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Historien
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S A M M L U N G

T U S C U L U M

In Tusculum, vor den Toren Roms, hatte Cicero sein Landhaus. In Zeiten der Muße, aber auch der politischen Isolation zog er sich dorthin zurück. Tusculum wurde zum Inbegriff für Refugium, für Muße, für wertvolle Fluchten aus einem fordernden Alltag. In der ersten Phase des Rückzugs aus der Politik schrieb Cicero in Tusculum die so genannten Tuskulanen, eine lateinische Einführung in die Welt der (griechischen) Philosophie.

Έ Wissenschaftliche Beratung Niklas Holzberg, Rainer Nickel, Karl-Wilhelm Weeber, Bernhard Zimmermann

S A M M L U N G

T U S C U L U M

P. Cornelius Tacitus HISTORIEN HISTORIAE Lateinisch-deutsch Herausgegeben und übersetzt von Joseph Borst unter Mitarbeit von Helmut Hross und Helmut Borst

ARTEMIS & WINKLER

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. 7. Auflage 2010 © 2010 Bibliographisches Institut G m b H , Mannheim Artemis & Winkler Verlag, Mannheim Alle Rechte vorbehalten. Printed in Germany ISBN 978-3-538-03546-1 www.artemisundwinkler.de

INHALT Text u n d U b e r s e t z u n g Buch I Buch II Buch III Buch IV Buch V Historienfragmente

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Tacitus und seine Historien Inhalt und Chronologie der Historien Die Art der taciteischen Darstellung Zur Textgestaltung Anmerkungen Einige öfters wiederkehrende Fachausdrücke Verzeichnis der Eigennamen Literaturhinweise Nachwort

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L I B E R Ρ RI MVS 1 Initium mihi operis Servius Galba iterum Titus Vinius ι cónsules erunt. nam post conditam urbem octingentos et viginti prioris aevi annos multi auctores rettulerunt, dum res populi Romani memorabantur, pari eloquentia ac libertate: postquam bellatum apud Actium atque omnem potentiam ad unum conferri pacis interfuit, magna illa ingenia cessere; simul Veritas pluribus modis infracta, primum inscitia rei publicae ut alienae, mox libidine adsentandi aut rursus odio adversus dominantes: ita neutris cura posteritatis inter infensos vel obnoxios, sed ambitionem scriptoris facile averseris, obtrectatio ι et livor pronis auribus accipiuntur; quippe adulationi foedum crimen servitutis, malignitati falsa species libertatis inest, mihi Galba Otho Vitellius nec beneficio nec 3 iniuria cogniti, dignitatem nostram a Vespasiano indioatam, a Tito auctam, a Domitiano longius provectam non abnuerim: sed incorruptam fidem professis neque amore quisquam et sine odio dicendus est. quod si vita suppe- 4 ditet, principatum divi Nervae et imperium Traiani, uberiorem securioremque materiam, senectuti seposui, rara temporum felicitate, ubi sentire quae velis et quae sentías dicere licet.

ERSTES B U C H Beginnen möchte idi mein Werk mit dem Konsulatsjahr de» Servius Galba (er war es damals zum zweitenmal) und dem des Titus Vinius. Die frühere Zeit, nämlich die seit der Gründung Roms verflossenen 820 Jahre, haben viele Schriftsteller behandelt; solange es dabei um die Geschichte des römischen Volkes ging, geschah es mit ebensoviel Beredsamkeit wie Freimut. Nach der Schlacht bei Aktium aber und nachdem in Rücksicht auf den Frieden die Fülle der Macht einer Einzelpersönlichkeit übertragen wurde, verschwanden jene hervorragenden Sdiriftstellertalente; zugleich damit wurde die Wahrheit mehr und mehr entstellt, vor allem aus mangelndem Verständnis für das einem ja fremd gewordene Gemeinwesen, sodann aus üblem Hang zur Schmeichelei oder auch aus H a ß gegen die Machthaber. So kam es, daß sich in der feindlichen oder knechtisch ergebenen Gesinnung weder die einen noch die anderen um den Eindruck bei der Nachwelt kümmerten. Wahrend man sich aber von der Gunstbuhlerei eines Autors ohne weiteres verächtlich abwendet, finden Äußerungen der Mißgunst und des blassen Neides williges Gehör; haftet doch der Schmeichelei der häßliche Vorwurf der Kneditsgesinnung an, der Bosheit aber der trügerische Sdiein des Freimuts. Was mich betrifft, sind Galba, Otho und Vitellius mir weder durch Wohltaten noch durch Kränkungen nahe getreten. Daß zu meiner ehrenvollen Amterlaufbahn Vespasian den Grund legte, Titus sie erhöhte, Domitian mich noch weiter darin vorwärtsbrachte, will ich nicht abstreiten. Wer sich freilidi zu dem Grundsatz unbestechlicher Wahrhaftigkeit bekennt, darf niemandem gegenüber mit besonderer Vorliebe verfahren, muß sich auch von Gehässigkeit freihalten. Für den Fall, daß mein Leben lang genug währt, will ich das Prinzipat des göttlichen Nerva und das Regiment Trajans, diesen recht umfangreichen, doch minder heiklen Stoff, f ü r meine alten Tage aufsparen; sie sind ja so selten, die glücklichen Zeiten, wo es möglich ist zu denken, was man will, und zu sagen, was man denkt.

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2 Opus adgredior opimum casibus, atrox proeliis, discors ι seditionibus, ipsa etiam pace saevom. quattuor principes ferro interempti; trina bella civilia, plura externa ac plerumque permixta; prosperae in Oriente, adversae in Occidente res: turbatum Illyricum, Galliae nutantcs, perdomita Britannia et statim omissa, coortae in nos Sarmatarum ac Sueborum gentes, nobilitatus cladibus mutuis Dacus, mota prope etiam Parthorum arma falsi Neronis ludibrio, iam vero Italia novis cladibus vel post ι longam saeculorum seriem repetitis adflicta: haustae aut obrutae urbes, eversa fecundissima Campaniae ora; et urbs incendiis vastata, consumptis antiquissimis delubris, ipso Capitolio civium manibus incenso, pollutae caerimoniae, magna adulteria; plenum exiliis mare, infecti caedibus scopuli, atrocius in urbe saevitum: nobilitas, 3 opes, omissi gestique honores pro crimine, et ob virtutes certissimum exitium. nec minus praemia delatorum invisa quam scelera, cum alii sacerdotia et consulatus ut spolia adepti, procurationes alii et interiorem potentiam, agerent verterent cuncta odio et terrore, corrupti in dominos servi, in patronos liberti; et quibus deerat inimicus, per amicos oppressi.

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Non tamen adeo virtutum sterile saeculum, ut non 1 et bona exempla prodiderit. comitatae profugos liberos matres, secutae maritos in exilia coniuges; propinqui audentes, constantes generi, contumax etiam adversus tormenta servorum fides; supremae clarorum virorum necessitates, ipsa nécessitas fortiter tolerata et laudatis

Budi I 2—3

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Die Darstellung, an die ich midi mache, berichtet von einer Menge Mißgeschick, von Schlachtengreueln, zwietrachterfüllten Meutereien, ja selbst von Schreckenstaten in Friedenszeit: Vier Fürsten vom Mordstahl getroffen, drei Kriege im Land, noch mehr auswärts und gar nidit selten ihre Verschmelzung; günstige Verhältnisse im Osten, schlimme im Westen; Unruhen in Illyrien, die gallischen Provinzen in schwankendem Zustand, Britannien glücklich bezwungen und dann dodi gleich wieder aufgegeben, die sarmatisdien und suebisdien Völkerschaften in gemeinsamem Aufstand gegen uns, der Daker ruhmgekrönt bei der Vergeltung seiner Niederlagen, um ein H a a r audi ein Waffengang mit den Parthern infolge des Gaukelspiels eines falschen Nero; ferner Italien schwer heimgesucht durch unerhörte oder nach einer langen Reihe von Jahren sich wiederholende Sdiicksalssdiläge, wobei ganze Städte der fruchtbaren Küste Kampaniens vom Meer verschlungen oder verschüttet, audi unser Rom ein Opfer von Feuersbrünsten, uralte Heiligtümer von den Flammen verzehrt, selbst das Kapitol von Bürgerhand eingeäschert wurden. Schändung ehrwürdiger Gebräuche gab es, aufsehenerregende Ehebrüche, auf dem Meer ein Gewimmel von Verbannten, mit dem Blut Erschlagener getränkte Felseneilande. Schrecklicher noch war das Wüten in Rom, wo adelige Geburt, Reichtum, Ablehnung, aber auch die Übernahme von Ehrenstellen als Verbrechen galten, Tugend und Tüchtigkeit als sicherster Weg zum Verderben. Die gleiche Erbitterung wie ihre Verbrechen weckten die Belohnungen der Denunzianten, da die einen von ihnen, als wäre es Beutegut, Priesterämter und Konsulate, die anderen Prokuratorwürden und einflußreiche Stellen bei Hof ergatterten und durch Erregung von H a ß und Schrecken allgemeinen Aufruhr, ja Umsturz hervorriefen. Bestechungen von Sklaven gegen ihre Herren, von Freigelassenen gegen ihre Patrone waren gang und gäbe; hatte aber einer keinen Feind, wurde er durdi Freunde erledigt. Dennoch war diese Zeit nicht so arm an edlen Zügen, daß sie nicht auch treffliche Beispiele hervorgebracht hätte: Mütter, die ihre Kinder auf der Flucht aus der Heimat begleiteten, Ehefrauen, die ihren Männern in die Verbannung folgten, beherzte Verwandte, charaktervolle Schwiegersöhne, sogar den Foltern Trotz bietende treue Sklaven; hervorragende Männer, zum letzten Schritt gezwungen, sah man selbst diesen Zwang

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Üb. ι

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antiquorum mortibus pares exitus. praeter multíplices 2 rerum humanarum casus cáelo terraque prodigia et fulminum monitus et futurorum praesagia, laeta tristia, ambigua manifesta; nec enim umquam atrocioribus populi Romani cladibus magisve iustis indiciis adprobatum est non esse curae deis securitatem nostrani, esse ultionem. 4 Ceterum antequam destinata componam, repetendum : videtur, qualis status urbis, quae mens exercituum, quis habitus provinciarum, quid in toto terrarum orbe validum, quid aegrum fuerit, ut non modo casus eventusque rerum, qui plerumque fortuiti sunt, sed ratio etiam causaeque noscantur. finis Neronis ut laetus primo gau- 2 dentium ímpetu fuerat, ita varios motus animorum non modo in urbe apud patres aut populum aut urbanum militem, sed omnes legiones ducesque conciverat, evolgato imperii arcano, posse principem alibi quam Romae fieri, sed patres laeti, usurpata statim libertate licentius 3 ut erga principem novum et absentem; primores equitum proximi gaudio patrum; pars populi integra et magnis domibus adnexa, clientes libertique damnatorum et exulum in spem erecti: plebs sordida et circo ac theatris sueta, simul deterrimi servorum, aut qui adesis bonis per dedecus Neronis alebantur, maesti et rumorum avidi.

5 Miles urbanus longo Caesarum sacramento imbutus « et ad destituendum Neronem arte magis et impulsu quam suo ingenio traductus, postquam neque dari dona-

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tapfer ertragen, im Hinscheiden dem gepriesenen Tod von Männern der guten alten Zeit vergleichbar. Abgesehen von den vielfachen Wechselfällen in der Menschenwelt gab es Wunderzeichen am Himmel und auf Erden, Warnungen durch Blitzschläge, zukunftkündende Andeutungen von froher und trauriger, zweifelhafter und handgreiflich deutlicher Art. Niemals hat sich ja durch schrecklichere Schicksale des römischen Volkes oder durch vollgültigere Beweise bestätigt, daß den Göttern an unserem sorgenfreien Dasein nichts gelegen ist, wohl aber an einem Strafgericht. Bevor idi jedoch die beabsichtigte Schilderung gebe, glaube idi nachtragen zu müssen, wie seinerzeit der Zustand in der Hauptstadt, der Geist im Heer, wie die Stimmung in den Provinzen gewesen sind, was auf dem ganzen Erdkreis gesund und faul war, um so nicht nur in die sehr häufig vom Zufall abhängigen Wechselfälle und den äußeren Verlauf der Ereignisse einen Einblick zu geben, sondern auch in ihren inneren ursächlichen Zusammenhang. Neros Ende war zwar zuerst unter stürmischem Freudengeschrei glückverheißend erschienen, hatte aber doch allerlei Aufregung hervorgerufen, nidit allein in Rom bei den Senatoren, dem Volk und der Stadtbesatzung, sondern audi bei allen Legionen und Heerführern; es hatte sidi ja das Geheimnis um die Thronbesteigung gelichtet und sich allgemein der Glaube verbreitet, daß man auch anderswo als in Rom an die Spitze des Reiches gestellt werden könne. Die Senatoren aber waren frohgemut, da sie sofort und ziemlich ungeniert ihre Unabhängigkeit geltend machen konnten, wie es gegenüber einem neuen, nodi abwesenden Fürsten verständlidi war. Die Ritter ersten Ranges freuten sidi fast ebensosehr wie die Senatoren. Der wohlbestallte, mit vornehmen Familien in engerer Verbindung stehende Teil des Volkes, die Klienten und Freigelassenen verurteilter oder verbannter Herren gaben sich hochgespannten Hoffnungen hin; die ärmliche, an Zirkus und Theater gewöhnte Masse aber, ebenso das Lumpenpack der Sklaven oder das nach dem Verbrauch von H a b und Gut auf Kosten von Neros Ruf unterhaltene Gesindel war niedergeschlagen und nur auf Gerüditemacherei aus. Als die in Rom liegenden Truppen, die sich durdi ihre langjährige Dienstzeit unter dem Kaiserhaus diesem eng verbunden fühlten, zur Preisgabe Neros aber mehr durch List und äußeren Anstoß als aus eigener Neigung verleitet worden waren, merk-

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tivom sub nomine Galbae promissum neque magnis meritis ac praemiis eundem in pace quem in bello locum praeventamque gratiam intellegit apud principem a legionibus factum, promis ad novas res scelere insuper Nymphidii Sabini praefecti imperium sibi molientis agitatur. et Nymphidius quidem in ipso conatu oppres- ι sus, sed quamvis capite defectionis ablato manebat pierisque militum consoientia, nec deerant sermones senium atque avaritiam Galbae increpantium. laudata olim et militari fama celebrata severitas eius angebat aspernantes veterem disciplinam atque ita quattuordecim annis a Nerone adsuefactos, ut haud minus vitia principum amarent quam olim virtutes verebantur. accessit Galbae vox pro re publica honesta, ipsi anceps, legi a se militem, non emi; nec enim ad hanc formam cetera erant.

6 Invalidum senem Titus Vinius et Cornelius Laco, ι alter deterrimus mortalium, alter ignavissimus, odio flagitiorum oneratum contemptu inertiae destruebant. tardum Galbae iter et cruentum, interfectis Cingonio Varrone consule designato et Petronio Turpiliano consulari: ille ut Nymphidi socius, hic ut dux Neronis inauditi atque indefensi tamquam innocentes perierant. introitus in urbem trucidatis tot milibus inermium mili- > tum infaustus omine atque ipsis etiam, qui occiderant, formidolosus. inducta legione Hispana, remanente ea, quam e classe Nero conscripserat, piena urbs exercitu insolito; multi ad hoc numeri e Germania ac Britannia et Illyrico, quos idem Nero electos praemissosque ad

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ten, daß das angeblich im Namen Galbas versprochene Gnadengeschenk ausblieb und daß für besondere Verdienste und ihre Belohnung der Friede nicht die gleiche Möglichkeit bot wie der Krieg, daß ihnen ferner in der Gunst beim Fürsten die Legionen, die ihn zum Fürsten gemacht hatten, zuvorgekommen waren, gerieten sie in eine erregte Stimmung, zumal sie so schon für einen Umsturz waren und obendrein unter dem Einfluß der verbrecherischen Umtriebe des Gardepräfekten Nymphidius Sabinus standen, der nach der Herrschaft trachtete. Dieser kam zwar als Opfer seines Wagnisses um; mochte damit aber audi das Haupt der Abfallsbewegung beseitigt sein, so blieb dodi recht vielen Soldaten das Gefühl der Mitschuld, auch fehlte es nicht an allerlei anzüglichem Gerede über Galbas Altersschwäche und Geiz. Seine vordem gepriesene und im Soldatenmund gefeierte Strenge war allen unbequem, die von der früheren Manneszucht nichts wissen wollten und im Lauf von vierzehn Jahren von Nero daran gewöhnt worden waren, die Laster der Fürsten nicht weniger zu lieben, als sie einstmals ihre guten Eigenschaften verehrt hatten. Hinzu kam die im Staatsinteresse aller Ehren werte, für ihn selbst aber bedenkliche Äußerung Galbas, er pflege die Soldaten auszuheben, nicht zu kaufen; sein übriges Gebaren stimmte nämlich mit der erwähnten idealen Forderung nicht überein. Die Stellung des altersschwachen Galba sollten allmählich Titus Vinius und Cornelius Laco, der eine ein bodenlos verworfener, der andere ein erschreckend energieloser Mensch untergraben; sie luden den allgemeinen Haß über ihre Schurkenstreiche und die Verachtung für ihre Schlaffheit gleichsam auf ihn ab. Sein Anmarsch war langsam und infolge der Hinrichtung des designierten Konsuls Cingonius Varrò und des Konsulars Petronius Turpilianus mit Blut befleckt; ersterer fand den Tod als Parteigenosse des Nymphidius, letzterer als Berater Neros, beide ohne Verhör und Verteidigung, beide scheinbar unschuldig. Der Einzug in Rom war wegen der Hinmetzelung von soviel Tausenden wehrloser Soldaten voll unseliger Vorbedeutung, auch graute es den Mordgesellen selber dabei. Da die aus spanischen Provinzialen bestehende Legion herverlegt wurde und die von Nero aus der Flottenmannschaft gebildete Legion dablieb, war unsere Stadt mit ungewohnt viel Heeresmacht vollgestopft; dazu kamen noch viele Truppenabteilungen aus Germanien, Britannien, Illyrien, die ebenfalls

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claustra Caspiarum et bellum, quod in Albanos parabat, opprimendis Vindicis coeptis revocaverat: ingens novis rebus materia, ut non in unum aliquem prono favore, ita audenti parata. 7

Forte congruerat ut Clodii Macri et Fontei Capitonis ι caedes nuntiarentur. Macrum in Africa haud dubie turbantem Trebonius Garutianus procurator iussu Galbae, Capitonem in Germania, cum similia coeptaret, Cornelius Aquinus et Fabius Valens legati legionum interfecerant, antequam iuberentur. fuere qui crederent Capito- 1 nem ut avaritia et libidine foedum ac maculosum ita cogitatione rerum novarum abstinuisse, sed a legatis bellum suadentibus, postquam impellere nequiverint, crimen ac dolum ultro compositum, et Galbam mobilitate ingenii, an ne altius scrutaretur, quoquo modo acta, quia mutari non poterant, comprobasse. ceterum utraque caedes sinistre accepta, et inviso semel principi seu bene seu male facta parem invidiam adferebant. venalia cuncta, praepotentes liberti, servorum manus 3 subitis avidae et tamquam apud senem festinantes, eademque novae aulae mala, aeque gravia, non aeque excusata. ipsa aetas Galbae inrisui ac fastidio erat adsuetis iuventae Neronis et imperatores forma ac decore corporis, ut est mos volgi, comparantibus.

8 Et hic quidem Romae, tamquam in tanta multitu- > dine, habitus animorum fuit, e provinciis Hispaniae

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Nero herbeigezogen, zum beabsichtigten Krieg gegen die Albaner an den Engpaß am Kaspisee vorausgeschickt, dann aber zur Unterdrückung der Pläne des Vindex zurückgerufen hatte: alles zusammen eine gewaltige, f ü r einen Umsturz verwendbare Menschenmasse, der es zwar nodi an entschiedener Vorliebe für eine bestimmte Einzelpersönlichkeit fehlte, nidit aber an Bereitschaft zu einem verwegenen Zugriff. Zufällig traf es sidi, daß zu gleicher Zeit die Kunde von der Hinrichtung des Clodius Macer und der des Fonteius Capito einlief. Den Macer, der zweifellos in Afrika Unruhen anzustiften versuchte, hatte auf Galbas ausdrücklichen Befehl der Prokurator Garutianus umbringen lassen; bei Capito, der sich in Germanien mit ähnlichen Gedanken trug, veranlaßten die Legionslegaten Cornelius Aquinus und Fabius Valens die Ermordung, ohne einen besonderen Befehl abzuwarten. Manche glaubten, Capito sei zwar wegen seiner H a b - und Genußsucht bös gebrandmarkt gewesen, mit Umsturzplänen habe er aber nichts zu tun gehabt; vielmehr sei von den Legaten, die zur Erhebung ermunterten, nach ihrem vergeblichen Versuch, Capito zu gewinnen, jene Anschuldigung erdichtet und obendrein der heimtückische Mordanschlag ins 'Werk gesetzt worden; Galba habe in seiner wankelmütigen Sinnesart oder um sidi weitere Nachforschungen zu schenken, das Geschehene, unbekümmert um den genaueren Hergang, als unabänderlich hingenommen. Übrigens machten beide Hinrichtungen böses Blut, und für den nun einmal mißliebigen Fürsten sollte sein Tun, ob es nun gut oder schlimm war, die gleiche gehässige Beurteilung nach sich ziehen. Käuflich war jetzt rein alles, übermächtig waren die Freigelassenen, die Sklaven angesichts der plötzlichen Wendung der Dinge voller Gier und beim Gedanken an den hochbetagten Herrscher voller Hast im Zugreifen; die Hofhaltung war zwar neu, doch mit den alten, üblen, ebenso drückenden, nur nicht genauso entschuldbaren Zuständen behaftet. Gerade Galbas Alter erregte Gespött und Mißbehagen, da man an Neros Jugend gewöhnt war und, wie es der Pöbel halt zu machen pflegt, die beiden Kaiser bloß in Hinblick auf körperliche Stattlichkeit und Anmut miteinander verglich. So wenigstens zeigte sich die Stimmung in Rom, was freilich bei einer derartigen Volksmenge nicht anders zu erwarten war. Unter den Provinzen wurde Spanien von Cluvius Rufus ver-

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praeerat Cluvius Rufus, vir facundus et pacis artibus, bellis inexpertus. Galliae super memorial« Vindicis obligatae recenti dono Romanae civitatis et in posterum tributi levamento, proximae tarnen Germanicis exercitibus Galliarum civitates non eodem honore habitae, quaedam etiam finibus ademptis pari dolore commoda ι aliena ac suas iniurias metiebantur. Germanici exercitus, quod periculosissimum in tantis viribus, solliciti et irati, superbia recentis victoriae et metu tamquam alias partes fovissent. tarde a Nerone desciverant, nec statim pro Galba Verginius. an imperare noluisset dubium: delatum ei a milite imperium conveniebat. Fonteium Capitonem occisum, etiam qui queri non poterant, tamen indignabantur. dux deerat, abducto Verginio per simulationem amicitiae; quem non remitti atque etiam reum esse tamquam suum crimen accipiebant.

9 Superior exercitus legatum Hordeonium Flaccum 1 spernebat, senecta ac debilitate pedum invalidum, sine constantia, sine auctoritate; ne quieto quidem milite regimen: adeo furentes infirmitate retinentis ultro accendebantur. inferioris Germaniae legiones diutius sine consulari fuere, donee missu Galbae A. Vitellius aderat, censoris Vitellii ac ter consulis filius: id satis videbatur. in Britannico exercitu nihil irarum. non sane aliae 1 legiones per omnes civilium bellorum motus innocentais egerunt, seu quia procul et Oceano divisae, seu ere-

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waltet, einem redegewandten, in Angelegenheiten des Friedens wohl erfahrenen, kriegerisch aber nodi unerprobten Mann. Die gallischen Provinzen fühlten sich, abgesehen von der Erinnerung an ihr Eintreten für Vindex, durch das neuerliche Geschenk des Bürgerrechtes und durch eine erhoffte Steuererleichterung für die Zukunft dem Galba verpflichtet. Die gallischen Gaue in der Nähe der in Germanien stehenden Heere waren nicht mit gleicher Auszeichnung behandelt, sondern zum Teil sogar zu Gebietsabtretungen gezwungen worden und wogen nun, alle gleichstark verärgert, die Vorteile der anderen und das ihnen selbst widerfahrene vielfache Unrecht gegeneinander ab. Die Heere in Germanien waren, was bei ihrer großen Macht recht gefährlich erschien, aufgeregt und aufgebracht, in stolzer Erinnerung an den jüngst über Vindex erfochtenen Sieg, zugleich aus Besorgnis über ihre die Gegenseite begünstigende Haltung. Nur zögernd waren sie von Nero abgefallen, auch hatte sich Verginius nicht sofort für Galba erklärt. Ob es ihm selbst an Lust zur Herrschaft fehlte, darüber waren sich die Leute nicht recht klar; fest stand nur, daß ihm die Herrschaft von den Soldaten angetragen worden war. Uber den gewaltsamen Tod des Fonteius Capito waren sie unwillig, auch wenn ein Grund, sich darüber zu beschweren, bei den Leuten eigentlich nicht vorlag. Seitdem nämlich Verginius scheinbar ganz freundschaftlich abberufen worden war, fehlte es an einem Anführer; daß er nicht zurückgeschickt, ja sogar zur Verantwortung gezogen wurde, betrachteten sie gleichsam als einen Vorwurf gegen ihre eigene Person. Das Heer in Obergermanien verhielt sich gegenüber dem Konsularlegaten Hordeonius Flaccus ziemlich ablehnend, da es ihm infolge seines hohen Alters und seiner Gicht an Kraft mangelte; man vermißte auch Festigkeit und Ansehen bei ihm. Er konnte nicht einmal friedfertige Leute in Zaum halten; da mußten erst recht Leute, die leicht in Wut kamen, sich bei seinen schwächlichen Versuchen, sie zu zügeln, nur noch mehr erhitzen. Die Legionen Niedergermaniens waren längere Zeit ohne einen Konsularlegaten, bis in Galbas Auftrag A. Vitellius erschien, der Sohn des Zensors und dreimaligen Konsuls Vitellius: Dies schien genug zu wirken. Beim Heer in Britannien gab es weiter keine Aufregungen; jedenfalls haben sich während all der Bürgerkriegsunruhen keine anderen Legionen tadelloser geführt, vielleicht, weil sie weit weg und durch den

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bris expeditionibus doctae hostem potius odisse. quies 3 et Illyrico, quamquam excitae a Nerone legiones, dum in Italia cunctantur, Verginium legationibus adissent. sed longis spatiis discreti exercitus, quod saluberrimum est ad continendam militarem fidem, nec vitiis nec viribus miscebantur.

10 Oriens adhuc immotus. Syriam et quattuor legiones 1 obtinebat Licinius Mucianus, vir secundis adversisque iuxta famosus. insignes amicitias iuvenis ambitiöse coluerat; mox adtritis opibus, lubrico statu, suspecta etiam Claudii iracundia, in secretum Asiae sepositus tarn prope ab exule fuit quam postea a principe, luxuria 1 industria, comitate adrogantia, malis bonisque artibus mixtus: nimiae voluptates, cum vacaret; quotiens expedient, magnae virtutes. palam laudares, secreta male audiebant: sed apud subiectos, apud proximos, apud collegas variis inlecebris potens, et cui expeditius fuerit tradere imperium quam obtinere. bellum Iudaicum 3 Flavius Vcspasianus (ducem eum Nero delegerat) tribus legionibus administrabat. nec Vespasiano adversus Galbam votum aut animus: quippe Titum filium ad venerationem cultumque eius miserat, ut suo loco memorabimus. occulta fati et ostentis ac responsis destinatum Vespasiano liberisque eius imperium post fortunam credidimus.

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Ozean getrennt waren, vielleicht nur, weil sie in ihren wiederholten Feldzügen gelernt hatten, ihren H a ß lieber auf die Feinde zu werfen. Ruhe herrschte auch in Illyrien, obwohl die von Nero herangezogenen Legionen sidi während ihres untätigen Aufenthaltes in Italien mehrmals mit Gesandtschaften an Verginius gewandt hatten. Da aber die Heere durch weite Zwischenräume von einander getrennt waren - das gesündeste Mittel, um Soldaten in ihrer Treue zu erhalten - , war für ihre schlechten Eigenschaften und für ihre Streitkräfte ein Zusammenwirken nicht möglich. Im Osten ging es bis dahin ruhig zu. Syrien mit seinen vier Legionen hatte Licinius Mucianus unter sidi, ein Mann, der durdi sein Glück wie sein Unglück gleichviel von sidi reden machte. In jüngeren Jahren hatte er sich ehrgeizig um freundschaftliche Verbindungen mit vornehmen Kreisen bemüht; wie dann später sein Vermögen zerrüttet war und sidi seine Verhältnisse unhaltbar zeigten, wie er audi den Zorn des Claudius fürchten mußte und nach dem fernen Asien abgeschoben worden war, stand er der Verbannung ebenso nahe wie nachher der Erhebung auf den Thron. Er stellte eine Mischung dar von Verschwendungssucht und Tatkraft, Leutseligkeit und Anmaßung, von schlechten und guten Eigenschaften; er war übermäßig vergnügungssüchtig, wenn er dazu Zeit hatte; wenn er ins Feld zog; ein ganz trefflicher Mann. Sein öffentliches Auftreten konnte man nur loben, von seinem privaten Treiben war nichts Gutes zu hören. Auf Untergebene, nahe Bekannte, Amtsgenossen besaß er allerhand Anziehungskraft und war daher von starkem Einfluß, ein Mann, für den es leichter gewesen wäre, die Herrschaft einem anderen zu verschaffen als sie selber zu erlangen und festzuhalten. Den Krieg in Judäa führte mit drei Legionen (der von Nero zum Feldherrn ausersehene) Flavius Vespasianus. Es ist nicht so, daß Vespasian Galba gegenüber einen Wunsch hatte oder ihm die Sympathie für Galba fehlte. Hatte doch Vespasian, wie ich seinerzeit noch erwähnen muß, seinen Sohn Titus zu seiner Begrüßung und zur Huldigung gesandt. Den Glauben an ein geheimes Walten des Schicksals, nämlich daran, daß durch Wunderzeichen und Orakelbescheide die Herrschaft für Vespasian und seine Söhne bestimmt gewesen sei, habe ich erst nadi dem glücklichen Erfolg Vespasians gewonnen.

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Aegyptum copiasque, quibus coerceretur, iam inde a ι divo Augusto équités Romani obtinent loco regum: ita visum expedire, provinciam aditu difFicilem, annonae fecundam, superstitione ac lascivia discordem et mobilem, insciam. legum, ignaram magistratuum, domui retiñere. regebat tum Tiberius Alexander, eiusdem nationis. Africa ac legiones in ea interfecto Clodio Macro con- 2 tenta qualicumque principe post experimentum domini minoris. duae Mauretaniae, Raetia, Noricum, Thracia et quae aliae procuratoribus cohibentur, ut cuique exercitui vicinae, ita in favorem aut odium contactu valentiorum agebantur. inermes provinciae atque ipsa 3 in primis Italia, cuicumque servitio expósita, in pretium belli cessurae erant. hic fuit rerum Romanarum status, cum Servius Galba iterum Titus Vînius cónsules indioavere annum sibi ultimum, rei publicae prope supremum.

12 Paucis post kalendas Ianuarias diebus Pompei Propin- ι qui procuratoris e Belgica litterae adferuntur, superioris Germaniae legiones rupta sacramenti reverenda imperatorem alium flagitare et senatui ac populo Romano arbitrium eligendi permittere, quo seditio mollius acciperetur. maturavit ea res consilium Galbae iam pri- 2 dem de adoptione secum et cum proximis agitantis. non sane crebrior tota civitate sermo per illos menses fuerat, primum licentia ac libidine talia loquendi, dein fessa iam aetate Galbae. paucis iudicium aut rei publicae 3 amor: multi stulta spe, prout quis amicus vel cliens, hunc vel illum ambitiosis rumoribus destinabant, etiam

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Ägypten und die Truppenmadit, die es in Gehorsam halten sollte, standen schon seit dem verewigten Augustus unter römischen Rittern als Vizekönigen. Diese Art der Verwaltung, die schwer zugängliche, an Getreide ergiebige, aus religiöser Schwärmerei und Zudnlosigkeit an Zwietradit und Unruhen reiche, mit Gesetzen und ebenso mit römischen Staatsbehörden nicht vertraute Provinz im persönlichen Besitz des Fürstenhauses zu erhalten, erschien zweckmäßig. Präfekt von Ägypten war damals Tiberius Alexander, ein Einheimischer. Der Provinz Afrika samt den dort stehenden Legionen war nach dem Tod des Clodius Macer auf Grund der Erfahrungen, die man mit ihm, einem Tyrannen kleineren Formats, gemacht hatte, jeder Fürst recht, mochte er sein, wie er wollte. Die beiden Mauretanien, Rätien, Norikum, Thrakien und die anderen von Prokuratoren verwalteten Provinzen ließen sich, je nachdem ein Heer in der Nähe lag, unter seinem mächtigeren Einfluß zu Gunst oder H a ß bestimmen. Die von Truppen entblößten Provinzen und vor allem das jeglicher Unterdrückung preisgegebene italische Land selbst waren dazu verurteilt, dem Sieger als Kampfpreis zuzufallen. So war der Zustand des römischen Reiches zu der Zeit, als Servius Galba, der dies Amt zum zweitenmal bekleidete, und Titus Vinius ihr Konsulatsjahr antraten, das ihnen selbst den Tod, dem Staat beinahe den Untergang bringen sollte. In den ersten Januartagen kam aus Belgien ein Schreiben des Prokurators Pompeius Propinquus mit der Nachricht, die obergermanischen Legionen hätten sich nicht gescheut, den Fahneneid zu brechen, und verlangten einen anderen Kaiser; die Entscheidung bei der Wahl würden sie, womit sie eine mildere Beurteilung der Meuterei bezwedcten, dem Senat und dem römischen Volk überlassen. Die erwähnte Meldung beschleunigte Galbas Plan, der schon lange wegen einer Adoption mit sich und seiner nächsten Umgebung zu Rate ging. Tatsächlich war während jener Monate in der ganzen Stadt kein Gesprächsstoff verbreiteter gewesen, einmal aus zügellosem H a n g zu solchen Redereien, dann audi wegen Galbas Altersschwäche. N u r da und dort kamen gesundes Urteil oder Vaterlandsliebe zu Wort; vielfach machte man sich törichte Hoffnungen und bezeichnete, je nach Freund- oder Gönnerschaft, bald diesen bald jenen als Nachfolger, wobei nichts als Ehrsucht hinter den ausgesprengten Gerüchten steckte; auch Befriedigung der Ge-

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in Titi Vini odium, qui in dies quanto potentior, eodem actu invisior erat, quippe hiantes in magna fortuna amicorum cupiditates ipsa Galbae facilitas intendebat, cum apud infirmum et credulum minore metu et maiore praemio peccaretur. 13

Potentia principatus divisa in Titum Vinium consu- ι lem, Cornelium Laconem praetorii praefectum; nec minor gratia Icelo Galbae liberto, quem anulis donatum equestri nomine Marcianum vocitabant. hi discordes et rebus minoribus sibi quisque tendentes, circa consilium eligendi successoris in duas factiones scindebantur. Vinius pro M. Othone, Laco atque Icelus consensu non ι tam unum aliquem fovebant quam alium. neque erat Galbae ignota Othonis ac Titi Vini amicitia; et rumoribus nihil silentio transmittentium, quia Vinio vidua filia, caelebs Otho, gener ac socer destinabantur. credo et rei publicae curam subisse, frustra a Nerone translatae, si apud Othonem relinqueretur. namque Otho 3 pueritiam incuriose, adulescentiam petulanter egerat, gratus Neroni aemulatione luxus. eoque Poppaeam Sabinam, principale scortum, ut apud conscium libidinum deposuerat, donee Octaviam uxorem amoliretur. mox suspectum in eadem Poppaea in provinciam Lusitaniam specie legationis seposuit. Otho comiter admi- 4 nistrata provincia primus in partes transgressus nec segnis et, donee bellum fuit, inter praesentes splendidissimus, spem adoptionis statim conceptam acrius in

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hässigkeit gegen Titus Vînius sprach mit, der von Tag zu Tag mächtiger, in gleichem Zug aber auch unbeliebter wurde. Die der hohen Lebensstellung entsprechenden unersättlichen Begierden von Galbas Freunden steigerten sich nämlidi noch durch seine 'Willfährigkeit, da man ja unter einem schwachen und leichtgläubigen Fürsten mit geringeren Befürchtungen und größeren Gewinnaussichten sündigen konnte. In die Regierungsgewalt teilten sich der Konsul Titus Vinius und der Prätorianerpräfekt Cornelius Laco; nidit geringeren Einfluß besaß Galbas Freigelassener Icelus, den man nach der Verleihung des Ringes allgemein mit dem bei Rittern üblichen Namen Marcianus benannte. Diese drei, uneins untereinander und gewohnt, in minder wichtigen Angelegenheiten jeweils ihre Sonderzwecke zu verfolgen, trennten sich im Plan, einen Nachfolger Galbas zu wählen, in zwei Parteien. Vinius war f ü r M. O t h o ; Laco und Icelus waren in gegenseitigem Einverständnis nicht so sehr für irgendeine bestimmte Persönlichkeit, es sollte nur ein anderer sein. Dem Galba war übrigens die Freundschaft zwischen Otho und Vinius wohlbekannt; im Gerede der Leute, die über nichts stillschweigend hinweggehen können, machte man die beiden, weil des Vinius Tochter unvermählt, Otho Junggeselle war, zum Schwiegersohn bzw. Schwiegervater. Bei Galba hatte sich wohl auch Sorge um den Staat eingeschlichen; die Leitung nach Neros Sturz ihm zu übertragen, wäre ja zwecklos gewesen, wenn man sie jetzt in Othos H a n d gelassen hätte. Dieser hatte nämlich seine Knabenjahre leichtsinnig, seine Jünglingsjahre liederlich zugebracht, wohlgelitten freilich bei Nero, mit dem er in Aussdiweifungen wetteiferte. Deshalb hatte der Kaiser auch Poppäa Sabina, die Hofmätresse, bei Otho als Vertrauten seiner Lüste untergebracht, bis er sich seiner Gattin Oktavia entledigen konnte. Später hat er Otho, der ihm wegen Beziehungen zu der genannten Poppäa verdächtig geworden war, in die Provinz Lusitanien verwiesen, angeblich zur Übernahme der Statthalterschaft. Otho zeigte sich, nachdem er die Provinz milde verwaltet hatte und als erster zu Galbas Partei übergetreten war, nicht schlaff, trat vielmehr, solange der Kriegszustand dauerte, in der Umgebung des Herrschers mit allem Glanz hervor; der von Anfang an gehegten Hoffnung, adoptiert zu werden, jagte er von Tag zu Tag leidenschaftlicher nach, zumal ihn ein guter

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dies rapiebat, faventibus plerisque militum, prona in eum aula Neronis ut similem. 14 Sed Galba post nuntios Germanicae seditionis, quam- 1 quam nihil adhuc de Vitellio certum, anxius quonam exercituum vis erumperet, ne urbano quidem militi confisus, quod remedium unicum rebatur, comitia imperii transigit; adhibitoque super Vinium ac Laconem Mario Celso consule designato ac Ducenio Gemino praefecto urbis, pauca praefatus de sua senectute, Pisonem Licinianum accersiri iubet, seu propria electione sive, ut quidam credidere, Lacone instante, cui apud Rubellium Plautum exercita cum Pisone amicitia; sed callide ut ignotum fovebat, et prospera de Pisone fama Consilio eius fidem addiderat. Piso M. Crasso et Scribonia * genitus, nobilis utrimque, voltu habituque moris antiqui, et aestimatione recta severus, deterius interpretantibus tristior habebatur: ea pars morum eius, quo suspectior sollicitis, adoptanti placebat.

15 Igitur Galba adprehensa Pisonis manu in hunc mo- 1 dum locutus fertur: 'si te privatus lege curiata apud pontífices, ut moris est, adoptarem, et mihi egregium erat Cn. Pompei et M. Crassi subolem in penates meos adsciscere, et tibi insigne Sulpiciae ac Lutatiae decora nobilitati tuae adiecisse: nunc me deorum hominumque consensu ad imperium vocatum praeclara indoles tua et amor patriae impulit, ut principatum, de quo maiores nostri armis certabant, bello adeptus quiescenti offeram, exemplo divi Augusti, qui sororis filium Marcel-

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Teil des Militärs begünstigte, auch der Hof ihm als einem Ebenbild Neros gewogen war. Nach der Kunde über die Meuterei in Germanien, vorläufig freilich noch ohne bestimmte Nachrichten über Vitellius, fragte sidi Galba besorgt, worauf das gewaltsame Ungestüm der Heere dort hinauslaufen werde; auch der Stadtbesatzung traute er nicht recht: so führte er denn, was nach seiner Ansicht der einzige rettende Ausweg war, die Wahl eines Thronfolgers durdi. Nachdem er außer Vinius und Laco den designierten Konsul Marius Celsus und den Stadtkommandanten Ducenius Geminus beigezogen hatte, ließ er nach einer kurzen Vorbemerkung über sein eigenes hohes Alter den Piso Licinianus holen. Vielleicht geschah es auf Grund von Galbas persönlicher Entscheidung, vielleicht auch, wie einige glaubten, auf Lacos Drängen, der im Hause des Rubellius Plautus freundschaftlich mit Piso verkehrt hatte. Schlauerweise tat Laco bei der Empfehlung so, als ob er ihn nicht näher kenne; überdies hatte Pisos guter Ruf dem Vorschlag Geltung verschafft. Piso war ein Sohn des M. Crassus und der Scribonia; er war von beiden Seiten her adeliger Abkunft, den Gesichtszügen und seiner ganzen Haltung nach ein Mann vom alten Schlag. Überdies erschien er, richtig eingeschätzt, ernst, mißgünstig dargestellt, ziemlich finster. Je verdächtiger der letztgenannte Charakterzug besorgten Gemütern war, um so mehr sagte er dem künftigen Adoptivvater zu. So ergriff denn Galba Pisos Hand, um dann, wie es heißt, folgendermaßen zu sprechen: »Wenn ich als einfacher Staatsbürger nach dem Curiatgesetz und unter Beiziehung von Oberpriestern, also altem Brauch entsprechend, deine Adoption vornähme, so wäre es für mich eine besondere Ehre, einen Nachkommen des Cn. Pompeius und M. Crassus in meine Familie aufzunehmen, ebenso wie es für dich eine Auszeichnung wäre, durch die ruhmvolle Ahnenreihe des Geschlechtes der Sulpizier und Lutatier deinen Adel zu erhöhen. Nun aber haben mich, der ich seinerzeit unter Zustimmung der Götter und Menschen auf den Thron gerufen wurde, dein vortrefflicher Charakter und meine Vaterlandsliebe bewogen, dir die Herrschaft, um die unsere Vorfahren wiederholt mit den Waffen in der Hand stritten und die ich selbst auf kriegerischem Weg gewann, in Ruhe und Frieden anzubieten. Ich folge dabei dem Beispiel des verewigten Augustus, der erst Marcellus, den Sohn seiner

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lum, dein generum Agrippam, mox nepotes suos, postremo Tíberium Neronem privignum in proximo sibi fastigio collocavit. sed Augustus in domo successorem > quaesivit, ego in re publica, non quia propinquos aut socios belli non habeam, sed ñeque ipse imperium ambinone accepi, et iudicii mei documentum sit non meae tantum necessitudines, quas tibi postposui, sed et tuae. est tibi frater pari nobilitate, natu maior, dignus hac fortuna, nisi tu potior esses, ea aetas tua, quae cupidità- 3 tes adulescentiae iam effugerit, ea vita, in qua nihil praeteritum excusandum habeas, fortunam adhuc tantum adversam tulisti: secundae res acrioribus stimulis ánimos explorant, quia miseriae tolerantur, felicitate corrumpimur. fidem libertatem amicitiam, praecipua 4 humani animi bona, tu quidem eadem constantia retinebis, sed alii per obsequium imminuent: inrumpet adulado, blanditiae et pessimum veri affectus venenum, sua cuique utilitas. etiam si ego ac tu simplicissime inter nos hodie loquimur, ceteri libentius cum fortuna nostra quam nobiscum; nam suadere principi quod oporteat multi laboris, adsentatio erga quemcumque principem sine adfectu peragitur.

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Si immensum imperii corpus stare ac librari sine ι rectore posset, dignus eram a quo res publica inciperet: nunc eo necessitatis iam pridem ventum est, ut nec mea senectus conferre plus populo Romano possit quam bonum successorem, nec tua plus iuventa quam bonum principem. sub Tiberio et Gaio et Claudio unius familiae quasi hereditas fuimus: loco libertatis erit quod eligi coepimus; et finita Iuliorum Claudiorumque domo

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Schwester, dann seinen Schwiegersohn Agrippa, weiterhin seine Enkel, schließlich seinen Stiefsohn Tiberius Nero zum nächsthöheren Rang nadi sich erhob. Augustus freilich suchte sich den Nachfolger in seiner Familie, ich hole ihn aus der Gesamtheit des Staates. Nidit als ob es mir an Verwandten oder Kriegskameraden fehlte; wie idi selbst jedoch das Regiment nicht durch besondere Bewerbung erhalten habe, so sollen nicht nur die Hintansetzung all meiner Verwandtschaft hinter deine Person, sondern auch die Hintansetzung deiner Verwandtschaft ein Beweis dafür sein, wie idi denke. Du hast einen Bruder von gleichem Adel wie du, älter an Jahren, der einer solchen hohen Stellung würdig wäre, wenn nicht eben du den Vorzug verdientest. Du stehst in einem Alter, das die Leidenschaften der Jugend hinter sich hat, dein Leben ist von der Art, daß du für die Vergangenheit nichts darin zu entschuldigen brauchst. Das Schicksal, das du bisher zu tragen hattest, war ausschließlich ungünstig; glückliche Lebensumstände prüfen freilich das Herz mit schärferer Sonde, insofern man in Not und Elend sich wohl oder übel hineinfindet, während die Gunst des Glückes uns gern irreleitet. Ein Mann wie du wird ja Treue, Freimut, Freundschaft, diese vorzüglichen Güter des Menschenherzens, mit unverminderter Festigkeit bewahren, andere Leute aber werden sie durdi liebedienerisches Tun zu beeinträchtigen suchen. Kriecherei, Schmeicheleien und das ärgste Gift f ü r ein echtes Gefühl: der Eigennutz werden sidi eindrängen. Wenn auch wir beide, idi und du, heute ohne alle Nebengedanken miteinander reden, die anderen halten es lieber mit unserem Glück als mit uns selbst. Einem Fürsten einen Rat zu geben nach Pflicht und Gewissen: das ist gar nicht so einfach; ja zu sagen in allem, mag der Fürst nun sein, wie er will: das geht ohne innere Teilnahme vor sich. Wenn der unermeßliche Reidisorganismus ohne Lenkung bestehen und sidi im Gleichgewicht halten könnte, so wäre es berechtigt, wenn mit mir die Zeit der Republik begänne. Nun sind wir aber schon längst in eine solche Zwangslage gekommen, daß ich in meinem Alter dem römischen Volke keine reichere Gabe verschaffen kann als einen guten Nachfolger, du aber in deiner Jugend keine reichere Gabe als eine gute Regentschaft. Unter Tiberius, Gaius, Claudius waren wir sozusagen das Erbstück einer einzigen Familie. Als Freiheitsersatz mag es gelten, daß mit uns das Wahlreich begann; nadi dem Er-

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optimum quemque adoptio inveniet. nam generari et 1 nasci a principibus fortuitum, nec ultra aestimatur: adoptandi iudicium integrum et, si velis eligere, consensu monstratur. sit ante oculos Nero, quem longa Caesarum serie tumentem non Vindex cum inermi provincia aut ego cum una legione, sed sua immanitas, sua luxuria cervicibus publicis depulerunt; neque erat adhuc damnati principis exemplum. nos bello et ab aestiman- 3 tibus adsciti cum invidia quamvis egregii erimus. ne tarnen territus fueris, si duae legiones in hoc concussi orbis motu nondum quiescunt: ne ipse quidem ad securas res accessi, et audita adoptione desinam videri senex. quod nunc mihi unum obicitur. Nero a pessimo quoque semper desiderabitur: mihi ac tibi providendum est, ne etiam a bonis desideretur. monere diutius neque 4 temporis huius, et impletum est omne consilium, si te bene elegi. utilissimus idem ac brevissimus bonarum malarumque rerum dilectus est cogitare quid aut volueris sub alio principe aut nolueris; neque enim hie, ut gentibus quae regnantur, certa dominorum domus et ceteri servi, sed imperaturus es hominibus, qui nec totam servitutem pati possunt nec totam libertatem.' et Galba quidem haec ac talia, tamquam principem faceret, ceteri tamquam cum facto loquebantur.

