Hilaria evangelica academica: Das Reformationsjubiläum von 1717 an den deutschen lutherischen Universitäten 9783666551987, 9783525551981, 3525551983

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Hilaria evangelica academica: Das Reformationsjubiläum von 1717 an den deutschen lutherischen Universitäten
 9783666551987, 9783525551981, 3525551983

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Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte Herausgegeben von Thomas Kaufmann

Band 90

Vandenhoeck & Ruprecht

Harm Cordes

Hilaria evangelica academica Das Reformationsjubila¨um von 1717 an den deutschen lutherischen Universita¨ten

Vandenhoeck & Ruprecht

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet u¨ber 8http://dnb.ddb.de9 abrufbar. ISBN 13: 978-3-525-55198-1 ISBN 10: 3-525-55198-3

{ 2006, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Go¨ttingen / www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschu¨tzt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fa¨llen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile du¨rfen ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Verlages o¨ffentlich zuga¨nglich gemacht werden. Dies gilt auch bei einer entsprechenden Nutzung fu¨r Lehr- und Unterrichtszwecke. Printed in Germany. Gesamtherstellung: Hubert & Co., Go¨ttingen Gedruckt auf alterungsbesta¨ndigem Papier.

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7

I. Einleitende Bemerkungen. Forschungsstand, Zielsetzung und Verfahren der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Reformationsjubila¨um und protestantische Erinnerungskultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Reformationsjubila¨um von 1717 als Gegenstand der Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Reformationsgeschichte und Luther-Deutung . . . . . . . . . . . . . . 4. Fragestellung, Quellen und Methode der Arbeit . . . . . . . . . . . .

10 16 18

II. Die Vorgeschichte des Jubila¨ums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22

1. Die politischen Vorbereitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Theologische Streitigkeiten u¨ber das Reformationsjubila¨um

22 38

III. Die Jubila¨umsfeiern an den deutschen lutherischen Universita¨ten

49

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12.

Wittenberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leipzig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jena . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tu¨bingen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rostock . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Greifswald . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ko¨nigsberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Helmstedt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gießen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Halle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Altdorf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9

49 61 68 76 81 87 93 100 105 112 119 128

IV. Die Darstellung und Beurteilung der Kirchengeschichte in den akademischen Jubila¨umsschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 1. Die historiographische Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 a) Die Heilige Schrift als historiographischer Maßstab . . . . . 130 b) Historiographische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139

6

Inhalt

2. Die Geschichte der Kirche vor der Reformation . . . . . . . . . . . . 3. Die Reformation in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Humanismus als Vorbereitung der Reformation . . . . . b) Die reformatorischen Anfa¨nge Luthers . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Bruch Roms mit Luther . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Vom Wormser Reichstag 1521 bis zum Augsburger Religionsfrieden 1555 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Reformatoren neben Luther . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Luther-Deutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) De Luthero ipso: Biographie, Charakter und Fro¨mmigkeit des Reformators . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die vocatio Lutheri . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Biblische Prophezeiungen auf Luthers Person und Werk d) Außerbiblische Weissagungen auf Luther . . . . . . . . . . . . . . . . e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Errungenschaften der Reformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Heilige Schrift als Fundament von Glauben und Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Rechtfertigung des Su¨nders und seine Heiligung . . . . . c) Das Sakramentsversta¨ndnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verbesserungen im o¨ffentlichen Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Staat und Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Lehre und Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

144 165 165 170 172 181 189 194 194 204 212 220 229 234 236 241 248 250 255 261

V. Die Kirche im Jubila¨umsjahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 1. Die ro¨misch-katholische Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 2. Die lutherische Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356

Vorwort

Der vorliegende Band entha¨lt die leicht u¨berarbeitete Fassung meiner Dissertation, die im Jahre 2003 vom Fachbereich Evangelische Theologie der Johannes Gutenberg-Universita¨t Mainz angenommen worden ist. Die Vero¨ffentlichung bietet mir die Gelegenheit den Menschen zu danken, die mich in den vergangenen Jahren bei der Fertigstellung dieser Arbeit unterstu¨tzt haben. An erster Stelle danke ich Herrn Professor Dr. Gustav Adolf Benrath, der diese Arbeit angeregt und ihre Entstehung wohlwollend begleitet hat. Ich danke ihm fu¨r die stetige Betreuung in der langen Zeit der Erarbeitung, fu¨r vielfa¨ltige Ermutigung bei der mu¨hevollen Kleinarbeit und fu¨r die konstruktive Kritik. Ich danke Frau Professor Dr. Irene Dingel fu¨r die Erstellung des Zweitgutachtens. Weiter danke ich den Mitgliedern des kirchengeschichtlichen Doktoranden-Kolloquiums von Herrn Professor Dr. Gustav Adolf Benrath, denen ich einzelne Abschnitte dieser Arbeit vorstellen durfte. Besonders wichtig waren fu¨r mich die Anmerkungen von Herrn Dr. Rainer Vinke, dessen anregende Kritik mir allezeit vor Augen gestanden hat. Ich danke Herrn Professor Dr. Thomas Kaufmann fu¨r die Aufnahme der Arbeit in die „Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte“ sowie der Georg Strecker-Stiftung, der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers und der VELKD, die durch die Gewa¨hrung von Druckkostenzuschu¨ssen die Vero¨ffentlichung ermo¨glicht haben. Ich danke der Graduierten-Fo¨rderung des Landes Rheinland-Pfalz fu¨r die Gewa¨hrung eines Graduierten-Stipendiums in den Jahren von 1996–98, das mir wichtige Vorarbeiten ermo¨glicht hat. Ich danke Frau Dr. Maria Mitscherling und Frau Annette Gerlach in der Forschungs- und Landesbibliothek Gotha, die mir kenntnisreiche Ratgeber bei der Bescha¨ftigung mit Ernst Salomon Cyprian waren. Ich danke Frau Rosemarie Barthel fu¨r die vielfa¨ltigen Anregungen bei meinen Recherchen im Thu¨ringischen Staatsarchiv Gotha. Ich danke den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadtbibliothek Mainz, in deren Lesesaal ich wa¨hrend meiner Mainzer Zeit manchen Tag mit Cyprians „Hilaria Evangelica“ verbracht habe. Mein Dank gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Bibliothek des Landeskirchenamtes Hannover und der Herzog August Bibliothek Wolfenbu¨ttel, von deren Hilfe ich gerade in der Schlußphase der Erarbeitung sehr profitiert habe.

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Vorwort

Ich danke Herrn Konventualstudiendirektor Michael Wohlgemuth und Herrn Jo¨rg Fiedler, Bibliothekar im Kloster Loccum, fu¨r das Vertrauen, mit dem sie mir auch nach Dienstschluß die Tu¨ren der Klosterbibliothek in Loccum geo¨ffnet haben. Ich danke den Menschen, die in den letzten Jahren nicht aufgeho¨rt haben, nach den Fortschritten der Arbeit zu fragen und an ihren Abschluß zu glauben: meinen Bru¨dern Jens und Nils Cordes sowie Claudia Meyer, Michael Ebert und Eckart Laack. Ich danke der ev. Kirchengemeinde Sittensen und der Auferstehungsgemeinde Mainz, die mir u¨ber viele Jahre eine geistliche Heimat geboten haben. Meine Frau Maren Cordes hat nicht allein die Mu¨he der Korrekturen auf sich genommen, sondern hat sich immer wieder auf Gespra¨che u¨ber die ihr fremde Welt der lutherischen Orthodoxie eingelassen. Zudem haben sie und unsere To¨chter Berit und Lea mir mit großer Selbstversta¨ndlichkeit die no¨tigen Freira¨ume gewa¨hrt, die ich brauchte, um diese Arbeit abzuschließen. Danke! Meinen Eltern danke ich fu¨r die Liebe, fu¨r das Vertrauen und fu¨r die Fu¨rsorge, mit denen sie mich zu allen Zeiten begleitet und gefo¨rdert haben. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. Schwarme, im Oktober 2005

Harm Cordes

I. Einleitende Bemerkungen. Forschungsstand, Zielsetzung und Verfahren der Arbeit

1. Reformationsjubila¨um und protestantische Erinnerungskultur Der 31. Oktober 1517 gilt als Geburtsstunde des Protestantismus. So zumindest bewerten die lutherischen Historiographen im 17. Jahrhundert den Thesenanschlag und die damit erstmals o¨ffentlich gewordene Kritik Luthers an der ro¨misch-katholischen Kirche. Die historiographische Festlegung des Reformationsgeda¨chtnisses auf den 31. Oktober 1517 und den Thesenanschlag geht auf das Reformationsjubila¨um von 1617 zuru¨ck,1 nachdem in den Jahrzehnten zuvor Reformationsgedenkfeiern zu unterschiedlichen Terminen stattgefunden hatten.2 Die erste Sa¨kularfeier bewirkte jedoch die Vereinigung des Protestantismus, deren Zentrum die Besinnung auf die gemeinsamen historischen Wurzeln, die gemeinsamen theologischen Gegner, den gemeinsamen theologischen Lehrer und Reformator bildeten. In der Folge der Jubila¨umsfeier von 1617, die im gesamten protestantischen Deutschland begangen worden war, entwickelte sich der 31. Oktober 1517 unaufhaltsam zum Kristallisationspunkt protestantischer Erinnerungskultur, neben dem andere Daten, ob nun aus dem Leben des Reformators oder aus der Reformationsgeschichte, an Bedeutung verloren. Waren diese nunmehr regelma¨ßiger gefeierten Gedenktage der Reformation ein Akt der Selbstvergewisserung und Neuorientierung fu¨r die Zeitgenossen, so bieten sie dem historischen Betrachter einen Einblick in den Zustand der evangelischen Kirche zum Zeitpunkt der jeweiligen Feier. Denn fu¨r die Feiern zum Reformationsgeda¨chtnis existierte keine verbindliche Liturgie, es bestand kein fester Kanon zu erinnernder historischer Ereignisse und Gestalten, und selbst die Durchfu¨hrung der Feier war zu keinem Zeitpunkt obligatorisch. Besonders deutlich tritt diese Zeitbedingtheit bei denjenigen Reformationsfesten zutage, die mit großem Aufwand unter reger Anteilnahme der Bevo¨lkerung und des Kirchenvolks und unter Beteiligung zahlreicher Geistlicher und Gelehrter began1 Helmut Merkel, Art. „Feste und Feiertage V“, in: TRE 11, S. 128, sowie Joachim Ufer, Reformationsfest und Thesenanschlag, S. 640–642. 2 Hans-Jurgen Scho ¨ nsta¨dt, Antichrist, Weltheilsgeschehen und Gottes Werkzeug, ¨ S. 10–13.

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Einleitende Bemerkungen

gen wurden: den Jahrhundertfeiern der Reformation. Aus diesem Grund bieten die gottesdienstlichen, literarischen, ku¨nstlerischen und u¨brigen Aktivita¨ten eines Reformationsjubila¨ums eine gute Grundlage, um aus ihnen eine Beschreibung von Zustand und Selbstversta¨ndnis des Protestantismus in einer bestimmten historischen Epoche zu erheben. Im Gegensatz zu den Reformationsjubila¨en von 1617 und 1817, die hinreichend beschrieben und erforscht sind, ist das Reformationsjubila¨um von 1717 von der kirchengeschichtlichen Forschung bisher nahezu unbeachtet geblieben.3 Dabei fiel gerade dieses Jubila¨um in eine von verschiedenen Umbru¨chen gekennzeichnete geistesgeschichtliche Situation, die fu¨r die Rezeption der Reformation und das Selbstversta¨ndnis des Protestantismus von großer Bedeutung waren. Organisiert von den letzten namhaften Vertretern der lutherischen Orthodoxie, unterstu¨tzt von dem im Aufstieg befindlichen lutherischen Pietismus, umwogt von ersten Wellen der im deutschsprachigen Raum beginnenden theologischen und philosophischen Aufkla¨rung waren im Oktober 1717 die Vertreter dieser drei theologischen Richtungen der fru¨hen Neuzeit dazu aufgerufen, ihr Versta¨ndnis der lutherischen Reformation und ihre Gedanken u¨ber die zuku¨nftige Bedeutung des Luthertums darzulegen. Am Ausgang des Zeitalters des Konfessionalismus leisteten sie ihren eigenen Beitrag zur protestantischen Erinnerungskultur, den darzustellen Aufgabe dieser Arbeit ist.

2. Das Reformationsjubila¨um von 1717 als Gegenstand der Forschung Die Dokumentation des zweiten Reformationsjubila¨ums beginnt mit einer Annonce, die am 1. Dezember 1717 in der Zeitschrift „Neue Zeitungen von Gelehrten Sachen“ im Auftrag des Leipziger Verlegers Johann Christian Martini vero¨ffentlicht wurde. Martini erblickte hier eine verheißungsvolle Aufgabe fu¨r seinen Verlag, die er gemeinsam mit dem Theologen Johann Ernst Kapp als Verfasser einer geplanten Jubel-Historie angehen wollte. Wohlwissend, daß er dazu auf Nachrichten von den Jubelfeiern an den verschiedenen Orten des Reichs angewiesen war, bat er um die Unterstu¨tzung seiner Leser im gesamten Deutschland: „Weil man wahrgenommen, daß unter den ha¨uffig gedruckten Jubel-Schrifften vornehmlich diejenigen, welche einige (obwohl sehr unvollkommene) Nachricht 3 Charakteristisch fur die unterschiedliche Behandlung der verschiedenen Jahrhundert¨ feiern ist Leo Sterns Aufsatz „Probleme der Reformation im Spiegel ihrer Jubila¨en“, in dem einzig die Zweihundertjahrfeier der Reformation von 1717 keine ausfu¨hrliche Wu¨rdigung findet.

Das Reformationsjubila¨um von 1717 als Gegenstand der Forschung

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von dem vor 100 Jahren gefeyerten ersten Lutherischen Jubel-Feste gegeben, sehr wohl aufgenommen worden so ist man entschlossen eine vollsta¨ndige und ausfu¨hrliche Historie des andern Evangelisch-Lutherischen Jubel-Fests zu verfertigen, wie solches sowohl inn- als ausserhalb Deutschland gefeyert worden. Es wird solche aus zwei Theilen bestehen, davon der erste nicht nur die von denen Protestantischen Ober-Ha¨uptern wegen der Feyerung desselben ergangenen Verordnungen, vorgeschriebene Formulare, Lectiones, Texte, Gebethe u. a. in sich fassen, sondern auch von denen dabey angestellten Solennita¨ten, Orationibus, Carminibus Secularibus, Promotionibus, Disputationibus, Actibus Oratoriis, Illuminationibus, Mu¨ntzen, u. a. ausfu¨hrliche Nachricht geben soll. In dem anderen Theile aber werden alle bey Gelegenheit des Jubel-Fests sowohl von Lutheranern als Papisten bereits herausgegebene Schrifften accurat recensiret und bescheiden beurtheilet werden. Zum ersten Theile wird Verfasser sich der Actorum Jubilaei und anderer bereits gedruckten und noch zu hoffenden Nachrichten, welche sich bald verliehren und dem Zehnten nicht zu Gesichte kommen, bedienen, und er hoffet auch von denen jenigen Orthen wo keine besondere Acta Jubilaei zusammengedruckt werden, schrifftliche Nachricht zu erhalten. Wie er denn hiermit alle Gelehrten in dergleichen Sta¨dten um willigen Beytrag gebu¨hrend ersuchet, und bittet solchen an den Verleger Johann Christian Martini allhier in der NiclasStraße ehestens einzusenden. Zu dem andern Theile sind auch alle bis daher bekannt gewordene Jubel-Schrifften mit grosser Sorgfalt gesamlet worden und verspricht man mit gleichem Fleisse auch ins ku¨nfftige fortzufahren, um es an nichts ermangeln zu lassen, dadurch das Werck so viel mo¨glich in vollkommenen Stand mo¨ge gesetzet werden.“4

Bald schon stellte sich heraus, daß der, wie Martini, in Leipzig ansa¨ssige Verleger Moritz Weidmann ebenfalls eine Dokumentation des Jubila¨ums zu vero¨ffentlichen beabsichtigte. Weidmann hatte sich dazu die Mitarbeit des Gothaer Theologen und Konsistorialrats Ernst Salomon Cyprian gesichert, der unter Nutzung seiner privaten Kontakte in den lutherischen Territorien bereits mit der Sammlung der anla¨ßlich des Jubila¨ums verfaßten Texte und Instruktionen begonnen hatte. Wa¨hrend die potentiellen Autoren Kapp und Cyprian mit der Vorbereitung ihrer Vero¨ffentlichungen bescha¨ftigt waren, kam es im Fru¨hjahr 1718 zwischen den Verlegern zu einem heftigen Streit um die Vero¨ffentlichungsrechte der Jubel-Historie. An dessen Ende nahmen Martini und Kapp im Spa¨tsommer 1718 von ihrem Vorhaben Abstand und u¨bergaben ihre gesammelten Materialien an Weidmann und Cyprian. Obwohl dieser Streit nur von kurzer Dauer war und dann der Vergessenheit anheimfiel, haben Martini und Kapp damit wesentlichen Anteil an den ersten Schritten zur Dokumentation des Jubila¨ums: Martinis Engagement war es, das Weidmann und Cyprian dazu veranlaßte, eine umfassendere als urspru¨nglich geplante Jubel-Historie abzufassen und diese schnell auf den Markt zu bringen. Auch wenn Cyprian sich daru¨ber ausgeschwiegen hat,

4

Neue Zeitungen von Gelehrten Sachen auf das Jahr MDCCXVII, S. 775 f.

