenschaftskommunikation · Mobile Learning · Lehrinnovation

J. Karla (*) · S. Hoffmann Hochschule Niederrhein, Mönchengladbach, Deutschland E-Mail: [email protected]; [email protected] # Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 T. Barton et al. (Hrsg.), Hochschulen in Zeiten der Digitalisierung, Angewandte Wirtschaftsinformatik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26618-9_11

173

174

11.1

J. Karla und S. Hoffmann

Ausgangslage

Das Bestreben von Hochschulen, Studierenden und Arbeitgebern eine intensive Verknüpfung der Wissensvermittlung mit praktischen Anwendungsinhalten zur Förderung der „Employability“ zu erreichen, wird immer stärker. Um dieser Grundidee weiter nachzukommen und Studierende bestmöglich auf ihren zukünftigen Beruf vorzubereiten, soll im folgenden Beitrag ein Konzept für eine Lehrinnovation zur aktiven Wissenschaftskommunikation in Form von abonnierbaren Audioinhalten über ein Podcastangebot vorgestellt werden. Diese Lehrinnovation kann durch Studierende unter Anleitung eines Lehrenden umgesetzt werden und somit zur Stärkung der Profile der Studierenden beitragen. Bereits seit einigen Jahren werden Konzepte wie das Technology-enhanced learning (TEL) wissenschaftlich betrachtet. Gemeint ist damit häufig ein Einsatz von Informationsund Kommunikationstechnik in der Lehre, ohne jedoch eine konkrete Definition dessen zu liefern [1]. Auch wurde bereits kurz nach der ersten Hypewelle des Podcastings (2004–2007, Anm. der Autoren) über einen Einsatz in der akademischen Lehre geforscht [2–4]. Interessant ist hierbei, dass die seinerzeit erkannten Problemfelder [5, 6] des Einsatzes audiovisueller Medien in der Lehre in der heutigen Zeit weitestgehend durch technische und didaktische Lösungen adressiert werden. Die hier vorgestellte Lehrinnovation wurde im Rahmen des Moduls „Social Media“ im Studiengang Wirtschaftsinformatik B.Sc. am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Hochschule Niederrhein in Teilen erprobt. Dabei wurde den Studierenden die Möglichkeit gegeben, einen Podcast als ein digitales Produkt selbstständig zu entwickeln.Die Ziele des Konzeptes waren mehrschichtig gestaltet: (a) sollte die produzierte Podcastreihe als Teil der Prüfungsleistung geltend gemacht, (b) somit das Kompetenzportfolio der Studierenden erweitert und (c) über die Publikation der Podcasts Schülern und Schülerinnen, aktuellen Studierenden und Unternehmen Informationen aus der Hochschule und über den Studiengang Wirtschaftsinformatik B.Sc. zur Verfügung gestellt werden. Inhaltlich können in den Podcast-Episoden beispielsweise Themen aus Abschlussarbeiten aufgegriffen und in anschaulicher Weise vermittelt werden. Somit können Schüler und Schülerinnen für Inhalte der Wirtschaftswissenschaften interessiert, aber auch zukünftige Arbeitgeber auf potenzielle Mitarbeiter sowie Lehr- und Forschungsthemen des Fachbereichs aufmerksam gemacht werden. Studierende können von den Arbeiten ihrer Kommilitonen über die Wissensvermittlung anhand der Lehrinnovation profitieren. Studieninteressierte sowie auch jüngere Studierende können thematische Einblicke gewinnen und sich ein Bild davon machen, zu welchen Themen Abschlussarbeiten an der Hochschule Niederrhein geschrieben werden können. Die Grundidee des Konzepts fokussiert daher auf die Schaffung eines wissenschaftlichen Fundaments, auf dem die Studierenden aufbauend befähigt werden, selbstständig Kompetenzen zu entwickeln. Dies bedingt eine große Nähe zu den Studierenden und einen intensiven Austausch mit ihnen. Dabei ist bekannt, dass Studierende die erlernten und erarbeiteten Ergebnisse gerne auch im Kontext der Wissenschaftskommunikation teilen möchten. Dies erfolgte in der Vergangenheit häufig im Rahmen von gemeinsamen schriftlichen Publikationen und konnte bis hin zu Dissertationsschriften führen, welche ergänzend die Möglichkeit boten, die Studierenden über die Interaktion in einzelnen

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Podcasting in digitaler Lehre und Wissenschaftskommunikation

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Veranstaltungen hinaus wissenschaftlich anzuleiten und zu begleiten. Jedoch zeigt sich in der modernen Wissenschaft, dass nicht jedes gute Ergebnis auch für eine Publikation in einem gedruckten Organ geeignet ist. Dies gilt insbesondere für Ergebnisse, die im Rahmen wissenschaftlicher Abschlussarbeiten erzielt wurden. Studierende investieren hier sehr viel Energie und Freude in die Erarbeitung neuer Erkenntnisse, nur um im Anschluss feststellen zu müssen, dass die Ausarbeitung dann in einem Aktenschrank gelagert wird und nur selten durch z. B. eine Publikation eine Würdigung in größerem Rahmen erfolgt. Diese Problematik sowie die Forderung nach einer stärkeren Verknüpfung der Wissensvermittlung mit praktischen Anwendungsinhalten sollte im Rahmen der Umsetzung der hier vorgestellten Lehrinnovation zu Podcasting in Lehre und Wissenschaftskommunikation adressiert werden. Erfahrungswerte zeigen, dass Studierende gerne audiovisuelle Medien zur Nach- und Vorbereitung von Lernsituationen nutzen. Allgemeine Statistiken belegen darüber hinaus, dass die Nutzung von Podcasts derzeit ein stark wachsendes Potenzial auch für die Wissenschaftskommunikation in sich birgt [7]. Dieses Potenzial sollte aufgegriffen werden. Gleichzeitig sollen die Studierenden und Lehrenden zur Nutzung digitaler Technologien ermutigt werden. So können Inhalte eines Studienganges in einer geeigneten Form in die Wissenschaftskommunikation transportiert werden, d. h. Schülern und Schülerinnen, Lehrern und Lehrerinnen, aber auch Unternehmen einen Zugang zu Inhalten eines Studienganges und ein Verständnis für wissenschaftliche Erkenntnisse ermöglichen [8, 9] (insbesondere für Studiengänge wie die MINT-Fächer, die immer wieder als vergleichsweise unbeliebt in den Medien dargestellt werden). Das Ziel der hier vorgestellten Lehrinnovation lässt sich dementsprechend mehrschichtig konkretisieren: Studierende werden in der Nutzung digitaler Medien angeleitet und zur Erstellung dieser befähigt. Um die Rahmenbedingungen für die Lehrinnovation zu schaffen, wurde in der exemplarischen Umsetzung die Lehrmethode in eine projektbasierte Methode verändert. Pädagogisch unterstützt wurde das Lernen, indem der Lehrende sich aus der Position des frontal Dozierenden zurückzog und den Studierenden als Coach zur Seite stand. Als erstes Anwendungsfeld wurde die Erstellung von Podcasts durch Studierende vorgesehen. Darin werden Absolventen, Unternehmensvertreter und Lehrende zu erarbeiteten Abschlussarbeiten interviewt und deren Ergebnisse dadurch sichtbar gemacht. Diese sollen dann für die Wissenschaftskommunikation genutzt werden. So können die Podcastepisoden genutzt werden, um sowohl Studieninteressierten als auch Studierenden einen Einblick darin zu geben, was eine Wissenschaft ausmacht und zu welchen Themen sowie auf welche Art und Weise Abschlussarbeiten in einem Studiengang geschrieben werden.

11.2

Umsetzung der Lehrinnovation

Die geplante Lehrinnovation soll einem ganz realen Projektvorhaben entsprechen (Aufgabenstellung, Analyse, Konzeption, Entwurf, Umsetzung, Test, Implementierung). Pädagogisch unterstützt werden soll das Lernen im Projekt „Podcast“ vom Lehrenden durch die Begleitung der Lernprozesse. Dies bringt eine Veränderung der Rolle des Lehrenden

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J. Karla und S. Hoffmann

mit sich, in der dieser berät, unterstützt und begleitet (projektbasierte Lernmethode). Den Studierenden wird die Möglichkeit gegeben, ein komplettes Projekt zu durchlaufen und sich in diesem zu erproben. Das fertige Produkt dient anstelle einer Hausarbeit als Prüfungsleistung und hätte darüber hinaus das Potenzial – auch über die Hochschulgrenze hinaus –, insbesondere zukünftige Arbeitgeber, aber auch Schulen (zukünftige Studierende) zu erreichen. Die Lehrinnovation verfolgt folgende Projektziele: 1. Zufriedenheit aller Akteure (Studierende, Lehrende, Hochschule, Unternehmen, Schule), 2. Lernerfolg am Ende der Maßnahme (Projektdurchführung, Produktion, Podcast), 3. Lerntransfer auf Anwendungssituation, 4. Transparenzschaffung über Abschlussarbeiten (Hochschule intern, aber auch Schulen und Unternehmen). Skizzierung der Lernziele, die in der geplanten Lehrinnovation erreicht werden: 5. Die Studierenden können digitale Kommunikationsmedien benennen und diese in ihrer Gesamtheit klassifizieren. 6. Die Studierenden können ein Konzept (über Projektphasen hinweg) einer Podcastproduktion entwickeln. 7. Die Studierenden können eine Redaktionsplanung für eine Podcastproduktion unter Einbeziehung einer Social-Media-Strategie entwerfen. 8. Die Studierenden wenden Kenntnisse zu Technik und Prozessen in Pre-Produktion, Produktion und Post-Produktion an. 9. Die Studierenden können die Ergebnisse in Form von Podcastepisoden präsentieren. Umsetzungsschritt 1 – Herstellung technischer und organisatorischer Infrastruktur Im Rahmen der Umsetzung der vorgestellten Lehrinnovation sollen die Rahmenbedingungen für eine digitale Lehre verbessert und den Studierenden damit die Möglichkeit zur Weiterentwicklung ihrer Kompetenzen und Fähigkeiten gegeben werden. Dazu ist entsprechend eine Investition in Hardware für die Produktion von Audioinhalten zu tätigen. Daneben sind Softwarelizenzen vorzuhalten. Zur Umsetzung der Lehrinnovation in der Breite kann außerdem ein Multiplikatoreffekt durch den Einsatz von studentischen Hilfskräften angestrebt werden, die das Vorhaben insbesondere aus der technischen und redaktionellen Perspektive (Einweisung in die Technik, Anfertigung der Aufnahmen, Unterstützung bei Pre-Produktion und Post-Produktion, Erstellung von Interviewkonzepten und Rahmenwerken) unterstützen könnten. Abb. 11.1 zeigt eine typische Grundausstattung für Podcastvorhaben, die basierend auf Interviewsituationen ausgerichtet sind. Den Kern stellt dabei ein Aufnahmegerät dar. Daneben sind für die Teilnehmer Mikrofone oder Headsets vorzuhalten. Ergänzend kann z. B. ein mobiles Soundshield mit Mikrofon für das Einsprechen von Intro und Outro oder erläuternden Sequenzen bereitgestellt werden (Abb. 11.2).

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Podcasting in digitaler Lehre und Wissenschaftskommunikation

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Abb. 11.1 Hardwaregrundausstattung Podcasting

Abb. 11.2 Soundshield mit Mikrofon und Ploppschutz für Sprecherarbeitsplatz

Im Sinne der didaktischen projektbasierten Methode kann außerdem eine Schulung des Lehrenden in Coachingtools (Methoden, Techniken, Instrumente und Konzepte) vorgesehen werden. Des Weiteren kann eine Schulung des Lehrenden im Bereich Radiosprechen

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vorgesehen werden, mit dem Ziel, das dort erlangte Wissen an die Studierenden weitergeben zu können. Für eine initiale Umsetzung ist außerdem eine Schaffung zeitlicher Freiräume für den Lehrenden notwendig. Umsetzungsschritt 2 – Konzeption einer Lehrveranstaltung Sind diese Rahmenbedingungen gegeben, kann damit ein integriertes Konzept für die Verknüpfung von Lehre und Wissenschaftskommunikation umgesetzt werden. Im deutschsprachigen Markt existieren zwischenzeitlich einige, jedoch nicht viele Podcastangebote, die sich wissenschaftlichen Themen widmen. Für die hier konkretisierte Umsetzung im Kontext der Wirtschaftsinformatik gilt: Im Bereich der Wirtschaftsinformatik existieren zwei Angebote [10, 11], die beide durch die Lehrenden getragen sind und durch eine wissenschaftlichgesellschaftspolitisch-historische bzw. enge thematische Sichtweise charakterisiert werden können. Ein Podcastformat, welches durch Studierende getragen wird, über studentische Abschlussarbeiten berichtet und damit gleichzeitig auch der Wissenschaftskommunikation zu Schülern und Schülerinnen, Lehrern und Lehrerinnen sowie Vertretern und Vertreterinnen aus Unternehmen dient und damit wissenschaftliche Ergebnisse in einer Breite sichtbar macht existierte hingegen in der Wirtschaftsinformatik noch nicht. Die Studierenden erhalten die Möglichkeit, in Kleingruppen das Themenfeld „Podcast“ zu durchlaufen. Die Gruppen, bestehend aus 2–4 Studierenden, werden über die gesamte Länge des Themenfeldes bestehen bleiben. Den Gruppen sollte die Möglichkeit gegeben sein, den Lehrenden als Coach zu kontaktieren, dies kann z. B. im Sinne einer Digitalisierung der Lehre auch über internetbasierte Kooperationswerkzeuge (z. B. Adobe Connect oder Slack) erfolgen. Darüber hinaus sollten weiterhin Präsenzveranstaltungen im Modul stattfinden. Zu jedem Präsenztermin im Themenfeld „Podcast“ kann ein Educast über eine hochschulweite Lernplattform, z. B. Moodle, zur Verfügung gestellt werden, der von den Gruppen vor jedem Präsenztermin mit einer verbundenen Aufgabe zu bearbeiten ist. Alternativ zu einem Educast können die Inhalte in einer Präsenzveranstaltung vermittelt werden. Termin 1: Pre-Produktion – Konzeption Zu diesem Termin erhalten die Studierenden einen Educast über den Entwicklungsverlauf eines Projektes (Projektphasenmodelle) sowie die Grob- und Feinkonzeptionierung von Podcastepisoden. Im Anschluss daran müssen die Studierenden in ihren Kleingruppen ein Konzept für ihr Projekt „Podcast“ erstellen. Studentische Hilfskräfte aus höheren Semestern können hier als Tutoren unterstützend beiseite stehen. Im darauf folgenden Präsenztermin werden die Gruppenergebnisse vorgestellt. Termin 2: Pre-Produktion – Redaktionsplanung und Briefing Zu diesem Termin erhalten die Studierenden je einen Educast über die Erstellung eines Redaktionsplans sowie über das Briefing der Gesprächspartner und die Aufbereitung der Inhalte. Im Anschluss daran müssen die Studierenden ein Grobgerüst für einen Redaktionsplan sowie einen Fragebogenkatalog zum Thema Briefing erstellen. Im darauf folgenden Präsenztermin werden die Gruppenergebnisse vorgestellt und diskutiert.

11

Podcasting in digitaler Lehre und Wissenschaftskommunikation

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Abb. 11.3 Werkzeuge für Schnitt und Audionachbearbeitung

Termin 3: Produktion – Aufnahmetechnik und Aufnahmeprozess Zu diesem Termin erhalten die Studierenden einen Educast über das Aufnehmen von Podcastepisoden. Im Anschluss daran müssen die Studierenden in ihren Kleingruppen ein Drehbuch für ihr Projekt „Podcast“ erstellen. Gegebenenfalls gemeinsam mit den studentischen Tutoren werden Probeaufnahmen durchgeführt, die im darauf folgenden Präsenztermin analysiert werden. Termin 4: Post-Produktion – Schnitt und Audionachbearbeitung Zu diesem Termin erhalten die Studierenden einen Educast über das Themenfeld PostProduktion mittels Softwarewerkzeugen. In Abb. 11.3 ist das in Deutschland weitverbreitete Tool ultraschall.fm, basierend auf reaper.fm, dargestellt. Die Studierenden müssen nun ihren eigenen Podcast nachbearbeiten. Auch hier können studentische Tutoren unterstützend zur Seite stehen. Termin 5: Publikation Zu diesem Termin erhalten die Studierenden einen Educast zur Publikation von Podcastepisoden über die gängigen Social-Media-Kanäle und -Plattformen. Die Studierenden reflektieren an dieser Stelle die gemachten Erfahrungen und präsentieren ihre Ergebnisse in der Präsenzveranstaltung. Die Veröffentlichung der fertig produzierten Episoden erfolgt gemeinsam in der Präsenzveranstaltung.

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Die produzierten Podcastepisoden können einer breiten Öffentlichkeit über die gängigen Plattformen (z. B. iTunes, panoptikum.io, podcast.de, spotify) zugänglich sein. Technisch basiert dies auf der Generierung eines RSS-Feeds, der abonnierbar ist. Eine Verstetigung im Sinne einer studentischen Podcastreihe analog zu einem studentischen Onlinejournal ist Bestandteil der Lehrinnovation. Die Podcastepisoden werden unter Creative-Commons-Lizenz verbreitet. Begleitend kann im Modul die Ausarbeitung einer passgenauen Social-Media-Strategie thematisiert werden. Umsetzungsschritt 3 – Multiplikation in das Kollegium Mit der Umsetzung der Lehrinnovation ist auch eine Veränderung der Lehrkultur verbunden, die in vielen Modulen derzeit durchaus noch stark lehrendenzentriert ausgeprägt ist. Mit dem Vorhaben rücken die Studierenden und deren erzielte Forschungsergebnisse stärker in den Mittelpunkt. Aus der aufgrund der Lehrinnovation möglichen inhaltlichen Neuausrichtung eines Moduls lassen sich außerdem begrüßenswerte Effekte modulübergreifender Natur erkennen: Viele Studierende belegen parallele Module, in denen z. B. der Fokus auf Themenfelder wie Multimedia, E-Learning, Marketing oder Datenvisualisierung gelegt wird. Die Verknüpfung von Inhalten solcher Module ist im Sinne einer Profilbildung für die Studierenden naheliegend und kann durch eine Vertiefung des Bereichs audiovisuelle Medien positiv unterstützt werden. Über die unmittelbare Interaktion mit (frischen) Absolventen erhalten die Studierenden gleichzeitig einen sehr guten Einblick in das Thema „Abschlussarbeit“.

11.3

Qualitätssicherung und Evaluation

Üblicherweise werden Module an Hochschulen einer intensiven Evaluation unterworfen. Dies kann auch im Rahmen eines Moduls, in dem die vorgestellte Lehrinnovation umgesetzt wird, erfolgen. Standardisierte Lehrveranstaltungsevaluation Das Modul kann durch eine standardisierte Lehrveranstaltungsevaluation (LVB) durch die Studierenden bewertet werden. Dabei wurde in der Vergangenheit deutlich, dass insbesondere die Veranstaltungsanteile, in denen Studierende eigenständig Ergebnisse erarbeiten können, sehr positiv bewertet werden. Ergebnisse der Vergangenheit zeigen ebenfalls den Wunsch der Studierenden, den Bereich audiovisueller Medien über ein theoretisches Fundament hinaus praktisch zu vertiefen. Eine solche Lehrevaluation wird typischerweise standardisiert durchgeführt. Über einen Vergleich über die Zeitlinie können somit relative Beurteilungsunterschiede identifiziert und Unterschiede zwischen vorhergehenden, ggf. stärker dozentenorientierten Formaten und dem hier vorgestellten Format studierendenzentrierter Lehre analysiert werden.

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Podcasting in digitaler Lehre und Wissenschaftskommunikation

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Evaluation durch ein Teaching Analysis Poll Da die Planung, Pre-Produktion, Produktion und Post-Produktion von Podcasts typischerweise über einen längeren Zeitraum erfolgt, kann außerdem eine qualitative Evaluation durch ein Teaching Analysis Poll (TAP) durchgeführt werden. Das TAP ermöglicht insbesondere bei der Einführung von Lehrinnovationen die Möglichkeit, die Studierenden erstens fokussierter, als es die standardisierte LVB vermag, zur Durchführung der Lehrveranstaltung zu befragen, sodass zweitens im Gespräch mit den Studierenden detaillierter über Weiterentwicklungspotenziale diskutiert werden kann. Das TAP ermöglicht drittens, mit dem TAP-Moderator die Rückmeldung der Studierenden vor dem Hintergrund didaktischer Überlegungen zu reflektieren. Auswertung von Prüfungsleistungen Die formal erzielten Ergebnisse können in Form der Bewertungen der Prüfungsleistungen unmittelbar mit vorangegangenen Jahrgängen verglichen werden. Sofern die erfolgreiche Durchführung des Podcastprojektes und damit die Produktion von Podcastepisoden auch in Teilen eine Prüfungsleistung darstellt, ist im Rahmen der Lehrinnovation eine entsprechende Entwicklung von Bewertungsmaßstäben sowie von transparenten und messbaren Kriterien zur Bewertung vorzunehmen. Die Überprüfung und Bewertung von stärker kompetenzorientierten Lernergebnissen ist eine besondere Herausforderung. Hier kann ein Portfolio aus einzelnen kleinen Arbeiten (Ergebnisse der Gruppenarbeiten wie Herstellung eines Fragebogenkatalogs zum Thema Briefing bis zum finalen Produkt „Podcast“), die im Laufe des Moduls erstellt werden, vorgesehen werden. Feedback durch Lehrende Die inhaltlich erzielten Ergebnisse in Form der produzierten Podcasts können durch die Fachkollegen, welche die Abschlussarbeiten betreut haben und ggf. auch selbst im Podcast zu Wort gekommen sind, beurteilt werden. Deren Rückmeldungen sollten in die weitere Ausgestaltung der Lehrinnovation einfließen. Hier greift auch ein entsprechendes Risikomanagement, da bei nicht ausreichender Qualität der inhaltlichen Ergebnisse von einer Veröffentlichung der Podcasts auf einem öffentlichen Kanal abgesehen werden kann.

11.4

Transfer in die Breite und Nachhaltigkeit

Begrüßenswert ist immer ein Austausch über Lehre und Lehrformate zwischen Kollegen und Kolleginnen. In festen Strukturen verankert, kann dies zu einer guten, gelebten Praxis zur fortlaufenden Verbesserung der Lehre beitragen. Ein die Lehrinnovation umsetzender Lehrender kann hierüber als Peer und Ansprechpartner für den Einsatz audiovisueller Medien in der Lehre dienen. Neben dem Bereich Audio wäre dies beispielsweise durchaus auch für einen separaten (oder integrierten) Bereich Video denkbar. Interne Workshops für Lehrende sind darüber hinaus ein starker Hebel für die Verbreitung digitaler Lehrinnovationen in einer Hochschule. So kann z. B. über die Durchführung

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J. Karla und S. Hoffmann

eines Workshops zum Thema Podcasting in der Lehre ein Interesse auch von Kollegen und Kolleginnen aus anderen Fachgruppen verstärkt werden. Hieraus können erste Ideen zu einem lehrveranstaltungsübergreifenden Ausrollen der Lehrinnovation, z. B. zwischen den Bereichen Wirtschaftsinformatik und Marketing, generiert werden. Neben der fachbereichsinternen ergibt sich auch eine fachbereichsübergreifende Verwendbarkeit der Lehrinnovation. Gewünscht ist dabei insbesondere eine stärkere Vernetzung von Studierenden über verschiedene Studiengänge einer Hochschule hinweg. Letztlich kann die Lehrinnovation in hochschulübergreifenden BarCamps zu digitaler Lehre vorgestellt werden. Ergänzend können Workshops im Rahmen von Konferenzen und Weiterbildungen für das wissenschaftliche Personal durchgeführt werden, in die die Erkenntnisse aus der hier vorgestellten Lehrinnovation einfließen.

Literatur 1. Kirkwood A, Price L (2014) Technology-enhanced learning and teaching in higher education: what is ,enhanced‘ and how do we know? a critical literature review. Learn Media Technol 39 (1):6–36. https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/17439884.2013.770404. Zugegriffen am 21.02.2019 2. McKinney D, Dyck JL, Luber ES (2009) iTunes University and the classroom: can podcasts replace professors? Comput Educ 52(3):617–623. https://doi.org/10.1016/j.compedu.2008.11.004 3. Ketterl M, Schmidt T, Mertens R, Morisse K (2006) Techniken und Einsatzszenarien für Podcasts in der universitären Lehre. Proceedings der Pre-Conference Workshops der 4. e-Learning Fachtagung der GI (DeLFI), S 81–90. https://www.researchgate.net/publication/266297458_Techni ken_und_Einsatzszenarien_fur_Podcasts_in_der_universitaren_Lehre. Zugegriffen am 21.02.2019 4. Kay RH (2012) Exploring the use of video podcasts in education: a comprehensive review of the literature. Comput Hum Behav 28(3):820–831. https://doi.org/10.1016/j.chb.2012.01.011 5. Copley J (2007) Audio and video podcasts of lectures for campus-based students: production and evaluation of student use. Innov Educ Teach Int 44(4):387–399. http://www.tandfonline.com/doi/ abs/10.1080/14703290701602805. Zugegriffen am 21.02.2019 6. Kronen M, Karla J (2007) Problemfelder des Einsatzes von Podcasting im unternehmensinternen Wissensmanagement. In: Meißner K, Engelien M (Hrsg) Virtuelle Organisation und Neue Medien 2007. TUDpress, Dresden, S 387–402 7. Domenichini B (2018) Podcastnutzung in Deutschland. Media Perspektiven 2:46–49. https:// www.ard-werbung.de/fileadmin/user_upload/media-perspektiven/pdf/2018/0218_Domenichini.pdf. Zugegriffen am 21.02.2019 8. McGarr O (2009) A review of podcasting in higher education: its influence on the traditional lecture. Aust J Educ Technol 25(3):309–321. http://ajet.org.au/index.php/AJET/article/view/ 1136. Zugegriffen am 21.02.2019 9. Kronen M, Karla J (2007) Podcasting as a tool in organisational knowledge management. In: Kommers P (Hrsg) e-Society 2007. IADIS Press, Lissabon, S 220–228 10. Strecker S (2019) Perspektiven – Wirtschaftsinformatik-Podcast. https://perspektivenpodcast.net. Zugegriffen am 21.02.2019 11. Winkelmann A (2019) ERP-Podcast. http://www.erp-podcast.de. Zugegriffen am 21.02.2019

Agiles Studieren

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Detlef Stern

Zusammenfassung

Agiles Studieren ist eine Lehr- und Lernform, die das Beste aus Vorlesung, Gruppenarbeit und Selbststudium vereint. Sie basiert auf den Ideen des selbstbestimmten Lernens und der schnellen Rückmeldung von Lösungsvorschlägen, kombiniert mit Coachingprozessen und ggf. Impulsvorlesungen. Agiles Studieren ließe sich mit analogen Mitteln umsetzen, jedoch steigt der Aufwand für alle Beteiligten exponentiell. Dieses Kapitel zeigt, wie eine innovative Lehr-/Lernform mithilfe von Software digitalisiert werden kann und dadurch wesentlich größeren Nutzen liefert. Schlüsselwörter

Agilität · agiles Studieren · agile Methoden · agile Lehre · Just-In-Time Teaching

12.1

Was ist agiles Studieren?

Agiles Studieren [10] überträgt agile Methoden, die ursprünglich für Softwareentwicklungsprojekte entwickelt wurden, auf die Lehre an Hochschulen. Beispiele für eingesetzte agile Methoden sind Scrum oder Kanban. Kennzeichen agiler Methoden ist, schnell Rückmeldung zu erhalten, um Fehler frühzeitig zu erkennen und zu korrigieren. Dies ist ebenfalls eine Bedingung für ein gelingendes Lernen. In der Vorbereitung teilt der Dozent den Lernstoff in einzelne Themen (sogenannte „Studienthemen“) auf, die später von studentischen Gruppen bearbeitet werden. Solche

D. Stern (*) Hochschule Heilbronn, Heilbronn, Deutschland E-Mail: [email protected] # Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 T. Barton et al. (Hrsg.), Hochschulen in Zeiten der Digitalisierung, Angewandte Wirtschaftsinformatik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26618-9_12

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D. Stern

Themen können z. B. das Recherchieren nach bestimmten Informationen sein, mit der Aufgabe, das Ergebnis angemessen zu dokumentieren. Themen können recht einfach gestaltet sein, wie z. B. „Wie lautet der erste Hauptsatz der Thermodynamik?“, oder aufwendiger und komplexer, wie z. B. „Begründen Sie für folgende Situationen die Wahl der Projektorganisation“. Sofern notwendig wird die Aufgabenstellung in einem erklärenden Text weiter detailliert oder der Rechercheteil durch Quellenangaben vereinfacht. Beim ersten Präsenztermin werden die Teilnehmer in Gruppen aufgeteilt (sogenannte „Studiengruppen“). Jede Gruppe soll im Laufe des Semesters die vorbereiteten Studienthemen selbstständig nach eigenem Ermessen bearbeiten. Wer, wann, wie, mit wem die Themen bearbeitet, bleibt der Gruppe relativ frei überlassen. Wichtig ist, dass die Ergebnisse in der Gruppe abgestimmt sind und so dokumentiert werden, dass der Dozent später Rückmeldung geben kann. Die Rückmeldung durch den Dozenten erfolgt primär themenbezogen. Der Dozent begutachtet das von der Studiengruppe verantwortete Ergebnis und gibt die Rückmeldung in Form konstruktiver Kritik. Der Gruppe wird zugleich ein Hinweis gegeben, ob die Bearbeitung ausreichend war oder ob die Bearbeitung verbessert werden sollte. Im zweiten Fall entscheidet die Gruppe wieder selbstständig, wie dazu die nächsten Schritte sind. Eine themenübergreifende Rückmeldung erfolgt meist bei systematischen Fehlern. Regelmäßige Präsenztermine unterstützen das Lernen. Während der Präsenztermine kann der Dozent auf vielerlei Arten die Studiengruppen bei der Themenbearbeitung fördern. Im einfachsten Fall werden Fragen der Gruppenmitglieder beantwortet oder gruppenindividuell kleine Hinweise zu einzelnen Themen gegeben. Auch komplexere Coachingmaßnahmen sind möglich. Zusätzlich kann der Dozent zu einzelnen Themenbereichen Impulsvorlesungen halten, um Zusammenhänge zwischen den Themen aufzuzeigen. Zugleich geben die regelmäßigen Termine allen Beteiligten einen gewissen Rhythmus vor. Über diese Termine ist es zusätzlich möglich, den Gruppen Rückmeldung über ihr Lerntempo zu geben („erfolgreich bearbeitete Themen pro Zeiteinheit“). Der Dozent kann den Rhythmus verstärken, indem die Lösungsvorschläge der Studienthemen ein, zwei Tage vor ausgewählten Präsenzterminen vorliegen müssen. Der Dozent hat dann genügend Zeit, die Rückmeldungen zu formulieren, und kann diese mit den Teilnehmern während des Präsenztermins noch einmal zusammenfassend besprechen. Aus diesem meist zweiwöchigen Rhythmus der Rückmeldungen ergibt sich eine Lerniteration, auch „Studienphase“ genannt. Zu Beginn einer Studienphase wählen die Gruppenmitglieder die zu bearbeitenden Themen aus, bearbeiten diese während der Studienphase und erhalten zu Beginn der folgenden Phase entsprechende Rückmeldungen. Es gibt pro Semester 6–7 Rückmeldungstermine, im Gegensatz zu dem üblicherweise einzigen Termin der semesterabschließenden Prüfung. Abb. 12.1 fasst den Basisablauf des agilen Studierens zusammen. Zusammengefasst ist agiles Studieren ein iterativ inkrementeller Prozess mit zeitnaher Rückkopplung, bei dem definierte Studiengruppen eine definierte Menge an Studienthemen innerhalb eines zeitlichen Rahmens erfolgreich bearbeiten sollen. Dieser Prozess wird seitens des Dozenten durch vielfältige Maßnahmen unterstützt.

12

Agiles Studieren

185 Studiengruppe

Auswahl

Bestand

Studienthemen

Fertig

Bearbeitung

Präsenztermin

Dozent

Rückmeldung

Bewertung

Abb. 12.1 Basisablauf des agilen Studierens. (Entnommen aus [10, S. 10])

12.2

Erste Praxiserfahrungen

Agiles Studieren wird seit dem Wintersemester 2013/2014 im Studiengang Wirtschaftsinformatik (Bachelor) an der Hochschule Heilbronn eingesetzt [9]. Lehrveranstaltungen sind (und waren): • • • •

Einführung in das Projektmanagement (2. Semester), Programmierung 2 (2. Semester), Statistik (2. Semester), Praxis betrieblicher Informationssysteme (3. Semester).

Die Erfahrungen waren in allen Fächern, bis auf das Fach „Statistik“, positiv. Rückblickend sind die eher negativen Erfahrungen in diesem Fach erklärbar. Einzelne Themen hingen zu stark voneinander ab, und jedes Mitglied einer Studiengruppe musste de facto jedes Studienthema bearbeiten. Es ergaben sich kaum Synergieeffekte durch Gruppenarbeit. Dies gilt vermutlich für die meisten Bereiche der Mathematik. Die positiven Erfahrungen in den anderen Fächern beschränkten sich nicht auf mindestens vergleichbare Ergebnisse in abschließenden Klausuren. Vielmehr unterstützt agiles Studieren die Sozialisation in den Hochschulkontext (z. B. Verwendung angemessener Quellen). Zusätzlich werden positive Effekte bei nachfolgenden Lehrveranstaltungen beobachtet. Ein kritischer Erfolgsfaktor ist die Bildung der Studiengruppen. Die Mitglieder einer gut arbeitenden Studiengruppe sind genügend heterogen, um kreative Lösungsansätze zu finden, und genügend homogen, um eine gemeinsame Basis für das Arbeiten zu entwickeln. Aus diesem Grund scheint der Einsatz vom agilen Studieren erst im 2. und 3. Semester sinnvoll. Zu Beginn des 1. Semesters kennen sich die Teilnehmer untereinander zu wenig.

186

12.3

D. Stern

Naive Umsetzungen

12.3.1 Papier Das Modell des agilen Studierens gibt nicht vor, wie es konkret realisiert werden soll. Betrachtet man die Praxis vieler agiler Vorgehensmodelle zur Softwareentwicklung, erscheint sogar ein rein analoges Vorgehen realistisch. Viele können sich z. B. der Haptik von Karteikarten mit User Stories schwer entziehen, ein Burn-Down-Chart visualisiert den Arbeitsfortschritt für alle Stakeholder. Eine wesentliche Randbedingung des agilen Studierens ist der Arbeitskontext an Hochschulen. Üblicherweise gibt es keine ausschließlichen Räumlichkeiten für bestimmte Lehrveranstaltungen. Das selbstständige Lernen, beim agilen Studieren besonders die Bearbeitung von Studienthemen, findet zu einem erheblichen Anteil jenseits der Hochschule statt. Die Anzahl der Teilnehmer beträgt gerne mehr als 30, manchmal auch 100 oder mehr Studierende. Gemeinsame, dauernd genutzte Räumlichkeiten wie bei Softwareentwicklungsteams (mit idealerweise weniger als 9 Teammitgliedern) scheiden daher aus. Nehmen weniger als 20 Teilnehmer am agilen Studieren teil, könnte man trotzdem versuchen, mit analogen Mitteln dieses zu realisieren. Für die 3 Studiengruppen könnte man jedes Studienthema auf ein eigenes Blatt Papier ausdrucken. Lösungsvorschläge werden ebenfalls auf diesem Blatt angegeben und dem Dozenten zur Rückmeldung übergeben. Die Rückmeldung wird vom Dozenten ebenfalls auf dem Blatt dokumentiert und der Studiengruppe zurückgegeben. In der Praxis scheitert ein solches Verfahren recht schnell. Bei angenommenen 60 Studienthemen wären in diesem Beispiel 180 Blatt Papier von allen aktiven Stakeholdern sicher zu verwalten.

12.3.2 Lehrmanagementsysteme Eine Alternative könnte die Verwendung von Lehrmanagementsystemen wie ILIAS [5] oder Moodle [2] sein. Diese bieten über bestimmte Objekte die Teamabgabe von sogenannten „Übungen“ oder „Assignments“. Damit ließe sich die elektronische Abgabe von Lösungsvorschlägen realisieren. Um die Studienthemen nicht jedes Semester erneut eingeben zu müssen, unterstützen die meisten Lehrmanagementsysteme ein Kopieren, bei dem die abgegebenen Dateien/Text nicht mitkopiert werden. Ein Lehrmanagementsystem ist in fast allen Fällen in einer Hochschule vorhanden und sicher allen Teilnehmern des agilen Studierens von anderen Lehrveranstaltungen bekannt. Problematisch an der Verwendung eines Lehrmanagementsystems ist die kaum vorhandene Unterstützung eines weitergehenden Workflows. Studiengruppen können Lösungsvorschläge für Studienthemen zwar abgeben, und Dozenten können diese als „bestanden“/„nicht bestanden“ bewerten, aber die weiteren Schritte des agilen Studierens

12

Agiles Studieren

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werden nicht unterstützt. Die Abgabe eines verbesserten Lösungsvorschlags ist nach dem Abgabetermin häufig nicht möglich. Ebenso ist nicht klar, ob die Lösungsvorschläge vorher in der Gruppe abgestimmt wurden. Darüber hinaus ist das Arbeiten mit manchen Lehrmanagementsystemen einfach unpraktisch. Zum Beispiel erlaubt ILIAS lediglich die Teamabgabe von Dateien. Studiengruppen müssen jeden Lösungsvorschlag in Form einer Datei formulieren und diese ins System hochladen. Später lädt der diese Dateien wieder herunter und muss diese mit dem angemessenen Programm öffnen. Arbeitet eine Studiengruppe z. B. mit macOS und erstellt Lösungsvorschläge im Dateiformat „Pages“, kann ein mit Windows oder Linux arbeitender Dozent diese Lösungsvorschläge nicht bearbeiten. Somit muss Disziplin (und zusätzlicher Arbeitsaufwand) aufgebracht werden, bei allen Beteiligten ausschließlich kompatible Dateiformate zu verwenden. Die im Wintersemester 2013/2014 an der Hochschule Heilbronn installierte Version eines Lehrmanagementsystems erlaubte nicht einmal Teamabgaben, sodass auf diese Option verzichtet werden musste. Natürlich spricht nichts dagegen, die benötigten Funktionalitäten in ein Lehrmanagementsystem zu integrieren. Im Gegenteil, dies wäre sehr erfreulich. Aus praktischen Erwägungen kommen diese Systeme aktuell nicht weiter in Betracht.