17 Pisonem ferunt statim intuentibus et mox coniectis > in eum omnium oculis nullum turbati aut exsultantis animi motum prodidisse. sermo erga patrem impera-

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löschen des julisdi-claudisdien Hauses wird die Adoption den jeweils Besten schon zu finden wissen. Abstammung und Geburt einem Fürstenhaus zu verdanken, ist nämlich Sadie des Zufalls; dennoch fragt man bei einer Abschätzung nicht weiter. Bei einer Adoption aber steht die Entsdieidung in freier Hand, man braucht die Wahl nur zu wollen, so gibt die Stimme der Allgemeinheit schon einen Fingerzeig. Halte dir Nero vor Augen. Ihn, den die lange Cäsarenreihe so dünkelhaft aufblähte, haben nicht Vindex mit seiner unbewehrten Provinz oder idi mit meiner einen Legion, sondern seine eigene Unmenschlichkeit, seine eigenen Ausschweifungen aus dem Staatssattel geworfen; ein Beispiel für die Verurteilung eines Fürsten gab es ja bis dahin nicht. Bei uns, die wir unter dem Zwang des Krieges und durdi die entgegengebrachte Wertschätzung auf den Thron berufen wurden, wird es, trotz unserer hervorragenden Verdienste, an Neidern nicht fehlen. Es soll dich jedoch nidit weiter erschrecken, wenn sidi bei der jetzigen weiterschütternden Umwälzung zwei Legionen nodi nicht ruhig halten. Audi idi selbst habe seinerzeit nidit gleidi eine sorgenfreie Lage vorgefunden. Wenn man übrigens von deiner Adoption hört, wird mein Alter, das einzige, was man mir jetzt vorzuwerfen hat, nidit mehr auffallen. Den Nero werden jederzeit alle Schlechten zurückwünschen; ich und du müssen dafür sorgen, daß es nicht audi die Guten tun. Dir nodi länger zuzureden, ist jetzt nicht der rechte Augenblick; übrigens sind ja schon alle meine Pläne in Erfüllung gegangen, wenn ich's mit deiner Wahl gut getroffen habe. Wenn es gilt, zwischen Gutem und Sdileditem zu wählen, so ist es am nützlichsten und zugleich am kürzesten, sich zu überlegen, was einem unter dem Regiment eines anderen erwünscht wäre oder was nicht; denn hier bei uns gibt es nicht wie bei monarchisch regierten Völkerschaften ein bestimmtes Herrscherhaus und daneben nur Sklaven, du hast vielmehr künftig über Menschen zu gebieten, die sich weder in volle Knechtschaft nodi in volle Freiheit finden können." Auf solche Weise sprach Galba, in der Meinung, er madie jemand zum Fürsten; die übrigen verkehrten mit Piso so, als wäre es schon so weit. Piso soll weder anfangs vor den nächsten Augenzeugen noch später, als die Blicke der Allgemeinheit auf ihn gerichtet waren, eine Spur von Betroffenheit oder freudiger Erregung verraten haben. Im Gespräch mit dem Adoptivvater und Herrscher

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toremque reverens, de se moderatus; nihil in voltu habituque mutatum, quasi imperare posset magis quam vellet. consultatum inde, pro rostris an in senatu an in 2 castris adoptio nuncuparetur. iri in castra placuit: honorificum id militibus fore, quorum favorem ut largitione et ambitu male adquiri, ita per bonas artes haud spernendum. circumsteterat interim Palatium publica exspectatio, magni secreti impatiens; et male coercitam famam supprimentes augebant.

18 Quartum idus I anuarias, foedum imbribus diem, 1 tonitrua et fulgura et caelestes minae ultra solitum turbaverant. observatum id antiquitus comitiis dirim en dis non terruit Galbam, quo minus in castra pergeret, contemptorem talium ut fortuitorum, seu quae fato manent, quamvis significata, non vitantur. apud 1 frequenterei militum contionem imperatoria brevitate adoptari a se Pisonem exemplo divi Augusti et more militari, quo vir virum legeret, pronuntiat. ac ne dissimulata seditio in maius crederetur, ultro adseverat quartam et duoetvicesimam legiones, paucis seditionis auctoribus, non ultra verba ac voces errasse et brevi in officio fore, nec ullum orationi aut lenocinium addit aut pretium. tribuni tarnen centurionesque et proximi j militum grata auditu respondent: per ceteros maestitia ac silentium, tam quam usurpatam etïam in pace donativi necessitatem bello perdidissent. constat potuisse

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zeigte er sich ehrerbietig, in Äußerungen über seine eigene Person bescheiden; in Gesichtsausdruck und Haltung war kein Wandel zu bemerken; es sah ganz so aus, als sei er zum Herrschen mehr befähigt als eigentlich herrschbegierig. In der Folge überlegte man, ob die Adoption auf der Rednerbühne, im Senat oder im Lager bekanntgegeben werden solle. Man beschloß, in das Lager zu gehen: Dies würden die Soldaten als ehrenvoll empfinden, deren Geneigtheit durch Spenden und Gunstbuhlerei zu erstreben zwar von Obel, sich dabei aber löblicher Mittel zu bedienen, durchaus nicht verwerflich sei. Indessen hatte sich die erwartungsvolle Menge um den Kaiserpalast geschart, voll Ungeduld auf die Enthüllung des großen Geheimnisses; der Versudi, das notdürftig verhaltene Gerücht von dem Vorgang zu unterdrücken, trug erst recht zu seiner Verbreitung bei. Den 10. Januar, einen scheußlidien Regentag, hatten Donner, Blitz und sonstige drohende Himmelszeidien außergewöhnlich beunruhigend erscheinen lassen. Wahrend die Beobachtung solcher Himmelszeichen seit jeher zur Auflösung von Volksversammlungen führte, schreckten sie Galba nicht ab, sich ins Lager zu begeben, weil er derartige Dinge grundsätzlich als Zufallsersdieinungen betrachtete, vielleicht audi im Gedanken, daß einem zu gewärtigenden Schicksal trotz aller Ankündigungen nicht zu entgehen sei. Vor zahlreich versammelter Mannschaft erklärte er in der bei Befehlshabern beliebten Art kurz und bündig, daß er nach dem Beispiel des verewigten Augustus und nach dem beim Militär herrschenden Brauch der Wahl von Mann zu Mann den Piso adoptiere. U m die Meuterei nicht zu verschweigen und ihr dadurch eine übertriebene Bedeutung beimessen zu lassen, versicherte er von sich aus, die 4. und die 22. Legion seien unter dem Einfluß von ein paar Rädelsführern auf einen Abweg geraten, dodi sei es dabei zu nichts weiter als zu bloßen Worten und einer Schreierei gekommen; die Sache werde überdies bald wieder in Ordnung sein. Leider fügte er seiner Rede kein gewinnendes Wort hinzu, keine Silbe von einem Geldgeschenk. Dennoch hörte sich das, was die Tribunen, die Centurionen und die ihnen zunächst stehenden Soldaten antworteten, erfreulich an; unter dem übrigen Heervolk aber herrschte Niedergeschlagenheit und Schweigen beim Gedanken, daß man das sogar in Friedenszeit beanspruchte, als unumgänglich betrachtete Geldgeschenk trotz der kriegerischen Zustände einbüßen solle. Feststeht, daß

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conciliari ánimos quantulacumque parci senis liberalitate: nocuit antiquus rigor et nimia severitas, cui iam pares non sumus. 19 Inde apud senatum non comptior Galbae, non longior ι quam apud militem sermo; Pisonis comis oratio, et patrum favor aderat: multi volúntate, effusius qui noluerant, medii ac plurimi obvio obsequio, privatas spes agitantes sine publica cura, nec aliud sequenti quadriduo, quod medium inter adoptionem et caedem fuit, dictum a Pisone in publico factumve. crebrioribus in dies Ger- ι manicae defectionis nuntiis et facili civitate ad accipienda credendaque omnia nova, cum tristia sunt, censuerant patres mittendos ad Germanicum exercitum legatos, agitatum secreto, num et Piso proficisceretur, maiore praetextu, illi auctoritatem senatus, hie dignationem Caesaris laturus. placebat et Laconem praetorii praefectum simul mitti: is Consilio intercessi t. legati quoque (nam senatus electionem Galbae permiserat) foeda inconstantia nominati excusati substituti, ambitu remanendi aut eundi, ut quemque metus vel spes impulerat.

20 Próxima pecuniae cura; et cuncta scrutantibus ι iustissimum visum est inde repeti, ubi inopiae causa erat, bis et vicies milies sestertium donationibus Nero effuderat: appellari singulos iussit, decuma parte liberalitatis apud quemque eorum relieta, at illis vix decumae super portiones erant, isdem erga aliena sumptibus quibus sua prodegerant, cum rapacissimo cuique

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sich die Leute durch eine wenn auch noch so geringe Freigebigkeit des knauserigen Alten hätten gewinnen lassen. Als schädlidi erwiesen sidi für Galba seine altrömische Härte, seine übertriebene Strenge: Eigenschaften, für die wir nidit mehr redit zu haben sind. Die nachfolgende Rede Galbas vor dem Senat war ebenso nüchtern, ebenso kurz wie die vor den Soldaten. Pisos Ansprache war freundlich, und so blieb bei ihr auch der Beifall der Senatoren nicht aus. Viele äußerten ihn aus herzlicher Zuneigung heraus, in überschwenglicherer Art taten es die, die anfänglich mit ihm nicht einverstanden waren, mit aufdringlicher Unterwürfigkeit aber die Neutralen; diese machten die Mehrzahl aus; es waren Leute, die unbekümmert um den Staat ihre persönlichen Interessen verfolgten. In den folgenden vier Tagen, der Zeit zwischen seiner Adoption und seiner Ermordung, enthielt sich Piso weiterer öffentlicher Reden oder Handlungen. Wegen der sich von Tag zu Tag mehrenden Nachrichten über die Abfallsbewegung in Germanien und der Neigung der Bürgerschaft, alles Neue, wenn es nur eine Hiobsbotschaft ist, gläubig hinzunehmen, waren die Senatoren dafür, daß man Gesandte zum Heer in Germanien schicke. Eine Sonderbesprechung galt der Frage, ob nicht zum Zweck stärkerer Aufmachung auch Piso mitreisen solle, da die anderen Gesandten nur das dem Senat gezollte Ansehen mit sich brächten, Piso aber den hohen Rang eines Cäsars. Audi Laco, der Prätorianerpräfekt, sollte mitgeschickt werden; er erhob aber selbst Einspruch gegen den Plan. Auch bei den Abgeordneten (deren Wahl ja der Senat Galba überlassen hatte) gab es infolge Galbas übler Unentschlossenheit Ernennungen, ablehnende Ausreden, Neuwahlen: die einzelnen gingen, je nachdem Furcht oder Hoffnung sie bestimmte, den und jenen an, um so dableiben zu dürfen oder mitgehen zu können. Die nächste Sorge galt der Beschaffung von Geld; bei der Untersuchung aller Möglichkeiten dazu erschien es am gerechtesten, es dort wieder zu holen, woher die Finanznot kam. 2200 Millionen Sesterzien hatte Nero durch Schenkungen verschleudert. Galba befahl nun, die einzelnen Nutznießer gerichtlich zu mahnen; doch sollte der zehnte Teil der empfangenen Spende jedem von ihnen gelassen werden. Sie hatten aber kaum noch ein Zehntel übrig, da sie mit fremdem Eigentum ebenso gehaust hatten wie beim Verbrauch ihres eigenen Besitztums und da so

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ac perditissimo non agri aut faenus, sed sola instrumenta vitiorum manerent. exactioni triginta équités R o - 2 mani praepositi, novum officii genus et ambitu ac numero onerosum: ubique hasta et sector, et inquieta urbs actionibus. ac tarnen grande gaudium, quod tam pauperes forent quibus donasset Nero quam quibus abstulisset. exauctorati per eos dies tribuni, e praetorio 3 Antonius Taurus et Antonius Naso, ex urbanis cohortibus Aemilius Pacensis, e vigilibus Iulius Fronto. nec remedium in ceteros fuit, sed metus initium, tamquam per artem et formidine singuli pellerentur omnibus suspectis.

21 Interea Othonem, cui compositis rebus nulla spes, 1 omne in túrbido consilium, multa simul exstimulabant, luxuria etiam principi onerosa, inopia vix privato toleranda, in Galbam ira, in Pisonem invidia; fingebat et metum, quo magis concupisceret: praegravem se Neroni fuisse, nec Lusitaniam rursus et alterius exilii honorem exspectandum. suspectum semper invisumque dominantibus qui proximus destinaretur. nocuisse id sibi apud senem principem, magis nociturum apud iuvenem ingenio trucem et longo exilio efferatum: occidi Othonem posse, proinde agendum audendumque, dum Gal- 2 bae auctoritas fluxa, Pisonis nondum coaluisset. opportunos magnis conatibus transitus rerum, nec cunctatione opus, ubi perniciosior sit quies quam temeritas. mortem omnibus ex natura aequalem oblivione apud

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der ganzen verkommenen Räuberbande nicht Äcker und zinstragendes Kapital geblieben waren, sondern höchstens Mittel und Werkzeug für ihr Lasterleben. Mit der Geldeintreibung wurden 30 römische Ritter beauftragt: ein neuartiges, wegen der zu erwartenden Gunstbuhlerei und der Zahl der Schuldner beschwerliches Amt. Uberall gab es Zwangsversteigerungen, Giiteraufkäufe, Gerichtsverhandlungen, die die Stadt beunruhigten. Trotzdem frohlockte man gewaltig, sollten doch die von Nero Beschenkten nidit besser daran sein als die von ihm Beraubten. Aus dem Dienst entlassen wurden in jenen Tagen vier Tribunen: Antonius Taurus und Antonius Naso aus der Reihe der Prätorianer, Ämilius Pacensis aus den Kohorten im Garnisonsdienst, Julius Fronto aus der Polizeiwache. Es war dies aber kein Eingriff, der auch auf die übrigen gewirkt hätte, sondern höchstens ein erster Schreckschuß; war es doch, wie wenn man aus List und aus Furcht nur den einen und anderen verstoße, während tatsächlich doch alle verdächtig waren. Inzwischen stachelte den Otho, der von einem wohlgeordneten Zustand der Dinge nichts zu erwarten gehabt hätte und dessen ganzes Planen mit einem Wirrwarr rechnete, vielerlei gleichzeitig zum Handeln an: seine Schwelgerei, die selbst ein fürstliches Einkommen überbelastete, sein Geldmangel, der von einem Privatmann kaum ertragen werden konnte, sein Grimm gegen Galba und sein Neid auf Piso. Er schützte auch Befürchtungen für seine Sicherheit vor, um seinen persönlichen Wünschen um so mehr nachgehen zu können. Höchst unbequem sei er bereits dem Nero gewesen, ein zweites Lusitanien aber und damit eine abermalige ehrenvolle Verbannung habe er nicht mehr zu erwarten. Verdächtig und verhaßt sei bei den Herrschern stets, wer als nächster Ihronanwärter bezeichnet werde. Geschadet habe ihm das bei dem greisen Fürsten, noch mehr werde es ihm schaden bei dem jungen Mann, der sdion von N a t u r schroff und während seiner langen Verbannung verwildert sei. Einen Otho aus der Welt zu schaffen, das sei kein Kunststück. Deshalb gelte es zu handeln und etwas zu wagen, solange Galbas Ansehen wanke, das Pisos noch ungefestigt sei. Zeiten des Machtwechsels seien günstig für große Unternehmungen, audi dürfe man nidit zaudern in Fällen, wo ruhiges Verhalten verderblicher sei als verwegenes Zugreifen. Der Tod sei von Natur uns allen in gleicher Weise bestimmt, ein Unterschied ergebe sich nur darin, ob ihm Vergessenheit bei der Nachwelt

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posteros vel gloria distingui; ac si nocentem innocentemque idem exitus maneat, acrioris viri esse merito perire. 22 N o n erat Othonis mollis et corpori similis animus, ι et intimi libertorum servorumque, corruptius quam in privata domo habiti, aulam Neronis et luxus, adulteria matrimonia ceterasque regnorum libídines avido talium, si auderet, ut sua ostentantes, quiescenti ut aliena exprobrabant, urgentibus etiam mathematicis, dum novos motus et clarum Othoni annum observatione siderum adfirmant, genus hominum potentibus infidum, sperantibus fallax, quod in civitate nostra et vetabitur semper et retinebitur. multos secreta Poppaeae mathematicos, 2 pessimum principalis matrimonii instrumentum, habuerant: e quibus Ptolemaeus Othoni in Hispania comes, cum superfuturum eum Neroni promisisset, postquam ex eventu fides, coniectura iam et rumore senium Galbae et iuventam Othonis computantium persuaserat fore ut in imperium adscisceretur. sed Otho tamquam peritia et monitu fatorum praedicta accipiebat, cupidine ingenii humani libentius obscura credendi. nec deerat Ptolemaeus, iam et sceleris instinctor, ad quod facillime ab eius modi voto transitur.

23 Sed sceleris cogitatio incertum an repens: studia mili- · tum iam pridem spe successionis aut paratu facinoris adfectaverat, in itinere, in agmine, in stationibus vetustissimum quemque militum nomine vocans ac memoria Neroniani comitatus contubernales appellando; alios ad-

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oder Ruhm folge. Wenn ferner den Schuldigen wie den Unschuldigen das gleiche Todeslos erwarte, so gehöre es sich für jeden einigermaßen mutigen Mann, nach verdienstvollen Taten in den Tod zu gehn. Geistig war Otho nicht von so unmännlicher Art wie körperlidi. Freilich wiesen die Vertrautesten unter seinen Freigelassenen und Sklaven, die für einen Privathaushalt in allzu schlaffer Zucht gehalten wurden, ihn, der nach solchen sinnlichen Genüssen verlangte, auf Neros Hofleben mit all seinen Ausschweifungen, Ehebrüchen, seinem ewigen Frauenwechsel und der Befriedigung sonstiger Herrsdiergelüste als auf sein persönliches Vorrecht hin; er müsse nur den Mut dazu haben. Wenn er sich jedoch nidit rühre, so werde, meinten sie in vorwurfsvollem Ton, alles eben einem anderen zufallen. Auch Astrologen, die auf Grund ihrer Beobachtung der Gestirne allerlei Umwälzungen und ein für Otho glanzvolles Jahr sicher prophezeiten, bearbeiteten ihn, diese im Verkehr mit Mächtigen unzuverlässige, gegenüber Hoffnungsfreudigen auf Lug und Trug sinnende Mensdiensorte, die man in unserem Staate immer wieder ausweisen und dann dodi dalassen wird. So manche Astrologen, das schlimmste Zubehör in der Ehe eines Fürsten, hatte es in Poppäas Privatkabinett gegeben; einer von ihnen, Ptolemäus, war Othos Begleiter in Spanien gewesen. Als seine Prophezeiung, Otho werden den Nero überleben, sich tatsächlich bestätigte, redete er auf Grund eigener Mutmaßungen und durch das mit Galbas Greisenalter und Othos Jugend rechnende allgemeine Gerede bestimmt diesem audi nodi ein, daß man ihn zur Thronfolge berufen werde. Otho nahm dies wie eine auf Sachkenntnis und Sdiicksalswink gegründete Voraussage gläubig auf; ist dodi das menschliche Herz geneigt, besonders gern an Geheimnisvolles zu glauben. Dazu tat Ptolemäus das Seine; planmäßig stiftete er Otho weiterhin zu dem Verbrechen an, zu dem man von solchen Gelüsten aus so leicht übergeht. Der Gedanke an dieses Verbrechen tauchte bei Otho schwerlich erst jetzt plötzlich auf; schon längst hatte er sidi in der Hoffnung auf die Thronfolge oder zur Vorbereitung des Unternehmens um die Gunst der Soldaten bemüht, indem er unterwegs in der Marschkolonne, im Quartier gerade die dienstältesten Leute namentlich anredete und sie in Erinnerung an die Zeit, wo sie Neros Gefolge bildeten, als Kameraden bezeichnete; bei anderen wieder tat er so, als ob er sich plötzlich

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gnoscere, quosdam requirere et pecunia aut gratia iuvare, inserendo saepius querelas et ambiguos de Galba sermones quaeque alia turbamenta volgi, labores itinerum, 2 inopia commeatuum, duritia imperii atrocius accipiebantur, cum Campaniae lacus et Achaiae urbes classibus adire soliti Pyrenaeum et Alpes et immensa viarum spatia aegre sub armis eniterentur.

24 Flagrantibus iam militum animis velut faces addiderat 1 Maevius Pudens, e proximis Tlgellini. is mobilissimum quemque ingenio aut pecuniae indigum et in novas cupiditates praecipitem alliciendo eo paulatim progressus est, ut per speciem convivii, quotiens Galba apud Othonem epularetur, cohorti excubias agenti viritim centenos nummos divideret. quam velut publicam lar- 2 gitionem Otho secretioribus apud singulos praemiis intendebat, adeo animosus corruptor, ut Cocceio Proculo speculatori de parte ânium cum vicino ambigenti universum vicini agrum sua pecunia emptum dono dederit, per socordiam praefecti, quem nota pariter et occulta fallebant. 25 Sed tum e libertis Onomastum futuro sceleri prae- 1 fecit, a quo Barbium Proculum tesserarium speculatorum et Veturium optionem eorundem perductos, postquam vario sermone callidos audacesque cognovit, pretio et promissis onerat, data pecunia ad pertemptandos plurium ánimos, suscepere duo manipulares imperium populi Romani transferendum et transtulerunt. in conscien- 2 tiam facinoris pauci adsciti: suspensos ceterorum ánimos

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auf sie besinne, erkundigte sich nach dem und jenem aus der Mannschaft, half mit Geld oder seinem persönlichen Einfluß nach; dabei ließ er öfters Klagen oder zweideutige Reden über Galba einfließen und bediente sich der sonstigen Mittel zu Aufwiegelung der Menge. Die Strapazen der Märsche, das Ausbleiben der Zufuhr, das strenge Kommando nahmen die Leute mit um so größerem Ingrimm hin, als sie, die gewöhnt waren, Kampaniens Buchten und die Städte Achäas zu Schiff zu besuchen, jetzt unter der Last der Waffen mühsam die Pyrenäen und Alpen erklimmen und endlose Wegstrecken zurücklegen sollten. Den bereits leidenschaftlich erhitzten Gemütern der Soldaten hatte Mävius Pudens, eine dem Tigellinus nahestehende Persönlichkeit, gleichsam neuen Zündstoff zugeführt. In seinem Streben, alle wankelmütigen oder geldbedürftigen und daher auf einen Umsturz versessenen Soldaten an sich zu locken, ging er allmählich so weit, daß er jedesmal, wenn Galba bei Otho speiste, unter der Form eines Kostgeldes an jeden Mann der wachhabenden Kohorte hundert Sesterzien verteilte; diese sozusagen vor aller Augen gegebene Spende erhöhte Otho bei einzelnen Männern noch durdi heimlichere Gaben. Dabei betrieb er die Bestechung so dreist, daß er für den Leibwächter Cocceius Proculus, der mit einem Nachbarn im Grenzstreit lag, den ganzen Acker des Nachbarn aus eigener Tasche bezahlte und ihn ihm gesdienkweise überließ, was nur infolge der Gleichgültigkeit des Präfekten möglich war, der einfach von nichts, mochte es offenkundig oder geheim sein, etwas merkte. In der Folge aber beauftragte Otho den Onomastus, einen seiner Freigelassenen, mit der Durchführung des geplanten Verbrechens; der führte den Paroleträger der Leibwächter Barbius Proculus und den bei der gleichen Abteilung stehenden Feldwebel Veturius zu ihm. Als Otho in einem Gespräch über verschiedene Gegenstände ihre Schlauheit und Verwegenheit kennengelernt hatte, überhäufte er sie mit Geschenken und Versprechungen und gab ihnen weiteres Geld, damit sie sich auch nodi an weitere Kameraden heranmachten, um sie herumzubringen. So waren es zwei einfache Manipelangehörige, die es auf sidi nahmen, die Herrschaft über das römische Volk in andere Hände zu bringen, und es audi wirklich fertigbrachten. Zur Mitwisserschaft bei dem Verbrechen wurden nur wenige beigezogen; was es sonst noch an unentschiedenen Leuten gab,

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diversis artibus stimulant, primores militum per beneficia Nymphidi ut suspectos, volgus et ceteros ira et desperatione dilati totiens donativi, erant quos memoria Neronis ac desiderium prioris licentiae accenderet: in commune omnes metu mutandae militiae terrebantur.

26 Infecit ea tabes legionum quoque et auxiliorum motas 1 iam mentes, postquam volgatum erat labare Germanici exercitus fidem. adeoque parata apud malos seditio, etiam apud Íntegros dissimulatio fuit, ut postero iduum Ianuariarum die redeuntem a cena Othonem rapturi fuerint, ni incerta noctis et tota urbe sparsa militum castra nec facilem inter temulentos consensum timuissent, non rei publicae cura, quam foedare principis sui sanguine sobrii parabant, sed ne per tenebras, ut quisque Pannonici vel Germanici exercitus militibus oblatus esset, ignorantibus plerisque, pro Othone destinaretur. multa erumpentis seditionis indicia per conscios oppres- 2 sa: quaedam apud Galbae aures praefectus Laco elusit, ignarus militarium animorum consiliique quamvis egregii, quod non ipse adferret, inimicus et adversus peritos pervicax.

27 Octavo decimo kalendas Februarias sacrificanti pro 1 aede Apollinis Galbae haruspex Umbricius tristia exta et instantes insidias ac domesticum hostem praedicit, audiente Othone (nam proximus adstiterat) idque ut laetum e contrario et suis cogitationibus prosperum interpretante, nec multo post libertus Onomastus nun-

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wurde durch verschiedene Mittel aufgestachelt: die Chargierten durch den Hinweis auf den Verdacht, in den sie durch die von Nymphidius vermittelten Beförderungen gekommen waren, der übrige große Haufen durch Erregung des Zorns darüber, daß das so oft verschobene Geldgeschenk aussichtslos verloren sei. Manche feuerte die Erinnerung an Nero und die Sehnsucht nach der früheren Zuchtlosigkeit an; alle zusammen aber setzte die Furcht vor einer Strafversetzung in eine andere Waffengattung in Schrecken. Die Gärung grifi audi auf die Stimmung der Legionen und Hilfstruppen über, die schon seit der Kunde über die wankende Treue des Heeres in Germanien unruhig geworden waren. So gut vorbereitet war bei den üblen Elementen die Meuterei, so stark bei den noch nicht Verführten die Absicht, von all dem nichts merken zu wollen, daß man am Tag nach den Iden des Januar Otho, der von einem Gastmahl heimkehrte, mit fortgerissen hätte, wenn man nicht die nächtliche Unsicherheit, die über die ganze Stadt hin verteilten Soldatenquartiere und die Schwierigkeit, unter der berauschten Menge ein einheitliches Handeln zustandezubringen, gefürchtet hätte. Die Sache unterblieb nicht aus Sorge um den Staat, den mit dem Blut des Fürsten zu beflecken man sich eben in aller Nüchternheit anschickte, sondern aus der Besorgnis, es möchte in der Dunkelheit der erste beste Mann, der den Soldaten des sogenannten pannonischen oder germanischen Heeres in den Weg laufe, an Stelle Othos, den ja die meisten nicht kannten, erkoren werden. Nicht wenige Anzeichen, die auf den Ausbruch der Empörung deuteten, wurden von Mitwissern unterdrückt. Einige jener Anzeichen wies vor Galbas Ohren der Präfekt Laco leichtfertig von der H a n d ; er war ja ein Mann ohne jedes Verständnis des Soldatengeistes, ein Feind selbst der trefflichsten Ratschläge, soweit sie nicht eben von ihm stammten, dazu voller Eigensinn selbst sachkundigen Leuten gegenüber. Als Galba am 15. Januar vor dem Apollotempel opferte, verkündete ihm der Opfersdiauer Umbricius, daß es mit den Eingeweiden der Opfertiere übel bestellt sei, daß ihm Nachstellungen drohten und sich in seinem Hause ein Landesfeind umtreibe. Diese Worte legte Otho, der sie mit anhörte (er hatte sich nämlich ganz in die Nähe gestellt), im Gegenteil als erfreulich und seinen Absichten günstig aus. Gleich danach erhielt er durch den Freigelassenen Onomastus den Bescheid, er werde

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tiat exspectari eum ab ardiitecto et redemptoribus, quae significano coeuntium iam militum et paratae coniurationis convenerat. Otho, causam digressus requirenti- 2 bus, cum emi sibi praedia vetustate suspecta eoque prius exploranda finxisset, innixus liberto per Tîberianam domum in Velabrum, inde ad miliarium aureum sub aedem Saturni pergit. ibi tres et viginti speculatores consalutatum imperatorem ac paucitate salutantium trepidum et sellae festinanter impositum strictis mucronibus rapiunt; totidem ferme milites in itinere adgregantur, alii conscientia, plerique miraculo, pars clamore et gladiis, pars silentio, animum ex eventu sumpturi.

28 Stationem in castris agebat Iulius Martialis tribunus. is magnitudine subiti sceleris, an corrupta latius castra et, si contra tenderet, exitium metuens, praebuit plerisque suspicionem conscientiae. anteposuere ceteri quoque tribuni centurionesque praesentia dubiis et honestis, isque habitus animorum fuit, ut pessimum facinus auderent pauci, plures vellent, omnes paterentur.

29 Ignarus interim Galba et sacris internus fatigabat 1 alieni iam imperii deos, cum adfertur rumor rapi in castra incertum quem senatorem, mox Othonem esse qui raperetur, simul ex tota urbe, ut quisque obvius fuerat, alii formidine augentes, quidam minora vero, ne tum quidem obliti adulationis. igitur consultantibus placuit pertemptari animum cohortis, quae in Palatio stationem agebat, nec per ipsum Galbam, cuius integra

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von einem Baumeister und von Bauunternehmern erwartet; diese Meldung sollte, wie vereinbart war, andeuten, daß sich die Soldaten schon sammelten und die Verschwörung reif zum Ausbruch sei. Auf die Frage nach dem Grund seines 'Weggehens gab Otho vor, es handle sich für ihn um den Kauf eines Landgutes, das wegen seines Alters in verdächtigem Zustand und deshalb vorher zu besichtigen sei. Danach eilte er, sich auf seinen Freigelassenen stützend, durch den Uberius-Palast auf das Velabrum und von da zum Goldenen Meilenstein in die Nähe des Saturntempels. Dort begrüßten ihn 23 Leibwächter als Kaiser, hoben ihn, der über ihre geringe Zahl bestürzt war, schnell auf einen Tragsessel, zückten ihre Schwerter und braditen ihn eilends fort. Unterwegs schlössen sidi fast ebensoviel Soldaten dem Zug an, die einen, da sie in den Fall eingeweiht waren, die Mehrzahl aus Verwunderung. Ein Teil tat es unter Freudengeschrei, andere, die erst nadi dem Ausgang der Sache ihre Entscheidung treffen wollten, in vorläufigem Stillschweigen. Die Lagerwache hatte der Tribun Martialis. Mag sein, daß er infolge der Ungeheuerlichkeit des völlig unerwarteten Frevels besorgt war oder eine weitere Ausbreitung der Verführung im ganzen Lager, im Fall seines eigenen Widerstandes aber ein schlimmes Ende für sich befürchtete - jedenfalls erweckte er bei den meisten den Eindruck, er sei in die Sache eingeweiht. Audi die übrigen Tribunen und Centurionen zogen die Lage, wie sie sich ergeben hatte, einem zwar rechtlichen, doch ungewissen Zustand vor, und so herrschte eine Geistesverfassung, in der nur wenige bei dem argen Verbrechen mitzumachen wagten, die Mehrzahl es begrüßte, alle es ruhig mitansahen. Inzwischen bestürmte Galba, ahnungslos und mit seinen Gedanken ganz beim Opfer, die Gotter des für ihn eigentlich schon verlorenen Reiches, als plötzlich das Gerücht auftauchte, eben werde ein Senator - der Name stehe nicht fest - ins Lager gebracht; unmittelbar nachher sprach man von Otho als dem Betreffenden. Zugleich kamen von überallher aus der Stadt, wie sie eben auf den Zug gestoßen waren, Leute mit Nachrichten, in denen man unter dem Eindruck des Schreckens teils übertrieb, manchmal audi hinter der Wahrheit zurückblieb, allerdings selbst jetzt nicht auf Schmeichelei verzichtete. Bei der folgenden Beratung kam man zu dem Entschluß, die Gesinnung der Wachkohorte im Palast auf die Probe zu stellen, doch ohne Galbas Mitwirken, dessen ungeschwächtes Ansehen

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auctoritas maioribus remediis servabatur. Piso pro gradi- 2 bus domus vocatos in hunc modum adlocutus est: 'sextus dies agitur, commilitones, ex quo ignaras futuri, et sive optandum hoc nomen sive timendum erat, Caesar adscitus sum; quo domus nostrae aut rei publicae fato, in vestra manu positum est, non quia meo nomine tristiorem casum paveam, ut qui adversas res expertus cum maxime discam ne secundas quidem minus discriminis habere: patris et senatus et ipsius imperii vicem doleo, si nobis aut perire hodie necesse est aut, quod aeque apud bonos miserum est, occidere. solacium proximi motus habebamus incruentam urbem et res sine discordia translatas: provisum adoptione videbatur, ut ne post Galbam quidem bello locus esset.

30 Nihil adrogabo mihi nobilitatis aut modestiae; neque 1 enim relatu virtutum in comparatione Othonis opus est. vitia, quibus solis gloriatur, evertere imperium, etiam cum amicum imperatoris ageret. habitune et incessu an ilio muliebri ornatu mereretur imperium? falluntur quibus luxuria specie liberalitatis imponiti perdere iste seiet, donare nesciet. stupra nunc et comissationes et feminarum coetus volvit animo: haec principalis praemia putat, quorum libido ac voluptas penes ipsum sit, rubor ac dedecus penes omnes; nemo enim umquam imperium flagitio quaesitum bonis artibus exereuit. Galbam consensus generis humani, me Galba 2 consentientibus vobis Caesarem dixit, si res publica et senatus et populus vacua nomina sunt, vestra, commilitones, interest, ne imperatorem pessimi faciant. legionum

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für entscheidendere Gegenmaßnahmen aufgespart werden sollte. Vorne auf den Stufen des Palastes sprach Piso zu den dort zusammengerufenen Leuten folgendermaßen: „Es ist jetzt der sechste Tag, Kameraden, seit ich, ohne eine Ahnung von der Zukunft zu haben, ohne einen Gedanken, ob der mir zugedachte Titel zu ersehnen oder zu fürchten sei, zum Cäsar erkoren wurde. Welches Los dadurdi meinem Hause oder dem Staat zuteil wird, liegt in eurer Hand. Es ist nicht so, als ob ich für meine Person vor einem traurigeren Geschick Angst hätte; weiß idi doch aus eigener Erfahrung, was Unglück heißt, und merke es eben jetzt, daß auch das Glück nicht mit geringeren Gefahren verbunden ist. Was meinen Adoptivvater, den Senat und das Reich selbst betrifft, so schmerzt es mich, wenn ich heute umkommen oder - in den Augen Gutgesinnter ist es ebenso bitter - zum Mörder werden müßte. Beim letzten Umsturz sahen wir einen Trost darin, daß in der Stadt kein Blut floß und sich der Regierungswechsel ohne Bürgerkrieg vollzog. Durch die Adoption schien dafür gesorgt, daß es auch nach Galba keine Kriegsmöglichkeit mehr gebe. Meine vornehme Geburt oder mein Wohlverhalten irgendwie geltend zu machen, daran denke idi nicht; denn einer Aufzählung von Vorzügen braucht es bei einem Vergleich mit Otho nicht. Seine Laster, das einzige, womit er sidi brüsten kann, untergruben das Reich schon damals, als er noch den Freund des Kaisers spielte. Sollte er etwa durch sein bloßes Aussehen, sein Einherstolzieren oder den auffallenden weibischen Aufputz die Regentschaft verdient haben? Wem eine unter scheinbarer Freigebigkeit auftretende Verschwendung imponiert, der täusdit sich. Ein Mensch von Othos Art wird zu vergeuden verstehen, vom Schenken versteht er nichts. Hurerei, Umzüge mit Zechgenossen, Damengesellschaften: das ist es, was ihm jetzt im Sinn liegt, das sind nach seiner Meinung die Vorrechte des Regenten, deren zügelloser Genuß ihm zustehe, während die damit verbundene Schmach und Schande der Anteil der Allgemeinheit sei. Noch niemals hat ja jemand eine schurkisch erworbene Herrschaft in lobenswerter Weise ausgeübt. Den Galba hat die allseitige Zustimmung des Menschengeschlechtes zum Cäsar gemacht, midi mit eurer Zustimmung Galba. Sollten Staat, Senat und Volk wirklich nur nichtssagende Namen sein, dann kommt es auf euch an, Kameraden, daß nicht das übelste Lumpengesindel jemand zum Kaiser macht. Von einer Auf-

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seditio adversus duces suos audita est aliquando: vestra fides famaque inlaesa ad hunc diem mansit. et Nero quoque vos destituit, non vos Neronem. minus triginta 3 transfugae et desertores, quos centurionem aut tribunum sibi eligentes nemo ferret, imperium adsignabunt? admittitis exemplum et quiescendo commune crimen facitis? transcendet haec licentia in provincias, et ad nos scelerum exitus, bellorum ad vos pertinebunt. nec est plus, quod pro caede principis quam quod innocentibus datur, sed proinde a nobis donativom ob fidem quam ab aliis pro facinore accipietis.' 31 Dilapsis speculatoribus cetera cohors non aspernata 1 contionantem, ut turbidis rebus evenit, forte magis et nullo adhuc Consilio rapit signa quam, quod postea creditum est, insidiis et simulatione. missus et Celsus Marius 2 ad electos Illyrici exercitus Vipsania in porticu tendentes; praeceptum Amullio Sereno et Domitio Sabino primipilaribus, ut Germánicos milites e Libertatis atrio accerserent. legioni classicae diffidebatur, infestae ob caedem commilitonum, quos primo statim introitu trucidaverat Galba, pergunt etiam in castra praetorianorum tribuni Cetrius Severus, Subrius Dexter, Pompeius L j n ginus, si incipiens adhuc et necdum adulta seditio melioribus consiliis flecteretur. tribunorum Subrium et Ce- 3 trium adorti milites minis, Longinum manibus coercent exarmantque, quia non ordine militiae, sed e Galbae amicis, fidus principi suo et desciscentibus suspectior erat, legio classica nihil cunctata praetorianis adiungitur; Illyrici exercitus electi Celsum infestis pilis proturbant.

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lehnung der Legionen gegen ihre Führer hat man wohl dann und wann gehört; eure Treue, euer Ruf sind bis auf den heutigen Tag makellos geblieben. Und was Nero betrifft, so hat er eudi, nidit ihr ihn verlassen. Sollen knapp dreißig Überläufer und Ausreißer, Leute, denen niemand die selbständige Wahl eines Centurio oder Tribunen erlauben würde, sollen die den Thron vergeben? Wollt ihr ein solches Beispiel zulassen, still dabei sein und so das Verbrechen verallgemeinern? Dieser Unfug wird auf die Provinzen übergreifen und die Folgen des Verbrechens uns, die der Kriege euch treffen. Dabei ist der Lohn, den ihr für einen Fürstenmord erhaltet, nicht größer, als was ihr bekommt, wenn ihr schuldlos bleibt; ihr werdet vielmehr von uns ebensogut ein Geldgeschenk für eure Treue empfangen wie von anderen eines für eine Greueltat." Nachdem sich die Leibwächter zerstreut hatten, trat der übrige Teil der Kohorte, der den Vortrag nicht ohne Teilnahme angehört hatte, alsbald unter die Waffen; wie es bei Unruhen zu gehen pflegt, geschah es mehr zufällig und ohne vorhergehenden Plan als, wie man später annahm, aus Hinterhältigkeit und Verstellung. Zugleich wurde Celsus Marius zu den aus dem illyrischen Heer abgezweigten, in der vipsanisdien Säulenhalle liegenden Mannschaften gesandt; die Primipilaren Amullius Serenus und Domitius Sabinus erhielten die Weisung, Teile der germanischen Armeekorps aus dem Vorhof des Freiheitstempels herbeizuholen. Der Matrosenlegion traute man nicht recht, da sie noch erbittert war wegen des Todes ihrer Kameraden, die Galba gleich bei seinem Einmarsch in Rom hatte niederhauen lassen. Auch in das Prätorianerlager begaben sich drei Tribunen: Cetrius Severus, Subrius Dexter und Pompeius Longinus, um zu sehen, ob sich vielleidit die erst im Entstehen begriffene, nodi nidit ausbrudisreife Empörung durch bessere Ratschläge abwenden ließe. Ober zwei der Tribunen, Subrius und Cetrius, fielen die Soldaten mit Drohungen her, an Longinus vergriffen sie sidi tätlich und entwaffneten ihn, weil er nicht auf Grund seines militärischen Ranges, sondern als Angehöriger von Galbas Freundeskreis treu zu diesem seinen Fürsten stand und deshalb den im A b f a l l begriffenen Leuten um so verdächtiger war. Die Matrosenlegion schloß sich ohne weiteres den Prätorianern an; die aus dem illyrischen Heer abgezweigten Abteilungen setzten dem Celsus mit ihren Speeren zu und jagten ihn fort; die Sonderabteilungen des germanischen Heeres

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Germanica vexilla diu nutavere, invalidis adhuc corporibus et placatis animis, quod eos a Nerone Alexandriam praemissos atque inde rursus longa navigatione aegros impensiore cura Galba refovebat. 32

Universa iam plebs Palatium implebat, mixtis servitiis < et dissono clamore caedem Othonis et coniuratorum exitium poscentium, ut si in circo aut theatro ludicrum aliquod postularent: neque illis iudicium aut Veritas, quippe eodem die diversa pari certamine postulaturis, sed tradito more quemcumque principem adulandi licentia adclamationum et studiis inanibus.

Interim Galbam duae sententiae distinebant: Titus » Vinius manendum intra domum, opponenda servitia, firmandos aditus, non eundum ad iratos censebat: daret malorum paenitentiae, daret bonorum consensui spatium: scelera Ímpetu, bona Consilia mora valescere; denique eundi ultro, si ratio sit, eandem mox facultatem, regressum, si paeniteat, in aliena potestate.

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Festinandum ceteris videbatur, antequam cresceret 1 invalida adhuc coniuratio paucorum: trepidaturum etiam Othonem, qui furtim digressus, ad ignaros inlatus, cunctatione nunc et segnitia terentium tempus imitari principem discat. non exspectandum ut compositis castris forum invadat et prospectante Galba Capitolium adeat, dum egregius imperator cum fortibus amicis ianua ac limine tenus domum cludit, obsidionem nimirum toleraturus. et praeclarum in servis auxilium, si 1

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aber schwankten ziemlich lange Zeit, waren sie doch körperlich nicht gut beisammen, überdies auch versöhnlich gestimmt, weil Galba sie, die von Nero nach Alexandria vorausgeschickt und von dort infolge der langen Seefahrt krank zurückgekehrt waren, unter ziemlichem Aufwand pflegen ließ und wieder hochbrachte. Schon füllte der gesamte Pöbel, untermischt mit Sklaven, den Kaiserpalast, und wirr hallte das Geschrei der Leute durcheinander, die Othos Tod und die Vernichtung der Verschwörer forderten; es klang, wie wenn sie im Zirkus oder Theater nach irgendeinem Schaustück verlangten. Von Überlegung oder Aufrichtigkeit fehlte dabei jede Spur, sollten sie doch noch am gleichen Tag mit gleichem Eifer das gerade Gegenteil davon verlangen; man handelte vielmehr nach der hergebrachten Sitte, dem Fürsten - ganz gleich, wer es war - unter zügellosen Beifallsrufen und nichtssagenden Sympathiekundgebungen zu huldigen. Inzwischen ließen den Galba die folgenden zwei Vorschläge zu keinem rechten Entschluß kommen: Titus Vinius war dafür, man solle im Palast bleiben, Sklaven zur Gegenwehr aufstellen, die Zugänge sichern, der erzürnten Menge nicht zu nahe kommen; den Übelgesinnten möge Galba zur Reue, den Gutgesinnten zum Zusammenschluß Zeit gönnen; verbrecherischen Absichten verhelfe ungestümes Vorgehen, guten Absichten ruhiges Zuwarten zu starkem Erfolg. Die Möglichkeit zu weiteren offensiven Schritten sei schließlich auch nachher noch in gleicher Weise vorhanden, wenn sie ratsam erschienen; bereits gemachte Sdiritte zurückzutun, falls man sie bereue, sei nicht mehr von eigener Entscheidung abhängig. Auf der anderen Seite meinte man, sich beeilen zu müssen, ehe die vorläufig nodi unbedeutende Verschwörung der paar Leute zunehme; so werde auch Otho in Unruhe geraten, der sich wie ein Dieb davongemacht, sich in die Hände von Leuten geworfen habe, die mit den Verhältnissen nicht vertraut seien, und jetzt während des Zögerns und der Lässigkeit, mit der sie ihre Zeit verlören, den Fürsten spielen lerne. Man dürfe nicht zuwarten, bis er im Lager alles geordnet habe, dann auf das Forum rücke und unter Galbas Augen das Kapitol betrete, indes der „fürtreffliche'' Imperator und seine Heldenfreundschaft, ohne einen Schritt über die Turschwelle zu tun, den Palast einfach zuschließe, in der Erwartung natürlich, eine Belagerung aushalten zu können. Was für eine glänzende Hilfe werde man

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consensus tantae multitudinis et, quae plurimum valet, prima indignatio elanguescat. perinde intuta quae indecora; vel si cadere necesse sit, occurrendum discrimini: id Othoni invidiosius et ipsis honestum. repugnantem huic sententiae Vînium Laco minaciter invasit, stimulante Icelo privati odii pertinacia in publicum exitium.

34 Nec diutius Galba cunctatus speciosiora suadentibus ι accessit, praemissus tamen in castra Piso, ut iuvenis magno nomine, recenti favore et infensus Tito Vinio, seu quia erat, seu quia irati ita volebant; et facilius de odio creditur. vixdum egresso Pisone occisum in castris ι Othonem vagus primum et incertus rumor; mox, ut in magnis mendaciis, interfuisse se quidam et vidisse adfirmabant, credula fama inter gaudentes et incuriosos, multi arbitrabantur compositum auctumque rumorem mixtis iam Othonianis, qui ad evocandum Galbam laeta falso volgaverint.

35 Tum vero non populus tantum et imperita plebs in ι plausus et immodica studia, sed equitum plerique ac senatorum, posito metu incauti, refractis Palatii foribus ruere intus ac se Galbae ostentare, praereptam sibi ultionem querentes, ignavissimus quisque et, ut res docuit, in periculo non ausurus, nimii verbis, linguae feroces; nemo scire et omnes adfirmare, donee inopia veri et consensu errantium victus sumpto thorace Galba inruenti turbae, ñeque aetate neque corpore resistens, sella

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übrigens an den Sklaven haben, wenn die Einigkeit ihre'r Riesenschar und, womit sie noch am meisten auszurichten vermöchten, ihre anfängliche Entrüstung verfliege! Was gegen die Ehre verstoße, das sei in gleicher Weise audi unsicher; selbst wenn der Tod unausweichlich sei, müsse man sidi der Gefahr stellen. Das würde dem Otho nodi größeren H a ß eintragen, ihnen selbst Ehre bringen. Als sich Vinius dieser Ansicht widersetzte, fuhr Laco drohend auf ihn los; Icelus stachelte diesen dabei aus rein persönlicher hartnäckiger Gehässigkeit auch nodi an, der Allgemeinheit zum schweren Verderben. Galba folgte ohne längeres Zögern dem bestechender klingenden Rat. Er schickte jedoch erst den Piso in das Prätorianerlager, der jung und hochangesehen war und sich frischer Gunst erfreute, außerdem mit Titus Vinius nicht gut stand; mochte letzteres nun wirklich so sein oder die Erbitterung es so wünschen: an tatsächlichen H a ß zu glauben, liegt ja näher. Kaum war Piso fort, da verbreitete sich, zunächst nur da und dort und nodi unbestimmt, das Gerücht, Otho sei im Lager umgebracht worden. Nachher versicherten einige, wie es bei Lügen, die ins Große gehen, zu geschehen pflegt, sie seien Augenzeugen gewesen: ein Gerede, auf das man sich aus Freude und Sorglosigkeit gern verließ. Viele meinten, das Gerücht sei absichtlich ersonnen und stark in Umlauf gebracht worden durch Othonianer, die sich bereits eingemischt und, um Galba herauszulocken, eine für ihn erfreulich klingende Lügenmär verbreitet hätten. Daraufhin aber brach nicht nur das Volk und der ahnungslose Pöbel in Beifallsrufe und maßlose Sympathiekundgebungen aus; es sprengten vielmehr zahlreiche Ritter und Senatoren, unvorsichtigerweise aller Furcht ledig, die Tore des Kaiserpalastes, stürzten hinein und traten vor Galba, mit der Klage, daß sie leider um die Möglichkeit gebracht worden seien, rechtzeitig für ihn Rache zu nehmen. Gerade die größten Feiglinge, denen, wie es sich noch zeigte, in der Gefahr jeder Mut fehlen sollte, trumpften übermäßig auf, als rechte Maulhelden. Niemand wußte etwas und dodi ergingen sich alle in festen Behauptungen, bis Galba, angesichts der Unmöglichkeit, der Wahrheit auf die Spur zu kommen, und unter dem Eindruck des allgemeinen Irrsinns seinen Panzer anlegte und wegen seines Alters und seiner Körperschwäche nicht imstande, dem eindringenden Haufen entgegenzutreten, sidi auf einen Tragsessel

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levaretur. obvius in Palatio Iulius Atticus speculator, 2 cruentum gladium ostentans, occisum a se Othonem exclamavit; et Galba 'commilito', inquit, 'quis iussit?' insigni animo ad coercendam militarem licentiam, minantibus intrepidus, adversus blandientes incorruptus. 36 Haud dubiae iam in castris omnium mentes tantusque 1 ardor, ut non contenti agmine et corporibus in sugge stu, in quo paulo ante aurea Galbae statua fuerat, medium inter signa Othonem vexillis circumdarent. nec tribunis aut centurionibus adeundi locus: gregarius miles caveri insuper praepositos iubebat. strepere cuncta clamoribus 1 et tumultu et exhortatione mutua, non tamquam in populo ac plebe variis segni adulatione vocibus, sed ut quemque adfluentium militum adspexerant, prensare manibus, complecti armis, conlocare iuxta, praeire sacramentum, modo imperatorem militibus, modo milites imperatori commendare, nec deerat Otho protendens 3 manus adorare volgum, iacere oscula, et omnia serviliter pro dominatione. postquam universa classicorum legio sacramentum eius accepit, fidens viribus, et quos adhuc singulos exstimulaverat, accendendos in commune ratus pro vallo castrorum ita coepit:

37 'Quis ad vos processerim, commilitones, dicere non 1 possum, quia nec privatum me vocare sustineo princeps a vobis nominatus, nec principem alio imperante, vestrum quoque nomen in incerto erit, donec dubitabitur, imperatorem populi Romani in castris an hostem habeatis. auditisne, ut poena mea et supplicium vestrum simul 2 postulentur? adeo manifestum est neque perire nos

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heben ließ. Wie der Leibwächter Julius Atticus im Palast auf ihn zuging, sein blutiges Schwert schwang und ausrief, er habe Otho umgebracht, erwiderte Galba: „Kamerad, wer hat dich das geheißen?", ein Wort, durch das er seinen hervorragenden Mut, militärische Zügellosigkeit zu unterdrücken, seine Unerschrockenheit gegenüber Drohungen, seine Unbestedilidikeit gegenüber Schmeichlern bewies. Im Prätorianerlager war die allgemeine Stimmung nicht mehr unentschieden, vielmehr die Begeisterung so groß, daß die Leute, nicht zufrieden damit, Otho im Aufzug und auf ihren Sdiultern hergebracht zu haben, am Rednerplatz, wo kurz zuvor Galbas goldene Bildsäule gestanden hatte, Otho, der mitten unter den Fahnen stand, abteilungsweise umringten. Weder Tribunen nodi Centurionen durften sich dem Platz nähern; die Gemeinen verlangten sogar, daß man sich vor den Offizieren in Acht nehmen solle. Der ganze Platz widerhallte von Gesdirei, Tumult, aufmunternden gegenseitigen Zurufen. Es war aber nicht wie beim Auflauf einer Volksmenge ein Durcheinanderlärmen müßiger Schmeichler, sondern jedesmal, wenn man einen der herbeiströmenden Legionare erblickte, nahm man ihn an den Händen, umschlang ihn mit den Armen, wies ihm in der Nähe einen Platz an, sprach den Fahneneid vor und empfahl den Imperator den Soldaten, bald die Soldaten dem Imperator. Auch Otho ließ es nicht an sich fehlen: mit ausgestreckten Händen bezeugte er der Menge seine Ehrerbietung, warf ihr Kußhände zu und erniedrigte sidi auf jede Weise, um an das Regiment zu kommen. Nachdem die ganze Matrosenlegion den Huldigungseid auf Otho geleistet hatte, begann er im Vertrauen auf seine Madit und in der Meinung, die Leute, die er bisher einzeln bearbeitet hatte, auch in ihrer Gesamtheit anfeuern zu müssen, vorne auf dem Lagerwall also zu sprechen: »In welcher Eigenschaft ich vor euch hintrete, meine Kameraden, das kann idi nidit recht sagen, da ich, von euch zum Fürsten ernannt, midi weder als Privatmann zu bezeichnen vermag, noch, solange ein anderer am Regiment ist, als Fürsten. Audi euer N a m e steht nicht fest, solange nicht entschieden ist, ob ihr den Imperator des römischen Volkes in eurem Lager habt oder einen Landesfeind. H ö r t ihr nicht, wie meine Bestrafung und euere Hinrichtung zugleich verlangt werden? So handgreiflich zeigt es sich, daß wir nur miteinander stehen

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ñeque salvos esse nisi una posse; et cuius lenitatis est Galba, iam f o n a s s e promisit, ut qui nullo exposcente tot milia innocentissimorum militum trucidaverit. hor- 3 ror animum subit, quotiens recordor feralem introitum et hanc solam Galbae victoriam, cum in oculis urbis decumari deditos iuberet, quos deprecantes in fidem acceperat. his auspiciis urbem ingressus, quam gloriam ad principatum attulit nisi occisi Obultronii Sabini et Cornelii Marcelli in Hispania, Betui Cilonis in Gallia, Fontei Capitonis in Germania, Clodii Macri in Africa, Cingonii in via, Turpiliani in urbe, Nymphidi in castris? quae usquam provincia, quae castra sunt nisi cruenta 4 et maculata aut, ut ipse praedicat, emendata et correcta? nam quae alii scelera, hie remedia vocat, dum falsis nominibus severitatem pro saevitia, parsimoniam pro avaritia, supplicia et contumelias vestras disciplinam appellat. septem a Neronis fine menses sunt, et iam plus ra- s puit Icelus quam quod Polycliti et Vatinii et Aegiali perdiderunt. minore avaritia ac licentia grassatus esset T . Vinius, si ipse imperasset: nunc et subiectos nos habuit tamquam suos et viles ut alíenos, una illa domus sufficit donativo, quod vobis numquam datur et cotidie exprobratur.