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Einleitende Bemerkungen

ein wesentlicher Anteil der von ihm spa¨ter vero¨ffentlichten Quellen entstammt dem von Martini und Kapp gesammelten Material. Das Ergebnis von Cyprians Bemu¨hungen war ein weit u¨ber tausend Druckseiten starker Foliant, der unter dem Titel „Hilaria Evangelica“ auf der Leipziger Ostermesse 1719 angeboten wurde.5 Dieses Werk, von Cyprian als „Historische Beschreibung des andern Evangelischen JubelFests“ bezeichnet, zeugt von dem beachtlichen Ausmaß der Feierlichkeiten zum Reformationsjubila¨um von 1717. Aus weit u¨ber 100 Territorien hatte Cyprian mehr oder minder vollsta¨ndig die obrigkeitlichen Anku¨ndigungen des Festes, liturgische Texte und Anweisungen, Berichte u¨ber Vorbereitungen und manche andere Texte zusammengetragen. U¨berdies enthalten die „Hilaria Evangelica“ eine Auswahl akademischer Jubila¨umsschriften, einen Abschnitt mit Abbildungen und Erla¨uterungen von nahezu 200 Jubila¨umsmedaillen, sowie mehrere bibliographische Aufstellungen der Cyprian bekannten Jubila¨ums-Schriften. Die Anordnung des von Cyprian mitgeteilten Materials und seine Schrift u¨ber das Papsttum zeigen, wie sehr ihn bei der Edition neben historiographischen apologetische und polemische Motive bewegten.6 In der von Cyprian vorgelegten Form demonstrieren die „Hilaria Evangelica“ die territoriale und theologische Einheit des Luthertums und vergewissern die Leser dessen historischer Legitimita¨t. Aus diesem Grund wurde das Werk von der Kritik wohlwollend aufgenommen, und Cyprian erhielt vielfa¨ltiges Lob fu¨r seine Mu¨hen.7 Der Verkauf des volumino¨sen Werks allerdings gestaltete sich schwieriger als erwartet; und mit dem Untergang der lutherischen Orthodoxie gerieten das Werk und mit ihm die zweite Sa¨kularfeier der Reformation nahezu vollsta¨ndig in Vergessenheit.

5 Das Werk ist erstmals verzeichnet im Katalog der Ostermesse 1719. Vgl.: Die Meßkataloge des sechszehnten, siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts, Fiche Nr. 47, 3bv. 6 Zur Entstehung der Hilaria Evangelica erklart Cyprian, er habe „. . . vornemlich dahin ¨ gesehen, daß unsere hin und her zerstreuete Kirche zu mutueller Vorbitte, Liebe, gemeinnu¨tziger, auf ihre Erhaltung und Fortpflanzung der Wahrheit abzielender Consociation, auch zu milder Handreichung, aus diesem Wercke sich selbst besser erkennen, und vor die nothleidende Glieder mehrere Sorge zu tragen lernen mo¨ge.“ (Hil. Ev., Vorrede, a3r). Auch Cyprians Biograph, Erdmann Rudolf Fischer, stellt diesen Faktor heraus: „Er hielte es vor einen der gro¨ßten Fehler in unserer Kirchen, daß sie in keiner gemeinsamen Vorsorge und Hu¨lfeleistung stehet, vielmehr aber mit denen Gra¨ntzsteinen jeden Landes sich auch die consilia pro conseruanda ecclesia euangelica endigen, dahingegen das Papstthum sich erha¨lt, und die Reformirten wachsen, weil sie emsiglich zusammen treten, einander schu¨tzen und helffen . . .“. (Ders., Das Leben Ernst Salomon Cyprians, S. 41). Zu Cyprians historiographischen Motiven und Methoden: Gustav Adolf Benrath, Ernst Salomon Cyprian als Kirchenhistoriker, S. 41 f. 7 Dieses geht aus einer Reihe von Briefen hervor, die in den Monaten nach der Vero¨ffentlichung der „Hilaria Evangelica“ bei Cyprian eintrafen; aber auch die zwei Besprechungen des Werks in zeitgeno¨ssischen Zeitschriften waren des Lobes voll (Vgl. Acta Eruditorum, Supplementum VII, S. 185–200, sowie: Unschuldige Nachrichten auf das Jahr 1719, S. 57–93).

Das Reformationsjubila¨um von 1717 als Gegenstand der Forschung

13

In den Jahrzehnten danach erschienen vereinzelt kleinere, territorial begrenzte Untersuchungen zum Reformationsjubila¨um von 1717, bis anla¨ßlich des 400. Jahrestages des Thesenanschlags Forschungen zu vorangegangenen Jubila¨umsfeiern angestellt wurden. Unter diesen ragen zwei Arbeiten von Georg Arndt und Friedrich Loofs heraus, die – im Gegensatz zu den u¨brigen Untersuchungen – den Charakter des Jubila¨ums als ganzes ins Visier nehmen.8 Arndt untersuchte die Entwicklung der Reformationsfeier im Laufe der Jahrhunderte und ging in diesem Zusammenhang auf die Zweihundertjahrfeier von 1717 ein.9 Nach Arndts Schilderung fand das Jubila¨um in einem gegenu¨ber 1617 deutlich vera¨nderten Kontext statt: Die politische U¨bermacht des Katholizismus sei zwischenzeitlich durch den Protestantismus zuru¨ckgedra¨ngt worden, es habe ein Gleichgewicht zwischen den Konfessionen geherrscht (13). Am Beispiel der Feierlichkeiten in Kopenhagen, Kursachsen, Halle und Eisleben (14–21) schildert Arndt das fu¨r die Protestanten in seinem Verlauf zufriedenstellende Jubila¨um, von dem sich lediglich die „du¨rftiger und magerer“ gestalteten Feiern in Halle ungu¨nstig abhoben (19). Auch wenn Arndt auf verschiedene Besonderheiten der Feier hinweist, wie zum Beispiel auf die Situation in Kursachsen angesichts der bekanntgegebenen Konversion des Kurprinzen (16) oder auf pietistische und aufkla¨rerische Motive bei den Feiern in Halle, beschreibt er eine in ihrem Verlauf und Charakter einheitliche Feier, die bei weitem nicht mehr so stark vom Gegensatz zwischen der ro¨misch-katholischen und der protestantischen Kirche gepra¨gt war wie die Jubila¨umsfeier von 1617. Friedrich Loofs hingegen, zu diesem Zeitpunkt Professor in Halle, untersuchte die zuru¨ckliegenden Jahrhundertfeiern der Reformation an den Universita¨ten Halle und Wittenberg, und verdeutlichte an ihnen den sich wandelnden Zeitgeist.10 Gestu¨tzt auf die Auswertung der archivalischen U¨berlieferung und der gedruckten Quellen zeichnet Loofs den Verlauf und Geist der akademischen Jubila¨umsfeiern von 1717 in Halle und Wittenberg nach. Grundsa¨tzlich entdeckt er in den Feierlichkeiten dieser so gegensa¨tzlichen Universita¨ten A¨ußerungen orthodoxer, pietistischer und fru¨haufkla¨rerischer Theologie, die sich anla¨ßlich des Jubila¨ums vermischen. Fu¨r die Feiern in Wittenberg (19–40) konstatiert Loofs deren Verharren in den Denkmustern der lutherischen Orthodoxie, wenngleich „der Doktrinarismus, der Formalismus und der polemische Eifer“ der Spa¨torthodoxie (37) zuru¨ckgegangen und an dessen Stelle Zuru¨ckhaltung

8 Die wichtigsten dieser Kleinschriften sind verzeichnet bei: Karl Schottenloher, Bibliographie, IV. Band, Nr. 41181–41187. 9 Georg Arndt, Das Reformationsfest in vergangenen Jahrhunderten; die Belege der zitierten Seiten sind im laufenden Text in Klammern angegeben. 10 Friedrich Loofs, Die Jahrhundertfeier der Reformation an den Universitaten Witten¨ berg und Halle, 1617, 1717 und 1817; die Belege der zitierten Seiten sind im laufenden Text in Klammern angegeben.

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Einleitende Bemerkungen

und Friedfertigkeit im Umgang mit den theologischen Gegnern getreten seien (39). Neben einer Verlaufsbeschreibung, die ausdru¨cklich auf Gemeinsamkeiten mit den Feierlichkeiten von 1617 hinweist (19–27), ero¨rtert Loofs die Schwierigkeiten, die sich aus der Zugeho¨rigkeit des kursa¨chsischen Landesherrn zur ro¨misch-katholischen Kirche fu¨r die Feiern in Wittenberg ergaben (28–37). Die Festpredigt des Theologen Wernsdorf zieht er exemplarisch fu¨r den Geist der gema¨ßigten lutherischen Orthodoxie heran, die auch in den u¨brigen Wittenberger Jubila¨umsschriften zu Wort kommt (39 f). Einen wirklichen Umbruch markieren fu¨r Loofs allerdings die Jubila¨umsfeiern in Halle (40–53), obschon sie im Vergleich zu den Feiern in Wittenberg „zweifellos mager“ gewesen seien (45) und, bedingt durch das reformierte Bekenntnis des preußischen Ko¨nigs und dessen tolerante Religionspolitik, unter anderen Voraussetzungen stattfanden als die Feiern in Wittenberg (41 f). Loofs hebt insbesondere die Schrift „Dica Iubilaeorum“ des amtierenden Rektors Johann Peter Ludewig hervor, deren kritische Ausfu¨hrungen zum Jubila¨um Loofs der fru¨hen Aufkla¨rung zuschreibt: „Man sieht die Aufkla¨rung heranziehen, die fu¨r den orthodoxen Konfessionalismus gar kein Versta¨ndnis mehr hatte . . .“ (47). Neben den aufkla¨rerischen Gedanken Ludewigs zeigt Loofs, wie die Vertreter des Pietismus sich des Jubila¨ums zu apologetischen Zwecken bedienten (49). Obwohl die Untersuchung sich auf zwei Universita¨ten beschra¨nkt, deutet sie die gro¨ßere Bandbreite der 1717 vero¨ffentlichten Schriften und Predigten an, die sich exemplarisch anhand der akademischen Jubila¨umsfeiern erheben la¨ßt. Eine neuere, ausfu¨hrliche Wu¨rdigung hat das Reformationsjubila¨um von 1717 durch Hans-Ju¨rgen Scho¨nsta¨dt in dessen Aufsatz „Das Reformationsjubila¨um 1717“11 erfahren. Darin verfolgt Scho¨nsta¨dt die Absicht, „auf der Grundlage des bei Cyprian gebotenen Materials die Geschichte des Reformationsjubila¨ums 1717, seine Vorgeschichte, die fu¨r sein Zustandekommen wichtigen Initiativen, seine Verbreitung in den deutschen Territorien und seine Gestaltung na¨her zu beleuchten“ (59). Hinsichtlich der Vorgeschichte des Jubila¨ums unterscheidet er private und halboffizielle von offiziellen Initiativen, in die sich der grundsa¨tzliche Streit u¨ber die Legitimita¨t der Feier gemischt habe. Den ersten offiziellen Anstoß zum Jubila¨um sieht Scho¨nsta¨dt in einem beim Corpus-Evangelicorum vero¨ffentlichten Vorschlag des Landgrafen Ernst Ludwig von Hessen-Darmstadt zur Vorbereitung einer gemeinsamen Jubel-Feier, u¨ber den es am 8. April 1717 zur Beschlußfassung kam. Bedingt durch die Weigerung der preußischen Regierung, eine gemeinsame Feier des Protestantismus zu fo¨rdern, seien die Pla¨ne zu einer gemeinsamen Feier fallen gelassen und

11 Hans-Jurgen Scho ¨ nsta¨dt, Das Reformationsjubila¨um 1717; die Belege der zitierten ¨ Seiten sind im laufenden Text in Klammern angegeben.

Das Reformationsjubila¨um von 1717 als Gegenstand der Forschung

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jedem Reichsstand die individuelle Gestaltung der Feiern anheimgestellt worden (74). Der Einspruch des Prinzipal-Kommissars Christian August von Sachsen-Zeitz habe den Protestanten zum Abschluß dieser Beratungen unter Berufung auf das Reichsrecht jegliche Polemik und jeglichen Bruch des Religionsfriedens verwehrt (76 f). Im zweiten Teil seines Aufsatzes beschreibt Scho¨nsta¨dt die Feierlichkeiten in den Territorien des Reiches. Er bespricht die Feierlichkeiten in Preußen und Kursachsen (86–96) und schließt einen U¨berblick u¨ber die bei Cyprian geschilderten Feiern in den u¨brigen Territorien an. Mit Loofs entdeckt er in den A¨ußerungen Johann Peter Ludewigs den sich anku¨ndigenden „Geist der nahen Aufkla¨rung“ (69), der aber nicht repra¨sentativ fu¨r das Jubila¨um sei. Die theologischen Motive, die hier laut werden, weisen nach Scho¨nsta¨dts Auffassung zuru¨ck ins Zeitalter der lutherischen Orthodoxie: „Wo die Jubila¨umsverordnungen im Textbestand nicht ohnehin weitgehend mit denen von 1617 u¨bereinstimmten, wie etwa im Herzogtum Sachsen, boten und programmierten sie jenes Bild von Papsttum, Reformation und Luther, das in seinen wesentlichen Zu¨gen bereits aus den Verordnungen des Jahres 1617 bekannt ist.“ (108). Einen U¨berblick zum Reformationsjubila¨um von 1717 ganz anderer Art bietet Hugo Schnell, der den Wandel der Luther- und Reformationsdeutung anhand von u¨ber 500 Mu¨nzen und Medaillen aus vier Jahrhunderten beschrieben hat.12 Unter diesen finden sich 87 anla¨ßlich der Sa¨kularfeier von 1717 gepra¨gte Mu¨nzen und Medaillen. Die gedra¨ngte Form der Darstellung in Wort und Bild fu¨hrt dazu, daß diese Mu¨nzen und Medaillen ein einhelliges Zeugnis von der ungebrochenen Herrschaft der lutherischen Orthodoxie, von traditionellen Deutungskategorien der Reformation und von uneingeschra¨nkter Verehrung fu¨r Martin Luther geben. Motive pietistischer oder aufkla¨rerischer Provenienz haben in diese Quellengattung im Jahr 1717 noch keinen Eingang gefunden, vielmehr wird hier trotz aller politischen Ru¨ckschla¨ge der Versuch zur Besta¨tigung der Werte und Ideale unternommen, die als orthodox-lutherisch angesehen werden. Neben diesen allgemeinen Untersuchungen zum Reformationsjubila¨um von 1717 gibt es verschiedene Spezialuntersuchungen, die begrenzt auf ausgewa¨hlte Territorien oder theologische Einzelfragen das allgemeine Bild erga¨nzen.13 Dazu za¨hlen Eberhard Winklers Bemerkungen in seiner

Hugo Schnell, Martin Luther und die Reformation auf Mu¨nzen und Medaillen. Zu diesen territorial begrenzten Untersuchungen za¨hlen: Fritz Reuter, Evangelische Jubila¨en und Dankfeste in der freien Stadt Worms im 18. Jahrhundert; Horst Weckbach, Der Beitrag der Stadt Heilbronn zum Reformationsjubila¨um 1717, und Erich Wolf, „Ein Tag, der gar in hundert Jahren nur einmal dich begru¨ßt . . .“. Sie werden hier nicht ausfu¨hrlicher besprochen, da sie weder auf die Feiern an den lutherischen Universita¨ten eingehen noch ausfu¨hrlicher zur theologischen und historischen Deutung der Reformation anla¨ßlich des Reformationsjubila¨ums von 1717 Stellung beziehen. 12 13

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Einleitende Bemerkungen

Untersuchung zur Reformationsfestpredigt, die in Vorbereitung auf den 450. Jahrestag des Thesenanschlags entstanden ist.14 Nach Winklers Darstellung sind die Reformationsfestpredigten im Zeitalter der lutherischen Orthodoxie einschließlich der zweiten Sa¨kularfeier von 1717 durch die scharfe Polemik gegen die ro¨misch-katholische Kirche gekennzeichnet (9). Selbst im pietistischen Halle habe 1717 die Rede vom ro¨mischen Antichrist noch zum „sta¨ndigen Wortschatz der Predigten“ geho¨rt (10). Auf der anderen Seite konstatiert Winkler die Bereitschaft zur kritischen Selbstpru¨fung der lutherischen Kirche (21), und in der Luther-Deutung erkennt er eine Tendenz zur Zuru¨ckhaltung vor einer u¨berma¨ßigen Verehrung des Reformators (25). Bei der inhaltlichen Analyse beschra¨nkt Winkler sich auf die Rezeption der reformatorischen Rechtfertigungsbotschaft in den Jubila¨umspredigten. Diese ist, angeregt durch pietistische Prediger, von dem Bemu¨hen gekennzeichnet, das Verha¨ltnis von Rechtfertigung und Heiligung so zu bestimmen, daß durch die konsequente Predigt der Rechtfertigungslehre der Wille zur Heiligung nicht gela¨hmt werde (26). Ungeachtet vieler treffender Beobachtungen, die Winkler in seiner Untersuchung festha¨lt, kommen jedoch, bedingt durch die schmale Quellenbasis, wichtige Aspekte der theologischen und historischen Deutung der Reformation in den Jubila¨umspredigten von 1717 nicht zur Sprache.