12.3.3 Issue-Tracking-Systeme Die Unterstützung von Workflows und das Formulieren von Texten ist eine Domäne auch von Issue-Tracking-Systemen, wie z. B. Jira [1], Redmine [6] oder Bugzilla [8]. Struktur und Aktionen der Studienthemen ähneln den „Issues“ dieser Systeme. Tatsächlich orientieren sich Studienthemen an den User Stories, die bei agilen Vorgehensmodellen gerne verwendet werden. Etwas (das Studienthema bzw. die User Story) soll von einem Team (Studiengruppe bzw. Entwicklerteam) bis zu einem Endtermin (Studienphase bzw. Sprint) bearbeitet werden. Die Bearbeitung gilt aus Teamsicht als abgeschlossen, wenn alle Teammitglieder zustimmen. Trotzdem kann ein anderer Stakeholder die Bearbeitung als unzureichend ablehnen und dem Team zurückgeben. Für genau diesen Workflow wurden Issue-Tracking-Systeme entworfen. An vielen Hochschulen ist ein hochschulweites Issue-Tracking-System im Einsatz und für alle Mitglieder der Hochschule zugänglich. Eine Einarbeitung muss zwar häufig erst erfolgen, kann aber gut im Rahmen des agilen Studierens stattfinden. Leider unterstützen Issue-Tracking-Systeme nicht die mehrfache, gruppenspezifische Bearbeitung gleicher „Issues“, also von Studienthemen. Für eine Umsetzung des agilen Studierens mit einem Issue-Tracking-System müsste für jede Studiengruppe eine eigene, unabhängige Instanz eingesetzt werden. Damit nicht in jeder Instanz jedes Studienthema erneut eingegeben werden muss, sollte es möglich sein, eine Art Basisinstanz anzulegen von der die konkreten Instanzen für die Studiengruppen kopiert werden. Nutzt das IssueTracking-System selbst ein Datenbankmanagementsystem ist das alles andere als einfach. Unabhängig davon wird man den IT-Betrieb einer Vielzahl von Instanzen meist selbst

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D. Stern

sicherstellen müssen. Bei 4 Fächern, die das agile Studieren verwenden, und jeweils 6 Studiengruppen müssen 28 Instanzen (inklusive Basisinstanzen) verwaltet werden. Ohne Automatisierung ist das kaum praktikabel. In der Praxis entsteht ein weiterer Nachteil: Da die Instanzen unabhängig voneinander sind, werden Korrekturen bei den Inhalten der Studienthemen nicht auf die jeweiligen Instanzen der Studiengruppen übertragen. Korrekturen müssen in jeder Instanz separat erfolgen, mit entsprechendem Arbeitsaufwand. Das gilt nicht nur, wenn Inhalte von Studienthemen korrigiert werden sollen, sondern auch wenn Studienthemen gelöscht, hinzugefügt werden oder die Dauer der Studienphasen angepasst werden muss. Änderungen sind de facto nur zum nächsten Semester möglich. Prototypisch wurde ab Wintersemester 2013/2014 zunächst diese Alternative eingesetzt. Die Open-Source-Software Trac [3] unterstützt den unabhängigen Betrieb vieler Instanzen. Darüber hinaus kann Trac als Datenbank das Produkt SQLite [4] verwenden. SQLite ist kein vollständiges Datenbankmanagementsystem, sondern verwaltet Datenbanken als einzelne Dateien. SQLite-Datenbanken können somit einfach kopiert werden. Die Benutzeradministration (Welches Gruppenmitglied darf welche Instanz verwenden?) kann über eine Skriptverarbeitung automatisiert werden. Das hält Aufwände geringer, bedarf aber einiger Grundkenntnisse im Betrieb von IT-Systemen. Einige praxisrelevante Aspekte sprechen gegen die dauernde Nutzung dieser Lösung. Dozenten können die Studienthemen nur gruppenweise bearbeiten, nicht themenweise. Letzteres ist effizienter. Statistiken, z. B. zur Bearbeitungsgeschwindigkeit oder zu passiven Teilnehmern, lassen sich schwer gewinnen. Einiges lässt sich über Vereinbarungen mit den Teilnehmern erreichen, z. B. nur PDF-Dateien oder Bilder ins Issue-Tracking-System hochzuladen. Ebenso wird die explizite Zustimmung von Mitgliedern einer Studiengruppe zu einem Lösungsvorschlag von keinem Issue-Tracking-System unterstützt. Man kann sich mit Kommentarfunktionen behelfen, trotzdem passiert es in der Praxis immer wieder, dass diese Vereinbarungen nicht eingehalten werden. Daher muss ein Dozent diese immer wieder selbst überprüfen. Mithilfe dieser Lösung war es möglich, einen durchschnittlichen Lösungsvorschlag in 2–5 Minuten zu bearbeiten. Bei 60 Studienthemen pro Semester gibt jede Studiengruppe im Mittel, bei zweiwöchentlicher Bearbeitung, knapp 9 Lösungsvorschläge ab. Da die ideale Größe der Studiengruppen maximal 7 Teilnehmer betragen sollte, muss ein Dozent bei angenommenen 40 Teilnehmern die Lösungsvorschläge von 6 Gruppen bearbeiten. Der mittlere Aufwand für diese geschätzten 54 Lösungsvorschläge beträgt 108–270 Minuten, alle zwei Wochen zu erbringen. Aus einer rein aufwandsorientierten Sicht wäre der Aufwand für das agile Studieren damit mindestens grenzwertig.

12.4

Lösungsansatz

Um agiles Studieren im Hochschulkontext erfolgreich zu etablieren, sollten sich alle Beteiligten, Dozenten und Teilnehmer auf die eigentlichen, fachlichen Inhalte fokussieren können. Der Ablauf der Themenbearbeitung und Rückmeldung sollte weitestgehend automatisiert

12

Agiles Studieren

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sein. Lösungen wie Lernmanagement- oder Issue-Tracking-Systeme bieten zwar niederschwellig einen ersten Einstieg, bedürfen aber zu vieler mentaler Konventionen. Dazu wurde, zunächst prototypisch, eine webbasierte Software entwickelt, welche die Abläufe des agilen Studierens möglichst gut unterstützt. Die Software unterliegt der Open-Source-Lizenz AGPL 3.0, kann im Quelltext eingesehen und gemäß den Lizenzbedingungen verändert werden [11].

12.4.1 Ablauf vor Beginn des agilen Studierens Zunächst legen Dozenten für jedes Fach eine Sammlung von Themen an. Neben einem Titel können folgende Elemente angegeben werden: • • • • • • •

vertiefte Beschreibung des Themas, Verweise auf externe Literatur oder andere Referenzen, Schlagworte/Tags zur Strukturierung aller Themen eines Fachs, Angaben zur relativen Bedeutung des Themas/Priorität, Lösungsidee (für die spätere Bewertung, nicht für die Studiengruppen), Angabe, wie viele Gruppenmitglieder einem Lösungsvorschlag zustimmen müssen, allgemeine, interne Bemerkungen.

Für einen konkreten Kurs/Lehrveranstaltung zu diesem Fach, im Hochschulkontext meist über ein Semester laufend, weisen die Dozenten eine Auswahl der definierten Themen ebendiesem Kurs zu. Werden während des Kurses Themen geändert, kann ein Dozent auswählen, ob diese Änderung schon im aktuellen Kurs wirksam wird oder erst im nächsten Kurs. Zusätzlich definieren die Dozenten für jeden Kurs die Zuordnung der Teilnehmer zu Studiengruppen, ebenso wie Termine, zu denen die Lösungsvorschläge bewertet werden. Damit sind alle Voraussetzungen erfüllt. Die Studiengruppen können mit ihrer Themenbearbeitung beginnen.

12.4.2 Aktivitäten der Studiengruppe Jedes Mitglied einer Studiengruppe erhält eine Übersicht zu allen Themen, ob noch unbearbeitet/offen, in Bearbeitung, bereit zur Bewertung oder abgeschlossene Themen. Sollte es Themen geben, die noch eine Zustimmung des Mitglieds benötigen, werden zunächst diese präsentiert. Dies erfolgt, um den Durchsatz zu erhöhen. Jedes Gruppenmitglied kann ein Thema bearbeiten, Lösungsvorschläge erfassen oder bestehende Lösungsvorschläge korrigieren. Bei gemeinsamen Sitzungen dokumentiert üblicherweise eines der anwesenden Mitglieder die Lösungsvorschläge mithilfe der Software. Bei einer räumlich (und ggf. zeitlich) getrennten Bearbeitung dokumentiert jedes Mitglied die eigenen Lösungsvorschläge allein.

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D. Stern

Abb. 12.2 Einem Lösungsvorschlag zustimmen

Anschließend müssen andere Mitglieder dem Lösungsvorschlag zustimmen (Abb. 12.2). Dazu können diese den Inhalt des Vorschlags sehen und diesem per Mausklick zustimmen oder ihn verbessern. Nach einer Korrektur des Lösungsvorschlags muss die Zustimmung erneut erfolgen. Erst wenn genügend Mitglieder zustimmten, kann ein Dozent den Lösungsvorschlag bewerten. Im Rahmen der Bewertung wird der Lösungsvorschlag entweder vom Dozenten angenommen oder zurückgewiesen. Alle bewerteten Lösungsvorschläge einer Studienphase können gemeinsam eingesehen werden. Zusätzlich gibt es eine themenübergreifende Bewertung wie auch einige Statistiken zur individuellen Beteiligung der Mitglieder am Gruppenerfolg. Auf Basis dieser Rückmeldung kann die Studiengruppe eine prozessverbessernde Retrospektive durchführen. Danach beginnt die nächste Studienphase.

12.4.3 Bewertung und Rückmeldung zu Lösungsvorschlägen Dozenten erhalten nur die Lösungsvorschläge zur Begutachtung, bei denen eine ausreichende Anzahl von Gruppenmitgliedern zugestimmt hat. Um die Arbeitsbelastung planbar zu halten, können Dozenten für jeden Bewertungstermin eine maximale Anzahl an Lösungsvorschlägen angeben, die von jeder Studiengruppe durch die Software zur Bewertung an die Dozenten übergeben wird. Überzählige Lösungsvorschläge werden automatisch zum nächsten Bewertungstermin übermittelt. Die Bewertung aller Lösungsvorschläge aller Studiengruppen erfolgt sortiert nach den entsprechenden Studienthemen. Die erlaubt eine größere Effizienz. Neben den relevanten Daten des Studienthemas, u. a. der Lösungsidee, werden der aktuelle Lösungsvorschlag und eine Kurzfassung möglicher früherer, zurückgewiesener Vorschläge dem Dozenten präsentiert. Dies erleichtert die Bewertung ebenfalls.

12

Agiles Studieren

191

Abb. 12.3 Themenübergreifende Rückmeldung

Stimmen Dozenten einem Lösungsvorschlag nicht vollständig zu, so muss die (teilweise) Ablehnung begründet werden. Häufig vorkommende Ablehnungstexte (z. B.: „Durch Gruppe angegebene Quelle ist nicht angemessen.“) können Dozenten über eine Vorlagenfunktion abrufen. Wurden alle Lösungsvorschläge bewertet, können Dozenten den Studiengruppen darüber hinaus themenübergreifende Rückmeldungen geben (Abb. 12.3). Dabei unterstützen die schon oben angesprochenen Statistiken sowie die gruppenspezifische Übersicht aller Lösungsvorschläge diesen Vorgang.

192

D. Stern

Mit Abschluss des Bewertungstermins erstellt die Software ein sogenanntes „Burn-Up Chart“, das den Zuwachs an erfolgreich bearbeiteten Themen über die Zeit visualisiert. Zusätzlich erfolgt eine Hochrechnung, damit die Studiengruppen besser ihre Bearbeitungsgeschwindigkeit abschätzen und ggf. reagieren können.

12.5

Erfahrungen

Gegenüber der Umsetzung mit dem Issue-Tracking-System bietet die webbasierte, spezialisierte Software eine Reihe an Vorteilen. Bei der Umsetzung durch ein Issue-Tracking-System mussten die Teilnehmer zusätzlich immer die Lösungsvorschläge der anderen durchsuchen, um noch nicht ausreichend zugestimmte Lösungsvorschläge zu entdecken. Ein aufwendiger und fehlerträchtiger Vorgang. Viele Studiengruppen haben sich beholfen, indem ein Mitglied für das Einsammeln der Zustimmungen zuständig war. Das hat nicht immer funktioniert. Zusätzlich erlauben Issue-Tracking-Systeme den Nutzern das Hochladen beliebiger Dateien. Bei sehr spezialisierten Formaten konnten deren Inhalte nicht von allen gelesen werden. Aus Sicht der Teilnehmer ist die spezialisierte Software wesentlich einfacher und weniger fehleranfällig zu nutzen. Jedes Mitglied einer Studiengruppe kann ein Thema zur Bearbeitung auswählen und dazu Lösungsvorschläge formulieren. Die Zustimmung der anderen Mitglieder erfolgt ebenso niederschwellig und ist für alle Beteiligten transparent. Mehr ist von Teilnehmerseite nicht zu tun, natürlich neben dem Lesen der Themen und der Reflexion zu den Rückmeldungen des Dozenten. Ähnlich können sich Dozenten auf ihre Aufgaben fokussieren. Vorher benötigte ein Dozent spezielle administrative Rechte (und Fähigkeiten!), um neue Instanzen für jede Studiengruppe einzurichten. Das ist nicht mehr nötig. Bei der Umsetzung des agilen Studierens mit einem Issue-Tracking-System mussten die Dozenten viele formale Aspekte, z. B. die ausreichende Zustimmung zu Lösungsvorschlägen oder die Verwendung nur von angemessenen Dateiformaten, selbst überprüfen. Dies übernimmt nun die Software. Inhaltliche Anpassungen der Themen sind während des Semesters einfach möglich. Durch die Software bereitgestellte Statistiken erlauben die frühzeitigere Erkennung von Problemen in Studiengruppen. Aktuell wird für jede Gruppe und Studienphase dargestellt, wie viele Themen jedes Gruppenmitglied bearbeitet hat und wie vielen Themen es zustimmte. Damit lässt sich gut feststellen, ob ein Gruppenmitglied nur passiv oder gar nicht teilnimmt. Ein gruppenübergreifendes Burn-Up-Chart stellt zusätzlich, für alle sichtbar, die Leistungen aller Studiengruppen gegenüber (Abb. 12.4). Die dort vorgenommene Hochrechnung auf den gesamten Semesterverlauf hilft Studiengruppen bei der weiteren Planung. Während bei der Umsetzung mit dem Issue-Tracking-System pro Rückmeldung für einen Lösungsvorschlag mit 2–5 Minuten zu kalkulieren war, ist es nun lediglich eine Minute. Im Rechenbeispiel aus Abschn. 12.3.3 ergibt sich ein zweiwöchentlicher Aufwand von knapp einer Stunde. Das ist gut machbar. Die Zeitersparnis liegt zum einen in der

12

Agiles Studieren

193

Bearbeitete Themen, Phase #5 SOLL #1 #2 #3 #4 #5

100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 27.09.18

09.10.18

23.10.18

06.11.18

20.11.18

05.12.18

18.12.18

17.01.19

Abb. 12.4 Burn-Up-Chart

themenweisen und nicht gruppenweisen Bearbeitung der Lösungsvorschläge begründet. Zum anderen müssen sich die Dozenten nicht um technisch-administrative Aspekte kümmern. Das nimmt ihnen die Software ab. Der überschaubare Arbeitsaufwand erlaubt es sogar, die Studienphasen ggf. auf eine Woche zu verkürzen, um für schwierigere Themen noch häufiger Rückmeldung zu geben oder um ein regelmäßiges Arbeiten zu fördern. Manche Studiengruppen bearbeiten Themen erst kurz vor Ende der zweiwöchigen Fristen ausschließlich in der zweiten Woche. Dieser didaktische Spielraum war mit dem Issue-Tracking-System illusorisch. Die spezialisierte Software ist einfach durch alle Beteiligten zu nutzen. Das IssueTracking-System musste den Teilnehmern und neuen Dozenten relativ intensiv erläutert werden. Das ist bei der aktuellen Software nicht mehr nötig. Selbst temporäre, externe Lehrbeauftragte konnten die Software nach fachlicher Einführung in das agile Studieren sofort angemessen verwenden. Natürlich ist die Unterstützung der Software für das agile Studieren nicht perfekt. Dazu wird jedes Semester eine Evaluation mit allen Teilnehmern durchgeführt, um Verbesserungspotenziale zu erkennen. Aus studentischer Sicht ist hierbei die Verwendung weitergehender Formatierungsoptionen zu nennen. Zum Beispiel wird angeregt, selbst Grafiken anzufertigen und zu bearbeiten (ein reines Hochladen fördert nur die Kopierkultur, nicht

194

D. Stern

das Selbermachen). Manche Teilnehmer wünschen sich eine bessere Unterstützung zur Planung einer Studienphase, andere eine Chat- oder Kommentarfunktion oder eine übersichtlichere Sortierung der Themen. Aus Sicht der Dozenten werden eine weitergehende Unterstützung zu persönlichen Lehrprozessen, teilweise eine verbesserte Usability und eine Möglichkeit zur Erstellung von Grafiken für die Themenbeschreibung gewünscht. Angeregt wurde, den zeitlichen Kontext der Themenbearbeitung zu visualisieren, um Studiengruppen zu identifizieren, die nur gegen Ende einer Studienphase arbeiten Dies sind alles Verbesserungsideen, die gut realisiert werden können.

12.6

Ausblick

Sollte ein Lehrmanagementsystem wie ILIAS oder Moodle Funktionalitäten zu Teambildung, Teamkoordination, Abstimmungsprozessen, Themengestaltung, automatisierter Prüfung von Akzeptanzkriterien, Bearbeitung der Lösungsvorschläge, Statistiken und einfach zu nutzenden, gruppenspezifischen Feedbackmechanismen bereitstellen, dann ist die Software zum agilen Studieren nicht mehr nötig. Dies wäre zu begrüßen. Aktuell ist eine solche Entwicklung der Lehrmanagementsysteme aber nicht abzusehen. Die mehrjährige Nutzung der Software, wie das Anwenden des agilen Studierens selbst, haben weitere Aspekte aufgeworfen, die untersucht werden sollten. Die Aufteilung der Teilnehmer in Studiengruppen ist ein kritischer Erfolgsfaktor. Es werden erste Ansätze verfolgt, wie diese Aufteilung durch IT-Systeme unterstützt werden kann [7]. Ziel sind ausreichend heterogene Teams, die zugleich arbeitsfähig, also ausreichend homogen sind, um die Kreativität zu fördern. Ein anderer Aspekt ist die Anbindung von Autorensystemen zur Erstellung von Lehrmaterialien (auf die in Studienthemen verwiesen wird). Wikis und ähnliche Systeme finden wegen ihres meist zentralistischen Ansatzes wenig Akzeptanz bei Dozenten. Die meisten Dozenten bevorzugen den direkten, eigenen, unabhängigen Zugriff auf Materialien. Für einen linearen Ablauf wie den einer Vorlesung sind lineare Medien wie z. B. „Folien“ gut geeignet. Agiles Studieren fördert das vernetzte Lernen, das von vernetzten, aber verlässlich verfügbaren Materialien unterstützt wird. Hier könnten Wikis helfen, die das Arbeiten im Offlinebetrieb und die Synchronisation mit Peers erlauben. Die Entwicklung einer fokussierten Software zur Unterstützung alternativer Lern- und Lehrkonzepte zeigt, welche Innovationspotenziale durch die Digitalisierung dieser Konzepte möglich sind.

Literatur 1. Atlassian (2019) Jira. https://www.atlassian.com/software/jira. Zugegriffen am 25.03.2019 2. Dougiamas M et al (2019) Moodle. https://moodle.org/. Zugegriffen am 25.03.2019

12

Agiles Studieren

195

3. Edgewall Software (2018). Trac. https://trac.edgewall.org/. Zugegriffen am 25.03.2019 4. Hipp R (2019) SQLite. https://sqlite.org/. Zugegriffen am 25.03.2019 5. ILIAS open source e-Learning e. V. (2018) ILIAS. https://www.ilias.de/. Zugegriffen am 25.03.2019 6. Lang J-P et al (2019) Redmine. http://www.redmine.org/. Zugegriffen am 25.03.2019 7. Lodhi S (2017) Computergestützte Erstellung studentischer Teams hinsichtlich Ergebnis und Lerneffekt. Bachelorarbeit, Hochschule Heilbronn 8. Mozilla Foundation (2018) Bugzilla. https://www.bugzilla.org/. Zugegriffen am 25.03.2019 9. Stern D (2014) Agiles Studieren: Erste Ergebnisse. https://agiles-studieren.de/2014/03/03/ersteergebnisse-pm1/. Zugegriffen am 25.03.2019 10. Stern D (2019) Agiles Studieren – Eine Einführung für Dozenten. Springer Gabler, Wiesbaden 11. Stern D (2019) Buchmaterialien, inkl. Software. https://agiles-studieren.de/buch/. Zugegriffen am 25.03.2019

Integration von Electronic Response-Systemen in Anwendungsfallstudien mit SAP-Software

13

Gabriele Roth-Dietrich

Zusammenfassung

Die Bearbeitung von Anwendungsfallstudien in SAP-Systemen in der Lehre soll den Teilnehmern (Soweit im Folgenden bei der Bezeichnung von Personen die männliche Form verwendet wird, schließt dies Frauen sowie Menschen anderen Geschlechts ausdrücklich mit ein.) Geschäftsprozesse aus der Unternehmenswelt nahebringen und gleichzeitig beispielhaft zeigen, wie sich die betriebswirtschaftliche Realität in Unternehmenssoftware abbildet. Die Fallstudiendokumentation besteht aus Foliensätzen und Klickanleitungen. Während die Durchführung der Fallstudien entlang der Anleitungen in der Regel mühelos gelingt, ist das Erreichen eines tiefergehenden Prozessverständnisses zum Prozessziel oder zur sachlogischen Abfolge der Prozessschritte sowohl für die Dozenten als auch für die Studierenden selbst im Verlauf der Bearbeitung nur schwer zu erkennen. Hier können Electronic Response-Systeme (ER-Systeme, ERS) Abhilfe schaffen, die bereits an vielen Stellen in der Präsenzlehre im Einsatz sind, um in Vorlesungen mit großem Teilnehmerkreis Rückmeldungen der Teilnehmer zu sammeln, das Publikum aktiv einzubeziehen und den Wissensstand anhand von Quizfragen in Echtzeit zu ermitteln. Daneben sind jedoch auch asynchrone Einsatzszenarien im Selbststudium denkbar. Dozenten sehen dabei im Zeitverlauf, wie weit die Studierenden mit der Bearbeitung einer Aufgabe im Selbststudium vorangekommen sind und welcher Teil der Lernenden eine Frage korrekt beantworten konnte. Teilnehmer können ihren Arbeitsstand mit dem der restlichen Gruppe vergleichen, um einen eventuellen Rückstand frühzeitig zu erkennen. Insbesondere kann durch zielgerichtete Fragen das Augenmerk auf Prozessziel und -logik gelenkt werden. G. Roth-Dietrich (*) Hochschule Mannheim, Mannheim, Deutschland E-Mail: [email protected] # Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 T. Barton et al. (Hrsg.), Hochschulen in Zeiten der Digitalisierung, Angewandte Wirtschaftsinformatik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26618-9_13

197

198

G. Roth-Dietrich

Der Beitrag analysiert zunächst den Markt für ER-Systeme, trägt Marktrecherchen zusammen und führt anhand eines auf das asynchrone Einsatzszenario ausgerichteten Kriterienkatalogs einen Vergleich von ER-Werkzeugen durch. Auf Basis des am besten abschneidenden ER-Tools ARSnova entsteht ein Prototyp, der die Fallstudiendokumente und Klickanleitungen in kleinen Schritten bereitstellt, Quizfragen für Selbststudium und Präsenzlehre formuliert, den Wissensstand über Lernkarten festigt und den Aufruf des SAP-Systems mithilfe von Links einbindet. Schlüsselwörter

Electronic Response-System · ER-System · SAP · Fallstudien · Gamification

13.1

Anwendungsfallstudien in SAP-Systemen

13.1.1 SAP-Anwendungsfallstudien in der Lehre Das Unternehmen SAP SE stellt seine Softwarelösungen für Enterprise Resource Planning (ERP), Customer Relationship Management (CRM), Business Intelligence (BI) u. a. im deutschsprachigen Raum über die SAP University Competence Center (UCC) in Magdeburg und München für die Lehre zur Verfügung. Vor allem die ERP-Lösung SAP ERP sowie der Nachfolger SAP S/4HANA, der die In-Memory-Datenbank SAP HANA nutzt, kommen in vielen Universitäten zum Einsatz. Die UCCs und viele Hochschulen selbst entwickeln Anwendungsfallstudien in SAPSystemen, die die Studierenden an unterschiedliche Geschäftsprozesse heranführen sollen. Die Lernziele der Fallstudienbearbeitung umfassen das Kennenlernen des jeweiligen Softwareprodukts, das Verstehen und praktische Ausprobieren der einzelnen Prozesse sowie die Gewinnung vertiefter Erkenntnisse zu betriebswirtschaftlichen Zusammenhängen, die sich in der Integration der Softwaremodule widerspiegeln [1]. Zu den bereitgestellten Fallstudienunterlagen gehören einführende Foliensätze zur Softwarelösung, zur Vorstellung des Unternehmensszenarios im vorgecustomizten Beispielunternehmen, z. B. IDES (International Demonstration and Education System) oder GBI (Global Bike Inc.), sowie zum Modul und den Prozessen der Fallstudie. Die Studierenden sehen sich zunächst die Folien an, arbeiten sich anhand kurzer Übungen zur Datenanzeige in die Navigation und die Anwendung der betrachteten Komponenten ein und spielen anschließend den behandelten Prozess mithilfe einer Klickanleitung und eines Datenblattes durch, wobei letzteres in Kurzform die anzulegenden Stammdatenobjekte, die zu verwendenden Transaktionscodes sowie die zu erzeugenden Belege für die Bewegungsdaten zusammenstellt. Dozenten erhalten Hinweisdokumente mit notwendigen Vorarbeiten im System sowie mit Tipps zu den häufigsten Fehlern und den Korrekturmöglichkeiten dazu. Die typische Bearbeitung einer SAP-Anwendungsfallstudie gestaltet sich wie folgt. Zu Beginn wiederholt die Lehrkraft bei Bedarf die betriebswirtschaftlichen Grundlagen zur Anwendung und stellt danach die Softwarekomponente, ihre grundlegende Funktionalität

Integration von Electronic Response-Systemen in Anwendungsfallstudien mit . . .

Vorkenntnisse ausreichend

Ubungen bearbeiten

199

keine Bewertung

Fallstudie bearbeiten

Fallstudienbearbeitung endet

Bewertung

Prasentationsfollen Fallstudien- besprechen bearbeitung beginnt

Vorkenntnisse gering

13

Fallstudienbewertung durchführen

Abb. 13.1 Prozess der Fallstudienbearbeitung. (Quelle: eigene Darstellung)

sowie den Fallstudienprozess vor. Spätestens jetzt muss jeder User seine Zugangsdaten sowie eine individuelle Nummer erhalten, die er für die Benennung seiner Objekte nutzt. Auf diese Weise arbeitet jeder Anwender in seinem eigenen Namensraum und kann derselben Klickanleitung folgen, ohne mit den Objekten anderer Teilnehmer in Konflikt zu geraten. Wenn die Anleitung die Erzeugung eines Materialstammsatzes MATERIAL### vorsieht, legen die Studierenden beispielsweise Materialstammdaten mit den Materialnummern MATERIAL-001, MATERIAL-002 usw. an. Optional weisen die Dozenten bereits vorab auf die typischen Bearbeitungsfehler hin. Im Anschluss arbeiten Anwesende mit geringen Vorkenntnissen zunächst an den Vorübungen zur Datenanzeige. Erfahrenere Studierende beginnen direkt mit der Fallstudie. Alle Teilnehmer agieren selbstständig und wenden sich lediglich bei Fragen an die Betreuer. Die Weiterführung der Fallstudie kann in einer späteren Präsenzvorlesung erfolgen. Üblicherweise stellen die Studierenden die Fallstudie jedoch im Selbststudium fertig. Soll die Fallstudienbearbeitung Teil der Bewertung sein, lassen sich die vorgefundenen Datenobjekte zentral kontrollieren und über ihren Primärschlüssel den Studierenden zuordnen, oder die Teilnehmer erläutern ihr Vorgehen individuell im Rahmen eines Testats gegenüber der Lehrperson und beantworten Fragen zum Prozess. Auch eine schriftliche Abschlussprüfung mit Fragen zur Fallstudie ist denkbar. Abb. 13.1 zeigt den Prozess als BPMN-Modell.

13.1.2 Vorteile Die Autorin setzt seit 2004 verschiedene SAP-Anwendungsfallstudien in der Lehre ein. Studierende melden immer wieder positiv zurück, dass diese Übungen das Verständnis für die betriebswirtschaftliche Theorie vertiefen, die theoretischen Konzepte hinter ERP-Systemen und anderen Anwendungen klären und im konkreten Fall zeigen, wie ein Geschäftsprozess in einer Software umgesetzt werden kann. Weitere Vorteile sind: • Gut skalierbare Gruppengröße in Übungen: Aufgrund der detaillierten Unterlagen zu den Fallstudien ist es möglich, auch größere Teilnehmergruppen zu betreuen. Studierende können die Prozesse allein, aber auch in kleinen Teams durchspielen. Anwendungsfehler, die eine weitere Bearbeitung verhindern oder zu Abweichungen bei den Ergebnissen führen, lassen sich verringern, indem die Dozenten zu Beginn zu

200

G. Roth-Dietrich

einer genauen Befolgung der Klickanleitungen anhalten, die typischen Fehler bereits vor Beginn der Bearbeitungszeit nennen, Korrekturmöglichkeiten für alle am Beamer zeigen oder die betreffenden Sequenzen vorab als Screencasts aufzeichnen und über eine E-Learning-Plattform zu Verfügung stellen. • Individuelles Arbeitstempo: Da die Teilnehmer nach der Einführung im Plenum selbstständig arbeiten, können Studierende mit Vorkenntnissen die Datenanzeigeübungen überspringen und zügig in der Fallstudie voranschreiten, während weniger Erfahrene sich zuerst in Ruhe in den Anwendungsprozess einlesen. • Motivation zu selbstorganisierter Teamarbeit: In der Regel ergibt es sich ganz von selbst, dass Studierende, die auf ein Problem stoßen, zunächst bei ihren Kommilitonen nachfragen. Teilnehmer, die eine Frage für sich beantworten konnten, sind meist motiviert, ihre Erkenntnis weiterzugeben. Durch das Erklären des Sachverhalts für andere steigt das Verständnis für die Zusammenhänge. Diejenigen, die von einer Hilfe profitiert haben, sind umgekehrt bestrebt, beim nächsten Fallstrick selbst mit einer Lösung aufzuwarten. Auf diese Weise ergeben sich oft automatisch Teams, deren Mitglieder zwar jeder an einem eigenem Frontend, aber doch zusammen die Fallstudien durchführen.

13.1.3 Herausforderungen Diesen Pluspunkten steht eine zentrale Herausforderung gegenüber, nämlich die Frage, wie sich sicherstellen lässt, dass die Studierenden den Prozess tatsächlich verstehen und nicht nur pflichtbewusst der Klickanleitung folgen. Das erwartete Prozessverständnis lässt sich etwa mit folgenden Leitfragen umreißen: • • • • • • • • • •

Welchem Ziel dient der Gesamtprozess? Wie sieht der Prozessablauf im Groben aus? Welche Rollen, Abteilungen und Mitarbeitergruppen sind in den Prozess involviert? Welche Prozessschritte dienen der Vervollständigung des Customizings, welche legen Stammdatenobjekte an, welche erzeugen Bewegungsdaten? Welche Prozessschritte sind im Gesamtprozess zwingend notwendig, weil Folgeschritte die in ihnen angelegten Daten voraussetzen? Welche Schritte sind optional und könnten entfallen? Welche Eingaben wirken steuernd im Prozess, d. h., welche Datenfelder bewirken welche sofortige oder spätere Systemreaktion? Welche Prozessverzweigungen wären denkbar, auch wenn sie nicht Bestandteil der Fallstudie sind? Welches Datenmodell lässt sich aus den Prozessschritten ableiten, z. B. welche Attribute identifizieren ein Objekt, und wo gibt es Fremdschlüsselbeziehungen? Lassen sich Prozess- und Datenmodell zwingend aus rechtlichen Vorschriften (z. B. Finanzbuchhaltung), landesspezifischen Vorgaben (z. B. Personalabrechnung) oder Best Practices der Branche (z. B. Lagerverwaltung) ableiten, oder hatte der Softwarehersteller Entscheidungsfreiheiten bei Konzept, Design und Implementierung?

13

Integration von Electronic Response-Systemen in Anwendungsfallstudien mit . . .

201

Die erlebte Vorlesungspraxis zeigt hier erfahrungsgemäß eine große Diskrepanz zwischen dem Erwartungshorizont der Dozenten und der Selbsteinschätzung der Teilnehmer. Dies kommt beispielsweise zum Ausdruck, wenn Studierende Fragen zur Fallstudie im Plenum, bei der individuellen Prozessabnahme und in nachfolgenden Testaten oder Klausuren nur mit Mühe beantworten können, obwohl sie den Prozess fehlerfrei und selbstständig bearbeitet hatten.

13.2

Electronic Response-Systeme (ERS)

Das Ziel dieses Beitrags ist die Überwindung dieses Missverhältnisses durch den Einsatz eines elektronischen Werkzeugs, das den Teilnehmern prozessbegleitend eine Evaluierung des eigenen Kenntnisstands anbietet. Hierzu kommen mehrere Toolarten in Betracht, primär Classroom Response-Systeme, auch Audience Response-Systeme oder Abstimmungssysteme genannt, für die im Folgenden als Oberbegriff Electronic ResponseSysteme (ER-Systeme, ERS) steht. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass die Fallstudienpraxis mit Selbststudiumsanteilen nicht zwingend von einer Bearbeitung in der Präsenzzeit ausgeht, es somit ggf. keinen Classroom bzw. keine Audience gibt.

13.2.1 Arten von Electronic Response-Systemen ER-Systeme sind interaktive Lernwerkzeuge, die in Lehrveranstaltungen und bei Vorträgen die Interaktionsmöglichkeiten zwischen Vortragenden und Zuhörern erhöhen. Seit den 1950er-Jahren entstanden drei Generationen von ERS, die zunächst als fest installierte Eingabegeräte mit einem zentralen Rechner verkabelt waren. Die zweite Generation ersetzte die Kabelverbindung durch Infrarot- oder Funkkommunikation. Im Gegensatz zu diesen beiden hardwarebasierten Ansätzen baut die neueste Generation auf der Nutzung internetfähiger mobiler Endgeräte der Teilnehmer und WLAN-Zugang in den Vortragsräumen auf [2]. Softwarebasierte ERS stehen entweder als App oder als Software as a Service (SaaS) zur Verfügung, sodass keine Anschaffungskosten für Hardware anfallen [3].

13.2.2 Nutzungsszenarien Das klassische Nutzungsszenario zeigt Abb. 13.2 als BPMN-Modell. Der Lehrende hat üblicherweise bereits vor Veranstaltungsbeginn eine Session mit einer oder mehreren Fachfragen zu den Lehrinhalten im ER-Tool angelegt und vorbereitet. In der Vorlesung oder Übung erläutert die Lehrperson nun zunächst den vorgesehenen Vorlesungsinhalt und präsentiert das Vorlesungsmaterial mittels Beamer, Tafelschrieb oder Projektor der Zuhörerschaft. Anschließend öffnet der Lehrende die Session und teilt im Plenum die

Dozent (m/w/d)

Vorlesung

Lerneinheit beginnt

Lehrmaterial zu Thema präsentieren

Zugangsdaten zu Session mitteilen

Fragen in ERS beantworten

Fragen über ERS stellen

tudent (m/d)

Antworten auswerten

Abb. 13.2 Klassisches ERS-Nutzungsszenario. (Quelle: eigene Darstellung)

Student (m/w/d)

Diskussion sinnvoll

Dozent (m/w/d)

Diskussionbeitrag leisten

Ergebnisse zur Diskussion stellen

Keine Diskussion notwendig

Diskussion abschließen

Fragenwiederholung erwünscht

kein Fragenwiederholung notwending

nächstes Thema präsentieren

Lerneinheit endet

202 G. Roth-Dietrich

13

Integration von Electronic Response-Systemen in Anwendungsfallstudien mit . . .

203

Zugangsdaten zum ERS mit. Das ERS sammelt die nach und nach eingehenden Antworten der Teilnehmer, die diese über ihr Endgerät (z. B. Laptop, Tablet oder Smartphone) gegeben haben. Das Zeitfenster für die Bearbeitung endet entweder nach einer vorgegebenen Zeitspanne oder nach Abfrage, ob alle im Auditorium zum Ende gekommen sind. Die Lehrkraft wertet nun die Ergebnisse aus, zeigt diese den Teilnehmern grafisch oder in Tabellenform aufbereitet an und kann optional in Diskussion mit den Lernenden treten, um später bei Bedarf die Fragen zu wiederholen oder in der Stoffvermittlung fortzufahren [3]. Außer für das Stellen von Fachfragen zum Vorlesungsstoff kommen ER-Systeme auch für die Gewinnung von veranstaltungsbezogenem Livefeedback oder für die Strukturierung des Veranstaltungsablaufs zur Anwendung. Livefeedback in einer Vorlesung gibt den Dozenten Rückmeldung zum Engagement der Teilnehmer. In Skalen wie „zu leicht – genau richtig – zu schwer“ oder „kann folgen – bitte schneller – zu schnell – abgehängt“ gibt das Publikum den Lehrenden damit Hinweise, wie das Vorlesungstempo fortan zu gestalten ist. Forking- oder Branching-Fragen setzen Lehrkräfte zur Strukturierung des Veranstaltungsablaufs ein, indem sie abfragen, ob eine Wiederholung gewünscht ist oder zum nächsten Thema übergegangen werden soll [4]. ER-Systeme unterstützen auch die Umsetzung von Inverted-Classroom-Szenarien, wobei die Studierenden vorab zu Hause das Vorlesungsmaterial durcharbeiten und die Vorlesung mit einer Fragesession im ERS beginnt, die die Teilnehmer allein oder in Gruppen beantworten, bevor der Dozent die Ergebnisse zeigt, diskutiert und erklärt. Die Peer-Instruction-Variante beginnt ebenfalls mit der Vorbereitung der Inhalte im Selbststudium, setzt dann aber auf individuelle Antworten, gefolgt von Ergebnisdarstellung ohne Aufdeckung der richtigen Lösung, Peerdiskussionen, Wiederholung der Beantwortung und am Ende weiteren Erklärungen und ggf. Richtigstellungen [5]. Eine Fülle weiterer Szenarien beschreibt EPLAN [6]. Bereits Schwartz et al. erwähnen die Möglichkeit einer verteilten oder asynchronen Fragenbearbeitung [2]. Der Anwendungsprozess erweitert sich dabei von der klassischen Interaktion in einer Präsenzveranstaltung zur asynchronen Nutzung bzw. zum Zugriff auf die Fragen sowie deren Auswertung außerhalb der Vorlesungszeiten, beispielsweise während der Bearbeitung von Übungen im Selbststudium oder zur Wiederholung des Stoffs zur Prüfungsvorbereitung. Damit lassen sich Arbeitsteile flexibel auf Präsenz- und Selbststudiumszeiten verteilen, etwa durch Beginn der Themenbearbeitung in der Vorlesung und selbstständige Fortführung zu Hause. Oder die Vorbereitung beginnt individuell vor Beginn der Veranstaltung, in der Präsenzzeit selbst arbeiten alle gemeinsam weiter, während jeder in eigenem Tempo die Aufgaben wieder außerhalb der Vorlesung zu Ende bringt. Kernbestandteil der asynchronen ER-Nutzung ist die Möglichkeit der Studierenden, ihre Antworten selbst zu kontrollieren und sich mit anderen zu vergleichen. Etwa sollten sie nachsehen können, wie viele Kommilitonen die Session bereits bearbeitet haben, wie andere geantwortet haben und wie sich der eigene Kenntnisstand im Vergleich zur Kontrollgruppe darstellt.

204

13.3

G. Roth-Dietrich

Vergleich von Electronic Response-Systemen

13.3.1 Recherche von Marktübersichten zu ER-Systemen Die Literaturrecherche zeigt, dass im Internet an verschiedenen Stellen Marktübersichten und Vergleiche zu ER-Systemen verfügbar sind. Diese untersuchen abweichende Kriterienlisten. Auch die Aktualität der Marktrecherchen ist unterschiedlich. Teilweise sind genannte Tools nicht mehr verfügbar. Andere Werkzeuge wurden von den Herstellern offensichtlich weiterentwickelt und decken nun einen größeren Funktionsumfang ab. Tab. 13.1 zeigt einige Quellen mit Listen von ERS-Anbietern, Kontext und Inhalt sowie den Aktualisierungsstand.

13.3.2 Eignungskriterien Um sich für die angedachte asynchrone Nutzung im Umfeld von SAP-Anwendungsfallstudien in der Lehre zu qualifizieren, müssen ER-Systeme eine Reihe von Kriterien erfüllen. • Softwarebasiertes ER-System: Da die Anschaffung spezieller Hardware hohe Kosten verursacht und auch nach speziellen organisatorischen Maßnahmen für die Verteilung, Einsammlung, Prüfung usw. der Klicker verlangt, kommen im Folgenden ausschließlich softwarebasierte Lösungen in Betracht. Es soll ein Webbrowser für die Anwendung genügen. Im Idealfall erhalten die Nutzer Zugang über ihr mobiles Endgerät und eine Mobile App. • Freie Verfügbarkeit: Es kommen nur kostenlose ER-Systeme infrage, die entweder als Open Source-Lösung generell keine Lizenzgebühren erheben, oder die das FreemiumGeschäftsmodellmuster [10] anwenden und zumindest eine praxistaugliche Teilmenge ihrer Funktionalität kostenfrei anbieten. • Datenschutz: Um die Privatsphäre von Teilnehmern wie Dozenten zu schützen, sollten sowohl Zugangsdaten als auch Antworten in Umfragen über gesicherte Verbindungen übermittelt werden. • Keine oder geringe Vorarbeiten: Um die Erprobung so einfach wie möglich zu gestalten, soll das Werkzeug keine Installation auf Teilnehmer- oder Dozentenseite erfordern und auch nicht Teil eines ggf. erst zu implementierenden E-LearningSystems sein. • Angebot an Fragetypen: Wünschenswert ist eine große Bandbreite an Fragetypen, da dies erlaubt, das Verständnis der Fallstudien aus verschiedenen Perspektiven zu testen. Außerdem kann die Variation der Fragenart dazu führen, dass Teilnehmer länger zur Beschäftigung mit dem Thema motiviert sind. • Eignung zur synchronen wie asynchronen Nutzung: Da die Untersuchung zeigen soll, wie Lehrende ein ER-System asynchron, ggf. im Wechsel mit den klassischen Szenarien einsetzen können, scheiden alle ERS aus, die ausschließlich Präsenzveranstaltungen unterstützen. Vor allem muss es hierbei möglich sein, eine Fragerunde mit einer langen

13

Integration von Electronic Response-Systemen in Anwendungsfallstudien mit . . .