38 Ac ne qua saltern in successore Galbae spes esset, 1 accersit ab exilio, quem tristitia et avaritia sui simillimum iudicabat. vidistis, commilitones, notabili tempestate etiam deos infaustam adoptionem aversantes. idem senatus, idem populi Romani animus est: vestra virtus exspectatur, apud quos omne honestis consiliis robur et sine quibus quamvis egregia invalida sunt, non ad j

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und fallen können. Bei seiner bekannten ,Milde' hat Galba vielleicht schon entsprechende Zusagen gemacht, er, der ja ohne jeden Druck von irgendeiner Seite seinerzeit soviel Tausende ganz unschuldiger Soldaten hinmetzeln ließ. Noch sdiaudert es mich jedesmal bei der Erinnerung an seinen Todesmarsch in die Stadt, an diesen einzigen Sieg Galbas, bei dem er vor den Augen der Stadt jeden zehnten der Leute, die sich ihm ergeben hatten und die er auf ihre Bitten um Schonung begnadigt hatte, einfach niederhauen ließ. Nachdem er unter solchen Vorzeichen in Rom einmarschiert war, welch anderen Ruhm hat er auf den Thron mitgebracht als den, sie alle hingemordet zu haben: in Spanien den Obultronius Sabinus und Cornelius Marcellus, in Gallien den Betuus Cilo, in Germanien den Fonteius Capito, in Afrika den Clodius Macer, irgendwo auf der Heerstraße den Cingonius, in Rom den Turpilianus, im Lager den Nymphidius? Wo in aller Welt findet sich eine Provinz, wo ein Lager, die nicht blutbefleckt oder, um seine eigenen Worte zu gebrauchen, gesäubert und in die rechte Ordnung gebracht worden wären? Was sonst Verbrechen heißt, das nennt er .Heilmittel', wobei er unter Verdrehung der Bezeichnungen, Grausamkeit als ,Strenge', Geiz als .Sparsamkeit', Hinrichtung und entehrende Strafen, die euch treffen, als .Kriegszucht' ausgibt. Erst sieben Monate sind es seit Neros Tod, und schon hat Icelus mehr geraubt, als Kreaturen wie Polyklet, Vatinius, Ägialus durchgebracht haben. Minder habsüchtig und willkürlich hätte T. Vinius gewirtschaftet, wenn er zur Herrschaft gekommen wäre; so aber hat er uns ganz wie leibeigene Untergebene, anderseits als wertlose, ihn nichts weiter angehende Ware behandelt. Das eine Haus dort reicht aus für das Geldgeschenk, das ihr nie bekommt, das euch aber täglich vorgerückt wird. Und um nicht wenigstens auf seinen Nachfolger einige Hoffnung setzen zu lassen, hat Galba einen Mann aus der Verbannung hergeholt, den er wegen seines finsteren Wesens und seines Geizes ganz als seinesgleichen betrachtete. Ihr habt es erlebt, Kameraden, wie sogar die Götter durch ein auffallendes Unwetter die unselige Adoption ablehnten. Der Senat, das römische Volk, sind desselben Sinnes; nach euerer Tüchtigkeit schauen sie aus, nach euch, die ihr die volle, zur Durchführung trefflicher Absichten nötige Kraft besitzt, nach euch, ohne die selbst die ausgezeichnetsten Pläne wirkungslos bleiben müssen.

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bellum vos nec ad periculum voco: omnium militum arma nobiscum sunt, nec una cohors togata defendit nunc Galbam, sed detinet: cum vos adspexerit, cum Signum meum acceperit, hoc solum erit certamen, quis mihi plurimum imputet. nullus cunctationis locus est in eo Consilio, quod non potest laudari nisi peractum.' aperire deinde armamentarium iussit. rapta statim arma, 3 sine more et ordine militiae, ut praetorianus aut legionarius insignibus suis distingueretur: miscentur auxiliaribus galeis scutisque, nullo tribunorum centurionumve adhortante, sibi quisque dux et instigator; et praecipuum pessimorum incitamentum, quod boni maerebant.

39 l a m exterritus Piso fremitu crebrescentis seditionis 1 et vocibus in urbem usque resonantibus, egressum interim Galbam et foro appropinquantem adsecutus erat; iam Marius Celsus haud laeta rettulerat, cum alii in Palatium redire, alii Capitolium petere, plerique rostra occupanda censerent, plures tantum sententiis aliorum contra dicerent, utque evenit in consiliis infelicibus, optima viderentur quorum tempus effugerat. agitasse 2 Laco ignaro Galba de occidendo Tito Vînio dicitur, sive ut poena eius ánimos militum mulceret, seu conscium Othonis credebat, ad postremum vel odio, haesitationem attulit tempus ac locus, quia initio caedis orto difficilis modus; et turbavere consilium trepidi nuntii ac proximorum diffugia, languentibus omnium studiis, qui primo alacres fidem atque animum ostentaverant.

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Nicht zu Krieg und Gefahr rufe ich euch auf; die ganze bewaffnete Streitmacht hält ja zu uns. Seine eine Kohorte, diesç Bürgerwehr, denkt jetzt nicht daran, den Galba zu verteidigen, sondern läßt ihn nur nicht auskneifen. Wenn sie euch erblickt, wenn sie meine Parole vernimmt, wird es nur einen Wettstreit darum geben, wer mich am meisten zu Dank verpflichte. Kein Zögern darf es geben bei einem Anschlag, der erst gelobt werden kann, wenn er glücklich gelungen ist." Dann ließ Otho das Zeughaus öffnen. Sofort riß man die Waffen an sich, ohne Beachtung von Brauch und Dienstrang, wonach bei Prätorianer oder Legionär hinsichtlich der Abzeichen ein Unterschied hätte gemacht werden müssen. Im allgemeinen Durcheinander rüsteten sie sich mit Helmen und Schilden von Hilfstruppen, ohne daß einer der Tribunen oder Centurionen eine Weisung gab, jeder handelte auf eigenes Kommando, auf eigenen Antrieb hin. Den Hauptansporn für die üble Bande bildete der Gedanke, daß die guten Elemente sich tief betrübten. Schon hatte Piso, durch das Getöse des anschwellenden Aufruhrs und durch den Widerhall der bis in das Stadtinnere dringenden Stimmen erschreckt, Galba, der inzwischen weggegangen war, in der Nähe des Forums erreicht; schon hatte Marius Celsus seinen unerfreulichen Bericht hinterbracht, da rieten die einen, in den Kaiserpalast zurückzukehren, die anderen, auf das Kapitol zu eilen, mehrere audi dazu, sich rasch der Rednerbühne zu versichern, während die Mehrzahl sich darauf beschränkte, den Ansichten der übrigen zu widersprechen und man schließlich, wie es bei verunglückten Ratschlägen zu gehen pflegt, das als das Beste ansah, wozu der rechte Augenblick bereits vorüber war. Laco soll ohne Galbas Wissen an die Ermordung des Titus Vinius gedacht haben, vielleicht um durch seine Bestrafung die Soldaten zu besänftigen, vielleicht auch, weil er ihn für einen Mitverschworenen Othos hielt, vielleicht sogar aus purer Gehässigkeit. Die örtlidien und zeitlichen Verhältnisse ließen die Sache jedoch bedenklich erscheinen; hat nämlich einmal das Morden begonnen, so ist ihm schwer Einhalt zu tun. Den ganzen Plan warfen vollends Schreckensnachrichten über den Haufen und das Auseinanderstieben von Galbas nächster Umgebung: der Eifer all der Leute, die anfänglich in ihrer gehobenen Stimmung Treue und Mut zur Schau getragen hatten, war bereits im Erschlaffen.

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40 Agebatur hue illuc G a l b a vario turbae fluctuantis 1 impulsu, completis undique basilicis ac templis, lugubri prospectu. neque populi aut plebis ulla vox, sed attoniti voltus et conversae ad omnia aures; non tumultus, non quies, quale magni metus et magnae irae silentium est. Othoni tarnen armari plebem nuntiabatur: ire praecipites et occupare pericula iubet. igitur milites Romani, 2 quasi Vologaesum aut Pacorum avito Arsacidarum solio depulsuri ac non imperatorem suum inermem et senem trucidare pergerent, disiecta plebe, proculcato senatu, truces armis, rapidi equis forum inrumpunt. nec illos Capitolii adspectus et imminentium templorum religio et priores et futuri principes terruere, quo minus facerent scelus, cuius ultor est quisquís successit.

41 Viso comminus armatorum agmine vexillarius comi- < tatae Galbam cohortis (Atilium Vergilionem fuisse tradunt) dereptam Galbae imaginem solo adflixit. eo signo manifesta in Othonem omnium militum studia, desertum fuga populi forum, destricta adversus dubitantes tela, iuxta Curti lacum trepidatione ferentium Galba 1 proiectus e sella ac provolutus est. extremam eius vocem, ut cuique odium aut admiratio fuit, varie prodidere. alii suppliciter interrogasse, quid mali meruisset, et paucos dies exsolvendo donativo deprecatum; plures obtulisse ultro percussoribus iugulum: agerent ac ferirent, si ita e re publica videretur. non interfuit occidentium quid diceret. de percussore non satis constat: quidam Teren- J tium evocatum, alii Laecanium, crebrior f a m a tradidit

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Inzwischen wurde Galba hierhin und dorthin geschleppt, je nach dem Stoßen und Drängen der daherflutenden Menge; überfüllt waren zudem rings die Hallen und Tempel, eine traurige Schaubühne. Kein Laut von Seiten des Volkes oder Pöbels, nur entsetzte Mienen, die Ohren auf jedes Geräusch hin gespannt; kein Tumult und doch keine Ruhe, sondern Stille wie im Zustand großer Furcht oder tiefer Erbitterung. Dennoch kam zu Otho wiederholt die Meldung, daß die Menge sich waffne, worauf er in aller Eile vorzugehen und den Gefahren reditzeitig zu begegnen befahl. Und so stürmten denn römische Krieger, wie wenn sie den Vologäsus oder Pacorus vom angestammten Arsacidenthron stürzen und sich nicht zur Ermordung ihres wehrlosen, greisen Imperators aufmachen wollten, die Menge auseinandersprengend und den Senat niederreitend, in drohender Rüstung und rasendem Galopp aufs Kapitol. D a bei ließen sie sich durch den Anblick des Kapitols ebensowenig wie durch die Heiligkeit der aufragenden Tempel oder den Gedanken an frühere und künftige Fürsten davor zurückschrecken, einen Frevel zu begehen, dessen Radie keinem Thronfolger erlassen bleibt. Beim Anblick des Zuges von Bewaffneten, der in handgreifliche N ä h e rückte, riß der Fahnenträger der Kohorte, die Galba begleitete (angeblich Atilius Yergilio), das Bildnis Galbas vom Standartenschaft und schmetterte es auf den Boden. Dies war das Zeichen, auf das hin das ganze Kriegsvolk seine Parteinahme f ü r Otho offen zeigte, das Volk fluchtartig das Forum verließ, gegen die Unschlüssigen die Dolche gezückt wurden. In der N ä h e des Curtius-Teidies wurde Galba infolge der ängstlichen H a s t seiner Träger vom Tragstuhl geschleudert, so daß er noch ein Stüde weiterrollte. Sein letztes Wort w i r d bald so, bald so überliefert, je nachdem dabei H a ß oder Bewunderung mitsprechen: die einen lassen ihn flehentlich fragen, was er denn Schlimmes begangen habe und ihn um ein paar Tage zur Auszahlung des Geldgeschenkes bitten. Nach dem Bericht der Mehrzahl kehrte er von selbst seinen Hals den Mördern zu, mit dem Wort, sie sollten sidi nur an die Arbeit machen und zustoßen, wenn es so im Interesse des Staates zu liegen scheine. Denen, die sich über ihn hermachten, lag nichts weiter an seinen Worten. Wer eigentlich der Mörder war, ist nidit ganz klar. Die einen nennen Terentius, einen freiwillig weiterdienenden Veteranen, andere den Laecanius; verbreiteter nod>

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Camurium quintae decimae legionis militem impresso gladio iugulum eius hausisse. ceteri crura bradiiaque (nam pectus tegebatur) foede laniavere; pleraque vulnera feritate et saevitia trunco iam corpori adiecta. 42 Titum inde Vinium invasere, de quo et ipso ambigitur, consumpseritne vocem eius instans metus, an proclamaverit non esse ab Othone mandatum, ut occideretur. quod seu finxit formidine seu conscientiam coniurationis confessus est, hue potius eius vita famaque inclinât, ut conscius sceleris fuerit, cuius causa erat, ante aedem divi Iulii iacuit primo ictu in poplitem, mox ab Iulio Caro legionario milite in utrumque latus transverberatus.

43 Insignem ilia die virum Sempronium Densum aetas 1 nostra vidit. centurio is praetoriae cohortis, a Galba custodiae Pisonis additus, stricto pugione occurrens armatis et scelus exprobrans ac modo manu modo voce vertendo in se percussores quamquam vulnerato Pisoni effugium dedit. Piso in aedem Vestae pervasit, exceptus- 2 que misericordia publici servi et contubernio eius abditus non religione nec caerimoniis, sed latebra imminens exitium differebat, cum advenere missu Othonis nominatim in caedem eius ardentis Sulpicius Florus e Britannicis cohortibus, nuper a Galba civitate donatus, et Statius Murcus speculator, a quibus protractus Piso in foribus templi trucidatus.

44 Nullam caedem Otho maiore laetitia excepisse, nul- 1 lum caput tarn insatiabilibus oculis perlustrasse dicitur, seu tum primum levata omni sollicitudine mens vacare gaudio coeperat, seu recordado maiestatis in Galba, ami-

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ist das Gerücht, wonach Camurius, ein Angehöriger der 15. Legion, mit einem Schwertstoß Galbas Kehle durdibohrt haben soll. Die übrigen zerfleischten auf scheußliche "Weise seine Schenkel und Arme (die Brust war nämlich durch einen Panzer geschützt). Bestialische Wut brachte auch noch dem bereits verstümmelten Körper eine Menge Wunden bei. Dann fiel man über Titus Vinius her. Bei seiner Person besteht ebenfalls Unklarheit: darüber nämlich, ob augenblicklidie Todesangst seine Stimme erstickte oder ob er tatsädilidi ausrief, Otho habe auf keinen Fall seine Ermordung befohlen. Mag er dies Wort in seinem Schrecken nur so gesagt, mag er mit dem Wort seine Mitwisserschaft um die Verschwörung zugegeben haben - sein Leben wie sein Ruf spredien mehr dafür, daß er um das Verbrechen, das er verursachte, wohl wußte. Sein Leichnam lag vor dem Tempel des verewigten Julius Cäsar, wo er zuerst einen Hieb in die Kniekehle, dann von Julius Carus, einem Legionssoldaten, einen Stoß durch beide Seiten erhalten hatte. Einen hervorragenden Mann sah an jenem Tag unser Zeitalter in Sempronius Densus. Er, der als Centurio einer Prätorianerkohorte von Galba mit Pisos Schutz betraut war, trat mit gezücktem Schwert den Bewaffneten entgegen, warf ihnen ihr frevelhaftes Beginnen vor, lenkte bald durdi handgreifliches Vorgehen, bald durch Zurufe die Aufmerksamkeit der Mörder auf sich und gab so Piso, trotz seiner Verwundung, die Möglichkeit zu entfliehen. Dieser gelangte glücklich in den Vestatempel; von einem Gemeindesklaven mitleidig aufgenommen und in der Kammer verborgen, konnte er nicht durch die Heiligkeit und Verehrungswürdigkeit des Ortes, sondern nur durch sein Versteck das drohende Verderben eine Zeitlang aufhalten. D a erschienen plötzlich im Auftrag Othos, der namentlich nach Pisos Blut lechzte, Sulpicius Florus, ein Angehöriger der britannischen Auxiliarkohorten, der kürzlidi von Galba das Bürgerrecht erhalten hatte, und der kaiserliche Leibwächter Statius Murcus, die Piso hervorzerrten und am Tempeleingang erschlugen. N i e soll Otho eine Bluttat mit größerem Jubel vernommen, nie ein H a u p t mit so unersättlichen Augen betrachtet haben; es kann sein, daß er sich erst jetzt in seinem Herzen aller Sorgen überhoben fühlte und sich der Freude ganz hinzugeben begann. Es ist möglich, daß im Falle Galbas die Erinnerung

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citiae in Tito Vinio quamvis immitem animum imagine tristi confuderat, Pisonis ut inimici et aemuli caede laetari ius fasque credebat. praefixa contis capita gesta- ι bantur inter signa cohortium iuxta aquilam legionis, certatim ostentantibus cruentas manus qui occiderant, qui interfuerant, qui vere, qui falso ut pulchrum et memorabile facinus iactabant. plures quam centum viginti libellos praemium exposcentium ob aliquam notabilem ilia die operam Vitellius postea invenit, omnesque conquiri et interfici iussit, non honori Galbae, sed tradito principibus more munimentum ad praesens, in posterum ultionem.

45 Alium crederes senatum, alium populum: ruere cuncti , in castra, anteire proximos, certare cum praecurrentibus; increpare Galbam, laudare militum iudicium, exosculari Othonis manum; quantoque magis falsa erant quae fiebant, tanto plura facere. nec aspernabatur singulos Otho, avidum et minacem militum animum voce vultuque temperans. Marium Celsum, consulem designatum et 2 Galbae usque in extremas res amicum fìdumque, ad supplicium expostulabant, industriae eius innocentiaeque quasi malis artibus infensi, caedis et praedarum initium et optimo cuique perniciem quaeri apparebat, sed Othoni nondum auctoritas inerat ad prohibendum scelus: iubere iam poterat. ita simulatione irae vinciri iussum et maiores poenas daturum adfirmans praesenti exitio subtraxit.

46 Omnia deinde arbitrio militum acta: praetorii prae- ι fectos sibi ipsi legere, Plotium Firmum e manipularibus

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an seine Majestät, bei Titus Vinius die Erinnerung an ihre einstige Freundschaft seinen sonst so unerbittlichen Sinn mit düsteren Vorstellungen erfüllte: Ober den Tod Pisos, seines Feindes und Nebenbuhlers, zu frohlocken, hielt er vor Gott und Menschen f ü r erlaubt. Auf Stangen gesteckt, wurden die Köpfe der Ermordeten inmitten der Feldzeichen der prätorianischen Kohorten neben dem Legionsadler umhergetragen, wobei die Leute, die den Todesstreidi geführt oder nur dabei gewesen waren, die sich der Wahrheit gemäß oder fälschlich des Mordes als einer schönen, denkwürdigen Tat rühmten, in gegenseitigem Wetteifer ihre blutigen Hände vorwiesen. Mehr als 120 Bittschriften um Belohnung für irgendeinen an jenem Tag geleisteten bemerkenswerten Dienst sollte Vitellius später vorfinden; er ließ alle die Bittsteller verhaften und hinrichten, nicht dem Galba zu Ehren, sondern der bei Regenten hergebrachten Sitte entsprechend: beim Gedanken an die Gegenwart zur Sicherung seiner eigenen Person, beim Gedanken an die Zukunft als Verpflichtung zur Rache. Für verwandelt hätte man den Senat halten können, für verwandelt das Volk: Alles rannte zum Lager, suchte die zunächst Laufenden zu überholen, lief mit denen, die voraus waren, um die Wette, schimpfte auf Galba, lobte das von den Soldaten vollzogene Urteil, küßte Othos Hände ab; je unaufrichtiger das ganze Tun war, um so häufiger geschah es. Otho wies die einzelnen Leute nicht ab, darauf bedacht, durch Wort und Miene die Beutegier und den drohenden Sinn der Soldaten zu beschwichtigen. Den designierten Konsul Marius Celsus, der bis zum letzten Augenblick Galbas treuer Freund gewesen war, wollte man zur Hinrichtung ausgeliefert wissen, aus Erbitterung über seine Tätigkeit und seine Unbescholtenheit, als wären das schlimme Eigenschaften. Offensichtlich suchte man damit nur nach einem Anlaß, das Morden und Plündern beginnen und gerade die Besten umbringen zu können. Otho besaß nodi nicht Ansehen genug, ein Verbrechen zu verhindern; ein Verbrechen anzuordnen, dazu reichte es bei ihm schon aus. So stellte er sich denn erzürnt und befahl, Celsus in Fesseln zu legen, und erklärte gleichzeitig, er werde noch schwerer zu büßen haben. Auf diese Weise entriß er ihn dem augenblicklich drohenden Verderben. Alles weitere vollzog sich nach der Willkür der Soldaten: Selber wählten sie sich die Präfekten der Leibwache, nämlich

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quondam, turn vigilibus praepositum et incolumi adhuc Galba partes Othonis secutum; adiungitur Licinius Proculus, intima familiaritate Othonis suspectus Consilia eius fovisse. urbi Flavium Sabinum praefecere, iudicium Neronis secuti, sub quo eandem curam obtinuerat, pierisque Vespasianum fratrem in eo respicientibus. flagita- 2 tum ut vacationes praestari centurionibus solitae remitterentur; namque gregarius miles ut tributum annuum pendebat. quarta pars manipuli sparsa per commeatus aut in ipsis castris vaga, dum mercedem centurioni exsolveret, ñeque modum oneris quisquam neque genus quaestus pensi habebat: per latrocinia et raptus aut servilibus ministeriis militare otium redimebant. tum 3 locupletissimus quisque miles labore ac saevitia fatigari, donee vacationem emeret. ubi sumptibus exhaustus socordia insuper elanguerat, inops pro locuplete et iners pro strenuo in manipulum redibat, ac rursus alius atque alius, eadem egestate ac licentia corrupti, ad seditiones et discordias et ad extremum bella civilia ruebant. sed 4 Otho, ne volgi largitione centurionum ánimos averterei, fiscum suum vacationes annuas exsoluturum promisit, rem haud dubie utilem et a bonis postea principibus perpetuitate disciplinae firmatam. Laco praefectus, tam- 5 quam in insulam seponeretur, ab evocato, quem ad caedem eius Otho praemiserat, confossus; in Marcianum Icelum ut in libertum palam animadversum.

47 Exacto per scelera die novissimum malorum fuit laeti- 1

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Plotius Firmus, der vormals einfacher Soldat, dann Polizeioffizier gewesen war und sich schon vor Galbas Sturz der Partei Othos angeschlossen hatte. An seine Seite stellten sie Licinius Proculus, der infolge seiner engen Beziehungen zu Otho im Verdacht stand, dessen Pläne gefördert zu haben. Zum Stadtkommandanten machten sie den Flavius Sabinus, im Anschluß an die einstige Entscheidung Neros, unter dem er das gleiche Amt bekleidet hatte; vielfach ließ man sich freilich durch Rücksicht auf seinen Bruder Vespasian bestimmen. Eine der damaligen Forderungen war, daß die gewöhnlich an die Centurionen gezahlten Gelder f ü r Gewährung von Dienstbefreiungen abgeschafft würden; der gemeine Mann hatte nämlich diese Gelder wie eine ständige Abgabe zu entrichten. Es kam vor, daß sich ein Viertel eines Manipels auf Urlaub entfernte oder sogar im Lager herumlungerte, wenn es nur den Centuno dafür entlohnte; nach der Art der Bedrückung und der Art, wie das Geld beigebracht wurde, fragte niemand. Gelegentlich verschafften sich die Leute durch Straßenraub, Plünderung oder Knechtsdienste das Geld, mit dem sie sich Freiheit vom militärischen Dienst erkauften. Außerdem setzte man allen wohlhabenden Soldaten mit Strapazen und harter Behandlung zu, bis sie sich einen Urlaubsschein kauften. War so ein Soldat dann durch vielfachen Aufwand wie ausgepumpt, obendrein durch Faulenzerei erschlafft, dann kehrte er nicht mehr begütert, sondern mittellos, nicht mehr schlagkräftig und tüditig, sondern unbrauchbar ins Manipel zurück. Da so immer wieder andere in gleicher Weise durch Verarmung und Zuditlosigkeit verkamen, stürzten sie sidi allmählich in Meuterei, Auflehnung und schließlich in Bürgerkrieg. Um sich jedoch nicht durch Spenden an die Gemeinen die Herzen der Centurionen zu entfremden, versprach Otho, es werde seine kaiserliche Privatkasse alljährlich die Urlaubsgelder bezahlen: eine zweifellos nützliche, in der Folge von trefflichen Fürsten festgehaltene militärische Dauereinrichtung. Der Prätorianerpräfekt Laco wurde angeblich zur Internierung auf eine Insel gebracht, hier aber von einem freiwillig weiterdienenden Veteranen, den Otho zu seiner Ermordung vorausgeschickt hatte, niedergestoßen. Marcianus Icelus bestrafte man als einen Freigelassenen in aller Öffentlichkeit. Unter Verbrechen war der Tag dahingegangen; der Höhepunkt der Greuel war es, daß man sich dabei so wohl befand.

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tía. vocat senatum praetor urbanus, certant adulationibus ceteri magistrati», adcurrunt patres: decernitur Othoni tribunicia potestas et nomen Augusti et omnes principum honores, adnitentibus cunctis abolere convicia ac probra, quae promisee iacta haesisse animo eius nemo sensit: omisisset offensas an distulisset, brevitate imperii in incerto fuit. Otho cruento adhuc foro per 2 stragem iacentium in Capitolium atque inde in Palatium vectus concedi corpora sepulturae cremarique permisit. Pisonem Verania uxor ac frater Scribonianus, Tfitum Vinium Crispina filia composuere, quaesitis redemptisque capitibus, quae venalia interfectores servaverant. 48 Piso unum et tricesimum aetatis, annum explebat, 1 fama meliore quam fortuna, fratres eius Magnum Claudius, Crassum Nero interfecerant: ipse diu exul, quadriduo Caesar, properata adoptione ad hoc tantum maiori fratri praelatus est, ut prior occideretur. Titus Vinius 1 quinquaginta septem annos variis moribus egit. pater illi praetoria familia, maternus avus e proscriptis. prima militia infamis: legatum Calvisium Sabinum habuerat, cuius uxor mala cupidine visendi situm castrorum per noctem militari habitu ingressa, cum vigilias et cetera militiae munia eadem lascivia temptasset, in ipsis principiis stuprum ausa: et criminis huius reus Titus Vinius arguebatur. igitur iussu C. Caesaris oneratus catenis, mox 3 mutatione temporum dimissus, cursu honorum inoffenso legioni post praeturam praepositus probatusque servili deinceps probro respersus est, tamquam scyphum aureum

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Der Stadtprätor beruft den Senat, in Schmeicheleien wetteifern die übrigen Behörden, herbeigelaufen kommen die Senatoren. Dem Otho werden die tribunizische Gewalt, der Name Augustus und alle fürstlichen Ehren zuerkannt, wobei man sich allgemein bemühte, die Schmähreden und Vorwürfe vergessen zu machen, die von allen Seiten gegen ihn gefallen waren. Daß Otho sie sich fest eingeprägt hatte, sollte niemand zu spüren bekommen; ob er freilich auf das Übelnehmen verzichtete oder es nur verschob, blieb bei der Kürze seiner Regierungszeit unentschieden. Nachdem er über das Forum, das noch im Blut schwamm, und über die Haufen der Erschlagenen auf das Kapitol und von da zum Kaiserpalast gefahren war, gab er die Leichen zur Bestattung bzw. Verbrennung frei. Den Piso ließen seine Gattin Verania und sein Bruder Scribonianus beisetzen, den Titus Vinius seine Tochter Crispina; ihre Köpfe, welche die Mörder zum Verkauf aufbewahrt hatten, mußte man erst aufsuchen und auslösen. Piso stand im 31. Lebensjahr. Sein Ruf war besser als sein Glück. Von Pisos Brüdern hatte Kaiser Claudius den Magnus, Nero den Crassus hinrichten lassen. Piso selbst hatte lange in der Verbannung gelebt, Cäsar war er nur vier Tage. Durch die in Eile vorgenommene Adoption hatte er gegenüber seinem älteren Bruder nur den Vorzug, daß er früher als jener umgebracht wurde. Titus Vinius verlebte 57 Jahre in einer Art, die stark wechselte. Sein Vater stammte aus prätorischer Familie, sein Großvater mütterlicherseits war einer der seinerzeit Geächteten. Schon zu Anfang seiner Militärjahre geriet T. Vinius in üblen Ruf. Er hatte unter dem Statthalter Calvisius Sabinus gedient, dessen Frau in dem sträflichen Verlangen, die Einrichtung des Lagers zu besichtigen, in soldatischem Aufzug nachts hineinging, ebenso übermütig bei den Nachtrunden und den übrigen militärischen Dienstleistungen versuchsweise mitmachte und dann sogar auf dem Hauptquartier Hurerei zu treiben wagte; als verantwortlich für dieses Verbrechen wurde Titus Vinius belangt. Auf C. Cäsars Befehl legte man ihn daher in schwere Fesseln, später aber - die Zeiten hatten sich geändert - ließ man ihn wieder frei. Ohne Beeinträchtigung seiner Amterlaufbahn erhielt er zunächst die Prätur, danach das Kommando über eine Legion, Amter, die er mit Beifall bekleidete. In der Folge befleckte er sich durch einen schändlichen Sklavenstreich, hieß es doch, er habe bei einem Gastmahl des

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in convivio Claudii furatus, et Claudius postera die soli omnium Vinio fictilibus ministrari iussit. sed Vinius pro- 4 consulatu Galliam Narbonensem severe integreque rexit; mox Galbae amicitia in abruptum tractus, audax callidus promptus et, prout animum intendisset, pravus aut industrius, eadem vi. testamentum Titi Vini magnitudine opum inritum, Pisonis supremam voluntatem paupertas firmavit. 49 Galbae corpus diu neglectum et licentia tenebrarum 1 plurimis ludibriis vexatum dispensator Argius e primoribus servis humili sepultura in privatis eius hortis contexit. caput per lixas calonesque suffixum laceratumque ante Patrobii tumulum (libertus is Neronis punitus a Galba fuerat) postera demum die repertum et cremato iam corpori admixtum est. hunc exitum habuit Servius 1 Galba, tribus et septuaginta annis quinqué principes prospera fortuna emensus et alieno imperio felicior quam suo. vetus in familia nobilitas, magnae opes; ipsi medium ingenium, magis extra vitia quam cum virtutibus. famae nec incuriosus nec venditator; pecuniae 3 alienae non adpetens, suae parcus, publicae avarus; amicorum libertorumque, ubi in bonos incidisset, sine reprehensione patiens, si mali forent, usque ad culpam ignarus. sed claritas natalium et metus temporum obtentui, ut, quod segnitia erat, sapientia vocaretur. dum 4 vigebat aetas, militari laude apud Germanias floruit, pro consule Africam moderate, iam senior citeriorem Hispaniam pari iustitia continuit, maior privato visus, dum

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Claudius einen goldenen Becher entwendet; tatsächlich ließ Claudius anderntags ganz allein für Titus Vinius Tongeschirr auftragen. Als Prokonsul aber verwaltete Vinius das narbonensische Gallien streng rechtlich und untadelig. Nachher durch die Freundschaft mit Galba auf abschüssige Bahn gebracht, zeigte er sich verwegen, schlau, unternehmend, und je nach dem Ziel, das er sich setzte, nichtsnutzig oder audi voll redlichem Eifer, immer von gleicher Energie. Das Testament des Titus Vinius wurde wegen des großen Reichtums des Mannes nicht anerkannt, dem letzten Willen Pisos verschaffte sein geringes Vermögen Anerkennung. Galbas Leichnam, um den man sich lange nicht gekümmert und mit dem man in nächtlicher Ausgelassenheit viel Hohn und Spott getrieben hatte, bestattete sein Hausverwalter Argius, einer der angeseheneren Sklaven. Es war ein einfaches Begräbnis in Galbas Privatpark. Sein Kopf, den Marketender und Troßknechte aufgespießt und übel zugerichtet hatten, wurde erst am folgenden Tag vor dem Grabhügel des Patrobius (eines von Galba hingerichteten Freigelassenen Neros) aufgefunden und zu dem schon verbrannten Leichnam gelegt. Dies war das Ende des Servius Galba, der in seinen 73 Lebensjahren die Regierungszeiten von fünf Fürsten glücklich überstanden hatte und unter fremdem Regiment besser daran war als unter dem eigenen. Seine Familie war von altem Adel, groß sein Reichtum. Seiner Art nach hielt er sich etwa in der Mitte, eher frei von Lastern als im Besitz von Tugenden. Dem Ruhm gegenüber war er nicht gleichgültig, tat aber auch nicht groß damit. Ohne Gier nach fremdem Geld war er mit seinem eigenen sparsam, mit Staatsgeldern geizig; gegenüber Freunden und Freigelassenen war er, soweit er dabei auf treffliche Männer stieß, von einer Nachsicht, die keinen Vorwurf verdiente; gegenüber schlechten Vertretern ihrer Art war er bis zur Sträflichkeit blind. Seine erlauchte Abkunft und die Schreckenszeiten waren für ihn wie ein Deckmantel und ließen das, was eigentlich Bequemlichkeit war, als Weisheit bezeichnen. Solange er in rüstigem Alter stand, erntete er in den germanischen Provinzen kriegerischen Ruhm. Als Prokonsul verwaltete er Afrika maßvoll und besonnen, in vorgerückterem Alter das diesseitige Spanien mit gleich großer Gerechtigkeit. Solange er Privatmann war, schien er mehr zu sein, auch wäre er nach allge-

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privatus fuit, et omnium consensu capax imperii, nisi imperasset. 50 Trepidam urbem ac simul atrocitatem recentis see- 1 leris, simul veteres Othonis mores paventem novus insuper de Vitellio nuntius exterruit, ante caedem Galbae suppressus, ut tantum superioris Germaniae exercitum descivisse crederetur. tum duos omnium mortalium impudicitia ignavia luxuria deterrimos velut ad perdendum imperium fataliter electos non senatus modo er eques, quis aliqua pars et cura rei publicae, sed volgus quoque palam maerere. nec iam recentia saevae pacis 2 exempla, sed repetita bellorum civilium memoria captam totiens suis exercitibus urbem, vastitatem Italiae, direptiones provinciarum, Pharsaliam Philippos et Perusiam ac Mutinam, nota publicarum cladium nomina, loquebantur. prope eversum orbem etiam cum de prin- 3 cipatu inter bonos certaretur, sed mansisse C. Iulio, mansisse Caesare Augusto victore imperium; mansuram fuisse sub Pompeio Brutoque rem publicam: nunc pro Othone an pro Vitellio in templa ituros? utrasque impias preces, utraque detestanda vota inter duos, quorum bello solum id scires, deteriorem fore qui vicisset. erant qui Vespasianum et arma Orientis augurarentur, 4 et ut potior utroque Vespasianus, ita bellum aliud atque alias clades horrebant. et ambigua de Vespasiano fama, solusque omnium ante se principum in melius mutatus est.

51 Nunc initia causasque motus Vitelliani expediam. • caeso cum omnibus copiis Iulio Vindice ferox praeda

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meinem Urteil der rechte Mann zum Herrschen gewesen; es hätte halt nicht soweit kommen dürfen. Die aufgeregte, wegen der Scheußlichkeit des eben geschehenen Frevels sowie wegen der längst bekannten Sitten Othos verängstigte Stadt Rom fühlte sidi audi noch durch eine neue Nachricht über Vitellius in Schrecken gesetzt. Vor Galbas Tod hatte man sie geheim gehalten, um den Glauben zu erwecken, es seien nur die obergermanischen Heere abgefallen. Jetzt sollten die zwei wegen ihrer Schamlosigkeit, Schlaffheit und Genußsucht verworfensten Menschen vom Schicksal sozusagen zum Verderben des Reiches ausersehen sein, was nicht nur der Senat und die Ritterschaft, die beide tatsächlich noch einen sorgenden Anteil am Staatsleben nahmen, sondern auch die Masse des Volkes offen bejammerte. Das Tagesgespräch drehte sich nicht mehr um die kürzlich während eines blutigen Friedens erlebten Vorgänge, sondern man erzählte, indem man die Erinnerung an die Bürgerkriege auffrischte, von der häufigen Einnahme Roms durch eigene Heere, von der Verwüstung Italiens, der Ausplünderung der Provinzen, von Pharsalus, Philippi, Perusia, Mutina, für das Unglück des Staates wohlbekannten Namen. Der Erdkreis sei schon damals beinahe aus den Fugen gegangen, wo sich doch gute Männer um die erste Stelle im Staate stritten. Zum Glück aber habe nach dem Siege des C. Julius, nach dem Sieg des Cäsar Augustus die Reichsregierung weiterbestanden; weiterbestanden haben würde die Republik unter Pompeius und Brutus. Solle man jetzt zum Gebet für Otho oder für Vitellius in die Tempel laufen? In beiden Fällen wären es unselige Bitten, verabscheuenswerte Gelübde, handle es sich doch um zwei Männer, durch deren kriegerische Auseinandersetzung man höchstens das eine zu wissen bekomme, daß der Sieger der Schlimmere von ihnen sein- werde. Manche hatten eine Ahnung von Vespasian und den Kämpfen im Osten. Mochte aber Vespasian den beiden anderen auch vorzuziehen sein, so fürchtete man dodi einen neuen Krieg und neue Niederlagen. Überdies stand Vespasian noch in zweideutigem R u f ; er ist aber unter allen seinen Vorgängern auf dem Thron der einzige, der sich zu seinem Vorteil verändert hat. Im folgenden möchte ich Anfang und Ursachen der von Vitellius ausgehenden Erhebung darlegen. Als Julius Vindex mit seiner ganzen Truppenmadit vernichtet war, da dachte die

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Si

gloriaque exercitus, ut cui sine labore ac periculo ditissimi belli victoria evenisset, expeditionem et aciem, praemia quam stipendia malebat. diu infructuosam et 2 asperam militiam toleraverant ingenio loci caelique et severitate disciplinae, quam in pace inexorabilem discordiae civium resolvunt, paratis utrimque corruptoribus et perfidia impunita, viri arma equi ad usum et ad decus supererant. sed ante bellum centurias tantum suas 3 turmasque noverant; exercitus finibus provinciarum discernebantur: tum adversus Vindicem contractae legiones, seque et Gallias expertae, quaerere rursus arma novasque discordias; nec socios, ut olim, sed hostes et victos vocabant. nec deerat pars Galliarum, quae Rhenum accolit, easdem partes secuta ac tum acerrima instigatrix adversum Galbianos; hoc enim nomen fastidito Vindice indiderant. igitur Sequanis Aeduisque ac deinde, prout 4 opulentia civitatibus erat, infensi expugnationes urbium, populationes agrorum, raptus penatium hauserunt animo, super avaritiam et adrogantiam, praecipua validiorum vitia, contumacia Gallorum inritati, qui remissam sibi a Galba quartam tributorum partem et publice donatos in ignominiam exercitus iactabant. accessit callide s volgatum, temere creditum, decumari legiones et promptissimum quemque centurionum dimitti. undique atroces nuntii, sinistra ex urbe fama; infensa Lugdunensis colonia et pertinaci pro Nerone fide fecunda rumoribus; sed plurima ad fingendum credendumque materies in

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durch Beute und Ruhm tolldreist gewordene Armee, der ja ohne Mühe und Gefahr der Sieg in einem äußerst lohnenden Krieg zugefallen war, weiterhin nur an Feldzug und Schlacht; sie wünschte sich lieber reichen Kriegsgewinn als das bißchen Friedenssold. Lange hatte man einen mageren, rauhen Dienst aushalten müssen, infolge der Beschaffenheit des Landes und Klimas, auch infolge der strengen Zucht, die, in Friedenszeiten unerbittlich festgehalten, bei inneren Zwistigkeiten zu verfallen pflegt, wenn hüben und drüben Verführer bereitstehen und Treulosigkeit unbestraft bleibt. Mannschaft, Waffen und Pferde waren reichlich vorhanden, zum Bedarf und auch zum Paradieren. Vor dem Krieg kannten jedoch die Leute nur ihre eigenen Centurien und Schwadronen; die Heere waren durch die Grenzen der Provinzen voneinander geschieden. Nachdem dann aber die Legionen im Kampf gegen Vindex zusammengezogen und miteinander und den gallischen Provinzen bekannt geworden waren, wünschten sie abermals Kämpfe und neue Händel; sie sprachen nicht mehr wie einst von Bundesgenossen, sondern von Feinden und Besiegten. Auch der am Rhein wohnende Teil Galliens ließ es nicht an sich fehlen, sondern schloß sich der nämlichen Partei an, um dann die Haupthetze gegen die „Galbianer" zu betreiben. Diesen Namen hatte man nämlich für sie aufgebracht, da ihnen die Benennung nach Vindex nicht mehr behagte. Gegen die Sequaner also und die Aduer, ferner gegen alle Gaue, soweit sie besonders wohlhabend waren, von Feindschaft erfüllt, schwelgten sie im Gedanken an die Einnahme von Städten, an die Verwüstung von Feldern und die Ausplünderung von Haus und H o f . Waren sie doch, abgesehen von ihrer Habsucht und Anmaßung, den Hauptlastern der an Macht Überlegenen, durch den trotzigen Obermut der Gallier gereizt, die sich zum Hohn für das römische Heer damit brüsteten, daß Galba ihnen den vierten Teil der Abgaben erlassen habe, auch ihre Gemeinwesen Geschenke erhalten hätten. Hinzu kam das listigerweise verbreitete, blindlings geglaubte Gerede, die Legionen würden dezimiert und jeweils die tüchtigsten unter den Centurionen entlassen. Schreckenerregend klangen die Botschaften von überallher, bös die Kunde aus der Hauptstadt; feindselig war die lugdunensisdie Kolonie, die in treuer Anhänglichkeit an Nero eine Unmenge von unverbürgten Nachrichten in die Welt setzte. Doch den meisten Stoff zu Erdichtungen und den Glauben daran bot das Lagerleben selbst, wo

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ipsis castris, odio metu et, ubi vires suas respexerant, securitate. 52 Sub ipsas superioris anni kalendas Décembres Aulus ι Vitellius inferiorem Germaniam ingressus hiberna legionum cum cura adierat: redditi plerisque ordines, remissa ignominia, adlevatae notae; plura ambitione, quaedam iudicio, in quibus sordes et avaritiam Fontei Capitonis adimendis adsignandisve militiae ordinibus integre mutaverat. nec consularis legati mensura, sed in maius omnia ι accipiebantur. et ut Vitellius apud severos humilis, ita comitatem bonitatemque faventes vocabant, quod sine modo, sine iudicio donaret sua, largiretur aliena; simul aviditate imperi dandi ipsa vitia pro virtutibus interpretabantur. multi in utroque exercitu sicut modesti 3 quietique, ita mali et strenui, sed profusa cupidine et insigni temeritate legati legionum Alienus Caecina et Fabius Valens; e quibus Valens infensus Galbae, tamquam detectam a se Verginii cunctationem, oppressa Capitonis Consilia ingrate tulisset, instigare Vitellium, ardorem militum ostentans: ipsum celebri ubique fama, nullam in Fiacco Hordeonio moram; adfore Britanniam, secutura Germanorum auxilia; male fidas provincias, precarium seni imperium et brevi transiturum: panderet modo sinum et venienti Fortunae occurreret. merito dubitasse 4 Verginium equestri familia, ignoto patre, imparem, si

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H a ß und Furdit und, beim Blick auf die eigene Macht, das Gefühl der Sicherheit sie entstehen ließen. Im Jahre vorher, gerade um die Zeit des 1. Dezember, hatte Aulus Vitellius, der nach Niedergermanien gekommen war, die Winterquartiere der Legionen gründlich besichtigt. Sehr viele Leute erhielten damals ihren militärischen Dienstrang zurück, Ehrenstrafen wurden erlassen, Disziplinarstrafen gemildert. In der Mehrzahl der Fälle bestimmte das Streben, sich beliebt zu machen, sein Handeln, zuweilen folgte er aber seinem gesunden Urteil: so wenn er mit dem von Fonteius Capito bei der Entziehung oder bei der Zuteilung militärischer Dienstgrade gezeigten schmutzigen Geiz in einwandfreier Weise brach. So legte man denn an all sein Tun nicht den für einen Konsularlegaten geltenden Maßstab, sondern griff höher. Mochte Vitellius in den Augen strenger Männer auch etwas Niedriges an sich haben, so sprachen seine Anhänger dodi von »Freundlichkeit und Gutherzigkeit", weil er sidi mit Geschenken aus eigenem Besitz und mit reichen Spenden aus fremdem Gut anscheinend kein Maß auferlegte, nicht lange abwog; zugleich legten sie im Streben, ihm die Herrschaft zu verschaffen, sogar seine Laster als Tugenden aus. In den beiden Heeren gab es viele wohlgesittete und ruhige, doch audi viele schlechte, gewalttätige Leute. Voll zügelloser Leidenschaftlichkeit und ungewöhnlicher Verwegenheit waren die beiden Legionslegaten Alienus Cäcina und Fabius Valens. Von diesen beiden suchte Valens, aufgebracht über Galba, als habe er die Enthüllung der abwartenden Haltung des Verginius und die Unterdrückung der Anschläge Capitos mit Undank belohnt, den Vitellius unter ausdrücklichem Hinweis auf den Feuereifer des Kriegsvolkes aufzuhetzen: Er, Vitellius, habe überall einen gefeierten Namen, Flaccus Hordeonius werde bei der Sache gleidi mitmachen, Britannien ohne weiteres zu Hilfe eilen, die germanischen Hilfstruppen sidi anschließen. Sdilimm stehe es mit der Treue der Provinzen, nur wie auf Widerruf sei dem Alten die Herrschaft gewährt; in Kürze werde es mit ihr vorbei sein. Vitellius solle nur die Arme ausbreiten und der nahenden Glücksgöttin entgegeneilen. Mit Recht habe Verginius seine Bedenken gehabt, als Sprößling einer ritterbürtigen Familie, als Sohn eines unberühmten Vaters, auch im Gedanken daran, daß er bei Übernahme der Herrschaft den Aufgaben nicht gewachsen sein und seine persönliche Sicherheit auf einer abschlägigen Haltung be-

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recepisset imperium, tutum, si recusasset: Vîtellio tres patris consulatus, censuram, collegium Caesaris et imponere iam pridem imperatoris dignationem et auferre privati securitatem. quatiebatur his segne ingenium, ut concupisceret magis quam ut speraret. 53 A t in superiore Germania Caecina, decorus iuventa, ι corpore ingens, animi immodicus, scito sermone, erecto incessu, studia militum inlexerat. hune iuvenem Galba, quaestorem in Baetica impigre in partes suas transgressum, legioni praeposuit; mox compertum publicam pecuniam avertisse ut peculatorem flagitari iussit. Cae- 2 cina aegre passus miscere cuncta et privata volnera rei publicae malis operire statuit. nec deerant in exercitu semina discordiae, quod et bello adversus Vindicem universus adfuerat, nec nisi occiso Nerone translatus in Galbam atque in eo ipso sacramento vexillis inferioris Germaniae praeventus erat, et Treveri ac Lingones, 3 quasque alias civitates atrocibus edictis aut damno finium Galba perculerat, hibernis legionum propius miscentur: unde seditiosa colloquia et inter paganos corruptior miles, et in Verginium favor cuicumque alii profuturus.