3. Reformationsgeschichte und Luther-Deutung Eine Eigenart der Reformationsjubila¨en besteht darin, daß sie, infolge der beherrschenden Rolle Luthers fu¨r die Reformationsgeschichte, vom Luther-Gedenken gepra¨gt sind. Zum Luther-Versta¨ndnis im fru¨hen 18. Jahrhundert gibt es mehrere Untersuchungen, die zum Teil zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Den Auftakt bildete Horst Stephans knappe, auf umfangreichen Quellen basierende Untersuchung zur Entwicklung des Luther-Bildes.15 Bestimmende Gro¨ßen der Luther-Deutung im ausgehenden 17. und beginnenden 18. Jahrhundert waren demnach das Luther-Bild der lutherischen Orthodoxie (S. 11–22) und dessen von pietistischen Theologen eingeleitete Auflo¨sung. Der Orthodoxie attestiert Stephan geringe Kenntnis der Schriften des Reformators, die zu summarischen Aufza¨hlungen theologischer wie biographischer Fakten gefu¨hrt, den eigentlichen Zugang zu Bio14 Eberhard Winkler, Die Reformationsfestpredigt; die Belege der zitierten Seiten sind im laufenden Text in Klammern angegeben. 15 Horst Stephan, Luther in den Wandlungen seiner Kirche; die Belege der zitierten Seiten sind im laufenden Text in Klammern angegeben.

Reformationsgeschichte und Luther-Deutung

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graphie und Theologie Luthers aber verwehrt habe (15 f). Der aufkommenden Kritik an Luther widersprachen die orthodoxen Theologen mit dem Lehrstu¨ck von der go¨ttlichen Berufung Luthers und mischten seiner „prophetischen“ oder „apostolischen“ Sendung endzeitliche Zu¨ge bei: So habe sich das Luther-Bild mehr und mehr zur „subtilen Abgo¨tterei“ entwickelt (19). Erst der Pietismus habe unter der A¨gide von Spener, Arnold und Zinzendorf eine selbsta¨ndige Bescha¨ftigung mit Luther begonnen und einen kritischen Zugang zu Leben und Werk des Reformators ero¨ffnet (25). Neben perso¨nlicher Kritik habe die Unterscheidung zwischen dem jungen und dem alten Luther an Gewicht gewonnen (30 f). Die orthodoxe Rede von Luther, dem go¨ttlichen Werkzeug und Propheten, sei durch die pietistische Beschreibung Luthers als „Vorbild und Helfer des Glaubens“ bereichert worden (28). Eine detaillierte Untersuchung zum Luther-Versta¨ndnis vom Zeitalter der Reformation bis zum Beginn der Goethezeit legte Ernst Walter Zeeden mit seiner Studie „Martin Luther und die Reformation im Urteil des deutschen Luthertums“ vor.16 Zeeden charakterisiert das fru¨he 18. Jahrhundert als „Epoche des U¨bergangs“ (111), nachdem im 17. Jahrhundert das aus dem 16. Jahrhundert u¨berkommene Bild von Luther als dem von Gott gesandten Apostel und Reformator der Kirche gepflegt und theologisch ausgebaut worden war (109). Den Ausgangspunkt fu¨r diese Entwicklung bildeten nach seiner Meinung die Luther-Forschungen Veit Ludwig von Seckendorfs, die erstmals seit vielen Jahrzehnten wieder einen unmittelbaren Zugang zu Geschichte und Theologie Luthers ero¨ffnet (118) und Luther als „religio¨se Perso¨nlichkeit“ beschrieben ha¨tten (117). Einen na¨chsten, wichtigen Entwicklungsschritt sieht Zeeden in der Rezeption der reformatorischen Theologie durch Leibniz, der zeitlebens die Vereinigung der seit der Reformation getrennten Kirchen betrieb (135). Den pietistischen Theologen kommt nach Zeeden das Verdienst zu, die Autorita¨t Luthers fu¨r die Kirche relativiert zu haben: Spener unterwarf Luthers Lehre dem Korrektiv der Heiligen Schrift (155), betonte die Bedeutung der perso¨nlichen Fro¨mmigkeit neben der Kenntnis der reinen Lehre (158 f) und forderte die Fortsetzung der nach seinem Versta¨ndnis unvollendet gebliebenen Reformation. Arnold verscha¨rfte die kritische Luther-Deutung und beka¨mpfte mit seiner Hervorhebung der inneren Erleuchtung Luthers (172 f) und seiner Kritik das orthodoxe Luther-Bild (175 ff): „Ein Sprengko¨rper, der in Luthers Reformationstat lag, war im Pietismus explodiert, nachdem die lutherische Orthodoxie in anderthalbjahrhundertelanger Arbeit durch scholastisch-dogmatische und institutionell den katholischen analoge Methoden ihn sorgfa¨ltig einzuhu¨llen versucht hatte.“ (184) Die Entwu¨rfe von Leibniz bis zu den Pietisten bedeu-

16 Ernst Walter Zeeden, Martin Luther Band I, Belege in Klammern im laufenden Text. Die Belege der zitierten Seiten sind im laufenden Text in Klammern angegeben.

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Einleitende Bemerkungen

teten demnach den Bru¨ckenschlag ins Zeitalter der Aufkla¨rung, gegen den sich mit Ernst Salomon Cyprian und Valentin Ernst Lo¨scher letzte Vertreter der lutherischen Orthodoxie wehrten (197 ff). Heinrich Bornkamms Untersuchung17 schließlich setzt Zeedens Arbeit in sachlicher Hinsicht fort, weshalb Bornkamm den Zeitraum von der Reformation bis zur Aufkla¨rung nur skizzenartig abhandelt und erst die folgenden, von Zeeden nicht mehr behandelten Epochen, ausfu¨hrlicher wu¨rdigt. In den ersten zwei nachreformatorischen Jahrhunderten ist demnach der konfessionelle Gegensatz auf protestantischer und ro¨misch-katholischer Seite gleichenteils verantwortlich fu¨r eine uniforme positive oder negative Rezeption Luthers und seines Werkes. Erst mit dem Pietismus habe sich innerhalb des Protestantismus die Vielfalt der Lutherrezeption geweitet: perso¨nliche Zu¨ge des Reformators, bis dahin nur von der ro¨misch-katholischen Polemik gegen ihn ins Feld gefu¨hrt, fanden gro¨ßere Beachtung, und gestu¨tzt auf Speners Urteile sei die Lutherverehrung „auf ein vernu¨nftiges Maß zuru¨ckgefu¨hrt worden“ (15). Von einem Umbruch in der Luther-Deutung ist nach Bornkamms Auffassung im fru¨hen 18. Jahrhundert jedoch noch keine Rede: zu groß war die Wertscha¨tzung fu¨r Luther, zumal die aufbrechenden Widerspru¨che in Biographie und Werk des Reformators noch immer zu einer lebendigen Einheit verbunden wurden: „Einen wirklich neuen, Luther selbst wie den bisherigen Deutungen fremden Zug brachte in sein Bild erst die Aufkla¨rung.“ (16)

4. Fragestellung, Quellen und Methode der Arbeit In welchem Maß Reformationsjubila¨en aussagekra¨ftige Momentaufnahmen und Zustandsbeschreibungen des Protestantismus sind, zeigen die Arbeiten Hans-Ju¨rgen Scho¨nsta¨dts zum Reformationsjubila¨um von 161718 und Wichmann von Medings zum Reformationsjubila¨um von 1817.19 Konnte Scho¨nsta¨dt fu¨r 1617 die feste Verwurzelung des Reformationsjubila¨ums in der lutherischen Orthodoxie vermelden, so ist das Reformationsgedenken im Jahr 1817 mit den Idealen der spa¨ten Aufkla¨rung, des Nationalgedankens und des Subjektivismus verbunden, wa¨hrend die geistliche Dimension eher in den Hintergrund gera¨t. Auf der Mitte zwischen diesen sehr unterschiedlichen Sichtweisen der Reformation und ihrer Hauptgestalten liegt die Sa¨kularfeier 1717. Das Zeitalter der lutherischen Orthodoxie ist noch nicht zu Ende gegangen, der lutherische Pie17 Heinrich Bornkamm, Luther im Spiegel der deutschen Geistesgeschichte; die Belege der zitierten Seiten sind im laufenden Text in Klammern angegeben. 18 Hans-Jurgen Scho ¨ nsta¨dt, Antichrist, Weltheilsgeschehen und Gottes Werkzeug. ¨ 19 Wichmann von Meding, Kirchenverbesserung.

Fragestellung, Quellen und Methode der Arbeit

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tismus ist eine wichtige Bewegung innerhalb des Luthertums, die Aufkla¨rung beginnt in Deutschland Fuß zu fassen. Welches Gewicht aber die jeweiligen Richtungen gewonnen haben, und in welche Richtung die Reformationsdeutung und die Luther-Deutung tendieren, la¨ßt sich ohne eine eingehende Untersuchung nicht sagen. Angesichts der großen Menge gedruckt vorliegender Quellenschriften, Predigten, Festprogramme etc. war eine Beschra¨nkung der Untersuchung no¨tig. Aus diesem Grund konzentriert sich die Darstellung auf die Feier des Reformationsjubila¨ums von 1717 auf die zwo¨lf lutherischen Universita¨ten im deutschsprachigen Raum, die als repra¨sentativ fu¨r das deutsche Luthertum angesehen werden ko¨nnen. Zum einen werden bei Beru¨cksichtigung dieser zwo¨lf Universita¨ten Feierlichkeiten in allen großen protestantischen Territorien in ihrer Entstehung und Gestaltung geschildert, die in den Universita¨tssta¨dten oftmals mit besonderer Sorgfalt vorbereitet und durchgefu¨hrt wurden. Die wesentlichen Aspekte der Vorgeschichte des Jubila¨ums werden in diesen Schilderungen ebenso beru¨hrt wie die unterschiedlichen Formen und Inhalte der Jubila¨umsfeier vom Festgottesdienst bis zum Festmahl, von den Illuminationen bis zu den Prozessionen, vom Jubila¨umsgedicht bis zur Jubila¨umsmedaille. Als ebenso repra¨sentativ ko¨nnen die lutherischen Universita¨ten angesehen werden, was die theologische und historische Rezeption der lutherischen Reformation und ihrer Wirkungen anla¨ßlich des Jubila¨ums angeht. Die maßgeblichen theologischen Lehrer waren an den deutschen lutherischen Universita¨ten vertreten und haben sich dort anla¨ßlich des Reformationsjubila¨ums zu Wort gemeldet. Theologische Deutungen der Reformation, die deutlich von den hier vertretenen U¨berzeugungen abweichen, sind nicht ohne weiteres zu erwarten. Wenn aber der Geist der Fru¨haufkla¨rung das Reformationsjubila¨um mitbestimmt haben sollte, dann wird er an den deutschen lutherischen Universita¨ten zuerst geweht haben, wo Thomasius, Buddeus, Wolff und Ludewig lehrten. Die von Ernst Salomon Cyprian herausgegebenen „Hilaria Evangelica“ bilden die wichtigste Quelle fu¨r die Erforschung des Reformationsjubila¨ums von 1717. Neben den Festverordnungen aus den meisten Territorien, in denen das Jubila¨um gefeiert wurde, enthalten sie mehrere Bibliographien von Jubila¨umsschriften, eine Zusammenstellung der ihm bekannten Jubila¨ums-Medaillen und eine Auswahl von akademischen Jubila¨umsschriften. Auf die „Hilaria Evangelica“ wird auch fu¨r die vorliegende Arbeit immer wieder zuru¨ckgegriffen, freilich in dem Wissen, daß Cyprian mit den „Hilaria Evangelica“ ein bestimmtes Bild von den Jubila¨umsfeierlichkeiten zeichnen wollte, das gegebenenfalls durch die Heranziehung weiterer Quellen besta¨tigt, erga¨nzt oder korrigiert werden muß. Zu diesen Quellen, die im folgenden neben den „Hilaria Evangelica“ herangezogen werden, geho¨rt an erster Stelle ein Konvolut von unver-

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Einleitende Bemerkungen

o¨ffentlichten Akten, die von Cyprians Vorarbeiten zu den „Hilaria Evangelica“ Zeugnis ablegen. Diese im Thu¨ringischen Staatsarchiv Gotha aufgehobenen Akten bestehen vornehmlich aus den Antwortschreiben, die Cyprian auf seine Bitte um die U¨bersendung von Materialien zu den Jubila¨umsfeierlichkeiten erhalten hat. Neben den Einsichten, die diese Korrespondenz in die Entstehung der „Hilaria Evangelica“ und in Cyprians Arbeit als Chronist des Jubila¨ums vermittelt, fanden sich darin umfangreiche Materialien von den akademischen Jubila¨umsfeierlichkeiten an den Universita¨ten Rostock und Ko¨nigsberg. Ganze Disputationen, Jubelreden und andere Texte, die anla¨ßlich des Jubila¨ums entstanden, aber, mo¨glicherweise in Erwartung ihrer Vero¨ffentlichung durch Cyprian, nie von ihren Verfassern selbst vero¨ffentlicht worden sind, konnten zusa¨tzlich fu¨r die Beschreibung der akademischen Jubila¨umsfeiern herangezogen werden.20 Geben diese Akten aus dem Thu¨ringischen Staatsarchiv auch einen ersten Einblick in die Vorgeschichte des Reformationsjubila¨ums, mußte zur Rekonstruktion von dessen Entstehung und Verlauf an den deutschen lutherischen Universita¨ten die betreffende U¨berlieferung in den entsprechenden Archiven gepru¨ft werden. Dazu geho¨ren an erster Stelle die Universita¨tsarchive derjenigen Universita¨ten, die das Reformationsjubila¨um 1717 mit akademischen Jubila¨umsfeierlichkeiten begangen haben. Erga¨nzt wurden diese Materialien durch die Korrespondenz der preußischen, kursa¨chsischen, sa¨chsischen und hessischen Reichstagsgesandten mit ihren Landesherren, aus denen die verschiedenen Initiativen zur Feier nachgezeichnet werden ko¨nnen. Die dritte wichtige Quellengattung neben den „Hilaria Evangelica“ und der archivalischen U¨berlieferung bilden die akademischen Jubila¨umsschriften, die als Quellengrundlage fu¨r die Untersuchung der theologischen Motive der Jubila¨umsfeiern herangezogen wurden. Dabei handelt es sich in der Regel um Disputationen und vereinzelt um Drucke der Predigten von Professoren der Theologie. Von solchen Predigten sind nur wenige u¨berliefert. Abgesehen von einigen Ausnahmen sind die akademischen Jubila¨umsschriften in niedrigen Auflagen gedruckt worden und heute lediglich in einzelnen Exemplaren vorhanden; und die Universita¨tsprogramme, die bisweilen den Umfang eines Druckbogens hatten, sind versta¨ndlicherweise selten erhalten geblieben.21

20 Ungeklart blieb freilich, woher Cyprian Nachricht uber die von ihm verzeichneten Ju¨ ¨ bila¨umsschriften bekommen hat. Eine ganze Reihe der akademischen Schriften, die Cyprian nennt, lassen sich bibliographisch sonst nicht nachweisen und sind selbst in den Archiven oder Universita¨tsbibliotheken der Universita¨ten nicht nachweisbar, an denen sie vorgeblich entstanden sind. 21 Da die meisten Quellenschriften nur in sehr geringen Auflagen gedruckt wurden und schwer zuga¨nglich sind, dem Leser dennoch ein Einblick in die Quellenschriften gewa¨hrt werden soll, sind sie im Anmerkungsteil ausfu¨hrlich zitiert. Bei den Zitaten werden offen-

Fragestellung, Quellen und Methode der Arbeit

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Um beide Aspekte der Jubila¨umsfeier, den historischen und den theologischen, darzustellen, ist die Untersuchung in zwei Hauptteile gegliedert. Der erste, historische Teil (Kap. II und III) widmet sich den privaten und offiziellen Initiativen, die fu¨r die Planung und Durchfu¨hrung des Reformationsjubila¨ums von 1717 im lutherischen Deutschland wesentlich waren. Dabei kommen auch kritische Stimmen zur Sprache, die im Vorfeld des Jubila¨ums laut wurden (Kap. II). Sodann wird die Durchfu¨hrung der Jubila¨umsfeiern an den deutschen lutherischen Universita¨ten nachgezeichnet (Kap. III). Wenn in diesem Zusammenhang immer wieder ein Blick auf die lokalen Feiern in den jeweiligen Universita¨tssta¨dten geworfen wird, liegt das daran, daß die Planungen der sta¨dtischen und der akademischen Feierlichkeiten oft eng miteinander verknu¨pft waren und ein Großteil der Professoren auch bei den kirchlichen Feierlichkeiten aufgetreten ist. Den Beschreibungen der Feierlichkeiten selbst ist jeweils ein kurzer Einblick in die Entwicklung der Universita¨t in den Jahrzehnten vor dem Jubila¨um vorausgeschickt, um sie hinsichtlich ihres Bekenntnisstandes im Kreis der lutherischen Universita¨ten zu charakterisieren. Die Abfolge der Universita¨ten in Kap. III spiegelt die Ergebnisse dieser Einscha¨tzung wieder: Sie beginnt mit der 1717 weiterhin als orthodox-lutherisch geltenden Universita¨t Wittenberg und schließt mit den Feierlichkeiten an der 1717 wohl „fortschrittlichsten“ Universita¨t Halle. Der zweite Hauptteil (Kap. IV und V) widmet sich den theologischen Aspekten, die in den Jubila¨umsschriften angesprochen werden. Er beginnt mit Ausfu¨hrungen zur historischen und theologischen Methode der Jubila¨umsschriften (Kap. IV.1), bevor die historischen und theologischen Positionen behandelt werden. Diese setzen mit der Zustandsbeschreibung der christlichen Kirche vor der Reformation ein (Kap. IV.2) und wenden sich dann dem Verlauf der Reformation aus Sicht der akademischen Jubila¨umsschriften (Kap. IV.3) und dem hier gezeichneten Bild von Leben und Werk Luthers zu (Kap. IV.4), um mit einer Zusammenfassung der nach Auskunft der Jubila¨umsschriften wesentlichen Fru¨chte der Reformation zu schließen (Kap. IV.5). Die Darstellung der Situation des Protestantismus und der ro¨misch-katholischen Kirche im fru¨hen 18. Jahrhundert bildet ein eigenes kurzes Kapitel (Kap. V). Das abschließende Kapitel VI dient der Zusammenfassung der Ergebnisse dieser Arbeit. In diese Zusammenfassung fließt ein Vergleich mit den Jubila¨umsfeiern von 1617 und 1817 ein, soweit er einer Pra¨zisierung des historischen und theologischen Standorts des Reformationsjubila¨ums von 1717 dient.

sichtliche Rechtschreibfehler stillschweigend korrigiert und Ligaturen aufgelo¨st; ansonsten folgen die Zitate buchstabengetreu den Quellenschriften. Die einzige Ausnahme bilden Cyprians „Hilaria Evangelica“, die nicht nur in der Fassung von 1719, sondern seit einigen Jahren auch als Microfiche-Ausgabe und damit dem interessierten Leser leicht zuga¨nglich sind.