205

Tab. 13.1 Fundstellen mit Vergleichen von ER-Systemen

Autor EDUCAUSE [7]

Stand bzw. letzte Aktualisierung 2018

ELAN e. V. [6]

2018

Wiki zu E-Assessments und E-Klausuren, AudienceResponse-Einsatzszenarien

Hara [8]

2016

Justus-LiebigUniversität Gießen [9]

2015 (Vergleich), 2018 (letzte Aktualisierung der Seite)

Analyses on Tech-Enhanced and Anonymous Peer Discussion as well as Anonymous Control Facilities for Tech-Enhanced Learning, Dissertation, Technische Universität Dresden E-Learning-Wegweiser zu Abstimmung (Live Voting) im ILIAS der Universität, Systemvergleich Abstimmungssysteme

Kundisch et al. [3] 2013

Kontext Clickers: Mobile and Web Apps

Classroom Response Systems, Auswahl an CRS-Anbietern

Inhalt URL-Liste zu softwarebasierten ER-Systemen, kein Toolvergleich Umfangreiche Auflistung von ER-Werkzeugen, unterteilt nach Hardwareund Softwarelösungen, Links zu Anbietern, kurze Beschreibung sowie Screenshots, Liste der jeweils einsetzenden Universitäten Kurze Liste webbasierter ER-Systeme mit Vergleich der wichtigsten Funktionen

Umfangreicher Toolvergleich mit URL-Liste, unterteilt nach Hardware- und Softwarelösungen sowie nach kostenlosen und kostenpflichten Angeboten, Vergleichskriterien umfassen Fragetypen, Kommunikations- und Interaktionsmöglichkeiten, Vorarbeiten (Installation, Registrierung) Umfangreicher Toolvergleich, Vergleichskriterien zu Kommerzialität, Open Source, angebotenen Sprachen, Nutzungsmöglichkeiten (App, SaaS, Clicker), Anmerkungen

206

G. Roth-Dietrich

Laufzeit von mehreren Tagen anzulegen. Auch die Feedbackmöglichkeiten haben bei asynchronem Einsatz hohe Bedeutung. So sollten Teilnehmer sehen, ob ihre Antworten korrekt waren, und sich mit dem Plenum vergleichen können. • Einbindung in SAP-Anwendungsfallstudien: Besonderes Augenmerk legt die Analyse auf Integrations-, Einbinde- und Aufrufmöglichkeiten, die es erlauben, die Bestandteile der Fallstudien wie Folien, Klickanleitung usw. mit dem ER-System zu verbinden.

13.3.3 Vorstellung ausgewählter ER-Systeme Die weitere Betrachtung nimmt den Toolvergleich der Universität Gießen [9] als Basis, da dieser einerseits eine umfangreiche Liste von ER-Systemen bereitstellt und andererseits bereits viele Kriterien vergleicht, die relevant für die Eignungsentscheidung für das hier vorgestellte Anwendungsszenario sind. Zunächst scheiden alle Werkzeuge aus, die die Anschaffung von Klickern voraussetzen. Weitere K.o-Kriterien sind das Anfallen von Lizenzgebühren, die vorausgesetzte Nutzung eines E-Learning-Systems oder notwendige Installationsarbeiten. Von den verbleibenden Werkzeugen werden im Folgenden alle untersucht, die ein Minimum an drei unterschiedlichen Fragetypen unterstützen. Mit Kahoot!, Poll Everywhere und Voxvote wurden drei weitere ER-Systeme in die Analyse einbezogen, die entweder im Toolvergleich der Universität Gießen noch nicht auftauchen oder bei denen die Durchsicht der Dokumentation bzw. erste Tests der Autorin zeigten, dass die Software möglicherweise weiterentwickelt oder die Nutzungsbedingungen verbessert wurden. Wenn ein kostenpflichtiges System eine kostenlose Basisversion anbietet, vergleicht die Untersuchung den frei verfügbaren Funktionsumfang.

13.3.3.1 ARSnova Bei ARSnova handelt es sich um ein webbasiertes Feedback- und Abstimmungssystem, das die TH Mittelhessen als Open-Source-Projekt realisiert hat. Es ist für Dozenten und Studierende installationslos auf allen browserfähigen Geräten entweder über einen Gastzugang oder nach Registrierung mit E-Mail-Adresse bzw. über Facebook, Twitter oder Google+ nutzbar. ARSnova ermöglicht neben den klassischen Liveumfragen weitere Einsatzszenarien wie Inverted Classroom, Peer Instruction, Livefeedback und Liveassessment [11–13]. Das Tool zeichnet sich durch eine umfangreiche Palette verfügbarer Fragearten aus und unterstützt Lernstandskontrolle, Vorbereitungs- und Zwischenfragen sowie Lernkarten. Asynchrone Nutzung ist ohne Weiteres möglich, da Lehrpersonen eine Session ohne Zeitangabe öffnen können. Solange die Session läuft, können Teilnehmer die Fragen der Session nacheinander beantworten, in der Liste vor- und zurückspringen, die korrekten Antworten mit ihrer Wahl vergleichen und die anonyme statistische Auswertung aller Abstimmungen einsehen, sofern die Lehrkraft die Anzeige der richtigen Aussagen freigegeben hat. Auch die Dozenten sind jederzeit in der Lage, die Abgaben auszuwerten. Legt man eine Session in ARSnova unter den Menüauswahlpunkten My ARSnova und

13

Integration von Electronic Response-Systemen in Anwendungsfallstudien mit . . .

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Interactive Keynote an, lassen sich verschiedene Fragearten kombinieren, z. B. Klickerfragen und Lernkarten. Vorbereitungs- und Hörsaalfragen bieten die gleiche Fragetypenauswahl, allerdings weist das Tool Teilnehmer beim Aufruf der Session zunächst auf neue Vorbereitungsfragen hin. Die Möglichkeit, Weblinks einzubinden, erlaubt es, externes Material wie z. B. auf einem Server abgelegte Präsentationsfolien aufzurufen. Kleinere Schwächen sind die feste, alphabetisch sortierte Fragenreihenfolge nach dem Anlegen sowie der fehlende Präsentationsmodus für die Ergebnisbesprechung im Auditorium. Die Bedienung ist anfangs gewöhnungsbedürftig, und der große Funktionsumfang macht eine Einarbeitung notwendig, um die für den eigenen Einsatzzweck richtigen Szenarien, Fragetypen und Ablaufmodelle zu finden. Während der Tests kam es schließlich gelegentlich vor, dass die Verbindung zum ARSnova-Server unterbrochen war, sodass die in Arbeit befindlichen Fragen ungesichert blieben bzw. keine Nutzung durch die Teilnehmer möglich war. Trotzdem zeigt ARSnova sehr gute Eignung für die vorgesehene Nutzung im Umfeld der SAP-Anwendungsfallstudien.

13.3.3.2 Kahoot! Kahoot! ist eine spielbasierte kommerzielle Lernplattform in englischer Sprache, die in eingeschränktem Funktionsumfang kostenlos nutzbar ist. Allerdings sind nur die Bezahlversionen werbefrei. Schüler, Studierende oder Unternehmensmitarbeiter spielen Lernspiele (Kahoots) entweder einzeln oder in Teams. Neben Klassenzimmerspielen (synchrone Nutzung) erwähnt Kahoot! auch die Bearbeitung von Kahoots als Hausaufgabe bzw. im Selbststudium [14]. Die drei Nutzungsszenarien umfassen den Quizmodus, Jumbles sowie Umfragen (Surveys). Leider ist der Funktionsumfang von Kahoot! äußerst gering. In allen drei Nutzungsszenarien ist jeweils nur eine Frage pro Spiel formulierbar. Es gibt ausschließlich Multiple-Choice-Fragen mit vier Antwortmöglichkeiten, je nach Szenario sind bei Quiz die korrekten auszuwählen oder bei Jumbles in die richtige Reihenfolge zu bringen. Im Surveymodus geht es nur um die Abfrage einer Meinung ohne Vergleich mit einer richtigen Lösung. Die größte Einschränkung ist allerdings die zeitliche Limitierung der Umfragedauer auf maximal 120 Sekunden. Damit scheidet Kahoot! für die asynchrone Nutzung aus.

13.3.3.3 LARS LARS steht für Live Audience Response System und wurde an der Frankfurt University of Applied Sciences entwickelt. Dozenten können sich mittels einer Mailadresse registrieren, allerdings findet die Passwortübermittlung über eine ungesicherte Verbindung statt [15]. Das Tool ist einfach zu handhaben. Studierende nehmen entweder über eine URL oder per QR-Code an den Umfragen teil. Die größte Einschränkung bei LARS sind die geringen Variationsmöglichkeiten bei den Fragetypen, die nicht über Multiple-Choice- und Freitextfragen hinauskommen. Da das Kriterium des Datenschutzes ebenfalls verletzt ist, kommt LARS nicht in die engere Wahl.

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13.3.3.4 PINGO PINGO ist ein webbasiertes Open-Source-System für die Aktivierung von Studierenden in großen Lehrveranstaltungen, das die Universität Paderborn implementiert hat. Die Abkürzung PINGO steht für Peer Instruction for very large Groups. Das System steht auf Deutsch und Englisch zur Verfügung, erfordert keine Installation, ist für Lehrkräfte wie Studierende kostenlos und zeichnet sich durch intuitive, einfach zu bedienende Oberflächen aus [16]. Nachteilig sind die eingeschränkte Bandbreite an Fragetypen sowie die fehlende Verschlüsselung der Kommunikation über das HTTP-Protokoll. Eine weitere Schwachstelle ist die nicht vorhandene Anmeldemöglichkeit für Teilnehmer, sodass es für Studierende unmöglich ist, die eigenen Antworten im Nachhinein noch einmal einzusehen und sich mit dem Plenum zu vergleichen. Auch die asynchrone Nutzung ist nicht vorgesehen. So kann ein Lehrender eine Umfrage innerhalb einer Session entweder fest auf eine Zeitdauer zwischen 30 Sekunden und 5 Minuten einstellen oder eine unbegrenzte Laufzeit eingeben. Die Auswertung der Rückmeldungen beginnt allerdings erst nach Ablauf der Umfrage und ist nur in der Dozentenoberfläche sichtbar. Insgesamt ist das Werkzeug damit für die asynchrone Nutzung ungeeignet. 13.3.3.5 Poll Everywhere Bei Poll Everywhere handelt es sich um ein webbasiertes kommerzielles Werkzeug, um interaktiv das Publikum einzubeziehen. Es steht für Non-Profit-Anwendungen und das Bildungswesen mit Einschränkungen kostenfrei zur Verfügung. Die Limitierungen beziehen sich u. a. auf die maximale Anzahl von 40 Umfrageteilnehmern [17]. In der Regel sehen Teilnehmer nur ihre eigenen Antworten, außer im Q&A-Modus, der allerdings der Consensusbildung im Plenum dient und Antworten nicht bewertet. Außer im Surveymodus, bei dem mehrere Fragen sequenziell zu beantworten sind, können Teilnehmer ihre Antworten ansehen, löschen und neu setzen. Allen Fragen können die Lehrenden Dateien in beliebigen Formaten beistellen. Interessant sind die Integrationsmöglichkeiten mit Microsoft Powerpoint und Google Slides, wobei sich Umfrageaufrufe in die Präsentationsfolien einbetten lassen. Die Vielfalt an Fragetypen ist ausreichend, eine Erweiterung scheint geplant. Poll Everywhere zeigt daher gute Eignung für das vorgesehene Szenario. 13.3.3.6 TEDzi Bei Aufruf der TEDzi-Webseite erscheint ein Hinweis auf ein ungültiges Sicherheitszertifikat. Das Tool ist außerdem über die gängigen Suchmaschinen nicht auffindbar. Da die Vertrauenswürdigkeit der Seite daher zu bezweifeln ist, wurde das Tool vom weiteren Vergleich ausgeschlossen. 13.3.3.7 Tweedback Tweedback ist ein kostenfreies webbasiertes Livefeedbacksystem, das an der Universität Rostock entstanden ist. Dozenten erhalten nach Anfrage ihre Zugangsdaten per Mail. Als

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Szenarien bietet Tweedback außer dem Quizfeature für Publikumsfragen den Panic Button, um in Echtzeit in der Vorlesung zu signalisieren, dass Teilnehmer dem Vortrag nicht mehr folgen können, sowie die Chatwall zur Beantwortung von Fragen untereinander oder durch die Lehrenden [18]. Nachteilig ist das sehr überschaubare Angebot an Fragetypen für ein Quiz, das sich in der kostenfreien Version auf Single-Choice-Fragen reduziert. Auch die Möglichkeiten zur asynchronen Nutzung sind eingeschränkt. So müssen alle Fragen einer Session separat gestartet und damit zur Beantwortung freigegeben werden, und eine Session kann höchstens für 24 Stunden offen bleiben. Die Evaluation der Ergebnisse, wie z. B. das Hervorheben der korrekten Antworten, bleibt den kostenpflichtigen Angeboten vorbehalten. Ebenso sind Integrationsmöglichkeiten mit Fallstudienmaterial nicht ersichtlich. Insgesamt entsteht der Eindruck, dass das Tool mehr Wert auf die Ausgestaltung von Chat und Feedbackfunktionen legt als auf die Umfragefunktionalität. An einigen Stellen finden sich „Coming soon“-Hinweise darauf, dass sich das System noch in der Entwicklung befindet. Die Erlangung eines Zugangs ist nur per Mailanfrage möglich, sodass es einige Tage dauern kann, bis Dozenten Tweedback nutzen können. Durch diesen Vorbereitungsaufwand und die funktionalen Einschränkungen schneidet Tweedback für den Prototyp aus.

13.3.3.8 Voxvote Voxvote ist ein kommerzielles Audience Response-System aus den Niederlanden, das in mehreren Sprachen zur Verfügung steht. Die frei verfügbare Version von Voxvote ist in vielerlei Hinsicht eingeschränkt. So kann ein Dozent maximal fünf Sessions erzeugen, wobei eine Session höchstens zehn Fragen umfasst. Auch die Menge unterschiedlicher Fragetypen ist limitiert. Bestimmte Funktionen bleiben ebenfalls den Bezahlversionen vorbehalten, wie bspw. das Einbinden von Präsentationen oder die Integration von Grafiken in die Fragen [19]. Interessant ist die Möglichkeit der mehrfachen Abstimmung, weil Teilnehmer eine Session immer wieder aufrufen können. Auf diese Weise könnten Studierende eine zunächst falsch beantwortete Frage noch einmal korrigieren. Schwächen des Systems finden sich jedoch an folgenden Stellen. In der kostenfreien Version scheint es unmöglich zu sein, den Teilnehmern mehrere Fragen auf einmal vorzulegen. Auch wenn alle Fragen gestartet waren, konnten Umfrageteilnehmer nur die erste Frage sehen und mussten dann warten, bis die Lehrperson eine neue Frage zugefügt hatte. Dieser Umstand sowie die fehlenden Integrationsmöglichkeiten mit Fallstudienelementen lassen die Nutzungseignung der frei verfügbaren Version für SAP-Fallstudien in Zweifel ziehen.

13.3.4 Ergebnis des Toolvergleichs Tab. 13.2 fasst die Ergebnisse des Toolvergleichs zusammen. Die beste Eignung zeigt demnach ARSnova, das alle Ausschlusskriterien erfüllt, über einen umfangreichen Katalog an Fragetypen verfügt, für die asynchrone Nutzung geeignet ist und die Integration von

ARSnova Kahoot! LARS PINGO Poll Everywhere TEDzi Tweetback Voxvote

Freie Verfügbarkeit Ja Eingeschränkt Ja Eingeschränkt Eingeschränkt

– Ja Eingeschränkt

Softwarebasiert Ja Ja Ja Ja Ja

– Ja Ja

Tab. 13.2: Toolvergleich von ER-Systemen

Nein Ja Ja

Datenschutz Ja Ja Nein Nein Ja – Nein Ja

Keine Vorarbeiten Ja Ja Ja Ja Ja – Gering Ausreichend

Bandbreite an Fragetypen Umfang-reich Gering Gering Ausreichend Ausreichend – Teilweise Teilweise

Asynchrone Nutzung Ja Nein Teilweise Teilweise Teilweise

– Nein Nein

Integration mit SAP-Anwendungsfallstudien Ja Eingeschränkt Nein Nein Ja

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Fallstudienmaterial ermöglicht. Mit Abstrichen scheint auch Poll Everywhere geeignet, allerdings sind die Fragetypen hier weniger umfangreich, und die kostenfreie Version verhindert den Einsatz in großen Vorlesungen.

13.4

Prototyp

Ziel des Prototyps ist der Proof of Concept. Es soll gezeigt werden, dass ein geeignetes ER-System genutzt werden kann, um eine SAP-Anwendungsfallstudie durch asynchrone Interaktionen zu begleiten. Dabei sollen die technische Machbarkeit sowie der konkrete Umsetzungsweg im Vordergrund stehen.

13.4.1 Prozessmodell Der aufgebaute Prototyp nutzt das ER-System ARSnova, das im Vergleich am besten abgeschnitten hat. Es sollen als Bestandteile die Präsentationsfolien, die Anleitung für die Kurzübungen, die Klickanleitung sowie das Datenblatt mit dem ER-Tool für eine Fallstudienbearbeitung im Selbststudium verbunden werden. Der Aufruf des SAP-Systems SAP S/4HANA soll ebenfalls integriert sein. Wie in Abb. 13.3 gezeigt, unterteilt sich das Szenario in mehrere Phasen: • Einarbeitungsphase: In der ersten Phase sehen sich die Studierenden die Präsentationsfolien zur Theorie und zum Fallstudienprozess an. • Übungsphase: Anschließend lesen sich die Teilnehmer die Übungsaufgaben zur Datenanzeige durch, rufen das SAP-System auf und führen dort die Übungen durch. Dieser Schritt ist optional und kann von versierten Lernenden übersprungen werden. • Fallstudienbearbeitung: Die wichtigste Phase dient dem Durchspielen der Klickanleitung bzw. der Fallstudienbearbeitung. • Nachbereitung: Um den Lernfortschritt zu festigen, arbeiten Studierende bei Bedarf selbstständig mit Wiederholungsfragen und überprüfen ihre Antworten mit den beigefügten Lösungen.

Einarbeitung

Übungen

Fallstudienbearbeitung

Nachbereitung

Abb. 13.3 Prozesslandkarte zum Fallstudienprozess. (Quelle: eigene Darstellung)

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In allen Phasen verifizieren die Studierenden immer wieder ihr Verständnis anhand der beigefügten Quizfragen und können sich auf Wunsch mit den anonymisierten Ergebnissen anderer Teilnehmer vergleichen.

13.4.2 Umsetzung Das Beispielszenario geht von der Anwendungsfallstudie zum Materialmanagement (MM-Fallstudie) in SAP S/4HANA aus, die über die Benutzungsoberfläche SAP Fiori zu bearbeiten ist. Für die Umsetzung kommen zunächst mehrere Herangehensweisen infrage, bei denen die Bearbeitung entweder mit dem Aufruf der Fallstudienunterlagen beginnt, um von dort in die ER-Session einzutreten. Oder die Studierenden starten das SAP S/4HANASystem, das den Aufruf der Unterlagen sowie des ER-Systems antriggert. Schließlich kann auch das ER-Tool als führendes System betrachtet werden, das die Teilnehmer anhand der Fragenstruktur durch den Prozess geleitet und an passender Stelle auf die Fallstudienunterlagen oder den Aufruf des SAP-Systems verweist. Es wird im Folgenden der letztere Ansatz verfolgt. Die Studierenden können dabei die Fallstudienbearbeitung auf ihrem mobilen Endgerät beginnen und den gesamten Prozess mithilfe der ARSnova-App steuern. Die Entscheidung für diese Vorgehensweise beruht auf Rückmeldungen früherer Semester, die sehr positiv auf mobil nutzbare E-Learning-Einheiten reagiert haben. Mit ARSnova als Einstiegswerkzeug können Studierende vor allem die Quizfragen auch nach Abschluss der Fallstudienbearbeitung zur Wiederholung und Prüfungsvorbereitung immer wieder in einer für kleine Displays optimierten Oberfläche von unterwegs aus aufrufen, ohne sich in das SAP-System einloggen zu müssen. Abb. 13.4 zeigt den Dozenteneinstieg zum Anlegen einer Session für die MM-Fallstudie. Für die Phasen des Szenarios kommen unterschiedliche Funktionen von ARSnova zum Einsatz. Die Einarbeitungs- sowie die Übungsphase arbeiten mit dem Preparation-Modul. ARSnova weist nach dem Aufruf der Session zuerst auf neue Einträge im PreparationModul hin und leitet die Nutzer daher dazu an, sich zuerst mit der Theorie zu beschäftigen. Die Fallstudienbearbeitung samt Klickanleitung und zugehörigen Fragen ist im Presentation-Modus umgesetzt, der es erlaubt, beliebig zwischen synchroner Bearbeitung im Selbststudium und Livenutzung in der Vorlesung zu wechseln. Fragen zur Wiederho-

Abb. 13.4 Session für MM-Fallstudie in ARSnova anlegen. (Quelle: eigene Darstellung)

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Abb. 13.5 Überblick über Funktionen und Fragearten in ARSnova. (Quelle: eigene Darstellung)

lung und Nachbearbeitung sind auf Flashcards formuliert. Diese digitalen Lernkarten in ARSnova zeigen eine Fragestellung oder Aufgabe auf der Vorderseite sowie Antworten und Lösungen auf der Rückseite. Da die Sessions ab der Freigabe permanent bis zum Löschen oder Sperren verfügbar sind, kann die Fallstudiensession vor, während und nach der Vorlesung, also insbesondere auch wie gewünscht asynchron ggf. kombiniert mit synchroner Nutzung zur Anwendung kommen. In der Präsenzvorlesung tragen zusätzliche Interaktionen wie Fragen und Kommentare der Studierenden sowie Instantfeedback in ARSnova zum spontanen Dialog bei (vgl. Abb. 13.5). Studierende nutzen die Session entweder ohne Login als Gast. Oder sie registrieren sich mit E-Mail-Adresse und Passwort und können dann jederzeit ihren aktuellen Bearbeitungsstand in der Session sehen. Um die Fallstudienbestandteile einzelnen Themenbereichen für Fragen zuzuordnen, wurden die Foliensätze und Anleitungsdokumente zunächst in kleine Portionen mit wenigen Folien bzw. Seiten zerlegt. Zu jeder Portion gibt es Quizfragen, die in unterschiedlichen Fragetypen wie Single Choice, Multiple Choice, Ja/Nein, Freitext usw. im ER-System hinterlegt sind. Abb. 13.6 zeigt ein Beispiel für die Vorbereitungsaufgaben im PreparationModul. Die orangefarbenen Zahlen zeigen an, dass bereits Antworten eingegangen sind. Die voraussichtliche Quizfragendarstellung und die Auflistung der Multiple-Choice-Antworten auf dem Smartphone zeigen Previews (siehe Abb. 13.7 und 13.8).

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Abb. 13.6 Vorbereitungsfragen in ARSnova. (Quelle: eigene Darstellung)

Abb. 13.7 Smartphone-Preview einer Quizfrage in ARSnova. (Quelle: eigene Darstellung)

In Abb. 13.9 sind die ersten Schritte der Fallstudienbearbeitung sichtbar. Die Integration der Fallstudienbestandteile in die Fragen erfolgt durch Verlinkung auf den Speicherort der Dateien auf einem Server. Der Prototyp nutzt hierzu die E-Learning-Plattform Moodle, auf der auch bisher schon alle Fallstudienunterlagen liegen. Ein kurzer, einseitiger Input, z. B. eine einzige Folie, lässt sich auch als Bild einbinden. Weitere mögliche Multimediaelemente sind Youtube- oder Vimeo-Videos. Zum Aufruf des SAP S/4HANA-Systems eignen sich die Slides-Elemente, die keine eigene Quizfrage beinhalten, sondern nur Text, Bilder oder Links umfassen. Da die

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Abb. 13.8 SmartphonePreview von Multiple-ChoiceAntworten in ARSnova. (Quelle: eigene Darstellung)

MM-Fallstudie über das browserbasierte User Interface SAP Fiori zu bearbeiten ist, müssen Teilnehmer eine URL aufrufen und sich dort mit ihren Zugangsdaten in das SAP-System einloggen. Dieser Link lässt sich in das Slides-Element integrieren. Die Fiori-Einstiegsoberfläche bietet rollenbasierte Kartenreiter mit Apps, die die gewünschten Transaktionen starten (Transactional Apps), Daten analysieren (Analytical Apps) oder Informationen zu einem Objekt bündeln (Factsheet Apps) [20]. Die Einstiegsoberfläche sowie jede App selbst sind mit eigenen URLs ansteuerbar. Aus didaktischen Gründen sollen die Links im Prototyp jedoch nicht direkt zur benötigten App leiten, sondern zunächst nur den Logon Screen bzw. die Überblickseite aufrufen, um die Teilnehmer dazu zu animieren, selbst nach der korrekten App für den Anwendungsschritt zu suchen. Für den Fall, dass Teilnehmer nicht weiterkommen, weist ein Link weiter unten den direkten Weg zur benötigen Fiori-App. Als Beispiel zeigt Abb. 13.10 das Anlegen eines Lieferanten im

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Abb. 13.9 Fallstudienbearbeitung in ARSnova. (Quelle: eigene Darstellung)

Abb. 13.10 Smartphone-Preview zu Fallstudienbearbeitung und Aufruf des SAP-Systems in ARSnova. (Quelle: eigene Darstellung)

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Smartphone-Preview mit Verweisen auf die Klickanleitung, einem Link zum Einloggen bzw. zum Aufruf der Einstiegsoberfläche in SAP S/4HANA sowie einem Direktlink zur benötigen Fiori-App.

13.5

Evaluation und Ausbaumöglichkeiten

13.5.1 Abrundung durch Screencasts Sinnvolle Ergänzungsbestandteile in einer ER-Session sind Screencasts, die in Form eines Videos schrittweise die Fallstudienbearbeitung visualisieren oder die zumindest die Schritte mit häufigen Fehlern zeigen und wie man sie vermeiden bzw. nachträglich korrigieren kann. Liegen die Videos in Youtube oder Vimeo können sie problemlos in Vorbereitungs- oder Vorlesungsfragen in ARSnova eingebunden werden.

13.5.2 Effektivitätstest Die Forschung zum Einsatz von ER-Systemen in der Präsenzlehre ist umfangreich und belegt deren Vorteile. Nach den Top-7-Lehrmethoden von What Works Clearinghouse haben vorbereitende Fragen zur Einstimmung in ein neues Thema sowie das erneute Konfrontieren mit Schlüsselaspekten nach einer Veranstaltung ein starkes Evidenzniveau [21]. Eine umfangreiche Zusammenstellung zu Evidenztests findet sich beispielsweise bei Middleditch et al. [22]. Trotzdem steht für das konkrete Szenario hier bisher der Nachweis aus, dass der Einsatz von ER-Systemen für die Fallstudienbearbeitung den Kenntnisgewinn steigert. So stellt sich die Frage, ob Studierende, die die SAP-Anwendungsfallstudien mit Toolunterstützung bearbeiten, ein größeres Prozessverständnis erlangen als Teilnehmer, die lediglich die Fallstudienunterlagen zur Hand haben. Die Effektivität des ERSEinsatzes soll daher ab dem kommenden Semester in der Lehre überprüft werden. Aus Fairnessgründen kommt es nicht infrage, einer Hälfte der Kohorte den Zugang zum ER-System zu verwehren. Daher sieht der Test vor, dass alle Teilnehmer gemeinsam die erste Fallstudie, die MM-Fallstudie, integriert in ARSnova und eine andere, die CO-Fallstudie, ohne ER-Tool durcharbeiten. Um auszuschließen, dass die eventuell höhere Komplexität einer der Fallstudien das Ergebnis verfälscht, könnte im folgenden Semester das Testszenario umgekehrt werden.

13.5.3 Onlineumfragesysteme Obwohl der Prototyp viele der gestellten Anforderungen umsetzt, zeigt er einige Schwächen, etwa was das Einbinden beliebiger Dateiformate betrifft. Außerdem wäre eine weitere Variation der Fragetypen wünschenswert, beispielsweise das Markieren eines zur Frage

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passenden Bereichs in einer Grafik. Es ist es daher angedacht, die Untersuchung über ER-Systeme hinaus auf weitere Systemarten auszudehnen, wie z. B. Onlineumfragesysteme. Onlineumfragen setzen eine Befragung einer Teilnehmergruppe internetbasiert um und sind vor allem in der empirischen Sozial-, Markt-, Meinungs- und Bildungsforschung verbreitet. Die Befragten beantworten die gestellten Fragen online im Webbrowser, anstatt einen Papierfragebogen auszufüllen. Der Onlinefragebogen erweitert die Befragungsmöglichkeiten, etwa in Form neuartiger Fragetypen und Antwortoptionen wie bspw. Schieberegler zur stufenlosen Eingabe des Antwortwertes, Drag-and-drop zur Priorisierung der Elemente oder das Hochladen von Audio-, Bild- oder Videodateien als Antwort. Auch die adaptive Fragebogenführung, die in Folgefragen Bezug auf die zuvor gegebenen Antworten nimmt, hebt den Onlinefragebogen von der Papierversion ab. Automatische Kontrollen tragen schließlich zur Validitätserhöhung bei, etwa durch Fragenpermutation zur Vermeidung von Reihenfolgeneffekten, Plausibilitätsprüfungen der Antworten, punktuelle Ausfüllkontrolle bei wichtigen Fragen oder Erfassung von Bearbeitungszeiten [23]. Onlineumfragetools unterstützen in der Regel sowohl die synchrone Umfrageteilnahme innerhalb eines kurzen Zeitraums in einer Präsenzvorlesung als auch eine länger laufende Beantwortung in Zeiten des Selbststudiums. Daher kommen sie zusätzlich zu den ER-Systemen für den hier angedachten Einsatzzweck in Betracht. Als erstes Beispiel für Umfragetools wurde bislang SurveyMonkey untersucht, eine in mehreren Sprachen verfügbare webbasierte Umfragelösung eines kommerziellen Anbieters aus Irland. Das System verfügt über eine umfangreiche Auswahl von Fragetypen. Da der Fokus auf Onlineumfragen liegt, gibt es neben dem Quizmodus mit richtigen und falschen Eingaben auch die Möglichkeit, auf eine Bewertung der Rückmeldungen ganz zu verzichten. Im Quizmodus sehen Studierende ihre eigenen Ergebnisse nach Teilnahme an der Umfrage sofort. Allerdings ist es dem Quizersteller vorbehalten, die Ergebnisse statistisch auszuwerten oder grafisch aufzubereiten. Es existieren diverse Einbindemöglichkeiten (Collectors), um Teilnehmer zur Umfrageteilnahme aufzufordern, zusätzlich zu URL und QR-Code etwa über eine Einladungsmail, Posts in sozialen Medien sowie über die Einbettung in Mobile Apps und Webseiten. Diese Integrationsmöglichkeiten könnten zur Anbindung an das SAP-System genutzt werden. Die kostenfreie Basic-Version schränkt die Nutzung allerdings an mehreren Stellen ein. So sind nur 10 Fragen pro Umfrage möglich, allerdings bei beliebig vielen Umfragen. Die Umfrageauswertung ist auf 100 Beteiligte limitiert. Auch der direkte Zugang zu den APIs, um SurveyMonkey-Umfragen in eigene Anwendungen zu integrieren, bleibt den Bezahlversionen vorbehalten. Außerdem sind die Collectors auf drei begrenzt. Hingegen unterstützt bereits die kostenlose Version das umfangreiche Set an Fragetypen [24].

13.5.4 Integration mit SAP S/4HANA Die Integration der ERS-Session mit dem SAP-System basiert bislang auf dem Aufruf von Fiori-Apps aus ARSnova heraus. Ein anderer Lösungsansatz könnte der Wechsel auf SAP

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S/4HANA als führendes System sein. Dazu wären eigene Fiori-Apps anzulegen, um zu den Fallstudiendokumenten einerseits und zum ER-System andererseits zu navigieren. Die Entwicklung von Fiori-Apps ist entweder in Eclipse oder in der SAP Web IDE möglich [25]. Eine Fiori-App kann beispielsweise eine externe URL aufrufen [26]. Auf diese Weise gelangen Nutzer entweder zu den Fallstudienunterlagen auf dem Server oder zur Session im ER-System. SAP S/4HANA ist durchaus als führendes System in Erwägung zu ziehen, denn auch Fiori-Apps laufen auf mobilen Endgeräten. Für die konkrete Umsetzung existieren diverse Möglichkeiten [27]. Allerdings ginge bei diesem Ansatz die Ablaufreihenfolge der Bearbeitung verloren, die in ARSnova über die korrekte Sequenz der Fragen und Arbeitsschritte sichergestellt ist.

13.6

Ausblick

Für die asynchrone Nutzung im Umfeld der Bearbeitung von SAP-Fallstudien in der Lehre haben sich ER-Systeme als erfolgversprechende Kandidaten erwiesen. Insgesamt bringt der Wandel zur Wissensgesellschaft viele neue Lern- und Lehrformen mit sich und stellt die Rolle der Hochschulen auf den Prüfstand [28]. Gamification als Symbiosekonzept aus Lernen und Spielen hält Einzug in die Hochschulwelt und verändert Engagement, Autonomie, Können, Fortschrittseinsicht und Zweckverständnis der Studierenden [28]. Visuellen Aufforderungscharakter haben beispielsweise Quests, d. h. Herausforderungen, die über Punkte als Feedback für Geleistetes oder mithilfe von Ranglisten den Wettbewerb steigern [28]. Indirekte Affordanz entsteht z. B. durch die Fortschrittsdarstellung, durch Autonomie in der Bearbeitung, durch konstruktives Feedback oder durch zeitliche Limitierungen [28]. Obwohl sie nicht primär auf das spielerische Lernen ausgelegt sind, setzen ER-Systeme insofern viele passende Anreize und werden einen festen Platz in zukünftigen Lernumgebungen einnehmen.

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G. Roth-Dietrich

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Augmented Reality in Vorlesung und Übung: Lehre und Interaktion neu gedacht

14

Gergana Lilligreen und Alexander Wiebel

Zusammenfassung

In diesem Kapitel wird der Einsatz von Augmented Reality (AR) in Lehrveranstaltungen an Hochschulen diskutiert. Als Fallbeispiel wird ein Konzept betrachtet, welches die Bereiche Blended Learning und Augmented Reality verbindet. Anders als in der klassischen Definition von Blended Learning wird hier aber Digitales in der Präsenzphase eingesetzt. Dabei entstehen neue Interaktionsmöglichkeiten mit den digitalen Elementen und auch der Studierenden und Lehrpersonen untereinander. Im Fallbeispiel zu einer Lehrveranstaltung Audiovisuelle Produktion werden mithilfe der AugmentedReality-Technologie und des entwickelten AR-Szenenplanerprototyps handlungsorientierte Aufgaben für die Studierenden ermöglicht und die Inhalte der Vorlesung auf eine innovative Art verbunden und vermittelt. Die raumbewusste Augmented-Reality-Brille HoloLens wird als Medium zur Anreicherung und für die Erstellung der Übungsinhalte eingesetzt. Die Brille unterstützt die räumliche Arbeit und ist somit nicht nur für die Gruppeninteraktion einer handlungsorientierten Lehr-Lern-Situation geeignet, sondern auch für die inhaltliche Seite des gewählten Szenarios – die Planung und Erstellung eines Kurz- oder Unternehmensfilmes. Über das Konzept hinaus werden Ergebnisse (Lessons Learned) aus dem praktischen Einsatz in der Hochschullehre vorgestellt und diskutiert. Denkbare Synergien zwischen verschiedenen Vorlesungen und ein möglicher zukünftiger Einsatz des AR-Lehrkonzeptes in der Lehre im Bereich Wirtschaftsinformatik werden zum Schluss besprochen.

G. Lilligreen (*) · A. Wiebel Hochschule Worms, Worms, Deutschland E-Mail: [email protected]; [email protected] # Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 T. Barton et al. (Hrsg.), Hochschulen in Zeiten der Digitalisierung, Angewandte Wirtschaftsinformatik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26618-9_14

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G. Lilligreen und A. Wiebel

Schlüsselwörter

Augmented Reality · HoloLens · Lernen · Lehren · audiovisuelle Produktion · Hochschullehre

14.1

Einleitung und Motivation

Die Digitalisierung ist gegenwärtig in nahezu allen Lebensbereichen angekommen und spielt auch für die Weiterentwicklung der Hochschullehre eine enorme Rolle [1]. Zu den zukunftsweisenden Technologien, die aktuell besonders viel Aufmerksamkeit erhalten [2], gehören Augmented Reality (AR, dt. erweiterte Realität) und Virtual Reality (VR, dt. virtuelle Realität). Die technischen Neuerungen allein jedoch können die Hochschullehre nicht voranbringen. Das Hochschulforum Digitalisierung beschreibt dies wie folgt: „Bei den Innovationen im Bereich digitaler Lehre handelt es sich nicht um rein technische Innovationen, sondern um didaktische, curriculare und organisatorisch strukturelle Innovationen“ [3]. Diese Verbindung von innovativen Technologien, hier von Augmented Reality, und passendem didaktischem Einsatz soll in diesem Kapitel betrachtet werden. Es stellt sich die Frage, wie die Möglichkeiten, die mit einer Erweiterung der Realität einhergehen, sinnvoll und didaktisch begründet für die Lehre genutzt werden können. Daher wird im Folgenden anhand eines Anwendungsszenarios in der Lehrveranstaltung „Audiovisuelle Produktion“ (Abschn. 14.5) in der Form von „Lessons Learned“ (Abschn. 14.5.7) der Einsatz von Augmented Reality in der Lehre konkret betrachtet. Zusätzlich wird noch auf die Möglichkeiten für den zukünftigen Einsatz des AR-Lehrkonzeptes im Bereich Wirtschaftsinformatik eingegangen.

14.2

Augmented Reality

Um die einzelnen Aspekte des AR-Lehrkonzeptes nachvollziehen zu können, ist ein grundlegendes Wissen über Augmented Reality notwendig. Daher werden im Folgenden einige Grundlagen und Definitionen zum Thema Augmented Reality vorgestellt. Ein Augenmerk liegt dabei speziell auf der in diesem Beitrag eingesetzten AR-Technologie.

14.2.1 Abgrenzung VR Häufig werden Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR), im Deutschen auch als virtuelle Realität und erweiterte Realität bezeichnet, zusammen betrachtet. Während VR die Benutzer in eine komplett computergenerierte Umgebung eintauchen lässt und sie dabei komplett von ihrer realen Umwelt abschirmt, versucht AR, Informationen und virtuelle dreidimensionale Objekte in der realen physikalischen Umgebung zu registrieren und korrekt in diese eingepasst zu präsentieren (siehe [4]).