54 Miserat civitas Lingonum vetere instituto dona legio- 1 nibus dextras, hospitii insigne, legati eorum in squalorem maestitiamque compositi per principia per contubernia modo suas iniurias, modo vicinarum civitatum praemia, et ubi pronis militum auribus accipiebantur, ipsius exercitus pericula et contumelias conquerentes accendebant ánimos, nec procul seditione aberant, cum 1

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ruhen werde. Den Vitellius verpfliditeten die drei Konsulate seines Vaters, dessen Zensur und Amtsgemeinschaft mit einem Kaiser schon längst dazu, die hohe Stellung eines Imperators einzunehmen und gestatteten es ihm keineswegs, das ruhige Leben eines Privatmanns zu führen. Diese Gedanken rüttelten des Vitellius trägen Sinn so auf, daß er sidi mit Wünschen trug, die über seine Hoffnungen hinausgingen. In Obergermanien aber hatte Cäcina durch seine jugendliche Anmut, seinen gewaltigen Körperbau, seine derb zugreifende Art, seine Gewandtheit im Ausdruck und sein strammes Auftreten die Zuneigung der Soldaten gewonnen. Als jungen Mann, der seinerzeit in Bätica als Quästor ungesäumt zu Galbas Partei übergetreten war, hatte ihn dieser an die Spitze einer Legion gestellt; wie man dann aber erfuhr, er habe öffentliche Gelder auf die Seite gebracht, ließ ihn Galba wegen Veruntreuung von Staatseigentum belangen. Ungehalten hierüber, besdiloß Cäcina, alles drunter und drüber gehen zu lassen und den Schlag, der ihn persönlich getroffen hatte, über dem Unglück des Staates vergessen zu machen. Auch fehlte es im Heer nicht an tieferliegenden Ursachen zu Meuterei, hatte man doch insgesamt am Krieg gegen Vindex teilgenommen, sich erst nadi Neros Tod zu Galba geschlagen und sich bei dieser Vereidigung von den Truppenabteilungen Niedergermaniens den Rang ablaufen lassen. Ferner traten die Treverer und Lingonen und andere Volkerschaften, die Galba durch harte Verordnungen oder Gebietsverluste schwer getroffen hatte, mit den im Winterquartier liegenden Legionen in nähere Berührung; die Folge waren aufrührerische Gesprädie, im Umgang mit der Zivilbevölkerung ein immer verderblicherer Einfluß auf die Soldaten und die zunehmende Gunst f ü r Verginius, die dem Nädistbesten zugute kommen mußte. Die Stadtgemeinde der Lingonen hatte nach altem Braudi Bilder verschlungener rechter Hände zum Zeidien der Gastfreundschaft an die Legionen als Geschenke gesandt. Die Abgeordneten, die berechnenderweise in Trauerkleidung und mit Trauermienen erschienen, führten auf dem Appellplatz und in den Baracken bald über das den Lingonen angetane vielfache Unrecht, bald über die Bevorzugung der Nachbargaue bewegte Klagen, und als ihnen dann die Leute williges Gehör schenkten, auch über die Gefahren und die schimpfliche Behandlung des römischen Heeres und suchten dadurch die Gemüter aufzu-

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Hordeonius Flaccus abire legatos, utque occultior digressus esset, nocte castris excedere iubet. inde atrox rumor, adfirmantibus plerisque interfectos, ac ni sibi ipsi consulerent, fore ut acerrimi militum et praesentia conquesti per tenebras et inscitiam ceterorum occiderentur. obstringuntur inter se tacito foedere legiones, adsciscitur ) auxiliorum miles, primo suspectus, tamquam circumdatis cohortibus alisque impetus in legiones pararetur, mox eadem acrius volvens faciliore inter malos consensu ad bellum quam in pace ad concordiam.

55 Inferioris tarnen Germaniae legiones sollemni kalen- ι darum Ianuariarum sacramento pro Galba adactae, multa cunctatione et raris primorum ordinum vocibus, ceteri silentio proximi cuiusque audaciam exspectantes, insita mortalibus natura propere sequi quae piget inchoare. sed ipsis legionibus inerat diversi tas animorum: primani 2 quintanique turbidi adeo, ut quidam saxa in Galbae imagines iecerint: quinta decuma ac sexta decuma legiones nihil ultra fremitum et minas ausae initium erumpendi circumspectabant. at in superiore exercitu 3 quarta ac duoetvicensima legiones isdem hibernis tendentes ipso kalendarum Ianuariarum die dirumpunt imagines Galbae, quarta legio promptius, duoetvicensima cunctanter, mox consensu, ac ne reverentiam imperii 4 exuere viderentur, senatus populique Romani obliterata iam nomina sacramento advocabant, nullo legatorum tribunorumve pro Galba nitente, quibusdam, ut in tumultu, notabilius turbantibus. non tarnen quisquam in

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hetzen. Sdion stand die Meuterei vor dem Ausbruch, als Hordeonius Flaccus den Abgeordneten der Lingonen sidi zu entfernen befahl; damit ihr Verschwinden weniger auffalle, sollten sie nachts das Lager verlassen. Dadurch kam es zu einem bösen Gerede; vielfach behauptete man, die Gesandten seien ermordet worden, ja, wenn man sidi nicht vorsehe, würden in Kürze die tüchtigsten Soldaten, alle, die sidi über die augenblicklichen Verhältnisse beklagt hätten, im Dunkel der N a d u und ohne Vorwissen der übrigen umgebracht werden. Darauf verpflichteten sich die Legionen einander durdi einen geheimen Vertrag, zogen audi die Mannschaften der Hilfstruppen hinzu, denen man anfangs nicht redit traute, als würden ihre Kohorten und Sdiwadronen, denen die Plätze im weiteren Umkreis angewiesen waren, zu einem Angriff auf die Legionen eingesetzt werden; tatsächlich haben die Hilfstruppen nadiher bei der gleichen Sache besonders eifrig mitgetan, wie sich denn in der Regel schlechte Elemente leichter zum Krieg zusammenfinden als zu friedlichem Einvernehmen. Die niedergermanischen Legionen ließen sich jedoch bei der feierlichen Vereidigung am 1. Januar auf Galbas Namen verpflichten, recht zögernd freilidi: in den ersten Reihen war nur ab und zu eine Stimme zu hören, während die übrigen jeweils stillschweigend auf die Courage ihrer Nebenmänner warteten; ist es dodi der menschlichen Natur eigen, da, wo man selber den Anfang zu machen keine Lust hat, naditräglidi munter mitzutun. Bei den einzelnen Legionen war die Stimmung verschieden: die Einser und Fünfzehner waren so rabiat, daß mandie mit Steinen nach Galbas Bildnissen warfen; die 15. und 16. Legion wagten nichts weiter als zu murren und zu drohen und sdiauten sich um, wo es zuerst losgehen werde. Im obergermanischen Heer zertrümmerten die 4. und 22. Legion, die im gleichen Winterquartier lagen, am Neujahrstag die Bildnisse Galbas, die 4. Legion mit stürmischerem Eifer, die 22. Legion erst zögernd, danadi in einträchtiger Zusammenarbeit. Um den Anschein zu vermeiden, als ob sie die Ehrerbietung vor der Reichsgewalt aufgegeben hätten, griffen sie bei der Eidesleistung zu den schier in Vergessenheit geratenen Namen .Senat und römisches Volk*; zu Galbas Gunsten strengte sich aber audi nicht einer der Legaten und Tribunen weiter an, vielmehr hetzten einige redit auffällig, wie es eben im Tumult möglich war. Es sprach freilich niemand, als stünde er vor einer Volks-

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modum contionis aut suggestu locutus; neque enim erat adhuc, cui imputaretur. 56

Spectator flagitii Hordeonius Flaccus consularis lega- ¡ tus aderat, non compescere ruentes, non retiñere dubios, non cohortari bonos ausus, sed segnis, pavidus et socordia innocens. quattuor centuriones duoetvicensimae legionis, Nonius Receptus, Donatius Valens, Romilius Marcellus, Calpurnius Repentinus, cum protegerent Galbae imagines, Ímpetu militum abrepti vinctique. nec cuiquam ultra fides aut memoria prioris sacramenti, sed quod in seditionibus accidit, unde plures erant, omnes fuere.

Nocte, quae kalendas Ianuarias secuta est, in coloniam 2 Agrippinensem aquilifer quartae legionis epulanti Vitellio nuntiat quartam et duoetvicensimam legiones proiectis Galbae imaginibus in senatus ac populi Romani verba iurasse. id sacramentum inane visum: occupari nutantem fortunam et offerri principem placuit. missi a 3 Vitellio ad legiones legatosque, qui descivisse a Galba superiorem exercitum nuntiarent: proinde aut bellandum adversus desciscentes aut, si concordia et pax placeat, faciendum imperatorem; et minore discrimine sumi principem quam quaeri. 57

Próxima legionis primae hiberna erant et promptissi- ι mus e legatis Fabius Valens, is die postero coloniam Agrippinensem cum equitibus legionis auxiliariorumque ingressus imperatorem Vitellium consalutavit. secutae ingenti certamine eiusdem provinciae legiones; et superior exercitus speciosis senatus populique Romani nominibus relictis tertium nonas Ianuarias Vitellio accessit: scires illum priore biduo non penes rem publicam fuisse, ardorem exercituum Agrippinenses, Treviri, Lingones 1

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Versammlung oder auf der Rednerbühne; es fehlte ja auch noch an einer Person, der man die ganze Sache hätte in die Sdiuhe schieben können. Bei dem frevelhaften Beginnen war der Konsularlegat Flaccus Hordeonius als Zuschauer zugegen; er wagte es nidit, die Wütenden zu besänftigen, die Schwankenden zurückzuhalten, die Gutgesinnten zu ermuntern, zeigte sidi vielmehr säumig und ängstlich, sdiuldlos höchstens insofern, als er sidi um nichts kümmerte. Vier Centurionen der 22. Legion: Nonius Receptus, Donatius Valens, Romilius Marcellus und Calpurnius Repentinus wurden bei dem Versuch, Galbas Bildnisse zu schützen, von den Soldaten ungestüm weggerissen und gefesselt. Bei niemand f a n d man fernerhin eine Spur von Treue oder einen Gedanken an den einstigen Fahneneid, alle stellten sich, wie es bei Meutereien üblich ist, auf die Seite, wo eben die Mehrzahl stand. In der dem 1. Januar folgenden N a d i t brachte der Adlerträger der 4. Legion zu Vitellius, der gerade beim Mahl saß, nach Köln die Nadiridit, die 4. und 22. Legion hätten Galbas Bildnisse auf den Boden geschleudert und dann auf den Senat und das römisdie Volk geschworen. Dieser Eid erschien bedeutungslos: sie beschlossen also, das unbeständige Glüdc beim Schopf zu fassen und dem Heer einen Fürsten vorzusdilagen. Es ging daher von Vitellius an die Legionen und Legaten eine Gesandtschaft ab mit der Meldung, daß das obergermanische Heer von Galba abgefallen sei; man müsse demnadi entweder gegen die Abtrünnigen zu Feld ziehen oder, falls man f ü r Eintracht und Friede sei, einen Imperator aufstellen. Weniger gefährlich sei es, einen Fürsten anzunehmen als erst nach einem zu suchen. Das nächstgelegene Winterquartier war das der 1. Legion, der entschlossenste der Legaten Fabius Valens: Dieser rückte am folgenden Tag an der Spitze der Legionsreiterei und der der Bundesgenossen in Köln ein und begrüßte Vitellius als Imperator. Seinem Beispiel folgten mit ungeheurem Eifer die in der gleichen Provinz liegenden Legionen; das obergermanische Heer erklärte seinen Anschluß an Vitellius am 3. Januar, ohne nodi an die schönklingenden Namen „Senat und römisches Volk* zu denken: D a konnte man es klar sehen, daß es diesem Heer an den zwei vorhergehenden Tagen keineswegs um die Wiederherstellung der Republik zu tun war. Dem Feuereifer der Heere suchten es die Kölner, die Lingonen und Treverer

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aequabant, auxilia equos, arma pecuniam ofierentes, ut quisque corpore opibus ingenio validus. nec principes modo coloniarum aut castrorum, quibus praesentia ex adfluenti et parta victoria magnae spes, sed manipuli quoque et gregarius miles viatica sua et balteos phalerasque, insignia armorum argento decora, loco pecuniae tradebant, instinctu et ímpetu et avaritia.

58 Igitur laudata militum alacritate Vitellius ministeria · principatus per libertos agi solita in équités Romanos disponit, vacationes centurionibus ex fisco numerat, saevitiam militum plerosque ad poenam exposcentium saepius adprobat, raro simulatione vinculorum frustratur. Pompeius Propinquus procurator Belgicae statim interfectus; Iulium Burdonem Germanicae classis praefectum astu subtraxit. exarserat in eum iracundia exercitus, 2 tamquam crimen ac mox insidias Fonteio Capitoni struxisset. grata erat memoria Capitonis, et apud saevientes occidere palam, ignoscere non nisi fallendo licebat: ita in custodia habitus et post victoriam demum, statis iam militum odiis, dimissus est. interim ut piaculum obicitur centurio Crispinus: sanguine Capitonis se cruentaverat eoque et postulantibus manifestior et punienti vilior fuit.

59 Iulius deinde Civilis periculo exemptus, praepotens 1 inter Batavos, ne supplicio eius ferox gens alienaretur. et erant in civitate Lingonum octo Batavorum cohortes, quartae decumae legionis auxilia, tum discordia tempo-

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gleidizutun, indem sie Hilfsmannsdiaften, Pferde, Waffen, Geld anboten, je nadidem sie durdi Einsatz ihrer Person, ihres Vermögens oder ihrer Geisteskräfte etwas zu leisten vermoditen. Solche Angebote machten nicht nur die in den Kolonien oder Lagerplätzen maßgebenden Männer, die übergenug Mittel bei der H a n d hatten und sich für die Zeit nadi dem Sieg große Hoffnungen machten; nein, audi ganze Manipeln und gemeine Soldaten gaben ihre Ersparnisse, ebenso ihre 'Wehrgehänge und Brustgesdimeide, d. h. ihre silberverzierten militärischen Auszeichnungen, an Geldes Statt, aus Begeisterung oder aus beredinender Gewinnsucht ab. Vitellius lobte natürlich den Eifer der Soldaten, verteilte dann die gewöhnlidi von Freigelassenen bekleideten Hofämter unter römische Ritter und ließ den Centurionen die fälligen Urlaubsgelder aus der kaiserlichen Privatkasse auszahlen. Mit der Blutgier der Leute, die so manchen zur Bestrafung ausgeliefert wissen wollten, zeigte er sich ziemlidi häufig einverstanden, nur ab und zu gelang es ihm durdi eine Sdieinhaft, die Sache ?u vereiteln. Pompeius Propinquus, der Prokurator von Belgien, wurde sofort hingeriditet. Julius Burdo, den Befehlshaber der sogenannten germanischen Flotte, brachte er durch eine List glücklich aus der Klemme; das Heer war gegen ihn zornentbrannt, weil es annahm, er habe die Anschuldigung des Fonteius Capito und den nachfolgenden Mordanschlag ins Werk gesetzt. Capito stand nämlich in gutem Andenken, und in den Augen des mordlustigen Gesindels war es zwar erlaubt, jemanden am hellen Tag ums Leben zu bringen, Schonung gab es nur so hintenherum. So wurde Burdo in H a f t gehalten und erst nach dem Sieg, als sidi die Gehässigkeit der Soldaten gelegt hatte, freigelassen. Vorderhand wurde der Centurio Crispinus als eine Art Sühneopfer preisgegeben; er hatte sich mit dem Blut Capitos befleckt, weshalb der Fall für die Leute, die ihn vor Gericht forderten, offensichtlicher lag und es f ü r den Richter, der die Strafe verhängte, auf den Mann nicht soviel ankam. Ferner wurde der bei den Batavern sehr einflußreiche Julius Civilis aus der Gefahr befreit, damit nicht durdi seine Hinrichtung der kriegerische Stamm abtrünnig gemacht würde. Standen doch im Gau der Lingonen acht Bataverkohorten als Hilfsvölker der 14. Legion, die sich angesichts des in den Zeitläuften begründeten Zwiespalts von der Legion getrennt hat-

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rum a legione digressae, prout inclinassent, grande momentum sociae aut adversae. Nonium, Donatium, Romilium, Calpurnium centuriones, de quibus supra rettulimus, occidi iussit, damnatos fidei crimine, gravissimo inter desciscentes. accessere partibus Valerius Asiaticus, 2 Belgicae provinciae legatus, quem mox Vitellius generum adscivit, et Iunius Blaesus, Lugdunensis Galliae rector, cum Italica legione et ala Tauriana Lugduni tendentibus. nec in Raeticis copiis mora, quo minus statim adiungerentur. ne in Britannia quidem dubitatum. 60 Praeerat Trebellius Maximus, per avaritiam ac sordes contemptus exercitui invisusque. accendebat odium eius Roscius Caelius legatus vicensimae legionis, olim discors, sed occasione civilium armorum atrocius proruperant: Trebellius seditionem et confusum ordinem disciplinae Caelio, spoliatas et inopes legiones Caelius Trebellio obiectabat, cum interim foedis legatorum certaminibus modestia exercitus corrupta eoque discordiae ventum, ut auxiliarium quoque militum conviciis proturbatus et adgregantibus se Caelio cohortibus alisque desertus Trebellius ad Vitellium perfugerit. quies provinciae quamquam remoto consulari mansit: rexere legati legionum, pares iure, Caelius audendo potentior.

61 Adiuncto Britannico exercitu ingens viribus opibus- > que Vitellius duos duces, duo itinera bello des tina vit: Fabius Valens allicere vel, si abnuerent, vastare Gallias et Cottianis Alpibus Italiam inrumpere, Caecina propiore transitu Poeninis iugis degredi iussus. Valenti 2 inferioris exercitus electi cum aquila quintae legionis et

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ten und je nadi getroffener Entscheidung als Verbündete oder als Gegner schwer in die Waagschale fallen mußten. Die oben erwähnten Centurionen Nonius, Donatius, Romilius und Calpurnius ließ Vitellius hinrichten. Grund zur Verurteilung war ihre Treue, nach der Ansicht von Meuterern ein Schwerverbrecher Der vitellianischen Partei schlössen sidi an der Statthalter der belgischen Provinz Valerius Asiaticus, den Vitellius später zum Schwiegersohn nahm, der Statthalter im lugdunensischen Gallien Junius Bläsus, dazu die italische Legion und das taurinische Reiterregiment, die beide in Lyon lagen. Auch die in Rätien stehenden Hilfsvölker säumten nicht mit dem sofortigen Anschluß, nicht einmal in Britannien zögerte man. Statthalter war Trebellius Maximus, der wegen seines Geizes und seiner niedrigen Denkungsart beim Heer verachtet, ja verhaßt war. Die Feindschaft gegen ihn schürte Roscius Cälius, der ihm schon lange aufsässige Legat der 20. Legion. Gelegentlidi des Ausbruchs der Bürgerkriegskämpfe war es nodi zu schärferem Vorgehen der beiden gegeneinander gekommen: Trebellius warf dem Cälius Meuterei und Auflösung der militärischen Ordnung vor, Cälius dem Trebellius die Ausbeutung und die ärmliche Lage der Legionen. Darüber kam es, da die Legaten bei den häßlichen Streitigkeiten mitmachten, zu einer Zerrüttung der Manneszucht im Heer und schließlich zu solcher Unbotmäßigkeit, daß Trebellius, unter höhnenden Zurufen auch von Seiten der Hilfsvölker, davongejagt wurde und sich wegen des Anschlusses der bundesgenössisdien Kohorten und Schwadronen an Cälius in seiner Verlassenheit zu Vitellius flüchten mußte. Die Ruhe in der Provinz blieb trotz der Entfernung des Statthalters gewahrt; das Regiment führten die Legionslegaten gleichberechtigt untereinander, doch hatte der dreist auftretende Cälius das Obergewicht. Durdi den Anschluß des Heeres in Britannien mit gewaltigen Streitkräften und Machtmitteln versehen, stellte Vitellius zwei Heerführer f ü r den Krieg auf, sah auch zwei Heerstraßen vor: Fabius Valens sollte die gallischen Lande gütlich zu gewinnen suchen oder sie im Fall ihrer ablehnenden Haltung verwüsten und dann auf dem Weg über die Cottisdien Alpen in Italien einbrechen; Cäcina sollte den näheren Obergang wählen und von den Penninisdien Alpen aus hinunterziehen. Valens erhielt einige vom niedergermanischen Heer abgezweigte Abteilungen samt dem Adler der fünften Legion, dazu bundcsgenössisdie

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cohortibus alisque, ad quadraginta milia armatorum data; triginta milia Caecina e superiore Germania ducebat, quorum robur legio unaetvicensima fuit, addita utrique Germanorum auxilia, e quibus Vitellius suas quoque copias supplevit, tota mole belli secuturus. 62 Mira inter exercitum imperatoremque diversitas: 1 instare miles, arma poscere, dum Galliae trepident, dum Hispaniae cunctentur: non obstare hiemem neque ignavae pacis moras: invadendam Italiani, occupandam urbem; nihil in discordiis civilibus festinatione tutius, ubi facto magis quam consulto opus esset, torpebat "Vitellius 2 et fortunam principatus inerti luxu ac prodigis epulis praesumebat, medio diei temulentus et sagina gravis, cum tarnen ardor et vis militum ultro ducis munia implebat, ut si adesset imperator et strenuis vel ignavis spem metumve adderet. instructi intentique signum profectionis exposcunt. nomen Germanici Vitellio statim addi tum: Caesarem se appellar! etiam victor prohibuit. laetum augurium Fabio Valenti exercituique, quem in 3 bellum agebat, ipso profectionis die aquila leni meatu, prout agmen incederet, velut dux viae praevolavit, longumque per spatium is giudentium militum clamor, ea quies interritae alitis fuit, ut haud dubium magnae et prosperae rei omen acciperetur.

63 Et Treviros quidem ut socios securi adiere: Divoduri 1 (Mediomatricorum id oppidum est) quamquam omni comitate exceptos subitus pavor terruit, raptis repente armis ad caedem innoxiae civitatis, non ob praedam aut spoliandi cupidine, sed furore et rabie et causis incertis eoque difficilioribus remediis, donec precibus ducis miti-

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Kohorten und Schwadronen, im ganzen an die 40 000 Mann. Cäcina zog von Obergermanien her mit 30 000 Mann, deren Kerntruppe die 21. Legion war. Hinzu kamen bei beiden germanische Hilfsvölker, mit denen Yitellius audi seine Scharen auffüllte; er wollte mit voller Streitmacht den Nachtrab bilden.

Erstaunlich war der Gegensatz zwischen Heer und Imperator: Die Mannschaften drängten vorwärts, verlangten nach dem Kampf, solange noch die gallischen Gebiete unschlüssig schwankten, die spanischen Provinzen nodi zauderten; die Winterszeit und die aus feiger Friedensliebe erstehenden Bedenken seien kein Hinderungsgrund. Man müsse in Italien einmarschieren, die Hauptstadt besetzen; bei innerpolitischen Zerwürfnissen, wo es mehr aufs Handeln als aufs Überlegen ankomme, sei Schnelligkeit das Sidierste. Vitellius hingegen madite es sidi bequem und genoß das Fürstenglück schon im voraus in einem tatenlosen Schwelgerleben und üppigen Schmausereien. Schon um die Mittagszeit war er betrunken, sein Magen überladen, indes seine Leute in ihrer gewaltigen Begeisterung obendrein audi nodi die dem Feldherrn obliegenden Geschäfte ausführten, ganz als stünde der Kriegsherr daneben und flöße den tüchtigen Hoffnung, den Faulen Furcht ein. In voller Rüstung und gespannter Erwartung verlangten sie das Zeichen zum Aufbruch. Dem Vitellius legte man gleich den Namen „Germanicus* bei; als Cäsar ließ er sich aber audi nach seinem Sieg nidit bezeichnen. Ein erfreuliches Vorzeichen war es, daß dem Fabius Valens und dem von ihm ins Feld geführten Heer gerade am Aufbruchstage ein Adler in sanftem Dahingleiten gleichsam als 'Wegweiser voranflog, immer der Marschrichtung entsprechend. Über eine große Strecke hin war das Freudengesdirei der Soldaten so stark, so unerschütterlich die Ruhe des Vogels, daß man darin einen unbezweifelbaren prophetischen Hinweis auf ein großes und erfolgreiches Unternehmen sah. In das Gebiet der Treverer rückten die Truppen des Valens ohne Besorgnis, da sie Bundesgenossen waren. In Divodurum aber (einer Stadt der Mediomatriker) brach trotz der durchaus freundlichen Aufnahme eine unerwartet schwere Panik bei ihnen aus, so daß sie plötzlich zu den Waffen griffen und unter der unschuldigen Bevölkerung ein Blutbad anrichteten, nicht aus Beutegier oder Plünderungssucht, sondern aus purer Wut und Raserei und weiß Gott welchen Gründen, wider die deshalb nicht so leicht ein Gegenmittel zu finden war. Erst

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gati ab excidio civitatis temperavere; caesa tamen ad quattuor milia hominum. isque terror Gallias invasit, ut 2 venienti mox agmini universae civitates cum magistratibus et precibus occurrerent, stratis per vias feminis puerisque, quaeque alia placamenta hostilis irae non quidem in bello, sed pro pace tendebantur.

64 Nuntium de caede Galbae et imperio Othonis Fabius ι Valens in civitate Leucorum accepit. nec militum animus in gaudium aut formidine permotus: bellum volvebat. Gallis cunctatio exempta: erat in Othonem ac Vitellium odium par, ex Vitellio et metus. próxima Lingonum civi- 2 tas erat, fida partibus. benigne excepti modestia certavere, sed brevis laetitia fuit cohortium intemperie, quas a legione quarta decima, ut supra memoravimus, digressas exercitui suo Fabius Valens adiunxerat. iurgia primum, mox rixa inter Batavos et legionarios, dum his aut illis studia militum adgregantur, prope in proelium exarsere, ni Valens animadversione paucorum oblitos iam Batavos imperii admonuisset. frustra adversus Aeduos quaesita 3 belli causa: iussi pecuniam atque arma deferre gratuitos insuper commeatus praebuere. quod Aedui formidine, Lugdunenses gaudio fecere. sed legio Italica et ala Tauriana abductae: cohortem X V I I I Lugduni, solitis sibi hibernis, relinqui placuit. Manlius Valens legatus Italicae le- 4 gionis, quamquam bene de partibus meritus, nullo apud Vitellium honore fuit: secretis eum criminationibus infamaverat Fabius ignarum, et, quo incautior deciperetur, palam laudatum.

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durdi die Bitten des Feldherrn ließen sich die Soldaten besänftigen und standen davon ab, die Stadt zu vernichten; immerhin wurden an die 4000 Mensdien umgebracht. Hierüber erfaßte die gallischen Lande ein soldier Schrecken, daß in der Folge ganze Ortschaften, von ihren Behörden geführt, bittflehend dem herankommenden Heereszug entgegengingen; dabei warfen sich Frauen und Kinder auf den Weg und wurden die sonstigen Mittel, die zur Besänftigung feindlichen Zorns Üblich sind, verwendet: und das nicht, weil Krieg im Land war, sondern zur Erhaltung des lieben Friedens. Die Nadiridit über Galbas Ermordung und Othos Thronbesteigung erhielt Valens im Gau der Leuker. Die Soldaten wurden dadurch weder freudig noch furchtsam gestimmt, sie dachten nur an den Krieg. Die Gallier mußten ihr Zuwarten aufgeben ; gegenüber Otho und Vitellius war ihr H a ß ja gleichgroß, vor Vitellius aber hatten sie audi nodi Furcht. Der nächstgelegene Gau der Lingonen hielt treu zur Partei des Vitellius. Nadi der freundlichen Aufnahme dort bemühte man sidi, im Wetteifer miteinander, um gute Manneszudit, dodi währte der erfreuliche Zustand nur kurz, und zwar infolge des Übermuts der Kohorten, die Fabius Valens nach ihrer obenerwähnten Trennung von der 14. Legion seinem Heer einverleibt hatte. Die anfänglichen Wortwechsel und anschließenden Keilereien zwischen Batavern und Legionaren hätten, da sidi die Soldaten je nach Parteinahme zu den einen oder anderen hielten, beinahe einen regelrechten Kampf entfadit, wenn nidit Valens durch Bestrafung einiger Leute die Bataver an seine sdion in Vergessenheit geratene Befehlsgewalt erinnert hätte. Vergebens suchte man nach einem Grund zum Krieg gegen die Aduer. Auf den Befehl hin, Geld und Waffen abzuliefern, gaben sie obendrein audi nodi unentgeltlich Lebensmittel her. Und was die Aduer aus Angst taten, das machten die Einwohner von Lyon aus Freude. Die italische Legion und die taurinische Schwadron mußten abziehen, nur die 18. Kohorte durfte dort in ihrem gewohnten Winterquartier bleiben. Manlius Valens, der Legat der italischen Legion, war trotz seiner Verdienste um die Partei des Vitellius bei diesem gar nicht gut angeschrieben. Durch heimliche Verleumdungen hatte ihn in seiner Ahnungslosigkeit Valens angeschwärzt, dafür hatte er, um ihn unvorsiditiger zu machen und so besser hintergehen zu können, mit öffentlichem Lob nicht gespart.

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65 Veterem inter Lugdunenses et Viennenses discordiam ι proximum bellum accenderat. multae in vicem clades, crebrius infestiusque, quam ut tantum propter Neronem Galbamque pugnaretur. et Galba reditus Lugdunensium occasione irae in fiscum verterat; multus contra in Viennenses honor: unde aemulatio et invidia et uno amne discretis conexum odium, igitur Lugdunenses exstimu- ι lare singulos militum et in eversionem Viennensium impellere, obsessam ab illis coloniam suam, adiutos Vindicis conatus, conscriptas nuper legiones in praesidium Galbae referendo, et ubi causas odiorum praetenderant, magnitudinem praedae ostendebant; nec iam secreta exhortado, sed publicae preces: irent ultores, exscinderent sedem Gallici belli, cuncta illic externa et hostilia: se, coloniam Romanam et partem exercitus et prosperarum adversarumque rerum socios, si fortuna contra daret, iratis ne relinquerent.

66 His et pluribus in eundem modum perpulerant, ut ι ne legati quidem ac duces partium restingui posse iracundiam exercitus arbitrarentur, cum haud ignari discriminis sui Viennenses, velamenta et ínfulas praeferentes, ubi agmen incesserat, arma genua vestigia prensando flexere militum ánimos; addidit Valens trecenos singulis militibus sestertios. tum vetustas dignitasque coloniae valuit et verba Fabi salutem incolumitatemque Viennensium commendantis aequis auribus accepta; publice tarnen armis multati, privatis et promiscuis copiis iuvere militem. sed fama constans fuit ipsum Valentem magna ι pecunia emptum. is diu sordidus, repente dives muta-

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Die alte Zwietradit zwischen Lyon und Vienne hatte der jüngstvergangene Krieg nodi mehr geschürt. Viele blutige Verluste gab es auf beiden Seiten, dabei schlug man sich häufiger und erbitterter, als wenn es nur um Nero und Galba gegangen wäre. Galba hatte die Gelegenheit, seinen Zorn zu befriedigen, dazu benutzt, die Einkünfte der Lyoner der kaiserlichen Sonderkasse zuzuweisen, die Vienner aber vielfach geehrt. So blühten Eifersucht und Neid, und zwischen den beiden einzig durch den Fluß getrennten Städten stellte nur H a ß die Verbindung her. Daher hetzten die Lyoner einzelne Leute des römischen Heeres auf und trieben sie zum Vernichtungskampf gegen die Vienner an. Diese hätten, so erzählten sie, ihre Pflanzstadt Lyon belagert, die Unternehmungen des Vindex unterstützt, kürzlich Legionen zum Schutz Galbas ausgehoben. Und nachdem sie die angeblichen Gründe zum H a ß aufgezählt hatten, eröffneten sie jeweils noch Aussichten auf reiche Beute. Im weiteren begnügten sie sich nicht mit vereinzelten geheimen Aufforderungen, sondern trugen ihre Bitten ganz offen vor: Man solle den Rachezug unternehmen, den Herd des gallisdien Krieges vernichten. Dort in Vienne sei alles unrömisch und feindselig; sie, die Lyoner, seien eine römische Kolonie, ein Teil des römischen Heeres, Kameraden in Glück und Unglück. Falls das Schicksal gegen sie selbst entsdieide, möge man sie nidit der Rachsucht der Feinde ausliefern. Durch solche Mittel und dergleichen mehr hatten es die Lugdunenser soweit gebracht, daß nicht einmal die Legaten und die Parteihäupter daran glaubten, die Erbitterung des Heeres beschwichtigen zu können. Da gelang es den Viennent, die in klarer Erkenntnis der ihnen drohenden Gefahr lucher und Binden zur Schau trugen und, wo das römische Heer anrückte, immer wieder die Waffen, Kniee und Füße der Soldaten umfaßten, ihre Herzen umzustimmen. Außerdem gab Valens jedem Mann 300 Sesterzien. Jetzt erst kam Alter und Wurde der Pflanzstadt Vienne etwas in Geltung und wurde die Rede des Fabius, der das Wohl und die Sicherheit der Vienner angelegentlich empfahl, beifällig aufgenommen; sie mußten sich jedoch insgesamt entwaffnen lassen und die Soldaten mit allerhand Lieferungen aus Privatbesitz unterstützen. Es hielt sich aber das Gerüdit, Valens selber habe sich durch eine große Geldsumme erkaufen lassen. Lange in ärmlichen Verhältnissen lebend, dann plötzlich reich geworden, wußte er diesen Glückswandel nur

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tionem fortunae male tegebat, accensis egestate longa cupidinibus immoderatus et inopi iuventa senex prodigus. lento deinde agmine per fines Allobrogum ac Vocon- 3 tiorum ductus exercitus, ipsa itinerum spatia et stativorum mutationes venditante duce, foedis pactionibus adversus possessores agrorum et magistratus civitatum, adeo minaciter, ut Luco (municipium id Vocontiorum est) faces admoverit, donee pecunia mitigaretur. quotiens pecuniae materia deesset, stupris et adulteriis exorabatur. sic ad Alpes perventum. 67 Plus praedae ac sanguinis Caecina hausit. inritaverant 1 turbidum ingenium Helvetii, Gallica gens olim armis virisque, mox memoria nominis clara, de caede Galbae ignari et Vitellii imperium abnuentes. initium bello fuit avaritia ac festinatio unaetvicensimae legionis: rapuerant pecuniam missam in Stipendium castelli, quod olim Helvetii suis militibus ac stipendiis tuebantur. aegre id 2 passi Helvetii, interceptis epistulis, quae nomine Germanici exercitus ad Pannonicas legiones ferebantur, centurionem et quosdam militum in custodia retinebant. Caecina belli avidus proximam quamque culpam, antequam paeniteret, ultum ibat: mota propere castra, vastati agri, direptus longa pace in modum municipii exstructus locus, amoeno salubrium aquarum usu frequens; missi ad Raetica auxilia nuntii, ut versos in legione!» Helvetios a tergo adgrederentur.

68 Illi ante discrimen feroces, in periculo pavidi, quam- > quam primo tumultu Claudium Severum ducem legerant, non arma noscere, non ordines sequi, non in unum

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sdiwer zu verbergen. Da in den langen Notjahren seine Begierden leidenschaftlich erregt waren, kannte er jetzt weder Maß noch Ziel und wurde so nach dürftiger Jugendzeit in seinen alten Tagen ein Verschwender. Langsam rückte in der Folge sein Heer durch das Gebiet der Allobroger und Vokontier; dabei machte er, der Führer, mit der Ausdehnung der Märsche und dem Wechsel der Standlager Geschäfte in schandbaren Vereinbarungen mit den Grundstücksbesitzern und den Gemeindebehörden. Sogar zu Drohungen kam es; so rückte er gegen Lucus (eine Landstadt der Vokontier) mit Brandfackeln heran und ließ sich erst durch Geld zur Milde bestimmen. Jedesmal, wenn die Geldquelle versiegte, war er nur durch Gelegenheit zu Hurerei und durch Gelegenheit zu ehebrecherischem Treiben zu erweichen. Auf diese Weise kam man bis zu den Alpen. Mehr Beute und Menschenleben kostete Cäcinas Marsch. Gereizt hatten den Hitzkopf die Helvetier, ein ehemals durch Waffenmacht und Heldentum, dann durch geschichtliche Erwähnung seines Namens berühmter gallischer Stamm, der in seiner Unkenntnis über Galbas Ermordung von einer Regierung des Vitellius nichts wissen wollte. Den Anlaß zum Kriegsausbruch boten die Habgier und Ungeduld der Einundzwanziger. Sie hatten eine Geldsumme, die zur Löhnung bestimmt war, in einem Kastell geraubt, das die Helvetier seit langer Zeit mit einer eigenen Söldnertruppe besetzt hielten. In ihrer Entrüstung hierüber fingen die Helvetier ein im Namen des „germanischen*' Heeres an die pannonischen Legionen gerichtetes Schreiben ab, behielten dabei audi einen Centurio und einige Soldaten in Haft. Kriegslustig, wie er war, machte sich Cäcina auf den Weg, um für die erste beste Verfehlung Rache zu nehmen, bevor noch ein Gedanke an Reue auftauchen konnte. In aller Eile rückte er aus, ließ die Felder verwüsten und eine der Ortschaften plündern, die während der langen Friedenszeit zum Umfang unserer Landstädte herangewachsen war und wegen ihrer anmutigen Lage und des Gebrauchs von Heilquellen viel besucht wurde. Die Hilfstruppen in Rätien erhielten die Botschaft, sie sollten die Helvetier im Rücken angreifen, falls sie sich gegen die Legion wendeten. Die Helvetier, vor der Entscheidung kriegslustig, in der Gefahr jedoch verzagt, hatten zwar beim ersten Kriegslärm den Claudius Severus zum Führer erwählt; das Waffenhandwerk richtig zu erlernen, Reih und Glied zu halten, einen einneit-

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consulere. exitiosum adversus veteranos proelium, intuta obsidio dilapsis vetustate moenibus; hinc Caecina cum valido exercitu, inde Raeticae alae cohortesque et ipsorum Raetorum iuventus, sueta armis et more militiae exercita. undique populatio et caedes: ipsi medio vagi, abiectis armis, magna pars saucii aut palantes, in montem Vocetium perfugere. ac statim immissa cohorte Thracum 2 depulsi et consectantibus Germanis Raetisque per silvas atque in ipsis latebris trucidati; multa hominum milia caesa, multa sub corona venundata. cumque dirutis omnibus Aventicum gentis caput infesto agmine peteretur, missi qui dederent civitatem, et deditio accepta, in Iulium Alpinum e principibus ut concitorem belli Caecina animadvertit: ceteros veniae vel saevitiae Vitellii reliquit.

69 Haud facile dictu est, legati Helvetiorum minus placabilem imperatorem an militem invenerint. civitatis excidium poscunt, tela ac manus in ora legatorum intentant, ne Vitellius quidem verbis ac minis temperabat, cum Claudius Cossus, unus e legatis, notae facundiae, sed dicendi artem apta trepidatione occultans atque eo validior, militis animum mitigavit. mox, ut est volgus mutabile subitis et tarn pronum in misericordiam quam immodicum saevitia fuerat, effusis lacrimis et meliora constantius postulando impunitatem salutemque civitati impetravere. 70 Caecina paucos in Helvetiis moratus dies, dum sen- 1 tentiae Vitellii certior fieret, simul transitum Alpium parans, laetum ex Italia nuntium accipit alam Silianam

Buch I fratris filium prima iuventa, trepidum et maerentem ultro solatus est laudando pietatem eius, castigando formidinem: an Vitellium tam immitis animi fore, ut pro incolumi tota domo ne hanc quidem sibi gratiam redderet? mereri se festinato exitu clementiam victoris; non enim ultima desperatione, sed poscente proelium exercitu remisisse rei publicae novissimum casum, satis sibi nominis, satis posteris suis nobilitatis quaesitum. post Iulios Claudios Servios se primum in familiam novam imperium intulisse: proinde erecto animo capesseret vitam, neu patruum sibi Othonem fuisse aut oblivisceretur umquam aut nimium meminisset.

49 Post quae dimotis omnibus paulum requievit. atque 1 illum supremas iam curas animo volutantem repens tumultus avertit, nuntiata consternatione ac licentia militum; namque abeuntibus exitium minitabantur, atrocissima in Verginium vi, quem clausa domo obsidebant. increpitis seditionis auctoribus regressus vacavit abeuntium adloquiis, donec omnes inviolati digrederentur. vesperascente die sitim haustu gelidae aquae seda- 2 vit. tum adlatis pugionibus duobus, cum utrumquepertemptasset, alterum capiti subdidit. et explorato iam

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Siegers reizen. Auf die Jüngeren machte er dabei durch sein Ansehen, auf die Alteren durch seine Bitten Eindruck; auch seine ruhige Miene, seine feste Stimme, das Bemühen, den Tränen der Seinen, wozu es jetzt nicht die rechte Zeit sei, Einhalt zu tun, wirkten mit. Er befahl, für die Abreisenden Schiffe und Fahrzeuge bereitzustellen. Eingaben und Briefe, die durch Parteinahme für ihn oder durch Schmähungen gegen Vitellius auffallen konnten, vernichtete er. Gelder verteilte er nur sparsam, nicht als ob sein Tod bevorstünde. Danach hatte er für seinen noch recht jugendlichen Neffen Salvius Cocceianus, der sich aufgeregt und traurig zeigte, sogar Worte des Trostes, wobei er seine kindliche Anhänglichkeit lobte, seine Furcht tadelte: Ob denn Vitellius so grausamen Sinnes sei, daß er als Dank für die Rettung der ganzen Vitellius-Familie ihm, dem Otho, jetzt nicht einmal eine kleine Gunst erweise? Durch die Entscheidung für einen raschen Tod besitze er ein Anrecht auf die Milde des Siegers; nicht aus äußerster Verzweiflung habe er dem Staat ärgstes Mißgeschick erspart, sondern obwohl das Heer nach einer Schlacht verlangte. Sein Streben, sich selbst einen Namen zu machen, seinen Nachkommen ein hohes Ansehen zu verschaffen, sei befriedigt. Seit den Tagen der Julier, Claudier und Servier sei er der erste, der einer erst emporsteigenden Familie die Herrscherwürde verschafft habe. Daher solle Salvius Cocceianus den Kopf oben behalten und sich seines Lebens freuen; daß Otho sein Oheim gewesen sei, das solle er nicht vergessen, aber sich auch nicht allzusehr daran erinnern ! Hierauf nahm er allgemein Abschied und ruhte sich dann etwas aus. Als er sich bereits mit Todesgedanken trug, lenkte ihn ein plötzlicher Tumult, die Kunde von einem bei der zügellosen Soldateska ausgebrochenen Krawall davon ab; man bedrohte nämlich die Leute, die abreisen wollten, mit dem Tod, schrecklich gewalttätig war man gegen Verginius, den man in seiner Behausung einschloß und belagerte. Als Otho den Rädelsführern heftige Vorwürfe gemadit hatte, kehrte er um und nahm sich die Zeit zu einigen beruhigenden Worten an die Abreisenden, bis sie sich alle unbehelligt entfernt hatten. Gegen Abend löschte er seinen Durst mit einem Schluck eiskalten Wassers. Hierauf ließ er sich zwei Dolche bringen, und als er beide genau geprüft hatte, legte er den einen davon unter sein Kopfkissen. Nachdem er Gewißheit erhalten hatte, daß seine

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profectos amicos, noctem quietam, utque adfirmatur, non insomnem egit: luce prima in ferrum pectore incubuit. ad gemitum morientis ingressi liberti servique et 3 Plotius Firmus praetorii praefectus unum volnus invenere. funus maturatum; ambitiosis id precibus petierat, ne amputaretur caput ludibrio futurum, tulere corpus praetoriae cohortes cum laudibus et lacrimis volnus manusque eius exosculantes. quidam militum 4 iuxta rogum interfecere se, non noxa ñeque ob metum, sed aemulatione decoris et caritate principis. ac postea promisee Bedriaci Placentiae aliisque in castris celebratum id genus mortis. Othoni sepulchrum exstructum modicum et mansurum. hunc vitae finem habuit séptimo et tricensimo aetatis anno. 50 Origo illi e municipio Ferendo, pater consularis, avus praetorius; maternum genus impar nec tamen indecorum. pueritia ac iuventa, qualem monstravimus. duobus facinoribus, altero flagitiosissimo, altero egregio, tantundem apud posteros meruit bonae famae quantum malae. ut conquirere fabulosa et fictis oblectare legentium ánimos procul gravitate coepti operis crediderim, ita volgatis traditisque demere fidem non ausim. die, quo Bedriaci certabatur, avem invisitata specie apud Regium Lepidum celebri luco consedisse incolae memorant, nec deinde coetu hominum aut circumvolitantium alitum territam pulsamve, donee Otho se ipse interficeret; tum ablatam ex oculis: et tempora reputantibus initium finemque miraculi cum Othonis exitu competisse.

51 In funere eius novata luctu ac dolore militum seditio,

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Freunde bereits abgereist seien, brachte er die Nacht ruhig und, wie versichert wird, nicht schlaflos zu. Bei Tagesanbruch stieß er sich den Dolch ins Herz. Auf das Röcheln des Sterbenden hin eilten Freigelassene und Sklaven sowie Plotius Firmus, der Oberst der Leibwache, in den Raum; sie fanden bei Otho nur eine einzige Wunde. Das Leichenbegängnis wurde beschleunigt; Otho hatte inständig um Eile gebeten, aus Furcht, man möchte ihm das Haupt abschlagen und damit Mutwillen treiben. Den Leichnam trugen die prätorisdien Kohorten weg, unter Lobpreisungen auf den Toten, unter Tränen und inbrünstigen Küssen auf seine Wunde und seine Hände. Einige Soldaten nahmen sidi neben dem Scheiterhaufen das Leben, nicht aus Schuldbewußtsein und Furcht, sondern aus Streben nach Ruhm und aus Anhänglichkeit an ihren Fürsten. Nachher war bald da bald dort, in Bedriacum, Placentia und in anderen Lagerplätzen diese Todesart beliebt. Das Grabmal, das man für Otho errichtete, war einfach, und eben deswegen vom Bestand für die Zukunft. So fand er, 36 Jahre alt, sein Ende. Er stammte aus der Landstadt Ferentium; sein Vater hatte das Amt eines Konsuls bekleidet, sein Großvater das eines Prätors; mütterlicherseits war seine Abkunft nicht so hodi, dodi nicht unansehnlich. In seinen Jugend- und Mannesjahren zeigte er sich in der bereits geschilderten Art. Durch zwei Taten, eine überaus scheußliche und eine hervorragende, brachte er es bei der Nachwelt zu einem ebenso guten wie schlimmen Ruf. Fabeleien zusammenzusuchen und die Leser durch erfundene Geschichten zu ergötzen, ist zwar meiner Ansicht nach nicht gut vereinbar mit dem Ernst des von mir begonnenen Werkes, dennoch traue ich mich nicht recht, einer weitverbreiteten Uberlieferung den Glauben zu versagen. An dem Tag, da der Kampf bei Bedriacum stattfand, soll, wie die Ortseinwohner berichten, ein Vogel von einer noch nie gesehenen Gestalt sich bei Regium Lepidum in einem belebten Hain niedergelassen haben. Er habe sich in der Folge auch durch die Ansammlung von Menschen und herumschwirrenden Vögeln nicht erschrecken und verscheuchen lassen; erst in dem Augenblick, da Otho Selbstmord beging, sei er den Blicken entschwunden. Bei der zeitlichen Nachrechnung soll sich tatsächlich ergeben haben, daß Anfang und Ende der Wundererscheinung mit Othos Hingang zusammentrafen. Bei Othos Leichenbegängnis riefen Trauer und Schmerz der Soldaten einen neuen Aufruhr hervor und es war niemand da,

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nec erat qui coerceret. ad Verginium versi, modo ut reciperet imperium, nunc ut legatione apud Caecinam ac Valentem fungeretur, minitantes orabant: Verginius per aversam domus partem furtim degressus inrumpentes frustratus est. earum, quae Brixelli egerant, cohortium preces Rubrius Gallus tulit, et venia statim impetrata, concedentibus ad victorem per Flavium Sabinum iis copiis, quibus praefuerat. 52 Posito ubique bello magna pars senatus extremum ι discrimen adiit, profecta cum Othone ab urbe, dein Mutinae relicta, illuc adverso de proelio adlatum: sed milites ut falsum rumorem aspernantes, quod infensum Othoni senatum arbitrabantur, custodire sermones, voltum habitumque trahere in deterius; conviciis postremo ac probris causam et initium caedis quaerebant, cum alius insuper metus senatoribus instaret, ne praevalidis iam Vitellii partibus cunctanter excepisse victoriam crederentur. ita trepidi et utrimque anxii co- 2 eunt, nemo privatim expedito Consilio, inter multos societate culpae tutior. onerabat paventium curas ordo Mutinensis arma et pecuniam offerendo, appellabatque patres conscriptos intempestivo honore.