II. Die Vorgeschichte des Jubila¨ums

1. Die politischen Vorbereitungen Als im Jahre 1617 die Kurpfalz und die von ihr angefu¨hrte protestantische Union zu den Planungen einer Hundertjahrfeier des Thesenanschlags ansetzten, hatte es dafu¨r gewichtige politische Gru¨nde gegeben.1 Am Vorabend des Dreißigja¨hrigen Krieges bot die Feier eine willkommene Gelegenheit, die lutherischen und reformierten Reichssta¨nde in Erinnerung ihrer gemeinsamen Wurzeln zu sammeln und sie der Rechtma¨ßigkeit und Notwendigkeit des einst vollzogenen Bruchs mit der ro¨misch-katholischen Kirche zu vergewissern. A¨hnliche Bedeutung hatte das Bestreben nach der reichsrechtlichen Anerkennung des reformierten Bekenntnisses, die sich fu¨r die reformierten Reichssta¨nde mit der Beteiligung an der Feier verband. Neben der Kurpfalz hatte sich im Vorfeld der Feiern von 1617 Kursachsen als treibende Kraft des Jubila¨ums beta¨tigt, wo die seit dem Fru¨hjahr 1617 unternommenen Anstrengungen der Verpflichtung des Stammlandes der Reformation zur Bewahrung des reformatorischen Erbes entsprangen. Die vom Dresdener Oberkonsistorium betriebenen Planungen fanden Zustimmung bei Kurfu¨rst Johann Georg (1611–1656), und die kursa¨chsischen Vorschla¨ge fu¨r die Gestaltung der Feier wurden auch anderenorts u¨bernommen; in ihrem Einfluß beschra¨nkten sie sich letztlich aber auf die der Konkordienformel verpflichteten Reichssta¨nde. Neben diesen von der Kurpfalz bzw. Kursachsen angeregten Jubelfeiern hatten im Jahre 1617 einzelne Reichssta¨nde eigensta¨ndige Jubelfeiern ausgerichtet, so daß sich der Protestantismus im Oktober 1617 in großer Geschlossenheit seiner historischen Wurzeln erinnert und Gott fu¨r die Reformation gedankt hatte. Ein Jahrhundert spa¨ter waren die wichtigsten Voraussetzungen, die 1617 zu einer gemeinsamen Reformationsjubelfeier im deutschen Protestantismus gefu¨hrt hatten, weggefallen: Der pfa¨lzische und der sa¨chsische Kurfu¨rst geho¨rten mittlerweile dem katholischen Bekenntnis an und sahen keine Veranlassung, Planungen fu¨r eine Reformationsjubelfeier in 1 Zu den Motiven und dem Verlauf der Jubilaumsfeierlichkeiten von 1617: Hans-Jurgen ¨ ¨ Scho¨nsta¨dt, Antichrist, Weltheilsgeschehen und Gottes Werkzeug, S. 13–19; jetzt auch: Thomas Kaufmann, Dreißigja¨hriger Krieg und Westfa¨lischer Friede, S. 10 ff.

Die politischen Vorbereitungen

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die Wege zu leiten. Dem reformierten Bekenntnis war im Westfa¨lischen Frieden die reichsrechtliche Gleichstellung mit dem katholischen und dem lutherischen Bekenntnis zugebilligt worden, weshalb die reformierten Reichssta¨nde abgesehen von der Kurpfalz, so zum Beispiel die Landgrafschaft Hessen-Kassel, nunmehr darauf bedacht waren, ihre Unabha¨ngigkeit vom Luthertum herauszustellen. Und schließlich verpflichteten der Westfa¨lische Frieden und andere Religionsvereinbarungen die Konfessionen zu Ma¨ßigung und Toleranz in religio¨sen Angelegenheiten, weshalb konfessionalistische Motive, die der ersten Sa¨kularfeier von 1617 ihr charakteristisches Gepra¨ge verliehen hatten, als Leitmotiv einer neuerlichen Jubila¨umsfeier nicht in Frage kamen. Bei einer Zweihundertjahrfeier bedurfte es demnach zur Planung und Leitung gemeinsamer Vorbereitungen anderer Reichssta¨nde. Auch mußten sich die beteiligten Reichssta¨nde von neuem u¨ber die Motive einer Jubila¨umsfeier klar werden. Schon die verschiedenen Initiativen zur Planung dieses zweiten Reformationsjubila¨ums spiegeln die Uneinigkeit des Protestantismus und dessen gewandeltes Verha¨ltnis zur lutherischen Reformation wider. Im folgenden werden diejenigen Entscheidungen nachgezeichnet, die richtungsweisenden Charakter fu¨r die Feiern im Jahre 1717 hatten; die Darstellung richtet sich daher auf die Vorga¨nge im Ko¨nigtum Preußen, im Herzogtum Sachsen und in der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt und auf deren Einfluß auf die Vorbereitungen in den u¨brigen lutherischen Territorien.2 Die ersten Schritte u¨berhaupt zur Vorbereitung des Reformationsjubila¨ums 1717 gingen vom Magdeburger Konsistorium aus. Dieses wandte sich am 17. September 1716 mit der Bitte an den preußischen Ko¨nig Friedrich Wilhelm I., ob dieser seine Einwilligung dazu geben ko¨nne, „. . . daß dergleichen Jubelfest auch alhier, und in Dero Herzogthumb Magdeburg, bey denen Evangelischen-Lutherischen Kirchen in Conformita¨t dessen, wie es bereits vormahls vor 100 Jahren, nebst denen benachbarten geschehen, mit Predigen, Beten, Singen, Loben und Dancken feyerlich begangen und dabey jung und alt treulich und hertzlich vermahnet werde, dieser grossen Wohlthat Gottes nimmer zu vergessen, vielmehr bey ta¨glich wieder anwachsenden Papstthum deßen grundlose Gu¨te inbru¨nstig zu bitten, daß Er einen jeden vor falscher Lehr und Verfu¨hrung gna¨diglich bewahren und sein Wort lauter und rein bey unß und Unsern Nachkommen bis ans Ende der Welt erhalten wolle.“3

2 Im Unterschied zu Hans-Jurgen Schonstadts Untersuchung, Reformationsjubilaum ¨ ¨ ¨ ¨ 1717, die fast ausschließlich auf den von Ernst Salomon Cyprian in den „Hilaria Evangelica“ publizierten Quellen beruht, wurde fu¨r die folgende Darstellung die relevante archivalische U¨berlieferung herangezogen, deren Kenntnis das von Scho¨nsta¨dt gezeichnete Bild wesentlich erweitert: Das Geflecht der Initiatoren vera¨stelt sich, wichtige Einzelquellen ko¨nnen erga¨nzt werden, und die verschiedenen Interessen an der Durchfu¨hrung des Jubila¨ums treten deutlicher hervor. 3 Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Geheimes Staatsarchiv; I. HA Rep. 47 Nr. 20; Schreiben des Magdeburgischen Konsistorium am 17. Sept. 1716 an Ko¨nig Friedrich Wilhelm.

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Die Vorgeschichte des Jubila¨ums

Der Ko¨nig ließ mit seiner Antwort lange auf sich warten. Doch als er am 25. Januar 1717 sein Einversta¨ndnis mit den geplanten Feiern erkla¨rte, fu¨gte er seiner Antwort gleich die vollsta¨ndig ausgearbeiteten Anordnungen und Abku¨ndigungen fu¨r das Fest nebst dem Befehl zu dessen Abhaltung in den lutherischen Kirchen bei. Ohne andere protestantische Reichssta¨nde konsultiert zu haben, beschied er die Kirchenleitungen seines Ko¨nigreichs, daß in den evangelisch-lutherischen Kirchen am 24. Oktober in Kanzelabku¨ndigungen auf den bevorstehenden Gedenktag hingewiesen werden und am 31. Oktober in einem vorgeschriebenen Gebet des Anfangs der Reformation gedacht und fu¨r deren Gaben gedankt werden solle.4 Die Anfrage aus Magdeburg wurde damit als erledigt angesehen, und im Februar wurden die Formulare und Anordnungen fu¨r die evangelisch-lutherischen Kirchen in Preußen gedruckt und verteilt.5 Fu¨r die evangelisch-reformierten Kirchen erkla¨rte Friedrich Wilhelm I., diese sollten sich nicht an der Jubila¨umsfeier beteiligen, da sie „diversae religionis“ seien.6 In Sachsen unternahm Herzog Christian von Sachsen-Weißenfels (1712–1736) am 10. November 1716 erste Schritte in Richtung auf eine Sa¨kularfeier der Reformation. Es lag dies insofern in seiner Verantwortung, als dem Herzogtum Sachsen-Weißenfels im Jahre 1700 das Directorium in ecclesiasticis fu¨r das Kurfu¨rstentum Sachsen nebst der Oberaufsicht u¨ber das Oberkonsistorium in Dresden u¨bertragen worden war.7 Um in der Wahrnehmung der Kirchenleitung keine großen Versa¨umnisse zu begehen, bat Herzog Christian den Geheimen Rat und Vize-Kanzler Heinrich von Bu¨nau, im Dresdener Oberkonsistorium mo¨gen U¨berlegungen angestellt werden, wie eine Jubila¨umsfeier im kommenden Jahr gestaltet werden ko¨nnte.8 Daß von Bu¨nau am 28. November 1716 mit dem Hinweis auf die angespannte konfessionelle Situation in Kursachsen zu einem vorsichtigen Vorgehen riet, entsprach keineswegs den Vorstellungen Herzog Christians. Aus einem Schreiben Herzog Christians vom 5. Dezember wird deutlich, wie der Herzog die von dem Geheimen Rat vorgetragenen Bedenken mit politischen Erwa¨gungen zu zerstreuen suchte, als er erkla¨rte:

4 Ein Exemplar dieses Schreibens des Konigs vom 25. Januar 1717 befindet sich in: Stif¨ tung Preußischer Kulturbesitz, Geheimes Staatsarchiv; I. HA Rep. 47 Nr. 20. Die offiziellen Anordnungen sind ebenfalls auf den 25. Januar 1717 datiert. 5 Hinsichtlich akademischer Feiern hat es weder zu diesem noch zu einem spateren Zeit¨ punkt gesonderte Anweisungen gegeben. Die an den Universita¨ten in Halle und Ko¨nigsberg durchgefu¨hrten Feiern gingen auf die Eigeninitiative der Universita¨ten zuru¨ck; vgl. dazu Friedrich Loofs, Jahrhundertfeier, S. 43. 6 Vgl. Friedrich Loofs, Jahrhundertfeier, S. 41, Anm. 3. 7 Diese Regelung ruhrte von der Konversion Augusts des Starken im Jahre 1697 her. Im ¨ Vollzug der im Anschluß an seine Konversion abgegebenen Religionsversicherung wurde das Directorium in ecclesiasticis an den Herzog von Sachsen-Gotha u¨bertragen, der es von 1698 bis 1700 versehen und dann an den Herzog von Sachsen-Weißenfels u¨bergeben hat. 8 Sachsisches HStA, Geheimes Archiv, Loc. 7436/19, Bl. 5v. ¨

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„. . . Nachdem aber gleichwohl das Directorium inter Evangelicos annoch bey dem Churhause Sachsen ist, auch der U¨bertrag desselben auf Reichs- und CreyßTagen in bekanndter Maaße an Uns geschehen, hierna¨chst ohne besondere Anmerckung bey denen gesamten Evangelischen Sta¨nden, nicht gelaßen werden mo¨chte, wenn man bey diesem instehenden Seculo Lutherano sich anders als bey vorigem geschehen von Seiten des Chur- und Fu¨rstlichen Hauses Sachsen auffu¨hren wolte . . .“9

Mit anderen Worten: Wollten die sa¨chsischen Herzogtu¨mer ihre Stellung unter den evangelischen Reichssta¨nden nicht weiter schwa¨chen, konnte man sich aus Sicht des Herzogs den Verzicht auf eine Jubila¨umsfeier kaum leisten, sondern mußte mit gutem Beispiel vorangehen. Wie stark trotz der herzoglichen Initiative die Vorbehalte des Oberkonsistoriums gegen das Jubila¨um waren, zeigt das Verhalten Valentin Ernst Lo¨schers, der als Oberkonsistorialassessor u¨ber den Stand der laufenden Verhandlungen gut informiert war. Fu¨r Lo¨scher schien es schon zu diesem Zeitpunkt angezeigt, auch noch an anderer Stelle als bei Herzog Christian oder im Dresdener Oberkonsistorium vorstellig zu werden, um zu verhindern, daß die Jubila¨umsfeiern in Kursachsen ausfielen. Er wandte sich schriftlich an den Konsistorialrat Ernst Salomon Cyprian, der in Diensten des Herzogs Friedrich II. von Sachsen-Gotha, eines standhaften Lutheraners, stand. Die ernestinischen Herzo¨ge, allen voran Herzog Friedrich II. von Sachsen-Gotha, sollten sich, so Lo¨scher, ein Herz fassen, eigene Planungen zum bevorstehenden Festtag zu betreiben und damit die kursa¨chsisch-albertinischen Verwandten ungeachtet aller zu befu¨rchtenden ro¨misch-katholischen Widersta¨nde zur Durchfu¨hrung einer Jubila¨umsfeier bewegen.10 Aber auch diese Initiative Lo¨schers zeigte keinen Erfolg: fu¨rs erste waren die Vorbereitungen in Kursachsen in diesem Fru¨hstadium ins Stocken geraten. Gleichwohl sollte der von Lo¨scher so dringlich gewu¨nschte Anstoß nicht mehr lange auf sich warten lassen – wenngleich er aus einer anderen, eher unerwarteten Richtung kam. Denn am 8. Dezember 1716 instruierte Landgraf Ernst Ludwig von Hessen-Darmstadt seinen Gesandten am Reichstag zu Regensburg, den Freiherrn von Hagen, ein Schreiben an die lutherischen Reichssta¨nde weiterzuleiten, mit dem der Landgraf einer gemeinsamen lutherischen Jubila¨umsfeier den Weg bahnen wollte. In diesem Schreiben hieß es:

Sa¨chsisches HStA, Geheimes Archiv, Loc. 7436/19, Bl. 18r. Lo¨scher schreibt am 20. November 1716 an Cyprian: „. . . Utinam per Serenissimos Principes Vestros commoda [Randbemerkung Cyprians: Theologi electorales suchen sponte Serenissimi nostri Vorsorge wegen deß instehenden Jubilaei] aliqua ratione Consiliariis Intimi Electorales excitari possent, ut Jubilaei Evangelici, quod instat, solennem celebrationem cordi haberent: toti enim . . ., imo Romanenses extimescunt.“ (FLB, Chart A 424, Bl. 79). 9

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„Wir haben demselben, was wegen des, nun fast vor 200 Jahren durch den theuren Mann, D. Martin Luthern angefangenen u. unter go¨ttl.en beystand glu¨cklich vollbrachten heilsamen Reformations-Wercks, nun bald um diese Zeit des vorigen Seculi, in denen Chur-Sa¨chsischen u. nach solchem Exempel in unsern u. mehr anderen der A. C. zugethanen Sta¨ndten, Landen, vor ein Jubel-Fest begangen u. celebrirt worden, hierbey abschriftlich communiciren wollen, mit g[na¨]d[ig]sten gesinnen; nachdem mit dem 31.ten Octobr. instehenden 1717ten Jahres abermahl ein- und damit das zweyte hundert, von Zeit der angefangenen Reformation an, umla¨ufft, mithin das dritte durch go¨ttl. gnade angefangen werden wird; u. dann sich gebu¨hren will, daß dismal nicht weniger dem großen Gott vor die bisherige Erhaltung der reinen Lehre der schuldige Dank erstattet – so dann auch dessen Allmacht, um ferneren tu¨chtigen Schutz u. Beystand, zumahlen bey gegenwa¨rtigmißlich Zeit- und la¨uften angeflehet werde. Daß dannenhero derselbe, mit derer u¨brigen auf gegenw[a¨rtigen] R.tags anwesenden Evangel.en Churfu¨rsten u. Sta¨nden Ministern u. Ra¨then daraus vertraulich Communication pflegen, u. solche damit Sie sich . . . eines gewissen Modi, wie solches anzuordnen vergleichen, so dann Ihre Hohe Committenden, uns das Werck so wol an sich, als ratione modi, unter sa¨mtl. der A. C. zugethanen Sta¨nden, allgemein u. uniform zu machen, zur approbation u. billigung zu bewegen suchen mo¨gen veranlaßen wolle . . .“11