14

Augmented Reality in Vorlesung und Übung: Lehre und Interaktion neu gedacht

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14.2.2 Definition AR Bei der Augmented Reality wird die reale Umgebung also mit virtuellen Objekten kombiniert. Es ist eine Interaktion mit den virtuellen Objekten in Echtzeit gegeben, und die realen und virtuellen Objekte stehen dreidimensional zueinander in Bezug [5]. Für die Darstellung gibt es drei grundlegende Möglichkeiten: projektionsbasierte AR, Video-See-Through und Optical-See-Through, [4]. Projektionsbasierte AR blendet die virtuellen Inhalte durch Projektoren in die reale Welt ein. Bei Video-See-Through wird das Bild einer Kamera, das die Benutzer betrachten, mit virtuellen Inhalten überlagert. Beispielhaft für diese Möglichkeit ist AR mit Smartphones oder Tablets. Optical-SeeThrough ist durch ein durchsichtiges Display charakterisiert – so kann der Betrachter die reale Welt normal sehen, und die virtuellen Informationen werden zusätzlich eingeblendet. Diese Technologie wird z. B. bei der HoloLens-Brille (siehe Abb. 14.2c) von Microsoft eingesetzt. In der Fallstudie, welche im Abschn. 14.5 beschrieben wird, dient diese als Hardware. Weiterhin unterscheidet man auch zwischen markerbasierter und markerloser AR. Für die Erste sind künstliche Marker im Raum oder am Körper notwendig, um die virtuellen Objekte in Bezug zueinander und zum Raum zu setzen. Die markerlose AR kommt ohne zusätzliche Markierungen im Raum aus. Diese Art von AR ist bei der HoloLens gegeben. Wenn zur markerlosen AR noch das Erkennen von dreidimensionalen Objekten in der Umgebung hinzukommt, sodass virtuelle auch hinter realen Objekten verschwinden können, so sprechen wir von raumbewusster Augmented Reality (R-AR).

14.2.3 Verwandte Begrifflichkeiten: Mixed Reality und XR Zusätzlich zu den schon oben beschriebenen Begriffen AR und VR, die in der Literatur relativ einheitlich verwendet werden, findet man auch öfter die Begriffe Mixed Reality (MR) und mittlerweile auch XR, bei denen eine konsistente Interpretation nicht immer gegeben ist. Mixed Reality hat sich bis vor Kurzem vor allem auf die gesamte Bandbreite des „reality-virtuality continuum“ bezogen, welches von Milgram schon in 1994 beschrieben wurde [6]. Mittlerweile findet es allerdings auch Anwendung auf reine VR oder spezielle AR-Varianten. Der Begriff XR wird als Überbegriff für AR, VR und MR verwendet [7], bei dem das X als Variable angesehen und durch A, V oder M ersetzt wird.

14.3

Blended Learning

Wenn es um Digitales und Lernen geht, werden häufig die Begriffe E-Learning und Blended Learning benutzt. Beim E-Learning geht es um digitales Lernen, welches z. B. mit Learning-Management Systemen ermöglicht wird. Beim Blended Learning ergänzen digitale Möglichkeiten die Präsenzlehre. Eine Definition dazu gibt Sauter [13]: „Blended Learning ist ein integriertes Lernkonzept, das die heute verfügbaren Möglichkeiten der

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Vernetzung über Internet oder Intranet in Verbindung mit ‚klassischen‘ Lernmethoden und -medien in einem sinnvollen Lernarrangement optimal nutzt. Es ermöglicht Lernen, Kommunizieren, Informieren und Wissensmanagement, losgelöst von Ort und Zeit in Kombination mit Erfahrungsaustausch, Rollenspiel und persönlichen Begegnungen im klassischen Präsenztraining“ [13]. Im hier vorgestellten Konzept wird anders als in der klassischen Definition von Blended Learning Digitales direkt in der Präsenzphase eingesetzt und nicht als Ergänzung aus einem anderen Lernort.

14.4

Handlungsorientiertes Lehren und Lernen

Wie in der Einleitung zu diesem Kapitel erwähnt, kann die Digitalisierung in der Lehre nicht allein technisch gedacht werden, sondern zur Technik müssen auch immer passende didaktische Methoden und organisatorische Strukturen gewählt werden. Aus diesem Grund werden in diesem Abschnitt einige besonders für die AR relevante didaktische Konzepte und Unterrichtsstrukturen vorgestellt.

14.4.1 Aktivierende Methoden Seit dem Bologna-Prozess ist es klar, dass die Studierenden im Mittelpunkt stehen sollen, und zwar als aktive Teilnehmer in einer Lehr-Lern-Situation, (vgl. [8]). Handlungsorientierung und aktivierende Methoden gehören deshalb zu den aktuellen Themen, wenn es um Hochschuldidaktik [9] geht. Viele Studien haben belegt, dass das Lernen nicht nach einem Sender-Empfänger-Prinzip funktioniert. Es beschränkt sich nicht auf die bloße Wahrnehmung eines Inputs, (vgl. [14]). Die Situation in einer Vorlesung ist aber sehr oft durch den Frontalunterricht geprägt, der die Studierenden in eine eher passive „Empfänger“-Rolle versetzt. In Übungen (auch „Praktika“) sind die Studierenden zwar öfter aktiver, sitzen bei diesen aber sowohl in der Medieninformatik als auch in der Wirtschaftsinformatik sehr oft am „Personal Computer“, also einem Arbeitsplatz, der am besten für eine Person geeignet ist. Bei der in diesem Kapitel vorgestellten Fallstudie sollen diese Lehrformen durch den Einsatz von R-AR um eine zusätzliche Interaktions- und Arbeitsmöglichkeit erweitert und somit auch die Sozialkompetenz besser gefördert werden. Auch neurodidaktisch ist es erwiesen, dass Lernen durch Tun am erfolgreichsten ist. Also lernen die Studierenden am besten bei aktiven Tätigkeiten (vgl. [8]). Diese Aspekte führen lerntheoretisch zum Konstruktivismus, bei dem die Lernenden eine aktive Rolle einnehmen und die Lehrenden als Berater, Unterstützer agieren. Die Forderung an das didaktische Design beim Konstruktivismus beinhaltet eine Einbindung in Anwendungskontexte und Situierung [20]. Dieses wird im vorgestellten Konzept beachtet und entsprechend umgesetzt, indem die Studierenden die fachlichen Inhalte anhand von konkreten Projektaufgaben üben können. Projektaufgaben im Rahmen der R-AR-Anwendung betonen das „Tun“ und die Situierung des Lernens ganz besonders, weil für ihre Lösung auch Bewegungen im Raum gefordert sind.

14

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225

14.4.2 Studierende motivieren Da, wie oben beschrieben, eine lernerzentrierte Unterrichtslehre vonnöten ist, ist es umso wichtiger, dass die Studierenden motiviert sind. Aus der Sicht der Motivationsforschung und basierend auf der Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan [17] gibt es drei wichtige Punkte, die die intrinsische Motivation der Lernenden beeinflussen (vgl. auch [8]): • Zuwachs von Kompetenzen/Selbstwirksamkeit (Competence) • gewisses Maß an Autonomie und Selbstbestimmung (Autonomy) • soziale Eingebundenheit (Relatedness) Das Thema Motivation wird in der gewählten Fallstudie besonders in Lehrbereichen betrachtet, bei welchen aus der Voranalyse Defizite entdeckt wurden. Näheres dazu ist im Abschn. 14.5 zu lesen. Dort wird auch der konkrete Einsatz der lernerorientierten Didaktik im Kontext der Fallstudie erläutert.

14.4.3 Methodenmix Um aktiv in einer Gruppe arbeiten zu können, ist eine gemeinsame Wissensbasis und die Nutzung derselben Fachbegriffe notwendig. Außerdem kann eine rein auf aktiver Mitarbeit basierende Lehrveranstaltung die Studierende auf Dauer ermüden. Ein integratives Konzept soll die Verbindung konstruktiver und instruktiver Elemente im Unterricht ermöglichen [21]. Im Abschn. 14.5 wird genauer auf die Integration der Elemente anhand eines beispielhaften Durchführungsszenarios eingegangen. Die konkreten Methoden, die eingesetzt wurden oder geplant sind, werden im gleichen Abschnitt genauer vorgestellt.

14.5

Fallstudie „Audiovisuelle Produktion“

14.5.1 Warum AVP als Fallstudie? An der Hochschule Worms, an der die Autoren lehren und forschen, gibt es eine Lehrveranstaltung zum Thema „Audiovisuelle Produktion“ (AVP). Durch Beobachtungen bei Studierendenprojekten und während des Unterrichts in Rahmen der Lehrveranstaltung wurden einige Probleme bei der Beteiligung, Umsetzung und Motivation aufseiten der Studierenden identifiziert. So bot sich diese Lehrveranstaltung als Fallstudie an, um zu untersuchen, ob sich die Probleme mittels eines R-AR-basierten Lehrkonzepts adressieren lassen. Im Folgenden wird zunächst genauer auf die verschiedenen Probleme, ihre Identifikation und die vor Beginn der Fallstudie verwendeten didaktischen Ansätze eingegangen.

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Identifizierte Probleme Teil der Fachinhalte der Lehrveranstaltung „Audiovisuelle Produktion“ ist die Vorproduktion. Die Studierenden vernachlässigen diese Phase im Filmerstellungsprozess jedoch häufig. Außerdem beenden einige ihr Projekt nicht oder verschieben es auf das nächste Semester. Um die Problemidentifikation wissenschaftlich zu überprüfen, wurden Dokumentenanalysen in einem Zeitfenster von drei Semestern durchgeführt. Es wurden Abgaben der Studierenden wie Ausarbeitungen, Zeitprotokolle, Skizzen und die Endprodukte (z. B. Kurzfilme, Screencasts) untersucht. Einzelne Merkmale wurden quantitativ untersucht, hauptsächlich wurden aber qualitative Untersuchungen durchgeführt. Basierend auf diesen Untersuchungen wurden in den folgenden Semestern einige Veränderungen bei der didaktischen Gestaltung und den Methoden durchgeführt. Zum Beispiel wurde versucht die Vorproduktionsinhalte als Hausaufgabe wiederholen zu lassen, die Erstellung von Storyboards per Hand mit Stiften oder mit vorgedruckten Bildern in die praktischen Übungen zu integrieren oder aber der Einsatz von Webstoryboardprogrammen zum Üben. Weder diese Veränderungen noch die Tatsache, dass in die Bewertung am Ende des Semesters auch die Planung mit einfließt, konnten die meisten Studierenden motivieren, die entsprechenden Inhalte zu bearbeiten. Um die intrinsische Motivation zu steigern und die Erfüllung der Lernziele zu unterstützen wurde daher das Lehrkonzept mit AR erstellt. Der Einsatz von AR mit entsprechendem Lehrkonzept soll den oben genannten Problemen gegensteuern. Außerdem bietet es sich an, die AR-Technologie in dieser Fallstudie einzusetzen, da beim Lernen von Fachinhalten der audiovisuellen Produktion die räumliche Anordnung und Verständnis eine wichtige Rolle spielen. Hierbei können die Möglichkeiten von AR genutzt werden.

14.5.2 Forschungsdesign Der methodische Rahmen für die Forschung und Konzeptentwicklung basiert auf DesignBased Research (DBR). DBR ist durch eine kontinuierliche und iterative Abfolge der folgenden Phasen charakterisiert: Analyse, Entwurf, Umsetzung, Überprüfung und Überarbeitung. Weitergehende Informationen dazu sind der Literatur zu entnehmen [10]. Als Forschungsansatz aus der Lehr-Lern-Forschung ist DBR prädestiniert für den Anwendungshintergrund. Da Lehre und Forschung an derselben Hochschule stattfinden, ist auch der Feldbezug, entsprechend dem DBR-Ansatz, gegeben.

14.5.3 Rahmenbedingungen, Lehrkontext und Lernziele Für die präsentierte Fallstudie gelten die im Folgenden beschriebenen Rahmenbedingungen.

14

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Die Lernenden sind Studierende des Studiengangs Angewandte Informatik der Hochschule Worms und spezialisieren sich im Qualifikationsschwerpunkt Medieninformatik. Die Größe der Gruppe variiert, ist aber immer eine Kleingruppe, d. h., die Teilnehmerzahl liegt bei ca. 10–15 Personen. Die Lehrveranstaltung wird durch zwei Lehrpersonen betreut, eine der Lehrpersonen fungiert auch als forschende Person. Diese Kombination ist im hier eingesetzten Design-Based-Research-Ansatz nicht unüblich (vgl. [11]). Das Modul Audiovisuelle Produktion wird jedes Semester angeboten, was eine Durchführung der Iterationen im DBR in aufeinander folgenden Semestern ermöglicht. Das Modul besteht aus Vorlesung und Übung/Praktikum, welche an einem Tag hintereinandergelegt sind. Es ist anzunehmen, dass sich die didaktische Gestaltung dadurch einfacher umsetzen lässt. Wie in Abschn. 14.4 beschrieben, ist für die intrinsische Motivation ein Zuwachs an Kompetenzen hilfreich. Die Studierenden können in Projektarbeit und durch das Bewältigen von praktischen Aufgaben Erfolgserlebnisse haben. Dies in Kombination mit den festgestellten Defiziten ist für die Aufgabengestaltung federführend. Im Modulhandbuch der Lehrveranstaltung werden angestrebte Lernergebnisse und Inhalte des Moduls aufgelistet. Diese werden als Grundlage genommen, um Lernziele zu formulieren. Es werden Lernziele untersucht, bei denen gute Möglichkeiten bestehen, die Vorteile der AR zu nutzen, und Lernziele, zu denen bei den Studierenden Probleme festgestellt wurden. Diese Lernziele sind: 1. Gestaltungsregeln, Perspektiven und Einstellungen – z. B. Nahaufnahme, Totale, Detailaufnahme, Kamerafahrten, horizontaler Schwenk – benennen und anwenden. 2. Storyboards, Drehfassungen und Lichtdiagramme erstellen. 3. Filmaufnahmen mit unterschiedlichen Einstellungen und Perspektiven durchführen. 4. Kameratechnik und Aufzeichnungstechnik (Equipment, Ton, Licht, ...) verwenden. Im nächsten Abschnitt wird auf den Zusammenhang der Lernziele und die Gestaltung der R-AR-Anwendung eingegangen. Außerdem wird die technische Umsetzung kurz angerissen.

14.5.4 Anwendungsentwicklung Bei der Entwicklung der R-AR-Anwendung wurde die im Abschnitt „HoloLens“ beschriebene technische Umgebung genutzt.

14.5.4.1 HoloLens Die HoloLens-Brille von Microsoft (in ihrer ersten Version) dient hier als Hardware. Im Gegensatz zu vielen VR-Brillen kann die HoloLens ohne Anbindung an einen Rechner genutzt werden, da in der Brille selbst eine Recheneinheit integriert ist. Mithilfe der eingebauten Sensoren werden die Umgebung und Gesten der Benutzer erkannt. Mit der

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Abb. 14.1 AirTap-Geste. (Quelle: Microsoft Corporation)

Blickrichtung (in diesem Kontext englisch „gaze“ genannt) wird das gewünschte Objekt anvisiert, und per Gesten werden Aktionen ausgelöst. Bei der hier eingesetzten HoloLens sind folgende Gesten möglich: AirTap (s. Abb. 14.1), Bloom-Geste und AirTap&Hold. Die AirTap-Geste entspricht dem Mausklick am Desktoprechner und wird zum Auswählen von Objekten oder Auslösen von Interaktionen genutzt. Die Bloom-Geste (geschlossene Hand wird mit Fläche nach oben geöffnet) gibt die Möglichkeit, die laufende Anwendung zu verlassen und zum Hauptmenü zu gelangen. Die AirTap&Hold bietet weitere Interaktionsmöglichkeiten wie z. B. Scrollen, Verschieben und ist vergleichbar mit der gedrückten Maustaste am Desktoprechner. Hardwaretechnisch integriert die HoloLens viele Elemente wie Tiefenkamera, Magnetometer, Beschleunigungsmesser, Gyroskop, Umgebungslichtsensor, Linsen und Lichtwellenleiter. Genauere Informationen zu Hardware und der Funktionsweise der Optik sind z. B. in [15, 16] zu finden. Weiterhin ist bei der HoloLens auch eine sprachgesteuerte Interaktion möglich, und über eine der eingebauten Kameras können aus der Sicht der Benutzer Fotos oder Videos aufgenommen werden.

14.5.4.2 Werkzeuge und Entwicklungsumgebung Für die Entwicklung der Anwendung wurde die Unity Spiele-Engine mit C# eingesetzt. Zusätzlich wurde das Mixed Reality Toolkit, eine Sammlung von Skripten, Assets, Einstellungen und Beispielen, die die Entwicklung von Anwendungen für die HoloLens erleichtern, benutzt. Um eine Anwendung für die HoloLens zu erstellen, müssen spezielle Einstellungen in Unity vorgenommen und Visual Studio für das Deployment auf die Hardware verwendet werden. Dies und weitere Details können in der HoloLensDokumentation nachgelesen werden [19].

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14.5.5 Konzeption und Funktionen der Anwendung Bei der Konzipierung der Anwendung wurde auf die Lernziele, das didaktische Konzept, die auftretenden Probleme und die Möglichkeiten der AR als Technologie geachtet. Als Zielgruppe sind die Studierenden und die Lehrperson zu sehen. Weil die Aktivität der Studierenden gesteigert werden soll, wurde die Anwendung so konzipiert, dass viel Interaktion möglich ist. Im Laufe der Entwicklung wurden Aktivitätsdiagramme und Wireframes für die Anwendung erstellt sowie Durchführungsszenarien für die Lehre. Weil die meisten Studierenden zu Beginn der Vorlesung kaum Vorkenntnisse in der Filmerstellung haben, wurden in der Anwendung mehrere Bereiche integriert. So müssen die Lernenden nicht viele einzelne Programme kennenlernen und nutzen, sondern können in einer einzelnen Anwendung alles, was für das Erlernen von Filmplanung und Filmaufnahme mit AR-Mitteln sinnvoll ist, finden. Zum Beispiel wurde die Nutzung bzw. die Erstellung eines Drehbuches nicht in der Anwendung integriert, da AR für die Textgestaltung keine offensichtlichen Vorteile bietet. Durch AR wird die Realität nur erweitert, sodass es mithilfe der durchsichtigen Displays der HoloLens-Brille auch während der Anwendungsnutzung weiterhin möglich ist, mit analogen Mitteln z. B. Texten umzugehen. In Abb. 14.2 unten rechts sind einige der Funktionen zu sehen, welche die Erfüllung der vier Lernziele (Abschn. 14.5.3) unterstützen. Über ein Drop-down-Feld können die Studierenden die Fachbegriffe für den Bildausschnitt in Bezug auf Nähe und Distanz

Abb. 14.2 Skizze der Labor und Screenshots aus der Anwendung mit Erklärungen. (Quelle: eigene Grafik)

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auswählen – Großaufnahme, Detail, Halbtotale usw. Diese Funktion bietet die Möglichkeit, die Begriffe nochmals zu sehen und am Ende der Planung in der Gruppe besprechen zu können. Unter diesem Drop-down-Feld ist ein Bereich für das Anzeigen des Storyboardbildes. Dieses wiederum wird mit der Funktion „Foto aufnehmen“ erstellt. Unter diesen Fotobereich sind einige Buttons platziert. Mithilfe von diesen ist es möglich, virtuelle Objekte im Raum zu positionieren und als Teil des Storyboardbildes zu nutzen. Das heißt, mit der Kamera der HoloLens können Fotos aufgenommen werden, die eine Kombination aus realen Personen, Zimmer usw. und virtuellen 3D-Objekten darstellen können. Hierbei wurde der Vorteil von AR genutzt, Reales mit Virtuellem zusammenfügen zu können. Dadurch, dass die Studierenden auch als Teil des Storyboardbildes agieren, werden sie nochmals in eine handelnde, schaffende Rolle versetzt und zur aktiven Auseinandersetzung mit den räumlichen Gegebenheiten beim Filmen motiviert. Weiterhin können die Studierenden mithilfe dieser Funktion (Positionieren von 3D-Objekten) die Planung am Set üben. Ein 3D-Lichtdiagramm bzw. eine Skizze im Raum ist für Anfänger im Bereich der Filmgestaltung viel intuitiver und einfacher zu verstehen als das jeweilige zweidimensionale Pendant auf Papier oder Bildschirm. Hierbei arbeiten die Studierenden an den Lernzielen 2 und 4 (Lichtdiagramm erstellen; Kameratechnik, Aufzeichnungstechnik, Equipment, Ton/Licht verwenden). Die zweite Einsatzmöglichkeit dieser Funktion bietet sich beim Erlernen des Vorgehens bei einer Filmaufnahme. Das Einblenden der geplanten Technik im Raum positioniert sozusagen die Skizze oder das Diagramm direkt am gewünschten Drehort und zur Drehzeit und bietet somit einen größeren Mehrwert für die Studierenden als Papierskizzen oder digitale Skizzen am Computer. Im Raum können die Studierenden ihre Planung direkt und situiert nutzen.

14.5.6 AR-basierte Durchführungsszenarios und Lehrmethoden Um die AR-Anwendung im Kontext der Lehre einsetzen zu können, wurden konkrete Durchführungsszenarien für die Fallstudie entwickelt. Das erste Szenario wird als Nächstes beschrieben. Ein abgeändertes Szenario für die folgende Iteration in DBR wird im Abschn. 14.5.7 betrachtet. Es basiert auf den Erkenntnissen des ersten Tests (Lessons Learned).

14.5.6.1 Durchführungsszenario Beim ersten Test der AR-Anwendung direkt in der Lehre wurde das Durchführungsszenario (siehe Abb. 14.3) im Lehrveranstaltungsteil zur Vorproduktion eingesetzt. In Orange sind die Bereiche hervorgehoben, die mithilfe der AR-Anwendung (hier App genannt) stattfinden. Zusätzlich ist notiert, ob die Studierenden eine aktive Rolle einnehmen.

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Abb. 14.3 Durchführungsszenario Vorproduktion in „Audiovisuelle Produktion“. (Quelle: eigene Grafik)

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14.5.6.2 Lehrmethoden und Lehrformen Die im Folgenden beschriebenen Lehrmethoden wurden im Rahmen der Fallstudie „Audiovisuelle Produktion“ durchgeführt oder sind für die nächste Durchführung im Unterricht geplant (siehe auch Abb. 14.3 und 14.4). Projektmethode Beim Lernen der Abläufe und Fachinhalte der Filmproduktion eignet sich die Projektmethode, umgesetzt mit AR-Mitteln, hervorragend, um das Interesse der Studierenden zu wecken und zu erhalten. Ein Thema, welches durchgehend über einigen Lehreinheiten hinweg bearbeitet wird und als Ergebnis ein Produkt (in diesem Fall einen Kurzfilm) entstehen lässt, bietet einen einfacheren Zugang zu den Fachinhalten, als wenn diese nur abstrakt und ohne konkrete Beispiele präsentiert werden. Der Zuwachs an Kompetenzen ist auch eher gewährleistet, wenn die Studierenden aktiv ein Projekt selbst bearbeiten und sich im AR-Fall dabei sogar noch im Raum bewegen müssen. In der Fallstudie wurde das Thema „Stimmen zum Studiengang“ gewählt, da die Studierenden dabei selbst die Inhalte gestalten können, was für sie auch gewisse Autonomie und Selbstbestimmung bringt (vgl.

Abb. 14.4 Durchführungsszenario in der Lehre; in Orange: Einsatz von AR. (Quelle: eigene Grafik)

14

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Abschn. 14.4.2). Gleichzeitig wird die soziale Interaktion (vgl. Abschn. 14.4.2) gefördert, da die Methode optimal als Gruppenarbeit durchzuführen ist und AR als Medium dabei bessere Rahmenbedingungen als der Einzelarbeitsplatz am Computer bietet. Um den zeitlichen Rahmen nicht zu sprengen, wurden in der Lehrveranstaltung zwei nur angefangene, grob gegliederte Drehbücher zur Auswahl angeboten. Diese wurden von der Lehrkraft als Basis zur Verfügung gestellt und von den Studierenden abgeändert und erweitert. Sandwichmethode Diese Methode entspricht dem Methodenmix, der schon im Abschn. 14.4.3 erwähnt wurde. Mit der Sandwichmethode ist ein Wechsel zwischen Aktivierung der Studierenden, hier mit AR-Mitteln, und Theorieeinheiten gegeben [8]. Der „Boden“ wird mit einer kurzen Aufgabenstellung zum Nachdenken realisiert. Die Ideen werden gesammelt und möglichst in der nächsten Phase („Belag“) beachtet. Hier wird die Frage theoretisch vorgestellt. Beim „Deckel“ sollen die Studierenden die Theorie praktisch mit der AR-Anwendung umsetzen und die ursprüngliche Frage („Boden“) dadurch lösen. In der präsentierten Fallstudie wurde durch die Methode eine Verbindung der Fachinhalte „Drehbuch und Einstellungsgrößen“ mit den Themen „Storyboard und Skizzen erstellen“ geschaffen. Die R-ARAnwendung wurde hier also in der „Deckel“-Phase eingesetzt, um die über Folien und Videos eingeführten Inhalte praktisch zu üben. Kopfstandmethode Die Kopfstandmethode, welche aus dem Bereich der Kreativitätstechniken bekannt ist [18], wird im hier vorgestellten Konzept in einer erweiterten Variante eingesetzt. Bei der Originalmethode wird eine Fragestellung umgekehrt formuliert, und als Hilfsmittel werden generell Schreibpapier, Flipcharts und Haftnotizzettel eingesetzt. In der Variante wird die Methode durch AR erweitert. Die Studierenden sollen eine möglichst „schlechte“ Planung mit der R-AR-Anwendung erstellen und mithilfe von weiteren Methoden (Rollentausch, Gruppendiskussion) diese danach korrigieren. Der Einsatz der Kopfstandmethode soll die Aktivierung der Studierenden erleichtern. Grundsätzlich trauen sich mehr Menschen aktiv zu handeln, wenn die Aufgabe darin besteht, etwas Falsches zu machen. Auf diese Weise kann die AR-Anwendung auf spielerischer Basis kennengelernt werden, und gleichzeitig fallen einem nach dem „Kopfstand“ mehr Ideen für die richtige Planung ein. Die Studierenden begeben sich an bestimmte Positionen im Raum, um passende Bildausschnitte oder die Positionierung der 3D-Objekte auszuprobieren, somit können sie gleichzeitig ein besseres Gefühl für die räumliche Planung bekommen und sich allgemein mehr Gedanken darüber machen. Rollentausch Der Rollentausch als Technik eines Rollenspiels ist eine weitere Methode [22], die im Konzept eingesetzt wird. Die Studierenden werden in Gruppen aufgeteilt, und eine der Gruppen soll die „schlechte“ Planung (Kopfstandmethode) einer anderen Gruppe korrigieren. Zum Schluss diskutieren alle Gruppen die Ergebnisse und passen gemeinsam die Planung an.

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14.5.7 Lessons Learned: AR in „Audiovisuelle Produktion“ Der erste Test wurde während einer Vorlesungseinheit im Wintersemester 2018/2019 durchgeführt. Die Anwendung wurde durch die Lehrperson gestartet, und die Studierenden konnten vorerst über den Beamer mitverfolgen, was die Lehrperson durch die Brille sieht und was sie tut. Dies ist für die HoloLens mit dem sogenannten Live Preview über Computer möglich. Danach konnten sechs Studierende die Anwendung selbst testen. Der Test wurde durch Beobachtungen, die mithilfe einer Videoaufnahme festgehalten wurden, begleitet, um eine bessere Analyse zu gewährleisten. Es wurde auf die verschiedenen Aspekte im Feld, hier die Lehr-Lern-Situation im Labor, geachtet, wie Räumlichkeiten, Handlung, Teilnehmende, Zeit, Ziele und Gefühle (vgl. [23]). Im Folgenden werden einige Erkenntnisse aufgelistet, die nach dieser ersten Testphase entstanden sind. Parallel dazu werden zukünftige Erweiterungen und Verbesserungen der R-AR-Anwendung oder didaktischen Methoden diskutiert. Spezielle Einführung in die Arbeit mit AR-Brillen notwendig Es ist eine spezielle Einführung für den Umgang mit der R-AR, hier der HoloLens, und zum Üben der Gesten- und Blicksteuerung notwendig. Der Test hat gezeigt, dass die Studierenden, auch wenn sie als Informatikstudierende technikaffin sind, für den Umgang mit den neuen Interaktionsmöglichkeiten erst eine gewisse Übung brauchen. Studierende aktiv Es ist positiv anzumerken, dass die Studierenden durch die Nutzung der AR-Anwendung viel aktiver an der Übung teilgenommen haben. Die Arbeit im Raum und nicht vor dem Desktopcomputer ist viel mehr sichtbar für alle und motiviert dazu mitzumachen. Die Teilnehmeraktivierung durch die AR-induzierte Arbeit im Raum hat sich aber nicht bei allen Studierenden als einfach erwiesen. Die Studierenden sind häufig an Frontalunterricht oder Arbeit am Rechner gewöhnt und brauchen etwas Zeit, um sich aktiv im Raum zu bewegen und nicht am Tisch zu arbeiten. Dies ist bei der zeitlichen Gestaltung der Lehre mit AR zu berücksichtigen. Manche Studierende möchten nicht vor der Kamera und als Teil des Storyboardbildes agieren. In diesem Fall können virtuelle Charaktere eingesetzt werden, die dann von genau diesen Studierenden platziert werden. Somit werden auch sie aktiviert, müssen aber nicht ins Bild, wenn sie sich damit nicht wohl fühlen. Teilhabe am AR-Geschehen Die Interaktion mit AR im Unterricht ist ungewohnt für die Lehrperson und die Studierenden. Dadurch, dass nur der AR-Benutzer die digitalen Erweiterungen sieht, ist für die restlichen Anwesenden eine Möglichkeit notwendig, um an dem AR-Geschehen teilhaben zu können. Das Anschauen des Live Preview über Beamer kann nur bedingt dabei helfen, da dabei eine zeitliche Verzögerung entsteht. Zudem wird bei der Benutzung des Beamers

14

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die Aufmerksamkeit von der real agierenden Person weg auf das Beamerbild gelenkt. In ihrer ersten Version ist die entwickelte AR-Anwendung als eine Ein-Benutzer-Anwendung verfügbar, eine Erweiterung auf eine Mehrbenutzeranwendung erscheint sinnvoll, um alle Teilnehmenden am AR-Geschehen teilhaben zu lassen. Mehrere Geräte können auch die Interaktion in der Lehr-Lern-Situation verbessern – erst wenn alle eine AR-Brille tragen und die Anwendung in Multiuser-Modus ist, kann der Einsatz der R-AR in der Lerngruppe optimal gestaltet werden. Für die Diskussionsphase am Ende der Lehreinheit ist aber auch eine Nutzung des Live Preview möglich und ausreichend. Optimierung der Interaktionselemente und räumlicher Kontext Bei Augmented Reality wird die Umgebung miteinbezogen. Dies kann herausfordernd sein. Bei der Entwicklung von Anwendung und Konzept muss auf diese neuartige Interaktion von Realem und Digitalem im Raum Rücksicht genommen werden. Zum Beispiel soll man bei der Gestaltung der Interaktionselemente auf die Größe achten, damit sie per Gestensteuerung betätigt werden können und auch mit gewissem Abstand noch gut zu sehen sind. Deswegen sollen Buttons und andere Interfaceelemente größer [24] sein und visuelles Feedback geben [24], wenn sie aktivierbar (vergleichbar mit „on mouse over“ am Bildschirm) werden. Andererseits brauchen sehr große Elemente Platz, wo wiederum die reale Größe des Raumes und das eingeschränkte Sichtfeld der HoloLens-Brille eine wichtige Rolle spielen. Die richtige Entscheidung muss deshalb gut zum Kontext passen. Größere virtuelle Elemente, z. B. Videoleuchten wie sie bei der Filmaufnahme notwendig sind, sollen ihren Einsatz eher im Labor haben als im kleinen Büro. Die Arbeit in der Gruppe ist auch einfacher im größeren Raum. Während des Tests wurden einige der User-Interface-Elemente als nicht optimal empfunden, konnten aber im Folgeprozess schon optimiert werden. Gruppen- und Aufgabenaufteilung bei zu wenigen AR-Geräten Während die Lehrkraft mit der testenden Person beschäftigt war, haben manche der Studierenden nicht aktiv mitgemacht. Eine zweite Lehrperson bzw. ein Experte für die verwendete AR-Hardware wäre für die Durchführung sinnvoll. So können mehr Personen gleichzeitig betreut werden. Auch anderweitige Aufgaben, die parallel zur AR-Nutzung ablaufen sind notwendig damit alle Studierenden beschäftigt sind und das Interesse am Thema behalten können, auch wenn nicht genügend AR-Brillen für alle gleichzeitig zur Verfügung stehen. Hierzu wurde ein neues Durchführungsszenario entwickelt, welches in Abb. 14.4 zu sehen ist und einige der aktivierenden Methoden aus Abschn. 14.5.6 beinhaltet. Kleine Gruppen beim Benutzen der AR-Anwendung Die Erprobung im Unterricht hat die Annahme bestätigt, dass der Einsatz für kleinere Gruppen am besten geeignet ist. Die Arbeit im Raum ist viel entspannter, wenn die Lautstärke und die Größe des Zimmers optimal sind. Dies ist bei Großgruppen nicht gegeben. Auch ist die Anzahl der für den Unterricht verfügbaren AR-Brillen aktuell

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typischerweise noch sehr gering und somit besser für die Kleingruppenarbeit geeignet. Somit ist die Größe der Fallstudie im Modul „Audiovisuelle Produktion“ mit 10–15 Teilnehmenden gut gewählt, da durch eine Aufteilung der Gruppe die Anzahl der Geräte und die Lautstärke im Raum noch akzeptabel sind.

14.6

Transfer im Bereich der Wirtschaftsinformatik – Möglichkeiten und Grenzen

Wie am AVP-Fallbeispiel gezeigt, lässt sich Augmented Reality in einer Laborumgebung für einen handlungsorientierten Unterricht gut einsetzen. Auch in der Lehre der Wirtschaftswissenschaft werden solche praktischen Umgebungen eingesetzt. Ein Beispiel hierfür ist die Lernwerkstatt „Logistik und Operations“ von Sebastian Herr und Christian Reuter an der Hochschule Worms [12]. Die didaktischen Ziele dieser Lernumgebung (siehe [12]) sind nahezu identisch mit den Zielen des AR-Einsatzes im AVP-Fallbeispiel. Die Lernwerkstatt ist so organisiert, dass die Studierenden mit realen Bauteilen hantieren. Dieses haptische Element gilt es natürlich beim Einsatz von AR zu erhalten. Eine Möglichkeit wäre hier relevante Informationen aus der Analyse der Prozesse direkt an den Bauteilen und Fertigungsstationen (in situ) einzublenden. Während dies für Studierende der Wirtschaftswissenschaften noch eine einfache Ergänzung der zur Verfügung stehenden Informationen darstellt, kann ein solches Setting für Studierende der Wirtschaftsinformatik schon ein Teil einer projektartigen Herausforderung darstellen. Für Wirtschaftsinformatikstudierende sind die Themen Logistik und Operations ebenfalls Lerninhalte. Darüber hinaus sind für sie aber auch die dahinterstehenden Computersysteme und deren Umsetzung relevant. Das heißt, für sie könnten sich zu der praxisorientierten (Hands-on) Erfahrung in einer um AR erweiterten Lehrwerkstatt zusätzliche Aufgabenstellungen ergeben. Diese können z. B. sein: Wie soll die AR-Darstellung in Echtzeit aus einer Unternehmenssoftware, in der das Werkstattsetting modelliert ist, mit den benötigten Daten versorgt werden, und wie können die Daten verständlich dargestellt werden? So ergibt sich für die Wirtschaftsinformatik ein komplett die haptische Praxis und die digitale Repräsentation umfassendes Lernszenario. Weiterhin ist es auch möglich, die hier beschriebene AR-Anwendung in einem Marketingfilmprojekt im Bereich der Wirtschaftsinformatik oder Wirtschaftswissenschaften, wenn auch nicht in der Lehre, dann aber als Werkzeug zu nutzen.

14.7

Zusammenfassung und Ausblick

Digitales ist aus der Hochschullehre nicht mehr wegzudenken, demzufolge sollen innovative Szenarien weiterhin konzipiert, erprobt und erforscht werden. Wichtig ist, schon in einem Frühstadium der Technologie Ansätze zu entwickeln und zu untersuchen, damit die Hochschulen nicht in Rückstand geraten, sondern weiterhin Innovatoren und einen Schritt voraus sind. Auch die Medienkompetenz der Studierenden und der Lehrpersonen kann auf

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Augmented Reality in Vorlesung und Übung: Lehre und Interaktion neu gedacht

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diese Weise gestärkt werden. In einem technischen Studiengang wie der Informatik ist es natürlich noch einfacher, sich mit den neuen Technologien auseinanderzusetzen. Im hier betrachteten Beispiel – der Fallstudie „Audiovisuelle Produktion“ – konnten einige der vermuteten Vorteile von Augmented Reality bestätigt werden. Sowohl zum Einsatz für räumliche Arbeit, als auch um die soziale Interaktion und Aktivität der Studierenden zu steigern, ist AR geeignet. Wie zu erwarten konnten auch Herausforderungen festgestellt werden, die bei der Einführung von Augmented Reality und dazu passenden Lehr-LernKonzepten zu bewältigen sind. Wie in Abschn. 14.6 beschrieben, ist es gut denkbar, in der Wirtschaftsinformatik oder auch in den Wirtschaftswissenschaften AR in der Lehre einzusetzen. Ein solcher Einsatz kann von den in der hier vorgestellten Fallstudie gewonnenen Erkenntnissen profitieren. Ausblick Weitere Fallstudien und Tests sind wichtig, um allgemeinere Erkenntnisse zu erzielen. Die entwickelte AR-Anwendung und das zugehörige Lehrszenario werden in naher Zukunft auch in ähnlichen Vorlesungen an anderen Hochschulen getestet. Das kann hilfreich sein um festzustellen, welche Unterschiede der etwas andere Kontext (andere Räumlichkeiten, andere Gruppengröße, Technikausstattung usw.) bringt und wo durch AR ähnliche Vorteile oder Probleme entstehen. Das Projekt, in dem die AVP-Fallstudie durchgeführt wird, sieht auch eine zweite Fallstudie, diese im Bereich der Umweltbildung, vor, um auch in anderen Bildungskontexten die Potenziale der AR zu untersuchen. Hierbei kann ein Einsatz außerhalb vom Labor, im Freien, erforscht werden. Um Augmented Reality in der Lehre dauerhaft zu integrieren, sind hardwarespezifische Nachrüstungen notwendig. Im Moment ist die Technik noch teuer, aber es ist zu erwarten, dass diese mit der Zeit zugänglicher wird und die Hochschulen dann eine höhere Anzahl an solchen AR-Geräten beschaffen können. Danksagung Die in diesem Kapitel beschriebenen Arbeiten wurden im Projekt SAARTE: Spatially-Aware Augmented Reality in Teaching and Education durchgeführt. Das Projekt SAARTE wird von der Europäischen Union aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung und dem Land Rheinland-Pfalz im Programm P1-SZ2-7 (Antr.-Nr. 84002945) gefördert. Die Autoren möchten sich bei Gobigan Jeyamoorthy, Silvio Brück und Sascha Keuchel für ihre Unterstützung bei der Softwareentwicklung bedanken.

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MOOCs als disruptive Innovation für die akademische Bildung

15

Kathrin Kirchner und Claudia Lemke

Zusammenfassung

Massive Open Online Courses (MOOCs) können als disruptive Innovation angesehen werden, die zukünftige Bildung transformiert. MOOCs demokratisieren den Zugang zur Hochschulbildung, indem Inhalte online für Teilnehmer weltweit unabhängig von geografischen, zeitlichen oder sozialen Grenzen zur Verfügung gestellt werden. MOOCs sind häufig kostenlos und offen für jeden, sodass Lernende unabhängig in ihrer eigenen Geschwindigkeit lernen können. Damit verbreiten MOOCs Wissen weltweit, professionalisieren Bildung und erweitern das Angebot beträchtlich. Trotzdem stehen MOOCs auch vor Herausforderungen, die man beispielsweise an der hohen Abbruchrate der Teilnehmer über die Zeit sehen kann. Es gibt viele Gründe, warum Lernende einen begonnenen MOOC nicht fortsetzen, wie zeitliche Probleme oder die fehlende soziale Interaktion mit anderen Lernenden oder dem Lehrenden. Im Vergleich zur klassischen Lehrveranstaltung erfordern MOOCs u. a. einen höheren Grad an Selbstdisziplin. Dieser Beitrag betrachtet das Phänomen MOOC auf der Grundlage einer umfassenden Begriffsbestimmung und basierend auf Interviews mit MOOC-Anbietern. Neben einer Strukturierung der verschiedenen mediendidaktischen Konzepte und des Technologieeinsatzes stehen die verschiedenen Motive der Akteure im Mittelpunkt.