53 Notabile iurgium fuit, quo Licinius Caecina Mar- ι cellum Eprium ut ambigua disserentem invasit. nec ceteri sententias aperiebant: sed invisum memoria delationum expositumque ad invidiam Marcelli nomen inritaverat Caecinam, ut novus adhuc et in senatum nuper adscitus magnis inimicitiis claresceret. moderatione me- 2

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ihm Einhalt zu tun. Man wandte sich an Verginius, bald mit der Bitte, er solle die Herrschaft ergreifen, bald mit der Bitte um Übernahme einer Gesandtschaft an Cäcina und Valens; die Worte klangen wie eine Drohung. Verginius aber machte sich wie ein Dieb durch das Hinterhaus davon und täuschte so die bei ihm eindringende Bande. Aus den Reihen der Prätorianerkohorten, die in Brixellum gestanden hatten, überbrachte Rubrius Gallus ein Gesuch um Verzeihung, das auch sofort gnädig gewährt wurde; gleichzeitig traten unter Flavius Sabinus die Truppenteile, die er bisher geführt hatte, zum Sieger über. Als der Krieg bereits überall beigelegt war, geriet ein großer Teil des Senats, der mit Otho die Hauptstadt verlassen hatte und dann zu Mutina zurückgeblieben war, in äußerste Gêfahr. Dorthin, nach Mutina, kam die Kunde über die Unglückssdiladit; die Soldaten aber hielten sie für ein falsches Gerücht und wollten von ihr nichts wissen. D a sie die Senatoren für Othos Gegner hielten, belauschten sie ihre Gespräche und legten ihre Miene und ihre Haltung nach der schlimmen Seite hin aus; schließlich gingen sie zu Schmähungen und Vorwürfen über und suchten so einen Anlaß, um ein Blutbad zu beginnen. Dabei bedrängte die Senatoren obendrein auch noch die Furcht vor der Verdächtigung, daß sie, trotz der bereits bestehenden Überlegenheit der vitellianischen Partei, mit der Anerkennung des Siegers gezögert hätten. So hielten sie denn in ihrer Aufregung und in ihrer Angst vor Bedrohung von hüben und drüben eine Versammlung, in der niemand auf eigene Verantwortung Rat schaffen wollte, vielmehr jeder nur im Gedanken an eine Mehrheit, welche die Schuld mit ihm teilte, sich einigermaßen sicher fühlte. Arger nodi wurden die Sorgen der Verängstigten durch den Gemeinderat von Mutina, der ihnen Waffen und Geld anbot und sie - eine für den Augenblick ungelegene Ehrung - als Patrizier und Beigeordnete bezeichnete. Merkwürdig war ein Wortwechsel, in dessen Verlauf Licinius Cäcina den Marcellus Eprius mit dem Vorwurf angriff, er halte in seinen Reden nidit auf Eindeutigkeit. Es pflegten zwar auch die übrigen Senatoren ihre Meinungen nicht offen zu äußern, doch hatte die durch die Erinnerung an ihre Angebereien verhaßte und der Mißgunst ausgesetzte Person des Marcellus den Cäcina, der politisch noch unbekannt und in den Senat erst aufgenommen war, verlockt, sich durch Feindschaft mit einem bedeutenderen Mann einen Namen zu machen. N u r

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Horum dirempti. et rediere omnes Bononiam, rursus consiliaturi; simul medio temporis plures nuntii sperabantur. Bononiae, divisis per itinera qui recentissimum quemque percunctarentur, interrogatus. Othonis libertus causam digressus habere se suprema eius mandata respondit; ipsum viventem quidem relictum, sed sola posteritatis cura et abruptis vitae blandimentis. hinc admiratio et plura interrogandi pudor, atque omnium animi in Vitellium inclinavere.

54 Intererat consiliis frater eius L. Vitellius seque iam ι adulantibus offerebat, cum repente Coenus libertusNeronis atroci mendacio universos perculit, adfirmans superventu quartae decimae legionis, iunctis a Brixello viribus, caesos victores, versam partium fortunam. causa fingendi fuit, ut diplomata Othonis, quae neglegebantur, laetiore nuntio revalescerent. et Coenus qui- α dem raptim in urbem vectus paucos post dies iussu Vitellii poenas luit: senatorum periculum auctum credentibus Othonianis militibus vera esse quae adferebantur. intendebat formidinem, quod publici consilii facie discessum Mutina desertaeque partes forent, nec ultra in commune congressi sibi quisque consuluere, donec missae a Fabio Valente epistulae demerent metum. et mors Othonis quo laudabilior, eo velocius audita.

55 At Romae nihil trepidationis; Ceriales ludi ex more ι spectabantur. ut cecidisse Othonem et a Flavio Sabino praefecto urbis quod erat in urbe militum sacramento Vitellii adactum certi auctores in theatrum adtulerunt,

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das beruhigende Eingreifen der Bessergesinnten brachte die beiden glücklich auseinander. Danach kehrten alle nach Bononia zurück, in der Absicht sich dort aufs neue zu beraten; zugleich hoffte man in der Zwischenzeit auf weitere Nachrichten. In Bononia, wo straßenweise Leute verteilt waren, um jeden Neuankömmling auszufragen, erkundigte man sich audi bei einem in Othos Dienst stehenden Freigelassenen, warum er sich davongemacht habe. Seine Antwort lautete, daß er Othos letzten Willen bringe; er habe ihn zwar noch zu seinen Lebzeiten verlassen, doch sei Otho in seinen Gedanken schon einzig und allein mit der Nachwelt beschäftigt gewesen, losgelöst von allen holden Banden des Daseins. In Verwunderung hierüber scheute man sich, nadi mehr zu fragen, und neigte sich allgemein dem Vitellius zu. An den Beratungen nahm des Vitellius Bruder L. Vitellius teil; schon zeigte er sich Schmeicheleien zugänglich, als plötzlich Conus, ein Freigelassener Neros, durch eine arge Aufschneiderei alle in Bestürzung versetzte. Er behauptete nämlich, durch das Erscheinen der 14. Legion und ihre Verbindung mit Streitkräften aus Brixellum seien die bisherigen Sieger geschlagen worden und im Kriegsglück der Partei eine Wendung eingetreten. Zweck der Erdichtung war, den in der Regel nicht mehr berücksichtigen Geleitbriefen Othos durch eine erfreulichere Nachricht wieder Gültigkeit zu verschaffen. So konnte Conus zwar im Eiltempo nach Rom fahren, doch hatte er schon ein paar Tage später auf des Vitellius Befehl seine Strafe zu verbüßen. Die Gefahr f ü r den Senat erhöhte sich, da die othonianisdien Soldaten an die Wahrheit jenes Berichtes glaubten. Die Befürchtungen der Senatoren nahmen noch zu bei dem Gedanken, es möchten ihr Abzug von Mutina und der Abfall von Othos Partei wie ein amtlicher Beschluß aussehen. Weiterhin kamen sie daher nicht mehr gemeinsam zusammen, sondern jeder sorgte und handelte für sich, bis ein Brief von Fabius Valens sie von aller Furcht erlöste. Die Kunde von Othos Tod verbreitete sich um so rascher, je rühmenswerter sein Sterben war. In Rom aber herrschte keine Spur von Unruhe; die Spiele am Ceresfest wurden wie gewöhnlich besucht. Als die sichere Nachricht von Othos Hingang und von der durch den Stadtkommandanten Flavius Sabinus vorgenommenen Vereidigung des gesamten in Rom liegenden Kriegsvolks auf Vitellius in d i s

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Vitellio plausere; populus cum lauru ac floribus Galbae imagines circum templa tulit, congestis in modum tumuli coronis iuxta lacum Curti, quem locum Galba moriens sanguine infecerat. in senatu cuncta longis aliorum 2 principatibus composita statim decernuntur; additae erga Germanicum exercitum laudes gratesque et missa legado, quae gaudio fungeretur. recitatae Fabii Valentis epistulae ad cónsules scriptae haud immoderate: gratior Caecinae modestia fuit, quod non scripsisset.

56 Ceterum Italia gravius atque atrocius quam bello ad- ι flictabatur. dispersi per municipia et colonias Vitelliani spoliare rapere, vi et stupris polluere; in omne fas nefasque avidi aut venales non sacro, non profano abstinebant. et fuere qui inimicos suos specie militum interficerent, ipsique milites regionum gnari refertos agros, dites dominos in praedam aut, si repugnatum foret, ad excidium destinabant, obnoxiis ducibus et prohibere non ausis. minus avaritiae in Caecina, plus ambitionis: ι Valens ob lucra et quaestus infamis eoque alienae etiam culpae dissimulator, iam pridem adtritis Italiae rebus tanta peditum equitumque vis damnaque et iniuriae aegre tolerabantur.

57 Interim Vitellius victoriae suae nescius ut ad integrum ι bellum reliquas Germanici exercitus vires trahebat. pauci veterum militum in hibernis relieti, festinatis per Gallias dilectibus, ut remanentium legionum nomina supplerentur. cura ripae Hordeonio Fiacco permissa; ipse e Bri-

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Theater drang, erhob sich für Vitellius ein Beifallssturm. Das Volk trug die mit Lorbeer und Blumen geschmückten Bildnisse Galbas in den Tempeln umher und häufle neben dem Curtiusteich, dem Platz, den der sterbende Galba mit seinem Blut getränkt hatte, Kränze wie zu einem Grabhügel auf. Im Senat wurde alles gleich auf einmal bewilligt, was man sonst im Lauf langer Zeiträume den Fürsten zuzuerkennen pflegt. Außerdem wurde dem „germanischen* Heer reiches Lob und großer Dank gespendet und eine Gesandtschaft abgeordnet, die der Freude entsprechenden Ausdruck geben sollte. Im Senat kam ein Schreiben des Fabius Valens an die Konsuln zur Verlesung, das in recht bescheidenem Ton gehalten war; noch angenehmer fand man die Bescheidenheit Cäcinas, welche sich, wie man sagte, darin zeigte, daß er kein Schreiben verfaßt hatte. Übrigens wurde Italien damals schwerer und schrecklicher heimgesucht als im Krieg. Die in den verschiedenen Land- und Pflanzstädten liegenden Vitellianer raubten und plünderten, verübten Gewalttätigkeiten und Unzucht. Ohne nach gottgesetztem Redit oder Unrecht zu fragen, folgten sie ihrer Gier oder ließen sich dingen, um dann ihre Hände weder von heiligem noch menschlichem Besitz zurückzuhalten. Manche Zivilisten taten, als ob sie Soldaten seien, und brachten ihre persönlichen Feinde um. Die Soldateska selber ersah, ortskundig wie sie war, Ländereien mit vollen Scheunen, wohlhabende Grundbesitzer zur Plünderung aus oder dachte bei ihnen im Fall eines Widerstandes an Mord und Totschlag, während die Führer dem gegenüber wie ohnmächtig waren und nicht einzugreifen wagten. Bei Cäcina trat nicht so sehr Habsucht hervor wie vielmehr sein Streben, sich beliebt zu machen. Valens stand wegen seiner großen Gewinnsucht in üblem Ruf und sah deswegen auch über fremde Schuld hinweg. Da der Wohlstand Italiens schon längst zerrüttet war, konnte man eine derart starke Belegung des Landes mit Fußvolk und Reiterei und die damit verbundenen Verluste und Bedrängnisse nur schwer ertragen. Inzwischen suchte Vitellius, der von seinem Sieg noch nichts wußte, die übrigen Streitkräfte des Heeres in den germanischen Provinzen an sich zu ziehen, als ob der Krieg erst begänne. Nur wenige der altgedienten Soldaten wurden in den Winterquartieren zurückgelassen, dafür die Aushebungen in ganz Gallien beschleunigt, um die zurückbleibenden Legionen auf die Normalstärke zu bringen. Die Obsorge über das linke Rheinufer

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tannico exercitu delecta octo milia sibi adiunxit. et > paucorum dierum iter progressus prosperas apud Bedriacum res ac morte Othonis concidisse bellum accepit: vocata contione virtutem militum laudibus cumulât, postulante exercitu, ut libertum suum Asiaticum equestri dignitate donaret, inhonestam adulationem compescit; dein mobilitate ingenii, quod palam abnuerat, inter secreta convivii largitur, honoravitque Asiaticum anulis, foedum mancipium et malis artibus ambitiosum.

58 Isdem diebus accessisse partibus utramque Maure- ι taniam, interfecto procuratore Albino, nuntii venere. Lucceius Albinus a Nerone Mauretaniae Caesariensi praepositus, addita per Galbam Tingitanae provinciae administratione, haud spernendis viribus agebat. decern novem cohortes, quinqué alae, ingens Maurorum numerus aderat, per latrocinia et raptus apta bello manus. caeso Galba in Othonem pronus nec Africa contentus Hispaniae angusto freto diremptae imminebat. inde » Cluvio Rufo metus, et decimam legionem propinquare litori ut transmissurus iussit; praemissi centuriones, qui Maurorum ánimos Vitellio conciliarent. ñeque arduum fuit, magna per provincias Germanici exercitus fama; spargebatur insuper, spreto procuratoris vocabulo Albinum insigne regis et Iubae nomen usurpare.

59 Ita mutatis animis Asinius Pollio alae praefectus, e i fidissimis Albino, et Festus ac Scipio cohortium praefecti opprimuntur: ipse Albinus, dum e Tingitana provincia

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erhielt Hordeonius Flaccus übertragen; Vitellius selbst zog eine aus dem „britannischen" Heer abgezweigte Abteilung von 8000 Mann an sich. Nach einem Vormarsch von ein paar Tagen vernahm er von dem Erfolg bei Bedriacum und von dem militärisdien Zusammenbruch, der sich an Othos Tod anschloß. In einer daraufhin einberufenen Versammlung überhäufte er seine Soldaten wegen ihrer Tapferkeit mit Lobsprüchen. Als das Heer den dringenden Wunsch äußerte, er möge Asiaticus, einem seiner Freigelassenen, die Ritterwürde verleihen, lehnte er dies als ungehörige Schmeichelei ab; launenhaft wie er war, verschenkte er aber später das, was er früher offen abgeschlagen hatte, gelegentlich eines in vertrautem Kreis abgehaltenen Gastmahls und zeichnete Asiaticus, diesen niederträchtigen, mit allen schlimmen Mitteln um Gunst buhlenden Sklaven, durch den Ritterring aus. In denselben Tagen trafen Nachrichten ein, daß die beiden mauretanischen Provinzen nach der Ermordung des Statthalters Albinus zur Partei des Vitellius übergetreten seien. Lucceius Albinus, den Nero über Mauretania Caesariensis gesetzt, Galba auch noch mit der Verwaltung der tingitanischen Provinz betraut hatte, verfügte über eine gar nicht verächtliche Streitmacht. Neunzehn Kohorten und fünf Schwadronen waren es, dazu eine bedeutende Anzahl von Mauren, die durch ihre Raub- und Plünderungszüge zu einer kriegstauglichen Truppe geworden waren. Nach Galbas Ermordung entschied sich Albinus für Otho, richtete überdies, da er mit Afrika nicht zufrieden war, seine bedrohlichen Blicke auf das nur durch eine schmale Meerenge getrennte Spanien. Daher war Cluvius Rufus dort in Besorgnis und ließ die zehnte Legion sich der Küste nähern, als ob er nach Afrika übersetzen wolle. Er schickte, um die Mauren für Vitellius zu gewinnen, Centurionen voraus. Dies war angesichts des in den Provinzen verbreiteten ausgezeichneten Rufes, in dem das „germanische* Heer stand, nicht schwierig; es wurde auch noch das Gerücht ausgesprengt, Albinus sei nicht zufrieden mit dem Titel eines Prokurators und beanspruche f ü r sich die Insignien eines Königs und den Namen Juba. Nachdem sich auf diese Weise die Stimmung geändert hatte, wurden der Schwadronskommandant Asinius Pollio, einer der treuesten Anhänger des Albinus, ebenso die Kohortenführer Festus und Scipio überfallen und beseitigt. Albinus selbst fand

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Caesariensem Mauretaniam petit, in adpulsu litoris trucidati»; uxor eius cum se percussoribus obtulisset, simul interfecta est, nihil eorum quae fierent Vitellio anquirente: brevi auditu quamvis magna transibat, impar curis gravioribus. Exercitum itinere terrestri pergere iubet: ipse Arare * ilumine devehitur, nullo principali paratu, sed vetere egestate conspicuus, donee Iunius Blaesus Lugudunensis Galliae rector, genere inlustri, largus animo et par opibus, circumdaret principi ministeria, comitaretur liberaliter, eo ipso ingratus, quamvis odium Vitellius vernilibus blanditiis velaret. praesto fuere Luguduni victricium 3 victarumque partium duces. Valentem et Caecinam pro contione laudatos curuli suae circumposuit. mox universum exercitum occurrere infanti filio iubet, perlatumque et paludamento opertum sinu retinens Germanicum appellavit cinxitque cunctis fortunae principalis insignibus. nimius honos inter secunda rebus adversis in solacium cessit.

60 Tum interfecti centuriones promptissimi Othoniano- ι rum, unde praecipua in Vitellium alienatio per Illyricos exercitus; simul ceterae legiones contactu et adversus Germánicos milites invidia bellum meditabantur. Suetonium Paulinum ac Licinium Proculum tristi mora squalidos tenuit, donec auditi necessariis magis defensionibus quam honestis uterentur. proditionem ultro imputabant, spatium longi ante proelium itineris, fatigationem Othonianorum, permixtum vehiculis agmen ac pleraque for-

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auf seiner Reise von der tingitanisdien Provinz nach Mauretania Caesarienis bei der Landung einen gewaltsamen Tod; gleichzeitig brachte man seine Gemahlin um, als sie den Mördern entgegentrat. All dem, was so geschah, fragte Vitellius nicht weiter nach. Unfähig sich mit ernsteren Dingen abzugeben, ging er nach flüchtigem Anhören audi über noch so bedeutsame Angelegenheiten in der Regel leidit hinweg. Das Heer ließ er auf dem Landweg vorrücken; selber fuhr er den Ararfluß hinab, ohne jede fürstliche Aufmachung, im Gegenteil auffallend einfach, wie er es gewohnt war. Dies währte solange, bis Junius Bläsus, der Statthalter von Gallia Lugdunensis, ein Mann von erlauchter Abkunft, freigebigem Sinn und entsprechendem Vermögen, den Fürsten mit einer Dienerschaft umgab und seinen großzügigen Begleiter machte. Gerade dadurch wurde Bläsus unbeliebt, obwohl Vitellius seine Abneigung zu verbergen sudite, indem er ihm wie ein Sklave schöntat. Zu Lugdunum stellten sich die Heerführer der siegreichen und der besiegten Partei zum Empfang ein. Cäcina und Valens lobte Vitellius vor versammelter Mannschaft und ließ sie zu beiden Seiten seines Thronsessels Platz nehmen. Dann mußte auf seinen Befehl das ganze Heer seinem noch unmündigen Sohn entgegenziehen; als man ihm das Kind überreicht und er es in seinen Feldherrnmantel gehüllt hatte, behielt er es auf dem Schoß, nannte es Germanicus und umgab es mit allen Insignien fürstlicher Hoheit. Das Übermaß von Ehrung, die das Kind in glücklicher Stunde erfuhr, war ein Ersatz für sein späteres Mißgeschick. Darauf folgte die Hinrichtung der entschlossensten Centurionen Othos; sie rief eine außerordentliche Abneigung gegen Vitellius bei dem in Illyrien stehenden Kriegsvolk hervor. Das ansteckende Beispiel und der Neid gegen die aus den germanischen Provinzen gekommenden Soldaten brachten gleichzeitig audi die übrigen Legionen auf Kriegsgedanken. Suetonius Paulinus und Licinius Proculus hielt Vitellius unter leidigem Zögern in ihren Trauergewändern lange Zeit hin, bis man sie schließlich verhörte und sie ihre mehr von der Not des Augenblicks eingegebenen als ehrlichen Verteidigungsgründe vorbringen konnten. Dabei nahmen sie sogar verräterische Absichten als Verdienst für sich in Anspruch, schrieben sie doch die lange Marschzeit vor dem Kampf, die Ermüdung der Othonianer, das durch Fuhrwerke entstandene Durcheinander

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tuita fraudi suae adsignantes, et Vitellius credidit de perfidia et fidem absolvit. Salvius Titianus Othonis frater » nullum discrimen adiit, pietate et ignavia excusatus. Mario Celso consulatus servatur: sed creditum fama obiectumque mox in senatu Caecilio Simplici, quod eum honorem pecunia mercari, nec sine exitio Celsi, voluisset: restitit Vitellius deditque postea consulatum Simplici innoxium et inemptum. Trachalum adversus criminantes Galería uxor Vitellii protexit.

61 Inter magnorum virorum discrimina, pudendum dictu, Mariccus quidam, e plebe Boiorum, inserere sese fortunae et provocare arma Romana simulatione numinum ausus est. iamque adsertor Galliarum et deus (nam id sibi nomen indiderat) concitis octo milibus hominum proximos Aeduorum pagos trahebat, cum gravissima civitas electa iuventute, adiectis a Vitellio cohortibus, fanaticam multitudinem disiecit. captus in eo proelio Mariccus; ac mox feris obiectus quia non laniabatur, stolidum volgus inviolabilem credebat, donec spedante Vitellio interfectus est. 62 Nec ultra in defectores aut bona cuiusquam saevitum: 1 rata fuere eorum, qui acie Othoniana ceciderant, testamenta aut lex intestatis: prorsus, si luxuriae temperaret, avaritiam non timeres. epularum foeda et inexplebilis libido: ex urbe atque Italia inritamenta gulae gestabantur strepentibus ab utroque mari itineribus; exhausti convi-

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im Heereszug und nodi eine ganze Reihe von Zufälligkeiten ihrem listigen Eingreifen zu. Tatsächlich glaubte Vitellius an ihre Treulosigkeit und verzieh ihnen ihre frühere Treue. Salvius Titianus, Othos Bruder, geriet nidit weiter in Gefahr; seine verwandtschaftlichen Beziehungen und seine Feigheit galten als Entschuldigung für ihn. Dem Marius Celsus blieb sein Konsulat. Im Glauben an ein umlaufendes Gerücht madite man aber nachher dem Cäcilius Simplex im Senat den Vorwurf, er habe das erwähnte Amt um Geld erhandeln wollen; aus einer Beseitigung des Celsus hätte er sidi dabei nidits gemacht. Vitellius trat diesen Äußerungen entgegen und gab in der Folge das Konsulat dem Simplex, der unschuldig war und sich in keine Geldgeschäfte eingelassen hatte. Den Tradialus schützte gegen seine Ankläger Galería, die Gattin des Vitellius. Während so das Sdlicksal bedeutender Männer auf dem Spiele stand, wagte es - man schämt sich fast, davon zu reden - ein gewisser Mariccus aus dem Stamm der Bojer, sich in eine hohe Stellung einzudrängen und Rom zum Waffenkampf herauszufordern, angeblich auf göttliches Geheiß. Als „Befreier Galliens" und als sein „Sdiutzgott" (diese Bezeichnung hatte er sich beigelegt) hatte er bereits 8000 Mann zusammengebracht und ging eben daran, die nächstgelegenen Gaue der Äduer zu plündern, als es den Bewohnern ihres Hauptortes gelang, mit einer erlesenen Jungmannschaft, zu der vitellianische Kohorten stießen, die fanatische Menge auseinanderzusprengen. In diesem Gefedit wurde Mariccus gefangen und dann wilden Tieren vorgeworfen; weil sie ihn nicht zerfleischten, hielt ihn das törichte Volk für unverletzlich - bis er vor den Augen des Vitellius hingerichtet wurde. Mit dem Wüten gegen Abtrünnige und gegen H a b und Gut irgendwelcher Leute machte man nun endgültig Schluß. Die Testamente der in Othos Reihen Gefallenen galten als rechtskräftig oder es fanden, soweit Testamente fehlten, die gesetzlichen Bestimmungen Anwendung. Oberhaupt brauchte man von Seiten des Vitellius Habsucht nicht zu fürchten, wenn er nur seine Schwelgerei eingeschränkt hätte. Scheußlid] und unersättlich war seine Gier nach Gelagen. Aus der Hauptstadt und ganz Italien wurde alles, was den Gaumen reizen konnte, herbeigeschleppt; auf den Straßen von den beiden Meeren her rasselten die Fahrzeuge nur so; durch Zurüstung zu den Gela-

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viorum adparatibus principes civitatum; vastabantur ipsae civitates; degenerabat a labore ac virtute miles adsuetudine voluptatum et contemptu ducis. praemisit 2 in urbem edictum, quo vocabulum Augusti differret, Caesaris non reciperet, cum de potestate nihil detraheret. pulsi Italia mathematici; cautum severe, ne équités Romani ludo et harena polluerentur. priores id principes pecunia et saepius v i perpulerant, ac pleraque municipia et coloniae aemulabantur corruptissimum quemque adulescentium pretio inlicere.

63 Sed Vitellius adventu fratris et inrepentibus domina- 1 tionis magistris superbior et atrocior occidi Dolabellam iussit, quem in coloniam Aquinatem sepositum ab Othone rettulimus. Dolabella audita morte Othonis urbem introierat: id ei Plancius Varus praetura functus, ex intimis Dolabellae amicis, apud Flavium Sabinum praefectum urbis obiecit, tamquam rupta custodia ducem se victis partibus ostentasset; addidit temptatam cohortem, quae Ostiae ageret; nec ullis tantorum criminum probationibus in paenitentiam versus seram veniam post scelus quaerebat. cunctantem super tanta re Fla- 2 vium Sabinum Triaría L . Vitellii uxor, ultra feminam ferox, terruit, ne periculo principis famam clementiae adfectaret. Sabinus suopte ingenio mitis, ubi formido incessisset, facilis mutatu et in alieno discrimine sibi pavens, ne adlevasse videretur, impulit ruentem.

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gen wurden die Vornehmen in den Städten ausgesogen, ja ganze Städte ruiniert. Die Soldaten aber entarteten mehr und mehr: sie verloren ihre alte Arbeitskraft und Mannhaftigkeit, je mehr sie sich ans Wohlleben gewöhnten und den Respekt vor ihrem Feldherrn aufgaben. Dieser sandte nach Rom eine Bekanntmachung voraus, durch die er den Titel »Augustus" vorläufig, den Titel „Cäsar" überhaupt ablehnte, ohne damit jedoch seinen Machtbefugnissen Abbruch zu tun. Die Astrologen wurden aus Italien verwiesen; streng ward darauf gesehen, daß nicht römische Ritter an Fechterspielen in der Arena teilnahmen und sich dadurch herabwürdigten. Frühere Regenten hatten zu solch schandbarem Tun durch Geld, öfter noch durch Gewalt genötigt, audi ging der Wetteifer so mancher Land- und Pflanzstädte danach, alle verkommenen jungen Leute durch Geldpreise dafür zu gewinnen. Durch die Ankunft seines Bruders und durch üble Elemente, die sich bei ihm einschlichen und ihm ein despotischeres Auftreten beizubringen wußten, wurde Vitellius freilich immer stolzer und grausamer. So befahl er die Hinrichtung Dolabellas, den, wie erwähnt, Otho nach Aquinas verwiesen hatte. Auf die Kunde von Othos Tod war Dolabella nach der Hauptstadt gekommen. Dies machte ihm der gewesene Prätor Plancius Varus, einer seiner vertrautesten Freunde, beim Stadtkommandanten Flavius Sabinus zum Vorwuf, indem er erklärte, Dolabella habe eigenmächtig seine Haft aufgehoben und sich der besiegten Partei als Führer angeboten; außerdem habe er sich - so fügte er hinzu - an die in Ostia liegende Kohorte mit Verftthrungskünsten herangemacht. Da es aber keine Beweise f ü r so schwere Beschuldigungen gab, bereute Plancius Varus nachträglich seinen Schritt und bemühte sich um Gnade für Dolabella; leider zu spät: das Verbrechen war bereits geschehen. Wahrend nämlich Flavius Sabinus in der so wichtigen Angelegenheit noch zögerte, schreckte ihn des L. Vitellius Gemahlin Triaría, die in ihrer heftigen Art nichts von einer Frau an sich hatte, davon ab, auf Kosten der Sicherheit des Fürsten den Ruf der Milde zu erstreben. Und so gab denn Sabinus, der an sich mild, wenn aber Furcht sich seiner bemächtigte, leicht umstimmbar und auf Kosten anderer Personen um sich selbt besorgt war, dem bereits stürzenden Dolabella noch einen kräftigen Stoß, um nicht in den Verdacht zu kommen, er habe ihn halten wollen.

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64 Igitur Vitellius metu et odio, quod Petroniani uxorem ι eius mox Dolabella in matrimonium accepisset, vocatum per epistulas vitata Flaminiae viae celebritate devertere Interamnium atque ibi interfici iussit. longum interfectori visum: in itinere ac taberna proiectum humi iugulavit, magna cum invidia novi principatus, cuius hoc primum specimen noscebatur. et Triariae licentiam mo- 2 destum e proximo exemplum onerabat, Galeria imperatoris uxor non immixta tristibus; et pari probitate mater Vitelliorum Sextilia, antiqui moris: dixisse quin etiam ad primas filii sui epistulas ferebatur, non Germanicum a se, sed Vitellium genitum. nec ullis postea fortunae inlecebris aut ambitu civitatis in gaudium evicta domus suae tantum adversa sensit.

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Digressum a Luguduno Vitellium Cluvius Rufus ad- 1 sequitur omissa Hispania, laetitiam et gratulationem voltu ferens, animo anxius et petitum se criminationibus gnarus. Hilarus Caesaris libertus detulerat, tamquam audito Vitellii et Othonis principatu propriam ipse potentiam et possessionem Hispaniarum temptasset eoque diplomatibus nullum principem praescripsisset; et interpretabatur quaedam ex orationibus eius contumeliosa in Vitellium et pro se ipso popularía, auctoritas 1 Cluvii praevaluit, ut puniri ultro libertum suum Vitellius iuberet. Cluvius comitatui principis adiectus, non adempta Hispania, quam rexit absens exemplo L. Arruntii. sed Arruntium Ti. Caesar ob metum, Vitellius Cluvium nulla formidine retinebat. non idem Trebellio

Buch II plus militi liceret. sibi quisque militiam sumpsere: quamvis indignus, si ita maluerat, urbanae militiae adscribebatur; rursus bonis remanere inter legionarios aut alares volentibus permissum. nec deerant qui vellent, fessi morbis et intemperiem caeli incusantes. robora tarnen legionibus alisque subtracta, convolsum castrorum decus, viginti milibus e toto exercitu permiztis magis quam electis.

Contionante Vítellio postulantur ad supplicium Asia- * ticus et Flavus et Rufinus duces Galliarum, quod pro Vindice bellassent. nec coercebat eius modi voces Vitellius: super insitam animo ignaviam conscius sibi instare donativom et deesse pecuniam omnia alia militi largiebatur. liberti principum conferre pro numero mancipio- 3 rum ut tributum iussi: ipse sola perdendi cura stabula aurigis exstruere, circum gladiatorum ferarumque spectaculis opplere, tamquam in summa abundantia pecuniae inludere.

95 Quin et natalem Vitellii diem Caecina ac Valens editis ι tota urbe vicatim gladiatoribus celebravere ingenti paratu et ante illum diem insolito, laetum foedissimo cuique apud bonos invidiae fuit,quod exstructis in campo Martio

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gekommen; den üblen Ruf, der sich an seinen langsamen Vormarsch knüpfte, hatte er durch eine glückliche Sdilacht ins Gegenteil verkehrt, audi fühlte sich ihm das ganze Kriegsvolk der niedergermanischen Provinz eng verbunden. Von da an, so glaubte man, kam die Treue Cäcinas ins 'Wanken. So viel übrigens Vitellius seinen Feldherrn nachsah — nodi viel mehr war bei ihm den gemeinen Soldaten gestattet. Jeder von diesen wählte sidi selbst seine Truppengattung; mochte einer audi nodi so wenig taugen - bei besonderer Vorliebe dafür wurde er der Stadtmiliz zugeteilt. Andererseits durften tüchtige Männer auf ihren Wunsch hin bei den Legionen oder der bundesgenössischen Reiterei bleiben. Und es gab Leute, die sidi dafür entschieden, da sie durch Krankheiten mitgenommen waren und über die Launen des Klimas klagten. Dennoch kamen die Legionen und Sdiwadronen um ihre Kerntruppen; mit der Ehre, die mit dem Dienst im Prätorianerlager verbunden sein sollte, war es gründlidi vorbei, nadidem seine 20 000 Mann aus der gesamten Heeresmasse mehr unterschiedslos zusammengewürfelt als ausgelesen worden waren. Als Vitellius einmal vor versammelter Mannschaft sprach, forderte man die Hinrichtung von drei in Gallien hervorgetretenen Heerführern, nämlich von Asiaticus, Flavus und Rufinus, weil sie für Vindex gekämpft hätten. Vitellius unterdrückte derartige Forderungen nicht ; abgesehen von seiner angeborenen Feigheit dachte er nur daran, daß er nächstens den Soldaten ein Geldgeschenk zu geben habe, daß das Geld dazu aber fehle. Deshalb ließ er den Leuten in allem anderen ihren Willen. Die Freigelassenen, die zum kaiserlichen Haus gehörten, erhielten den Befehl, entsprechend der Zahl ihrer Sklaven einen Geldbeitrag zu leisten als eine Art· Steuer. Vitellius selbst, dem es nur darauf ankam, das Geld durdizubringen, ließ stallartige Unterkunftsräume für die Wagenlenker errichten und im Zirkus eine Unmenge von Fediterspielen und Tierhetzen aufführen, sprang überhaupt mit dem Geld um, als sei es in Hülle und Fülle vorhanden. Cäcina und Valens feierten sogar den Geburtstag des Vitellius durdi Veranstaltungen von Fediterspielen in der ganzen Stadt, in allen ihren Bezirken; der Aufwand dabei war ungeheuer und von einem bis dahin ungewohntem Ausmaß. Für das gemeine Gesindel erfreulich, von üblem Eindruck aber auf die Gutgesinnten war es, daß Vitellius auf dem Marsfeld Altäre

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aris inferías Neroni fecisset. caesae publice victimae crema t aeque; facem Augustales subdidere, quod sacerdotium, ut Romulus Tatio regi, ita Caesar Tiberius Iuliae genti sacravit. nondum quartus a victoria mensis, et > libertus Vitellii Asiaticus Polyclitos Patrobios et vetera odiorum nomina aequabat. nemo in ilia aula probitate aut industria certavit: unum ad potentiam iter, prodigis epulis et sumptu ganeaque satiare inexplebiles Vitellii libídines, ipse abunde ratus, si praesentibus frueretur, 3 nec in longius consultans, noviens milliens sestertium paucissimis mensibus intervertisse creditur. magna et misera civitas, eodem anno Othonem, Vitellium passa, inter Vinios Fabios, Icelos Asiáticos varia et pudenda sorte agebat, donee successere Mucianus et Marcellus et magis alii homines quam alii mores.

96 Prima Vitellio tertiae legionis defectio nuntiatur, mis- ι sis ab Aponio Saturnino epistulis, antequam is quoque Vespasiani partibus adgregaretur; sed ñeque Aponius cuncta, ut trepidans re subita, perscripserat, et amici adulantes mollius interpretabantur: unius legionis earn seditionem, ceteris exercitibus constare fidem. in hunc > modum etiam Vitellius apud milites disseruit, praetorianos nuper exauctoratos insectatus, a quibus falsos rumores dispergi; nec ullum civilis belli metum adseverabat, suppresso Vespasiani nomine et vagis per urbem militibus, qui sermones populi coercerent. id praecipuum alimentum famae erat. 97 Auxilia tarnen e Germania Britanniaque et Hispaniis • excivit, segniter et necessitatemi dissimulans. perinde

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erriditen und für Nero eine Totenfeier veranstalten ließ. Im Namen des Staates wurden dabei Opfertiere gesdiladitet und verbrannt. Die Fackel legten die Augustalen an, eine Priesterschaft, die nach dem Muster der von Romulus zu Ehren des Königs Tatius gestifteten Priesterschaft Cäsar Tiberius zu Ehren des julischen Geschlechts gestiftet hatte. Noch waren seit dem Sieg des Vitellius keine vier Monate verflossen, da war zwischen seinem Freigelassenen Asiaticus und Männern wie Polyklet, Patrobius und anderen sdiwerverhaßten Namen früherer Zeit kein Unterschied mehr zu merken. Niemand wetteiferte an diesem Hof im Guten oder in ernster Tätigkeit; nur einen Weg gab es zu Madit und Einfluß, nämlich die Befriedigung der unersättlichen Gelüste des Vitellius durch verschwenderische Mahlzeiten und kostspielige Schlemmerei. Er selbst hielt seine Aufgabe f ü r mehr als genug erfüllt, wenn er den Augenblick genoß. Und so brachte er denn, ohne sich länger zu besinnen, im Lauf von ein paar Monaten glaubhafterweise 900 Millionen Sesterzien durch. Unserer Stadt, dem großen, unglückseligen Rom, das in ein und demselben Jahr den Otho und den Vitellius auszuhalten hatte, war unter dem Wirken von Männern wie Vinius, Fabius, Icelus und Asiaticus ein wechselreiches, schändliches Los beschieden, bis Mucian und Marcellus ihre Nachfolge antraten: eine Änderung mehr in den Personen als in den Sitten. Der erste Truppenabfall, der Vitellius zu Ohren kam, war der der dritten Legion; er vernahm davon durch einen Brief des Aponius Saturninus, bevor sich dieser selbst der Partei Vespasians anschloß. Aponius hatte in seiner begreiflichen Aufregung über das unerwartete Ereignis nicht alles so genau geschrieben, audi stellten die Freunde in ihrer Schmeichelei die Sache als ziemlich harmlos hin: Es handle sich ja nur um den Abfall einer einzigen Legion, die übrigen Heere stünden fest in ihrer Treue. In diesem Sinne äußerte sidi audi Vitellius vor seinen Soldaten, unter Sdieltreden auf die kürzlich verabschiedeten Prätorianer, von denen falsdie Gerüchte ausgesprengt würden; ein Bürgerkrieg, so betonte er, sei auf keinen Fall zu befürchten. Dabei verschwieg er geflissentlich den Namen Vespasians, ließ auch Soldaten in der Stadt umherstreifen, die den Redereien unter der Bevölkerung Einhalt tun sollten: ein Verfahren, das der Gerüditemacherei erst recht Nahrung gab. Dennoch rief Vitellius aus Germanien, Britannien und Spanien Hilfsvölker herbei, säumig freilich und ohne sich die Not-

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legati provinciaeque cunctabantur, Hordeonius Flaccus suspectis iam Batavis anxius proprio bello, Vettius Bolanus numquam satis quieta Britannia, et uterque ambigui, neque exHispaniis properabatur, nullo tum ibi consulari: trium legionum legati, pares iure et prosperis Vitellii rebus certaturi ad obsequium, adversam eius fortunam α ex aequo detrectabant. in Africa legio cohortesque delectae a Clodio Macro, mox a Galba dimissae, rursus iussu Vitellii militiam cepere; simul cetera iuventus dabat impigre nomina, quippe integrum illic ac favorabilem proconsulatum Vitellius, famosum invisumque Vespasianus egerat: proinde socii de imperio utriusque coniectabant, sed experimentum contra fuit.

98 Ac primo Valerius Festus legatus studia provincia- ι lium cum fide iuvit; mox nutabat, palam epistulis edictisque Vitellium, occultis nuntiis Vespasianum fovens et haec illave defensurus, prout invaluissent. deprehensi cum litteris edictisque Vespasiani per Raetiam et Gallias militum et centurionum quidam ad Vitellium missi necantur: plures fefellere, fide amicorum aut suomet astu occultati, ita Vitellii paratus noscebantur, Vespasiani con- 2 siliorum pleraque ignota, primum socordia Vitellii, dein Pannonicae Alpes praesidiis insessae nuntios retinebant. mare quoque etesiarum flatu in Orientem navigantibus secundum, inde adversum erat.

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wendigkeit seines Tuns anmerken zu lassen. Dementsprechend zauderten die Statthalter und Provinzen, so Hordeonius Flaccus, der angesichts der verdächtigen Haltung der Bataver wegen eines Krieges in der eigenen Provinz in Sorge war, ebenso Vettius Bolanus in Britannien, wo es nie ruhig zuging; überdies schwankten beide Männer in ihrer Gesinnung und Haltung. Audi in Spanien hatte man es nidit eilig, zumal es damals dort keinen Statthalter gab; die mit dem Kommando über die drei spanischen Legionen betrauten, an Befugnissen gleichstehenden Legaten, die, im Falle es bei Vitellius gut gegangen wäre, im Wetteifer miteinander ihm ihre Schuldigkeit getan hätten, wollten mit seinem Unglück nichts zu schaffen haben, der eine so wenig wie der andere. In Afrika nahmen die dort stehende Legion und die Kohorten, die von Clodius Macer ausgehoben, von Galba nachher entlassen worden waren, auf des Vitellius Befehl hin ihren Dienst wieder auf; zu gleicher Zeit ließ sich gern anwerben, was sonst an Jungmannschaft da war. Vitellius hatte nämlich seinerzeit sein Prokonsulat dort in Afrika tadellos und unter allgemeinem Beifall geführt, während es bei Vespasian nicht an gehässigen Nachreden gefehlt hatte. Dementsprechend zogen die Bundesgenossen im Hinblick auf die Regentschaft der beiden ihre Schlüsse; die Probe aufs Exempel fiel freilich ganz anders aus. Anfänglich unterstützte der Legat Valerius Festus treu und ehrlich den Eifer der Provinzialen, später aber schwankte er in seiner Haltung; in offenen Sendschreiben und Erlassen hielt er es mit Vitellius, in geheimen Botschaften mit Vespasian, bereit, je nach ihrem Erstarken, für die eine oder andere Seite einzutreten. Einige Soldaten und Centurionen, die, mit Briefen und Erlassen Vespasians versehen, auf ihrem Weg durch Rätien und Gallien gefaßt worden waren, wurden zu Vitellius geschickt und hingerichtet; größer war die Zahl derer, die glücklich davonkamen, da Freunde oder eigene List ihnen zu einem Versteck verhalfen. So wurden die Vorkehrungen, die Vitellius traf, bekannt, von den Plänen Vespasians aber blieben die meisten geheim. Schuld daran war vor allem die Fahrlässigkeit des Vitellius, sodann die Besetzung der pannonischen Alpen durch Truppenabteilungen, die keine Kundschafter durchließen. Ferner war bei dem Wehen der Passatwinde das Meer für eine Fahrt nach dem Osten günstig, für eine Fahrt von dorther ungünstig.

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99 Tandem inruptione hostium atrocibus undique nuntiis ι exterritus Caecinam ac Valentcm expedire ad bellum iubet. praemissus Caecina, Valentem e gravi corporis morbo tum primum adsurgentem infirmitas tardabat. longe alia proficiscentis ex urbe Germanici exercitus species: non vigor corporibus, non ardor animis; lentum et rarum agmen, fluxa arma, segnes equi; impatiens solis pulveris tempestatum, quantumque hebes ad sustinendum laborem miles, tanto ad discordias promptior. acce- ι debat hue Caecinae ambitio vetus, torpor recens, nimia fortunae indulgentia soluti in luxum, seu perfidiam meditanti infringere exercitus virtutem inter artes erat, credidere plerique Flavii Sabini consiliis concussam Caecinae mentem, ministro sermonum Rubrio Gallo: rata apud Vespasianum fore pacta transitionis. simul odiorum invidiaeque erga Fabium Valentem admonebatur, ut impar apud Vitellium gratiam viresque apud novum principem pararet.

100 Caecina e complexu Vitellii multo cum honore digres- : sus partem equitum ad occupandam Cremonam praemisit. mox vexilla primae, quartae, quintae decumae, sextae decumae legionum, dein quinta et duoetvicensima secutae; postremo agmine unaetvicensima Rapax et prima Italica incessere cum vexillariis trium Britannicarum legionum et electis auxiliis. profecto Caecina scripsit ι Fabius Valens exercitui, quem ipse ductaverat, ut in itinere opperiretur: sic sibi cum Caecina convenisse, qui praesens eoque validier mutatum id consilium finxit, ut ingruenti bello tota mole occurreretur. ita adcelerare 3

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Als schließlich das Eindringen der Feinde ins Land und von überall herkommende schlimme Botschaften Vitellius aufschreckten, befahl er dem Cäcina und Valens ins Feld zu rücken. Cäcina wurde vorausgeschickt, den Valens, der nach schwerer Erkrankung eben erst wieder aufkam, hielt vorderhand seine Schwäche hin. Ganz anders sah das germanische Heer bei seinem Abmarsdi von Rom aus: kein rechtes Leben in den Körpern, keine Begeisterung in den Herzen, der dahinsdileichende Heereszug voller Lücken, die Waffen nur so herumbaumelnd, die Pferde wie lahm, die Mannschaft überempfindlich gegen Sonnenglut, Staub und Wetter, entnervt, wenn es galt, Strapazen auf sidi zu nehmen, dafür aber um so geneigter zu jeder Unbotmäßigkeit. Hinzukamen der alte Ehrgeiz und die neuerliche Erschlaffung Cäcinas, der unter dem allzu warmen Sonnenschein des Glückes jetzt ganz in Schlemmerei aufging, möglich auch, daß er es im Gedanken an den künftigen Treubruch listig darauf anlegte, die Tüchtigkeit des Heeres zu schwächen. Vielfach glaubte man, die Gesinnung Cäcinas sei durch die Ratschläge des Flavius Sabinus ins Wanken gekommen und Rubrius Gallus habe dabei den Zwischenträger gespielt und erklärt, die den Obertritt Cäcinas betreffenden Abmadiungen würden von Vespasian anerkannt werden. Zugleich erinnerte man ihn an seinen schweren H a ß und seinen Neid gegen Fabius Valens; er solle sich daher angesichts seiner bei Vitellius erfolgten Zurücksetzung Gunst und Einfluß bei dem neuen Fürsten verschaffen. Cäcina, der sidi unter vielfachen Ehrungen für seine eigene Person mit einer Umarmung von Vitellius verabschiedet hatte, schickte einen Teil der Reiterei zur Besetzung Cremonas voraus. Dann folgten die Vexillarier der 1., 4., 15. und 16. Legion, weiterhin die 5er und 22er; die Nachhut des Zuges bildeten die 21. Legion, die sogenannte Reißende, und die erste italische mitsamt den Veteranenabteilungen der drei britannischen Legionen und auserlesenen Hilfstruppen. Nach Cäcinas Abmarsch ließ Valens dem Heer, das vorher unter seinem Kommando gestanden hatte, schriftlich mitteilen, man möge unterwegs auf ihn warten; so sei es von ihm mit Cäcina vereinbart. Dieser aber, der durch seine persönlidie Anwesenheit größeren Einfluß besaß, gab vor, der erwähnte Plan sei geändert worden, um dem kriegerischen Ansturm der Feinde mit voller Wucht begegnen zu können. Daher erhielten die Legionen den Befehl, nach

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legiones, Cremonam, pars Hostiliam petere iussae: ipse Ravennani devertit praetexto classem adloquendi; mox Patavi secretum componendae proditionis quaesitum. namque Lucilius Bassus post praefecturam alae Ravennati simul ac Misenensi classibus a Vitellio praepositus, quod non statim praefecturam praetorii adeptus foret, iniquam iracundiam flagitiosa perfidia ulciscebatur. nec sciri potest traxeritne Caecinam, an, quod evenit inter malos ut et similes sint, eadem illos pravitas impulerit.

101 Scriptores temporum, qui potiente rerum Flavia domo ι monimenta belli huiusce composuerunt, curam pacis et amorem reí publicae, corruptas in adulationem causas, tradidere: nobis super insitam levitatem et prodito Galba vilem mox fidem aemulatione etiam invidiaque, ne ab aliis apud Vîtellium anteirentur, pervertisse ipsum Vitellium videntur. Caecina legiones adsecutus centurionum * militumque ánimos obstinaros pro Vitellio variis artibus subruebat: Basso eadem molienti minor difficultas erat, lubrica ad mutandam fidem classe ob memoriam recentis pro Othone militiae.

LIBER

TERTIVS

1 Meliore fato fideque partium Flavianarum duces con- ι silia belli tractabant. Poetovionem in hiberna tertiae decimae legionis convenerant. illic agitavere, placeretne obstruí Pannoniae Alpes, donec a tergo vires universae consurgerent, an ire comminus et certare pro Italia con-

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Cremona zu eilen, während ein Teil des Heeres nach Hostilia ziehen sollte. Cäcina selbst bog nach Ravenna ab, unter dem Vorwand, an die Marine eine Ansprache halten zu wollen; in der Folge bemühte er sich um eine geheime Unterredung zu Patavium in der Absicht, den Verrat zu verabreden. Lucilius Bassus, der nach seinem Oberbefehl über eine Reiterabteilung von Vitellius das Kommando über das Gesdiwader bei Ravenna und gleichzeitig über das bei Misenum erhalten hatte, war nämlich ungerechtfertigterweise darüber erbittert, daß er nicht gleich Prätorianerkommandant geworden war, und wollte sich dafür in schmählicher Treulosigkeit rächen. Ob er den Cäcina in die Sache hineingezogen hat oder ob beide die gleiche Schlechtigkeit beseelte - es kommt ja vor, daß üble Gesellen einander aufs Haar gleichen - , ist nicht nachzuweisen. Die Geschichtsschreiber, die zu der Zeit, da das flavisthe Hause im Besitz der Macht war, die Denkwürdigkeiten dieses Krieges darstellten, führten Sorge um den Frieden und Liebe zum Gemeinwesen als Beweggründe an: eine zum Zweck der Schmeichelei vorgenommene Fälschung. Mir will es so scheinen, daß man nicht nur aus angeborener Charakterlosigkeit und einer nach dem Verrat an Galba weiterbestehenden Geringschätzung des gegebenen Wortes, sondern audi aus Eifersucht und Neid Vitellius stürzte, um sich nicht von anderen bei Vitellius den Rang ablaufen zu lassen. Als Cäcina die Legionen eingeholt hatte, suchte er die Centurionen und Gemeinen, die hartnäckig für Vitellius eintraten, durch allerlei Mittel wankend zu machen. Für Bassus, der sich um das gleiche Ziel bemühte, war die Schwierigkeit dabei nicht so groß, da die Flotte ziemlich leicht zu einem Flaggenwechsel zu verleiten war, in der Erinnerung daran, daß sie noch kürzlich für Otho im Feld gestanden hatte.

DRITTES BUCH Unter günstigeren Aussichten und von redlicherem 'Willen geleitet, machten sich die Heerführer der flavianischen Partei an ihre Kriegsberatung. Sie waren zu Pötovio im Winterlager der 13. Legion zusammengekommen. Hier überlegten sie, ob sie die pannonischen Alpenübergänge sperren sollten, bis sich ihre gesamte Streitmacht im Rücken zusammenschare, oder ob es nicht von größerer Entschlossenheit zeuge, zur Offensive

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stantius foret, quibus opperiri auxilia et trahere bellum ι videbatur, Germanicarum legionum vim famamque extollebant, et advenisse mox cum Vitellio Britannici exercitus robora: ipsis nec numerum parem pulsarum nuper legionum et, quamquam atrociter loquerentur, minorem esse apud victos animum. sed insessis interim Alpibus venturum cum copiis Orientis Mucianum; superesse Vespasiano mare classes studia provinciarum, per quas velut alterius belli molem cieret. ita salubri mora novas vires adfore, e praesentibus nihil periturum.