Dem Schreiben lag eine Kopie der kursa¨chsischen Anordnungen fu¨r das Jubila¨um von 1617 bei, die als Anhaltspunkt fu¨r weitere U¨berlegungen dienen sollten,12 und von Hagen leitete sie mitsamt den kursa¨chsischen Anordnungen an die in Regensburg versammelten Gesandten der lutherischen Reichssta¨nde weiter. Daß es gerade von Hagen war, dem diese Aufgabe zufiel, ist insofern von Bedeutung, als dieser neben Hessen-Darmstadt fu¨r weitere Territorien als Gesandter fungierte und somit ein wichtiger Multiplikator fu¨r den Gedanken des Jubila¨ums am Reichstag war.13 Allerdings machte er das auf den 21. Dezember 1716 datierte Schreiben nicht sofort allen Reichssta¨nden zuga¨nglich, weshalb dessen Verbreitung sich bis weit in den Januar 1717 verzo¨gerte. Ein Bericht des sa¨chsischen Gesandten Willisen vom 4. Februar 1717 legt die Vermutung nahe, der Darmsta¨dter Gesandte habe die u¨brigen Gesandten nur sukzessive u¨ber 11 Die Initiative des Landgrafen Ernst Ludwig von Hessen-Darmstadt ist es, auf die Cyprian in den „Hilaria Evangelica“ alle weiteren Maßnahmen zum Reformationsjubila¨um von 1717 zuru¨ckfu¨hrt; vgl. Historisch-Theologischer Bericht vom Andern Evangelischen Jubel-Fest, Kap. XXX. Die von Cyprian zu diesem Zweck aus den in Gotha vorliegenden Berichten des Reichstagsgesandten ausgewa¨hlten Quellen geben jedoch die Aktenlage in Gotha unzureichend wieder und verleihen nur einen begrenzten Einblick in die tatsa¨chlichen Verhandlungen in Regensburg. 12 Das Original dieses auf den 8. Dezember 1716 datierten Briefes befindet sich im Hessischen Staatsarchiv Darmstadt, E 1 B Nr. 32/1, Bll. 4–5. 13 Zum Zeitpunkt des Jubilaums vertrat Heinrich von Hagen neben Hessen-Darmstadt ¨ außerdem Hessen-Kassel, Mecklenburg-Schwerin, Ostfriesland, Sachsa-Gotha-Altenburg, Sachsen-Coburg-Saalfeld sowie Schaumburg-Lippe am Regensburger Reichstag (vgl. Repertorium der diplomatischen Vertreter). Neben dem Landgrafen von Hessen-Darmstadt war er demnach in seiner Eigenschaft als Gesandter Friedrichs II. von Sachsen-Gotha einem zweiten Fo¨rderer des Reformationsjubila¨ums verpflichtet (s. S. 29 ff).

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das Vorhaben informiert, um sich erst die Unterstu¨tzung ausgewa¨hlter Reichssta¨nde zu sichern, bevor er das Darmsta¨dter Schreiben allgemein verbreitete.14 Dem u¨blichen Verfahren gema¨ß berichteten die Reichstags-Gesandten nach Erhalt der Unterlagen ihren Landesherren und erbaten Weisung fu¨r das Vorgehen in den nunmehr anstehenden Verhandlungen. Herzog Christian von Sachsen-Weißenfels beauftragte das Oberkonsistorium in Dresden, eine Instruktion fu¨r den kursa¨chsischen Gesandten, den Grafen von Bose, zu entwerfen. Am 18. Februar empfahl das Oberkonsistorium in Dresden den in Regensburg versammelten Sta¨nden anzuzeigen, in Kursachsen werde man „. . . mit feyerlicher Haltung des Gottesdienstes, weil das anniversarium eben auf einen Sonntag fa¨llet, mit allem Eifer und Devotion Gott o¨ffentl. und in allen Kirchen dieser Chur- und incorporierten Lande fu¨r diese Wohlthat des wiederherfu¨rgebrachten Evangelii und der durch den Dienst des theuren Werckzeugs, D. Luthers seel. geda¨chtnu¨ß dem deutschen Vaterlande angefangenen Reformation der in die Christl. Kirche in den finsteren Zeiten eingerissener Mißbra¨uche herzlich dancken, auch die normahlen Orationes Panegyricas und Jubilaeas auf denen Universita¨ten zu Leipzig und Wittenberg zu halten und zu celebrieren nicht vergeßen.“15

Herzog Christian machte sich diese zuru¨ckhaltende Empfehlung zu eigen und erteilte dem Grafen von Bose entsprechende Weisungen. Damit blieb Kursachsen zwar weit hinter dem Einsatz zuru¨ck, den es noch 1617 zur Fo¨rderung des Jubila¨ums erbracht hatte – u¨bertraf damit aber trotzdem die Erwartungen der u¨brigen Reichssta¨nde, die – zumindest in Teilen – befu¨rchtet hatten, Kursachsen werde sich dem Vorhaben ga¨nzlich verweigern.16 Da andere Reichssta¨nde schon in den ersten Februartagen ihre zustimmenden Antworten eingesandt hatten, konnte der hessen-darmsta¨dtische Gesandte am 18. Februar nach Darmstadt melden, es zeichne sich breite

14 Willisen entschuldigt in seiner Relation vom 4. Februar 1717 die spate Einsendung ¨ der Unterlagen u¨ber den Vorschlag Hessen-Darmstadts damit, daß er nicht wie der kursa¨chsische Gesandte vorzeitig, sondern mit den u¨brigen Reichssta¨nden erst am 21. Januar von dem Vorhaben in Kenntnis gesetzt worden sei; vgl. Sa¨chsisches HStA, Geheimes Archiv, Loc. 10 280, Vol. I–III, Bll. 12r–v. Beispielsweise erhielt der preußische Gesandte erst am 21. Januar von der Initiative Kenntnis und berichtete davon nach Berlin; vgl. Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Geheimes Staatsarchiv, I. HA Rep. 13, Nr. 29, Fasz. 7. Dagegen erstattete der kursa¨chsische Gesandte in Regensburg Graf von Bose schon am 11. Januar in der gleichen Angelegenheit Bericht; vgl. Sa¨chsisches HStA, Geheimes Archiv, Loc. 7436/19, Bl. 25r. 15 Vgl. Sachsisches HStA, Geheimes Archiv, Loc. 7436/19, Bl. 42v. ¨ 16 Der sachsen-gothaische Gesandte hatte am 20. Januar im Zusammenhang der U ¨ bermittlung von Ernst Ludwigs Vorschla¨gen angemerkt, man erwarte bei den Regensburger Gesandten keine Beteiligung Kursachsens an den Feiern, wolle sich dadurch aber die eigenen Feiern nicht verdrießen lassen; vgl. ThStAGo, Geheimes Archiv Gotha XX I Nr. 28.

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Zustimmung fu¨r den Vorschlag einer Feier zum Reformationsjubila¨um ab. Dennoch, so berichtete er weiter, sei aufgrund der angespannten politischen und kirchlichen Lage versta¨ndlich, wenn die meisten lutherischen Reichssta¨nde sich nicht auf eine einheitliche, allgemein verbindliche Gestalt der Feier festlegen wollten. Statt dessen mu¨sse wohl den einzelnen Reichssta¨nden die Entscheidung u¨berlassen bleiben, wie sie die Feier begehen wollten.17 Ernst Ludwigs Hoffnungen auf eine gemeinsame Feier, die er in einer zweiten Anweisung an den Gesandten vom 12. Februar unterstrichen hatte,18 waren damit aber noch nicht ga¨nzlich zersto¨rt. Sie wurden erst zunichte gemacht, als am 18. Februar Graf von Metternich, der preußische Gesandte, die Antwort Ko¨nig Friedrich Wilhelms auf die Initiative Ernst Ludwigs bekanntgab: Kurz und bu¨ndig teilte dieser mit, er achte die Bemu¨hungen Ernst Ludwigs, habe aber die notwendigen Anordnungen fu¨r seine Territorien bereits getroffen und gedenke nicht, sie zugunsten einer einheitlichen Regelung zur Disposition zu stellen. Die fu¨r Preußen getroffenen Anordnungen ließ er den Gesandten der u¨brigen evangelischen Sta¨nden bekanntmachen, erwartete aber keinerlei Nachahmung, sondern ließ ihnen freie Hand, sie fu¨r ihre weiteren Verhandlungen zu nutzen oder auch nicht.19 Damit waren Ende Februar 1717 wesentliche Entscheidungen bezu¨glich der bevorstehenden Jubila¨umsfeier getroffen. Denn tatsa¨chlich wich Preußen mit seinem reformierten Herrscherhaus in den weiteren Verhandlungen nicht mehr von den eigenen Konzepten fu¨r die Jubila¨umsfeier ab und verweigerte sich allen Bemu¨hungen, die auf eine einheitliche Gestaltung der Feierlichkeiten abzielten.20 Preußens Einfluß unter den protestantischen Reichssta¨nden war aber so groß, daß mit dieser Verweigerung die Bemu¨hungen um eine einheitliche Feier insgesamt gescheitert waren.21

Vgl. Hil. Ev. I, 392a-b (Hessen-Darmstadt A). Vgl. Hessisches Staatsarchiv Darmstadt, E 1B Nr. 32/1, Bl. 8a. 19 Vgl. vgl. Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Geheimes Staatsarchiv, I. HA Rep. 13, Nr. 29, Fasz. 7; Weisung Friedrich Wilhelms an die Regensburger Gesandtschaft vom 6. Februar 1717: „Ist aus Eurem . . . Psto [Postscripto] vom 28. Jan. und deßen Beyschluß zu ersehen gewesen, was des H. Landgraffen zu Heßen-Darmstadt L[ieb]bd[en]. an dero bey dem Reichs-Convent alldort subsistirenden Gesandten wegen des Jubilaei rescribiret, welches wegen der, vor zweyhundert Jahren, durch des Ho¨chsten Gnade erfolgeten Reformation, unter denen Evangelischen im Reich zu halten seyn wirdt. Wie Wir nun deshalb in Unseren Provintzien und Landen im Reich bereits solche Verordnung ergehen laßen, als der Copeyliche Anschlus besaget, also ko¨nnet Ihr auch davon den dortigen Evangelischen Gesandtschafften communication thun, und laßen wir deroselben Principalen billig anheim gestellet seyn, was Sie Ihres Orts dieserwegen zu verfu¨gen gutfinden werden.“ 20 Als im April die Frage des Jubilaums erneut zur Verhandlung anstand, weigerte sich ¨ die preußische Regierung weiterhin, von den einmal erlassenen Verfu¨gungen zuru¨ckzustehen und sich an einer einheitlichen Lo¨sung zu beteiligen; vgl. Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Geheimes Staatsarchiv, I. HA Rep. 10 Nr. 79, Fasz. 9; Brief an die Regensburgische Gesandtschafft vom 17. April 1717. 21 In diesem Sinne berichtet der hessen-darmstadtische Gesandte am 25. Februar, mit ¨ 17 18

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U¨berdies hatte der preußische Ko¨nig mit dem Beschluß, die reformierten Kirchen sollten an dem Jubila¨um nicht teilnehmen, eine wesentliche Entscheidung hinsichtlich der Beteiligung reformierter Territorien am Jubila¨um vorweggenommen. Tatsa¨chlich gibt es nur vereinzelte Hinweise darauf, daß sich reformierte Gla¨ubige an diesem lutherischen Jubila¨um beteiligten, wa¨hrend die u¨berwiegende Mehrheit der reformierten Kirchen und Gemeinden das Jubila¨um unbeachtet verstreichen ließ. In Regensburg stockten die Verhandlungen voru¨bergehend, die fu¨r die orthodoxen Lutheraner bis zu diesem Zeitpunkt entta¨uschend verlaufen waren. Als besonders hinderlich erwies sich das ambivalente Verhalten Kursachsens: Dieses hatte zwar seine grundsa¨tzliche Bereitschaft signalisiert, sich an der Feier zu beteiligen, die zusta¨ndigen Beho¨rden in Kursachsen unternahmen aber keine Anstalten, den eigenen Feiern Konturen zu verleihen oder außerhalb Kursachsens bei anderen Reichssta¨nden fu¨r die Beteiligung an den Jubila¨umsfeiern zu werben. Ein weiterer Brief Lo¨schers an Cyprian vom 20. Februar 1717 ist in diesem Zustand der Stagnation verfaßt und sollte einen Ausweg bahnen. Lo¨scher klagt: „De solennitate Jubilaei indicenda nihil est quod a nostris speremus; vix audent verbum illius publice praeloqui, aut dicentem de illo audire . . . Excitavit me huius rerum statu conscientia, non levis impetus, ut ad Serenissimum Principem vestrum, quem vera versus tantum Heroem reverentia ductus, alloqui literis nondum hactenus audere potui, scriberem, rogaremque, ut in Principatu suo citius paulo solennia ista indicat. Spero alios Principes quosdam nostra opera perduci posse . . .“22

Weil Kursachsen an Fortschritten in der Jubila¨umssache nicht interessiert zu sein schien, erneuerte Lo¨scher seinen alten Vorschlag, Friedrich II. von Sachsen-Gotha solle sich an die Spitze der fu¨r die lutherische Jubila¨umsfeier ka¨mpfenden Reichssta¨nde und Theologen stellen. Wie treffend dieser Gedanke war, selbst wenn es zu einem Brief Lo¨schers an Friedrich II. von Sachsen-Gotha nicht gekommen ist, sollte sich bald erweisen. Kurz nachdem Lo¨scher sich zum zweiten Mal perso¨nlich an Cyprian gewandt hatte, gaben sich Friedrich II. von Sachsen-Gotha und Cyprian o¨ffentlich als Befu¨rworter des Jubila¨umsgedankens zu erkennen. Mit finanzieller Unterstu¨tzung des Herzogs hatte Cyprian na¨mlich die Edition eines reformationsgeschichtlichen Werks vorbereitet, dessen Vero¨ffentlichung kurz bevorstand. Dabei handelte es sich um Wilhelm Ernst Tentzels Schrift „Historischer Bericht von der Reformation Lutheri“, die Cyprian durch reichhaltiges Quellenmaterial aus den Besta¨nden der Gothaischen Bibliothek erga¨nzt hatte. Deren Zweck war die zuverla¨ssige Ver-

der Vero¨ffentlichung der preußischen Beschlu¨sse zum Jubila¨um ha¨tten sich die gehegten Hoffnungen auf die gemeinsame Feier endgu¨ltig zerschlagen; vgl. Hessisches Staatsarchiv Darmstadt, Abteilung E 1B Nr. 32/1, Bl. 12. 22 FLB Chart. A 424, Bl. 79.