K. Kirchner (*) Technical University of Denmark, Kgs. Lyngby, Deutschland E-Mail: [email protected] C. Lemke Hochschule für Wirtschaft und Recht, Berlin, Deutschland E-Mail: [email protected] # Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 T. Barton et al. (Hrsg.), Hochschulen in Zeiten der Digitalisierung, Angewandte Wirtschaftsinformatik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26618-9_15

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240

K. Kirchner und C. Lemke

Schlüsselwörter

MOOC · Geschäftsmodell · digitale Lernplattform · Motive der MOOC-Akteure · MOOC Umsetzung

15.1

Einleitung

Die Digitalisierung und Vernetzung unserer Gesellschaft und Wirtschaft verändert aktuell immer stärker auch den Bereich der Bildung. Als nächste große Welle des Umbruchs nach Branchen wie beispielsweise dem Bankensektor oder dem Handel wird die technologische Kraft unser aller Leben in Bezug auf den Zugang zu Wissen, die Formen des Wissenserwerbs oder die Bedeutung von akademischen Abschlüssen nachhaltig beeinflussen. Die Verlagerung gesamter Lehr- und Lernprozesse in die digitale vernetzte Welt bietet Millionen Menschen freien Zugang zu erstklassigen Bildungsangeboten, die befreit von Raum und Zeit individuell absolviert werden können. Auch oft unter dem Begriff „Open Education“ [39, 71] bekannt, wird ohne formale Zugangsbeschränkungen eine höhere Bildung möglich. Berufstätige können auf spezifische Bildungsangebote zugreifen, und auch Menschen mit Einschränkungen liefern solche offenen Angebote Möglichkeiten zum Wissenserwerb. Bildung wird global und kann stärker individualisiert, nach persönlichen Interessen oder Nutzenaspekten abgewogen, erfolgen. Die Nutzung digitaler und vernetzter Technologien [45, S. 89 ff.] ist hierfür die zwingende Voraussetzung. Daher wird diesen neuen Formen des Lernens und Lehrens nicht nur von politischer Seite aus so viel Bedeutung beigemessen [71]. Auch aus ökonomischer Sicht steht der Bereich Educational Technology (EdTech) in den nächsten Jahren vor einem massiven Wachstum [23]. Er wird die Strukturen des Lehrens und Lernens nachhaltig verändern, systemische Restriktionen auflösen und eine neue Form von Dienstleistungssektor schaffen. Gerade Onlinekurse, die einem breiten Teilnehmerkreis offenstehen, bergen dieses Potenzial in sich und führen in der Konsequenz zu einer Demokratisierung von Bildung weltweit. Sie können damit zur Verringerung bzw. Vermeidung einer globalen digitalen Spaltung [61] beitragen. Somit stehen MOOCs wie keine andere technologische Ausprägung im Bildungsbereich für diese Veränderungen. Die Google-Trendanalyse zu diesem Stichwort zeigt seit der ersten breiteren Anwendung Anfang der 2010er-Jahre ein anhaltend sehr hohes Interesse an diesem Thema [28]. Diese hohe mediale Präsenz kann auch als Spiegelbild für die weltweit enorme Zunahme an vielfältigen digitalen Lernplattformen wie Cousera, EdX, Udacity oder Udemy (Abschn. 15.2.4) sowie spezifischen Angeboten dienen, die mittlerweile mehr als 700 Universitäten weltweit zur Verfügung stellen [35]. Bildungsexperten forschen an verschiedenen Konzepten, an Erfolgsfaktoren und Strukturen für diese neue Form des Lernens und Lehrens ausschließlich durch die Nutzung der Technologien des digitalen Zeitalters. Das bereits erwähnte Wachstum des Marktes für EdTech zeigt sich auch durch eine anhaltend steigende Zahl unterschiedlicher Technologie-Start-ups [7] mit einem wachsenden Investorenkapital, allein geschätzten 6 Milliarden US-Dollar für das Jahr 2018 [5].

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MOOCs als disruptive Innovation für die akademische Bildung

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Aufgrund dieser Veränderungen werden MOOCs oft als Instrument innovativer Veränderungen gesehen [11, 64, 72]. Sie bieten im Bildungsbereich neue Formen der Wissensvermittlung und -aneignung und erfüllen damit die Eigenschaften disruptiver Technologien [4, 9, S. 45]. Diese explosionsartige Erweiterung der Möglichkeiten eines individuellen Lernens trifft zeitgleich auf einen grundlegenden, fast schon als Megatrend zu bezeichnenden Fakt, den des lebenslangen Lernens. Die Veränderung unserer Arbeitsund Berufswelt [42] forciert die Forderung, auch außerhalb definierter Institutionen wie Schule oder Universität und ohne Beschränkung auf bestimmte Lebensphasen lernen zu können. Es wird geschätzt, dass zwei Drittel der heutigen Schulabgänger zukünftig auf Berufe treffen werden, die es aktuell überhaupt noch nicht gibt [14]. Die Bereitschaft, lebenslang lernen zu können und zu wollen, wird die Wettbewerbsfähigkeit gesamter Nationen beeinflussen. Offene, frei zugängliche und weltweit mobil verfügbare Lernangebote im Internet sind dafür eine ideale Quelle. Ein lebenslanges Lernen sollte begleitet sein von einer kindlichen Neugier und einem Spielverhalten, wie es im Kindergartenalter (Lifelong Kindergarten) [55] am stärksten ausgeprägt ist. Damit kann sich die dem Lernen innewohnende Kreativität entfalten [55]. Auch aus diesem Grund nutzen gerade technologiegetriebene Lernangebote neue methodische Ansätze, wie z. B. den Konnektivismus [16, 17, 27, 63], der auf ein vernetztes, soziales und informelles Lernen abzielt. Ein lebenslanges Lernen wird auf diese Weise [40] mit einer hohen Motivation der Individuen möglich und wandelt sich so zu einem individualisierten und personalisierbaren Lernen. Dieser Buchbeitrag beschäftigt sich im Folgenden mit dem Thema MOOC im Detail. Er ordnet den Begriff in den Kontext von E-Learning ein, zeigt die verschiedenen Sichtweisen und Ausprägungen und diskutiert den heutigen aktuell engen Bezug von MOOCs und den entsprechenden digitalen Lernplattformen. Danach widmet sich der Beitrag den Strukturen und Konzepten von MOOCs, ehe im darauffolgenden Abschnitt die verschiedenen Motivlagen der Akteure eines MOOCs aufgezeigt werden. Im letzten Abschnitt werden überblicksartig die unterschiedlichen Determinanten erörtert, die für einen erfolgreichen MOOC notwendig sind. Alle Ausführungen werden an entsprechender Stelle mit Praxisbeispielen von Lehrenden von existierenden MOOCs hinterlegt, die im Text extra kenntlich gemacht wurden.

15.2

Die heutige Vielfalt des Begriffes MOOC

15.2.1 E-Learning als Grundlage des Lernens und Lehrens im digitalen Zeitalter E-Learning ist das prägende Konzept der Medienpädagogik [65] bzw. Mediendidaktik [39], das sich mit der Nutzung unterschiedlichster Technologien für das Lernen und Lehren auseinandersetzt, um die damit verbundenen Prozesse zu unterstützen [20, 39]. Diese Technologien beziehen sich vor allem auf die modernen Formen der Informations- und Kommunikationstechnik (IKT oder kurz: IT) und stellen das Internet als Instrument für die

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Kommunikation und Interaktion in den Mittelpunkt. E-Learning kann anhand von fünf charakteristischen Eigenschaften beschrieben werden [22, S. 297]; [39, S. 7]: • Das Lernen findet unabhängig von Ort und Zeit in unterschiedlichen Lernumgebungen statt, bei dem der Hörsaal, Seminarraum oder das Klassenzimmer eine Möglichkeit sein können. • Die Lernenden selbst übernehmen die Rolle des Organisators für den jeweiligen konkreten Lernprozess. • Die Lehrenden und/oder die Bildungseinrichtungen stehen nicht im Mittelpunkt des Lernprozesses bzw. als alleinige Akteure der Wissensvermittlung. • Das Lernen wird zum lebenslangen Prozess mit verschieden unterschiedlichen Lernphasen, die nicht mehr ausschließlich im akademischen Kontext von Hochschulen oder Universitäten stattfinden. • Lernen findet sowohl in einem formalen Rahmen (z. B. durch Präsenz- und/oder Onlineangebote einer Bildungseinrichtung) als auch in einem informellen Rahmen in Form eines sozialen Lernens [41] über den Aufbau von Communities of Practice [67] statt. Vielfach genutzte Synonyme für E-Learning sind Online Learning und Distance Learning [12, 46], wobei Online Learning auf das Internet als Medium schlechthin für das Lernen und Lehren abzielt, während beim Distance Learning die Überwindung räumlicher Unterschiede im Mittelpunkt steht. Beide Formen werden oftmals auch als Vorläufer des E-Learning gesehen [51]. Im Zusammenhang mit E-Learning werden auch Begriffe wie Blended Learning oder Flipped Classrooms genannt, die als Kombination von Online- und Offlinelernumgebungen verstanden werden [39]. Einschränkend mit Blick auf den Begriff MOOC sieht sich E-Learning als technologische Ergänzung zum Präsenzlernen und -lehren an einem definierten Ort wie dem Klassenraum oder Hörsaal. E-Learning kann damit online und offline stattfinden, wenn während des Präsenzlernens digitale Medien zum Einsatz kommen. E-Learning adressiert eine multimediale, multi-codale und multimodale Verteilung, Präsentation und Konsumtion von Lernmaterialien [66]. Mit dem Fokus auf die entsprechenden Technologien zur Unterstützung von Lern- und Lehrumgebungen wird E-Learning vielfach auch unter Begriffen wie Technology Enhanced Learning (ETL) [31] zusammengefasst. MOOCs hingegen orientieren sich eher an Konzepten offener Lernumgebungen, wie sie Open Universities oder eben Open Education umsetzen [11].

15.2.2 Der Begriff MOOC mit einem kurzen historischen Abriss Das Oxford Dictionary Online definiert einen MOOC als „(a) course of study made available over the Internet without charge to a very large number of people‟ [48]. Mit anderen Worten: Ein MOOC ist ein für jedermann („massive“) offener („open“), ausschließlich über das Internet (online) angebotener Kurs („course‟).

15

MOOCs als disruptive Innovation für die akademische Bildung

243

Erstmals wurde dieser Begriff im Jahr 2008 erwähnt. Dieser entstand im Zusammenhang mit einer begleitenden Diskussion von Lehrenden über ein Onlinekursangebot [13], das sowohl Studierenden der Universität von Manitoba, Kanada, zur Verfügung stand, als auch offen war für Interessierte weltweit [25]. Obwohl die Studierenden Studiengebühren bezahlen mussten und ihre entsprechenden Leistungspunkte erhielten, erreichte dieser Kurs zugleich mehr als 2300 Teilnehmer weltweit, die das Angebot kostenfrei und ohne Zertifikat nutzten [71]. Im Jahr 2011 wurde von Lehrenden der Universität Stanford, USA, ein offener Kurs angeboten zum Thema „Einführung in die Künstliche Intelligenz“, der bereits 160.000 Teilnehmer aus mehr als 190 Ländern umfasste [71]. Im Nachgang dieser Entwicklung gründete einer der beiden Lehrenden die Plattform Udacity [51]. Danach entwickelten andere Universitäten wie z. B. das MIT (Massachusetts Institute of Technology), USA, eigene Formate und gründeten die Plattformen EdX. Die Abb. 15.1 zeigt im Zeitverlauf des ersten MOOCs die Entwicklung dieses Phänomens bis heute [62]. Der Onlinekatalog MOOC List (www.mooc-list.com) bietet eine aktuelle Übersicht über die existierenden MOOCs weltweit. Im Kern umfasst die Grundidee eines MOOCs zwei wesentliche Punkte [71, 73]: 1. MOOCs bieten einen offenen Zugang zu Wissen an, d. h., jeder Teilnehmer kann frei an einem Onlinekurs teilnehmen. 2. MOOCs sind skalierbar, d. h., das Design eines Kurses, die Lehrinhalte und die Strukturen sind so konzipiert, dass eine undefinierte, große Anzahl von Teilnehmern an diesem Kurs partizipieren kann.

Abb. 15.1 Zeitleiste der MOOC-Entwicklung. (Nach Sharples [62])

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Von dieser anfänglichen, grundsätzlichen Sicht eines MOOCs sind die heutigen Ausprägungen zum Teil verschieden, auch wenn diese trotzdem dieser Gattung zugerechnet werden.

15.2.3 Die heutigen Ausprägungen von MOOCs Aus den Anfängen der MOOCs haben sich zwei grundsätzliche Unterscheidungen herauskristallisiert, die sogenannten cMOOCs und die xMOOCs. Der bereits im Jahr 2008 realisierte MOOC hatte den Kurstitel „Connectivism and Connective Knowledge“ [13, 18]. In diesem Kurs sollten die Teilnehmer ausprobieren, wie sie mit unterschiedlichen Technologien und über die Interaktion miteinander lernen können. Der Schwerpunkt dieses Kurses war, zu erfahren, wie Lernen unter Nutzung eines persönlichen Blogs und von Concept Maps [69] funktionieren kann [25]. Sowohl die Lehrenden als auch die Teilnehmer selbst schlugen bestimmte Technologien zur Lernunterstützung vor, die von Moodle als typischem Vertreter eines Learning Management Systems (LMS)[23] bis zu Second Life, einer 3D-Simulation, reichten [25]. Varianten solcher Kurse werden damit allgemeinhin als cMOOCs bezeichnet, da diese auf die Lerntheorie des Konnektivismus abzielen, wie diese bereits eingangs erwähnt wurde. Solche Kurse favorisieren ein konnektiviertes, gemeinsames und partizipatives Lernen durch eine dieser Methodik aufgeschlossenen Lerngruppe von sogenannten Peers, die frei von Bildungseinrichtungen Wissen erlangen wollen [71]. Das informelle Lernen in Netzwerken ist das Ziel von cMOOCs. Die Lerninhalte selbst werden oftmals von Einzelnen und/oder den Peers für eine gemeinsame Wissensaneignung generiert. Sie folgen nicht immer einem vorab festgelegten Lernkonzept [51, S. 10]. xMOOCs hingegen ordnen sich der zweiten großen Linie anfänglicher MOOCs zu, indem die Lerninhalte im Mittelpunkt stehen [71] und diese multimedial präsentiert werden [11]. Diese xMOOCs basieren auf verhaltensorientierten pädagogischen Ansätzen [11] und repräsentieren die klassische Form eines Onlinekurses, bei dem ein Lehrender nach einem für ihn definierten Lehrkonzept einem Teilnehmerkreis Lehrinhalte online vermittelt [51, S. 10]. Zudem werden die Lernziele mit dem Design des MOOCs fest definiert [51, S. 11]. Somit können xMOOCs das digitale Abbild eines real existierenden Kurses in einem bestimmten Studienprogramm darstellen. Die meisten der heute über digitale Lernplattformen oder Universitäten angebotenen MOOCs sind xMOOCs. Für eine grundlegende Unterscheidung können fünf Kriterien gelten [51, S. 15]: • • • • •

das Ziel des Kurses, die Voraussetzungen zur Teilnahme am Kurs, die Vielfalt und der Typus an Ressourcen, die im Kurs genutzt werden, die Vielfalt und der Typus an Aktivitäten, die im Kurs angeboten werden, und der Grad der Beschränkungen für den Kurs selbst.

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Abb. 15.2 Grundlegende Taxonomie. (Nach Clark [10]; Conole [11])

Eine eher generische Sicht auf Basis funktionaler Eigenschaften zeigt sich in der in Abb. 15.2 dargestellten Einteilung [11] basierend auf einer Struktur nach [10]. Unabhängig von der Art der Lernmethode und der Kursziele kann der Begriff entsprechend seiner Reichweite und der damit verbundenen Teilnehmerzahl zusätzlich unterschieden werden. Je nach der Größe des Teilnehmerkreises und den damit verbundenen Zugangsvoraussetzungen für die Teilnahme unterscheidet man SPOCs als einen kleinen, geschlossenen, also privaten Onlinekurs („small private“) (Praxisbeispiel 2). Es ist somit ein MOOC, der für eine definierte Gruppe von Teilnehmern (z. B. eine Klasse) konzipiert wird [51, S. 16]. SOOCs hingegen sind kleine, offene Onlinekurse („small open“), die sich an eine bestimmte Teilnehmergruppe richten. Das können z. B. Studierende sein, die einen bestimmten Kurs belegen wollen und zur Bestimmung des Lernstands einen Test in Form eines SOOCs absolvieren müssen [51, S. 17]. In einer Verallgemeinerung dieser Sichtweise können MOOCs grundsätzlich nach ihrer Offenheit (Openness) und der Anzahl der Teilnehmer (Massiveness) strukturiert werden [49, S. 225 ff.] und beziehen sich nach dieser Taxonomie auf die Grundidee eines MOOCs. Gerade für die Betrachtung von MOOCs als ein innovatives digitales Produkt bzw. Service sowie als Geschäftsmodell, wie es die heutigen digitalen Lernplattformen anbieten, eignet sich solch eine Taxonomie wie in Abb. 15.3. So lassen sich in dem ersten und dritten Quadranten MOOCs mit Teilnehmerzahlen von ca. 200 bis 500 Kurshörern einordnen, die bis maximal einige Tausend Teilnehmer umfassen können. Die MOOCs der beiden anderen Quadranten können dagegen eine grundsätzlich unlimitierte Anzahl von Teilnehmern aufweisen [49, S. 226]. Die Betrachtung nach dem

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Abb. 15.3 Einteilung von MOOCs nach der Anzahl der Teilnehmer und der Offenheit des Kurses. (Nach Parker et al. [49, S. 226]

Gesichtspunkt der Offenheit zeigt sich in Merkmalen wie z. B. einer Teilnahmegebühr, die entrichtet werden muss, um an dem jeweiligen MOOC teilnehmen zu können, und entsprechen damit mit Bezug zum ersten und dritten Quadranten eher einem klassischen Distance Learning. Offene MOOCs stellen Kursmaterialien, Inhalte oder auch Prüfungen für alle kostenfrei zur Verfügung. Nach dieser Taxonomie lassen sich alle heute vorhandenen Ausprägungen von MOOCs klassifizieren [49, S. 227 ff.] Die bereits vorgestellten SPOCs z. B. lassen sich dem ersten Quadranten (gering skaliert/gering offen) zuordnen, ebenso wie die vorgestellten groupMOOCs. Die cMOOCs bzw. connectivistMOOCs hingegen gehören dem Quadranten II an (gering skaliert/weit offen). Auch die adaptiveMOOCs können dieser Gruppe zugerechnet werden. MiniMOOCs hingegen sind ein Beispiel für MOOCs des dritten Quadranten, ebenso wie die synchMOOCs, während die xMOOCs, transferMOOCs, madeMOOCs, asynchMOOCs typische Vertreter des vierten Quadranten sind.

15.2.4 Geschäftsmodell und digitale Lernplattformen MOOCs können auch als ein digitales Lernprodukt bzw. digitaler Lernservice betrachtet werden, die durch ein Geschäftsmodell repräsentiert werden. Hierbei geht es weniger um die MOOCs, die von akademischen Bildungseinrichtungen auf deren Plattformen zusätzlich zu den Präsenzstudienprogrammen zur Verfügung gestellt werden, oftmals auch zu Werbe- oder Imagezwecken für potenzielle Studierende. MOOCs als Geschäftsmodell adressieren eher eigenständige digitale Lernplattformen wie Coursera, edX oder Udacity.

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So umfasst Coursera beispielsweise die meisten MOOCs überhaupt [56]. Der Marktführer weist mehr als 25 Millionen eingeschriebene Teilnehmer für seine Plattform auf und hat Partnerschaften mit mehr als 150 Universitäten weltweit [21]. Der populärste MOOC auf Coursera ist ein Kurs über das Lernen selbst – „Learning how to learn“ [21]. An zweiter Stelle der Rangliste steht EdX, gefolgt von FutureLearn. Iversity und Udacity sind jeweils auf Platz fünf und sechs; verdrängt von Cognitive Class auf dem vierten Platz [56]. Die Betrachtung des Geschäftsmodells MOOCs kann anhand der folgenden drei Kernbereiche näher spezifiziert werden [72]: 1. Offenheit, 2. Ertragsmodell, 3. Service Disagg.regation Der Bereich Offenheit wurde bereits unter dem Taxonomieaspekt (vgl. Abschn. 15.2.3) hinreichend erläutert. Im Bildungskontext ganz allgemein bedeutet die Öffnung von Kursen für eine definierte oder unlimitierte Anzahl von Teilnehmern außerhalb traditioneller akademischer Bildungseinrichtungen die Auflösung von Systemkonzepten einer Hochschule oder Universität. Beispielsweise entfallen beim Prinzip der Offenheit die Registrierung an einer akademischen Bildungseinrichtung (Immatrikulation), die Aufnahme- und Zugangsgebühren für spezifische Kurse oder der reale Zugang zu den Vorlesungsinhalten zu fest definierten Zeiten und Räumlichkeiten [19, 72, S. 3]. Gerade die digitalen Lernplattformen fördern die Offenheit, da eine Skalierbarkeit von Kursstrukturen mit relativ geringen Kosten verbunden ist (Prinzip der gegen null laufenden Grenzkosten für digitale Kopien). Daher nutzen gerade digitale Lernplattformen in ihren Geschäftsmodellen Funktionalitäten für eine skalierbare und datengetriebene Wissensvermittlung [72, S. 3]. Das Ertragsmodell von MOOCs bzw. der digitalen Lernplattformen orientiert sich stark an dem klassischen Geschäftsmodellmuster Freemium [26, S. 133 ff.], wie es bei digitalen Geschäftsmodellen weit verbreitet ist. Produkte und Services sind initial frei (Basisversion), weitere Funktionen und Nutzungsszenarien (Premiumversion) hingegen nur gegen ein Abonnementmodell verfügbar. In aller Regel subventionieren relativ wenige Nutzer durch ihre Bezahlung die vielen Nutzer der Basisversion. Das Besondere an diesem Muster ist die Idee, die Nutzer an die Plattform zu binden, nachhaltig Aufmerksamkeit zu generieren und damit langfristig den Wunsch zu fördern, mehr Angebote konsumieren zu wollen, die dann in aller Regel kostenpflichtig sind. So haben die digitalen Lernplattformen Partnerschaften mit renommierten Universitäten weltweit, deren initiale Angebote kostenfrei zur Verfügung stehen; zusätzliche Angebote wie z. B. Zertifikate oder Lizenzgebühren müssen dann bezahlt werden [72, S. 3]. Das Konzept der Service Disaggregation basiert auf der Idee einer neuen Kombination von bestehenden Produkt- bzw. Servicemerkmalen durch die Möglichkeiten einer digitalen Erstellung, Verbreitung und Nutzung dieser und der damit zusammenhängenden Neubündelung dieser Merkmale. Diese Idee aus der Internetökonomie [60] wirkt auch im Kontext von MOOCs. So können durch die Neubündelung von Kursen mit ihren Inhalten und Strukturen auch neue universitäre Kursprogramme entstehen, die dann z. B. auch nach

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anderen Ertragsmodellen als an einer Bildungseinrichtung üblich umgesetzt werden können. Bestehende Kurse können erweitert, Lernen kann individualisiert, sogar personalisiert werden, und neue Formen wie das Konzept des „Learning Analytics“ [24] können entstehen. Praxisbeispiel 1: Prof. Dr. Falk Uebernickel, Universität St, Gallen, Schweiz, MOOC „The World of Design Thinking“ auf der Plattform Udemy, Interview im Januar 2019

Frage 1: Wie heißt Ihr MOOC, an welche Teilnehmergruppen richtet sich dieser, und wo wird er angeboten? Der MOOC nennt sich „The World of Design Thinking“ und wird seit September 2018 auf der Plattform Udemy kostenfrei angeboten (https://www.udemy.com/the-world-ofdesign-thinking/). Das Angebot zielt auf Interessierte weltweit. Die Einheiten sind so aufgebaut, dass diese sowohl in einer klassischen Vorlesung Platz haben. Diese können aber auch außerhalb einer Bildungseinrichtung und von Praktikern gehört werden. Frage 2: Was war Ihre Motivation, diesen MOOC zu entwickeln? Meine Intention ist das Thema „Human-centered Design“ und Design Thinking weltweit bekannt zu machen und einer möglichst großen Anzahl an Interessierten bereitzustellen. Deswegen ist der Kurs vollständig kostenfrei und für jedermann zugänglich. Frage 3: Welche Erfahrungen haben Sie mit diesem MOOC aus Lehrendensicht gemacht? Ich habe verschiedene Erfahrungen gesammelt. Zum einen ist der Aufwand für eine hochwertige Produktion mit vielen Interaktionen im Feld sehr zeitaufwendig. Das liegt natürlich an der speziellen Thematik des Design Thinking, aber generell sind die Einstiegsaufwände nicht zu unterschätzen. Zum anderen würde ich heute manche Vorlesungseinheiten noch kürzer und fragmentierter anbieten. Kulturell abhängig scheint es Nutzergruppen zu geben, die deutlich kürzere und kompaktere Videos bevorzugen. Frage 4: Welches Feedback haben Sie von den Lernenden erhalten? Generell positiv. Diesen MOOC setze ich nur sehr sporadisch in meinen eigenen Vorlesungen in St. Gallen ein, aber von den inzwischen über 5000 Absolventen des MOOCs ist das Feedback sehr gut. Verbesserungsfähig ist in Zukunft die Interaktion mit den Teilnehmenden. Jedoch ließ sich das bei einem kostenfreien Angebot ohne Sponsoring nicht realisieren, da viele Interaktionsformate ebenso Betreuung erfordern. Frage 5: Wie waren der Grad der Unterstützung Ihrer Bildungseinrichtung und/oder der MOOC-Plattform? Von universitärer Seite habe ich leider keine Unterstützung erhalten. Die Idee einer kostenfreien, weltweit verfügbaren Vorlesung konnte ich dennoch mit der Unterstützung der Firma Merck KGaA in Darmstadt verwirklichen. Die Innovator Academy innerhalb des Merck Innovation Centers war gerade im Aufbau einer weltweiten, internen Trainingsplattform für Innovationsmethoden. Mit der finanziellen Unterstützung des Unternehmens sowie der gemeinsam entstandenen Konzeption der MOOCs konnten die Vorlesungsmodule innerhalb weniger Wochen professionell produziert werden. Für diesen Einsatz der Firma Merck KGaA bin ich bis heute – im Namen aller Teilnehmenden – sehr dankbar.

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Für die Merck KGaA (Darmstadt, Germany) hat sich die Entscheidung ebenfalls bestätigt. Heute nutzen über 10.000 Mitarbeiter weltweit die Trainingsplattform. Die gemeinsam produzierten MOOC-Inhalte sind auf die Bedürfnisse des Unternehmens hin modifiziert worden. Entstanden ist ein firmeneigenes E-Learning Design Thinking, das bereits mehrere Tausend Mitarbeiter erfolgreich abgeschlossen haben, so die Leiterin der Innovator Academy, Kristina Muth.

15.3

Strukturen und Konzepte von MOOCs

15.3.1 Übersicht In diesem Abschnitt werden die Akteure und Konzepte von MOOCs vorgestellt. Das Ziel ist es, diese neue Form des Lernens und Lehrens mit ihren systemveränderten Eigenschaften für die gesamte Bildungsindustrie weltweit besser zu verstehen und Trends dadurch einordnen zu können (vgl. Abb. 15.4). Wie in Abb. 15.4 ersichtlich, wird das Prinzip eines MOOCs durch die externen Faktoren der Demokratisierung von Bildung, des lebenslangen Lernens und der

Abb. 15.4 Strukturrahmen von MOOCs

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Verhaltensänderung von uns allen durch die zunehmende und allgegenwärtige Digitalisierung und Vernetzung stark beeinflusst. MOOCs wiederum wirken durch ihre Innovationskraft auf diese Faktoren zurück und können diese verstärken. Diese Faktoren wurden bereits überblicksartig im ersten Abschnitt dieses Beitrags beschrieben.

15.3.2 Akteure von MOOCs Die typischen Stakeholder von MOOCs sind einerseits die Lernenden, oftmals Studierende, aber letztendlich jede mögliche Bevölkerungsgruppe unabhängig vom Alter. Zum anderen bilden die Lehrenden die zentrale Rolle im MOOC, da sie in aller Regel die Inhalte erarbeiten, präsentieren und oft auch als Moderatoren und Prüfer auftreten. Darüber hinaus gibt es weitere Akteure, vor allem in Bezug auf die Betrachtung eines MOOCs als Produkt mit dem entsprechenden Geschäftsmodell einer digitalen Lernplattform. Auch die Politik allgemein kann als Stakeholder betrachtet werden. Nachfolgend sind die typischen Akteure eines MOOCs aufgeführt: • Lernende als Konsumenten von Wissen: Diese können einer Bildungseinrichtung angehören, müssen es aber nicht. Auch Mitarbeiter von Unternehmen können beispielsweise die Rolle eines Lernenden einnehmen. • Lehrende als Bereitsteller von Wissen: Ebenso wie bei den Lernenden müssen diese nicht einer Bildungseinrichtung angehören und können somit auch Mitarbeiter eines Unternehmens sein, die z. B. als Lehrende Inhalte in einem MOOC bereitstellen. • Bildungseinrichtung ist eine institutionelle Einheit als Ort für Lehrende und Lernende im traditionellen Sinne, wie eine Universität oder Hochschule. Auch allgemein die Schule kann MOOCs anbieten, ebenso wie Unternehmen oder kommerzielle Trainingsoder Weiterbildungsinstitute. • MOOC-Anbieter können einzelne Personen sein, jedoch typischerweise Institutionen, Unternehmen und/oder Organisationen, die den Prozess der Gestaltung, Umsetzung, Platzierung, Vermarktung und Administration eines MOOCs verantworten.

15.3.3 Konzepte von MOOCs Die Funktionalitäten eines MOOCs äußern sich als mediendidaktische Konzepte, die sehr unterschiedlich ausgeprägt sein können. In aller Regel ist es eine Kombination aus pädagogischen Konzepten (z. B. der bereits erwähnte Konnektivismus) und spezifischen Lehr- und Lernwerkzeugen wie z. B. Gruppenarbeiten oder Multiple-Choice-Fragen. Möglichkeiten des Web 2.0, die sich in der Kommunikation und Interaktion zeigen, führen zum Aufbau von Communities und fördern das informelle, mobile und soziale Lernen. Auch die multimediale sowie multi-codale und -modale Konvergenz durch das Web 2.0 zeigt sich in den Funktionalitäten von MOOCs. Gruppenarbeiten, Chats und andere Messenger-Dienste

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werden realisiert. Add-on-Services beziehen sich auf spezifische Services, die in aller Regel von den MOOC-Anbietern bzw. über deren digitale Lernplattformen zur Verfügung gestellt werden. So unterstützt z. B. Coursera klassische akademische Bildungseinrichtungen bei ihren systemspezifischen Prozessen der Studiengangsreformierung und der damit verbundenen Akkreditierung. Die Basisfunktionalitäten der meisten qualitätsbezogenen MOOCs (in aller Regel xMOOCs) auf den digitalen Lernplattformen zeigen sich in den folgenden allgemeinen Komponenten [56]: • Videokomponenten, in denen die Lerninhalte in kleine Einheiten (empfehlenswert sind 2 bis 10 min Dauer) zergliedert durch den Lehrenden präsentiert werden, oft in Kombination mit anderen Medien, • Lesematerial in Form von freien eBooks oder anderem geschriebenem Material (wissenschaftliche Beiträge, eigene Veröffentlichungen etc.), das die Lernenden zwingend bearbeiten müssen oder das als Empfehlung für das Selbststudium gegeben wird, • integrierte Aktivitäten wie z. B. Fragerunden, kleine Projekte und Gruppenarbeiten oder ein Verweis auf Inhalte außerhalb des MOOCs, • kursspezifische Foren, vor allem zur Interaktion zwischen den Lernenden und Lehrenden, • abschnittsweise oder wöchentliche Organisation des Kurses, meistens in Form einer Serie für einen spezifischen Zeitraum, oft wochenweise, • abschnittsweise durchgeführte Tests oder Projekte als Möglichkeit zur Steigerung des Lernerfolgs gemäß der entsprechenden Kursorganisation, • finale Prüfung oder Projekt als typischer Abschluss eines Kurses, der durch ein Zertifikat oder eine Teilnahmebestätigung anerkannt wird.

15.3.4 Architektur von MOOCs Die Architektur von digitalen Lernplattformen, die MOOCs anbieten, umfassen vor allem einen spezifischen, technisch skalierbaren und elastischen Technologiestack, der auch die medialen Tools und Technologien enthält, mit denen die einzelnen Lehr- und Lernkonzepte umsetzbar werden (z. B. Gaming, Interaktion, Kommunikation). Ähnlich wie allgemeine digitale Plattformen [38, 49] basieren diese Technologiestacks mindestens auf dem aktuellen Entwicklungsstand der Technologien am Markt, vielmehr verstehen sich die Betreiber solcher Plattformen oft als Technologieunternehmen, die beständig an der Weiterentwicklung ihres Technologiestacks arbeiten und bewusst sowohl marktführende als auch sehr junge Technologien einsetzen, um ihre Innovationsrolle beibehalten zu können. Die digitalen Lernplattformen besitzen meist ihre eigenen Betreibermodelle, um die Vielzahl an Inhalten und die hohe Nutzerzahl technisch verfügbar und ausfallsicher performant vorhalten zu können. Bildungseinrichtungen, die sich für den verstärkten Einsatz von MOOCs entscheiden, nutzen meist Learning-Management-Systeme wie z. B. Moodle, um diese Formate

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zu realisieren, oder stellen ihre MOOCs in Zusammenarbeit mit einer ausgewählten digitalen Lernplattform zur Verfügung. Sie stoßen dennoch auf die gleichen Herausforderungen zum Betrieb dieser, wie eben Verfügbarkeit und Reaktionszeiten, Ausfallsicherheit, IT-Sicherheit und Datenschutz. Gerade diese Betreiber müssen zusätzlich eine technische Integration in ihre bestehenden digitalen Lehr- und Lernkonzepte, vor allem zum E-Learning, sicherstellen. Aber auch die digitalen Lernplattformen benötigen Integrationsschnittstellen, die jedoch meist über Standardschnittstellen realisiert werden.

15.4

Motive der MOOC-Akteure

15.4.1 Lernende Da MOOCs allen Interessierten offenstehen, kommen MOOC-Lernende aus vielen verschiedenen Ländern und sind sehr divers in ihren Erwartungen, Motivationen und bisherigen Bildungserfahrungen. Die Mehrheit der Teilnehmenden haben dabei schon einen Abschluss als Bachelor (Coursera: 42,8 %) oder Master (Coursera: 36,7 %) [36]. Nicht jeder, der sich in einem MOOC als Teilnehmer registriert, hat jedoch wirklich vor, sich dort zu engagieren oder den MOOC auch abzuschließen [1]. [1, 32] fassen Motive von Lernenden zusammen, sich in MOOCs einzuschreiben: • Die Teilnehmer haben sonst keinen Zugang zu traditionellen Bildungseinrichtungen, weil Zugangsvoraussetzungen, Teilnahmemöglichkeiten oder finanzielle Mittel fehlen. • Den Teilnehmern ist noch nicht klar, ob sie einen akademischen Bildungsweg einschlagen sollen oder welche Fächer interessant sein können. • Lernende nehmen teil, um Spaß und Unterhaltung zu haben und sich intellektuell zu entfalten. • Lernende haben Interesse am Thema, wollen ihr Wissen auffrischen oder sich beruflich weiterentwickeln. • Lernende sind neugierig auf MOOC-Erfahrungen – das gemeinsame Lernen mit weltweit verteilten Teilnehmern. • Die Teilnehmer wollen sich einer Herausforderung stellen, z. B. um auszuprobieren, ob man einen Kurs einer berühmten Universität meistern und evtl. sprachliche Barrieren überwinden kann. • Lernende wollen so viele Zertifikate wie möglich mithilfe von MOOCs sammeln. Für Mitarbeiter von Unternehmen bieten MOOCs eine gute Möglichkeit, sich beruflich ohne Kosten und Verpflichtungen weiterzuentwickeln, dabei die Themen frei zu wählen und mit eigener Zeiteinteilung zu lernen [37]. Vielfach erkennen Unternehmen Zertifikate von MOOCs, gerade im IT-Sektor, an, sodass die Teilnehmenden zusätzlich eine Motivation haben, sich während oder außerhalb ihrer Arbeitszeit weiterzubilden.

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Lernende sind aber auch mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert, die eine nachhaltige Teilnahme an einem MOOC erschweren. Dazu gehören: • • • • • •

die fehlende Zeit durch andere wichtige Aufgaben [1], fehlende Anreize zum Lernen [25], ein fehlender Fokus in den Diskussionsforen [57], fehlendes Vorwissen über das Thema des MOOCs [1], unterschiedliche Erwartungen an den Kurs [70], Probleme, den Inhalt verstehen zu können, und fehlende Kontakte bei Fragen [1].

15.4.2 Lehrende Lehrende haben verschiedene Motive, MOOCs zu entwickeln und anzubieten. Einige Lehrende sind interessiert, MOOCs auszuprobieren, vom Feedback der weltweit verteilten Teilnehmer zu lernen und die erstellten Ressourcen dann teilweise wieder in traditionellen Vorlesungen zu verwenden. Andere Lehrende entwickeln MOOCs, um ihre persönliche Reputation zu erhöhen und als Experte auf einem bestimmten Gebiet bekannt zu werden. Eine dritte Gruppe von Lehrenden verfolgt das altruistische Motiv, weltweit Lerninteressierten den Zugang zu Bildung zu gewähren [43]. Die Rolle des Lehrenden in einem MOOC unterscheidet sich von seiner Rolle im Hörsaal, in dem Lehrende direkt mit den Studierenden interagieren, ihren Lernprozess direkt begleiten und individuell den Lernfortschritt prüfen können. Der Lehrende kann auf der einen Seite im MOOC als hochqualifizierte und respektierte Autorität wahrgenommen werden, der an einer renommierten Universität lehrt und sein Wissen nun einer größeren Zielgruppe weitergibt. Dabei ist er sowohl Schauspieler (in den Lehrvideos) als auch Produzent. Auf der anderen Seite wird der Lehrende aber auch überflüssig, da das Lehren teilweise „automatisiert“ wird: Der Leistungsfortschritt der Lernenden wird automatisch durch Quiz geprüft, Algorithmen bewerten Diskussionsbeiträge, die oft gelesen werden, automatisch besser, und Programmieraufgaben werden automatisch geprüft und mit „bestanden“ oder „nicht bestanden“ bewertet. Ein individuelles Eingehen auf Lernende ist fast unmöglich oder sehr zeitaufwendig [58]. Lehrende bringen, genauso wie Studierende als Lernende, Erfahrungen aus der klassischen Vorlesung mit, und diese können nicht einfach in den MOOC übertragen, aber auch nicht ignoriert werden. Erfahrungen als MOOC-Teilnehmer können für Lehrende aber eine gute Grundlage sein, selbst einen MOOC zu entwickeln [44]. Für Lehrende ist die Erstellung von MOOCs mit hohem zeitlichem Aufwand und Kosten verbunden. Zudem müssen Videos für den MOOC ohne direkte Rückmeldung von Lernenden erstellt werden, Lernende beteiligen sich nicht immer an Onlinediskussionen, sodass der Lehrende diese anstoßen und motivieren muss, und die Evaluierung von Leistungen ist bei der Vielzahl der Teilnehmer nur eingeschränkt und automatisiert möglich [30].