2 Ad ea Antonius Primus (is acerrimus belli concitator) ι festinationem ipsis utilem, Vitellio exitiosam disseruit. plus socordiae quam fiduciae accessisse victoribus; nequc enim in procinctu et castris hábitos: per omnia Italiae municipia desides, tantum hospitibus metuendos, quanto ferocius antea egerint, tanto cupidius insólitas voluptates hausisse. circo quoque ac theatris et amoenitate urbis ι emollitos aut valetudinibus fessos; sed addito spatio rediturum et his robur meditatione belli; nec procul Germaniam, unde vires; Britanniam freto dirimi, iuxta Gallias Hispaniasque, utrimque viros equos tributa, ipsamque Italiani et opes urbis; ac si inferre arma ultro velint, duas classes vacuumque Illyricum mare, quid tum claustra montium profutura? quid tractum in aestatem aliam bellum? unde interim pecuniam et commeatus? quin potius eo ipso uterentur, quod Pannonicae legiones 3

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überzugehen und um den Preis Italiens zu kämpfen. Soweit sie für den Plan waren, die Hilfsvölker abzuwarten und den Krieg in die Länge zu ziehen, wiesen sie mit besonderem Nachdruck auf die Kraft und den Ruf hin, der von den Legionen aus den germanischen Provinzen kam, audi darauf, daß nachher unter Vitellius die Kerntruppen des britannischen Heeres eingetroffen seien. Auf ihrer eigenen Seite sei die Zahl der Legionen nidit gleich groß, übrigens ihre kürzliche Niederlage nicht zu vergessen; wenn man auch in kräftigen Ionen daherrede, bei den Besiegten sei es dodi mit dem Mut nicht so weit her. Wenn man aber einstweilen die Alpenübergänge besetze, so werde Mucian mit den Kriegsvölkern des Orients herankommen; Vespasian habe dann immer nodi das Meer, Sdiiffsgesdiwader und die Sympathie der Provinzen, wo er sozusagen einen zweiten Kriegssturm erregen könne. Daher sei das Abwarten nur von Vorteil; es würden auf diese "Weise neue Streitkräfte erscheinen, ohne daß von den an Ort und Stelle vorhandenen etwas verlorengehe. Zur Erwiderung legte Antonius Primus, der Hauptkriegshetzer, dar, wie es für sie selbst vorteilhaft, für Vitellius verderblich sei, wenn sie sidi beeilten. Bei den Siegern habe mehr die Sorglosigkeit zugenommen als ihre Siegeszuversicht. Statt sich nämlidi kampfbereit im Lager zu halten, lungerten sie in allen Landstädten Italiens herum, einzig zum Schrecken ihrer Quartierherrn, und hätten sich, ihrem früheren unbändigen Treiben entsprechend, voller Gier, ja noch ärger, auf die ungewohnten Genüsse gestürzt. Ferner seien sie durch Zirkus, Theater und alle Annehmlichkeiten des Lebens in der Stadt verweichlicht oder durch Krankheit erschöpft. Lasse man ihnen aber Zeit, so würden audi sie sdion durch den Gedanken an den Krieg wieder zu Kräften kommen. Überdies sei Germanien mit seinen Kraftreserven nicht weit weg, Britannien nur durch eine schmale Meerenge getrennt, Gallien und Spanien nahegelegen und aus beiden Ländern Mannschaft, Pferde, Tribute zu holen; dazu käme nodi Italien selbst samt den Schätzen der Hauptstadt. Wenn die Feinde zur Offensive übergehen wollten, hätten sie zwei Flottenverbände und die freie Verfügung über das illyrisdie Meer. Was würde dann die Absperrung des Gebirges nützen, was die Verschleppung des Krieges in einen weiteren Sommer? Woher werde man inzwischen Geld und Zufuhr nehmen? Man solle sich vielmehr gerade den Umstand zunutze

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deceptae magis quam victae resurgere in ultionem properem, Moesici exercitus integras vires attulerint. si numerus militum potius quam legionum putetur, plus hinc roboris, nihil libidinum; et profuisse disciplinae ipsum pudorem; équités vero ne tum quidem victos, sed quamquam rebus adversis disiectam Vitellii aciem. 'duae tunc Pannonicae ac Moesicae alae perrupere hos- 4 tem: nunc sedecim alarum coniuncta signa pulsu sonituque et nube ipsa operient ac superfundent oblitos proeliorum équités equosque. nisi quis retinet, idem suasor auctorque consilii ero. vos, quibus fortuna in integro est, legiones continete: mihi expeditae cohortes sufficient. iam reseratam militi Italiani, impulsas Vitellii res audietis. iuvabit sequi et vestigiis vincentis insistere.'

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Haec ac talia flagrans oculis, truci voce, quo latius audiretur (etenim se centuriones et quidam militum Consilio miscuerant), ita effudit, ut cautos quoque ac providos permoveret, volgus et ceteri unum virum ducemque, spreta aliorum segnitia, laudibus ferrent, hanc sui famam ea statim contione commoverat, qua recitatis Vespasiani epistulis non ut plerique incerta disseruit, hue illue tracturus interpretatione, prout conduxisset: aperte descendisse in causam videbatur, eoque gravior militibus erat culpae vel gloriae socius. 4

Próxima Cornelii Fusci procuratoris auctoritas. is quo- 1

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machen, daß die pannonisdien Legionen, die mehr das Opfer eines Mißverständnisses gewesen als besiegt worden seien, nicht säumten, sidi zu einem Rachezug zu erheben, und daß die mösisdien Heere mit ungeschwächten Streitkräften herankämen. Wenn man mehr auf die eigentliche Truppenstärke sehe als auf die bloße Zahl der Legionen, so finde man auf ihrer eigenen Seite die größere Kraft, ein verschwindendes Maß von Zügellosigkeit; für die Aufrediterhaltung der Manneszucht sei gerade die Demütigung von Vorteil gewesen; was vollends die Reiterei betreffe, so sei diese damals nicht einmal unterlegen, sondern habe, trotz schwieriger Verhältnisse, die vitellianische Sdiladitreihe zersprengt. »Zwei pannonische und mösische Schwadronen*, so sagte er, „haben sich damals den Weg durch das feindliche Heer gebahnt; jetzt werden die vereinigten Abteilungen von 16 Schwadronen in einem den Boden erschütternden Galopp daherbrausen und die des Kampfes entwöhnten Reiter und Pferde der Feinde geradezu mit einer Staubwolke überschütten und darunter begraben. H ä l t man mich nidit zurück, so gebe ich nicht nur den Rat, ich werde den Anschlag auch durchführen. Da auch die Verhältnisse so liegen, daß von etwas Belastendem nicht die Rede sein kann, so behaltet eure Legionen ruhig für euch, mir werden die leichten Auxiliartruppen genügen. Bald sollt ihr hören, daß der Weg nach Italien erschlossen ist und daß des Vitellius Macht einen gehörigen Schlag erlitten hat. Dann werdet ihr schon Lust bekommen, mir zu folgen und in die Fußstapfen des Siegers zu treten." Das und ähnliches sprudelte er flammenden Blicks und, um auf weitere Entfernung gehört zu werden (es hatten sich nämlich Centurionen und manche Gemeine in den Kriegsrat gedrängt), mit donnernder Stimme so heftig heraus, daß er audi auf die Bedächtigen, die Vorsichtigen einen starken Eindruck machte und der übrige große Haufen, voll Verachtung f ü r die Lauheit der anderen, ihn als den einzigen Mann und Führer mit hohem Lob bedachte. Diese Meinung über seine Person hatte er sdion in der Versammlung erweckt, in der er nadi Verlesung eines Briefes von Vespasian sich nicht nadi Art der anderen auf unbestimmte Äußerungen einließ, in der Absicht, sie nachher je nadi Gutdünken so oder so auszulegen; man sah, daß er offen Partei ergriff, wodurch er auf die Soldaten, mit denen er Schuld und Ruhm teilte, um so stärker wirkte. Sehr nahe kam ihm an Ansehen der Prokurator Cornelius.

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que inclementer in Vitellium invehí solitus nihil spei sibi inter adversa reliquerat. Tampius Flavianus, natura ac senecta cunctator, suspiciones militum inritabat, tamquam adfinitatis cum Vitellio meminisset; idemque, quod coeptante legionum motu profugus, dein sponte remeaverat, perfidiae locum quaesisse credebatur. nam Flavia- 2 num, omissa Pannonia ingressum Italiani et discrimini exemptum, rerum novarum cupido legati nomen resumere et miscerí civilibus armis impulerat, suadente Cornelio Fusco, non quia industria Flaviani egebat, sed ut consulare nomen surgentibus cum maxime partibus honesta specie praetenderetur.

5 Ceterum ut transmittere in Italiam bellum impune ' et usui foret, scriptum Aponio Saturnino, cum exercitu Moesico celeraret. ac ne inermes provinciae barbaris nationibus exponerentur, principes Sarmatarum Iazugum, penes quos civitatis regimen, in commilitium adsciti. plebem quoque et vim equitum, qua sola valent, offerebant: remissum id munus, ne inter discordias externa molirentur aut maiore ex diverso mercede ius fasque exuerent. trahuntur in partes Sido atque Italicus reges Sueborum, quis vetus obsequium erga Romanos et gens fidei quam iussorum patientior. opposita in latus auxilia, 2 infesta Raetia, cui Porcius Septiminus procurator erat, incorruptae erga Vitellium fidei. igitur Sextilius Felix cum ala Auriana et octo cohortibus ac Noricorum iuven-

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Fuscus. Audi er war gewohnt, nicht eben glimpflich gegen Vitellius loszuziehen, und hatte daher für den Fall, daß die Sache nicht gut ausging, so gut wie keine Hoffnung für sich übrig. Tampius Flavianus, von Natur und seinem Alter nach ein Zauderer, erregte immer wieder den Argwohn der Soldaten, da er, wenigstens ihrer Meinung nach, seine Verwandtschaft mit Vitellius nidit vergessen konnte; weil er sidi überdies zu Beginn des Aufruhrs der Legionen davongemacht hatte und dann von selbst zurückgekehrt war, traute man ihm zu, daß er sich nur nach einer Gelegenheit zu treulosem Verrat umgesehen habe. Als er nämlich unter Preisgabe seiner pannonisdien Statthalterschaft nach Italien gekommen und der Gefahr entgangen war, hatte er sich doch durch das Verlangen nach einer Umwälzung bewegen lassen, den Statthaltertitel wieder anzunehmen und sich am Bürgerkrieg zu beteiligen; er tat es auf den Rat des Cornelius Fuscus, nicht als ob dieser der Mithilfe des Flavianus bedurft hätte, vielmehr sollte nur dessen KonsularTitel der eben im Aufstieg begriffenen Partei ein besseres Gesicht geben. Um übrigens ohne Gefahr und mit Erfolg den Krieg nach Italien hinüberzutragen, erhielt Aponius Saturninus den schriftlichen Auftrag, sidi mit dem mösischen Heer zu beeilen. Man nahm ferner, damit nicht die von Truppen entblößten Provinzen den Barbarenvölkern preisgegeben würden, die mit der Lenkung ihres Staates betrauten Häuptlinge der sarmatischen Jazygen ins Kriegsbündnis auf. Diese boten audi ihre Gemeinfreien, d. h. die Reitermacht, auf der allein ihre Stärke beruhte, zur Hilfe an, ein Angebot, das jedoch abgelehnt wurde, aus Furcht, jene Häuptlinge möditen während unserer Parteikämpfe Angelegenheiten betreiben, die sie eigentlidi nichts angingen, und für einen von der Gegenseite gebotenen höheren Lohn menschliches und göttlidies Recht verleugnen. Zum Anschluß an Vespasians Partei aber brachte man die Suebenkönige Sido und Italicus, die sidi von altbewährtem Gehorsam gegenüber den Römern zeigten, wie denn auch ihr Volk es lieber mit der Treue hält, als daß es auf fremde Befehle eingeht. Wegen der feindseligen Haltung Rätiens, dessen Prokurator Porcius Septiminus an Vitellius unerschütterlich festhielt, stellte man Hilfsvölker als Flankensdiutz auf. Deshalb wurde Sextilius Felix mit der aurianischen Schwadron, acht Kohorten und der norischen Jungmannschaft abgesandt, die Uferlandschaften

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tute ad occupandam ripam Aeni fluminis, quod Raetos Noricosque interfluit, missus, nec his aut illis proelium temptantibus, fortuna partium alibi transacta.

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Antonio vexillarios e cohortibus et partem equitum ι ad invadendam Italiani rapienti comes fuit Arrius Varus, strenuus bello, quam gloriam ei dux Corbulo et prosperae in Armenia res addiderant. idem secretis apud Neronem sermonibus ferebatur Corbulonis virtutes criminatus; unde infami gratia primum pilum adepto laeta ad praesens male parta mox in perniciem vertere, sed Primus ι ac Varus occupata Aquileia per próxima quaeque et Opitergii et Altini laetis animis accipiuntur, relictum Altini praesidium adversus classis Ravennatis conatus, nondum defectione eius audita, inde Patavium et Ateste partibus adiunxere. illic cognitum tris Vitellianas cohortes et alam, cui Sebosianae nomen, ad Forum Alieni ponte iuncto consedisse. placuit occasio invadendi incu- 3 riosos; nam id quoque nuntiabatur. luce prima inermos plerosque oppressere. praedictum, ut paucis interfectis ceteros pavore ad mutandam fi dem cogerent. et fuere qui se statim dederent: plures abrupto ponte instanti hosti viam abstulerunt.

7 Volgata victoria, post principia belli secundum Fla- χ víanos data legiones séptima Galbiana, tertia decima Gemina cum Vedio Aquila legato Patavium alacres veniunt. ibi pauci dies ad requiem sumpti, et Minicius Iustus praefectus castrorum legionis septimae, quia adductius quam civili bello imperitabat, subtractus militum irae ad Vespasianum missus est. desiderata diu res inter- 2

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am Inn, der zwisdien Rätien und Noricum fließt, zu besetzen. Da man sich weder hüben nodi drüben in einen Kampf einließ, wurde das Schicksal der Partei anderwärts ausgetragen. Den Antonius, der aus den Auxiliarkohorten abgezweigte Abteilungen und einen Teil der Reiterei in Eile heranführte, um damit über Italien herzufallen, begleitete Arrius Varus; er galt als tüchtiger Kriegsmann, ein Ruhm, den er seinem Dienst unter Corbulo und glücklichen Erfolgen in Armenien zu verdanken hatte. Er hatte freilich, wie es hieß, in heimlichen Unterredungen mit Nero die Verdienste Corbulos angeschwärzt; der Dank, denn er dafür erhielt, nämlich die Stelle eines Obercenturio, war kein Ruhmesblatt; tatsächlich sollte der nur für den Augenblick erfreuliche, im Grunde üble Gewinn ihm nachträglich zum Verderben ausschlagen. Damals wurden nun Primus und Varus, die Aquileia besetzt hatten, überall in der näheren Umgebung, ebenso in Opitergium und in Altinum freundlidi aufgenommen. Zu Altinum ließ man eine Besatzung zurück als Schutz gegen etwaige Unternehmungen der ravcnnatischen Flotte, von deren Abfall nodi nichts verlautet war. Weiterhin schlössen sidi Patavium und Ateste Vespasians Partei an. Hier erfuhr man, es hätten drei vitellianisdie Kohorten und die sogenannte sebosianisdie Schwadron bei Forum Alieni eine Schiffsbrücke geschlagen und sidi dort gelagert. Die Gelegenheit zu einem Angriff auf sie erschien angesichts ihrer Sorglosigkeit - audi davon hatte man Kunde - günstig. So fiel man bei Tagesanbrudi über die zumeist nodi unbewaffneten Leute her. Vorher erging die'Weisung, man solle nur wenige der Gegner umbringen, die übrigen einschüchtern und so zum Fahnenwechsel zwingen. Wirklich ergaben sidi manche auf der Stelle; die Mehrzahl aberbrach die Brücke ab und verlegte dadurch dem nachdrängenden Feind den Weg. Auf die Siegesnadiridit hin und nach der Entscheidung des Kriegsanfangs zugunsten der Flavianer, kamen zwei Legionen, die siebte, d. h. die sogenannte galbianisdie und die unter dem Kommando des Vedius Aquila stehende dreizehnte Legion, eine Doppellegion, guter Dinge nach Patavium. Hier gönnte man sidi ein paar Tage Ruhe. Währenddessen mußte Minicius Justus, der Lagerpräfekt der siebenten Legion, der ja für Bürgerkriegszeiten die Zügel oft zu straff anzog, vor der Erbitterung seiner Leute gerettet werden, weshalb man ihn zu Vespasian schickte. Eine Sadie, die sdion längst am Herzen lag, wurde damals durch

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pretatione gloriaque in maius accipitur, postquam Galbae imagines discordia temporum subversas in omnibus municipios recoli iussit Antonius, decorum pro causa ratus, si piacere Galbae principatus et partes revirescere crederentur. 8 Quaesitum inde, quae sedes bello legeretur. Verona ι potior visa, patentibus circum campis ad pugnam equestrem, qua praevalebant: simul coloniam copiis validam auferre Vitellio in rem famamque videbatur. possessa ipso transitu Vicetia; quod per se parvum (etenim modicae municipio vires) magni momenti locum obtinuit reputantibus illic Caecinam genitum et patriam hostium duci ereptam. in Veronensibus pretium fuit: exemplo opibusque partes iuvere; et interiectus exercitus Raetiam Iuliasque Alpes, ne pervium illa Germanicis exercitibus foret, obsaepserat. quae ignara Vespasiano aut vetita: quippe ι Aquileiae sisti bellum exspectarique Mucianum iubebat, adiciebatque imperio consilium, quando Aegyptus, claustra annonae, vectigalia opulentissimarum provinciarum obtinerentur, posse Vîtellii exercitum egestate stipendii frumentique ad deditionem subigi. eadem Mucianus ere- j bris epistulis monebat, incruentam et sine luctu victoriam et alia huiusce modi praetexendo, sed gloriae avidus atque omne belli decus sibi retinens. ceterum ex distantibus terrarum spatiis Consilia post res adferebantur.

9 Igitur repentino ineursu Antonius stationes hostium ι inrupit, temptatisque levi proelio animis ex aequo dis-

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ruhmredige Ausdeutung f ü r wichtiger genommen: der vorangehende Befehl des Antonius nämlich, daß die in den Zeiten der Zwietracht umgestürzten Bilder Galbas in allen Landstädten wieder aufzurichten seien. Nach seiner Ansicht war es eine glänzende Empfehlung für die flavianisdie Partei, wenn ihr 'Wohlgefallen an Galbas Regiment und das Wiederaufleben seiner Partei Glauben fände. Danach Uberlegte man, wohin man den Kriegsschauplatz verlegen solle. Den Vorzug schien Verona zu verdienen, da sidi dort ringsum für einen Reiterkampf, die Hauptstärke der Flavianer, geeignete Gefilde erstreckten. Zugleich erschien es zweckmäßig und rühmlich, die mit Vorräten wohlversehene Pflanzstadt dem Vitellius wegzunehmen. Vicetia wurde im Vorbeimarsch besetzt; das war an sich geringfügig (da die Kräfte der Landstadt nur mäßig waren), dennoch war der Sadie eine ziemlich große Bedeutung beizumessen, wenn man bedachte, daß Cäcina in dem Ort geboren und so dem feindlichen Feldherrn seine Heimatstadt weggenommen war. Der Besitz Veronas lohnte sich; durch das Beispiel der Bewohner und ihren Reichtum war die Stadt der flavianischen Partei von Nutzen; ferner war dadurch, daß jetzt dort zwischen Rätien und den julischen Alpen ein Heer eingeschoben war, der Durchmarsch für die aus Germanien kommenden Truppen gesperrt. Dies alles geschah ohne Wissen Vespasians oder im Widerspruch mit seinen Anordnungen. E r befahl nämlich in Aquileia die Kriegsoperationen vorläufig einzustellen und auf Mucian zu warten. Zur Bekräftigung seines Befehls gab Vespasian auch noch zu bedenken, daß der Besitz Ägyptens, des Schlüssels zur Getreideversorgung, und der Besitz der Abgaben aus den reichsten Provinzen ihnen die Möglichkeit gebe, das Heer des Vitellius infolge des aufkommenden Mangels an Sold und Proviant zur Ubergabe zu zwingen. Dieselben Vorstellungen erhob in einer Reihe von Briefen Mucian, indem er den Gedanken an einen unblutigen, tränenlosen Krieg und andere Gründe dieser Art vorschützte; in Wirklichkeit handelte er aus Ruhmsucht und in dem Bestreben, die ganze Ehre der Kriegführung sich selbst vorzubehalten. Übrigens kamen die Ratschläge aus den weitentlegenen Gebieten der Erde erst nach den geschichtlichen Ereignissen an. So stürmte denn Antonius in einem plötzlichen Angriff auf die feindlichen Vorposten los, doch versuchte man sich nur in

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cessum. mox Caecina inter Hostiliam, vicum Vcronensium, et paludes Tartari fluminis castra permuniit, tutus loco, cum terga ilumine, latera obiectu paludis tegerentur. quod si adfuisset fides, aut opprimi universis Vitel- ι lianorum viribus duae legiones, nondum coniuncto Moesico exercitu, potuere, aut retro actae deserta Italia turpem fugam conscivissent. sed Caecina per varias moras prima hostibus prodidit tempora belli, dum quos armis pellere promptum erat, epistulis increpat, donee per nuntios pacta perfidiae firmaret. interim Aponius 3 Saturninus cum legione séptima Claudiana advenit. legioni tribunus Vipstanus Messalla praeerat, claris maioribus, egregius ipse et qui solus ad id bellum artes bonas attulisset. has ad copias nequaquam Vitellianis pares 4 (quippe tres adhuc legiones erant) misit epistulas Caecina, temeritatem vieta arma tractantium incusans. simul virtus Germanici exercitus laudibus attollebatur, Vitella modica et volgari mentione, nulla in Vespasianum contumelia: nihil prorsus, quod aut corrumperet hostem aut terreret. Flavianarum partium duces omissa prioris s fortunae defensione pro Vespasiano magnifice, pro causa fidenter, de exercitu securi, in Vitellium ut inimici rescripsere, facta tribunis centurionibusque retinendi quae Vitellius indulsisset spe, atque ipsum Caecinam non obscure ad transitionem hortabantur. recitatae p r o con-

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einem leiditen Gefecht aneinander, um sidi dann ohne Entscheidung wieder zu trennen. Danach legte Cäcina zwischen Hostilia, einem zu Verona gehörigen Dorf, und dem Sumpfgebiet des Tartarusflusses ein festes Lager an, in einer f ü r ihn sidieren Gegend, da er im Rücken durch den Fluß, an den Flanken durch den vor dem Fluß sich hinziehenden Sumpf gedeckt war. Hätte er nun redlidie Absichten gehabt, so hätten die zwei flavianischen Legionen, mit denen sich das mösische Heer noch nicht vereinigt hatte, entweder durch die gesamte vitellianische Streitmacht überwältigt werden können oder sie wären zurückgedrängt worden, so daß sie sidi unter Preisgabe Italiens zu einer schmählichen Flucht hätten entscheiden müssen. Cäcina aber, der vielfach zögerte, gab den Feinden die ersten günstigen Gelegenheiten, die sich im Krieg boten, in die Hand, indem er die Gegner, die er mit den Waffen leicht vor sich hätte hertreiben können, solange mit Briefen bombardierte, bis er durch Unterhändler über seinen Treubruch feste Abmachungen getroffen hatte. Inzwischen kam Aponius Saturninus mit der siebten, der sogenannten claudianischen Legion, heran. Es befehligte sie der Tribun Vipstanus Messalla, ein Sprößling berühmter Ahnen und selber ein trefflicher Mann, überdies der einzige, der mit ehrlichen Absichten in diesen Krieg zog. An die erwähnten Truppen, die in ihrer vorläufigen Stärke von nur drei Legionen den Vitellianern keineswegs gewachsen waren, sdtickte Cäcina ein Schreiben voller Vorwürfe über ihre Tollkühnheit, eine verlorene Sache zu verfechten. Zugleich lobte er die Tüchtigkeit des aus Germanien gekommen vitellianischen Heeres in hohen Ionen, erwähnte den Vltellius selber aber nur so nebenbei und in allgemeinen Redensarten, während er ganz darauf verzichtete, Vespasian herunterzusetzen; überhaupt fiel kein Wort, das die Feinde hätte bestedien oder erschrecken können. Die Führer der flavianischen Partei aber, die an eine Rechtfertigung ihrer früheren Haltung gar nicht dachten, verfaßten zur Antwort ein Schreiben, das von stolzen Ausdrücken über Vespasian, von Zuversicht zu ihrer Sache, vom Gefühl der Sicherheit hinsichtlich des Ausgangs und von augenscheinlicher Feindseligkeit gegen Vitellius getragen war; dabei machten sie den Tribunen und Centurionen der Gegner Hoffnung, sie dürften die ihnen von Vitellius gewährten Vergünstigungen behalten, und forderten den Cäcina selber ganz unverblümt zum Übertritt auf. Die Verlesung der beiden Briefe vor ver-

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tione epistulae addidere fiduciam, quod submisse Caecina, velut offendere Vespasianum timens, ipsorum duces contemptim tamquam insultantes Vitellio scripsissent. 10 Adventu deinde duarum legionum, e quibus tertiam • Diliius Aponianus, octavam Numisius Lupus ducebant, ostentare vires et militari vallo Veronam circumdare placuit. forte Galbianae legioni in adversa fronte valli opus cesserat, et visi procul sociorum équités vanam formidinem ut hostes fecere. rapiuntur arma metu pro- 2 ditionis. ira militum in Tampium Flavianum incubuit, nullo criminis argumento, sed iam pridem invisus turbine quodam ad exitium poscebatur: propinquum Vitellii, proditorem Othonis, interceptorem donativi clamitabant. nec defensioni locus, quamquam supplices manus tenderet, humi plerumque stratus, lacera veste, pectus atque ora singultu quatiens. id ipsum apud infensos incitamentum erat, tamquam nimius pavor conscientiam argueret. obturbabatur militum vocibus Apo- 3 nius, cum loqui coeptaret; fremitu et clamore ceteros aspernantur. uni Antonio apertae militum aures; namque et facundia aderat mulcendique volgum artes et auctoritas. ubi crudescere seditio et a conviciis ac probris ad tela et manus transibant, inici catenas Flaviano iubet. sensit ludibrium miles, disiectisque qui tribunal tuebantur extrema vis parabatur. opposuit sinum Anto- 4 nius stricto ferro, aut militum se manibus aut suis moriturum obtestans, ut quemque notum et aliquo militari decore insignem adspexerat, ad ferendam opem nomine ciens. mox conversus ad signa et bellorum deos, hostium

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sammelter Mannschaft erhöhte das Selbstvertrauen, da, wie man sich sagte, Cäcina, als fürchte er, bei Vespasian anzustoßen, in unterwürfigem, ihre eigenen Führer aber, wie zur Verhöhnung des Vitellius, in verächtlichem Ton geschrieben hätten. Als dann noch zwei Legionen eingetroffen waren, die dritte unter der Führung des Dillius Aponianus und die achte unter der des Numisius Lupus, beschlossen die Flavianer ihre Kraft sehen zu lassen und Verona mit einem feldmäßigen Wall zu umgeben. Der Zufall wollte es, daß die Schanzarbeit an der dem Feind zugekehrten Seite der galbianisdien Legion zufiel; wie nun weiter weg bundesgenössisdie Reiter auftauchten, rief die Vermutung, daß es Feinde seien, bei ihnen einen blinden Schrecken hervor. Aus Furcht vor Verrat griff man zu den Waffen. Die allgemeine Erbitterung wandte sich gegen Tampius Flavianus, ohne daß ihm eine Schuld nachzuweisen war; da er aber schon längst verhaßt war, wurde in einer Art stürmischer Erregung seine Hinrichtung gefordert. „Verwandter des Vitellius, Verräter Othos, Veruntreuer des Gnadensolds*, schrie man ihm entgegen. Eine Möglichkeit, sich erfolgreich zu verteidigen, gab es für ihn nicht, obwohl er sdiutzflehend die Hände erhob, sidi immer wieder auf den Boden warf, sein Gewand zerriß, sich schluchzend Brust und Angesicht schlug. Dieses Verhalten reizte die Erbitterten erst recht, da nadi ihrer Meinung seine allzu große Angst das schlechte Gewissen verriet. Als Aponius zu sprechen anfangen wollte, übertönte ihn der Lärm der Soldaten; unter Murren und Lärmen versagten sie auch den übrigen das Gehör. Einzig Antonius fand bei der Mannschaft ein offenes Ohr; verfügte er doch über Beredsamkeit und ein Gesdiick, die Menge zu besänftigen, auch über das nötige Ansehen. Als die Empörung immer ärger wurde und man von Schimpfworten und Vorwürfen zum Gebrauch der Waffen und zu Handgreiflichkeiten überging, ließ Antonius den Flavianus in Fesseln legen. Die Leute merkten jedoch, daß es damit nicht Ernst war, zersprengten die Wachmannschaft am Tribunal und machten sich zu äußersten Gewaltmaßnahmen bereit. Antonius zog das Schwert und warf sich ihnen mit der Brust entgegen, beteuerte, er wolle von den Händen der Soldaten oder durch eigene H a n d den Tod finden, rief jeden, in dem er einen Bekannten sah, jeden, den er im Sdimuck irgendeiner militärischen Auszeichnung erblickte, namentlich zu Hilfe. Dann wandte er sich den Kriegsgöttern am Schaft der Feldzeichen zu, mit dem

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potius exercitibus illum furorem, illam discordiam inicerent orabat, donec fatisceret seditio et extremo iam die sua quisque in tentoria dilaberentur. profectus eadem nocte Flavianus obviis Vespasiani litteris discrimini exemptas est. jj Legiones velut tabe infectae Aponium Saturninum ι Moesici exercitus legatum eo atrocius adgrediuntur, quod non, ut prius, labore et opere fessae, sed medio diei exarserant, volgatis epistulis, quas Saturninus ad Vitellium scripsisse credebatur. ut olim virtutis modestiae- ι que, tunc procacitatis et petulantiae certamen erat, ne minus violenter Aponium quam Flavianum ad supplicium deposcerent. quippe Moesicae legiones adiutam a se Pannonicorum ultionem referentes, et Pannonici, velut absolverentur aliorum seditione, iterare culpam gaudebant. in hortos, in quibus devertebatur Saturninus, per- 3 gunt. nec tarn Primus et Aponianus et Messalla, quamquam omni modo nisi, eripuere Saturninum, quam obscuritas latebrarum, quibus occulebatur, vacantium forte balnearum fornacibus abditus. mox omissis lictoribus Patavium concessit, digressu consularium uni Antonio 4 vis ac potestas in utrumque exercitum fuit, cedentibus collegis et obversis militum studiis. nec deerant qui crederent utramque seditionem fraude Antonii coeptam, ut solus bello frueretur.

12 N e in Vitellii quidem partibus quietae mentes: exi- 1 tiosiore discordia non suspicionibus volgi, sed perfidia ducum turbabantur. Lucilius Bassus classis Ravennatis praefectus ambiguos militum ánimos, quod magna pars Dalmatae Pannoniique erant, quae provinciae Vespasiano tenebantur, partibus eius adgregaverat. nox pro-

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Gebet, sie möchten diesen Geist der Raserei, diesen Geist der Zwietracht doch lieber den Heeren der Feinde einflößen; so legte sich schließlich der Aufruhr, der Tag ging zur Neige und alles verschwand in den Zelten. Flavianus, der nodi in der gleichen N a d i t aufbrach, wurde durch einen unterwegs eintreffenden Brief Vespasians aus seiner schlimmen Lage gerettet. Wie von einem Geist der Zersetzung befallen, machten sidi nun die Legionen über Aponius Saturninus, den Legaten der mösischen Truppen, her, und das um so wütender, als sie nicht, wie es vorher der Fall war, nach ermüdender Schanzarbeit, sondern mitten am Tag in Erregung gerieten, und zwar durch das Bekanntwerden eines Briefes, den Saturninus an Vitellius geschrieben haben sollte. Während sie vordem in Tapferkeit und Manneszucht wetteiferten, taten sie es jetzt in Frechheit und Unverschämtheit, um nur ja nicht minder gewaltsam auf die Hinrichtung des Aponius zu dringen als auf die des Flavianus. Es hatten nämlidi die mösischen Legionen, die sich rühmten, den Rachedurst der Pannonier unterstützt zu haben, ebenso wie die Pannonier, die in dem A u f r u h r der anderen gleichsam einen Freispruch f ü r sich erblickten, ihre Freude an der Wiederholung des Vergehens. Man eilte in den Park, w o Saturninus sein Absteigequartier hatte. D a ß er gerettet wurde, das hatte er nicht so sehr Primus, Aponianus und Messalla zu verdanken, trotz all ihrer Bemühungen, wie vielmehr dem dunklen Schlupfwinkel, in dem er sich verbarg, nämlich dem Versteck im O f e n eines zufällig unbenutzten Bades. Später begab er sich unter Verzicht auf Liktorenbegleitung nach Patavium. Als die Konsularen fort waren, hatte Antonius allein die volle Gewalt über die beiden Heere, da seine Amtsgenossen ihm den Vorrang ließen und die Soldaten ihm zugetan waren. Es fehlte nicht an Leuten, die glaubten, Antonius habe beide Aufstände listigerweise angezettelt, um f ü r sich allein aus dem Krieg allen Vorteil ziehen zu können. Audi auf Seiten des Vitellius ging es nicht friedlich zu; die Unruhe aber wurde nicht durch den Argwohn des großen H a u fens hervorgerufen, sondern - was die verderblichere A r t der Zwietradit ist - durch die Treulosigkeit der Heerführer. Lucilius Bassus, der Kommandant der ravennatisdien Flotte, hatte seine bereits schwankenden Leute, die ja großenteils aus Dalmatien und Pannonien, den in Vespasians H ä n d e n befindlichen Provinzen stammten, f ü r dessen Partei gewonnen. Für die

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ditioni electa, ut ceteris ignaris soli in principia defectores coirent. Bassus pudore seu metu, quisnam exitus 1 foret, intra domum opperiebatur. trierardii magno tumultu Vitellii imagines invadunt, et paucis resistentium obtruncatis ceterum volgus rerum novarum studio in Vespasianum inclinabat. turn progressus Lucilius auctorem se palam praebet. classis Cornelium Fuscum prae- 3 fectum sibi destinât, qui propere adcucurrit. Bassus honorata custodia Liburnicis navibus Atriam pervectus a praefecto alae Vibennio Rufino praesidium illic agitante vincitur, sed exsoluta statim vincula interventu Hormi Caesaris liberti: is quoque inter duces habebatur.

13 At Caecina, defectione classis volgata, primores cen- 1 turionum et paucos militum, ceteris per militiae muñera dispersis, secretum castrorum adfectans in principia vocat. ibi Vespasiani virtutem viresque partium extollit: transfugisse classem, in arto commeatum, adversas Gallias Hispaniasque, nihil in urbe fidum; atque omnia de Vitellio in deterius. mox incipientibus qui conscii aderant, ceteros re nova attonitos in verba Vespasiani adigit; simul Vitellii imagines dereptae et missi, qui Antonio nuntiarent. sed ubi totis castris in fama proditio, 1 recurrens in principia miles praescriptum Vespasiani nomen, proiectas Vitellii effigies adspexit, vastum primo silentium, mox cuncta simul erumpunt. hue cecidisse Germanici exercitus gloriam, ut sine proelio, sine volnere viñetas manus et capta traderent arma? quas enim

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Durchführung des Verrates bestimmte man eine der Nächte, damit ohne Wissen der übrigen allein die Abtrünnigen auf dem Hauptsammelplatz zusammenkämen. Bassus wartete aus Scham oder Furcht zu Hause ab, welchen Ausgang die Sache nehmen werde. Indessen fielen die Trierenführer unter großem Tumult über die Bildnisse des Vitellius her, wobei ein paar Leute, die Widerstand leisteten, niedergemacht wurden; die große Menge der übrigen war so umstürzlerisdi gesinnt, daß sie sich gleich für Vespasian entschied. Jetzt erst trat Lucilius Bassus aus seinem Haus, um sich offen als Rädelsführer zu bekennen. Die Flottenmannschaft aber bestimmte als ihren Kommandanten den Cornelius Fuscus, der eilends herbeikam. Bassus wurde in ehrenvollem Gewahrsam auf Liburnerschiifen nach Atrla gebracht, wo ihn der dort in Garnison stehende Schwadronsführer Vibennius Rufinus in Fesseln legen ließ. Die Bande wurden jedoch gleich wieder gelöst durch die Dazwischenkunft des Hormus, eines Freigelassenen des Cäsar. Audi Hormus zählte zu den Heerführern. Auf die Kunde vom Abfall der Flotte hin rief Cäcina die Obercenturionen und ein paar Gemeine - die übrigen Leute waren zu dienstlichen Geschäften da und dorthin geschickt worden - zum Hauptquartier, als wäre es ihm um etwas zu tun, was im Lager geheim gehalten werden solle. An dem genannten Platz hielt er eine Lobrede auf Vespanians Tüchtigkeit und die Stärke seiner Partei; er sprach vom Übertritt der Flotte zu ihm, von der Knappheit der Lebensmittel, der feindseligen Haltung Galliens und Spaniens, dem geringen Verlaß auf die Stadt Rom, stellte überhaupt alles, was Vitellius betraf, in schlimmem Licht dar. Als sich dann zunächst seine Mitverschworenen, soweit sie anwesend waren, auf Vespasian verpflichten ließen, brachte er es auch bei den übrigen, die ganz verblüfft über das Unerwartete waren, dahin. Zugleich riß man die Bildnisse des Vitellius herab und sandte einen Bericht an Antonius. Sowie aber im ganzen Lager der Verrat ruchbar wurde und die zum Hauptquartier eilenden Soldaten die Beschriftung mit Vespasians Namen, die Bildnisse des Vitellius aber auf dem Boden liegen sahen, da machte sich nadi einem Augenblick tiefen Schweigens die allgemeine Erregung wie mit einem Schlage Luft: Sei denn der Ruhm des germanischen Heeres so tief gesunken, daß sie sich ohne Kampf, ohne Wunden ihre Hände fesseln, ihre Waffen abnehmen ließen, in aller

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ex diverso legiones? nempe victas; et abesse unicum Othoniani exercitus robur, primanos quartadecumanosque, quos tarnen isdem illis campis fuderint straverintque. ut tot armatorum milia, velut grex venalium, exuli 3 Antonio donum darentur? octo nimirum legiones unius classis accessionem fore, id Basso, id Caecinae visum, postquam domos hortos opes principi abstulerint, etiam militibus principem auferre. Íntegros incruentosque, Flavianis quoque partibus viles, quid dicturos reposcentibus aut prospera aut adversa?

14 Haec singuli, haec universi, ut quemque dolor impulerat, vociferantes, initio a quinta legione orto, repositis Vitellii imaginibus vincla Caecinae iniciunt; Fabium Fabullum quintae legionis legatum et Cassium Longum praefectum castrorum duces deligunt; forte oblatos trium Liburnicarum milites ignaros et insontes trucidant; relictis castris, abrupto ponte Hostiliam rursus, inde Cremonam pergunt, ut legionibus primae Italicae et unietvicensimae Rapaci iungerentur, quas Caecina ad obtinendam Cremonam cum parte equitum praemiserat. 15 Ubi haec comperta Antonio, discordes animis, dis- 1 cretos viribus hostium exercitus adgredi statuit, antequam ducibus auctoritas, militi obsequium et iunctis legionibus fiducia rediret. namque Fabium Valentem profectum ab urbe adceleraturumque cognita Caecinae proditione coniectabat; et fidus Vitellio Fabius nec militiae ignarus. simul ingens Germanorum vis per Raetiam timebatur; et Britannia Galliaque et Hispania auxilia

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Ergebenheit? Was seien denn das für Legionen auf der Gegenseite? Doch wohl besiegte! Überdies sei die einzig dastehende Kerntruppe des othonianischen Heeres, die Einser und Vierzehner, gar nicht zur Stelle, obwohl sie auch diese auf jenen Gefilden gehörig zusammengehauen hätten. Wie sollte es möglich sein, daß soviel tausend bewaffnete Männer gleich einem verkäuflichen Sklavenhaufen an den landesverwiesenen Antonius einfach versdienkt würden? Die acht Legionen sollten natürlich die Dreingabe bilden zu der Flotteneinheit. So sei es nach dem Gesdimack des Bassus, des Cäcina: erst Paläste, Parkanlagen und Vermögen dem Fürsten wegzunehmen, dann diesen audi nodi seinen Soldaten zu nehmen. Was würden sie, die trotz ihrer ungeschwächten Lage keinen Blutstropfen vergössen und daher auch der flavianisdien Partei verächtlich seien, was würden sie zu tun haben, wenn man von ihnen den schuldigen Nachweis über Glüdc oder Unglück fordere? So sdirieen sie bald einzeln, bald im Chor, wie der Ingrimm sie packte; dann brachten sie, die fünfte Legion zuerst, die Bildnisse des Vitellius wieder an ihren Platz, den Cäcina aber legten sie in Fesseln. Zu ihren Führern wählten sie Fabius Fabullus, den Legaten der fünften Legion, und Cassius Longus, den Lagerkommandanten. Die ihnen zufällig in den Weg kommende Mannschaft von drei Liburnerfahrzeugen, unschuldige Leute, machten sie einfadi nieder. Darauf verließen sie das Lager, brachen die Brüdce ab und eilten wieder nadi Hostilia und von da nadi Cremona, um sidi mit der ersten italischen und der 21. Legion, der sogenannten Reißenden, zu vereinigen, die beide Cäcina mit einem Teil der Reiterei zur Behauptung Cremonas vorausgeschickt hatte. Auf die Kunde hiervon besdiloß Antonius, die feindlichen Heere in ihrer Uneinigkeit und in der Zersplitterung ihrer Streitkräfte anzugreifen, bevor ihre Führer wieder zu Ansehen, die Soldaten wieder zu Manneszucht, die Legionen durch einen neuen Zusammenschluß wieder zu Selbstvertrauen kämen. Er vermutete nämlidi, daß Fabius Valens von Rom aufgebrochen sei und daß diesen die Nachridit von Cäcinas Abfall zur Eile veranlassen werde. Tatsädilidi war Valens dem Vitellius treu, verstand audi etwas von der Kriegführung. Zugleich fürditete man das Herankommen der gewaltigen Streitmadit der germanischen Hilfskohorten von Rätien her; audi aus Britannien, Gallien, Spanien hatte Vitellius Hilfsvölker herbeigerufen zu

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Vitellius acciverat, immensam belli luem, ni Antonius id ipsum metuens festinato proelio victoriam praecepisset. universo cum exercitu secundis a Verona castris Bedriacum venit. postero die legionibus ad muniendum retentis, auxiliares cohortes in Cremonensem agrum missae, ut specie parandarum copiarum civili praeda miles imbueretur: ipse cum quattuor milibus equi tum ad octavum a Bedriaco progressus, quo licentius popularentur. exploratores, ut mos est, longius cursabant. 16 Quinta ferme hora diei erat, cum citus eques adven- 1 tare hostes, praegredi paucos, motum fremitumque late audiri nuntiavit. dum Antonius quidnam agendum consultât, aviditate navandae operae Arrius Varus cum promptissimis equitum prorupit impulitque Vitellianos modica caede; nam plurium adcursu versa fortuna, et acerrimus quisque sequentium fugae ultimus erat, nec 2 sponte Antonii properatum, et fore quae acciderant rebatur. hortatus suos, ut magno animo capesserent pugnam, diductis in latera turmis vacuum medio relinquit iter, quo Varum equitesque eius reciperet; iussae armari legiones; datum per agros signum, ut, qua cuique proximum, omissa praeda proelio occurreret. pavidus interim Varus turbae suorum miscetur intulitque formidinem. pulsi cum sauciis integri suomet ipsi metu et angustiis viarum conflictabantur.

17 Nullum in illa trepidatione Antonius constantis ducis 1 aut fortis militis officium omisit. occursare paventibus, retiñere cedentes, ubi plurimus labor, unde aliqua spes, Consilio manu voce insignis hosti, conspicuus suis, eo

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einem ungeheuerlichen Kriegsgewitter, wenn nicht Antonius aus der Besorgnis hiervor die kriegerische Auseinandersetzung beschleunigt und sidi so des Sieges im voraus versichert hätte. Er kam mit seinem ganzen Heer in zwei Tagesmärschen von Verona nach Bedriacum. Am folgenden Tag schickte er, während er die Legionen zur Schanzarbeit zurückbehielt, die Auxiliarkohorten ins Gebiet von Cremona; angeblidi sollten die Leute Lebensmittelvorräte zusammenbringen, in Wirklichkeit aber Geschmack bekommen am Beutemachen unter der Zivilbevölkerung. Selbst rückte er mit 4000 Reitern vor bis zum achten Meilenstein, von Bedriacum aus gerechnet, damit die Hilfsvölker um so zügelloser plündern konnten. Die Patrouillen stießen, ihrer Gewohnheit entsprechend, nodi weiter vor. Es war etwa die fünfte Tagesstunde, als ein Eilbote zu Pferd die Meldung brachte, die Feinde seien im Anrücken, der Vortrab sei nur schwach, das Getöse des sich vorwärtsbewegenden Heeres weithin vernehmbar. Wahrend Antonius noch überlegte, was zu tun sei, brach Arrius Varus in seinem Verlangen, tüchtige Arbeit zu leisten, mit den schneidigsten seiner Reiter vor und drängte die Vitellianer zurück, ohne ihnen freilich schwerere Verluste beizubringen; durdi das Herbeieilen einer größeren Menge von Vitellianern wandte sich nämlich das Glück und die schärfsten Verfolger von vorher waren jetzt beim Rückzug in der Regel hintendran. Die Eile des Arrius Varus war nicht nadi dem Sinn des Antonius gewesen, sah er es doch kommen, wie es dann wirklich kam. Er forderte nun seine Leute auf, mutig in den Kampf einzugreifen, verteilte die Schwadronen auf die Flanken und ließ in der Mitte freie Bahn, um hier Varus und seine Reiter aufzufangen. Die Legionen erhielten den Befehl, die Waffen anzulegen, auf den Feldern ertönte das Signal, daß jedermann seine Beute lassen und auf dem nächsten Weg sich zum Kampf einstellen solle. Indessen drängte sich Varus, dem die Sache ungemütlich geworden war, unter den Haufen seiner Leute und steckte sie mit seiner Furcht an. Beim Rüdezug kamen ebenso wie die Verwundeten die Unverletzten durch ihre Angst und die Enge der Wege böse ins Gedränge. Antonius versäumte in diesem Wirrwarr nichts, was ein unerschrockener Führer oder wackerer Soldat zu tun hat. Er stellte sich den Verängstigten in den Weg, hielt die Fliehenden zurück; wo es am härtesten herhing, wo Aussicht auf Erfolg bestand, da merkten die Feinde deutlich, daß er mit Rat und

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postremo ardoris provectus est, ut vexillarium fugientem hasta transverberar«; mox raptum vexillum in hostem vertit. quo pudore haud plures quam centum équités restitere: iuvit locus, artiore illic via et fracto interfluentis rivi ponte, qui incerto alveo et praecipitibus ripis fugam impediebat. ea necessitas seu fortuna lapsas 2 iam partes restituit. firmati inter se densis ordinibus excipiunt Vitellianos temere effusos, atque il li consternantur. Antonius instare perculsis, sternere obvios; simul ceteri, ut cuique ingenium, spoliare capere, arma equosque abripere. et exciti prospero clamore, qui modo per agros fuga palabantur, victoriae se miscebant.

18 Ad quartum a Cremona lapidem fulsere legionum 1 signa Rapacis atque Italicae, laeto inter initia equitum suorum proelio illuc usque provecta, sed ubi fortuna contra fuit, non laxare ordines, non recipere turbatos, non obviam ire ultroque adgredi hostem tantum per spatium cursu et pugnando fessum. forte ducti haud perinde rebus prosperis ducem desideraverant atque in adversis deesse intellegebant. nutantem aciem victor 2 equitatus incursat et Vipstanus Messalla tribunus cum Moesicis auxiliaribus adsequitur, quos multi e legionariis quamquam raptim ductos aequabant: ita mixtus pedes equesque rupere legionum agmen. et propinqua Cremonensium moenia quanto plus spei ad effugium, minorem ad resistendum animum dabant. nec Antonius

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Tat und Zuruf eingriff und den Seinen ein leuchtendes Vorbild war. In seinem Feuereifer ging er schließlich so weit, daß er einen fliehenden Fahnenträger mit der Lanze durchbohrte, ihm die Fahne entriß und sie gegen den Feind kehrte. Obwohl dies an das Ehrgefühl der Leute griff, rafften sich doch nicht mehr als hundert Reiter zum Widerstand auf. Gut zustatten kam das Gelände, da der 'Weg dort ziemlich eng und die Brücke über einen ihn schneidenden Badi abgebrochen war; der Boden des Bachbettes, auf den man sich nicht recht verlassen konnte, und die steilen Uferränder taten der Flucht allmählich Einhalt. So halfen die Not oder audi das Glück der sdion sinkenden Sache der Partei wieder auf die Beine. Sich gegenseitig ermahnend empfingen die Flavianer in diditgesdilossenen Reihen den blinden Ansturm der Vitellianer, die darüber gleidi stutzig wurden. Antonius aber setzte den bestürzten Leuten kräftig zu, streckte nieder, was ihm in den "Weg kam, während gleichzeitig das übrige Kriegsvolk, je nach der Sinnesart der einzelnen, plünderte, Gefangene machte, Waffen und Pferde erbeutete. Herbeigelockt durdi das glückverheißende Geschrei, drängte sich in die Reihen der Sieger auch wer eben nodi fluchtartig die Felder durdistreifte. Vier Meilen vor Cremona blitzten die Feldzeichen zweier Legionen auf, der sogenannten Reißenden und der italisdien, die durdi das anfänglich günstige Gefedit ihrer Reiterei bis dahin vorgedrungen waren. Als sidi jedoch der Erfolg wandte, da dachten sie nidit daran, ihre Reihen zu öffnen, die in Verwirrung geratenen Reiter aufzunehmen, dem durch den Gewaltmarsch über eine so große Strecke und durdi den Kampf ermüdeten Feind entgegenzuziehen und ihn ihrerseits anzugreifen. Im Glück, wo sie sidi vom Zufall leiten ließen, hatten sie einen Schlachtenlenker nicht so stark vermißt, wie sie es jetzt im Unglück spürten. Die Reiterei der Sieger stürmte auf ihre wankende Linie los; auch traf der Tribun Vipstanus Messalla an der Spitze des mösisdien Hilfsvolkes ein, mit dem viele Legionäre gleichen Schritt zu halten suchten, obwohl es im Sturmschritt herangeholt wurde. So kam es, daß Reiterei und Fußvolk in engem Verband miteinander die Linie der vitellianisdien Legionen durchbrachen. Audi verminderte bei diesen die Nähe der Mauern Cremonas den Geist des Widerstandes so sehr, wie sie die Hoffnung auf ein glückliches Entrinnen stärkte. Antonius aber setzte ihnen nicht weiter zu,

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ultra institit, memor laboris ac volnerum, quibus tam anceps proelii fortuna, quamvis prospero fine, équités equosque adflictaverat. 19 Inumbrante vespera universum Flaviani exercitus 1 robur advenit. utque cumulos super et recentia caede vestigia incessere, quasi debellatum foret, pergere Cremonam et victos in deditionem accipere aut expugnare deposcunt. haec in medio, puldira dictu: illa sibi quisque, posse coloniam in plano sitam ímpetu capi, idem auda- 2 ciae per tenebras inrumpentibus et maiorem rapiendi licentiam. quod si lucem opperiantur, iam pacem, iam preces, et pro labore ac volneribus clementiam et gloriam, inania, laturos, sed opes Cremonensium in sinu praefectorum legatorumque fore, expugnatae urbis praedam ad militem, deditae ad duces pertinere. spernuntur centuriones tribunique, ac ne vox cuiusquam audiatur, quatiunt arma, rupturi imperium, ni ducantur.