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mittlung reformationsgeschichtlichen Wissens angesichts des bevorstehenden Jubila¨ums. In seinem auf den 23. Februar 1717 datierten Vorwort kommt Cyprian ausfu¨hrlich auf das Jubila¨um zu sprechen, schildert dessen historische Vorbilder, insbesondere die Jubila¨umsfeier von 1617, und wirbt um die Beteiligung mo¨glichst vieler Reichssta¨nde an den bevorstehenden Feiern.23 Zumindest vor der literarisch interessierten O¨ffentlichkeit war damit erstmals der Gedanke an eine gemeinsame Jubila¨umsfeier entfaltet. Auch mit einer zweiten Vero¨ffentlichung ging Cyprian auf Lo¨schers Bitte ein und versuchte, von Gotha aus Impulse fu¨r eine Jubila¨umsfeier in Sachsen und im u¨brigen Reich zu geben. Er selbst war seit Monaten mit Recherchen zu vergangenen Jubila¨en bescha¨ftigt gewesen, um im Auftrage Herzog Friedrichs II. Instruktionen fu¨r die Feiern von 1717 in SachsenGotha zu erstellen. In kurzer Zeit verfaßte Cyprian jetzt im Ma¨rz 1717 eine vorla¨ufige Instruktion, wie man das Reformationsjubila¨um im Herzogtum Sachsen-Gotha zu feiern gedenke24 und ließ die Druckexemplare inner- und außerhalb Sachsen-Gothas verteilen. Die selbstbewußte Verbreitung außerhalb Sachsen-Gothas begru¨ndete Cyprian mit den zahlreichen diesbezu¨glich an ihn gerichteten Anfragen.25 In den ernestinischen Landen lo¨ste diese Publikation Unversta¨ndnis und Vera¨rgerung aus. Cyprian bekam das zu spu¨ren, als der sachsen-weimarische Rat Joh. Theuner, der sich Anfang April in Regensburg aufhielt, ihn in einem Schreiben vom 5. April warnte, durch derart eigenma¨chtige Schritte ko¨nne die Einheit der ernestinischen Herzogtu¨mer großen Schaden nehmen. Der „Vorla¨ufige Bericht“ du¨rfe so nicht lauten, vielmehr mu¨ßten Verhandlungen mit allen ernestinischen Herzogtu¨mern gefu¨hrt

23 Zusammenfassend außert Cyprian seine große Hoffnung: „Es werden aber sonder ¨ Zweiffel die Evangelische Regenten auch im gegenwa¨rtigen Jahr solche Christliche Verfu¨gung thun, damit diese Hilaria wiederhohlet und die lo¨blichste Vorfahren nicht ohne Nachfolger gelassen, sondern die Gla¨ubigen zu danckbahrer Erka¨nntnis ermeldeter hohen Wohlthat GOttes angewiesen werden mo¨gen, bevorab nicht einmahl kluge Ma¨nner in der Ro¨mischen Kirche in Abrede sein ko¨nnen, daß durch Lutheri Reformation auch unter ihnen viel gutes gestifftet, die Lehre vom Verdienst Christi, worauf sichs, ihrem Gesta¨ndnis nach, am sichersten stirbet, der mehreste Gottesdienst in der Muttersprach, die Catechismus-Ubungen und Forschungen in der heil. Schrifft hergestellet, auch die Christliche Obrigkeit von der u¨berma¨ßigen Gewalt der Ro¨mischen Bischo¨ffe . . . unla¨ugbar befreyet worden.“ (Ders., Vorrede zu Wilhelm Ernst Tentzel, Historischer Bericht von der Reformation Lutheri, f 2r–v). 24 Vorlaufiger Bericht, vorh.: Hil. Ev. I, S. 278–280 (Sachsen-Gotha I). Der Vorbericht ¨ ist auf den 20. Ma¨rz 1717 datiert. 25 Vgl. Hil. Ev. I, S. 279b (Sachsen-Gotha I): „Weil mich viel Christl. Manner um Nach¨ richt ersuchet, wie man es in denen Fu¨rstl. Gothaischen Landen halten wolle, so will ich bey dieser Gelegenheit, . . . davon vorla¨uffige Ero¨ffnung thun, und denen Hn. Theologen, so mich befraget, anheim stellen, ob sie bey ihrer hohen Herrschafft auch die Conformita¨t belieben wollen.“

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werden, erst dann du¨rften die no¨tigen Verordnungen getroffen werden.26 Ebenfalls am 5. April sandte der kursa¨chsische Gesandte Graf von Bose ein Exemplar des „Vorla¨ufigen Berichts“ nach Dresden27, und am 6. April berichtete Theuner an Cyprian, daß am Reichstag die Verhandlungen u¨ber die Jubila¨umsfeier wieder aufgenommen worden seien.28 Demzufolge kursierte Cyprians „Vorla¨ufiger Bericht“ zumindest unter einem Teil der Reichstagsgesandten, als die Verhandlungen u¨ber das Jubila¨um im April 1717 in eine neue Phase traten. Am 8. April einigten sich die Gesandten endgu¨ltig darauf, keine gemeinsamen Anstalten zu einer Feier zu unternehmen, wohl aber grundsa¨tzlich Feiern der Einzelterritorien zu billigen.29 Von diesem Zeitpunkt an verlagerten sich die Beratungen in die einzelnen Territorien, wo die Detailplanungen in der Hoffnung auf ein einheitliches Konzept fu¨r die Feiern lange geruht hatten. Freilich waren damit die reichsu¨bergreifenden Bemu¨hungen um eine gemeinsame Feier noch lange nicht erledigt. Denn besonders in einem Fall wurden die nun einsetzenden regionalen Planungen mit der Absicht betrieben, vielleicht doch noch u¨berregionale Wirkung zu erzielen: Im Juni 1717 gab Kursachsen seine abwartende Haltung auf und begann – nun sogar unter formaler Federfu¨hrung Augusts des Starken – mit intensiven Vorbereitungen. Nachforschungen wurden angestellt, wo 1617 das Reformationsjubila¨um gefeiert worden war, Unterlagen u¨ber die Gestaltung der ersten Sa¨kularfeier wurden aus den Archiven hervorgeholt, und eilig wurden die Formulare fu¨r die Intimation, Gottesdienstverordnungen und Pla¨ne fu¨r den Verlauf des Festes zusammengestellt. Mit letzterem wurde am 10. Juni der Konsistorialrat Heinrich Pipping durch den Kanzler des Ko¨nigs, Graf von Werther, beauftragt. Pipping orientierte sich eng an den ihm vorliegenden Anordnungen aus dem Jahr 1617 und reichte schon

26 FLB Chart A 424, Bl 202r–v. Die weitere Entwicklung dieser innerernestinischen Streitigkeit ist charakteristisch fu¨r die auch auf Reichsebene entstehenden diplomatischen Schwierigkeiten, von denen die Jubila¨umsvorbereitungen neben den theologischen und politischen Unwa¨gbarkeiten behindert wurden. Denn Theuner konnte sich soweit gegen Cyprian durchsetzen, daß alle weiteren Beschlu¨sse betreffs des Jubila¨ums nur in sehr mu¨hsamen Verhandlungen unter Einbeziehung aller ernestinischen Herzo¨ge getroffen wurden. Die Folge war, daß auch hier trotz des verha¨ltnisma¨ßig fru¨hen Beginns eingehender Planungen erst in den spa¨ten Septembertagen endgu¨ltig Anordnungen fu¨r den Verlauf der Feiern getroffen werden konnten. Vgl. zu diesen Vorga¨ngen ThStAGo, Geheimes Archiv Gotha, XX I Nr. 28. 27 Sachsisches HStA, Geheimes Archiv, Loc. 7436/19, Bl. 49r. ¨ 28 FLB, Chart A 424, Bl. 205r. 29 Hans-Jurgen Scho ¨ nsta¨dt, Reformationsjubila¨um 1717, S. 74. Anders als Scho¨nsta¨dt ¨ bin ich der Auffassung, daß diese Verhandlungen nicht als die letzten Verhandlungen des Reichstags u¨ber die Jubila¨umsfrage anzusehen sind. Wenigstens eine noch na¨her zu beschreibende Initiative Kursachsens am Reichstag zeigt, daß noch bis Ende September 1717 in Regensburg Verhandlungen u¨ber die Jubila¨umsfrage stattfanden. Zudem ist oben gezeigt worden, daß im Februar 1717 am Reichstag eigentlich schon alle die Beschlu¨sse feststanden, die Scho¨nsta¨dt als Ergebnis der Verhandlungen im April ansieht.

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am 12. Juni seinen Entwurf beim Oberkonsistorium ein.30 Die Vorschla¨ge gingen umgehend dem in Karlsbad weilenden Ko¨nig zu und fanden dessen Billigung.31 Bis zur endgu¨ltigen Beschlußfassung vergingen nochmals reichlich zwei Monate, und am 6. September ließ der Ko¨nig die gedruckten Verordnungen an das Oberkonsistorium und die Universita¨ten ergehen, von wo aus sie in den sa¨chsischen Herrschaften albertinischer und ernestinischer Line verteilt wurden.32 Ein Vergleich von Pippings Entwurf mit den tatsa¨chlich vero¨ffentlichten Instruktionen zeigt weitgehende U¨bereinstimmung. Unabha¨ngig von aller Orientierung am Vorbild der ersten Sa¨kularfeier, zeigt sich darin Pippings Einfluß auf die a¨ußere Gestaltung der kursa¨chsischen Feiern. Die Motive fu¨r das u¨berraschende Engagement des Kurfu¨rsten von Sachsen fu¨r das Jubila¨um lassen sich nicht endgu¨ltig aufkla¨ren; politische Motive du¨rften aber im Vordergrund gestanden haben. Mußte August dem Starken grundsa¨tzlich daran gelegen sein, seinen Einfluß in Kursachsen durch Konzilianz gegenu¨ber den Protestanten im Sinne der von ihm geleisteten Religionsversicherungen zu wahren, so war er im Jahre 1717 zusa¨tzlich dazu geno¨tigt, weil die o¨ffentliche Bekanntgabe der Konversion des Kurprinzen Friedrich August II. zur ro¨misch-katholischen Kirche bevorstand, gegen die einhelliger Widerspruch der Protestanten zu erwarten war. Die Billigung der Jubila¨umsfeiern war sinnfa¨lliger Ausdruck fu¨r die Bereitschaft des Kurfu¨rsten, auch in Zukunft die Religionsfreiheit in Kursachsen zu beachten und die Anha¨nger des lutherischen Bekenntnisses nicht in ihren Rechten zu beschneiden. Fraglich ist allerdings, ob der Kurfu¨rst fu¨r sich u¨berhaupt eine realistische Mo¨glichkeit gesehen hatte, die Feiern zu verhindern, oder ob er sich gerade noch rechtzeitig dazu bewegen ließ, gute Miene zu dem in seinen Augen bo¨sen Spiel zu

30 Eine Abschrift von Pippings Entwurf befindet sich im Sachsischen HStA: Geheimes ¨ Archiv, Loc. 189, Bl. 2r–19v. 31 Sachsisches HStA,Geheimes Archiv, Loc. 7436/19, Bll.52r–71v findet sich eine Ab¨ schrift der fu¨r 1717 vorgeschlagenen Anordnungen. Bei dem Schriftstu¨ck handelt es sich um eine zweispaltige Gegenu¨berstellung der Jubelanordnungen von 1617 und 1717. Wa¨hrend die Anordnungen von 1617 vollsta¨ndig wiedergegeben sind, finden sich in der zweiten Spalte alle A¨nderungen vermerkt, die fu¨r die Anordnungen von 1717 getroffen werden sollten. Zu a¨ndern waren demnach lediglich die Namen der sa¨chsischen Herrscher, die das Jubelfest anordneten, und zu entfernen waren alle polemischen A¨ußerungen gegen Katholiken, Calvinisten und sektiererische Gruppen, die der vera¨nderten konfessionellen Situation d. J. 1717 nicht angemessen schienen. Insofern hat sich die Beobachtung von Loofs besta¨tigt, der geurteilt hatte, das Jubila¨um von 1717 sei unter formalen Gesichtspunkten eine Kopie des Jubila¨ums von 1617 gewesen (Friedrich Loofs, Jahrhundertfeier, S. 19). Auf der ersten Seite dieser Vorschla¨ge ist vermerkt: „. . . hiervon haben des H. Feld Marschall Exc. den 22. Jun. 1717 Copie mit nach Carlsbad genommen“. 32 Aus einem Brief Loschers an Cyprian vom 14. September 1717 spricht dessen Erleich¨ terung daru¨ber, daß es schließlich doch noch gelungen war, die offiziellen Maßnahmen zur Organisation der Feiern abzuschließen. (FLB Chart. A 425, Bl. 180r).

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machen, und damit Beunruhigung unter der protestantischen Bevo¨lkerung zu vermeiden.33 Was dem Ko¨nig und seinen Beratern fu¨r Kursachsen recht war, schien ihnen auch fu¨r den Reichstag in Regensburg billig. Nachdem in Regensburg lange Zeit vom Reformationsjubila¨um keine Rede mehr gewesen war, kam es dort im September 1717 zu letzten Absprachen unter den Gesandten. Hatte der kursa¨chsische Gesandte bis dahin noch eine einheitliche Regelung erwartet, meldete er am 23. September, in Regensburg habe man auf ein einheitliches Formular verzichtet, weil „. . . vor das Beste gehalten werde, daß bey nunmahligen Umbsta¨nden daß ein jeder Stand in dem seinigen desselben Danckfest anstellen, und hierunter thun und laßen ko¨nte, waß Er wolte, alles aber unter der Precaution, daß die Prediger dabey zu Unterlaßung deß unzeitigen Schma¨hens, Beobachtung derer Kay. Religions Edicte und darauf beschehenen Warnungen mit allem Ernst angewiesen und davon aufgehalten werden mo¨chte . . .“34

Diese Nachricht veranlaßte Kursachsen zu einer Initiative, u¨ber die der sachsen-gothaische Gesandte Hagen in seiner Reichstagsrelation vom 6. Oktober berichtet: „Auf was weise das mit dem letzten dieses Monats einfallende Evangelische jubilaeum in denen Chur-Sa¨chsischen Landen gefeyert werden soll, ist ab der gedruckten Anlage sub A. zuersehen, welche directorium Saxonicum u¨brigen Evangelischen Gesandtschafften communiciret, und dabey frey gestellet, ob man es mit einschicken, und vielleicht ein- oder andern Worts sich darnach richten wolle. Catholici sehen diese Veranstaltung mit ganz schelen Augen an, und haben bekannter Ursache halber, nicht vermuthen wollen, das es im Chur-Sa¨chs. zu dergleichen komme, sondern das Jubilaeum daselbst uncelebrirt bleiben wu¨rde.“35

Vo¨llig unerwartet setzte sich demnach nunmehr die kursa¨chsische Gesandtschaft am Reichstag fu¨r die Feier des Jubila¨ums ein und legte eigene Vorschla¨ge fu¨r ihre Gestaltung vor. Natu¨rlich kam dieser Schritt zu spa¨t, um noch Auswirkungen auf Vorbereitungen in den Territorien zu haben, was aber wahrscheinlich gar nicht beabsichtigt war. August dem Starken und seinen Beratern du¨rfte eher daran gelegen gewesen sein, vor Bekanntgabe der Konversion des Kurprinzen noch einmal „gut Wetter“ unter den protestantischen Reichssta¨nden zu machen und Respekt fu¨r deren konfessionelle Interessen zu demonstrieren. 33 Die ambivalente Stellung des Konigs zum Jubeljahr wird daran deutlich, daß kurz ¨ vor dem Fest ein Großteil der schon verteilten Festordnungen gegen vera¨nderte Exemplare ausgetauscht werden mußte. In der urspru¨nglichen Version war August der Starke als Landesherr genannt, der den Befehl zur Feier des Jubila¨ums gab. In der vera¨nderten Fassung wurde diese Rolle Herzog Christian von Sachsen-Weissenfels zuerkannt. Eingehende Ero¨rterung findet das Problem der kursa¨chsischen Feiern unter dem Aspekt des konfessionellen Gegensatzes von Volk und Herrschern bei Friedrich Loofs, Jahrhundertfeier, S. 28 ff. 34 Sachsisches HStA, Geheimes Archiv, Loc. 10 280, Vol. III, Bl. 158v. ¨ 35 ThStAGo, Geheimes Archiv Gotha, XX I Nr. 28.

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Die heftigen Reaktionen der protestantischen Reichssta¨nde nach Bekanntwerden der Konversion am 29. Oktober zeigen aber, daß man das doppelte Spiel Augusts des Starken am Reichstag sofort durchschaute. Trotz der vorgeschu¨tzten kursa¨chsischen Unterstu¨tzung des Jubila¨ums flammten noch im Oktober die Beratungen der evangelischen Reichssta¨nde in Regensburg wieder auf, Kursachsen das Direktorium des Corpus Evangelicorum zu entziehen und Brandenburg oder Hannover damit zu betrauen, wa¨hrend sich in Kursachsen die Furcht ausbreitete, der Kurfu¨rst ko¨nne die Feiern im letzten Moment noch vereiteln.36 Ermutigt durch diese Beschlu¨sse und Verordnungen fu¨r die Jubelfeiern in Kursachsen nutzten aber einerseits die Wittenberger Theologische Fakulta¨t als Erbin der cathedra Lutheri und andererseits Valentin Ernst Lo¨scher und Heinrich Pipping als Vertreter des Oberkonsistoriums die gu¨nstige Stimmung, um außerhalb Kursachsens fu¨r die Durchfu¨hrung der Jubila¨umsfeier zu werben. Auch dies waren spa¨te, aber aufrichtige Versuche, auf die geplanten Festlichkeiten hinzuweisen, durch U¨bersendung der eigenen Anordnungen Hilfestellung fu¨r letzte Vorbereitungen an anderen Orten zu leisten oder noch neue Vorbereitungen anzuregen. Dieses macht vor allem der Aufruf der Theologischen Fakulta¨t Wittenberg deutlich,37 der auf eine Weisung des Kurfu¨rsten an die Universita¨ten Wittenberg und Leipzig zuru¨ckging, sie mo¨gen „. . . von den in Unseren Landen vorgenommenen ausschreiben an auswa¨rtige Theologos Nachricht ertheilen . . .“38. Die Wittenberger Fassung ist eng an eine 1617 anla¨ßlich der ersten Hundertjahrfeier verfaßte und ebenso bezeichnete „Epistola Invitatoria“39 angelehnt und tra¨gt die Unterschriften aller Wittenberger Theologieprofessoren. Der Brief wurde am 22. September 1717 verfaßt und umgehend verschickt; der Adressatenkreis ist nicht mehr zu rekonstruieren. Unter Mißachtung aller Polemikverbote zeichnet der Brief ein scharfes Bild von der bedru¨ckenden Herrschaft des Papsttums u¨ber die Kirche vor der Reformation,40 unterzieht die damals herrschenden Mißsta¨nde einer schonungslosen Kritik und ru¨hmt die segensreiche Erneuerung, die Gott seiner Kirche durch Martin Luther geschenkt habe.41 Angesichts ihrer Bewahrung durch Gottes Gu¨te ko¨nnten die Lutheraner nur jubilieren und Gott danken. Dazu wolle man von Wittenberg aus allerorten ermutigen und, wo no¨tig, Hilfestellung geben. Die in der „Epistola Invitatoria“ mitgeteilten Wittenberger Planungen konnten und

Wolf-Friedrich Scha¨ufele, Christoph Mattha¨us Pfaff, S. 94 f. Vgl. Hil. Ev. II, S. 19–21 (Epistola Invitatoria). 38 Sachsisches HStA, Geheimes Archiv, Loc. 1891, Bl. 52r. ¨ 39 Zur „Epistola Invitatoria“ von 1617 vgl. Hans-Jurgen Scho ¨ nsta¨dt, Antichrist, Welt¨ heilsgeschehen und Gottes Werkzeug, S. 19. 40 Hil. Ev. II, S. 19a (Epistola Invitatoria). 41 Hil. Ev. II, S. 19b-20a (Epistola Invitatoria). 36 37