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Praxisbeispiel 2: Prof. Dr. Marcus Birkenkrahe, Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin, SPOCs auf der Moodle-Plattform, Interview im Februar 2019

Frage 1; Wie heißt Ihr SPOC, an welche Teilnehmergruppen richtet sich dieser, und wo wird er angeboten? Ich biete zwei SPOCs an: „Research Methods Online Pre-course“ (seit 2016) und „Introduction to Business Information Systems Online Pre-course“ (seit 2017). Zielgruppe sind primär Master- und MBA-Studierende der HWR Berlin und der Berlin Professional School. Pro Semester absolvieren am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften ca. 200 Studierende aus verschiedenen Kohorten jeden der beiden Kurse. Frage 2: Was war Ihre Motivation, diesen SPOC zu entwickeln? Der wichtigste Anlass war, dass wir in den beiden Kursen beobachtet haben, dass die Studierenden Bedarfe haben, die über das Präsenzangebot hinausgehen. Im Beispiel des Research-Methods-Kurses war es vor allem ein zeitliches Problem: Das ResearchSeminar ist in den Masterstudiengängen der Erstellung der Abschlussarbeit entweder direkt vorgelagert oder findet sogar zeitgleich statt. Das ist einerseits gut, weil die Studierenden sehr motiviert sind, aber andererseits schlecht, weil viele Informationen einfach zu spät kommen. Besonders für Studierende aus dem Ausland kann das problematisch werden, wenn sie bspw. noch keine längere forschungsbasierte Abschlussarbeit geschrieben haben. Dann hat mich das Thema persönlich gereizt, da ich mich schon lange intensiv mit ELearning-Methoden auseinandersetze. Zudem habe ich selbst schon einige MOOCKurse auf unterschiedlichen Plattformen absolviert mit positiven Erfahrungen, auf diese Weise zu lernen. Frage 3: Welche Erfahrungen haben Sie mit Ihren SPOCs aus Lehrendensicht gemacht? Mehrere Kollegen verwenden den ersten Kurs zur Forschungsmethodik in ihren eigenen Modulen und Studiengängen. Den zweiten Kurs verwende ich selbst ebenfalls zur Induktion neuer Lehrkräfte (Lehrbeauftragte) an unserem Fachbereich. In mehreren Sitzungen habe ich die SPOCs vorgestellt und immer gutes Feedback erhalten. Frage 4: Wie schätzen Sie die Kombination von Präsenz und Online für den Erfolg oder Misserfolg ein? Gerade im letzten Semester habe ich beide Themen mit mehr als 150 Studierenden in der Kombination Vorkurs, gefolgt von Präsenzkurs gelehrt. Präsenzunterricht bleibt sehr wichtig. Bei den Vorkursen beginne ich immer mit einem Präsenz-Kick-off, um die Grundlagen zu erklären, Rapport mit mir als Lehrendem aufzubauen und eine Anfangsmotivation zu „zünden“. Dann ist in der Regel mindestens 1 Monat Zeit bis zum nächsten Treffen. Ich lehre den Hauptkurs, der dem Vorkurs folgt, in verschiedenen Modi. Onlinesequenzen zwischen Präsenztreffen zu haben ist am effektivsten. Das ist dann eine Art invertiertes Klassenzimmer, denn ich kann bei der Präsenz voll auf die Onlinelehre zurückgreifen bzw. sie voraussetzen. Und dann kann ich mehr üben bzw. mehr neue Sachen einbringen.

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Frage 5: Welche Lern- und Lehrwerkzeuge haben Sie verwendet? Ich verwende sehr viele Werkzeuge. Moodle als Basisplattform. Slack für kontinuierlichen Austausch und Lieferung neuer Inhalte. Camtasia oder Snagit für Screencasts, H5P oder Moodle Lessons für Lektionen. Peer-Review in Moodle („Workshop“) ist ganz klasse. Foren und Aufgaben für Assignments. Umfangreiche Reader (aktuelle wissenschaftliche Artikel) als PDFs. Interaktive Videos und Präsentationen. Sehr viel Audio.

15.4.3 MOOC-Anbieter: Bildungseinrichtungen, Plattformbetreiber und Unternehmen Betreiber von digitalen Lernplattformen für MOOCs bieten in Zusammenarbeit mit Unternehmen und Hochschulen diese an. Die Gründer solcher Plattformen stammten zunächst aus Universitäten, wobei Lehrende Lehrinhalte für alle weltweit und frei zur Verfügung stellen wollten, damit lebenslanges Lernen für alle zum fundamentalen Grundrecht wird [59]. Bildungseinrichtungen können MOOCs auf verschiedene Arten anbieten. Hollands und Tirthali [34] unterscheiden zwischen Bildungseinrichtungen, die selbst MOOCs produzieren, Einrichtungen, die MOOCs anderer Hochschulen in ihre Programme einbinden, und Einrichtungen, die beides machen. Andere verfolgen eine abwartende Strategie oder haben sich dagegen entschieden, MOOCs anzubieten. Das ist vor dem Hintergrund des großen Zeit- und Kostenaufwands gerade für kleine Hochschulen eine verständliche Entscheidung. Bildungseinrichtungen können bei ihrer Entscheidung zu MOOCs unterschiedliche Ziele verfolgen[33]: • Erweiterung der Reichweite der lokalen Hochschule, indem das vermittelte Wissen einer breiteren Masse zugutekommt, • Aufbau einer eigenen Marke, um bei zukünftigen Studierenden, Forschenden, Lehrenden und Lehr- und Forschungspartnern bekannter zu werden [52], • Kostensenkung und Einkommenserhöhung durch Ersetzen von klassischen Vorlesungen, hochschulübergreifende Angebote sowie Weiternutzung von Materialien, • verbesserte Lernergebnisse sowohl für MOOC-Teilnehmende als auch auf dem Campus, • Beteiligung an innovativen Lehr- und Lernformen und • Forschung im Bereich Lehre und Lernen. Aber auch Unternehmen haben verschiedene Motive, MOOCs anzubieten oder ihre Mitarbeiter zur Teilnahme an einem MOOC zu bewegen, die frei verfügbar sind und somit eine kostengünstige und flexible Weiterbildungsmöglichkeit bieten. Firmen wie L’Oréal oder Marks & Spencer arbeiten bereits mit MOOC-Anbietern zusammen, um ihren Mitarbeitern Kurse anbieten zu können [29]. Häufig werden MOOCs in den Unternehmen aber noch nicht als Bildungsmöglichkeit wahrgenommen, sodass Angestellte sich selbst mittels MOOCs weiterbilden, ohne Unterstützung durch das Management zu erhalten [29].

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Unternehmen können auch selbst zum MOOC-Anbieter werden: SAP war eines der ersten Unternehmen, die mit openSAP.com freie MOOC-Kurse vor allem im SAP-Umfeld zur Weiterbildung anboten. Neben der Weiterbildung dienen die Plattform und die dort angebotenen Kurse natürlich auch zur Verkaufsförderung. SAP arbeitet dabei mit dem Hasso-Plattner-Institut zusammen, das für die Bereitstellung der technologischen Infrastrukturkonzepte sowie der Lehr- und Lernkonzepte verantwortlich ist [53]. hAndere Unternehmen stellen ebenfalls eigene Inhalte in MOOCs zur Verfügung, wie z. B. McKinsey auf der Plattform edX.

15.5

Implikationen zur Gestaltung von MOOCs

Möchten Bildungseinrichtungen oder Lehrende MOOCs anbieten, sollten sie ein Thema wählen, das derzeit noch nicht durch andere Anbieter abgedeckt wird. Weiterhin sollte es für eine größere, internationale Zielgruppe relevant sein, damit viele Lernende angesprochen werden [6]. Im Folgenden werden Implikationen zur Entwicklung von xMOOCs, der häufigsten Form von MOOCs, dargestellt. Bei der Entwicklung des MOOCs sollte die angedachte Zielgruppe von Lernenden immer im Vordergrund stehen: Welche Inhalte sind für die Lernenden besonders interessant und passen zum Vorwissen? Während bei der Planung eines Kurses üblicherweise die Inhalte zuerst geplant werden, kommt für die Entwicklung der MOOC-Inhalte häufig das Backward Design [68] zum Einsatz, wie es etwa bei typischen MOOCs in Coursera der Fall ist. Dabei wird in drei Schritten vorgegangen: 4. Festlegung der Lernziele: Welche Themen sollen die Lernenden nach dem Kurs kennen, verstehen und anwenden können? 5. Prüfung der Lernziele: Mit welchen Methoden kann das Erreichen der Lernziele geprüft werden? 6. Festlegung der Kursaktivitäten: Mit welchen Methoden und Aktivitäten können Lerninhalte vermittelt werden? Somit wird sichergestellt, dass die Lernenden und ihre Lernziele im Mittelpunkt der Kursentwicklung stehen. Für die Beschreibung der unterschiedlichen Lernenden kann das Persona-Konzept verwendet werden [47]. Typische Lernende mit ihrem Vorwissen und ihren Zielen können so einfach definiert werden. Aufbauend auf den Personas der Lernendengruppen können konkrete Lernziele formuliert werden. Bloom teilt in seiner Taxonomie Lernziele in sechs Gruppen ein: Wissen, Verstehen, Anwenden, Analysieren, Synthetisieren und Evaluieren [3]. Diese Taxonomie hilft bei der Definition der Lernziele für den gesamten Kurs. Anschließend werden diese Ziele auf einzelne Module verteilt. Ein Modul stellt dabei das Lernpensum für eine Woche dar. Anschließend wird festgelegt, wie die zu erreichenden Lernziele pro Modul geprüft werden können. Bedingt durch die große Anzahl von Teilnehmern im Kurs kommen dafür

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eher Quiz oder Peer-Review der Teilnehmer untereinander infrage. Anschließend können die Inhalte für die Module näher definiert werden: Welche Inhalte werden durch Videos bereitgestellt, welche zusätzlichen Lesetexte, Diskussionsforen usw. soll es geben. Falls die verwendete Plattform nicht alle benötigten Werkzeuge zur Verfügung stellt, müssen dafür externe Werkzeuge eingebunden werden. Praxisbeispiel 3: Dr. Daniel Selpúveda, Technische Universität Dänemark (DTU), zukünftiger MOOC „From Analytics to Action“ für die Plattform Coursera, Interview im Februar 2019 (übersetzt aus dem Englischen)

Frage 1: Sie entwickeln aktuell im Team einen MOOC. Was ist Ihre Motivation, sich daran zu beteiligen? Vor einigen Jahren bin ich das erste Mal mit MOOCs in Berührung gekommen, zunächst durch persönliche Teilnahme. Die Themen dort haben mich interessiert, sie hatten nichts mit meiner bisherigen akademischen Ausbildung zu tun. Der erste MOOC, an dem ich teilgenommen habe, war über Soziologie – und ich habe Maschinenbau studiert. Ich dachte, dass einige Themen aus dem MOOC interessant sein könnten für mich als Manager, als ich in einem Unternehmen gearbeitet habe. Später war ich am Rande an der Entwicklung eines MOOCs beteiligt. Ich habe dabei geholfen, Probleme mit betrügerischem Verhalten im MOOC zu lösen, weil einige Teilnehmer auf einfache Weise gute Noten bekommen wollten. Jetzt bin ich von Anfang an am MOOC „From Analytics to Action“ beteiligt. Frage 2: Was sind die Schritte bei der Entwicklung eines MOOCs? Genauso wie in jedem Projekt haben wir mit der Festlegung der Ziele für den Kurs begonnen. Es gibt bestimmte Inhalte, die wir vermitteln wollen, und diese wurden in Lernzielen zusammengefasst. Der nächste Schritt ist dann, dies detaillierter auszuarbeiten: Die Kursziele wurden sechs Modulen zugeordnet. Und diese müssen dann weiter ausgearbeitet werden – mittels Videos, Quiz oder weiterführenden Lesetexten. Die Lernziele und Inhalte hängen stark von den Lernenden ab, auf die unser Kurs abzielt. Das sind bei uns zum einen Studierende, die gern die analytischen Methoden, die sie im Studium gelernt haben, bei realen Problemen anwenden möchten – und diese praktischen Erfahrungen bringen sie noch nicht mit. Daher wollen wir Fallstudien anbieten, anhand derer sie üben können. Eine andere Gruppe von Teilnehmern hat schon Erfahrungen durch die Arbeit in Unternehmen. Vielleicht haben sie keine akademische Vorbildung, aber sie sind in der Praxis auf Probleme gestoßen, die sie gern lösen möchten. Die Herausforderung für uns ist, diese Erfahrungen nun mit akademischem Wissen zu verknüpfen. Immer wenn wir ein neues Modul entwickeln, müssen wir uns die Lernenden und ihre Ziele wieder vor Augen führen. Nur dann können die Teilnehmer auch etwas aus dem Kurs mitnehmen, und sie sind zur weiteren Teilnahme motiviert. Frage 3: Haben Sie Unterstützung aus Ihrer Universität für die Entwicklung Ihres MOOCs bekommen? Die DTU unterstützt uns auf verschiedene Weise. Es gibt das DTU LearningLab, das ist eine Expertengruppe, die uns mit Training und Beratung bei der

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MOOC-Entwicklung hilft. Wir haben auch eine sehr gute Infrastruktur – es gibt ein Studio in der DTU-Bibliothek, wo man mit modernster Technologie Videos aufnehmen kann. Außerdem kann man Unterstützung durch studentische Assistenten bekommen. Frage 4: Haben Sie Tipps für andere Lehrende, die darüber nachdenken, einen eigenen MOOC zu entwickeln? Wie in jedem guten Projekt ist es wichtig, die Lernziele und die Zielgruppe genau zu definieren und einen Arbeitsplan zu erstellen. Einen ganzen MOOC kann nicht mal eben in kurzer Zeit entwickeln. Es ist gut, die einzelnen Teile des MOOCs vorher zu testen, ob z. B. die Videos wirklich für die Lernenden passend sind. Außerdem ist es wichtig, sich gut mit der Infrastruktur vertraut zu machen, die man für die Herstellung des MOOCs braucht. Außerdem sollte man auf dem neuesten Stand der Technik und der Lerntechniken bleiben. Was uns dabei geholfen hat, ist, Teil einer Gemeinschaft zu werden, die gerade dabei ist, MOOCs wie unser Team zu schaffen. Dies ist eine Gruppe bei DTU, die alle aktuellen Teams zusammenstellt, die MOOCs erstellen. Technologien und Techniken, die in diesen Gruppen gemeinsam genutzt werden, werden dazu beitragen, MOOC-Probleme wie niedrige Abschlussquoten und geringe oder keine direkte Interaktion zwischen Lehrern und Studenten zu verbessern. Außerdem muss man weitere Punkte im Zusammenhang mit der MOOCEntwicklung berücksichtigen, wie z. B.: 7. Betrugserkennung, um die Validierung des Kurses zu verbessern. Wir setzen auf Coursera, unsere Plattform, die wir für unser MOOC gewählt haben und die uns entsprechende Möglichkeiten dafür bietet. 8. Geistiges Eigentum der Medien im MOOC, sodass er für seinen Inhalt nicht infrage gestellt wird. Unser Team achtet besonders darauf, eine Autorisierung für alle Medien zu erhalten, die wir nicht selbst erstellt haben. 9. Zertifizierung für Lernende: Dies wird auch durch die Coursera MOOC-Plattform gelöst, die eine Möglichkeit bietet, gegen Gebühr Kurse anzubieten, sodass Studierende am Ende ein Zertifikat bekommen können. Unser Team hat das Ziel, ein Tutorial für andere Lehrende an der DTU zu erstellen, die auch MOOCs entwickeln wollen.

15.6

Ausblick

MOOCs werden in Zukunft mehr und mehr Wissensbereiche für verschiedene Zielgruppen öffnen und so zu einem für alle offenen, lebenslangen Lernen beitragen. Neben dem reinen Online Learning können sie auch einen Baustein für Blended-Learning-Szenarien bilden. MOOCs tragen zur Digitalisierung der Bildung bei, und jede Hochschule und auch jedes Unternehmen sollte sich mit diesen Lernmöglichkeiten befassen, um selbst als

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Bildungsanbieter aktiv werden zu können oder gute Inhalte, die andere bereitstellen, selbst kostengünstig zu nutzen [2]. MOOCs sind nicht einfach nur Onlinevorlesungen, sie bieten vielmehr häufig eine Mischung aus Videos, Quiz und Diskussionsforen an. Eine Interaktion mit anderen Lernenden oder Lehrenden ist damit allerdings nur eingeschränkt möglich. Lernende können sich dadurch alleingelassen fühlen und den Kurs abbrechen. Manche MOOCs adressieren diese Herausforderungen schon, wie das folgende Praxisbeispiel zeigt. Praxisbeispiel 4: Prof. Dr. Kai Hockerts, Copenhagen Business School, Dänemark, MOOC „Social Entrepreneurship“ auf der Plattform Coursera, Interview im Februar 2019

Frage 1: Welche Erfahrungen haben Sie mit den Teilnehmern in Ihrem MOOC gemacht? Anders als im Hörsaal kämpfen wir bei den MOOCs mit einer großen Zahl an Kursabbrechern. Das ist nicht sehr erstaunlich, da ein Großteil der MOOC-Teilnehmer das nicht nur als Bildungsangebot sieht, sondern auch ein bisschen als Entertainment. Wir wollen natürlich, dass möglichst viele der Teilnehmer nicht nur passiv die Videos schauen, sondern sich auch aktiv an den Kursen beteiligen. Und das ist schwer. Die meisten MOOCs benutzen Quiz und Multiple-Choice-Interaktionen zwischendurch. Aber unter dem Strich bleibt doch eine sehr einsame Erfahrung. Man sitzt vor dem Bildschirm, hört sich das an, was wir Redner dort erzählen, und kann dann vielleicht die eine oder andere Aufgabe ausführen. Frage 2: Wie kann man erreichen, dass die Teilnehmer selbst aktiv werden? Bei unserem MOOC war es sehr wichtig, Gruppenarbeit herzustellen. Es geht um das Thema „Social Entrepreneurship“, d. h., die meisten unserer Teilnehmer haben das Ziel, ein Sozialunternehmen zu gründen. Konkret sollen sie einen Businessplan schreiben. Und um sicherzustellen, dass sie nicht alle allein jeweils an ihren eigenen Projekten arbeiten, haben wir einen Schwerpunkt auf die Gruppenarbeit gelegt. Direkt von Anfang an werden alle Teilnehmer sehr stark dazu ermuntert, Onlineprofile anzulegen, auch mit Verbindung in ihre sozialen Netzwerke hinein, sodass die Teilnehmer sich miteinander verknüpfen können. Darüber hinaus wird regulär Gruppenarbeit erwartet, es gibt eine ganze Reihe an Aufgaben in diesem MOOC, die man nur in der Gruppe lösen kann. Es gibt dort Challenges, die die Gruppen zusammen angehen können. Und um diese Gruppenarbeit noch mehr zu unterstützen, arbeiten wir mit Webseiten wie z. B. babele.co. Das ist eine Webseite, wo man online Businesspläne erarbeiten, mit anderen teilen, um Kommentare bitten und Feedback bekommen kann. In dem Moment, wo man die Teilnehmer aus der passiven Konsumentenrolle herauslösen kann und sie in diese Gruppenarbeit bekommt, fängt das Lernen erst an. Frage 3: Und wie hat die Gruppenarbeit in Ihrem MOOC tatsächlich funktioniert? Wir waren davon ausgegangen, dass die MOOC-Teilnehmer sich in den verschiedenen Städten, wo sie jeweils wohnen, zusammenschließen würden. Wir hatten verschiedene Tools angeboten, z. B. Karten, auf denen sie sich finden konnten. Wir hatten auch mit Partnern gesprochen, die dann Büros zur Verfügung gestellt hätten. Wir haben

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herausgefunden, dass die allerwenigsten MOOC-Teilnehmer diese Angebote wahrgenommen haben. Die positive Nachricht ist, dass viele dieser Gruppen virtuell hervorragend zusammengearbeitet haben. Mein Lieblingsbeispiel ist eine Gruppe, die sich den Namen gegeben hat: „Seven women, seven time zones“. Das zeigt ein bisschen, wie sie sich über die Welt aufgeteilt haben. Und obwohl natürlich viele Herausforderungen dabei sind, über solche virtuellen Teams zusammenzuarbeiten, hat sich gezeigt, dass es gerade diese multikulturelle Komponente der MOOCs ist, die die Teilnehmer sehr stark motiviert und mitzieht durch den ganzen Kurs. Es gibt natürlich immer Kursabbrecher, das kann man nicht vermeiden. Aber wir sind sehr zufrieden mit den Teilnehmern, die die Kurse abschließen. Das sind so immer um die 100 Teilnehmer. Und bei denen merken wir, dass sowohl die Zusammenarbeit der Gruppen untereinander, aber auch das Lernen der Gruppen voneinander ein ganz wesentlicher Bestandteil unseres MOOCs ist. Und wir hoffen, dass in der Zukunft Plattformen wie Coursera dazu mehr Tools anbieten werden, die diese Zusammenarbeit auch einfacher machen werden. Im Moment ist es doch so, dass die meisten MOOCs immer noch darauf angelegt sind, dass man sich Videos anguckt und Quiz macht. Gruppenarbeit kann daher in zukünftigen MOOCs eine größere Rolle spielen, um eine kollaborative Lernumgebung und damit soziales Lernen und Interaktion zwischen Lernenden zu unterstützen [53]. Lehrende und Plattformanbieter müssen aber Wege finden, dieses soziale Lernen auch zu fördern: Plattformen sollten zukünftig Werkzeuge bereitstellen, um Gruppenarbeit einfach zu ermöglichen. Lehrende müssen Wege finden, um Lernende bei der Bildung virtueller Gruppen zu unterstützen und Anleitungen mit auf den Weg geben, wie eine erfolgreiche virtuelle Gruppenarbeit auch gelingen kann. Eine weitere Möglichkeit, um das Engagement von Lernenden in MOOCs zu fördern, ist die Verwendung von Gamification. So könnten Lernende bei regelmäßiger Teilnahme oder Erreichen bestimmter Teilziele ein virtuelles Geschenk bekommen oder Punkte sammeln, die sich in der realen Welt (z. B. für Lernmaterialien, Software) eintauschen lassen [8]. Weiterhin kann durch Learning Analytics in Zukunft eine stärkere Personalisierung von Lerninhalten erfolgen, sodass jeder tatsächlich das lernen kann, was zu seinem Vorwissen und seinem Lerntempo passt [15].

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Teil IV Forschung im Zeitalter der Digitalisierung

Skalierung von Plattformen in der disruptiven Digitalisierung der Forschung

16

Markus von der Heyde, Gunnar Auth, Andreas Hartmann und Christian Erfurth

Zusammenfassung

Digitale Werkzeuge sind für den Forschungsprozess an Hochschulen längst unverzichtbar. Die Integration von Werkzeugen in Plattformen, die global im Internet einen vernetzten Forschungsprozess erlauben, zeichnet die Entwicklung nach, die seit Jahren als disruptive Digitalisierung in der Wirtschaft beobachtet wird. Welche Rolle spielen digitale Plattformen und darauf basierende Ökosysteme für die disruptive Digitalisierung der akademischen Forschung? Sind die typischen, in der Wirtschaft beobachteten Faktoren der Skalierung in der akademischen Forschung ebenfalls sichtbar? Anhand aktueller Daten in der Verwendung von Forschungsdatenrepositorien wird analysiert, ob eine Monopolisierung bereits heute sichtbar ist, und ob eine damit eintretende Verlagerung der Steuerung bevorsteht. Den untersuchten Plattformen fehlen heute noch die Prozesse zur Planung und Abbildung der Finanzierung. Kommen diese hinzu, wird eine disruptive Digitalisierung der akademischen Forschung immer wahrscheinlicher.

M. von der Heyde (*) vdH-IT, Weimar, Deutschland E-Mail: [email protected] G. Auth Hochschule Meißen (FH) und Fortbildungszentrum, Meißen, Deutschland E-Mail: [email protected] A. Hartmann Hochschule für Telekommunikation, Leipzig, Deutschland E-Mail: [email protected] C. Erfurth Ernst-Abbe-Hochschule, Jena, Deutschland E-Mail: [email protected] # Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 T. Barton et al. (Hrsg.), Hochschulen in Zeiten der Digitalisierung, Angewandte Wirtschaftsinformatik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26618-9_16

267

268

M. von der Heyde et al.

Schlüsselwörter

Disruptive Digitalisierung · akademische Forschung · Forschungsprozess · Forschungsdaten · Plattformökonomie

16.1

Einleitung

Digitale Werkzeuge unterstützen den Forschungsprozess an Hochschulen in einem immer stärkeren Ausmaß – teilweise sind sie längst unverzichtbar, wie z. B. Suchmaschinen für wissenschaftliche Literatur. Begriffsschöpfungen wie E-Science (bspw. [1]) oder Cyberscience (bspw. [2]) verdeutlichen diesen Wandel bereits seit einigen Jahren. Ein tatsächlicher Paradigmenwechsel im Sinne der disruptiven Digitalisierung ist bisher – zumindest in Deutschland – noch nicht in der akademischen Forschung an Hochschulen zu verzeichnen. Erkennbar ist aber bereits, dass digitalen Plattformen in unterschiedlichen Ausprägungen, wie Forschungsdatenrepositorien (bspw. Bach digital), Wissenschaftsclouds (bspw. European Open Science Cloud), Forschungsinformationssysteme (bspw. der TU Dresden) oder soziale Netzwerke (bspw. ResearchGate), eine immer größere Bedeutung zukommt. Ähnlich wie digitale Plattformen in der Wirtschaft durch datenbasierte Services ihren Nutzern einen attraktiven Mehrwert bieten, etwa Produktbewertungen durch andere Nutzer, eröffnen spezielle Plattformen für die Unterstützung von Forschungsaktivitäten neue Möglichkeiten für eine immer stärker datengetriebene Forschung [3]. Nach Stratmann durchdringt der „digitale Imperativ als neue Forschungskultur bei Datengenerierung, Speicherung und intelligenter Analyse“ [4] alle Disziplinen, da er methodische Zugänge eröffnet. Die steigende Verbreitung und Bedeutung von neuen digitalen Plattformen in der Forschung [5] legt nahe, dass dadurch die Digitalisierung in der Forschung ähnlich disruptiv verändert werden könnte wie bereits in vielen Bereichen der Wirtschaft. Neben neuen technischen und methodischen Möglichkeiten müssen jedoch andererseits die Risiken betrachtet werden. Durch ihre Verwendbarkeit als Kontrollinstrument für den Zugang zu Forschungsdaten ermöglichen digitale Plattformen auch in der Forschung ihren Besitzern einen weitreichenden Einfluss. Damit lassen sich wiederum gewinnorientierte Geschäftsmodelle realisieren, die auf datenbasierten Dienstleistungen für die Forschung gründen und auf eine Monetarisierung wissenschaftlicher Wertschöpfung abzielen. Die aktuelle Diskussion um den „Datenkapitalismus“ der großen Wissenschaftsverlage (bspw. [6]) zeigt nur allzu deutlich, wie bedrohlich sich eine disruptive Digitalisierung mit dem Aufkommen geschlossener, plattformbasierter Ökosysteme für die Freiheit der Forschung entwickeln könnte. Wenn man die beobachtete Skalierung auf die akademische Forschung überträgt, lässt sich ein dystopisches Zukunftsszenario beschreiben, in dem letztlich die Steuerung dieses Kernprozesses aus den Hochschulen nach außen verschoben wird. Ihnen droht somit ein Kontrollverlust, da neue Geschäftsmodelle externer Akteure eine innovative und attraktive Alternative zur klassischen Forschungsfinanzierung eröffnen.

16

Skalierung von Plattformen in der disruptiven Digitalisierung der Forschung

269

Vor diesem Hintergrund wird im vorliegenden Kapitel die Rolle digitaler Plattformen und darauf basierender Ökosysteme für die disruptive Digitalisierung der akademischen Forschung analysiert. Dabei werden die folgenden Leitfragen zugrunde gelegt: 1. Welche Rolle kommt digitalen Plattformen und Ökosystemen für die disruptive Digitalisierung der akademischen Forschung zu? 2. Welche Faktoren beeinflussen die Skalierung digitaler Plattformen in der Forschung? 3. Was sind die Implikationen, die sich für die Digitalisierung der akademischen Forschung an Hochschulen ergeben? Zur Beantwortung dieser Fragen werden im nächsten Abschnitt zunächst relevante Grundbegriffe auf Basis der aktuellen Literatur dargestellt. Im Mittelpunkt stehen dabei die Faktoren der Skalierung digitaler Plattformen in der Forschung. Durch die Analyse einer 2018 in der Schweiz durchgeführten nationalen Umfrage zur Verwendung von Repositorien für Forschungsdaten, zu welcher rund 2500 Wissenschaftler beigetragen haben, werden die abgeleiteten generellen Faktoren auf die Situation der akademischen Forschung an Hochschulen übertragen. Es wird hinterfragt, ob eine Monopolisierung und die damit einhergehende zerstörerische Wirkung der digitalen Plattformen bereits heute in der Forschung zu beobachten ist. Der Beitrag schließt mit einer Zusammenfassung und Einordnung der Ergebnisse in ein fiktives Szenario, bei dem die disruptive Digitalisierung bereits eingetreten ist.

16.2

Plattformbasierte Wertschöpfung in der Informations- und Kommunikationstechnologie

Die Bedeutungen des Begriffs Plattform unterscheiden sich nach Fachgebiet. Während in der Architektur eine ebene Fläche oder stabile Grundlage für den Aufbau weiterer Strukturelemente gemeint ist, bezeichnet er in der Kommunikation eine organisatorische Struktur zum Informationsaustausch verschiedener Partner. In der (Wirtschafts-)Informatik fügt sich der Plattformbegriff in die Architekturmetapher ein. Mit dieser werden IT-Systeme als Bauwerke interpretiert, die eine Architektur aufweisen [7]. In diesem Sinne sind Plattformen in der IT als Architekturelemente zu verstehen, die eine einheitliche Grundlage für die Entwicklung und Ausführung darauf aufbauender IT-Komponenten bilden. Sie lassen sich grundsätzlich in Hard- und Softwareplattformen unterscheiden. Ein Beispiel für eine bekannte Hardwareplattform ist die Prozessorarchitektur für Desktop-PC „Sandy Bridge“ (Core i) des Herstellers Intel. In ähnlicher Weise wird eine Softwareplattform durch ein Softwaresystem gebildet, das anderen Softwaresystemen bestimmte Funktionen über eine Programmierschnittstelle (Application Programming Interface, API) bereitstellt [8]. Prominente Beispiele sind PC-Betriebssysteme wie Microsoft Windows oder Apple MacOS. Die heute als digitale Plattformen bezeichneten Softwareplattformen wären ihrerseits nicht ohne eine noch grundlegendere Plattform denkbar, nämlich das Internet. An diesem

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Beispiel wird zudem deutlich, dass IT-Plattformen und somit auch digitale Plattformen aus einer Kombination von Hard- und Softwarekomponenten bestehen können. Kenney und Zysman [9] benennen als Kernmerkmal digitaler Plattformen, dass diese eine Menge von Techniken, Technologien und Schnittstellen für einen vielfältigen Nutzerkreis bereitstellen, sodass Nutzer damit eigene Entwicklungen nach ihren Vorstellungen realisieren können (bspw. die Smartphonebetriebssysteme Android und iOS). Digitale Plattformen lassen sich nach ihrem Hauptverwendungszweck in Kategorien einteilen [9]: 4. Plattformen für Plattformen (bspw. Cloudplattformen wie Amazon Web Services oder Microsoft Azure), 5. Plattformen, die digitale Werkzeuge bereitstellen (bspw. GitHub), 6. Arbeitsvermittlungsplattformen (bspw. Monster oder Amazon Mechanical Turk), 7. Einzelhandelsplattformen (bspw. eBay oder Etsy) und 8. sonstige Dienstleistungsplattformen (wie Airbnb oder Uber). Eng verknüpft mit dem Begriff der digitalen Plattform ist der Begriff des digitalen Ökosystems. Als Fachbegriff aus der Biologie bezeichnet Ökosystem eine Lebensgemeinschaft verschiedenartiger Organismen und deren Lebensraum. In der IT verstehen wir darunter eine Menge von IT-Komponenten inklusive deren Hersteller, die Aktivitäten und Transaktionen zwischen Akteuren ermöglichen, unterstützen und automatisieren, welche wiederum zu einem sozialen oder geschäftlichen Ökosystem gehören (vgl. [10]). Im Mittelpunkt digitaler Ökosysteme stehen häufig digitale Plattformen wie bspw. beim Apple-Ökosystem rund um iOS und dem darauf basierenden App-Store. In der digitalen Plattform ist die Vernetzung von Information (Daten, Personen, Prozessen) Kern einer neuartigen Wertschöpfung. Diese wird direkt durch die Nutzung der Plattform in verschiedenen Rollen erzielt. Ohne die digitale Plattform wäre der Mehrwert in der gleichen Weise (z. B. zeitlich, örtlich, Beteiligung von Personen) nicht erzielbar.

16.2.1 Digitale Plattformen in der Forschung Es existiert eine Fülle von einzelnen Werkzeugen [11], die mehr oder weniger umfassend den Forschungsprozess digital im Internet abbilden und so zum Teil den Charakter einer Plattform erreichen. Der Rat für Informationsinfrastrukturen hat seit den initialen Empfehlungen [12] den Begriff der „Nationalen Forschungsdateninfrastruktur“ (NFDI) immer weiter in Richtung einer übergreifenden Plattform konkretisiert, sowohl im Sinne der Kommunikation als auch der technisch erforderlichen Infrastrukturen. „Der stufenweise Aufbau einer Nationalen Forschungsdateninfrastruktur in Netzwerkform hat das Ziel, ein verlässliches und nachhaltiges Dienste-Portfolio zu schaffen, welches generische und fachspezifische Bedarfe des Forschungsdatenmanagements in Deutschland abdeckt“ [13]. Die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) von Bund und Ländern hat Ende 2018 die

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Skalierung von Plattformen in der disruptiven Digitalisierung der Forschung

271

Förderung der NFDI zunächst für 10 Jahre jährlich mit bis zu 85 Mio. EUR beschlossen [14]. Dies steht im Einklang mit anderen Forschungseinrichtungen, z. B. der Helmholtz-Gemeinschaft, welche mit einer jährlichen Investition von 35 Mio. EUR „vier neuartige Plattformen zur Digitalisierung der Forschung“ schaffen möchte [15]. Den obigen Plattformbeispielen ist gemein, dass sie alle von der Wissenschaftscommunity selbst und mit öffentlicher Finanzierung ausgestaltet und realisiert wurden. Im Unterschied dazu sind seit etwa der Mitte der 2000er-Jahre nach dem Muster sozialer Netzwerke (SN), wie bspw. Facebook, neuartige kommerzielle Plattformen entstanden, die sich explizit auf die Vernetzung von Wissenschaftlern konzentrieren [16]. Zu den bekanntesten Vertretern zählen heute ResearchGate, Mendeley und Academia.edu. Neben typischen Funktionalitäten von SN wie dem Anlegen eines Mitgliedsprofils und dem Vernetzen mit anderen Mitgliedern bieten die akademischen SN zusätzlich die Möglichkeit, eigene Publikationen mit bibliografischen Daten zu dokumentieren sowie auch die zugehörigen Volltexte zu hinterlegen. In jüngerer Zeit wird auch verstärkt für das Einstellen von Vorveröffentlichungen (Preprints) und Forschungsdaten geworben. Weitere Funktionalitäten zielen auf eine Bewertung von Publikationen durch Empfehlungen sowie Aggregation von Reputationskennzahlen bzw. Zitierhäufigkeit etc. Bei aller Heterogenität der angebotenen Funktionalitäten sehen Nentwich und König [16] zwei Kernfunktionen, die bei allen akademischen SN als Kernelement der Vernetzung vorhanden sind: Identity Management und Kontaktmanagement. Im Unterschied zu öffentlich finanzierten Plattformen stehen hinter den akademischen SN gewinnorientierte Unternehmen, die ein bestimmtes, häufig intransparentes Geschäftsmodell verfolgen. Mitgliedsgebühren werden gar nicht (ResearchGate) oder nur für bestimmte Funktionen (academia.edu) verlangt. Zusätzlich erkennbare Einkommensquellen sind Stellenanzeigen oder institutionelle Profile. Inwieweit die dem SN überlassenen Daten ggf. weiter kommerziell verwertet werden, ist für den Benutzer von außen kaum nachvollziehbar. Nichtsdestotrotz erfreuen sich insbesondere die drei genannten SN steigender Beliebtheit und sind daher für eine Untersuchung von Skalierungsfaktoren von großem Interesse. Der Schweizerische Nationalfond hat im Sommer 2018 eine Studie ausgeschrieben [17], bei der die Landschaft der zur Ablage von Forschungsdaten genutzten Repositorien und deren Kostenstrukturen analysiert werden sollten. Die im Zuge dieser Studie durchgeführten Umfragen werden in diesem Beitrag erneut analysiert, um zu den in der Einleitung formulierten Fragestellungen konkrete Antworten zu finden. Dabei schränkt sich der Blickwinkel auf Plattformen für Forschungsdaten ein, was im Hinblick auf die aktuell sichtbare Aufmerksamkeit des Themas gerechtfertigt erscheint.

16.3

Faktoren der Skalierung

Plattformbasierte Geschäftsmodelle (bspw. von Amazon oder Apple) sind in den letzten Jahren so erfolgreich geworden, dass sie althergebrachte Wettbewerber ohne Plattformen beinahe völlig verdrängt haben. Entscheidend sind dabei positive Netzeffekte, die mit

272

M. von der Heyde et al.

steigenden Nutzerzahlen immer weiter zunehmen [18]. Grob vereinfacht lässt sich sagen, je mehr Nutzer eine Plattform hat, umso attraktiver wird sie für weitere Nutzer. In der Konkurrenz mit anderen Plattformen steigen damit die Erfolgsaussichten, wenn es gelingt, in möglichst kurzer Zeit möglichst viele Nutzer für die Plattform zu gewinnen und die mit diesem Wachstum einhergehenden technischen und organisatorischen Herausforderungen bei der Skalierung möglichst gut zu bewältigen. In [19] hatten die Autoren sieben Faktoren, die bei einer externen Betrachtung der Skalierung von digitalen Plattformen am Markt zu beobachten sind, beschrieben. Die Faktoren lassen sich unter Berücksichtigung der Literatur zu digitalen Plattformen und dem Begriff des Ökosystems in der Beschreibung der Systemtheorie neu gruppieren (Abb. 16.1).

Abb. 16.1 Zuordnung der sieben Faktoren zu den Perspektiven des Geschäftsmodells, des Marktes und der Organisation. Die Faktoren mit den doppelseitigen Pfeilen wirken bidirektional und damit selbstverstärkend für das System

16

Skalierung von Plattformen in der disruptiven Digitalisierung der Forschung

273

Auf das Geschäftsmodell bezogene Faktoren • Vernetzung („connectedness“): kann als zwei Perspektiven der gleichen Eigenschaft gesehen werden: – Gemeinsamkeit („shared interest“): Personen mit gleichen Interessen benutzen die gleiche Plattform (GitHub, Wikipedia, YouTube, ...). – Vermittlerrolle („broker“): Zweck der Plattform ist, dass eine Leistung vermittelt wird. • Vertrauenswürdigkeit („rating/credibility“): Bewertungssysteme dienen dem Aufbau von Vertrauen zwischen Anbieter und Abnehmer. • Private Mittel („private resources“): Vermischung der Rollen, indem Privatpersonen unter Verwendung persönlicher Ressourcen (bspw. Informationen, Kompetenzen, Gegenstände) zu Anbietern in einem Geschäftsmodell werden. Marktbezogene Faktoren • Offenheit („openness“): Kerneigenschaft der Shared Economy. • globales Angebot („global“): Resultat der Offenheit, wenn keine Barrieren (z. B. Sprache) existieren. Organisationsbezogene Faktoren • gemeinsamer rechtlicher Kontext („legal context“): Bündelung aller Nutzer der Plattform in einem rechtlichen Rahmen. • Bezahlung („billing“): Abwicklung der Zahlung in der Plattform und damit die Möglichkeit zur Gewinnbeteiligung der Plattform am Geschäft.

Alle sieben Faktoren beschreiben Eigenschaften, die von außerhalb der digitalen Plattform beobachtet werden können. Im Gegensatz dazu stehen Eigenschaften, die – z. B. im Fall der Forschung an Hochschulen und Universitäten – die internen Prozesse beschreiben.