20 Tum Antonius inserens se manipulis, ubi aspectu et ι auctoritate silentium fecerat, non se decus ñeque pretium eripere tam bene meritis adfirmabat, sed divisa inter exercitum ducesque munia: militibus cupidinem pugnandi convenire, duces providendo consultando, cunctatione saepius quam temeritate prodesse, ut pro 1 virili portione armis ac manu victoriam iuverit, ratione et Consilio, propriis ducis artibus, profuturum;

neque

enim ambigua esse, quae occurrant, noctem et ignotae situm urbis, intus hostes et cuncta insidiis opportuna, non si pateant portae, nisi explorato, nisi die intrandum.

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dachte er doch an die Strapazen und Wunden, durch die, trotz des zuletzt günstigen Ausgangs, das schwankende Schlachtenglück Reiter und Pferde arg mitgenommen hatte. Zur Zeit der Abenddämmerung langten alle Kerntruppen des flavianischen Heeres an. Als sie über die Leichenhügel und die nodi frischen Spuren des Kampfgemetzels dahinsdiritten, forderten sie, so als ob der Krieg aus und vorbei sei, daß man nach Cremona eilen und die freiwillige Kapitulation der Besiegten entgegennehmen oder einen Sturmangriff machen solle. Dies war das allgemeine Gespräch, das sich ganz schön anhörte. Bei sich aber meinte jeder, die in der Ebene gelegene Pflanzstadt lasse sich im ersten Anlauf nehmen. 'Wenn man gleich, während es noch finster sei, eindringe, so sei kein größeres Maß von Kühnheit nötig, überdies mehr Möglichkeit zum Plündern vorhanden. Warte man das Tageslicht ab, dann, ja dann komme es zu einem Friedensangebot, zu Bittgesuchen, und sie selbst würden als Entgelt für Strapazen und Wunden einen erbärmlichen Lohn: den Ruhm der Milde ernten, während die Schätze der Cremonenser in den Taschen der Präfekten und Legaten verschwänden. Die Beute einer eroberten Stadt gehöre den Soldaten, die einer sich ergebenden Stadt den Feldherrn. Auf Centurionen und Tribunen achtete man nidit weiter; um niemand zu Wort kommen zu lassen, klirrte man mit den Waffen, bereit, den Gehorsam aufzukündigen, wenn man sie nicht marschieren lasse. Da trat Antonius unter die Manipeln, stellte durch seinen Anblick, seine Autorität die Ruhe wieder her und erklärte: Er denke nicht daran, so hochverdiente Krieger um Ehre und Lohn zu bringen, doch sei ein Unterschied zwischen den Obliegenheiten des Heeres und denen der Heerführung. Für die Soldaten sei Kampfeseifer das Richtige; die Führer könnten durch ihre Vorsicht, ihre Überlegung, durch ihr Zuwarten häufiger als durch unüberlegtes Draufgängertum Nutzen stiften. W e er vorher seinen Mann gestellt und mit den Waffen in der H a n d zum Sieg verholfen habe, so wolle er jetzt durch planmäßige Überlegung, worin sich das eigentliche Geschick des Feldherrn zeige, zu nützen suchen; es sei ja vollkommen klar, womit sie zu rechnen hätten: mit der Nacht, der unbekannten Lage der Stadt, mit dem Feind in ihrem Innern und all den günstigen Gelegenheiten zu einem Anschlag auf sie selbst. Selbst wenn die Tore offenstünden, dürfe man erst nach wiederholten Kund-

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an obpugnationem indioaturos adempto omni prospectu, quis aequus locus, quanta altitudo moenium, tormentisne et telis an operibus et vineis adgredienda urbs foret? mox conversus ad singulos, num secures dolabras- 3 que et cetera expugnandis urbibus secum attulissent, rogitabat. et cum abnuerent, 'gladiisne' inquit 'et pilis perfringere ac subruere muros ullae manus possunt? si aggerem struere, si pluteis cratibusve protegí necesse fuerit, ut volgus improvidum inriti stabimus,. altitudinem turrium et aliena munimenta mirantes? quin potius mora noctis unius, advectis tormentis madiinisque, vim victoriamque nobiscum ferimus?' simul lixas calonesque cum recentissimis equitum Bedriacum mittit, copias ceteraque usui adlaturos.

21 Id vero aegre tolerante milite prope seditionem ven- χ tum, cum progressi équités sub ipsa moenia vagos e Cremonensibus corripiunt, quorum indicio noscitur sex Vitellianas legiones omnemque exercitum, qui Hostiliae egerat, eo ipso die triginta milia passuum emensum, comperta suorum clade in proelium accingi ac iam adfore. is terror obstructas mentes consiliis ducis aperuit. sistere tertiam decimam legionem in ipso viae Postu- 1 miae aggere iubet, cui iuncta a laevo séptima Galbiana patenti campo stetit, dein séptima Claudiana, agresti fossa (ita locus erat) praemunita; dextro octava per apertum limitem, mox tertia densis arbustis intersaepta. hic aquilarum signorumque ordo: milites mixti per

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schaftergängen und nur am hellen Tag eindringen. Ob sie denn mit dem Sturmangriff beginnen wollten, wenn jede Möglichkeit genommen sei, sich vorher danach umzuschauen, wo das Gelände günstig, wie hoch die Mauer sei, ob mit Wurfmaschinen und handgeschleuderten Geschossen oder mit Hilfe von Schanzwerken und Schirmlauben der Angriff auf die Stadt durchzuführen sei. Zu den einzelnen gewendet, fragte er, ob sie Beile, Kreuzhacken und das übrige, für die Eroberung einer Stadt nötige Gerät mitgebracht hätten. Als sie das verneinten, sagte er: „Mit Schwertern und Wurfspießen Mauern zu durchbrechen und zu untergraben, ist das Menschenhänden überhaupt möglich? Wenn uns nichts anderes übrigbleiben sollte, als einen Belagerungsdamm aufzuschichten, uns durch Frontschirme und Schanzkörbe zu decken, wollen wir dann wie blödes Volk zwecklos dastehen und die hohen Mauern und die feindlichen Befestigungswerke angaffen? Warum warten wir nicht lieber noch eine einzige Nacht, schaffen Wurfgeschütze und Belagerungsmaschinen herbei, um das siegessichere Obergewicht in unseren Händen zu tragen?" Gleichzeitig schickte er Marketender und Troßknechte mit Leuten der Reiterei, die noch am meisten bei Kräften waren, nach Bedriacum, daß sie Lebensmittel und was man sonst noch brauchte, herbrächten. Das verdroß nun vollends das Fußvolk, und es wäre fast zum Aufruhr gekommen, als einige bis hart an die Stadtmauern vorsprengende Reiter ein paar sich dort herumtreibende Cremonenser gefangennahmen. Aus ihren Angaben erfuhr man, daß sechs vitellianische Legionen und das ganze bisher in H o stilia untergebrachte Kriegsvolk an diesem Tag dreißig Meilen zurückgelegt hätten und sich auf die Kunde von der Niederlage der Ihrigen zum Kampfe bereit machten; in Kürze würden sie an Ort und Stelle sein. Diese Schreckensbotschaft öffnete die verstockten Gemüter den Vorstellungen des Führers. Die 13. Legion ließ er unmittelbar auf dem Fahrdamm der postumischen Straße Stellung nehmen; links, unmittelbar an sie anschließend, auf freiem Gelände, kam die siebte, die sogenannte galbianische Legion zu stehen, dann folgte die siebte, die sogenannte claudianische, die (es traf sich örtlich so) von vorne durdi einen Feldgraben gedeckt war. Rechts stand, einen offenen Feldweg entlang, die achte Legion, dann hinter dichtem, zaunartigem Gebüsch die dritte. So war die Aufstellung der Adler und Feldzeichen. Die Mannschaft freilich geriet, wie es eben der

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tenebras, ut fors tulerat; praetorianum vexillum proximum tertianis, cohortes auxiliorum in cornibus, latera ac terga équité circumdata; Sido atque Italicus Suebi cum delectis popularium primori in acie versabantur. 22 At Vitellianus exercitus, cui adquiescere Cremonae 1 et reciperatis cibo somnoque viribus confectum algore atque inedia hostem postera die profligare ac proruere ratio fuit, indigus rectoris, inops consilii, tertia ferme noctis hora paratis iam dispositisque Flavianis impingitur. ordinem agminis disiecti per iram ac tenebras 1 adseverare non ausim, quamquam alii tradiderint quartana Macedonica!» dextrum suorum cornu, quintam et quintam decumani cum vexillis nonae secundaeque et vicensimae Britannicarum legionum mediam aciem, sextadecumanos duoetvicensimanosque et primanos laevum cornu complesse. Rapaces atque Italici omnibus se manipulis miscuerant; eques auxiliaque sibi ipso locum legere. proelium tota nocte varium anceps atrox, his, rursus 3 illis exitiabile. nihil animus aut manus, ne oculi quidem provisu iuvabant. eadem utraque acie arma, crebris interrogationibus notum pugnae signum, permixta vexilla, ut quisque globus capta ex hostibus hue vel illuc raptabat. urgebatur maxime séptima legio, nuper a Galba 4 conscripta, occisi sex primorum ordinum centuriones, abrepta quaedam signa: ipsam aquilam Atilius Verus primi pili centurio multa cum hostium strage et ad extremum moriens servaverat.

23 Sustinuit labentem aciem Antonius accitis praetoria- 1 nis. qui ubi excepere pugnam, pellunt hostem, dein

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Zufall wollte, in der Dunkelheit durcheinander; eine Prätorianer-Abteilung stand zunächst bei den Dreiern, die Kohorten der Hilfsvölker auf den Flügeln; Flanken und Rücken waren von Reiterei umgeben. Die Sueben Sido und Italicus tummelten sich mit einer auserlesenen Schar ihrer Landsleute in den vordersten Reihen. Das vitellianische Heer aber, für das es das Vernünftigste gewesen wäre, sich in Cremona zunächst auszuruhen und nach Auffrischung seiner Kräfte durch Speise und Trank sich erst am folgenden Tag auf den von Kälte und Hunger schwer mitgenommenen Feind mit einem vernichtenden Schlag zu werfen, prallte etwa zur Zeit der dritten Nachtwache führer- und ratlos auf die Flavianer, die bereits gefechtsbereit und gut verteilt dastanden. Die Reihenfolge, die bei dem in der grimmigen Kampfgier und auch infolge der Dunkelheit nicht zusammenhaltenden Aufmarsch herrschte, genau anzugeben, traue ich mich nicht recht, obwohl andere Autoren überliefern, die vierte mazedonische Legion habe auf ihrer Seite den rechten Flügel eingenommen, die fünfte und fünfzehnte zusammen mit den von der neunten, zweiten und zwanzigsten britannischen Legion abgezweigten Abteilungen das Mitteltreifen, die Sechzehner, Zweiundzwanziger und Einser den linken Flügel. Die von der sogenannten Reißenden und der italischen Legion waren unter alle möglichen Manipeln geraten. Reiterei und Hilfsvölker suchten sich selbst ihren Platz. Das Gefecht war während der ganzen Nacht in Gang, mit wechselndem Erfolg, unentschieden, mörderisch, bald für die eine, bald wieder für die andere Seite verderblich. Mut und Kraft des Armes halfen rein nichts; mit den Augen vorsichtig Ausschau zu halten, auch das war umsonst. Auf beiden Fronten hatte man die gleichen Waffen, durch häufigen Anruf wurde die Kampfparole bekannt, auch kamen die Feldzeichen durcheinander, je nachdem eine Schar sie den Feinden entriß und sie da- oder dorthin schleppte. Am meisten zu leiden hatte die erst kürzlich von Galba ausgehobene siebte Legion. Es fielen sechs ihrer Obercenturionen, einige ihrer Fahnen gingen verloren. Den Legionsadler selbst hatte Atilius Verus, der ranghöchste Centurio, unter starken Verlusten der Feinde und schließlich durch seinen eigenen Tod gerettet. Die Schlachtreihe, die schon wankte, brachte Antonius zum Stehen dadurch, daß er die Prätorianer herbeiholte. Diese warfen gleich nach Aufnahme des Kampfes den Feind zurück,

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pelluntur. namque Vitelliani tormenta in aggerem viae contulerant, ut tela vacuo atque aperto excuterentur, dispersa primo et arbustis sine hostium noxa inlisa, magnitudine eximia quintae decimae legionis ballista 1 ingentibus saxis hostilem aciem proruebat. lateque cladem intulisset, ni duo milites praeclarum facinus ausi, arreptis e strage scutis ignorati, vincla ac libramenta tormentorum abscidissent. statim confossi sunt eoque intercidere nomina: de facto haud ambigitur. neutro 3 inclinaverat fortuna, donee adulta nocte luna surgens ostenderet acies falleretque. sed Flavianis aequior a tergo; hinc maiores equorum virorumque umbrae, et falso, ut in corpora, ictu tela hostium citra cadebant: Vitelliani adverso lumine conlucentes velut ex occulto iaculantibus incauti offerebantur.

24 Igitur Antonius, ubi noscere suos noscique poterat, 1 alios pudore et probris, multos laude et hortatu, omnes spe promissisque accendens, cur resumpsissent arma, Pannonicas legiones interrogabat: illos esse campos, in quibus abolere labem prioris ignominiae, ubi reeiperare gloriam possent. tum ad Moesicos conversus principes 1 auetoresque belli ciebat: frustra minis et verbis provocaros Vitellianos, si manus eorum oculosque non toler e » . haec, ut quosque accesserat; plura ad tertianos, veterum recentiumque admonens, ut sub M. Antonio Parthos, sub Corbulone Armenios, nuper Sarmatas pepu-

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wurden dann aber selber zurückgeworfen. Die Vitellianer hatten nämlich ihre Wurfgeschütze auf den Fahrdamm der Straße gebracht, um einen offenen, freien Platz zum Abschuß ihrer Geschosse zu gewinnen, die anfangs da- und dorthinflogen und, ohne dem Feind zu schaden, ins Gebüsch schlugen. Eine ungeheuer große Wurfmaschine der 15. Legion drohte durch ihre riesigen Steintrümmer die feindliche Linie niederzuschmettern. Sie hätte weit und breit Unheil angerichtet, wenn nicht zwei Mann die Heldentat gewagt hätten, aus einem Leichenhaufen Schilde herauszureißen, sich dadurch unkenntlich zu machen und die Stränge und Schwungriemen für das Abschleudern der Geschosse abzuschneiden. Da sie auf der Stelle niedergestoßen wurden, gingen ihre Namen verloren; an der Sache selbst ist nicht zu zweifeln. Das Glück hatte sich noch nadi keiner Seite geneigt; so blieb es, bis bei Zunahme der Dunkelheit der Mond aufging, der die beiden Schladitlinien sichtbar werden ließ und beirrte. Für die Flavianer stand er günstiger, nämlich im Rücken. So kam es, daß Mann und Roß bei ihnen größere Schatten warfen; die Feinde warfen irrtümlich auf diese wie auf wirkliche Körper Geschosse, die indes bereits vor ihnen zu Boden fielen. Die Vitellianer aber, die vom Mondlicht von vorne getroffen wurden und in vollem Licht standen, boten den wie in einem Versteck stehenden Schützen ein ungedecktes Ziel. Als nun Antonius seine Leute erkennen und auch von ihnen bemerkt werden konnte, suchte er sie anzufeuern, die einen durch Appell an ihr Ehrgefühl, auch durch Vorwürfe, für viele hatte er ein aufmunterndes Lob, für die Allgemeinheit verheißungsvolle Versprechungen; die pannonisdien Legionen fragte er, warum sie denn abermals zu den Waffen gegriffen hätten. Dies hier seien die Gefilde, wo sie den entehrenden früheren Schandfleck tilgen, wo sie ihren Ruhm zurückgewinnen könnten. Sodann wandte er sich an die Truppen aus Mösien und spornte sie, als die Urheber und Anstifter des Krieges, an: Vollkommen zwecklos hätten sie mit ihren wortreichen Drohungen die Vitellianer herausgefordert, wenn sie jetzt ihre Fäuste und Blicke nicht aushalten könnten. So sprach er, je nachdem er auf die einzelnen Leute stieß. Ausführlicher wurde er gegenüber den Dreiern, denen er alte und neue Erinnerungen ins Gedächtnis rief, wie sie unter M. Antonius die Parther, unter Corbulo die Armenier, wie sie kürzlich die Sarmaten

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lissent, mox infensus praetorianis 'vos' inquit, 'nisi vin- 3 citis, pagani, quis alius imperator, quae castra alia excipient? illic signa armaque vestra sunt, et mors victis; nam ignominiam consumpsistis.' undique clamor, et orientem solem (ita in Syria mos est) tertiani salutavere. 25 Vagus inde an Consilio ducis subditus rumor advenisse 1 Mucianum, exercitus in vicem salutasse, gradum inférant quasi recentibus auxiliis aucti, rariore iam Vitellianorum acie, ut quos nullo rectore suus quemque impetus vel pavor contraheret diduceretve. postquam impulsos sensit Antonius, denso agmine obturbabat. laxati ordines abrumpuntur, nec restituì quivere impedientibus vehiculis tormentisque. per limitem viae sparguntur festinatione consectandi victores. eo notabilior cae- 2 des fuit, quia filius patrem interfecit. rem nominaque auctore Vipstano Messalla tradam. Iulius Mansuetus ex Hispania, Rapaci legioni additus, impubem filium domi liquerat. is mox adultus, inter septimanos a Galba conscriptus, oblatum forte patrem et volnere stratum dum semianimem scrutatur, agnitus agnoscensque et exsanguem amplexus, voce flebili precabatur placatos patris manes, neve se ut parricidam aversarentur: publicum id facinus; et unum militem quotam civilium armorum partem? simul attollere corpus, aperire humum, su- 3 premo erga parentem officio fungi, advertere proximi,

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geschlagen hätten. In erbittertem Ton wandte er sich an die Prätorianer: „Wenn ihr nicht siegt, ihr Spießer, dann schaut nur, wo ihr einen anderen Feldherrn findet, ein anderes Lager, das eudi aufnimmt! Dort drüben sind eure Fahnen, eure Waffen zu holen, und wenn ihr nicht siegt, der Tod. D a s Maß eurer Schande ist ja voll." Laut erhob sich danach von allen Seiten der Schlachtruf, die Dreier aber begrüßten (syrischer Sitte entsprechend) die aufgehende Sonne. Darauf entstand da und dort, zufällig auftauchend, vielleicht auch absichtlich vom Führer aufgebracht, das Gerücht, Mucian sei angekommen, die Heere hätten sich gegenseitig schon begrüßt. Als seien sie durch frisch eingetroffene H i l f e verstärkt, rückten die Flavianer vor, während die Front der Vitellianer sich bereits lichtete, da hier, in Ermanglung eines Führers, die Leute je nach ihrem Angriffsgeist oder ihrer Furchtsamkeit sich zusammenscharten oder auseinanderzogen. Als Antonius den Erfolg des Druckes merkte, suchte er die Feinde durch seine zusammengeballten Scharen in Verwirrung zu bringen. Dabei lockerten sich die feindlichen Linien und rissen ab, ohne sich wiederherstellen zu lassen, da Fahrzeuge und Wurfmaschinen hindernd im Weg standen. Die Sieger verbreiteten sich in der Hitze der Verfolgung über den ganzen von der Heerstraße abgehenden Feldweg. D a s Blutbad, zu dem es kam, war insofern, besonders merkwürdig, als ein Sohn seinen eigenen Vater umbrachte. Den Tatbestand und die Namen überliefere ich im Anschluß an Vipstanus Messalla: Julius Mansuetus aus Spanien, der zur sogenannten Rapax-Legion gehörte, hatte einen minderjährigen Sohn daheim zurückgelassen. Dieser war später, als er das Alter dazu hatte, von Galba bei den Siebenern eingestellt worden. Wie ihm nun sein Vater zufällig in den Weg kam, streckte er ihn durch eine Verwundung nieder. Als er aber den Halbtoten untersuchte, erkannten sie sich gegenseitig, worauf der Sohn den sich verblutenden Vater umarmte und mit weinerlicher Stimme seinen hinscheidenden Geist bat, er möge sich versöhnen lassen und sich nicht von ihm wie von einem Vatermörder mit Grausen abwenden; seine Tat sei j a ganz unpersönlich; ein einzelner Soldat, was für ein geringfügiges Glied sei der im Bürgerkriegsgeschehen? Zugleich nahm er den Leichnam auf, hob Erde aus und erfüllte die letzte Pflicht gegenüber seinem Vater. Das bemerkten zuerst die Nächststehenden, dann noch mehr Leute, mit dem Ergebnis,

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deinde plures: hinc per omnem aciem miraculum et questus et saevissimi belli exsecratio. nec eo segnius propinque» adfinis fratres trucidant spoliant: factum esse scelus loquuntur faciuntque. ^ Ut Cremonam venere, novum immensumque opus 1 occurrit. Othoniano bello Germanicus miles moenibus Cremonensium castra sua, castris vallum circumiecerat eaque munimenta rursus auxerat. quorum adspectu haesere victores, incertis ducibus quid iuberent. incipere obpugnationem fesso per diem noctemque 2 exercitu arduum et nullo iuxta subsidio anceps: sin Bedriacum redirent, intolerandus tam longi itineris labor, et victoria ad inri tum revolvebatur: munire castra, id quoque propinquis hostibus formidolosum, ne dispersos et opus molientes subita eruptione turbarent. quae super cuncta terrebat ipsorum miles periculi quam 3 morae patientior: quippe ingrata quae tuta, ex temeritate spes; omnisque caedes et volnera et sanguis aviditate praedae pensabantur.

27 Hue inclinavit Antonius cingique vallum corona ius- 1 sit. primo sagittis saxisque eminus certabant, maiore Flavianorum pernicie, in quos tela desuper librabantur; mox vallum portasque legionibus adtribuit, ut discretus labor fortes ignavosque distingueret atque ipsa contentione decoris accenderentur. próxima Bedriacensi viae 2 tertiani septimanique sumpsere, dexteriora valli octava ac séptima Claudiana; tertiadecumanos ad Brixianam portam impetus tulit. paulum inde morae, dum ex pro-

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daß durch das ganze Heer ein Staunen ging, dann ein Wehklagen und ein Fluchen auf den so grausigen Krieg. Trotzdem fuhr man ebenso munter fort, Verwandte, Verschwägerte, Brüder zu erschlagen und auszuplündern; man sprach von dem geschehenen Frevel und frevelte weiter. Als die Flavianer in die Nähe Cremonas kamen, harrte ihrer eine neue, eine ungeheure Arbeit. Im Krieg gegen Otho hatte das aus Germanien gekommene Heer um Cremonas Mauern sein Lager aufgeschlagen, das Lager mit einem Wall umgeben und diese Bollwerke nochmals verstärkt. Bei ihrem Anblick stutzten die siegreichen Flavianer, zumal ihre Führer unschlüssig waren, welchen Befehl sie geben sollten. Die Belagerung zu beginnen mit einer Truppe, die vom Tag und von der Nacht her übermüdet war, erschien arg schwierig und beim völligen Mangel von Nachschub bedenklich. Eine etwaige Rückkehr nach Bedriacum wäre bei dem so weiten Marsch eine unerträgliche Anstrengung gewesen, hätte auch den Erfolg des Sieges in nichts zerrinnen lassen. Ein festes Lager zu schlagen, selbst das war bei der Nähe der Feinde besorgniserregend, konnten diese doch die zerstreuten und mit der Schanzarbeit beschäftigen Soldaten durch einen plötzlichen Ausfall überraschen. Mehr als das alles schreckte die Führer der Gedanke an das eigene Kriegsvolk, das lieber mit einer Gefahr als mit einem Aufschub einverstanden war; von Sicherheit wollte es nämlich nichts wissen, nur von Verwegenheit war etwas zu erhoffen. Alle Verluste, Wunden, Blutopfer wurden aufgewogen durch die Gier nach Beute. Dieser verwegenen Auffassung neigte auch Antonius zu und so befahl er denn, um den Wall einen Kreis zu schließen. Anfangs maß man sich im Fernkampf mit Pfeilen und Steinwürfen, zum größeren Nachteil der Flavianer, da die Geschosse von oben her auf sie geschleudert wurden. Danach wies Antonius den einzelnen Legionen eigene Plätze am Wall und an den Toren an, damit ihre besondere Leistung Tapfere und Feiglinge unterscheiden lasse, das wetteifernde Streben nach Auszeichnung sie anfeuere. Das der Straße nach Bedriacum zunächst gelegene Gelände nahmen die Dreier und Siebener ein; das Wallstück mehr zur Rechten die achte und die siebte, d. h. die claudianische Legion. Die Dreizehner führte ihre Kampfeslust an das nach Brixia zu liegende Tor. In der Folge gab es eine kleine Pause, da man zunächst von den Landgütern in der Nähe-

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ximis agris ligones dolabras et alii falces scalasque convectant: tum elatis super capita scutis densa testudine succedunt. Romanae utrimque artes: pondera saxorum 3 Vitelliani provolvunt, disiectam fluitantemque testudinem lancéis comisque scrutantur, donee soluta compage scutorum exsangues aut laceros prosternerent multam in stragem. incesserat cunctatio, ni duces fesso militi et velut inritas exhortationes abnuenti Cremonam m o n trassent. 28

Hormine id ingenium, ut Messalla tradit, an potior auctor sit C. Plinius, qui Antonium incusat, haud facile discreverim, nisi quod neque Antonius ñeque Hormus a fama vitaque sua quamvis pessimo flagitio degeneravere. non iam sanguis neque volnera morabantur, quin subruerent vallum quaterentque portas, innixi umeris et super iteratam testudinem scandentes prensarent hostium tela bradiiaque. integri cum sauciis, semineces cum exspirantibus volvuntur, varia pereuntium forma et omni imagine mortium. 29 Acerrimum tertiae septimaeque legionum certamen, 1 et dux Antonius cum delectis auxiliaribus eodem incubuerat. obstinatos inter se cum sustinere Vitelliani nequirent et superiacta tela testudine laberentur, ipsam postremo ballistam in subeuntes propulere, quae ut ad praesens disiecit obruitque quos inciderat, ita pinnas ac summa valli ruina sua traxit; simul iuneta turris ictibus saxorum cessit, qua septimani dum nituntur cunéis, tertianus securibus gladiisque portam perfregit. primum 2 inrupisse C. Volusium tertiae legionis militem inter

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Hacken und Brechäxte, ferner Sicheln und Leitern zusammenschleppte. Dann rückte man, die Schilde über den Kopf haltend, unter diditem Schilddach an. Auf beiden Seiten war römische Kriegskunst am Werk. So wälzten die Vitellianer Steinlasten herab, stocherten mit Lanzen und Piken in dem zum Klaffen gebrachten, schwankenden Schilddadi herum, bis sich das Gefüge der Schilde löste und man die ausgebluteten oder verstümmelten Gegner gleich zu einem Riesenhaufen hinstreckte. Es wäre zu einer Stockung im Kampf gekommen, wenn nidit die flavianischen Führer die ermatteten, jedes Wort der Ermunterung sozusagen als zwecklos ablehnenden Krieger vertröstend auf die Einnahme von Cremona hingewiesen hätten. Ob dies ein Einfall des Hormus war, wie Messalla berichtet, oder ob C. Plinius, der den Antonius dessen beschuldigt, der glaubwürdigere Gewährsmann ist, läßt sich m. E. nicht leicht entscheiden; nur soviel ist gewiß, daß Antonius genauso wie Hormus, mochte es audi noch so schandbar, noch so arg zugehen, dabei ihrem Ruf und Vorleben treu blieben. Im weiteren hielten weder Blut noch Wunden die Leute ab, den Wall zu untergraben, an den Toren zu rütteln, gegenseitig auf die Schultern gestützt und über das erneuerte Schilddach emporklimmend nach den Geschossen und den Armen der Feinde zu greifen. Unverletzte rollten zusammen mit Verwundeten, Halbtote zusammen mit Verscheidenden hinab; mannigfach war die Art, wie die Leute umkamen, überhaupt war in allen möglichen Gestalten der Tod zu schauen. Am heißesten tobte der Kampf bei der dritten und siebten flavianischen Legion; auch der Feldherr Antonius hatte sich mit auserlesener Hilfsmannschaft dahin geworfen. Als die Vitellianer den in gegenseitigem Wetteifer hartnäckig kämpfenden Feinden nicht mehr standhalten konnten und ihre aufs Schilddach der Gegner geschleuderten Geschosse einfach abglitten, da rollten sie sdiließlidi auf die Anstürmenden sogar ihre Wurfmaschine hinab; sie sprengte f ü r den Augenblick alle, auf die sie traf, auseinander und begrub sie unter sidi, riß jedoch auch die Zinnen und die Wallkrone mit in die Hefe. Zugleich gab auch der angrenzende Turm dem Beschuß mit Steintrümmern nach, und während sich hier die Siebener keilförmig vorarbeiteten, durchbrachen die Dreier, mit Beilen und Schwertern in der H a n d , das Tor. Als erster drang nach dem einstimmigen Zeugnis der Berichterstatter C. Volusius ein, ein

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omnes auctores constat, is in vallum egressus, deturbatis qui restiterant, conspicuus manu ac voce capta castra conclamavit; ceteri trepidis iam VItellianis seque e vallo praecipitantibus perrupere. completur caede quantum inter castra murosque vacui fuit. 30 Ac rursus nova laborum facies: ardua urbis moenia, : saxeae turres, ferrati portarum óbices, vibrans tela miles, frequens obstrictusque Vitellianis partibus Cremonensis populus, magna pars Italiae stato in eosdem dies mercatu congregata, quod defensoribus auxilium ob multitudinem, obpugnantibus incitamentum ob praedam erat, rapi ignes Antonius inferrique amoenissimis extra urbem 1 aedificiis iubet, si damno rerum suarum Cremonenses ad mutandam fidem traherentur. propinqua mûris tecta et altitudinem moenium egressa fortissimo quoque militum complet; illi trabibus tegulisque et facibus propugnatores deturbant.

31 Iam legiones in testudinem glomerabantur, et alii 1 tela saxaque incutiebant, cum languescere paulatim Vitellianorum animi, ut quis ordine anteibat, cedere fortunae, ne Cremona quoque excisa nulla ultra venia omnisque ira victoris non in volgus inops, sed in tribunos centurionesque, ubi pretium caedis erat, reverteretur. gregarius miles futuri socors et ignobilitate tutior , perstabat: vagi per vias, in domibus abditi, pacem ne tum quidem orabant, cum bellum posuissent. primores castrorum nomen atque imagines Vitellii amoliuntur; catenas Caecinae (nam etiam tunc vinctus erat) exsol-

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Soldat der dritten Legion. Dieser erkletterte den Wall, stieß alles, was sidi ihm entgegenstellte, hinab und verkündete, indem er sidi durch Handbewegungen und Rufe bemerkbar zu machen suchte, mit lauter Stimme, daß das Lager genommen sei. Da die Vitellianer bereits verängstigt waren und vom Wall hinabsprangen, gelang den übrigen der Durdibrudi. Der ganze freie Raum zwisdien Lager und Mauern füllte sidi mit Leidien. Danach sah man wieder ein neues Stück Arbeit vor sich: steile Stadtmauern, steinerne Turme, mit Eisen beschlagene Querriegel an den Toren, Geschosse schleudernde Soldaten, die zahlreiche, der vitellianisdien Partei ergebene Bevölkerung Cremonas, dazu einen beträchtlichen Teil der Bewohner Italiens, die sidi eingefunden hatten, weil auf diesen Tag Jahrmarkt festgesetzt war. Das war zwar für die Verteidiger eine zahlenmäßige Hilfe, für die Belagerer aber wegen der Aussichten auf Beute ein Ansporn zum Kampf. Antonius ließ eilends Feuerbrände holen und sie in die reizenden, am äußeren Stadtrand gelegenen Gebäude schleudern und schaute, ob vielleicht so die Cremonenser durch den Gedanken an den Verlust ihrer Habe zu einem Fahnenwechsel zu bestimmen wären. Die den Stadtmauern nahgelegenen, sie an Höhe überragenden Häuser stopfte er jeweils mit den tapfersten seiner Krieger voll, die unter Zuhilfenahme von Dachsparren, Dachziegeln und Fackeln die feindlichen Vorkämpfer aus ihrer Stellung warfen. Sdion ballten sidi die flavianisdien Legionen zusammen, ein Sdiilddadi zu bilden, schon hagelten von Seiten des sonstigen Kriegsvolkes die Gesdiosse und Steine, da erlahmte allmählich der Mut der Vitellianer. Je höher die einzelnen im Rang standen, um so eher ergaben sie sidi in ihr Schicksal, aus Furcht, es werde, wenn Cremona selber zerstört sei, von Gnade weiter keine Rede mehr sein und der ganze Zorn des Siegers sich nicht auf den armen Haufen der Gemeinen entladen, sondern auf die Tribunen und Centurionen, wo sidi das Totschlagen lohne. Die gemeinen Soldaten, die sich um die Zukunft nicht viel kümmerten und sidi in ihrer untergeordneten Stellung sicherer fühlten, hielten besser stand; sie durchstreiften die Straßen, -versteckten sich in den Häusern und baten selbst nach Aufgabe des Kampfes nicht um Frieden. Die Offiziere, d. h. die Leute, die im Lager etwas zu sagen hatten, ließen den Namen und die Bildnisse des Vitellius entfernen; sie lösten Cäcinas Ketten (er war nämlich noch in Haft) und baten ihn, als Fürsprecher für

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vunt orantque, ut causae suae deprecator adsistat. aspernantem tumentemque lacrimis fatigant, extremum malorum, tot fortissimi viri proditoris opem invocantes; mox velamenta et ínfulas pro mûris ostentant. cum 3 Antonius inhiberi tela iussisset, signa aquilasque extulere; maestum inermium agmen deiectis in terram oculis sequebatur. circumstiterant victores et primo ingerebant probra, intentabant ictus: mox, ut praeberi ora contumeliis et posita omni ferocia cuncta vieti patiebantur, subit recordatio illos esse, qui nuper Bedriaci victoriae temperassent. sed ubi Caecina praetexta lie- 4 toribusque insignis dimota turba consul incessit, exarsere victores: superbiam saevitiamque (adeo invisa scelera sunt), etiam perfidiam obiectabant. obstitit Antonius datisque defensoribus ad Vespasianum dimisit.

32 Plebs interim Cremonensium inter armatos conflicta- 1 batur; nec procul caede aberant, cum precibus ducum mitigatus est miles, et vocatos ad contionem Antonius adloquitur, magnifice victores, victos clementer, de Cremona in neutrum. exercitus praeter insitam praedandi cupidinem vetere odio ad excidium Cremonensium incubuit. iuvisse partes Vitellianas Othonis quoque bello 1 credebantur; mox tertiadecimanos ad exstruendum amphitheatrum relictos, ut sunt procacia urbanae plebis ingenia, petulantibus iurgiis inluserant. auxit invidiam editum illic a Caecina gladiatorum spectaculum eademque rursus belli sedes et praebiti in acie Vitellianis cibi, çaesae quaedam feminae studio partium ad proelium

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ihre Sadie einzutreten. Als er dies ablehnte und recht hochnäsig tat, bestürmten sie ihn mit Tränen; daß dabei so viele tapfere Männer die Hilfe eines Verräters erbaten, war das Ärgste, was man sich denken konnte. In der Folge ließ man oben auf den Mauern lucher und Stirnbinden sehen. Als Antonius den Befehl gab, das Schießen einzustellen, brachte man die Feldzeichen und Adler heraus; es folgte ihnen ein Trauerzug: unbewaffnete Leute mit zu Boden gesenktem Blick. Beiderseits standen die Sieger, die anfangs Schmähungen ausstießen, ja Prügel androhten; wie aber dann die Besiegten ihr Gesicht dem Hohn geduldig preisgaben und unter Aufgabe jeden Trotzes sich schier alles gefallen ließen, da kam den Siegern unwillkürlich die Erinnerung daran, daß das die Männer seien, die kürzlich bei Bedriacum ihren Sieg so gar nicht mißbraucht hätten. 'Wie aber nun Cäcina, mit purpurverbrämtem Gewand und Liktorenbegleitung prunkend, durch die sich unwillig öffnenden Scharen als Konsul daherschritt, da wallte es in den Herzen der Sieger heiß auf; sie warfen ihm seinen Hochmut, seine Grausamkeit, ja sogar (derart verhaßt sind Verbrechen) seine Treulosigkeit vor. Antonius trat dem entgegen, stellte Leute zu seiner Bedeckung ab und sandte ihn zu Vespasian. Inzwischen hatte die Bevölkerung Cremonas, in deren Umgebung es von Bewaffneten nur so wimmelte, nicht wenig zu leiden. Es fehlte nicht viel und es wäre zu Mord und Totschlag gekommen; da ließ sich zum Glück das Kr pis expeditum agmen incedere, signa aquilaeque victricium legionum, milites volneribus aut aetate graves, plerique etiam integri Veronae relieti: sufficere cohortes alaeque et e legionibus lecti profligato iam bello videbantur. undecima legio sese adiunxcrat, initio cunctata, * sed prosperis rebus anxia, quod defuisset; sex milia Dalmatarum, recens dilectus, comitabantur; ducebat Pompeius Silvanus consularis: vis consiliorum penes Annium Bassum legionis legatum. is Silvanum socordem bello et dies rerum verbis terentem specie obsequii rege-

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anzugreifen, um durch Absperrung des Getreidenachschubs bei den Feinden Mangel und Zwietracht hervorzurufen. 'Während so unter Wanken und Schwanken des ganzen Erdkreises der Machtwechsel vor sich ging, zeigte Primus Antonius seit dem Tag von Cremona gar nicht mehr die gleiche unsträfliche Haltung wie früher; vielleicht meinte er, es sei genug Krieg geführt, so daß sich alles weitere leicht geben werde; möglich audi, daß bei einem Mann von seiner Art das ihm widerfahrende Glück vorher verborgene Laster, wie Habsucht, Hochmut usw. an den Tag treten ließen. Er durchstreifte Italien, als sei es von ihm erobert, schmeichelte den Legionen, als ob sie ganz ihm gehörten, sprach und tat alles, was ihm den Weg zur Macht bahnen sollte; um dem Geist der Zuchtlosigkeit bei den Soldaten Eingang zu verschaffen, machte er den Legionen das Angebot, daß sie selber die Stellen der gefallenen Centurionen besetzen dürften. Durch eine solche Wahlart kamen die größten Unruhestifter an die Reihe; die Mannschaft befand sich jetzt nicht mehr in Abhängigkeit von den Heerführern, sondern diese im Schlepptau der gewalttätigen Soldateska. Dieses meuterische, auf Untergrabung der Manneszucht hinauslaufende Treiben beutete Antonius weiterhin für sich aus, ohne sich um das Herankommen Mucians zu kümmern. Gerade das aber sollte für ihn verderblicher werden, als wenn er sich über Vespasian hinweggesetzt hätte. Übrigens rückte, da der Winter nahte und die Felder durch den Po überschwemmt waren, das flavianische Heer ohne Train vor. Die Feldzeichen und Adler der siegreichen Legionen, die durch Wunden und Alter schwer mitgenommenen Soldaten und auch nicht wenige in frischer Kraft stehende Leute ließ man in Verona zurück. Die bundesgenössischen Kohorten und Schwadronen und die von den Legionen abgezweigten Abteilungen schienen weiterhin auszureichen, da ja der Krieg schon so gut wie erledigt sei. Die elfte Legion hatte sich nach ihrem früheren Zögern zuletzt angeschlossen; angesichts des glücklichen Verlaufs der Ereignisse aber beunruhigte es sie jetzt, daß sie lange abseits gestanden hatte. Es folgten ihr 6000 frisch ausgehobene Dalmatier; die Führung hatte der Konsular Pompeius Silvanus; die eigentliche Entscheidung bei den Entschlüssen lag freilich in den Händen des Legionslegaten Annius Bassus. Dieser wußte den in der Kriegführung lässigen, die Zeit des H a n delns verredenden Silvanus zu lenken und dabei doch den

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bat et ad omnia, quae agenda forent, quieta cum industria aderat. ad has copias e classicis Ravennatibus legio- 3 nariam militiam poscentibus optumus quisque adsciti: classem Dalmatae supplevere. exercitus ducesque ad Fanum Fortunae iter sistunt, de summa rerum cunctantes, quod motas ex urbe praetorias cohortes audierant et teneri praesidiis Apenninum rebantur; et ipsos in regione bello adtrita inopia et seditiosae militum voces terrebant, clavarium (donativi nomen est) flagitantium. nec pecuniam aut frumentum providerant, et festinatio atque aviditas praepediebant, dum, quae accipi poterant, rapiuntur.

51 Celeberrimos auctores habeo, tantam victoribus ad- 1 versus fas nefasque inreverentiam fuisse, ut gregarius eques occisum a se próxima acie fratrem professus praemium a ducibus petierit. nec illis aut honorare eam caedem ius hominum aut ulcisci ratio belli permittebat. distulerant tamquam maiora meritum, quam quae statim exsolveren tur; nec quidquam ultra traditur. cete- 1 rum et prioribus civium bellis par scelus inciderat. nam proelio, quo apud Ianiculum adversus Cinnam pugnatum est, Pompeianus miles fratrem suum, dein cognito facinore se ipsum interfecit, ut Sisenna memorat: tanto acrior apud maiores, sicut virtutibus gloria, ita flagitiis paenitentia fuit, sed haec aliaque ex vetere memoria petita, quotiens res locusque exempla recti aut solacia mali poscet, haud absurde memorabimus.

52 Antonio ducibusque partium praemitti équités om- « nemque Umbriam explorari placuit, si qua Apennini

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Schein der Unterordnung zu wahren; bei allem, was immer es zu tun gab, war er in unauffälliger Geschäftigkeit zugegen. Den genannten Truppen wurden aus der Zahl der Seesoldaten von Ravenna, soweit diese in den Legionen dienen wollten, die tüchtigsten Leute einverleibt, während man die Flotte mit Dalmatiern auffüllte. Heer und Heerführung machten bei Fanum Fortunae halt; sie waren sich nämlich über die Gesamtlage noch im Unklaren, nachdem sie vom Abmarsch der prätorischen Kohorten aus Rom etwas vernommen hatten und der Apennin nach allgemeiner Ansicht von Militär besetzt war. Dazu beunruhigte die Führer der Mangel an Lebensmitteln in der durch den Krieg ausgesogenen Gegend, audi das meuterische Reden der Soldaten, die „Sdiuhnagelgeld" (das war der Name für ein Geldgeschenk) verlangten. Audi für Löhnung und Proviant war nicht gesorgt; überdies mußten die Übereilung und die Habgier der Leute zu Verwicklungen führen, da man einfach raubte, was man friedlich hätte bekommen können. Ich habe die namhaftesten Gewährsmänner dafür, daß bei den Siegern die Gleichgültigkeit gegen göttliche Gebote und Verbote sehr groß war. So erklärte ein gemeiner Reiter offen, er habe im letztvergangenen Treffen seinen Bruder erschlagen und habe von der Führung sogar einen Lohn dafür verlangt. Diese aber durften nadi dem bei den Menschen geltenden Recht für eine solche Bluttat keine Auszeichnung gewähren, nadi den im Krieg geltenden Anschauungen sie freilich audi nicht ahnden. Daher vertrösteten sie zunächst den Mann mit dem Vorwand, er habe mehr verdient, als daß es ihm gleich vergolten werden könne. Weitere Berichte darüber fehlen leider. Übrigens war auch in den früheren Bürgerkriegen ein gleicher Frevel vorgekommen. In der Schlacht gegen Cinna am Janiculum tötete, wie Sisenna erwähnt, ein Soldat aus dem Heer des Pompeius seinen eigenen Bruder, als er ec aber gemerkt hatte, audi sich selbst: soviel lebendiger war zur Zeit unserer Vorfahren das Gefühl für Ehre und ebenso für Reue, je nadidem treffliche oder frevelhafte Taten vorlagen. Solche und andere Züge aus alter Zeit zu erwähnen, jedesmal, wenn die Umstände ein edles Beispiel oder Trostgründe bei schlimmem Tun erheischen, ist wohl nicht unangebracht. Antonius und die anderen Feldherrn der flavianisdien Partei beschlossen, die Reiterei vorauszusdiidcen und in ganz Umbrien nachforschen zu lassen, ob sich nicht irgendwo ein be-

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iuga clementius adirentur; adciri aquilas signaque et quidquid Veronae militum foret, Padumque et mare commeatibus compleri. erant inter duces, qui necterent moras: quippe nimius iam Antonius, et certiora ex Muciano sperabantur. namque Mucianus tam celeri vie- ¡ toria anxius, et ni praesens urbe potiretur, expertem se belli gloriaeque ratus, ad Primum et Varum media scriptitabat, instandum coeptis aut rursus cunctandi utilitates disserens atque ita compositus, ut ex eventu rerum adversa abnueret vel prospera adgnosceret. Pio- 3 tium Grypum, nuper a Vespasiano in senatorium ordinem adscitum ac legioni praepositum, ceterosque sibi fidos apertius monuit, hique omnes de festinatione Primi ac Vari sinistre et Muciano volentia rescripsere. quibus epistulis Vespasiano missis effecerat, ut non pro spe Antonii Consilia factaque eius aestimarentur.

53 Aegre id pati Antonius et eulpam in Mucianum con- ι ferre, cuius criminationibus eviluissent pericula sua; nec sermonibus temperabat, immodicus lingua et obsequii insolens. litteras ad Vespasianum composuit iactantius quam ad principem nec sine occulta in Mucianum insectatione: se Pannonicas legiones in arma egisse, suis stimulis excitos Moesiae duces, sua constantia perruptas Alpes, occupatam Italiam, intersaepta Germanorum Raetorumque auxilia, quod discordes dispersasque Vitellii 2 legiones equestri procella, mox peditum vi per diem

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quemerer Anstieg zu den Höhen des Apennins finde; Adler und Feldzeichen und die ganze in Verona liegende Wehrmacht sollten herbeigezogen, der Po und das Meer reichlich mit Provianttransporten versehen werden. Einige der Führer maditen allerhand Umstände, da ihnen Antonius bereits zu mächtig erschien und sie außerdem unter Mucian sicherer etwas für sich erwarten konnten. Dieser war nämlich über den dermaßen schnellen Sieg beunruhigt und glaubte, er werde, wenn er sich nidit persönlich der Hauptstadt bemächtige, künftig von der Kriegführung ausgeschlossen sein und um allen Kriegsruhm kommen; daher waren seine wiederholten Schreiben an Primus und Varus zweideutig gehalten, indem er bald die Notwendigkeit, in ihren Unternehmungen energisdi vorzugehen, bald wieder den vielfachen Nutzen eines zögernden Verhaltens betonte, und zwar in so berechnenden Wendungen, daß er, je nach dem Ausgang der Sache, die Schuld am Mißerfolg abstreiten oder das Gelingen der Sache als sein Verdienst ansehen konnte. Gegenüber Plotius Grypus, den Vespasian kürzlich in den Senatorenstand aufgenommen und an die Spitze einer Legion gestellt hatte, ebenso gegenüber den sonstigen ihm treuergebenen Anhängern, ging Mucian in Ermahnungen und Warnungen mit der Sprache offener heraus. Sie alle äußerten sich in ihren Antwortschreiben ungünstig über die Hast des Primus und des Varus, d. h. so, wie es eben dem Mucian paßte. Durch Obersendung dieser Briefe an Vespasian erreichte er es, daß die Pläne und Taten des Antonius nidit so gewürdigt wurden, wie dieser es erwartete. Antonius war darüber ungehalten und schob die Schuld dem Mucian zu, durdi dessen Verdächtigungen sein wagemutiges Vorgehen schwer herabgesetzt worden sei. Unbeherrscht im Reden, wie er war, und ungewohnt, irgendwie nachzugeben, hielt er mit seinen Ausdrücken nicht zurück. Er verfaßte ein Schreiben an Vespasian, ruhmrediger, als man es an einen Fürsten richten darf, überdies gespickt mit geheimen Ausfällen gegen Mucian: Er, Antonius, habe die pannonischen Legionen unter die Waffen gebracht, von ihm angespornt seien in Mösien die Feldherren in Schwung gekommen, seinem festen Aushalten seien der Durchbruch durch das Alpengebiet, die Besetzung Italiens, die Absperrung der germanischen und rätischen Hilfsvölker zu verdanken. Daß er die in ihrer Uneinigkeit sich zerstreuenden Legionen des Vitellius erst durch einen stürmischen Reiterangriff, dann, Tag und Nacht hindurch im Kampf, mit

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noctemque fudisset, id pulcherrimum et sui operis. casum Cremonae bello imputandum: maiore damno, plurium urbium excidiis veteres civium discordias rei publicae stetisse. non se nuntiis ñeque epistulis, sed manu et 3 armis imperatori suo militare, ñeque ofíicere gloriae eorum, qui Moesiam interim composuerint: illis provinciae pacem, sibi salutem securitatemque Italiae cordi fuisse; suis exhortationibus Gallias Hispaniasque, validissimam terrarum partem, ad Vespasianum conversas, sed cecidisse in inritum labores, si praemia periculorum soli adsequantur qui periculis non adfuerint. nec fefellere ea Mucianum; inde graves simultates, quas Antonius simplicius, Mucianus callide eoque implacabilius nutriebat.