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sollten aber lediglich Anregungen fu¨r eigene Feiern bieten; den Anspruch auf Nachahmung erhoben sie nicht.42 Gegen den ausdru¨cklichen Wunsch des Kurfu¨rsten stimmten sich die Professoren der Leucorea bei der Abfassung und Versendung jedoch nicht mit der Leipziger Universita¨t ab und nannten diese auch nicht als Mitabsenderin der „Epistola Invitatoria“. U¨ber dieses Verfahren war der Kurfu¨rst sehr viel mehr aufgebracht als u¨ber den Inhalt der Einladungsschrift. Er unterstellte den Verantwortlichen in Wittenberg, sie wollten sich auf Kosten Leipzigs vor dem deutschen Luthertum profilieren und bedra¨ngte den Leipziger Rektor Adam Rechenberg, Leipzig solle eine eigene Einladungsschrift verbreiten.43 Rechenberg selbst war zwar u¨ber den Alleingang der Leucorea ebenso entru¨stet, verweigerte sich aber dem Befehl des Kurfu¨rsten – fu¨r die gewu¨nschte Einladungsschrift sei es zu spa¨t.44 Tatsa¨chlich hielt sich der befu¨rchtete Schaden fu¨r das Ansehen Leipzigs in Grenzen, da auch die Wittenberger Schrift auf keinerlei Resonanz stieß. In deren Mißerfolg offenbart sich vielmehr die seit 1617 gesunkene Bedeutung Kursachsens und der Universita¨t Wittenberg fu¨r das deutsche Luthertum. Denn 1617 war es der Universita¨t Wittenberg unter den damals sehr viel gu¨nstigeren politischen und kirchlichen Voraussetzungen mit einer fast identischen Einladungsschrift gelungen, nahezu das gesamte auf die Konkordienformel verpflichtete Luthertum fu¨r die Sa¨kularfeier zu begeistern. Ein freundlicheres Echo erfuhr die Verbreitung der kursa¨chsischen Jubila¨umsanordnungen durch Lo¨scher und Pipping im Namen des Oberkonsistoriums. Am 1. Oktober 1717 versandten sie an ausgewa¨hlte Universita¨ten und Kirchenleitungen einen vierseitigen Brief, der auf die kursa¨chsischen Feiern und auf die fu¨r die lutherische Kirche bedru¨ckenden Verha¨ltnisse in Kursachsen aufmerksam machte.45 Der in lateinischer Sprache abgefaßte Brief verzichtete auf die in den Jubila¨umsschriften u¨bliche formelhafte Sprache und war in seinen Formulierungen zuru¨ckhaltender als die selbstgefa¨llig anmutende Einladungsschrift der Wittenberger Universita¨t. Lo¨scher und Pipping erkla¨ren ihre Verbundenheit mit den Adressaten und deren Jubila¨umsfeiern und bitten diese um baldige Nachricht u¨ber den geplanten Verlauf ihres Festes. Außerdem bitten sie 42 „Si quis nostrum in omnibus imitari ordinem, modumque, voluerit, per nos licebit: Sin minus; dissonantia Jubilaei non dissolvet consonantiam fidei.“ (Hil. Ev. II, S. 20b; Epistola Invitatoria). 43 Sachsisches HStA, Geheimes Archiv, Loc. 1891, 54r ¨ 44 Sachsisches HStA, Geheimes Archiv, Loc. 1891, 57r. ¨ 45 Das Original des Briefes befindet sich im Sachsischen HStA, Geheimes Archiv, Loc. ¨ 1891, Bll. 46r–47v. Am oberen Rand von Bl. 47r sind die Adressaten des Briefes vermerkt: „Transmissa fuit haec Epistola ad Facult. Theol. in Academia Argentoratensi, Rostochiensi, Altdorfina, Ienensi, Tubingensi et mutatis mutandis ad Ministeria Ecclesiastica Hamburgense, Lubecense, Dantiscanum, Francofurtense ad Moenum, Ulmense, Augustanum, Norimbergense, Uratislaviense et Ratisbonense.“

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die Adressaten um ihre Fu¨rbitte fu¨r die lutherische Kirche und fu¨r die Feierlichkeiten in Kursachsen, deren Programme und Liturgie sie dem Brief beilegten. Die in Dresden eingegangenen Antwortschreiben46 sind erfu¨llt von der Freude daru¨ber, daß sich auch Kursachsen am Jubila¨um beteiligen wollte. Daß dieses Schreiben jedoch als Ermahnung zur Feier des Jubila¨ums oder zur Verwirklichung einer bestimmten Form der Feierlichkeiten gedeutet wurde, geht aus keinem der Antwortschreiben hervor. Zusammenfassend la¨ßt sich somit u¨ber die Veranlassung des Reformationsjubila¨ums folgendes festhalten: Obwohl es bereits im Dezember 1716 eine erste Initiative des Landgrafen Ernst Ludwig von Hessen-Darmstadt am Reichstag unter Einbeziehung aller lutherischen Reichssta¨nde gegeben hat, konnten sich die protestantischen Reichssta¨nde auf die Durchfu¨hrung einheitlicher Feierlichkeiten nicht versta¨ndigen. Ausschlaggebend dafu¨r waren die unbestimmten Vorschla¨ge Ernst Ludwigs, die zwar auf das Jubila¨um als solches hinwiesen, aber keine genauen Anregungen fu¨r gemeinschaftliche Planungen boten. Zusa¨tzlich wurden die Planungen in diesem fru¨hen Stadium dadurch behindert, daß einflußreiche Reichssta¨nde nicht bereit waren, bereits getroffene Verordnungen zugunsten einer gemeinsamen Entscheidung zur Disposition zu stellen, oder aber aufgrund ihrer politischen Situation keine aktivere Rolle u¨bernehmen konnten. So beschra¨nkten sich die Verhandlungen am Reichstag in Regensburg von ihren ersten Anfa¨ngen an auf die lutherischen Reichssta¨nde, wa¨hrend die reformierten Reichssta¨nde zu keinem Zeitpunkt ernsthaft vor die Frage gestellt wurden, ob sie sich an der Zweihundertjahrfeier beteiligen wollten. Hatten die reformierten Kirchen 1617 ihre Zugeho¨rigkeit zum Protestantismus demonstrieren wollen, so galt es 1717 fu¨r sie, ihre Unabha¨ngigkeit von den Lutheranern zu demonstrieren. Wa¨hrend das Luthertum seiner historischen Urspru¨nge gedachte, verzichteten die reformierten Kirchen fast ausnahmslos auf die Feier, was angesichts der tragenden Rolle, die der reformierte pfa¨lzische Kurfu¨rst im Vorfeld der ersten Sa¨kularfeier gespielt hatte, einen gewaltigen Unterschied darstellte. Die Idee des geeinten Protestantismus, die 1617 durch die politischen Verha¨ltnisse begu¨nstigt worden war, war ein Jahrhundert danach verloren gegangen.47 46 Im Sachsischen HStA, Geheimes Archiv, Loc. 1891 sind die Antwortschreiben aus Je¨ na vom 20. Oktober 1717 (Bll. 59r–60r), Danzig vom 8. November 1717 (Bll. 64r–66v), Nu¨rnberg vom 21. Oktober 1717 (Bll. 71r–v), Tu¨bingen vom 15. November 1717 (Bll. 83r–84v), Straßburg vom 13. Dezember 1717 (Bll. 85r–86r) und Rostock vom 18. Januar 1718 (Bll. 87r–88v) erhalten. 47 Bernhard von Sanden weist freilich auf den Fortschritt hin, den die Beteiligung Preußens an den Jubelfeiern per se bedeutete, nachdem sich Brandenburg 1617 u¨berhaupt nicht am Reformationsjubila¨um beteiligt hatte. (Ders., Predigten, S. 84 f). Auf einen weiteren Aspekt weist Penti Laasonen hin. Demzufolge hat beispielsweise das schwedische Luthertum erst zwei Jahre spa¨ter, also 1719, seine Zweihundertjahrfeier der Reformation abgehalten, da die Reformation in Schweden erst 1519 eingefu¨hrt worden sei. Die Abstinenz

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Gleichwohl thematisierte kaum jemand diesen offensichtlichen Riß innerhalb des protestantischen Lagers, der bereits im Vorfeld des Festes zu Tage trat. Vereinzelte Proteste von reformierten Pfarrern in Preußen, die da meinten mit der Beschra¨nkung der Feiern auf die lutherischen Gemeinden werde die politische Einheit des Protestantismus gescha¨digt, bildeten die Ausnahme. Ebenso ungeho¨rt verklang aber auch die Stimme von David Richter, Magister der Philosophischen Fakulta¨t Jena, der die Gegenposition vertrat und behauptete, zwischen reformierten und lutherischen Protestanten bestu¨nden so gravierende theologische Differenzen, daß eine gemeinsame Jubila¨umsfeier aus theologischer Perspektive unvertretbar sei.48 Im Interesse der Schadensbegrenzung u¨bergingen Reformierte und Lutheraner die im Vorfeld des Jubels neu aufgetretenen Differenzen. Von seiten der Lutheraner wurde im Vorfeld und wa¨hrend des Jubila¨ums kra¨ftig gegen die ro¨mische Kirche polemisiert, wa¨hrend die reformierte Kirche unerwa¨hnt blieb. Das Beispiel Gießen zeigt sogar, daß die Lutheraner die reformierten Gla¨ubigen aus benachbarten Territorien gerne bei den Feiern willkommen hießen. Andererseits duldete es die preußische Obrigkeit, wenn in lutherischen Landesteilen die Feiern u¨ppiger als vorgeschrieben ausfielen oder vereinzelt in reformierten Kirchen mitgefeiert wurden.49 Die ehemalige Vormacht des Luthertums, Kursachsen, hat erst sehr spa¨t in die reichsweiten Verhandlungen eingegriffen. Politisches Kalku¨l angesichts der unsicheren Stellung Augusts des Starken im Corpus Evangelicorum war verantwortlich fu¨r die erst im Juni 1717 aufgenommenen Planungen. Das Dresdener Oberkonsistorium konnte die Vorbereitungen von Lo¨scher und Pipping nur wenig beschleunigen. Die von der Wittenberger Theologischen Fakulta¨t und von Lo¨scher und Pipping verfaßten

mancher Territorien von der Jubila¨umsfeier im Jahre 1717 ha¨ngt demnach auch mit deren Entscheidung zusammen, zu einem spa¨teren Zeitpunkt der Einfu¨hrung der Reformation zu gedenken (Ders., Ernst Salomon Cyprian und Erik Benzelius d. J., S. 74). 48 David Richter, Ausfuhrliche Historie und Recht eines Evangelisch-Lutherischen ¨ JVBILAEI, S. 206 f: „Es ist auch / sowohl Calvinisten / als Lutheranern selbsten vorteilhafftiger / wenn sich jene von unserm Jubilaeo gantz entziehen / oder doch zum wenigsten in Ritibus Externis, und in dazu bestellenden Feyertagen gantz distinguieren / um damit beyderseits denen Jesuitischen La¨ster-Ma¨ulern desto eher antworten zu ko¨nnen / die das Jubel-Jahr / bald als ein halb-Lutherisches / halb-Calvinistisches ausschreyen / bald uns einer Ketzer-Mengerey schuld geben / daß wir nicht Luthero, und seiner Reformation zu Ehren / ein Jubel-Fest feyren ko¨nten / weilen wir seine a¨rgsten Feinde mit zur Gemeinschafft unserer Kirchen na¨hmen / und man sich in allen nach ihnen richtete . . .“ 49 Das wichtigste Beispiel ist die Feier in Frankfurt / Oder, wo neben der reformierten Gemeinde ein Professor der reformierten Universita¨t das Reformationsjubila¨um im Lehrbetrieb zur Sprache brachte. Christian Scho¨ttgen hielt eine kirchengeschichtliche Vorlesung u¨ber die Vorgeschichte der Reformation und veranstaltete mehrere Disputationen zu reformationsgeschichtlichen Fragestellungen. Weitere Belege fu¨r die Beteiligung reformierter Gemeinden am Jubila¨um hat Wolf-Friedrich Scha¨ufele zusammengestellt: Ders., Christoph Mattha¨us Pfaff, S. 97.

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Einladungsschriften zum Jubila¨um konnten anderswo keine Wirkung mehr erzielen, da sie erst in den spa¨ten Septembertagen bzw. Anfang Oktober ausgingen. So nahmen die lutherischen Reichssta¨nde, unbeeindruckt vom Ausgang der Regensburger Verhandlungen, die Aufgabe der Planung und Durchfu¨hrung der Jubelfeiern unabha¨ngig voneinander in Angriff. Oftmals dienten die in den Archiven noch vorhandenen Unterlagen von 1617 als Orientierung fu¨r die neuerlichen Planungen. Den Verhandlungen am Reichstag in Regensburg kommt insofern Bedeutung zu, als sie den Charakter einer Initialzu¨ndung fu¨r die reichsweiten, obschon uneinheitlichen Planungen hatten.

2. Theologische Streitigkeiten u¨ber das Reformationsjubila¨um Die unterschiedlichen Initiativen und das unterschiedlich starke Engagement im Vorfeld der Jubelfeiern zeugen davon, daß das Reformationsjubila¨um im Gegensatz zu 1617 nicht nur bei den Katholiken, sondern auch im protestantischen Lager umstritten war. Erst lange nach den eigentlichen Feiern verklang die auf politischer wie auf theologischer Ebene gefu¨hrte Diskussion u¨ber Zweck und Gestaltung des Jubila¨ums, die zu den Eigenarten der Feier geho¨rt. In ihr spiegeln sich die zeit- und geistesgeschichtlichen Umbru¨che wider, in deren Kontext dieses Jubila¨um begangen wurde. Auf der einen Seite sind hier die von ro¨misch-katholischer Seite gegen das Jubila¨um erhobenen Einwa¨nde zu nennen. Diese a¨ußerten sich auf politischer Ebene darin, daß Christian August von Sachsen-Zeitz, der als katholischer Prinzipal-Kommissar die Vermittlerfunktion zwischen Kaiser und Reichstag wahrnahm und als Legat des Heiligen Stuhls die pa¨pstlichen Interessen beim Reichstag vertrat, bei verschiedenen Anla¨ssen Einfluß auf die Planungen des Corpus Evangelicorum am Regensburger Reichstag zu nehmen versuchte.50 Ende Februar 1717 zitierte er den preußischen Gesandten, den Grafen Metternich, zu sich, um ihn wegen der preußischen Beteiligung an den Jubila¨umsfeiern zur Rede zu stellen. Nach Metternichs Auskunft hatte Christian August von den geplanten Feiern erfahren und Einsicht in die bisher vorliegenden Unterlagen genommen. Dem preußischen Gesandten setzte er nunmehr auseinander, „. . . wie empfindlich es den Catholischen seyn wu¨rde, wenn man sie solcher gestalt gleichsam von allen Cantzeln herunter verketzern und verdammen wolte. Welches ja gerad wieder den Westpha¨lischen Frieden und des Kayserl. Edict wa¨re, und nichts anders als Verbitterung machen ko¨nte; Dahero es ja besser wa¨re,

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Hans-Ju¨rgen Scho¨nsta¨dt, Reformationsjubila¨um 1717, S. 76.