16.3.1 Der Forschungsprozess als Wertschöpfungskette Für die akademische Forschung sind interne Prozesse zu identifizieren, für welche die Nutzung einer digitalen Plattform wertschöpfend ist. Wenn die Nutzer sowohl Forschungsprozesse auf einer Plattform wiederfinden als auch die oben genannten Faktoren beobachtet werden können, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit für eine disruptive Veränderung. Eine eindeutige und umfassende Definition des Forschungsprozesses an deutschen Hochschulen existiert vermutlich nicht. Ein akademischer Ansatz wird bspw. in den Sozialwissenschaften formuliert (vgl. [20]). Andere Ansätze beschäftigen sich mit der Digitalisierung, legen den Schwerpunkt jedoch auf das digitale Lehren und Lernen

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(vgl. [21]). Ebenso erfolglos bleibt die Suche nach einem konkreten Prozessmodell als Teil einer Enterprise Architecture, wie es in vielen Branchen der Industrie vorliegt. Das Higher Education Business Reference Model von CAUDIT [22] wurde im Kontext der australischen Hochschulen entworfen und bietet eine abstrahierte, jedoch umfassende Sicht auf die gesamte Hochschule. Neben der unterstützenden Verwaltung werden die beiden akademischen Kernaktivitäten modelliert: Lehre und Forschung. CAUDIT setzt hierbei auf eine Form des Wertstroms bzw. der Wertschöpfungskette, welche auf der obersten Ebene die allgemeinen Aufgaben der Forschung abstrahiert (siehe Abb. 16.2). Hilfreich können darüber hinaus die Übergänge zwischen den Prozessen im Sinne einer Vernetzung („connectedness“) sein. Wird beispielsweise unter dem Prozess Conduct noch das Forschungsprojekt unterstützt, so liegt der Fokus bei Impact auf den Forschungsergebnissen und deren Veröffentlichung. Für den Forscher kann daher eine digitale Plattform vorteilhaft sein, welche den gesamten Wertstrom nahtlos abbildet und entsprechend die einzelnen Prozesse verbindet. Die aktuellen Plattformen (insbesondere Open-Access-Plattformen) bilden primär die Ebene der Publikationen ab. Die zunehmende Erweiterung auf die Publikation von Forschungsdaten bezieht das Research Improvement mit ein. Das Forschungsdatenmanagement wird durch das Data Continuum Model [23] und das DCC Curation Lifecycle Model [24] beschrieben. Sie unterscheiden sich hinsichtlich der Granularität in der Abbildung des Forschungsprozesses, der letztlich zu den Daten führt. Gemeinsam mit der Anwendung der FAIR-Prinzipien [25] kann man diesen Zusammenhang wie in Abb. 16.3 darstellen.

Abb. 16.2 Wertschöpfungskette in der Forschung. Bisher sind nur die Abschnitte Conduct und Impact in Plattformen realisiert

Abb. 16.3 Zusammenhänge im Research Data Management: Die Visualisierung von Stettler und Hellstern [26] wurde um die Zuordnung der FAIR-Prinzipien zu den Prozessschritten aus den anderen Modellen des DCC Curation Lifecycle Models und dem Data Continuum Model erweitert

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Skalierung von Plattformen in der disruptiven Digitalisierung der Forschung

275

Da Repositorien als ein allgemein anerkanntes Werkzeug zur digitalen Ablage von Forschungsergebnissen angesehen werden [27], liegt es nahe, die Faktoren der Skalierung für diese Spezialform digitaler Plattformen zu untersuchen.

16.4

Skalierungsfaktoren bei Forschungsplattformen

Gibt es schon jetzt Hinweise für die anstehende (potenziell disruptive) Digitalisierung der Forschung? Um diese Frage zu beantworten, wurden die im Kontext der Schweizer Studie „Open Research Data: Landscape and cost analysis of data repositories currently used by the Swiss research community, and requirements for the future“ [32] erhobenen Daten [28, 29] für diesen Beitrag erneut ausgewertet.

16.4.1 Monopolisierung und Geschäftsmodell Eine Monopolbildung wäre z. B. durch eine de facto erfolgte Standardisierung von proprietären Schnittstellen oder eine weit überdurchschnittliche Verwendung einer Plattform durch die Nutzer sichtbar. Tatsächlich ist die Bekanntheit von Repositorien bzw. von in der Wissenschaft verwendeten Plattformen, die mit Repositorien in direktem Zusammenhang stehen, recht heterogen [30]. Von einer Dominanz oder einem Monopol kann zum aktuellen Zeitpunkt nicht gesprochen werden (siehe Abb. 16.4). Nur ein Drittel der Forscher teilt überhaupt Daten in Repositorien [32].

Abb. 16.4 Bekanntheit von typischen Plattformen, die in Verbindung mit Open Data Repositorien gesehen werden können. Die Frage nach bekannten Plattformen wurde von 1493 der 1545 (¼ 97 %) Teilnehmer des Landscape Survey [28] beantwortet

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Abb. 16.5 Nutzung der Services von ResearchGate durch 1354 Nutzer im Landscape Survey [28]

Auf diesen Plattformen sind Forschende vernetzt und stellen ihre Daten zur Wiederverwendung und Vernetzung zur Verfügung („shared interest“). Allgemein sind Geschäftsmodelle zur Vermittlung („broker“) noch nicht klar erkennbar (Abb. 16.5). Als Ansätze für Geschäftsmodelle wurden im Rahmen des Repository Survey [31] von einzelnen Repositorien folgende Alleinstellungsmerkmale genannt: • „Our niche is to facilitate the secondary use of sensitive individual level human data.” • „Data verification for journals to support and enforce data policies.” • „Citation counts, SaaS offering, grant linking, file previews” Die übergreifende Vernetzung von Datenbeständen steht im Zentrum des EUDAT Projekts,1 welches aber aktuell weder besonders bekannt (Abb. 16.4) noch vernetzt ist (Abb. 16.6). Bewertungssysteme in der Wissenschaft werden oftmals aus der Häufigkeit der Zitate eines Artikels („citation impact“) abgeleitet. Alternative Bewertungssysteme, z. B. Altmetrics2 bewerten nicht nur das Zitat, sondern die Interaktion mit Publikationen im Internet (Links, gelesene Artikel, empfohlene Artikel und Likes als Äquivalent der gegenseitigen Bewertungen in sozialen Netzen). Solche Bibliometrics können als allgemeine Form der gegenseitigen Bewertung oder der wissenschaftlichen Reputation angesehen werden („rating/credibility“). Die im Landscape Survey [28] untersuchte Nutzung von Plattformen zeigt, dass verschiedene Bewertungssysteme (h-Index bei Google Scholar, h-Index bei ResearchGate) untereinander in Konkurrenz stehen. ResearchGate bezieht z. B. in die Relevanz des einzelnen Forschers seine Aktivität innerhalb der Plattform (u. a. bei Fragen & Antworten) zur Berechnung des RG-Scores mit ein. Im Landscape Survey wurden die Forscher nach ihrem bibliometrischen Index befragt und gaben in verschiedener Häufigkeit ihre Präferenz an. Dabei zeigte sich, dass die beiden oben genannten 1 2

Siehe https://www.eudat.eu/. Siehe https://en.wikipedia.org/wiki/Altmetrics.

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Skalierung von Plattformen in der disruptiven Digitalisierung der Forschung

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Abb. 16.6 Verlinkte Plattformen in der Repository-Studie [31]. Am häufigsten werden re3data und GitHub von den 209 internationalen Data-Repositorien verlinkt. EUDAT ist mit weniger als 10 % Verlinkung noch weit abgeschlagen

Plattformen gemeinsam mehr als 80 % aller bibliometrischen Indexzahlen abdecken. Die dritthäufigste Variante des h-Index (vom Web of Science) wird nur von rund 10 % der Forscher genutzt bzw. in der Studie als Referenz angegeben (siehe Abb. 16.7). Der Einsatz von privaten Ressourcen („private resources“) ist im Forschungsumfeld ambivalent zu betrachten. Einerseits kann davon ausgegangen werden, dass ein Großteil der Forschungsleistung durch öffentliche Gelder finanziert wird (siehe Abb. 16.8). Zusätzlich überschneidet sich die Individualförderung von einzelnen Wissenschaftlern bzw. den in der Ausbildung befindlichen Studierenden erheblich mit öffentlich geförderten bzw. gesteuerten Mitteln (siehe Abschn. 3.6 in [33]). Andererseits setzen Studierende insbesondere in der Phase der Promotion in einem erheblichen Maße private Zeit und Ressourcen zur Forschung ein.

16.4.2 Faktoren des Marktes Die breit akzeptierte Forderung zur Einhaltung der FAIR-Prinzipien [25] unterstützt die Implementierung von offenen Schnittstellen und die Einhaltung von XML-basierten Standardprotokollen zum Austausch der Daten. Die hier geforderte Offenheit („openness“) ist einerseits ein Faktor, der die disruptive Digitalisierung begünstigt, aber gleichzeitig auch

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Abb. 16.7 Verbreitung der bibliometrischen Indizes als Varianten zum h-Index. ResearchGate und Google Scholar sind die beiden dominant genutzten Systeme

Abb. 16.8 Die aktuelle Finanzierung der Repositorien in der Studie. Insgesamt stammen rund 80 % der finanziellen Mittel aus dem öffentlichen Bereich bzw. direkt aus dem Hochschulsektor. Eine leichte Tendenz ist darin zu beobachten, dass in der zweiten Projektphase der Anteil der öffentlich finanzierten Projekte zulasten der anderen primären Finanzquellen zunimmt

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Skalierung von Plattformen in der disruptiven Digitalisierung der Forschung

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Abb. 16.9 Anteil unterstützter Sprachen bei 2196 Repositorien aus re3data in der Analyse des Datenbestands von www.re3data.org vom 2. Oktober 2018

der Garant dafür, dass sich eine Vielzahl von Systemen der Schnittstellen bedienen kann und eine Monopolisierung unterbleibt. Die globale Verfügbarkeit von Repositorien kann als gegeben angenommen werden („global“). Dies ist zum einen durch die klare Dominanz der englischen Sprache als gemeinsamer Zugang zu Repositorien und Artikeln sichtbar (siehe Abb. 16.9). Zum anderen ist die internationale Nutzung von Repositorien im Landscape Survey klar dokumentiert (siehe Abschn. 5.2 in [32]). Von den über 130 in der Schweiz nachweislich genutzten Repositorien stehen nur 25 % mit Schweizer Institutionen direkt in Verbindung. Anders gesagt, drei Viertel des Bedarfs werden durch internationale Repositorien gedeckt.

16.4.3 Faktoren der Organisation Der juristische Kontext der untersuchten Repositorien („legal context“) wurde von diesen meist auf den Webseiten unter Überschriften wie „Terms of use“ publiziert. Es haben sich dabei noch keine Bezeichnungen als dominant herausgebildet; vielmehr bezeichnen die Betreiber die Bedingungen eher nach eigenem Gusto („other“). Neben den dann oft als Copyrights bezeichneten Bedingungen sind Creative-Commons (CC)-Lizenzen die am häufigsten genannten (siehe Abb. 16.10). Da die Bedingungen der Copyrights im Einzelnen nicht analysiert wurden, kann eine kommerzielle Nutzung des Marktes nicht ausgeschlossen werden; selbst wenn wirksame Copyrightbedingungen in der Minderheit wären, würde eine Nutzung durch einen großen Monopolisten nicht ausgeschlossen sein. Die Abwicklung von finanziellen Transaktionen („billing“) ist zurzeit eher eine Randerscheinung in Repositorien. Aus den Ergebnissen des Repository Survey [31] lassen sich

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Abb. 16.10 Nutzung eines spezifischen rechtlichen Kontextes auf re3data. Die Mehrheit der 2196 Repositorien hat eine unkategorisierte Option der Zugriffslizenzen angegeben („other“). Copyright und CC-Lizenzen dominieren in der Verwendung bei den Repositorien, wenn eine Option ausgewählt wurde

dazu zwei zentrale Aussagen ableiten: Nur rund 12 % (10 von 82) Repositorien stimmten der Aussage zu, dass Einnahmen mit Services der Datenrepositorien generiert werden, wobei nur 2 % (2 von 87) sich überwiegend durch diese Einnahmen finanzieren (vgl. Abb. 43 in [32]).

16.4.4 Zusammenfassung Um den aktuell beobachteten Stand der Digitalisierung in Bezug auf Repositorien zu bewerten, ist dieser zusammen mit dem jeweiligen Beitrag zu einer potenziellen disruptiven Digitalisierung der Forschung in der Tab. 16.1 zusammengefasst. Aus der Tab. 16.1 lassen sich folgende generelle Ergebnisse zusammenfassen: 9. Grundsätzlich sind einige der Faktoren voll erfüllt und bieten daher eine förderliche Ausgangslage, um digitalisierte Forschungsleistungen durch Plattformen stärker auch in einem Geschäftsmodell unterstützen zu können. 10. Ein Monopol ist bisher nicht zu beobachten und steht kurzfristig nicht in Aussicht. Gerade das Gegenteil ist für Repositorien zu beobachten, die sich in den letzten Jahren stark disziplinenspezifisch diversifiziert haben. 11. Die beiden direkt mit einem Geschäftsmodell verbundenen Faktoren („billing“ und „broker“) sind bisher die am schwächsten ausgeprägten Faktoren im Kontext der Repositorien zur Ablage der Forschungsdaten. Gleichzeitig kann erwartet werden, dass diese, da sie themenunspezifisch implementiert werden, schnell für jede Plattform hinzugefügt werden könnten.

16

Skalierung von Plattformen in der disruptiven Digitalisierung der Forschung

281

Tab. 16.1 Beobachteter Stand der Digitalisierung von Repositorien in Bezug auf deren potenziellen Beitrag zu einer disruptiven Digitalisierung der Forschung Faktor in der Skalierung von digitalen Forschungsplattformen bzw. Repositorien Vernetzung („connectedness“)

Gemeinsamkeit („shared interest“)

Vermittlerrolle („broker“)

Bewertungssystem („rating/credibility“)

Private Mittel („private resources“)

Offenheit („openness“)

Globales Angebot („global“) Gemeinsamer rechtlicher Kontext („legal context“)

Beobachteter aktueller Stand in Bezug auf [28, 29, 32] Teilweise erfüllt. Die Vernetzung von Daten wird durch Metadata-Standards unterstützt. Diese finden aber nur zum Teil Anwendung Teilweise erfüllt. Nur ein Drittel der Forscher teilen Daten in Repositorien. Keine Plattform hat bisher eine Dominanz. Die bekannteste, nicht disziplinenspezifische, ist ResearchGate Teilweise erfüllt. Für die untersuchten Plattformen wird die Vermittlung von Leistungen noch nicht wahrgenommen

Weitgehend erfüllt. Rund 80 % der Forscher haben in einem der beiden dominanten Systeme ihre Reputation (h-Index) Teilweise erfüllt. Der Forscher als Individualist setzt eigene Zeit und Ideen ein. Finanzierung aber überwiegend durch öffentliche Gelder Voll erfüllt. Zugang oftmals durch Authentifizierungs- und Autorisierungsmechanismen geschützt

Voll erfüllt. Internationalität ist Standard Teilweise erfüllt. Nutzungsbedingungen erscheinen heterogen. Spezielle Copyright- und CC-Lizenzen sind vorherrschend

Beitrag zu einer potenziellen disruptiven Digitalisierung der Forschung Die Vernetzung von Ergebnissen mit den zugrunde liegenden Daten ist Kernthema der FAIR-Kriterien und damit ein direkter Beitrag für die maschinelle Nutzung Eine kritische Masse und Fokussierung auf eine Plattform ist bisher nicht zu erkennen. Durch eine extreme Vielfalt der Plattformen für Spezialaufgaben ist diese nur themenunspezifisch zu erwarten Vermittlung von Forschungsaufträgen könnte einen Marktplatz bilden. Stellenanzeigen bei ResearchGate sowie potenzielles Crowdfunding oder Sciencestarter bilden erste Ansätze Könnte bei der Bewertung von Forschungsanträgen und/oder der Vergabe von Aufträgen ein weiteres Kriterium werden Eigene Infrastruktur (aus vorherigen Finanzierungen) könnte für spezifische Forschungsaufgaben eingebracht werden Ergebnisse sind eventuell eine Alleinstellung für den Forschenden oder gehören dem Auftraggeber – Risiko des teilweisen Verlustes der Offenheit Muss erfüllt bleiben Solange Copyright und CC dominieren, ist wirtschaftliche Nutzung sekundär

(Fortsetzung)

282

M. von der Heyde et al.

Tab. 16.1 (Fortsetzung) Faktor in der Skalierung von digitalen Forschungsplattformen bzw. Beobachteter aktueller Stand in Repositorien Bezug auf [28, 29, 32] Bezahlung („billing“) Nicht erfüllt. Nur wenige Plattformen haben Wege für Bezahlung bzw. ein Geschäftsmodell etabliert

Beitrag zu einer potenziellen disruptiven Digitalisierung der Forschung Ist Voraussetzung für funktionierenden Marktplatz

12. Ein Risiko besteht in der freien Verwendung von Forschungsergebnissen, die durch ungünstige vertragliche Konstellationen künftig stark eingeschränkt werden könnte.

16.5

Fazit

Die Voraussetzungen für eine disruptive Veränderung der Forschung sind dem Grunde nach gegeben. Aktuell scheint jedoch keine akute „Gefahr“ zu bestehen. Der empirische Nachweis für eine disruptive Digitalisierung der Forschung konnte noch nicht erbracht werden. Allerdings sind die fehlenden Faktoren für ein Geschäftsmodell mit disruptiver Wirkung – die Vermittlerrolle gekoppelt mit einer Möglichkeit der finanziellen Transaktion – schnell etabliert. Es handelt sich um verfügbare Standardfunktionalitäten in kommerziellen Plattformen. Inwieweit eine Plattform den Forschungsprozess z. B. nach dem CAUDIT-Modell [22] vollständig abdecken muss, damit die Faktoren sich disruptiv entfalten können und eine Skalierung eintritt, bleibt für den Moment unklar. Bei kommerziellen Plattformen wird insbesondere die Vermittlung einer Leistung in das Zentrum gestellt. Übertragen auf die Forschung könnte damit bereits die Vermittlung von Forschungs(daten)bedarf an konkrete Forscher zu einer Disruption führen. Wenn dies losgelöst von der Organisationszugehörigkeit der Forscher geschieht, gerät die Steuerung aus den Händen der Hochschulen. Auch wenn eine Disruption aktueller Plattformen (noch) nicht nachgewiesen werden kann, so scheint sie in greifbare Nähe zu rücken. In [19] stellen die Autoren ein fiktives Zukunftsszenario vor, bei dem die universitäre Forschung eine Disruption zum digitalen Geschäftsmodell erlebt hat. Der Forscher verteilt seine persönlichen Ressourcen und Fähigkeiten dabei an eine klassische Forschungseinrichtung ebenso wie an eine Onlineplattform. Letztere bietet unter dem Namen Share Our University Research (SOUR) eben jenes digitale Ökosystem, welches die Disruption eingeleitet hat. SOUR erfüllt dabei alle genannten Faktoren des Geschäftsmodells, des Marktes und der Organisation. Die Plattform vernetzt, vermittelt und bietet Offenheit. Selbst ein Bewertungssystem wird im globalen Kontext geliefert. Im Unterschied zu heutigen Plattformen wird die komplette Finanzierung in SOUR selbst abgebildet. Weiterhin lassen sich auch alle Prozesse des

16

Skalierung von Plattformen in der disruptiven Digitalisierung der Forschung

283

CAUDIT-Referenzmodells wiederfinden: Plan, Fund, Conduct, Impact, Improve und Support. Ohne Teilprozesse explizit nennen zu müssen, liegt auf der Hand, dass ihre Existenz in diesem Zukunftsmodell nachgewiesen werden kann. Im direkten Vergleich zwischen heutigen Plattformen und einem fiktiven, aber funktionierenden Szenario gibt es nur noch wenige Differenzen. Insbesondere die finanzielle/ kommerzielle Sicht könnte wie ein Katalysator auf die Monopolisierung wirken. Folglich würden damit insbesondere die Faktoren der Organisation (Bezahlung) und die CAUDITProzesse Research Opportunities & Planning sowie Research Funding adressiert. Die Tatsache, dass die Finanzierung der Forschung bereits heute nicht mehr ausschließlich durch die Universitäten selbst gesteuert wird, sollte zum Nachdenken anregen. Gleiches gilt in gesteigertem Maße für die kommerzielle Auswertung der Forschungsergebnisse.

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M. von der Heyde et al.

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16

Skalierung von Plattformen in der disruptiven Digitalisierung der Forschung

285

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Digitalisierung des Forschungsprozesses aus Sicht von Forschenden – durch Serviceintegration zum persönlichen Forschungsinformationssystem

17

Gunnar Auth, Christian Czarnecki, Frank Bensberg und Andreas Thor

Zusammenfassung

In der Diskussion über die Digitalisierung der Forschung spielt die Frage nach der optimalen IT-Unterstützung für Forschende eine wichtige Rolle. Forschende können heute an ihren Hochschulen bzw. Wissenschaftseinrichtungen auf ein breites Angebot interner IT-Dienstleistungen zurückgreifen, das auch kooperative IT-Dienste umfasst, die von mehreren Institutionen in Zusammenarbeit bereitgestellt werden. Außerhalb der eigenen Organisation und des weiteren Verbunds hat sich im Internet zudem ein breites externes Angebot an innovativen, häufig kostenlos nutzbaren Onlinediensten entwickelt. Neben horizontalen Onlinediensten, die sich prinzipiell an jeden Internetnutzer richten (bspw. Dropbox, Twitter, WhatsApp), nimmt auch die Zahl von vertikalen Diensten für wissenschaftliche bzw. Forschungszwecke immer weiter zu (bspw. GoogleScholar, ResearchGate, figshare). Für Forschende eröffnen sich damit vielfältige neue Möglichkeiten, ihren individuellen Forschungsprozess durch digitale Werkzeuge zu verbessern. Aufgrund rechtlicher, technischer und personeller Restriktionen können

G. Auth (*) Hochschule Meißen (FH) und Fortbildungszentrum, Meißen, Deutschland E-Mail: [email protected] C. Czarnecki Hochschule Hamm-Lippstadt, Hamm, Deutschland E-Mail: [email protected] F. Bensberg Hochschule Osnabrück, Osnabrück, Deutschland E-Mail: [email protected] A. Thor Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig, Leipzig, Deutschland E-Mail: [email protected] # Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 T. Barton et al. (Hrsg.), Hochschulen in Zeiten der Digitalisierung, Angewandte Wirtschaftsinformatik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26618-9_17

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288

G. Auth et al.

jedoch interne Dienstleister bei der Identifizierung, Auswahl und Nutzung externer Onlinedienste nur wenig Unterstützung leisten. Aus einer serviceorientierten Perspektive stehen Forschende zunehmend vor dem Problem, wie sich heterogene IT-Dienste interner und externer Anbieter in den eigenen Forschungsprozess integrieren lassen. Als Lösungsansatz skizziert das Kapitel das Konzept eines persönlichen Forschungsinformationssystems nach Gesichtspunkten eines digitalen Servicesystems. Schlüsselwörter

Digitalisierung · Forschung · Forschungsprozess · Forschungsinformationssystem · Serviceintegration · Servicesystem

17.1

Einleitung

Analog zur Entwicklung wissensintensiver Arbeitsprozesse in Wirtschaft und Verwaltung verlaufen auch wissenschaftliche Forschungsprozesse zunehmend datengetrieben [1]. Dabei hat die Wandlung von der analogen zur digitalen Verarbeitung von Daten, Informationen und Wissen bereits früh zu einer ersten Digitalisierungsstufe des wissenschaftlichen Publikationsprozesses geführt. Personal Computer, Textverarbeitungsprogramme und Datenbanken bilden deren informationstechnische Grundlage. Disruptive Innovationen wie Internet, Cloud, Mobile Computing oder Social Media beschleunigten diese Entwicklung maßgeblich. Auf institutioneller Ebene führte dies zur Entstehung eines datengestützten Forschungsmanagements, das mithilfe von Forschungsrepositorien, -informationssystemen und übergreifenden Informationsinfrastrukturen die Forschungsprozesse von Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen unterstützt. Ein solches institutionelles Forschungsmanagement ist heute bereits an vielen Einrichtungen organisatorisch und informationstechnisch etabliert. Weniger Beachtung haben jedoch bislang die Implikationen und Potenziale der Digitalisierung für den persönlichen Forschungsprozess von Individuen erfahren. Durch die Entstehung neuer Formen zur Kommunikation, Kollaboration, Literaturrecherche, Datenbeschaffung und -analyse sowie Veröffentlichung von Forschungsdaten und -ergebnissen werden Forschungsprozesse auch aus Sicht des Einzelnen schneller und transparenter, erfordern aber ebenso erweiterte Kompetenzen im Umgang mit neuen IT-Werkzeugen und eine daran angepasste Organisation der individuellen Forschung, um relevantere, objektivere und validere Ergebnisse schneller hervorzubringen. Ausgangspunkt des Beitrags ist daher die Perspektive des einzelnen Forschenden, der die Digitalisierung durch ein rasant wachsendes Angebot an Forschungsinformationen und -daten (z. B. Publikationen, Preprints, Manuskript- und Objekt-Digitalisate, Forschungsdatenrepositorien, Quellcode) einerseits sowie an forschungsorientierten Onlinediensten (bspw. Google Scholar, ResearchGate, Peerus) zur Verarbeitung von Informationen und Daten andererseits erlebt. Zwischen virtuellen Forschungsumgebungen zur Kollaboration von Forschenden und institutionellen Forschungsinformationssystemen zur Berichterstattung über die Forschungstätigkeit besteht hier eine Lücke, die es für den einzelnen Forschenden immer schwieriger und mühsamer werden lässt, von der schnellen Entwick-

17

Digitalisierung des Forschungsprozesses aus Sicht von Forschenden – durch . . .

289

lung bei digitalen Werkzeugen im persönlichen Forschungsprozess zu profitieren. Um diese Lücke zu schließen, werden nachfolgend etablierte Konzepte der Prozess- und Serviceorientierung herangezogen und in einem konzeptionellen Ansatz zur flexiblen Serviceintegration in Form eines persönlichen Forschungsinformationssystems zusammengeführt. Dabei wird die prozessorientierte Sicht eines Forschenden der Informatik/Wirtschaftsinformatik eingenommen. Ausgehend von einer Bestandsaufnahme der aktuell typischen IT-Unterstützung durch interne Anbieter in der Domäne Forschung (Hochschulrechenzentren, Medienzentren, Bibliotheken usw.) werden Nutzungsprobleme innovativer Onlinedienste externer, kommerzieller Anbieter für die Digitalisierung problemspezifischer Forschungsprozesse herausgearbeitet. Anschließend wird der generische Ablauf von Forschungsprozessen in der (Wirtschafts-)Informatik aus einer tätigkeitstheoretischen Perspektive beschrieben und hinsichtlich der Implikationen für die Gestaltung unterstützender Informationssysteme analysiert. Daraus wird deutlich, dass die Entwicklung integrierter Anwendungssysteme zur Digitalisierung problemabhängiger Forschungsprozesse wenig Erfolg verspricht. Stattdessen wird das Paradigma der Serviceorientierung zugrunde gelegt, in dem Wertschöpfung durch lose gekoppelte digitale Servicesysteme erbracht wird, um das Konzept eines persönlichen Forschungsinformationssystems zu skizzieren. Der Beitrag endet mit einem Fazit einschließlich des Ausblicks auf zukünftigen Forschungsbedarf.

17.2

IT-Unterstützung für Forschende aus der Sicht interner Anbieter

Bis heute wird die Diskussion um die bestmögliche IT-Unterstützung für Forschende primär aus der Sicht der internen Anbieter von IT-Leistungen in Hochschulen und Forschungseinrichtungen geführt, d. h. typischerweise von Hochschulrechenzentren, Medienzentren und Bibliotheken. Diese traditionell gewachsenen Organisationseinheiten wurden zur zentral gesteuerten Versorgung von Forschenden und anderen Angehörigen wissenschaftlicher Einrichtungen mit Informationen und IT-Leistungen eingerichtet und verfügen meist über die offizielle Zuständigkeit für diesen Aufgabenbereich. Sie unterliegen aber zugleich Ressourcen- und Zeitrestriktionen und sind bei der Erbringung ihrer Leistungen zumindest kurzfristig auf vorhandenes Personal, eingeführte Technologien und installierte Infrastrukturen angewiesen. Daher sehen IT-Versorgungskonzepte im Bereich der Forschung typischerweise auch den dezentralen Aufbau und Betrieb von IT-Infrastrukturen für individuelle Bedarfe größerer Forschungsvorhaben vor. Auch im Forschungsumfeld haben sich zudem für die Erbringung von IT-Leistungen die Paradigmen der Service- und Prozessorientierung durchgesetzt, sodass sich die zuständigen Einrichtungen heute i. d. R. als kundenorientierte IT-Dienstleister verstehen (vgl. [2]). Angesichts der rasch voranschreitenden Entwicklung bei Informationstechnologien stehen interne IT-Dienstleister auch im Forschungsumfeld vor der Herausforderung, mit den verfügbaren Ressourcen einen schnell wachsenden Bedarf auf Basis sich ebenfalls dynamisch verändernder Anforderungen

290

G. Auth et al.

und Erwartungen zu decken. Die Erweiterung von IT-Dienstkatalogen als Reaktion auf neue oder veränderte Bedarfe kann vor diesem Hintergrund nicht kurzfristig auf Zuruf erfolgen, sondern muss einen geregelten Prozess durchlaufen, in dem Bedarfe unterschiedlicher Benutzergruppen gegeneinander abgewogen und auf verfügbare Kapazitäten abgestimmt werden. Dies entspricht auch den einschlägigen Best-Practice-Rahmenwerken wie etwa ITIL. Auch die Bereitstellung der persönlichen IT-Unterstützung von Forschenden wird seit jeher in dieser Weise organisiert. Der Wissenschaftlerarbeitsplatz (WAP) umfasst bis heute Hard- und Softwarekomponenten und „dient dazu, rechnergestützte Tätigkeiten qualitativ zu verbessern und die Zeitaufwendungen dafür durch den direkten Zugriff auf einen Rechner am Arbeitsplatz zu reduzieren“ [3]. Dabei wurde die Rechnervernetzung zur Unterstützung von Kollaboration sowie zum Zugriff auf zentrale IT-Ressourcen (bspw. High-Performance-Computing-Systeme) als wesentlicher Bestandteil verstanden. Eine weitere Entwicklungsstufe stellen virtuelle Forschungsumgebungen (VFU) dar, die insbesondere die Kollaboration räumlich verteilter Forschender unterstützen. Es handelt sich um eine zentral bereitgestellte digitale „Arbeitsplattform, die eine kooperative Forschungstätigkeit durch mehrere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an unterschiedlichen Orten zu gleicher Zeit ohne Einschränkungen ermöglicht. Inhaltlich unterstützt sie potenziell den gesamten Forschungsprozess – von der Erhebung, der Diskussion und weiteren Bearbeitung der Daten bis zur Publikation der Ergebnisse – während sie technologisch vor allem auf Softwarediensten und Kommunikationsnetzwerken basiert“ (zitiert nach [4]).1 VFU gehören heute zu den etablierten Komponenten von E-ScienceInfrastrukturen. Für ihren Aufbau und Betrieb sind jedoch erhebliche zeitliche und finanzielle Ressourcen erforderlich, weshalb VFU meist im Rahmen größerer Förderprojekte entstehen und nach Auslaufen des Förderzeitraums Gefahr laufen, den technologischen Anschluss zu verlieren. Andere Entwicklungen im Bereich IT-Unterstützung für die Forschung richten sich primär nach institutionellen Interessen bzw. unterstützen nicht direkt im Forschungsprozess. Aus dieser institutionellen Perspektive hat sich das vorherrschende Verständnis des Begriffs Forschungsinformationssystem (FIS) entwickelt. Demnach integrieren FIS Metainformationen zu wissenschaftlichen Forschungsaktivitäten und -ergebnissen (Forschungsinformationen) einer Forschungsorganisation (z. B. Hochschule, Forschungseinrichtung, Forschungsverbund oder Unternehmen) und stellen diese über eine öffentliche Benutzerschnittstelle externen Stakeholdern bereit. FIS dienen somit der Erfüllung von Berichts- und Auskunftspflichten gegenüber öffentlichen und privaten Mittelgebern und leisten darüber hinaus einen Beitrag zur Wissenschaftskommunikation (in Anlehnung an [5]). Zur Ergänzung des internen IT-Angebots einer Institution hat sich im Zeitalter von Internet und Cloudservices ein breites externes Angebot an häufig kostenlos nutzbaren Onlinediensten entwickelt. Neben horizontalen Onlinediensten, die sich prinzipiell an

1

Originalquelle online nicht mehr verfügbar.

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Digitalisierung des Forschungsprozesses aus Sicht von Forschenden – durch . . .

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jeden Internetnutzer richten (bspw. Dropbox, Twitter, WhatsApp), nimmt auch die Zahl von vertikalen Diensten für wissenschaftliche bzw. Forschungszwecke immer weiter zu. Neben einem schnellen Wachstum des Angebots lässt sich aber auch ein gegenläufiger Effekt beobachten. Onlinedienste, die aus Start-up-Unternehmen entstanden sind, basieren nicht immer auf tragfähigen Geschäftsmodellen und müssen ggf. nach einiger Zeit den Betrieb wieder einstellen. Auch Onlinedienste marktführender Konzerne sind vor diesem Schicksal nicht gefeit, wie jüngst die Einstellung des sozialen Netzwerks Google+ gezeigt hat [6]. Das Wachstum und die Dynamik des Angebots machen es schwer, sich einen Überblick zu verschaffen, um gezielt Onlinedienste als Werkzeuge für problemadäquate Forschungsprozesse zu identifizieren und auszuwählen. Nentwich und König [7] haben 2012 für die Domäne Forschung eine Einteilung in fünf Kategorien vorgeschlagen: 1) 2) 3) 4) 5)

Soziale Netzwerke, z. B. ResearchGate; Microblogging, z. B. Twitter; Kollaborative Wissensproduktion, z. B. Wikipedia; Virtuelle Welten, z. B. Second Life; Suchmaschinen, z. B. Google Scholar.

Aufgrund der beschriebenen Dynamik des Angebots unterliegen jedoch Kategorisierungsversuche der Gefahr der schnellen Obsoleszenz. Tatsächlich existiert das einst stark beworbene Second Life noch heute, führt allerdings gegenüber den heute dominierenden sozialen Netzwerken wie Facebook und Instagram nur noch ein Nischendasein. Einen anderen Ansatz verfolgt das Onlineverzeichnis Connected Researchers (online unter connectedresearchers.com), das 2016 von einem einzelnen Wissenschaftler begonnen wurde, über die Zeit weitere Unterstützer gefunden hat und aktuell 331 digitale Forschungswerkzeuge umfasst. Das volle Potenzial des kollaborativen Wissensmanagements wird aber auch hier nicht ausgeschöpft, da Änderungen nur vom Seitenbetreiber selbst vorgenommen werden können. Ein Wiki-basiertes Konzept könnte dem sicherlich Abhilfe schaffen, wurde aber bisher nicht umgesetzt. Die obige Kategorie „Virtuelle Welten“ hat damit nicht nur ihren wichtigsten Vertreter, sondern in der Folge gänzlich an Relevanz verloren. Für viele Forschende ist es heute nahezu selbstverständlich, neben den internen IT-Angeboten eine Vielzahl von Onlinediensten für die wissenschaftliche Arbeit zu nutzen. Auch in der Forschung vollzieht sich mit der Digitalisierung eine grundlegende Veränderung des IT-Nutzungsverhaltens, ähnlich wie das für Unternehmen, etwa unter dem Schlagwort „Bring your own device“ (BYOD), bereits seit längerer Zeit diskutiert wird [8]. Aus der Erweiterung des IT-Angebots durch externe Onlinedienste erwachsen vielfältige Implikationen für das interne IT-Management, die hier aber nicht weiter thematisiert werden sollen. Stattdessen werden die Perspektive des Forschenden und damit vor allem das Entstehen neuer Anwendungsmöglichkeiten im individuellen Forschungsprozess beleuchtet. Für einzelne Prozessschritte wie Literatursuche und -beschaffung sind Onlinedienste (hier bspw. Google Scholar) unverzichtbar geworden, ermöglichen aber in erster

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G. Auth et al.

Linie evolutionäre Verbesserungen wie schnellere Kommunikation und Verarbeitung größerer Informationsmengen. An die Digitalisierung des Forschungsprozesses werden jedoch weitergehende Erwartungen geknüpft, die revolutionäre Verbesserungssprünge, wie beispielsweise neuartige Forschungsmethoden, in Aussicht stellen.

17.3

Prozessdigitalisierung in der Forschung

Unter Prozessdigitalisierung verstehen wir in Anlehnung an Denner et al. [9] den Einsatz digitaler Technologien zur evolutionären oder disruptiven Verbesserung von Geschäftsprozessen. Bei der Digitalisierung tritt das klassische Ziel der Kostenminimierung (Effizienzvorteil, vgl. [10]) in der Regel hinter das Ziel der Nutzenmaximierung (Effektivitätsvorteil) zurück [9], wobei technologiebasierten Innovationen sowohl als Treiber als auch als Verbesserungsziel ein hoher Stellenwert zukommt [9]. Der Sammelbegriff „digitale Technologien“ bezeichnet ein breites Spektrum neuartiger Entwicklungen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT), die sich nicht basal von früherer, ebenfalls digitaler IKT unterscheidet, sondern durch ihre Bezüge zur allgegenwärtigen Nutzungserfahrung im Alltagsleben und die auf den Technologiekonzepten Social, Mobile, Analytics und Cloud basieren [11]. Der Einfluss der Digitalisierung auf Forschung und Wissenschaft wird bereits seit einigen Jahren diskutiert, wobei der Frage nach neuen Quellen für den Erkenntnisgewinn eine wichtige Rolle zukommt [1]. Auf Basis des etablierten Paradigmas der rechen- und simulationsgestützten Forschung vollzieht sich eine rasante, technologiegetriebene Entwicklung. Diese beschränkt sich nicht länger auf quantitative Verbesserungen von Rechenzeiten (schneller), Speicherkapazitäten (größer) oder Bildschirmauflösungen (höher), sondern induziert eine qualitative Veränderung. Hey et al. [12] bezeichnen diese als viertes Paradigma der Forschung, nämlich Erkenntnisgewinn durch datenintensivere Forschungsprozesse, basierend auf immer „neue[n] technische[n] Möglichkeiten in der Zusammenführung, Verknüpfung und Auswertung von strukturierten und unstrukturierten Daten“ [1]. Das Erschließen dieser Möglichkeiten mittels Zusammenführen, Verknüpfen und Auswerten von Forschungsdaten erfordert einen Forschungsprozess, der vom Forschenden in Abhängigkeit von der zu lösenden Problemstellung individuell ausgestaltet wird und durch dessen Ausführung aus Forschungsdaten entlang der Stufen des DIKW-Modells [13] Informationen und schließlich (gesichertes) Wissen – mithin Erkenntnis – gewonnen wird. Die Metapher „Data Mining“ aus dem Kontext des betrieblichen Informationsmanagements bringt anschaulich zum Ausdruck, dass es erheblicher Anstrengung sowie geeigneter Werkzeuge und Verfahren bedarf, um aus Daten Wissen zu erzeugen, ähnlich wie im Bergbau bei der Förderung von Eisenerz und der anschließenden Weiterverarbeitung zu Edelstahl. Zur erkenntnisstiftenden Erschließung von Forschungsdaten bedarf es daher nicht nur der Daten selbst, sondern Forschende müssen auch über die passenden Kompetenzen zur Anwendung und Entwicklung digitaler Werkzeuge sowie darauf basierender Verfahren verfügen. Bei der Erfassung dieser Kompetenzen für die Bildungsbedarfsanalyse stellt aber gerade die Dynamik, die aus der engen Verbindung mit den sich

17

Digitalisierung des Forschungsprozesses aus Sicht von Forschenden – durch . . .

293

rasant entwickelnden technischen Möglichkeiten erwächst, ein großes Problem dar. Dieses äußert sich nicht zuletzt in einem vergleichsweise schnellen Begriffswandel, der bspw. von Medienkompetenz über Digitalkompetenz bis hin zum aktuell dominierenden englischen Literacy-Begriff verläuft, sowie einer damit entstehenden Begriffsvielfalt, bei der auch zwischen Data, Web und Information Literacy unterschieden wird.

17.4

Der Forschungsprozess in der (Wirtschafts-)Informatik

Forschungstätigkeiten haben in Anlehnung an [14] die intersubjektiv überprüfbare Untersuchung von Sachverhalten und die darauf aufbauende Beschreibung, Erklärung und Gestaltung zum Inhalt. Im Zuge der Digitalisierung werden dabei zunehmend digitale Werkzeuge eingesetzt, die den Forschungsprozess tendenziell effizienter bzw. effektiver gestalten sollen. Zur konzeptionellen Verankerung digitaler Forschungswerkzeuge wird hier eine tätigkeitstheoretische Perspektive zugrunde gelegt, die die notwendigen strukturellen Kategorien zur Erfassung von Werkzeugen in Arbeitstätigkeiten expliziert. Die Tätigkeitstheorie (Activity Theory) liefert einen deskriptiven Bezugsrahmen, in dem sich menschliches Handeln im Rahmen von Tätigkeitssystemen vollzieht, die durch Subjekte, das zu konstruierende bzw. zu transformierende Objekt als Tätigkeitsgegenstand und die dabei eingesetzten Werkzeuge konstituiert werden (vgl. [15, 16]). Diese triadische Tätigkeitsstruktur bildet die Grundlage zur Explikation der Forschungstätigkeit aus aufbauorganisatorischer Perspektive (siehe Abb. 17.1).