54 A t Vitellius fractis apud Cremonam rebus nuntios 1 cladis occultans stulta dissimulatione remedia potius malorum quam mala differebat. quippe confitenti consultantique supererant spes viresque: cum e contrario laeta omnia fingeret, falsis ingravescebat. mirum apud ipsum de bello silentium; prohibid per civitatem sermones, eoque plures ac, si liceret, vere narraturi, quia vetabantur, atrociora vulgaverant. nec duces hostium 2 augendae famae deerant, captos Vitellii exploratores circumductosque, ut robora victoris exercitus noscerent, remittendo; quos omnis Vitellius secreto percunctatus interfici iussit. notabili constantia centurio Iulius Agrestis post multos sermones, quibus Vitellium ad vir-

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der Kraft seines Fußvolkes zusammengehauen habe, sei seine schönste Tat und ganz sein "Werk. Der Untergang Cremonas gehe zu Lasten des Kriegsgeschehens; ärgere Verluste, die Vernichtung von noch mehr Städten hätten dem Staat die Bürgerkriege früherer Zeit gekostet. Nicht mit der Absendung von Kundschaften und Briefen, sondern mit den Waffen in der H a n d tue er für seinen Imperator Kriegsdienst und verzichte darauf, dem Ruhm anderer entgegenzutreten, die in der Zwischenzeit Mösien in Ordnung gebracht hätten. Diesen Männern habe der Friede der Provinz, ihm das Heil und die Sicherheit Italiens am Herzen gelegen, auf sein Zureden hin hätten sich ganz Gallien und Spanien, der kraftstrotzendste Teil des Reiches, Vespasian zugewandt. Rein umsonst sei freilich all seine einstige Mühe, wenn den Lohn für die bestandenen Gefahren einzig und allein Leute bekämen, die bei den Gefahren gar nicht dabei gewesen seien. Diese Äußerungen blieben Mucian nicht verborgen; daraus ergab sich ein schwerer Groll, den Antonius ziemlich unumwunden zeigte, während Mucian ihn mit schlauer Berechnung und daher um so unversöhnlicher hegte. Auf der Gegenseite suchte Vitellius nach dem Schlag von Cremona die Nachrichten über die Niederlage zu verheimlichen, in einem törichten Totschweigen, das mehr die Vorkehrungen gegen das Unglück verschob als das Unglück selbst. Hätte er nämlich kein Hehl aus der Sache gemacht und es sich überlegt an guten Aussichten und Streitkräften hätte es nicht gefehlt; da er aber im Gegenteil so tat, als stünde alles erfreulich, wurde es durch dieses falsche Spiel immer schlimmer mit ihm. Merkwürdigerweise fiel in seiner persönlichen Umgebung nie ein Wort über den Krieg; in der ganzen Stadt waren derartige Gespräche verboten, mit dem Erfolg, daß um so mehr Leute, und zwar solche, die bei Redefreiheit die Wahrheit erzählt hätten, wegen des Redeverbotes mit noch schrecklicheren Meldungen hausieren gingen. Auch die Führer auf der Feindseite taten alles, um besondere Gerüchte zu verbreiten; sie ließen die aufgefangenen Kundschafter des Vitellius eigens herumführen, damit sie die Kraftreserven des siegreichen Heeres sähen, und schickten sie danach zurück. Vitellius ließ alle diese Leute heimlich ausfragen und dann hinrichten. Eine auffallende Entschlossenheit zeigte der Centurio Julius Agrestis: nach mehrfachen Gesprächen mit Vitellius, in denen er ihn, freilich ver-

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tutem frustra accendebat, perpulit, ut ad vires hostium spectandas quaeque apud Cremonam acta forent ipse mitteretur. nec exploratione occulta fallere Antonium temptavic, sed mandata imperatoris suumque animum professus, ut cuneta viseret postulat, missi qui locum proelii, Cremonae vestigia, captas legiones ostenderent. Agrestis ad Vitellium remeavit abnuentique vera esse, 3 quae adferret, atque ultro corruptum arguenti 'quando quidem' inquit 'magno documento opus est, nec alius iam tibi aut vitae aut mortis meae usus, dabo cui credas.' atque ita digressus voluntaria morte dicta firmavit. quidam iussu Vitellii interfectum, de fide constantiaque eadem tradidere.

55 Vitellius ut e somno excitus Iulium Priscum et Alfe- ι num Varum cum quattuordecim praetoriis cohortibus et omnibus equrtum alis obsidere Apenninum iubet; secuta e classicis legio. tot milia armatorum, lecta equis virisque, si dux alius foret, inferendo quoque bello satis pollebant. ceterae cohortes ad tuendam urbem L. Vîtel- 2 lio fratri datae: ipse nihil e solito luxu remittens et diffidenza properus festinare comitia, quibus cónsules in multos annos destinabat; foedera sociis, Latium externis dilargiri; his tributa remittere, alios immunitatibus iuvare; denique nulla in posterum cura lacerare imperium. sed volgus ad magnitudinem beneficiorum 3 hiabat: stultissimus quisque pecuniis mercabatur; apud sapientes cassa habebantur, quae ñeque dari ñeque accipi

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geblidi, zu mannhaftem Tun anzufeuern suchte, setzte er es durch, daß er selbst abgesandt wurde, um die feindlichen Streitkräfte zu besichtigen und sich über die früheren Vorgänge bei Cremona zu erkundigen. Agrestis legte es nicht darauf an, einen heimlichen Kundschaftergang zu madien und von Antonius unbemerkt zu bleiben, er bekannte sich vielmehr ganz offen zu dem Auftrag des Imperators und zu seiner persönlidien Absicht mit der dringenden Bitte, alles sehen zu dürfen. Daher wurden Leute abgeordnet, die ihm den Kampfplatz, die Ruinen Cremonas, die gefangenen Legionen zu zeigen hatten. Hierauf kehrte er zu Vitellius zurück; als dieser die Wahrheit seiner Angaben bestritt, ihn obendrein als Opfer einer Bestechung hinstellte, sagte Agrestis: „"Weil denn ein zwingender Beweis nötig ist und weil ich dir mit meinem Leben oder Tod anders nicht mehr nützen kann, so will ich dir einen Beweis geben, dem du glauben wirst.* Und er ging hinweg, um seine Worte durch einen freiwilligen Tod zu besiegeln. Wie einige berichten, soll er auf des Vitellius Befehl umgebracht worden sein; über seine Treue und Entsdilossenheit herrscht jedenfalls ein einmütiges Urteil. Als sei er eben erst aus dem Schlaf aufgeschreckt, befahl Vitellius dem Julius Priscus und dem Alfenus Varus, mit vierzehn prätorianischen Kohorten und allen Schwadronen den Apennin zu besetzen; die aus den Marinesoldaten gebildete Legion schloß sich dem Zug an. Soviel tausend Bewaffnete, eine solche Auslese von Mann und Roß wären - eine andere Führung vorausgesetzt - auch für einen Angriffskrieg stark genug gewesen. Die übrigen Kohorten überließ er seinem Bruder L. Vitellius zum Schutz der Hauptstadt. Der Kaiser selbst, der das gewohnte Schlemmerleben beibehielt und nur aus Mangel an Zuversicht geschäftig wurde, beschleunigte die Wahlgeschäfte, bei denen er die Konsuln gleich auf eine Reihe von Jahren vorausbestimmte; gegenüber den Bundesgenossen war er freigebig mit Verträgen, gegenüber Ausländern mit der Gewährung des latinischen Rechtes; hier erließ er Tribute, dort half er durch Freibriefe, kurz, er verschleuderte ohne jeden Gedanken an die Zukunft die Regierungsrechte. Die Menge aber schnappte gierig nach den großen Gnadenerweisungen; Erztoren erkauften sie jeweils um Geld, während die Gesdieiteren sie als null und nichtig ansahen, als etwas, das man ohne Nachteil für das Gemeinwesen weder herschenken nodi emp-

328 salva re publica qui Mevaniam quorum multos in castra venit, noxius.

Lib. III JS-J7 poterant. tandem insederat, magno ambinone, plures incertus animi et

flagitante exercitu, senatorum agmine, formidine trahebat, infidis consiliis ob-

56 Contionanti - prodigiosum dictu - tantum foeda- ι rum volucrum supervolitavit, ut nube atra diem obtenderent. accessit dirum omen, profugus altaribus taurus disiecto sacrificii apparatu, longe, nec ut feriri hostias mos est, confossus. sed praecipuum ipse Vitellius osten- ι tum erat, ignarus militiae, improvidus consilii, quis ordo agminis, quae cura explorandi, quantus urgendo trahendove bello modus, alios rogitans et ad omnis nuntios voltu quoque et incessu trepidus, dein temulentus. postremo taedio castrorum et audita defectione Misenensis classis Romam revertit, recentissimum quodque volnus pavens, summi discriminis incuriosus. nam 3 cum transgredí Apenninum integro exercitus sui robore et fessos hieme atque inopia hostes adgredi in aperto foret, dum dispergit vires, acerrimum militem et usque in extrema obstinatum trucidandum capiendumque tradidit, peritissimis centurionum dissentientibus et, si consulerentur, vera dicturis. arcuere eos intimi amicorum Vitellii, ita formatis principis auribus, ut aspere quae utilia, nec quidquam nisi iucundum et laesurum acciperet.

57 Sed classem Misenensem (tantum civilibus discordiis 1 etiam singulorum audacia valet) Claudius Faventinus centurio per ignominiam a Galba dimissus ad defecti-

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fangen konnte. Schließlich kam Vitellius auf Verlangen des Heeres, das Mevania besetzt hatte, mit einem großen Schwärm von Senatoren, von denen er viele infolge ihrer Liebedienerei, eine größere Menge noch infolge ihrer Furcht ohne weiteres hinter sich herzog, ins Lager; er selbst war noch unschlüssig, ganz von treulosen Ratschlägen abhängig. Während er dort vor dem Heere sprach, flogen - es hört sich wie ein Wunder an - Unglücksvögel in solcher Menge über ihn hinweg, daß sie gleich einer schwarzen Wolke das Tageslicht verhüllten. Ein grausiges Vorzeichen kam hinzu: Ein vom Altar flüchtender Stier warf das ganze Opfergerät über den Haufen und wurde im Widerspruch mit dem bei der Schlachtung von Opfertieren üblichen Brauch erst in größerer Entfernung niedergestochen. Hauptwunder war freilich Vitellius selbst, ein militärischer Nichtskönner, ohne jeden Vorausblick in seinen Planungen, ein Mann, der immer wieder andere danach fragen mußte, wie der Heereszug zu ordnen, der Kundschafterdienst zu gestalten sei, welche einschneidenden Mittel es gebe, den Krieg zu beschleunigen oder hinzuziehen, ein Mann, der bei jeder Meldung auch in Miene und Gang seine ängstliche Unruhe verriet, und dazu noch gar ein Trunkenbold. Des Lagerlebens überdrüssig, kehrte er schließlich auf die Nachricht vom Abfall der misenischen Flotte nach Rom zurück, voll Zittern und Zagen bei jedem bevorstehenden Schlag, unbekümmert um den Augenblick der letzten Entscheidung. Obwohl es ihm nämlich freigestanden hätte, mit den noch unverbrauchten Kerntruppen seines Heeres den Apennin zu überschreiten und die vom Winter und der Entbehrung mitgenommenen Feinde anzugreifen, zersplitterte er seine Streitkräfte und gab so seine tapferen, zum Äußersten entschlossenen Leute der Niedermetzelung und Gefangennahme preis. Die erfahrensten der Centurionen waren daher mit ihm durchaus nicht einverstanden und hätten ihm, wären sie befragt worden, den richtigen Bescheid gegeben. Die vertrautesten unter den Freunden des Vitellius verwehrten ihnen den Zutritt bei ihm, zumal das Ohr des Fürsten so beschaffen war, daß er Berichte, die von Nutzen gewesen wären, ungnädig anhörte und nichts als erfreuliche Nachrichten hören wollte, mochten diese nodi so unheilschwanger sein. Die Flotte von Misenum brachte (soviel vermag in Bürgerkriegen die Kühnheit auch eines einzelnen Mannes) der seinerzeit von Galba mit Schimpf entlassene Centuno Claudius Fa-

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onem traxit, fictis Vespasiani epistulis pretium prodicionis ostentans. praeerat classi Claudius Apollinaris, ñeque fidei constans neque strenuus in perfidia; et Apinius Tiro praetura functus ac tum forte Minturnis agens ducem se defectoribus obtulit. a quibus municipia coloniaeque impulsae, praecipuo Puteolanorum in Vespasianum studio, contra Capua Vitellio fida, municipalem aemulationem bellis civilibus miscebant. Vitellius Clau- 2 dium Iulianum (is nuper classem Misenensem molli imperio rexerat) permulcendis militum animis delegit; data in auxilium urbana cohors et gladiatores, quibus Iulianus praeerat. ut conlata utrimque castra, haud magna cunctatione Iuliano in partes Vespasiani transgresso, Tarracinam occupavere, moenibus situque magis quam ipsorum ingenio tutam.

58 Quae ubi Vitellio cognita, parte copiarum Narniae 1 cum praefectis praetorii relicta L. Vitellium fratrem cum sex cohortibus et quingentis equitibus ingruenti per Campaniam bello opposuit. ipse aeger animi studiis militum et clamoribus populi arma poscentis refovebatur, dum volgus ignavum et nihil ultra verba ausurum falsa specie exercitum et legiones appellat. hortan- 1 tibus libertis (nam amicorum eius quanto quis clarior, minus fidus) vocari tribus iubet, dantes nomina sacramento adigit. superfluente multitudine curam dilectus in cónsules partitur; servorum numerum et pondus argenti senatoribus indicit. équités Romani obtulere operam pecuniasque, etiam libertinis idem munus ultro flagitantibus. ea simulatio officii a metu profecta verte-

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ventinus zum Abfall, indem er ihr durch angeblich von Vespasian stammende Briefe eine Belohnung für den Verrat in Aussicht stellte. Flottenkommandant war Claudius Apollinaris, dem es in der Treue an Ausdauer, in der Treulosigkeit an Entschlußkraft fehlte. So bot sich denn der gewesene Prätor Apinius Tiro, der sich damals gerade in Minturnae aufhielt, den Abtrünnigen als Führer an. Von diesen Männern beeinflußt, trugen die Land- und Kolonialstädte, die Puteolaner aus besonderer Parteinahme für Vespasian, Capua dagegen aus Anhänglichkeit an Vitellius, ihre kleinstädtischen Eifersüchteleien in die Bürgerkriegskämpfe hinein. Vitellius ersah den Claudius Julianus, der erst vor kurzem die misenisdie Flotte befehligt und dabei ein mildes Regiment geführt hatte, dazu aus, der Mannschaft gut zuzureden. Zur Unterstützung erhielt er eine Stadtkohorte, außerdem Gladiatoren, deren Befehlshaber Julianus selbst war. Als nach dem ohne langes Zögern erfolgten Ubertritt Julians zur Partei Vespasians ihre beiden Lager zusammengerückt waren, besetzte man Tarracina, das durch seine Mauern und seine Lage besser gesichert war als durch den Geist der Besatzung. Auf die Kunde davon ließ Vitellius einen Teil seiner Truppen mit den Präfekten der Prätorianer in Narnia zurück und stellte seinen Bruder L. Vitellius mit sechs Kohorten und 500 Reitern der auf dem Weg durch Kampanien herandrängenden Kriegsgefahr entgegen. Er selbst wurde aus der Verdrossenheit, in der er sich befand, durch die ihm wohltuenden Sympathiekundgebungen der Soldaten und die Zurufe des nach Waffen verlangenden Volkes herausgerissen und in eine Stimmung versetzt, in der er die feige, voraussichtlich nichts weiter als große Worte wagende Menge auf trügerischen Schein hin als „Heer" und „Legionen" bezeichnete. Auf Anraten seiner Freigelassenen (aus der Zahl seiner Freunde waren nämlich die angesehensten am wenigsten treu) befahl er die Tribus zusammenzurufen, um die sich namentlich meldenden Leute zu vereidigen. Da die Leute in Massen herbeiströmten, verteilte er die Aushebungsgeschäfte unter die Konsuln; den Senatoren legte er die Abstellung einer Zahl von Sklaven und die Abgabe eines bestimmten Gewichtes an Silbergeschirr auf. Die römischen Ritter boten ihm ihre persönlichen Dienste und Geld an, auch die Freigelassenen wünschten freiwillig die gleichen Leistungen auf sich zu nehmen. Es handelte sich dabei ursprünglich um einen aus Furcht entsprun-

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rat in favorem; ac plerique haud proinde Vitellium quam casum locumque principatus miserabantur. nec 3 deerat ipse vultu voce lacrimis misericordiam elicere, largus promissis et, quae natura trepidantium est, immodicus. quin et Caesarem se dici voluit, aspernatus antea, sed tunc superstitione nominis, et quia in metu Consilia prudentium et volgi rumor iuxta audiuntur. ceterum ut omnia inconsulti impetus coepta initiis 4 valida spatio languescunt, dilabi paulatim senatores equitesque, primo cunctanter et ubi ipse non aderat, mox contemptim et sine discrimine, donee Vitellius pudore inriti conatus quae non dabantur remisit.

59 Ut terrorem Italiae possessa Mevania ac velut rena- 1 tum ex integro bellum intulerat, ita haud dubium erga Flavianas partes Studium tam pavidus Vitellii discessus addidit. erectus Samnis Paelignusque et Marsi aemulatione, quod Campania praevenisset, ut in novo obsequio ad cuncta belli munia acres erant. sed foeda hieme per 2 transitum Apennini conflictatus exercitus, et vix quieto agmine nives eluctantibus patuit, quantum discriminis adeundum foret, ni Vitellium retro fortuna vertisset, quae Flavianis ducibus non minus saepe quam ratio adfuit. obvium illic Petilium Cerialem habuere, agresti cultu et notitia locorum custodias Vitellii elapsum. propinqua adfinitas Ceriali cum Vespasiano, nec ipse inglorius militiae, eoque inter duces adsumptus est. Flavio 3 quoque Sabino ac Domitiano patuisse effugium multi

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genen, erheuchelten Diensteifer, der sich aber in einen Akt wirklicher Anhänglichkeit verwandelt hatte; vielfach fühlte man nicht so sehr mit Vitellius wie vielmehr mit der unglücklichen Lage der höchsten Gewalt Erbarmen. Er selbst tat das Seine, durdi Miene, Stimme und Tränen Mitleid zu erregen, war freigebig mit Versprechungen, hielt sich nach Art ängstlicher Naturen darin an kein Maß. J a , er wollte jetzt sogar » C ä s a r * genannt werden, was er früher abgelehnt hatte, augenblicklich aber wünschte er es aus abergläubischem Vertrauen auf den Titel, auch deshalb, weil man in der Furcht dem R a t kluger Leute, ebenso der Volksstimme Gehör zu schenken pflegt. Wie übrigens alle von schwungvollem, aber unüberlegtem Eifer getragenen Unternehmungen nach anfänglich kräftigem Einsatz mit der Zeit erschlaffen, so verliefen sich allmählich die Senatoren und Ritter, erst zögernd und in Augenblicken, wo Vitellius nicht selbst zugegen war, später unter verächtlichen Äußerungen und ohne jede Rücksichtnahme, bis schließlich der Herrscher sich des verfehlten Beginnens schämte und auf das verzichtete, was man nicht hergeben wollte. Wie die Besetzung Mevanias und der gleichsam wieder neu auflebende Krieg Italien in Schrecken versetzt hatte, so vermehrte der furchtsame Abzug des Vitellius unzweifelhaft die Neigung für die flavianisdie Partei. Aufgeregt durch die Eifersucht darüber, daß ihnen Kampanien zuvorgekommen sei, zeigten sich die Samniten, Päligner und Marser, die sich ja neu hatten verpflichten lassen, voll Eifer für alle Kriegsaufgaben. Infolge des scheußlichen Winterwetters hatte das flavianische Heer beim Übergang über den Apennin schwer zu leiden; da man sich überdies, ohne daß der Heereszug von Feinden behelligt war, kaum aus den Schneemassen herausarbeiten konnte, war es den Leuten klar, in welche Gefahr man hätte kommen müssen, wenn nicht das Glück, das ja den flavianisdien Führern ebensooft half wie ihre Überlegung, den Vitellius zur Umkehr bestimmt hätte. Auf dem Weg trafen die Flavianer dort den Petilius Cerialis, der in bäuerlicher Tracht und durch seine Ortskenntnis den Wachposten des Vitellius entschlüpft war. Cerialis stand in naher verwandschaftlicher Beziehung zu Vespasian, besaß auch persönlich einen ansehnlichen Kriegsruhm, der seine Aufnahme unter die Zahl der Führer bewirkte. Mehrfacher Uberlieferung zufolge hatte es audi für Flavius Sabinus und Domitian einen Weg zur Flucht gegeben; tatsächlich kamen

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tradidere, et missi ab Antonio nuntii per varias fallendi artes penetrabant, locum ac praesidium monstrantes. Sabinus inhabilem labori et audaciae valetudinem causaba tur: Domitiano aderat animus, sed custodes a Vïtellio additi, quamquam se socios fugae promitterent, tamquam insidiantes timebantur. atque ipse Vitellius respectu suarum necessitudinum nihil in Domitianum atrox parabat. gQ Duces partium ut Carsulas venere, paucos ad requiem ι dies sumunt, donec aquilae signaque legionum adsequerentur. et locus ipse castrorum placebat, late prospectans, tuto copiarum adgestu, florentissimis pone tergum municipiis; simul conloquia cum Vitellianis decern milium spatio distantibus et proditio sperabatur. aegre id pati miles et victoriam malle quam pacem; ne suas quidem legiones opperiebantur, ut praedae quam periculorum socias. vocatos ad contionem Antonius 2 docuit esse adhuc Vitellio vires, ambiguas, si deliberarent, acres, si desperassent. initia bellorum civilium fortunae permittenda: victoriam consiliis et ratione perfici. iam Misenensem classem et puldierrimam Campaniae oram descivisse, nec plus e toto terrarum orbe reliquum Vitellio quam quod inter Tarracinam Narniamque iaceat. satis gloriae proelio Cremonensi partum et 3 exitio Cremonae nimium invidiae: ne concupiscerent Romam capere potius quam servare, maiora illis praemia et multo maximum decus, si incolumitatem senatui populoque Romano sine sanguine quaesissent. his ac talibus mitigati animi.

61 Nec multo post legiones venere, et terrore famaque 1 aucti exercitus Vitellianae cohortes nutabant, nullo in

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unter allerhand Täuschungsmanövern die von Antonius abgeschickten Boten glücklich bis zu ihnen und wiesen auf Weg und Steg und Hilfsmittel hin. Sabinus schützte seinen für Strapazen und für ein Wagnis untauglichen Gesundheitszustand vor; Domitian besaß wohl Lust, dodi hatte ihn Vitellius mit Wichtern umgeben, von denen er trotz ihres Versprechens, die Flucht mitzumachen, Anschläge befürchten zu müssen glaubte. Was Vitellius selber betraf, so hatte er, mit Rücksicht auf seine eigenen Angehörigen, gegen Domitian nichts Schlimmes im Sinn. Nach ihrer Ankunft in Carsulae gönnten sich die Heerführer der flavianisdien Partei einige Tage Ruhe, bis die Adler und Feldzeichen der Legionen nachkämen. Es sagte ihnen auch der dortige Lagerplatz zu, weil er einen weiten Ausbilde bot, die Lebensmittelzufuhr gesichert war und blühende Landstädte im Rücken lagen. Zugleich hoffte man auf Besprechungen mit den nur zehn Meilen entfernten Vitellianern und ihren Verrat. Der Mannschaft freilich paßte die Sache nicht recht; sie war mehr f ü r einen Sieg als f ü r Friedensabmachungen. Nicht einmal auf die Ankunft der eigenen Legionen wollte man warten, als würden diese die Beute und nicht die Gefahren mit ihnen teilen. In einer von ihm einberufenen Heeresversammlung legte Antonius den Leuten dar, wie dem Vitellius nodi Streitkräfte zur Verfügung stünden, die, solange die Entscheidung in ihrer Hand liege, geteilten Sinnes, bei Eintritt einer verzweifelten Lage Feuer und Flamme seien. Die Entstehung der Bürgerkriege müsse man dem Schicksal anheimstellen, der Sieg ergebe sidi aus wohlberedineten Überlegungen. Schon sei die misenische Flotte und das wunderschöne kampanische Küstengebiet zu ihnen abgefallen, und vom ganzen Erdkreis bleibe für Vitellius nur mehr der zwischen Tarracina und Narnia liegende Raum übrig. Durch die Schlacht von Cremona habe man genug Ruhm gewonnen, durch Cremonas Zerstörung an Mißgunst mehr als genug. Man solle daher Rom lieber zu retten als zu erobern trachten. Größere Belohnungen und weitaus die höchste Ehre würden ihnen zuteil, wenn sie dem Senat und dem römischen Volk ohne Blutvergießen den unangetasteten Bestand zu sichern suchten. Durch solche Darlegungen ließen sich die Gemüter beschwichtigen. Nicht lange nachher kamen die Legionen. Durdi das erschreckende Gerücht über die Verstärkung des flavianisdien Heeres gerieten die vitellianischen Kohorten ins Wanken, zu-

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bellum adhortante, multis ad transitionem, qui suas centurias turmasque tradere, donum victori et sibi in posterum gratiam, certabant. per eos cognitum est Interamnam proximis campis praesidio quadringentorum equitum teneri, missus extemplo Varus cum expedita ι manu paucos repugnantium interfecit, plures abiectis armis veniam petivere. quidam in castra refugi cuncta formidine implebant, augendo rumoribus virtutem copiasque hostium, quo amissi praesidii dedecus lenirent. nec ulla apud Yitellianos flagitii poena, et praemiis 3 defectorum versa fides ac reliquum perfidiae certamen, crebra transfugia tribunorum centurionumque; nam gregarius miles induruerat pro Vitellio, doñee Priscus et Alfenus desertis castris ad Vitellium regressi pudore proditionis cunctos exsolverent.

62 Isdem diebus Fabius Valens Urbini in custodia inter- ι ficitur. caput eius Vitellianis cohortibus ostentatum, ne quam ultra spem foverent; nam pervasisse in Germanias Valentem et veteres illic novosque exercitus eiere credebant: visa caede in desperationem versi, et Flavianus exercitus immane quantum aueto animo exitium Valentis ut iìnem belli aeeepit. natus erat Valens Anagniae 1 equestri familia, procax moribus ñeque absurdus ingenio famam urbanitatis per lasciviam petens. lúdicro Iuvenalium sub Nerone velut ex necessitate, mox sponte mimos actitavit, scite magis quam probe, legatus legionis et fovit Verginium et infamavit; Fonteium Capitonem corruptum, seu quia corrumpere nequiverat, interfecit,

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mal sie niemand zum Kampf, viele aber zum Oberlaufen aufforderten; immer wieder wurde der Rat gegeben, die eigenen Centurien und Schwadronen dem Sieger auszuliefern und sich f ü r diese Gabe seine Gunst für die Zukunft zu sichern. Von diesen Leuten erfuhr man, daß in den unmittelbar angrenzenden Gefilden zu Interamna eine Besatzung von 400 Reitern liege. Sofort wurde Varus mit einer schlagkräftigen Abteilung hingesandt; einige wenige, die Widerstand leisteten, fanden den Tod, die Mehrzahl warf aber die Waffen weg und flehte um Gnade; einige flohen ins Lager zurück und erfüllten alles mit Furcht, da sie in ihren Reden die Tapferkeit und die Truppenstärke der Feinde übertrieben, um so die sdimadivolle Preisgabe ihres Postens weniger schlimm erscheinen zu lassen. Überdies gab es bei den Vitellianern keine Strafe für schandbares Verhalten; vielmehr kam es soweit, daß durch den Lohn, den die Abtrünnigen ernteten, die Treue untergraben wurde und man schließlich in der Verräterei wetteiferte. Zahlreich liefen Tribunen und Centurionen über; die Gemeinen hielten nämlich unerschütterlich zu Vitellius, wenigstens bis zu dem Zeitpunkt, wo Priscus und Alfenus das Lager verließen und sich zu Vitellius zurückbegaben; dann fühlte sich nämlich die Gesamtheit jedes Schamgefühls über den Verrat enthoben. In den gleichen Tagen wurde Fabius Valens, der sich zu Urbinum in Haft befand, hingerichtet und sein Haupt den vitellianischen Kohorten gezeigt, damit sie keine überflüssigen Hoffnungen hegten; es war nämlich der Glaube verbreitet, Valens sei glücklich nach Germanien gekommen und bringe dort alte und neue Heerhaufen auf die Beine. Der Anblick des Hingerichteten brachte die Vitellianer zur Verzweiflung, während das flavianische Heer in außerordentlich gehobener Stimmung den Tod des Valens gleichsam als Kriegsende betrachtete. Geboren war Valens zu Anagnia als Sproß eines Rittergeschlechts. Herausfordernden Benehmens, wie er war, dabei aber nicht auf den Kopf gefallen, erstrebte er durch sein ausgelassenes Wesen den Ruf eines Mannes von "Welt. Gelegentlich der Juvenalien-Spiele unter Nero trat er anfangs wie gezwungen, später freiwillig als Schauspieler in Mimen auf, wo er mehr Geschick als Anstand zeigte. Als Legionslegat hielt er es mit Verginius, um ihn jedoch hernach anzuschwärzen; den Fonteius Capito beseitigte er, nachdem er ihn aufgewiegelt hatte, vielleicht auch, weil ihm eben dies nicht recht gelungen war.

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Galbae proditor, Vitellio fidus et aliorum perfidia inlustratus. 63 Abrupta undique spe Vitellianus miles transiturus in ·. partes, id quoque non sine decore, sed sub signis vexillisque in subiectos Narniae campos descendere. Flavianus exercitus, ut ad proelium intentus ornatusque, densis circa viam ordinibus adstiterat. accepti in medium Vitelliani, et circumdatos Primus Antonius clementer adloquitur: pars Narniae, pars Interamnae subsistere iussi. relictae simul e victricibus legiones, ñeque quiescentibus graves et adversus contumaciam validae. non omisere 1 per eos dies Primus ac Varus crebris nuntiis salutem et pecuniam et secreta Campaniae obferre Vitellio, si positis armis seque ac liberos suos Vespasiano permisisset. in eundem modum et Mucianus composuit epistulas; quibus plerumque fidere Vitellius ac de numero servorum, electione litorum loqui. tanta torpedo invaserat animum, ut, si principem eum fuisse ceteri non meminissent, ipse oblivisceretur.

64 At primores civitatis Flavium Sabinum praefectum 1 urbis secretis sermonibus incitabant, victoriae famaeque partem capesseret: esse illi proprium militem cohortium urbanarum, nec defuturas vigilum cohortes, servitia ipsorum, fortunam partium, et omnia prona victoribus: ne Antonio Varoque de gloria concederet. paucas Vitellio 2 cohortes et maestis undique nuntiis trepidas; populi mobilem animum et, si ducem se praebuisset, easdem illas adulationes pro Vespasiano fore: ipsum Vitellium ne prosperis quidem parem, adeo ruentibus debilitatum.

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Galba verriet er, dem Vitellius aber blieb er treu, kam sogar durch die Treulosigkeit anderer in ein gutes Licht. Als ihnen die Hoffnung überall abgeschnitten war, entschlossen sich die Vitellianer zur Gegenpartei überzutreten; sie taten auch das nicht würdelos, sondern zogen mit Feldzeidien und Fahnen in die Niederungen von Narnia hinab. Das flavianisdie Heer hatte sich, als müßte es auf einen Kampf gefaßt sein, in voller Rüstung und diditen Reihen auf beiden Seiten der Straße aufgestellt. Man nahm die Vitellianer in die Mitte, worauf Primus Antonius ohne alle Schärfe eine Ansprache an sie richtete. Ein Teil von ihnen erhielt den Befehl, in Narnia zu bleiben, ein Teil in Interamna. Zugleich wurden einige der siegreichen Legionen zurückgelassen, die, wenn man sich ruhig verhielt, weiter keinen Drude ausübten, einem trotzigen Auftreten gegenüber aber stark genug waren. In jenen Tagen unterließen es Primus und Varus nidit, durch wiederholte Botschaften dem Vitellius Sicherheit, Geld und den Aufenthalt in der Abgeschiedenheit Kampaniens anzubieten, falls er die Waffen niederlege und sich mitsamt seinen Kindern dem Vespasian ergebe. Aufs gleiche lief ein von Mucian verfaßter Brief hinaus. Vitellius ging im allgemeinen darauf ein, besprach sich audi sdion über die Zahl der ihm verbleibenden Sklaven, über die Auswahl unter den Plätzen an der Küste. Es hatte sich seiner eine dumpfe Teilnahmslosigkeit bemächtigt, so stark, daß er - hätten die anderen ihn nicht an seine bisherige Regentschaft erinnert selbst darauf vergessen hätte. Auf der anderen Seite ermunterten die vornehmsten Bürger Roms den Stadtkommandanten Flavius Sabinus durch geheime Unterredungen, er solle sich seinen Anteil an Sieg und Ruhm nicht entgehen lassen: Die Soldaten der Stadtkohorten seien ihm persönlich unterstellt, an seiner Seite stünden die Kohorten der Wachabteilungen, ihre eigenen Sklaven und das gewohnte Glück der Partei, wie ja überhaupt alles den Siegern zufalle. Er solle dodi nicht an Ruhm hinter einem Antonius oder Varus zurückstehen. Vitellius besitze nur nodi ein paar Kohorten, und die seien infolge der von überall herkommenden Unglücksbotschaften recht verzagt. Der Sinn des Volkes sei veränderlich; er brauche nur die Führerschaft zu übernehmen, so würden jene Schmeicheleien dem Vespasian zuteil werden. Vitellius sei nicht einmal günstigen Verhältnissen gewachsen, und bei dem allgemeinen Zusammenbruch zeige er sich erst recht wie ge-

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gratiam patrati belli penes eum, qui urbem occupasset: id Sabino convenire, ut imperium fratri reservaret, id Vespasiano, ut ceteri post Sabinum haberentur. 65 Haudquaquam erecto animo eas voces accipiebat, inva- ι lidus senecta; sed erant qui occultis suspicionibus incesserent, tamquam invidia et aemulatione fortunam fratris moraretur. namque Flavius Sabinus aetate prior privatis utriusque rebus auctoritate pecuniaque Vespasianum anteibat, et credebatur adfectam eius fidem parce iuvisse domo agrisque pignori acceptis; unde, quamquam manente in speciem concordia, offensarum operta metuebantur. melior interpretatio, mitem virum abhorrere a ι sanguine et caedibus, eoque crebris cum Vitellio sermonibus de pace ponendisque per condicionem armis agitare. saepê domi congressi, postremo in aede Apollinis, ut fama fuit, pepigere. verba vocesque duos testes habebant, Cluvium Rufum et Silium Italicum: voltus procul visentibus notabantur, Vitellii proiectus et degener, Sabinus non insultans et miseranti propior.

66 Quod si tam facile suorum mentes flexisset Vitellius, ι quam ipse cesserat, incruentam urbem Vespasiani exercitus intrasset. ceterum ut quisque Vitellio fidus, ita pacem et condiciones abnuebant, discrimen ac dedecus ostentantes et fìdem in libidine victoris. nec tantam ι Vespasiano superbiam, ut privatum Vitellium pateretur, ne victos quidem laturos: ita periculum ex misericordia, ipsum sane senem et prosperis adversisque satiatum, sed quod nomen, quem statum filio eius Germanico fore?

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la, quamquam plerique fugam suadebant, audendum ratus vocata contione in hunc modum disseruit: 58 'Numquam apud vos verba feci aut pro vobis sollici- ι tior aut pro me securior. nam mihi exitium parari libens audio mortemque in tot malis solacium, ut finem miseriarum exspecto: vestri me pudet miseretque, adversus quos non proelium et acies parantur; id enim fas armorum et ius hostium est: bellum cum populo Romano vestris se manibus gesturum Classicus sperat imperiumque et sacramentum Galliarum ostentat. adeo ι nos, si fortuna in praesens virtusque deseruit, etiam Vetera exempla deficiunt, quotiens Romanae legiones perire praeoptaverint, ne loco pellerentur? socii saepe nostri exscindi urbes suas seque cum coniugibus ac liberis cremari pertulerunt, neque aliud pretium exitus quam fides famaque. tolerant cum maxime inopiam 3 obsidiumque apud Vetera legiones nec terrore aut promissis demoventur: nobis super arma et viros et egregia castrorum munimenta frumentum et commeatus quamvis longo bello pares, pecunia nuper etiam donativo suífecit, quod sive a Vespasiano sive a Vitellio datum interpretar! mavoltis, ab imperatore certe Romano accepistis. tot bellorum victores, apud Geldubam, apud 4 Vetera, fuso totiens hoste si pavetis aciem, indignum id quidem, sed est vallum murique et trahendi artes, donee e proximis provinciis auxilia exercitusque concurrant. sane ego displiceam: sunt alii legati, tribuni, centurie denique aut miles, ne hoc prodigium toto terra- j

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man Vocula vielfach zur Flucht riet, glaubte er trotzdem, nodi einen entscheidenden Schritt wagen zu sollen; er berief daher eine Versammlung ein, in der er sich folgendermaßen äußerte: „Noch niemals war ich, wenn ich in eurer Gegenwart sprach, um euch mehr besorgt, f ü r meine Person aber seelenruhiger als jetzt. Daß es auf mein Leben abgesehen sein soll, das höre idi nämlidi nicht ungern, erwarte idi doch in all den N ö t e n den Tod als Trost, als das Ende des Jammers. U m euretwillen aber überkommt mich Sdiam und Mitleid beim Gedanken, daß man gegen euch nicht eine offene Feldschlacht plant; das wäre Kriegsbrauch und Feindesredit. Statt dessen hofft Classicus, mit Hilfe eurer eigenen A r m e Krieg gegen das römische Volk zu führen und prahlt bereits mit einem gallischen Reidi und eurem Huldigungseid auf dieses Reich. Sind denn, wenn Glück und Tapferkeit uns f ü r den Augenblick verloren gingen, damit audi die Vorbilder aus alter Zeit so ganz und gar dahin, dahin audi die Erinnerung, wie oft römische Legionen lieber den Tod erlitten, als daß sie sich von ihrem Platz drängen ließen? Oft haben es unsere Bundesgenossen auf sich genommen, daß ihre Städte zerstört wurden, sie selbst dabei mit Frauen und Kindern in den Flammen umkamen, keinen anderen Lohn für ein solches Ende vor Augen als den R u h m der Treue. Eben jetzt ertragen unsere Legionen in Vetera die N o t der Belagerung und lassen sich durch keinen Schrecken, durch keine Versprediungen wankend machen. Wir hier haben außer Waffen, Mannschaft und einer vorzüglichen Lagerbefestigung auch Getreide und sonstigen Proviant, ausreichend f ü r einen noch so langen Krieg. Das Geld hat kürzlich sogar n o d i f ü r ein Gnadengeschenk genügt, das ihr - mögt ihr es nun lieber als eine Gabe Vespasians oder als eine Gabe des Vitellius betrachten - , das ihr jedenfalls von einem römischen Kriegsherrn bekommen habt. Wenn ihr, die Sieger in soviel Schlachten, die Sieger von Gelduba, von Vetera, wenn ihr nach so manchem wuchtigen Sdtlag auf den Feind vor einer Feldschladit Angst habt, so ist das freilich euer unwürdig. Aber ihr habt hier ja Wall und Mauern sowie Mittel und Wege, die Entscheidung hinzuziehen, bis aus den Nachbarprovinzen Hilfstruppen und Heere herbeieilen. Mag sein, daß meine Person euch nicht mehr paßt; es gibt aber dodi noch andere Leute: Legaten, Tribunen, meinetwegen ein Centurie oder ein einfacher Soldat. N i m m e r soll diese Ungeheuerlichkeit auf der

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rum orbe volgetur, vobis satellitibus Civilem et Classicum Italiani invasuros. an, si ad moenia urbis Germani Gallique duxerint, arma patriae inferetis? horret animus tanti flagitii imagine. Tutorine Treviro agentur excubiae? signum belli Batavus dabit? et Germanorum catervas supplebitis? quis deinde sceleris exitus, cum Romanae legiones contra derexerint? transfugae e transfugis et proditores e proditoribus inter recens et vetus raer amen tum invisi deis errabitis? te, Iuppiter optime « maxime, quem per octingentos viginti annos tot triumphis coluimus, te, Quirine, Romanae parens urbis, precor venerorque ut, si vobis non fuit cordi me duce haec castra incorrupta et intemerata servari, at certe pollui foedarique a Tutore et Classico ne sinatis, militibus Romanis aut innocentiam detis aut maturam et sine noxa paenitentiam.'

59 Varie excepta oratio inter spem metumque ac pudo- ι rem. digressum Voculam et de supremis agitantem liberti servique prohibuere foedissimam mortem sponte praevenire. et Classicus misso Aemilio Longino, desertore I legionis, caedem eius matura vit; Herennium et Numisium legatos vinciri satis visum, dein sumptis ι Romani imperii insignibus in castra venit. nec illi, quamquam ad omne facinus durato, verba ultra suppeditavere, quam ut sacramentum recitaret: iuravere qui aderant pro imperio Galliarum. interfectorem Voculae altis ordinibus, ceteros, ut quisque flagitium navaverat, praemiis attollit.

Divisae inde inter Tutorem et Classicum curae. Tutor j valida manu circumdatos Agrippinenses, quantumque

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ganzen Welt bekannt werden, daß ihr den Einfall des Civilis und Classicus nach Italien als deren Trabanten mitmacht. Wollt ihr etwa, wenn Germanen und Gallier euch vor Roms Mauern führen, die Waffen gegen euer Vaterland erheben? Midi schaudert es, wenn idi mir einen so schweren Frevel vorstelle. Sollen für den Treverer Tutor römische Wadien aufziehen, soll ein Bataver das Zeidien zum Kampf geben? Wollt ihr die Lücken in den Germanenhaufen auffüllen? Was wird dann das Ende des Frevels sein, wenn römische Legionen gegen euch aufmarschieren? Wollt ihr bei eurer ewigen Uberlauferei und Verräterei bleiben und zwischen der neuen und alten Fahne, auf die beide ihr euch verpflichtet habt, als eine gottverhaßte Bande hin- und herirren? An dich, gütigster, bester Jupiter, den wir während der 820 Jahre durch soviele Triumphe geehrt haben, an dich Quirinus, du Vater der Römerstadt, ridite ich mein inständiges Gebet: Wenn es nicht euer Wille ist, daß dieses Lager unverführt und makellos unter meinem Kommando behauptet wird, so laßt es doch wenigstens nicht zu, daß Tutor und Classicus es entehren und sdiänden, gebt den römischen Kriegern Freiheit von Schuld und Fehl oder erwedct in ihnen wenigstens reditzeitig, bevor sie sdiwere Schuld auf sidi laden, das Gefühl der Reue!" Die Rede fand bei dem allgemeinen Hin- und Herschwanken zwischen Hoffnung, Furcht und Scham eine geteilte Aufnahme. Den Vocula, der sich nach seinem Weggang mit Selbstmordgedanken trug, hinderten seine Freigelassenen und seine Sklaven daran, einem schmachvollen Tod mit einem selbstgewählten Ende zuvorzukommen. Da ließ ihn Classicus durdi Ämilius Longinus, einen Deserteur der ersten Legion, den er hinschickte, alsbald umbringen. Bei den Legaten Herennius und Numisius schien ihm die Verhaftung zu genügen. Hierauf begab er sich, mit den Abzeichen eines römischen Befehlshabers versehen, ins Lager. Obwohl er sonst in seiner Hartherzigkeit zu jedem Frevel fähig war, stand ihm jetzt kein weiteres Wort zu Gebote, als daß er den Fahneneid verlas. Was an Soldaten anwesend war, sdiwur auf das gallische Reich. Den Mörder Voculas zeichnete Classicus durdi wiederholte Rangerhöhung aus, f ü r die übrigen hatte er je nach ihrer rührigen Teilnahme an dem schandbaren Tun andere Belohnungen. Hernadi teilten sidi Tutor und Classicus in die weiteren Aufgaben. Tutor schloß die Kölner durdi eine starke Truppen-

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militum apud superiorem Rheni ripam, in eadem verba adigit, occisis Mogontiaci tribunis, pulso castrorum praefecto, qui detractaverant. Classicus corruptissimum quemque e deditis pergere ad obsessos iubet, veniam ostentantes, si praesentia sequerentur: aliter nihil spei, f a m e m ferrumque et extrema passuros. adiecere qui missi erant exemplum suum.

60 Obsessos hinc fides, inde egestas inter decus ac flagi- 1 tium distrahebant. cunctantibus solita insolitaque alimenta deerant, absumptis iumentis equisque et ceteris animalibus, quae p r o f a n a foedaque in usum necessitas vertit. virgulta postremo et stirpes et internatas saxis herbas vellentes miseriarum patientiaeque documentum fuere, donee egregiam laudem fine turpi macularent, missis ad Civilem legatis vitam orantes, ñeque ante pre- 2 ces admissae, quam in verba Galliarum iurarent: turn pactus praedam castrorum dat custodes, qui pecuniam calones sarcinas retentarent et qui ipsos leves abeuntes prosequerentur. ad quintum ferme lapidem coorti Germani incautum agmen adgrediuntur: pugnacissimus quisque in vestigio, multi palantes occubuere; ceteri retro in castra perfugiunt, querente sane Civile et increpante Germanos, tamquam fidem per scelus abrumperent. simulata ea fuerint an retiñere saevientes nequiverit, 3 parum adfirmatur. direptis castris faces iniciunt, cunctosque, qui proelio superfuerant, incendium hausit.

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macht ein und ließ sie ebenso wie alle am oberrheinischen Ufer stehenden Truppen den gleichen Eid schwören. Schon zuvor waren, da sie diesen Eid verweigerten, in Mainz die Tribunen ermordet, der Lagerkommandant vertrieben worden. Auf Befehl des Classicus begaben sich aus der Zahl derer, die kapituliert hatten, die übelsten Elemente zu den belagerten Truppen. Sie sollten ihnen Begnadigung in Aussicht stellen, wenn sie sidi in die nun einmal gegebene Lage fügten; andernfalls gebe es f ü r sie nichts zu hoffen: Hunger, Kampf bis aufs Messer, ja das Schlimmste stehe ihnen bevor. Überdies wiesen die Sendlinge auf ihr eigenes Beispiel hin. Die Belagerten ließ auf der einen Seite das Gefühl der Treue, auf der andern Seite die herrschende Not zwischen ehrbarer Haltung und einem schändlichen Tun hin- und herschwanken. Wahrend sie noch zögerten, gingen ihnen die gewohnten und ungewöhnlichen Lebensmittel aus, waren doch Zugvieh, Pferde und auch die übrigen Tiere bereits vollständig verzehrt, zu deren Genuß der Hunger greifen läßt, obwohl sie recht ekelerregend sind. Zuletzt rissen die Leute Gestrüpp und Wurzeln und zwischen dem Gestein wachsende Kräuter aus und gaben ein Beispiel dafür, was man im Elend hinnehmen kann, schließlich aber baten sie durch eine Gesandtschaft an Civilis um ihr Leben und befleckten so ihren strahlenden Ruhm durdi ein schmachvolles Ende. Ihre Bittgesandtschaft fand erst Gehör, als der Eid auf Gallien geleistet war. Dann bedang sich Civilis die Plünderung des Lagers aus, gab audi gleich Wächter mit, die das Geld, die Troßknechte und das Gepäck zurückbehalten sollten; andere sollten die mit leeren Händen abziehenden römischen Soldaten weggeleiten. Etwa beim fünften Meilenstein brachen plötzlich die Germanen aus einem Hinterhalt hervor und griffen die ahnungslos dahinmarschierenden Römer an; alles, was sich von diesen tapfer zum Kampf stellte, fand an Ort und Stelle den Tod. Nicht wenige fielen, während sie umherirrten; der Rest flüchtete ins Lager zurück. Civilis beklagte sich freilich und schalt auf die Germanen, wie wenn sie freventlich ihr Wort gebrochen hätten. Ob dies nur Verstellung von ihm war oder ob er wirklich die kampfwütigen Germanen nicht hatte zurückhalten können, ist nicht sicher zu ermitteln. Nachdem die Germanen das Lager geplündert hatten, warfen sie Brandfackeln hinein, so daß alle, die den Kampf überlebt hatten, von den Flammen verschlungen wurden.

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61 Civilis barbaro voto post coepta adversus Romanos ι arma propexum rutilatumque crinem patrata demum caede legionum deposuit; et ferebatur párvulo filio quosdam captivorum sagittis iaculisque puerilibus figendos obtulisse. ceterum ñeque se ñeque quemquam Batavum in verba Galliarum adegit, fisus Germanorum opibus et, si certandum adversus Gallos de possessione rerum foret, inclitus f a m a et potior. Munius Lupercus legatus 2 legionis inter dona missus Veledae. ea virgo nationis Bructerae late imperitabat, vetere apud Germanos more, quo plerasque feminarum fatídicas et augescente superstitione arbitrantur deas, tuncque Veledae auctoritas adolevit; nam prosperas Germanis res et excidium legionum praedixerat. sed Lupercus in itinere interfec- 3 tus. pauci centurionum tribunorumque in Gallia geniti reservantur pignus societati. cohortium alarum legionum hiberna subversa cremataque, iis tantum relictis, quae Mogontiaci ac Vindonissae sita sunt.

62 Legio X V I cum auxiliis simul deditis a Novaesio in t coloniam Trevirorum transgredí iubetur, praefinita die, intra quam castris excederet. medium omne tempus per varias curas egere, ignavissimus quisque caesorum apud Vetera exemplo paventes, melior pars rubore et infamia: quale illud iter? quis dux viae? et omnia in arbitrio eorum, quos vitae necisque dominos fecissent. alii nulla dedecoris cura pecuniam aut carissima sibimet ipsi circumdare; quidam expedire arma telisque tamquam

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