Forschungswerkzeuge Forschungstätigkeit

Forschungsgegenstand

Forscher (Subjekt)

Technik (Werkzeuge) Informationssystem

Mensch (Anwender)

Aufgabe (Objekt)

Abb. 17.1 Tätigkeitstheoretische Konzeption der Forschungstätigkeit

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Wie Abb. 17.1 zu entnehmen ist, wird die Forschungstätigkeit durch den Forscher als Subjekt gebildet, der Forschungswerkzeuge zur Bearbeitung eines Forschungsgegenstands einsetzt. Im Rahmen der Wirtschaftsinformatik handelt es sich bei dem Forschungsobjekt generell um Informationssysteme [17], die aus soziotechnischer Perspektive als MenschAufgabe-Technik-Systeme zu kennzeichnen sind [18]. Als Forschungswerkzeuge der Wirtschaftsinformatik sind daher prinzipiell sämtliche Hilfsmittel zu erfassen, die der Beschreibung, Erklärung und Gestaltung von Informationssystemen dienen. Eine zentrale Rolle spielen dabei die disziplinär etablierten Forschungsmethoden [19], die den Handlungsrahmen für Forschungstätigkeiten vorgeben und somit von regulativer Bedeutung sind. Im Kontext der Digitalisierung betrachten wir primär digitale Forschungswerkzeuge, wobei wir den Fokus auf Softwarewerkzeuge begrenzen. Zur Umsetzung einzelner Forschungsmethoden werden spezifische Werkzeuge eingesetzt, z. B. Softwareprodukte für das Prototyping oder zur Literaturanalyse. Aus ablauforganisatorischer Perspektive werden Forschungstätigkeiten in Form von Forschungsprozessen umgesetzt, die aus zielorientierten Handlungen der Wissenschaftler konstituiert werden und maßgeblich durch das situativ zugrunde gelegte Forschungsdesign bzw. die damit einhergehenden Forschungsmethoden geprägt werden. Dabei hat die normative Diskussion um die Gestaltung von Forschungsprozessen in der Wirtschaftsinformatik insbesondere seit dem Ende der 1990er-Jahre deutlich an Bedeutung gewonnen. Auf Grundlage einer Literaturanalyse wissenschaftlicher deutsch- und englischsprachiger Publikationen, in denen der Forschungsprozess im Kontext der Informatik bzw. Wirtschaftsinformatik explizit thematisiert wird, sind hierfür die folgenden Kontextfaktoren zu identifizieren: • die zunehmende Nutzung sozialwissenschaftlicher, insbesondere auch qualitativer Forschungsmethoden (z. B. Aktionsforschung, Inhaltsanalyse, Grounded Theory) in informatiknahen Disziplinen, • die Emergenz des gestaltungsorientierten Paradigmas [17] bzw. der Design Science Research (DSR), welche die Fragestellung um die prozessuale Ausgestaltung von Forschungstätigkeiten fokussieren und spezifische Vorschläge für gestaltungsorientierte Forschungsprozesse entwickeln [20], sowie • die steigende Bedeutung von Informationssystemen im Gesundheitswesen, das in Bezug auf die Forschung ein hohes Maß an Rigorosität einfordert. Die phasenorientierte Struktur für einen generischen Forschungsprozess, der unabhängig von einem spezifischen forschungsleitenden Paradigma [21] ist, wird in Abb. 17.2 in Anlehnung an [22] dargestellt. Die einzelnen Phasen des dargestellten Forschungsprozesses sind im Folgenden kurz zu erörtern: • Der Forschungsprozess beginnt mit der Generierung von Forschungsideen als Impulsgeber für neue Forschungsprojekte. Dies kann sowohl durch logisch-systematische

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Digitalisierung des Forschungsprozesses aus Sicht von Forschenden – durch . . . Phase 1 Forschungsideen generieren

Phase 2 Forschungsproblem definieren

Phase 3 Forschungsdesign festlegen

Phase 4 Forschungsdesign umsetzen

Phase 5 Forschungsergebnisse kommunizieren

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Phase 6 Forschungsergebnisse anwenden

Abb. 17.2 Generisches Phasenmodell für einen Forschungsprozess. (In Anlehnung an [22])











(z. B. Inhaltsanalysen) als auch kreativ-intuitive Ansätze (z. B. Brainstorming) unterstützt werden. In der zweiten Phase ist das Forschungsproblem zu konkretisieren, indem der State of the Art mit Rückgriff auf die dokumentierten wissenschaftlichen Erkenntnisse erhoben wird. Methodischer Ausgangspunkt hierfür bildet in der Regel eine Literaturanalyse (Literature Review, vgl. [23]), mit der Erkenntnis- und Gestaltungsdefizite in der Forschungsdomäne identifiziert werden. Aufbauend auf der Formulierung des Forschungsproblems erfolgt in Phase 3 die Fixierung eines Forschungsdesigns, in dem – aufbauend auf dem Forschungsziel und der wissenschaftstheoretischen Positionierung – die anzuwendenden Forschungsmethoden festzulegen sind [24]. Die vierte Phase hat die Umsetzung des ex ante definierten Forschungsdesigns zum Inhalt. In dieser Phase wird das Set der im Forschungsdesign fixierten Forschungsmethoden ausgeführt. Zur Generierung intersubjektiv nachprüfbarer und transparenter Erkenntnisse ist dabei auch dafür zu sorgen, dass die Umsetzung der Forschungsmethoden hinreichend dokumentiert wird, etwa mithilfe von Instrumenten des Forschungsdatenmanagements [25]. Anschließend findet die Kommunikation der generierten Erkenntnisse an Wissenschaftler, Studierende und weitere Adressaten (z. B. Drittmittelgeber) statt, die in der Regel durch Publikation der Forschungsergebnisse realisiert wird. Ein wesentliches Instrument der formalen Wissenschaftskommunikation bildet dabei das Peer-Review, das der Qualitätssicherung der Forschungsergebnisse dient [26]. Neben der formalen Kommunikation über Zeitschriften, Konferenzen, Monografien und Arbeitsbericht bestehen auch Instrumente für die informelle Kommunikation, wie etwa über E-Mails und Gespräche mit Mitgliedern der Scientific Community. Abschließend sieht der Forschungsprozess auch die Anwendung bzw. Nutzung der generierten Forschungsergebnisse vor, die etwa im Rahmen gestaltungsorientierter Forschungsmethoden durch den Einsatz des entwickelten IT-Artefakts in der Praxis erfolgt. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse können wiederum Impulse zur Generierung weiterführender Forschungsideen liefern, sodass der Forschungszyklus erneut zu durchlaufen ist [22].

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Aus der skizzenhaften Darstellung wird deutlich, dass der Forschungsprozess von unterstützenden Aktivitäten abstrahiert, die für die professionelle Durchführung von Forschungsprozessen notwendig sind. Hierzu ist beispielsweise die administrative Handhabung von Forschungsprojekten und -programmen zu zählen, die etwa die Finanzierung, Beschaffung und Abrechnung personeller Ressourcen umfasst. Derartige Unterstützungsaktivitäten können aufbauorganisatorisch in Service-Center-Strukturen zentral realisiert werden und werden unter dem Oberbegriff des serviceorientierten Forschungsmanagements diskutiert [27]. Darüber hinaus entsteht die Fragestellung, wie Forschungsprozesse durch adäquate Unterstützung mit Informationssystemen als Werkzeuge für den Forscher effektiver und effizienter ausgestaltet werden können. Wesentlicher Treiber dieser Fragestellung bildet das Phänomen, dass die Wirtschaftsinformatik über ein hohes Maß an Dynamik in Bezug auf potenzielle Forschungsthemen verfügt, die letztlich auch durch Moden und Trends geprägt werden [28]. Im Folgenden ist daher der Fragestellung nachzugehen, welche digitalen Werkzeuge zur Abdeckung des Forschungsprozesses zur Verfügung stehen.

17.5

Serviceorientierung im persönlichen Forschungsprozess

Auf technischer Ebene beschreibt das Konzept der Serviceorchestrierung im Kontext Serviceorientierter Architekturen (SOA) die Ausgestaltung, Koordination und das Management von Cloudinfrastrukturen zur Bereitstellung verschiedener Cloudservices, die den IT- und Geschäftsanforderungen entsprechen [29]. Ursprünglich liegt dem Konzept also ein technisches Serviceverständnis zugrunde, wobei die Orchestrierung möglichst automatisiert erfolgen soll. Zudem werden Integrationsziele verfolgt, die sich auf das Zusammenfügen (Komposition) heterogener Services beziehen [30], bspw. über technische Abstraktionsebenen wie Software as a Service (SaaS), Platform as a Service (PaaS) und Infrastructure as a Service (IaaS). Hier legen wir jedoch einen IT-Servicebegriff zugrunde, der auf der betriebswirtschaftlichen Auffassung von Dienstleistungsprozessen basiert, den Nutzen für den Endanwender fokussiert und von Details der technischen Umsetzung abstrahiert. Nach diesem Verständnis schließt der Begriff auch nichtautomatisierte Dienste ein und stellt generell eine Institutionalisierungsalternative für Aktivitäten in Prozessen dar, wobei von der Art der Institutionalisierung abstrahiert wird [31]. Dadurch entsteht ein Alternativenraum verschiedenartiger Services für die Prozessgestaltung. Services können dabei sowohl automatisiert als auch nichtautomatisiert sowie organisationsintern als auch -extern bezogen werden. Dies ermöglicht Forschenden eine serviceorientierte Prozessgestaltung, die der zuvor beschriebenen Dynamik problemadäquater Forschungsprozesse Rechnung trägt. Diese serviceorientierte Perspektive auf den persönlichen, individuell zu konfigurierenden Forschungsprozess wird nun anhand von drei Beispielen verdeutlicht.

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17.5.1 Services für Literaturanalyse und -management Eine wichtige Aktivität im Forschungsprozess ist die Literaturanalyse. Sie ist als initialer Schritt eines Forschungsvorhabens unabdingbar, um das bereits vorhandene Wissen zu berücksichtigen und einen darüber hinausgehenden Erkenntnisgewinn zu begründen [23, 32, 33]. Grundsätzlich kann die Zielsetzung von einer umfassenden Analyse der bestehenden Literatur als eigenständiges Forschungsergebnis bis zur Begründung einer neuen Forschungsfrage variieren [32]. Dabei kann der inhaltliche Fokus z. B. Ergebnisse, Methoden, Theorien oder bestimmte Anwendungsfelder betreffen. Gerade bei Forschungsarbeiten der Wirtschaftsinformatik besteht die Herausforderung, die sich kontinuierlich verändernde Wissensbasis zu bestehenden und neuen Themenfeldern präzise und verlässlich zu erschließen. Auch bei der in der Wirtschaftsinformatik verbreiteten gestaltungsorientierten Forschung erfolgt der Erkenntnisgewinn aus dem entwickelten Artefakt ausschließlich in der Verbindung zur Wissensbasis [34]. Darüber hinaus kann auch die Werkzeugunterstützung der Literaturanalyse als Forschungsgebiet der Wirtschaftsinformatik angesehen werden, welches u. a. der Wissensgenerierung aus großen Datenmengen [35] und der Digitalisierung der Wissensarbeit [36] zuzuordnen ist. Zur grundsätzlichen Einteilung von Literaturanalysen hat sich die Taxonomie von Cooper [37] etabliert, auf der zahlreiche Beiträge zur Literaturanalyse in der (Wirtschafts-)Informatik aufbauen (bspw. [38]). Als grundlegende Anforderungen an eine Literaturanalyse werden Vollständigkeit, Präzision und Reproduzierbarkeit angesehen [33], wobei die Erfüllung dieser Anforderungen von der verwendeten Art der Literaturanalyse abhängt. So ist z. B. die narrative Literaturanalyse gegenüber der strukturierten Literaturanalyse anfälliger für eine subjektive Bewertung des Forschenden [32]. Gerade bei manueller Durchführung der Literaturanalyse sind Vollständigkeit und Präzision des Ergebnisses stark vom Aufwand abhängig [33]. Für die Wirtschaftsinformatik haben vom Brocke et al. in diesem Zusammenhang u. a. die folgenden Herausforderungen identifiziert [32]: (1) Es gibt keine Standardvorgehensweise für die Literaturanalyse. (2) Die Anzahl der relevanten Publikationen steigt rapide an. (3) Abdeckung und Funktionalität von Literaturdatenbanken variieren stark. (4) Qualität und Relevanz von Literaturquellen sind oft schwer zu bewerten. (5) Die Beschaffung und Verwaltung von Literatur sind oft zeitaufwendig. Vor diesem Hintergrund sind bereits frühzeitig Anwendungssysteme entwickelt worden, um einzelne Schritte der Literaturanalyse zu automatisieren oder zu unterstützen. Entlang der wesentlichen Schritte des Rechercheprozesses lassen sich folgende Servicetypen identifizieren [39]: 1. Suche: Die Literatursuche ist durch webbasierte Bibliothekskataloge (Online Public Access Catalogue, OPAC) stark vereinfacht worden. Darüber hinaus existieren weitere spezielle Onlinedienste, wie z. B. auf Literatursuche spezialisierte Websuchmaschinen bzw. Onlineliteraturdatenbanken (z. B. Google Scholar), Metasuchmaschinen (z. B. Karlsruher Virtueller Katalog), Discovery-Systeme (z. B. EBSCO Discovery Service ),

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digitale Bibliotheken von Verlagen (z. B. SpringerLink ) oder Fachgesellschaften (z. B. ACM Digital Library) sowie speziell für Forschende entwickelte soziale Netzwerke (z. B. ResearchGate). 2. Analyse: Erst durch die inhaltliche Analyse der gefundenen Literaturquellen wird der Erkenntnisgewinn geschaffen. Meist erfolgt diese durch zielgerichtetes Lesen und Auswerten in einem iterativen Prozess, bei dem durch Vorwärts- und Rückwärtssuche weitere Literaturquellen identifiziert werden. Dabei kann es auch zum Verwerfen oder Anpassen der vorliegenden Erkenntnisse kommen. Dieser arbeitsintensive Prozess wird meist manuell durch die Forschenden durchgeführt. Erste Vorschläge zum Einsatz von Textanalysediensten (z. B. IBM Watson Explorer) liegen als Prototyp vor [38]. 3. Verwaltung: Literaturmanagementsysteme (z. B. EndNote) bieten Funktionalitäten zum Sichern, Ordnen und Exzerpieren. Darüber hinaus werden über das Internet Möglichkeiten zum kollaborativen Erstellen und Nutzen von Literatursammlungen oder zur Synchronisierung von Literatursammlungen angeboten (z. B. Mendeley). Auch die strukturierte Aufnahme neuer Quellen durch Browser-Plug-ins bei der Sichtung von Literaturdatenbanken wird unterstützt (z. B. Zotero). 4. Verwertung: Die Verwertung, etwa durch Einfügen von Kurzreferenzen und Zitaten in eigene Texte, Erstellung von Literaturverzeichnissen und Aufbereitung nach unterschiedlichen Zitierstilen, wird von den Werkzeugen für Literaturmanagement unterstützt, häufig auch in Form von Plug-ins für Textverarbeitungssysteme. Festzuhalten ist, dass sämtliche Schritte der Literaturanalyse durch unterschiedliche Services unterstützt werden, die passend zur verfolgten Suchstrategie flexibel kombiniert werden können. Dabei liegt aktuell der Fokus auf zunehmender Virtualisierung und Kollaboration in Bezug auf Suche, Verwaltung und Verwertung von Literaturquellen. Gerade aber die inhaltliche Analyse ist noch stark durch manuelle Tätigkeiten geprägt. In diesem Zusammenhang heben vom Brocke et al. [32] hervor, dass getroffene Einschränkungen bei Literaturanalysen häufig nicht inhaltlich begründbar sind. So ist die in der Wirtschaftsinformatik meist verwendete Begrenzung auf einige wenige Fachzeitschriften (A/B-Journals) eine Folge der umfangreichen Datenbasis. Somit erhält auch hier die Frage nach einer Digitalisierung des gesamten Forschungsprozesses weitere Relevanz.

17.5.2 Services für die Zitationsanalyse Die klassische Literatursuche ist primär geprägt durch eine Stichwortsuche nach relevanten Themen bzw. Fachbegriffen sowie eine systematische Sichtung der publizierten Artikel in den einschlägigen Fachzeitschriften bzw. Konferenzbänden. Dieses Vorgehen ist sinnvoll im Rahmen einer inhaltlichen Literaturanalyse für ein konkretes Themengebiet. Aus Sicht eines Forschenden ergeben sich aber zusätzlich noch andere Fragestellungen, insbesondere wenn originäre Forschungsarbeiten publiziert werden sollen. Innerhalb eines „Related Work“-Kapitels wird zur Wahrung einer kumulativen Wissenschaftstradition von

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Forschenden erwartet, Anknüpfungspunkte der eigenen Arbeit zu bestehenden Arbeiten zu diskutieren. Neben verwandten Arbeiten, auf denen man ggf. aufbaut oder von denen man sich in einzelnen Themenfeldern abgrenzt, gibt es gerade aufgrund der Interdisziplinarität der Informatik bzw. Wirtschaftsinformatik häufig Entwicklungen in anderen Teilgebieten, die ähnliche Konzepte oder Vorgehensweisen verwenden. So entwickeln z. B. Bioinformatiker in den Lebenswissenschaften domänenspezifische Lösungen für das Datenmanagement, die von Informatikern in einer generischen Art und Weise adressiert werden. Dabei können dieselben Konzepte in verschiedenen Bereichen mit unterschiedlichen Begriffen belegt sein. Für das allgemeine Problem der Duplikaterkennung in Datenquellen gibt es z. B. die Begriffe Duplicate Detection, Reference Reconciliation und Entity Matching. Beziehungen zwischen solchen Arbeiten können dann in der Regel nicht mehr inhaltsbzw. textbasiert, sondern nur über Verknüpfungen hergestellt werden. Ein Beispiel für solche Verknüpfungen sind Zitierungen, die sowohl vorwärts (zitierte Arbeiten) als auch rückwärts (zitierende Arbeiten) traversiert werden können. Während die Vorwärtssuche einfach zu realisieren ist, ist die Rückwärtssuche beschränkt auf den Datenbestand des verwendeten Suchdienstes, z. B. des Web of Science (www.webofknowledge.com) oder Google Scholar (scholar.google.com). Hier profitiert insbesondere Google Scholar von seiner guten Abdeckung [40]. Neben der Verlinkung von Publikationen durch Zitierung ist auch die Verknüpfung von Forschenden (Autoren) in sozialen Netzwerken untereinander von zunehmender Bedeutung, wie z. B. bei Twitter (www.twitter.com) oder ResearchGate (www.researchgate.net). Forschende erhalten dann relevante Informationen zu den Autoren, denen sie folgen, und profitieren damit auch von überraschenden Entwicklungen, z. B. die Empfehlung von Publikationen oder das Interesse an neuen Forschungsprojekten. Gleichzeitig ermöglichen soziale Netzwerke und Zitationsnetzwerke Forschenden, die Entwicklung relevanter Fachgebiete zu verfolgen und somit aktuell zu bleiben. Während die klassische Literatursuche in Datenbanken ein Pull-Dienst ist und somit die aktive Suche des Forschenden nach relevanten Arbeiten erfordert, bieten Netzwerke Push-Dienste an, um Forschende frühzeitig und automatisch über aktuelle Entwicklungen zu informieren. Eine Möglichkeit sind Google Scholar Alerts (scholar.googleblog.com/2010/06/googlescholar-alerts.html), bei denen man nicht nur bei neuen Ergebnissen einer klassischen Stichwortsuche informiert wird, sondern auch bei neuen Zitierungen für eine ausgewählte Publikation. Richtet sich ein Forschender z. B. entsprechende Meldedienste (New Citation Alert) für die wichtigsten Publikationen eines Fachgebiets ein (z. B. Lehrbücher, Überblicksartikel, „seminal papers“), erhält er einen regelmäßigen Überblick über neue Publikationen des Fachgebiets. Eine weitere wichtige Fragestellung ist die Relevanz einer Arbeit, da man am Ende entscheiden muss, welche Publikationen man zitieren möchte, da der Platz in der Referenzliste eines zu publizierenden Artikels meist beschränkt ist. Hier bieten Onlinedienste einfache Indikatoren, wie z. B. die Anzahl der Zitierungen. Die absolute Zahl der Zitierungen wird jedoch von vielen Faktoren beeinflusst, u. a. der Anzahl der Selbstzitierungen, dem Alter einer Publikation sowie der Größe der Community des zugehörigen Fachbe-

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reichs. Daher berechnen spezialisierte Zitationsdienste wie z. B. CRExplorer (www. crexplorer.net) weitere Metriken. Zu diesem Zweck können etwa Perzentile ermittelt werden, die eine Aussage darüber treffen, ob eine Publikation in den führenden x % der Publikationen ihres Jahrgangs ist, oder Sequenzanalysen durchgeführt werden, um die langfristige Relevanz einer Publikation zu quantifizieren [41]. Unter Verwendung des Zitationsnetzwerks können auch Metriken wie der h-Index für einzelne Publikationen berechnet werden, die die Relevanz der zitierenden Publikation mit einbeziehen [42]. Schließlich ist es für Forschende auch wichtig, einen strukturellen Überblick über Forschungsgebiete zu erlangen. Wenn sich Forschende über viele Jahre in einem Themengebiet bewegen, kennen sie z. B. die Gruppierungen von Autoren (häufige Co-Autorengruppen oder Autoren, die an ähnlichen Themen arbeiten und sich immer wieder wechselseitig zitieren) oder die Trends, welche Themen gerade gefragt sind und welche hinsichtlich ihrer Popularität eher abnehmen. Dieses Wissen ist aber auch für Nachwuchsforscher wichtig, die gerade in einer „Publish or perish“-Kultur ihre fachliche Nische finden wollen. Hier helfen Services wie z. B. VOSViewer (www.vosviewer.com), um Forschungslandschaften zu visualisieren. Werden solche Analysen zu verschiedenen Zeitpunkten durchgeführt, kann zusätzlich die Veränderung der Forschungslandschaft charakterisiert werden. Im Bereich Datenmanagement würde man z. B. erkennen, dass vormals vergleichsweise „getrennte“ Communities wie Datenbanken, Semantic Web, KI/Data Mining nun unter den Schlagworten Big Data und Data Science zusammenrücken, was sich in gemeinsamen Artikeln, gegenseitigen Zitierungen oder textueller Ähnlichkeit der Artikel ausdrücken kann.

17.5.3 Services für Preprint-Publishing Als Preprint, Eprint oder Vorabdruck bezeichnet man eine vorläufig abgeschlossene Fassung eines wissenschaftlichen Textbeitrags, der vom Autor(enteam) veröffentlicht wird, ohne dass er zuvor einen formalen Begutachtungsprozess (Peer-Review, Verlagslektorat) durchlaufen hat [43]. Preprints sind daher als graue Literatur zu betrachten. Mit einer Vorabveröffentlichung verfolgen Autoren in der Regel eines oder mehrere der folgenden Ziele im Rahmen ihres Forschungsprozesses [43]: 1) Zeitersparnis bei der Veröffentlichung eigener Forschungsergebnisse. Insbesondere bei hochrangigen Journals, aber auch bei Buchveröffentlichungen kann sich der Prozess der Begutachtung und Überarbeitung durch mehrere Iterationen und die nachfolgende Drucklegung über mehrere Monate bis Jahre hinziehen. Hinter einer schnellen Vorveröffentlichung kann etwa die Motivation stehen, mit einem neuen Beitrag früher von anderen Autoren zitiert zu werden. 2) Qualitätssicherung/-verbesserung durch kritische Begutachtung des Preprints von interessierten Forscherkollegen. Korrekturen und Verbesserungen können noch eingearbeitet werden, bevor der Beitrag zur formalen Begutachtung eingereicht wird.

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3) Selbstarchivierung, d. h. die langfristige Speicherung eigener Beiträge im Sinne einer Sicherungskopie. Mit der Selbstarchivierung werden auch teilweise Open-Access-Ziele verbunden, wenn auf spezielle Zugriffsbeschränkungen verzichtet wird. Die Popularität des Preprint-Publishings steht in engem Zusammenhang mit der Verbreitung des Internets und den darauf basierenden Publikationsmöglichkeiten. Waren es anfänglich FTP-Server von Hochschulen oder Forschungseinrichtungen, kam bald die Bereitstellung über WWW-Server hinzu, woraus insbesondere in Physik, Mathematik und Informatik dedizierte, teils disziplinenorientierte Preprintserver mit Repository-Funktionalitäten entstanden [44]. Mittlerweile steigt die Nutzung von Preprints auch in anderen Wissenschaftszweigen wie Lebens- und Sozialwissenschaften. Beliebte Preprintserver sind z. B. arXiv.org, JMIR Preprints, bioRxiv oder SSRN. Die Wissenschaftsverlage stehen Preprints traditionell eher kritisch gegenüber. Viele Journals erlauben aber einer Vorabveröffentlichung vor Einreichung [45], wenngleich auch einige dies mit Verweis auf die sogenannte Ingelfinger-Regel (keine Veröffentlichung bereits veröffentlichter Ergebnisse) ablehnen [46]. Weiteren Auftrieb hat das Preprint-Publishing durch den Erfolg von wissenschaftsfokussierten sozialen Netzwerken wie ResearchGate und academia.edu erhalten, die ihre Mitglieder explizit zur Bereitstellung von Preprints animieren und diese auch bei der Berechnung ihrer Impact-Kennzahlen einbeziehen (bspw. RG-Score von ResearchGate).

17.5.4 Serviceintegration im persönlichen Forschungsinformationssystem Anhand der Beispiele wird deutlich, dass Forschende zunehmend vor dem Problem stehen, aus dem unübersichtlichen und dynamischen Gesamtangebot digitaler Services diejenigen mit der höchsten Nutzenstiftung für einen individuell ausgeprägten Forschungsprozess zu identifizieren, nutzbar zu machen (bspw. Zugang erlangen, konfigurieren) und mit anderen Services sinnvoll zu kombinieren. Für das interne Serviceangebot wird dies deutlich erleichtert, wenn von den internen Anbietern gemäß der einschlägigen Rahmenempfehlungen (bspw. ITIL, DFG) ein Servicekatalog zur Verfügung gestellt wird, in dem die angebotenen Services aus Nutzersicht systematisch dokumentiert sind. An Hochschulen immer noch wenig verbreitet sind übergreifende Servicekataloge, in denen die Services aller internen Anbieter einheitlich dargestellt werden. Daher fehlt häufig auch die Grundlage für ein umfassendes Serviceportal als zentralem digitalem Zugangspunkt, das Nutzern nach dem Selfserviceprinzip zeit- und ortsungebunden die Servicenutzung ermöglicht. Idealerweise sind dann noch externe Services integriert, die von den internen Dienstleistern erfasst und eingebunden werden. Gegenüber dem offensichtlichen Nutzen für Endanwender stehen insbesondere Beschränkungen, die sich aus Datenschutz und -sicherheit sowie quantitativ und qualitativ begrenzter Personalkapazität der internen Anbieter ergeben und die Realisierung der konzeptionell lange bekannten Serviceportale behindern.

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Aus dem dargestellten Verständnis von Services interpretieren wir die Serviceunterstützung für individuelle Forschungsprozesse als digitales Servicesystem. Dieses Konzept hat sich innerhalb der Service Science aus den Gebieten des Service Management und des Service Engineering entwickelt. Böhmann et al. [47] verstehen digitale Servicesysteme als soziotechnische Systeme, die eine kollaborative Wertschöpfung („value co-creation“) entlang eines Wertversprechens („value proposition“) ermöglichen. Dabei ist diese Wertschöpfung typischerweise an einen bestimmten Kontext geknüpft („value in context“), bspw. eine Lebenssituation eines Nutzers. Sowohl Kontextualisierung als auch Kollaboration sind informationsintensive Funktionalitäten der Wertschöpfung, weshalb für ihre Realisierung Informationssysteme wesentlich sind. Als weiteres Merkmal von digitalen Servicesystemen kann Innovation betrachtet werden, die einerseits als Zielstellung bei der Entwicklung neuer Servicesysteme verfolgt wird und andererseits in Form von Innovationen bei digitalen Technologien als Inputfaktor fungiert. Übertragen auf die Digitalisierung individueller Forschungsprozesse unterstützt ein hierfür geeignetes Servicesystem den Erkenntnisgewinn, der im Sinne des Design-ScienceAnsatzes zu einer Nutzenstiftung führt, die zumindest potenziell als Innovationswirkung verstanden werden kann. Damit kann die Beantwortung einer Forschungsfrage als abstraktes Wertversprechen gesehen werden, das der Forschende in Richtung seiner Geldgeber, der Interessenten für eine Weiterverwertung oder im Rahmen seines persönlichen Erkenntnisinteresses an sich selbst abgibt. Für die Wissensproduktion ist Information sowohl Rohstoff als auch Träger des Endprodukts. Die kollaborative Wertschöpfung vollzieht sich durch direkte oder indirekte Interaktion zwischen Forschenden, z. B. bei der Ermittlung des aktuellen Forschungsstands, was Isaac Newton mit der bekannten Metapher „standing on the shoulders of giants“ verdeutlichte, oder dem wissenschaftlichen Diskurs mit anderen Forschenden einer Community. Der spezifische Kontext eines Forschungsprozesses wird durch das adressierte Forschungsproblem beschrieben, führt durch Entscheidungen des Forschenden über einzusetzende Modelle und Methoden zu einer individuellen Ausgestaltung des Forschungsprozesses und generiert dadurch spezifische Anforderungen an die Services des Servicesystems. Abb. 17.3 zeigt die Architektur für ein digitales Servicesystem für die Forschung, bei dem der individuelle Forschungsprozess des einzelnen Forschenden explizit unterstützt und in Beziehung zu kollaborativen Forschungsprozessen (bspw. in einem Verbundprojekt) und zu institutionellen Forschungsinformationsprozessen gesetzt wird. Auf der Benutzerebene steht der einzelne Forscher im Mittelpunkt. Mit seiner Forschungstätigkeit ist er typischerweise in kollaborative Forschungsprozesse einbezogen, die meist befristet im Rahmen eines Projekts ablaufen. Der individuelle Forschungsprozess wird dafür mit den Forschungsprozessen anderer Forschender (Partner) durch Informationsaustausch verknüpft. Zudem findet ein Informationsaustausch mit Forschungsinformationsprozessen auf Basis institutioneller FIS statt. Durch die Bereitstellung von Metainformationen über die eigene Forschung (bspw. Themen, Publikationen, Patente) wird ein Beitrag zur Erfüllung von Berichts- und Auskunftspflichten gegenüber den unterschiedlichen internen und externen Anspruchsgruppen (Stakeholder) geleistet.

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Benutzerebene

Prozessebene

Serviceebene (Serviceintegration aus internem & externem Serviceangebot)

Infrastrukturebene (Anwendungs- & Basissysteme, Netze)

Partner

Forschender

Kollaborativer Forschungsprozess

Persönlicher Forschungsprozess

Serviceintegration Virtuelle Forschungsumgebung

Serviceintegration Persönliche Forschungsumgebung

StakePartner Partner holder Forschungsinformationsprozess Serviceintegration Forschungsinformationssystem

Externes Serviceangebot

Internes Serviceangebot

Externe Infrastruktur

Interne Infrastruktur

Abb. 17.3 Digitales Servicesystem für Forschungsprozesse

Auf der Serviceebene ist die prozessorientierte Serviceintegration dargestellt, bei der aus dem verfügbaren Gesamtangebot an internen und externen Services diejenigen mit dem größten Nutzwert ausgewählt und ähnlich wie bei der SOA-Serviceorchestrierung zusammengefügt werden. Bei den Serviceintegrationen für VFU und FIS erfolgt dies durch Implementierung integrierter Anwendungssysteme primär auf Basis interner IT-(Basis-) Dienste, durch die ein vergleichsweise hoher Integrations- und Automatisierungsgrad erreicht werden kann. Vergleichbare Anwendungssysteme sind für eine persönliche Forschungsumgebung nicht verfügbar und durch die vorherrschende Heterogenität und Dynamik bei externen Onlinediensten auch nicht adäquat umsetzbar. Die Integration erfolgt hier durch lose Kopplung, die durch den Forschenden selbst mit geringem Automatisierungsgrad realisiert wird. Die Basis bildet schließlich eine Infrastrukturebene im Sinne einer E-Science-Infrastruktur, die sowohl verschiedene Anwendungssysteme und Middlewarekomponenten als auch hardwarebasierte Technikkomponenten wie Hochleistungsrechner, Speichersysteme und Netzwerkkomponenten umfassen. Auch hier wird zwischen interner und externer Infrastruktur aus Sicht der Institution des Forschenden unterschieden, wobei durch das Internet und das Deutsche Wissenschaftsnetz (X-Win) leistungsfähige Datenverbindungen zwischen intern und extern verfügbar sind. Wie aufgezeigt wurde, steht einem Forschenden bei der Konfiguration seines individuellen Servicesystems nur in begrenztem Maße Unterstützung durch interne Dienstleister zur Verfügung. Auch eine automatisierte Orchestrierung im Sinne cloudbasierter SOA-Konzepte ist trotz existierender Standards aus dem Bereich der Webservices mangels

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Konformität des heterogenen Gesamtangebots an Services nicht umfassend realisierbar. Vielmehr erfolgt die Identifizierung, Auswahl, Konfiguration und das Management digitaler Services heute überwiegend manuell durch den Forschenden selbst. Er übernimmt damit unbewusst die Rolle eines Serviceintegrators, mit der im IT-Servicemanagement einer ähnlichen Entwicklung bei IT-Services für den Unternehmenseinsatz Rechnung getragen wird. Im emergierenden Managementkonzept SIAM (Service Integration and Management) übernimmt der Serviceintegrator als zentrale Instanz Aufgaben der Koordination, der Integration und des Managements heterogener IT-Services bei der Zusammenarbeit mit einer zunehmenden Zahl von externen Leistungserbringern für einen immer größer werdenden Anteil des betrieblichen IT-Serviceportfolios. Für die Realisierung von wertorientierten Multi-Vendor-Strategien im IT-Multisourcing beschreibt SIAM Prinzipien, Praktiken und Rollen für Governance und Management aus ganzheitlicher Sicht. Goldberg und Satzger [48] haben dazu ein Service Integration Capability Model vorgeschlagen, dessen sechs Kategorien auch explizit „Manage Tools and Information“ umfassen.

17.6

Fazit und Ausblick

Die Verknüpfung der verschiedenen Servicekonzepte und ihre Übertragung auf die Forschungsdomäne bilden einen konzeptionellen Rahmen, der die Beschreibung, Analyse und Entwicklung eines digitalen Servicesystems für individuelle Forschungsprozesse ermöglicht. Diese Konzeptualisierung eines persönlichen Forschungsinformationssystems für Forschende der (Wirtschafts-)Informatik expliziert die heute bereits übliche Praxis, stellt sie in einen Zusammenhang zu institutionellen FIS sowie VFU und bildet die Grundlage für weitere Entwicklungen. Aus Governance-Sicht stellt sich die Frage, wie die internen IT-Anbieter die Rolle des Serviceintegrators für eine flexiblere und individuellere Forschungsunterstützung zukünftig ausgestalten wollen. An den Hochschulen wird aktuell eher über die Zuständigkeiten und die Rollenverteilung beim institutionellen Forschungsdatenmanagement diskutiert. Eine Ergänzung dieser Diskussion um eine serviceorientierte, nutzen- und nutzerzentrierte Perspektive ist jedoch dringend erforderlich. Unbefriedigend ist zudem der geringe Automatisierungsgrad bei der Integration und Orchestrierung externer digitaler Services für die Forschung. Hier eröffnen sich Fragen nach einer Verbesserung der Interoperabilität sowie Beherrschbarkeit der technologischen Dynamik, die sowohl durch methodische als auch (IT-)systembasierte Ansätze adressiert werden sollten. Einen interessanten Ansatz verfolgt die deutsche Bundesregierung bei der Umsetzung des 2017 in Kraft getretenen Gesetzes zur Verbesserung des Onlinezugangs zu Verwaltungsleistungen (Onlinezugangsgesetz, OZG), einem zentralen Vorhaben für die Digitalisierung der Verwaltung. Mit dem OZG werden Bund und Länder verpflichtet, bis Ende 2022 „ihre Verwaltungsleistungen auch elektronisch über Verwaltungsportale anzubieten“ [49]. Dafür soll jedoch kein zentrales Megaportal neu aufgebaut, sondern die bereits vorhandenen Portale intelligent über einen Portalverbund verknüpft werden. Eine

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wichtige Komponente des Portalverbunds ist der Servicekatalog, in dem alle Verwaltungsleistungen in standardisierter Form erfasst werden. In ähnlicher Weise ist auch der Aufbau eines Katalogs für Onlineforschungsdienste durch die Wissenschaftscommunity denkbar, mit dessen Hilfe sich die Identifizierung und Orchestrierung für individuelle Forschungsprozesse stärker automatisieren ließe. Als kritischer Erfolgsfaktor für die angestrebte Bürgerakzeptanz ist schließlich die Gewährleistung von Datenschutz und -sicherheit zu betrachten. Analog ist das Risiko von Vertraulichkeits- und Sicherheitsverletzungen bei der Verknüpfung externer Onlinedienste zu berücksichtigen.

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Digitalisierung des Forschungsprozesses aus Sicht von Forschenden – durch . . .

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Stichwortverzeichnis

A Abstimmung 209 Abstimmungssystem 201 Agilität 183 Altmetrics 278 Anforderung 124, 141 Anwendungsfallstudie 198 App 201 Architektur 92, 127, 180, 181, 224 Audience-Response-System 201 Automobilbereich 68 Autonomes Fahren 70 B Beziehungsmarketing 47 Bibliometrics 278 Bildungsinstitution, moderne 28 Bologna-Prozess 43 BPMN 201

C Change-Management-Prozess 38 Chatbots 29, 30, 33, 35, 37 Classroom-Response-System 201 Client-Server-Architektur 108 Copyright 281 Creative Commons (CC) 281

D Datenschutz 204 Digitale Lernfabrik 67, 79

Digitalisierung 4, 6, 7, 22, 23, 28, 290, 291, 293, 294, 295, 300, 304 Digitalstrategie 163, 165, 166, 167, 168 Dozierende 17 E Electronic-Response-System (ERS) 201 Enterprise-Resource Planning (ERP) 198 E-Prüfung 107, 108, 113, 118, 119 F FAIR-Prinzip 279 Forschung 4, 6, 270, 291, 292 Forschungsinformationssystem 270, 290 Forschungsplattform 277 Forschungsprozess 270, 290, 291, 292 Fragetyp 204 Freitextfrage 207 G Geschäftsmodell 247, 248, 249, 270, 277, 278 H h-Index 278 Hochschule 12, 13, 14, 16, 17, 18, 21, 22, 23 Hochschulmarketing 42, 46 I Implementierung Prototyp 29 Industrie 4.0 77

# Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 T. Barton et al. (Hrsg.), Hochschulen in Zeiten der Digitalisierung, Angewandte Wirtschaftsinformatik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26618-9

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310 Infrastruktur, mobile 107 Inverted Classroom 203 K Kommunikationspolitik 43 Konstruktion 67, 70, 75 L Lehre 4, 5, 6, 14, 16, 17 Lernkarte 206 Lernplattform 207 Lernplattformen, digitale 248 Live-Feedback 203 Logistik 67, 81 M Marketing Content 48 virales 48 Marktübersicht 204 MINT 42 Monopol 277 MOOC 242, 243, 244 MOOC-Umsetzung 252 Motive der MOOC-Akteure 254 Multiple-Choice-Frage 207 N Netz, soziales 278 Nutzung, asynchrone 203 Nutzungsszenario 201 O Open Source 204 Organisation 4, 5 P Peer Instruction 203 Prozess 199

Stichwortverzeichnis Q Qualitätsmanagement 12 Quiz-Frage 212 R Repositorium 277 Reputation 278 ResearchGate 278 S SaaS (Software as a Service) 201 SAP-System 198 Science-Fiction 18, 20, 21 Selbststudium 203 Serviceintegration 291, 305 Servicesystem 291, 304, 305 Single-Choice-Frage 209 Smartphone 203 Social-Media-Plattform 42 Stakeholdermanagement 35 Storytelling 48 Studiengangmarketing 42 Studienorientierung 33, 38 Studieren, agiles 183, 184, 185, 194 Studierende 12, 13 Studium 5 T Teamarbeit 200 U Unterricht 13, 16 V Video 42 Z Zukunft 12, 18