Theologische Streitigkeiten u¨ber das Reformationsjubila¨um

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dieses Jubila¨um einzustellen, als dadurch so vielen bo¨sen Suiten Anlaß zu geben . . .“51

Einige Wochen spa¨ter, am 5. April 1717, zitierte Christian August auch den kursa¨chsischen Vertreter Graf von Bose zu sich, um vor polemischen Entgleisungen im Rahmen der Feiern zu warnen, die den bestehenden Religionsfrieden gefa¨hrden ko¨nnten. Eindringlich ermahnte er die Protestanten, die Religionsbestimmungen des Westfa¨lischen Friedens und das darauf bezogene kaiserliche Edikt aus dem Jahr 171552 zu beachten. Durch o¨ffentliche Verordnung sollten sie dafu¨r sorgen, „. . . daß bey den Predigten u. sonsten keine grobe und anzu¨gliche, u. dergl. Reden und expressiones gebraucht werden mo¨gten, wodurch, absonderlich bey dem gemeinen Manne die Verbitterung in p[unct]o Religionis immer weiter vermehret und dadurch endlich zu einer gefa¨hrlicheren Unruhe anlaß gegeben wu¨rde . . .“53

Graf von Bose wurde vom Prinzipal-Kommissar dazu bestimmt, diese Forderungen des Kaisers an die u¨brigen protestantischen Gesandten weiterzuleiten. Wenn es in den offiziellen Verordnungen nur zu vereinzelten Angriffen gegen die ro¨misch-katholische Kirche kam und die evangelischen Prediger und Professoren sich mit unziemlichen Attacken gegen die ro¨misch-katholische Kirche zuru¨ckhielten, geht dies auch auf die Interventionen des Kaisers beim Corpus Evangelicorum zuru¨ck. Um so weniger Versta¨ndnis hatten die Protestanten dafu¨r, daß ungehindert Schriften ro¨misch-katholischer Autoren erscheinen durften, in denen das protestantische Jubila¨umsvorhaben verunglimpft wurde. Neben den viel zitierten Spo¨tteleien des franzo¨sischen Kirchenhistorikers Grammond u¨ber die erste Jubila¨umsfeier54 boten Schriften von W. P. Neumann

51 Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Geheimes Staatsarchiv, I. HA Rep. 13, Nr. 29, Fasz. 7, unfoliiert. (Reichstagsrelation vom 25. Februar 1717). 52 Gemeint ist das „Kayserliche Commissions-Decret“ vom 6. September 1715, dem ein Edikt des Kaisers „Wegen ernstlicher Untersagung alles Schma¨hens zwischen denen im Reich gelittenen Religionen“ angefu¨gt war. Das Dekret ist abgedruckt in: Neue und vollsta¨ndigere Sammlung der Reichs-Abschiede, Vierter Theil, S. 334–338. 53 Sachsisches HStA, Geheimes Archiv, Loc. 7436/19, Bl. 48r. ¨ 54 Grammond berichtet im zweiten Buch seiner Historiarvm Galliae Libri XVIII uber ¨ die katholischen Jubeljahrsfeiern und fa¨hrt fort: „Ridiculum est quod aggredior: vbi Germanis haereticis indictio Iubilaei innotuit, obstrepere scriptoque vulgare Romani ea in re Pontificis impotentiam. Statim arrogant sibi ius idem Iohannes Georgius Dux Saxoniae Lutheranus, promulgatque, in aemulationem Catholici Lutheranum Iubilaeum.“ (ebd., S. 175) Grammond zitiert weiter die kursa¨chsische Jubila¨umsausschreibung von 1617, nennt Fu¨rstentu¨mer, die dem Aufruf gefolgt sind und schließt mit dem Vorwurf, die Protestanten ha¨tten lediglich die ro¨misch-katholischen Jubelfeiern nachgea¨fft: „Sic imitatur homines simia putidum & infame animal; sic mentitur humanam psittacus vocem, cuius non capit ipsos articulos, nedum abstrusa sensus: sic Hyaena deuorat quem imitata voce allexit hominem . . .“ (ebd., S. 177). Franz Albert Aepin zitiert beispielsweise den besagten Abschnitt bei Grammond und fa¨hrt dann wenig originell, aber doch sehr entschieden fort: „Cane potius, qvam Christiano cordatoqve Historico dignam vocem! Minime tamen, sint

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und Johann Kraus dazu aktuellen Anlaß.55 Gegen diese hatte Graf von Bose seinerseits bei seiner Begegnung mit Christian August von SachsenZeitz am 5. April 1717 protestiert – ohne Erfolg.56 Von protestantischer Seite reagierte man auf diese Schma¨hschriften mit vereinzelten polemischen Gegenschriften gegen Johann Kraus und dessen Mitstreiter.57 U¨berdies entstand eine Reihe von Schriften, in denen protestantische Verfasser das bevorstehende Reformationsjubila¨um von den ro¨misch-katholischen Jubeljahren theologisch abgrenzten. Diese Abgrenzung wurde zusa¨tzlich no¨tig, weil in Kaiserswerth ebenfalls im Jahr 1717 ein Jubelfest begangen wurde, mit dem die ro¨misch-katholische Kirche ihren Anspruch als einzig legitime Ausrichterin kirchlicher Jubelfeiern reklamierte, eine Initiative, die jedoch nur von wenigen Protestanten wahrgenommen wurde und auch im ro¨misch-katholischen Bereich wenig Echo fand.58 Innerhalb des protestantischen Bereichs wurden die Intentionen des Reformationsjubila¨ums von 1717 weiter durch Johann Peter Ludewig, JuraProfessor und amtierender Pro-Rektor der Friedrichs-Universita¨t Halle, angegriffen, der mit einer am 27. Oktober 1717 vero¨ffentlichten Anklageschrift gegen die Jubila¨en („Dica Ivbileorvm“) großes Aufsehen erregte.59 Darin stellte Ludewig die Berechtigung der bevorstehenden wie aller u¨brigen protestantischen Jubila¨en grundsa¨tzlich zur Diskussion. Denn schließlich, so Ludewig, hatte Luthers erster Schritt zur Reformation der Kirche in seinem Kampf gegen den Ablaßhandel bestanden, der wiedergratiae DEO! haec nos terriculamenta detererrent a proposito in laudem Altissimi directo.“ (Ders., Reformationis Lutheranae Opus, S. 3 f). 55 Allein aus den Jahren 1716/17 sind mehr als ein Dutzend Schriften von Johann Kraus nachweisbar, in denen er sich mit dem bevorstehenden Jubila¨um auseinandersetzt oder anla¨ßlich des bevorstehenden Jubila¨ums gegen die Lutheraner polemisiert. Zu der ro¨mischkatholischen Polemik gegen die protestantischen Vorbereitungen vgl. Hans-Ju¨rgen Scho¨nsta¨dt, Reformationsjubila¨um 1717, S. 65 f. Eine ausfu¨hrliche Erwiderung erfuhr Kraus durch David Richter, Ausfu¨hrliche Historie. 56 Sachsisches HStA, Geheimes Archiv, Loc. 7436/19, Bl. 48r. ¨ 57 Vgl. die Schrift des Jenaer Magisters David Richter, Ausfuhrliche Historie und ¨ Recht eines Evangelisch-Lutherischen JVBILAEI, die er unter dem Pseudonym Gottfried Pra¨torius Veneto vero¨ffentlicht hat. 58 Nach Auskunft von Johann Georg Liebknecht handelte es sich dabei um eine im Juli 1717 in Kaiserswerth zu Ehren des Heiligen Suitbert veranstaltete Jubila¨umsfeier. (Hil. Ev. II, S. 54a; Festivam Reformationis Evangelicae memoriam indicit . . . Jo. Georg Liebknecht). A¨hnliche Bemu¨hungen, die Legitimita¨t der protestantischen Jubelfeiern gegenu¨ber den ro¨misch-katholischen Jubeljahren herauszustellen, hatte es auch schon bei fru¨heren Anla¨ssen gegeben; dazu: Thomas Kaufmann, 1600 – Deutungen der Jahrhundertwende im deutschen Luthertum, S. 104–126. 59 Loofs’ Deutung, es handle sich bei Ludewigs „Dica Ivbileorvm“ mehr um eine private als amtliche Schrift ist schwer zu halten (Ders., Jahrhundertfeier, S. 45). Dieses Argument fu¨hrten zwar auch Ludewigs Gegner in der sich anschließenden Kontroverse u¨ber die „Dica Ivbileorum“ an, um die Bedeutung der Schrift herunterzuspielen (Vgl. Joh. Christoph Coler, Kurtze und bescheidene Anmerckungen, S. 3). Tatsache ist aber, daß Ludewig sowohl im Titelblatt als auch in der abschließenden Ermahnung der Schrift deren Ernsthaftigkeit dadurch unterstreicht, daß er explizit auf sein Amt als Pro-Rektor hinweist.

Theologische Streitigkeiten u¨ber das Reformationsjubila¨um

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um eine Folge der ro¨mischen Jubeljahre gewesen war.60 Es war ein Kampf, den Luther zu Recht gefu¨hrt hatte, war die Kirche doch 1300 Jahre lang ohne Jubelfeiern ausgekommen, bis Bonifatius VIII., einer der schlimmsten Pa¨pste u¨berhaupt, die erste Jubeljahrfeier initiierte.61 Die Jubel- und Ablaßtheologie entwickelte sich in den folgenden Jahrzehnten und Jahrhunderten so sehr zum Nachteil der Kirche, daß es fu¨r die Kirche besser gewesen wa¨re, es ha¨tte diese Feiern nie gegeben.62 Zu Recht hatten Waldenser, Albigenser, Hussiten, Wiclifiten und ein Jahrhundert spa¨ter die Reformatoren gegen diese Feiern protestiert, weil sie mit ihrem a¨ußeren Pomp in diametralem Gegensatz zu allen Formen der Gottesverehrung standen, die Gott seinem Volk verordnet hatte. So war nach Ludewigs Auffassung die Gottesverehrung zu Zeiten der Patriarchen noch vo¨llig unabha¨ngig von besonderen Orten, Zeiten oder Personengruppen gewesen, bis das ju¨dische Zeremonialgesetz auf Betreiben des Volkes Israel entstand. Doch auch die darin vorgesehenen Formen der Gottesverehrung hielten sich noch in bescheidenem Rahmen, weil sie vornehmlich als Hinweis auf den kommenden Erlo¨ser dienen sollten. Ja, selbst der Neue Bund ist gema¨ß dem Willen Jesu Christi frei von verpflichtenden a¨ußeren Zeremonien und Riten geblieben.63 Und selbst wenn sich diese biblischen Vorbilder fu¨r die Jubila¨umsfeiern in Anspruch nehmen ließen, leuchtete nach Ludewigs Versta¨ndnis nicht ein, warum Rom die Jubeljahre vornehmlich dazu nutzte, die eigenen politischen und wirtschaftlichen Interessen zu fo¨rdern, wo doch vorgeblich der Sinn des Jubila¨ums darin besteht, die Gla¨ubigen an dem unermeßlichen Gnadenschatz der Kirche teilhaben zu lassen. Außerdem entbehrte nach Ludewigs Auffassung auch die in der ro¨misch-katholischen Kirche u¨bliche Herleitung der kirchlichen Jubelfeiern der Glaubwu¨rdigkeit: Wo die hebra¨ischen Jubelfeiern als Vorbild herangezogen werden, mu¨ßte deren theologisches Hauptmotiv, die Erlaßbestimmungen, in den Jubelfeiern angemessen zur Geltung gebracht werden.64 Die Jubelfeste im ro¨mischen Reich sind von den ersten christlichen Kaisern aufgehoben und von den Pa¨psten erst nach tausendja¨hriger Unterbrechung wiederbelebt wurden. Zudem fanden diese Feiern zu willku¨rlich festgelegten Terminen und 60 Johann Peter Ludewig, Dica Ivbileorvm, S. 3: „Damnauit suo iudicio Lutherus ANNOS SECULARES voluitque illos omnino expunctos ex fastis puriorum sacrorum.“ 61 Johann Peter Ludewig, Dica Ivbileorvm, S. 4. 62 Johann Peter Ludewig, Dica Ivbileorvm, S. 11: „O igitur quam bene actum fuisset cum orbe christiano, si nullo unquam tempore auditi fuissent anni iubilei in republica christiana.“ 63 Johann Peter Ludewig, Dica Ivbileorvm, S. 12 f: „Omnia enim, Christo auctore, ad pristinam reducta simplicitatem patriarcharum ante legem idque iure postlimini, ubi suo quisque ad colendum numen olim adfectu actus est, non alieno iussu ac instituto. Non locus, non tempora, non coetus quondam definiti, quod in his rerum conditori nullum discrimen.“ 64 Johann Peter Ludewig, Dica Ivbileorvm, S. 15.

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ohne feste Formen statt; sie bilden den Gegensatz zu regelma¨ßigen kirchlichen Feiern mit ihren festen Formen und Traditionen.65 Gegen den christlichen Ursprung der ro¨misch-katholischen Jubelfeste spricht Ludewig zufolge schließlich auch die Tatsache, daß sie, abgesehen von der ro¨misch-katholischen Kirche, in keiner christlichen Kirche gefeiert wu¨rden.66 So betrachtet, verspotten Autoren wie Grammond die Protestanten zu Recht dafu¨r, daß sie die ro¨misch-katholischen Jubelfeiern unreflektiert nacha¨ffen! Denn wie in anderen Fa¨llen kirchlicher Praxis folgen die Protestanten auch hier dem Vorbild der ro¨misch-katholischen Kirche, obwohl sie deren theologische U¨berzeugungen la¨ngst nicht mehr teilen.67 Diese kritischen Anmerkungen Ludewigs zum bevorstehenden Reformationsjubila¨um mißverstanden einzelne Zeitgenossen als grundsa¨tzliche Absage an die Jubila¨umsfeier. Doch gerade das bezweckte Ludewig mit seiner Kritik nicht: Die Protestanten sollten ihr Jubila¨um sehr wohl feiern, gegebenenfalls sogar als ja¨hrliche Feier,68 aber mo¨glichst so, daß weder der besorgniserregende Zustand des Protestantismus noch der Vergleich mit ro¨misch-katholischen Jubelfeiern die Feier ad absurdum fu¨hren ko¨nnten. Hinreichend Anlaß zum Jubel biete die Geschichte der protestantischen Kirche allemal: die Schatten der Finsternis sind durch das Licht des Evangeliums vertrieben; die Zeugen der Wahrheit vollziehen ungehindert ihren Dienst; das Wort Gottes hat die viele Jahrhunderte herrschenden Menschensatzungen verdra¨ngt; in der Kirche herrscht wieder Gewissensfreiheit.69 Die protestantische Kirche kann ihr Jubila¨um mit gutem Gewissen feiern, aber eben zu Gottes und nicht zu Luthers Ehren; nicht in Erwartung neuer Gnadengaben Gottes, sondern als Vergegenwa¨rtigung der in Christus ein fu¨r allemal gewa¨hrten Gnade; nicht mit a¨ußeren Zeichen, sondern in der inneren Bereitschaft fu¨r den Empfang des Reichs Gottes.70 Indem die Kirche ihre Jubila¨umsfeier von A¨ußerlichkeiten und sinnentleerten Riten befreit, ko¨nnte sie an die Tradition der alten Christenheit anknu¨pfen, deren Jubel nicht verstummte, obwohl sie klein, verachtet und verfolgt war.71 Bei allem Kummer u¨ber die mancherorts angefochtene SiJohann Peter Ludewig, Dica Ivbileorvm, S. 16. Johann Peter Ludewig, Dica Ivbileorvm, S. 16. 67 Johann Peter Ludewig, Dica Ivbileorvm, S. 17 f. 68 Johann Peter Ludewig, Dica Ivbileorvm, S. 20 f: „Scimus quidem non liberalitatem pontificum, sed auaritiam numeros auxisse iubileorum: si uero nostra iubilea memoriae sunt sacrae repurgationis, quid impedit, cur nobis non sunt anniuersaria?“ 69 Johann Peter Ludewig, Dica Ivbileorum, S. 22. 70 Johann Peter Ludewig, Dica Ivbileorum, S. 23. A ¨ hnlich a¨ußerte sich August Hermann Francke in einer Festpredigt: „Diß mu¨ssen wir nicht obenhin ansehen, sondern wohl zu Hertzen fassen. Ich und ihr, Lehrer und Zuho¨rer, ja alle Evangelische Christen sollen billig in diesem Jubel-Fest ihre Hertzen vornemlich auf GOtt selbst richten. Es wird ja gewiß dem HErrn mit der a¨usserlichen Feyer dieses Festes wenig gedienet seyn, wenn wir nicht zu ihm selbst kommen, und von ihm Segen, Leben, Licht und Kraft erbitten.“ (Ders., Der hertzliche Wunsch, S. 26 f.). 71 Johann Peter Ludewig, Dica Ivbileorvm, S. 24. 65 66

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tuation des Protestantismus du¨rfe nicht vergessen werden, Gott fu¨r die Gebiete zu danken, in denen er die lutherischen Kirchen erhalten oder vergro¨ßert hatte. Vor allem sollen die protestantischen Kirchen sich davor hu¨ten, Luther in den Mittelpunkt ihrer Feiern zu stellen: Jede u¨bertriebene Luther-Verehrung vertieft die Gra¨ben zwischen den u¨brigen christlichen Gemeinschaften und verweigert Gott die ihm gebu¨hrende Ehre.72 Wer aber alle diese Ratschla¨ge beherzigt, der wird, so Ludewig, ein wu¨rdiges Fest feiern, das ihn mit den jubilierenden Christen aller Zeiten ebenso vereint wie mit Gott selbst.73 So weit Ludewigs Kritik, die er in weiten Zu¨gen bereits bei anderer Gelegenheit vertreten hatte;74 nur hatte er zuru¨ckhaltender u¨ber die Entstehung der ro¨mischen Jubila¨en geurteilt und ausdru¨cklich fu¨r eine protestantische Sa¨kularfeier 1717 votiert, die unter kurbrandenburgischer A¨gide vorbereitet werden sollte.75 Die Warnung vor einer u¨bertriebenen Luther-Verehrung und anderen mißversta¨ndlichen Akzentuierungen bei der a¨ußeren Gestaltung der Feiern ist ihm erst angesichts der Vorbereitungen zur zweiten Sa¨kularfeier selbst wichtig geworden. Und genau darum ging es ihm mit seiner Streitschrift gegen die Jubila¨en: das Fest selbst verhindern wollte er keinesfalls, er wollte es in die richtigen Bahnen lenken.76 Doch an der Mahnung Ludewigs, den a¨ußeren Glanz der Feier zu reduzieren und die geistlichen, inneren Elemente zu betonen, schieden sich die Geister. Wohl war Ludewig der Unterstu¨tzung einzelner Professoren sicher, die ebenfalls auf die innere Dimension der Feier drangen.77 Die Universita¨t Greifswald ku¨ndigte in ihrem Programm an, reine A¨ußerlichkeiten sollten bei den Feierlichkeiten vermieden werden,78 A. von KrackeJohann Peter Ludewig, Dica Ivbileorvm, S. 30 f. Johann Peter Ludewig, Dica Ivbileorum, S. 32. 74 Johann Peter Ludewig, Gesamte kleine Teutsche Schrifften. DISCURS vom JubelJahr / Anno 1700, S. 127 ff. 75 Johann Peter Ludewig, Gesamte kleine Teutsche Schrifften. Vorrath Von den JubelJahren der Juden und Ro¨mer. 76 In seiner Festrede zum Gedenkfest der Augsburgischen Confession im Jahre 1730 ist Ludewig auf dieses Thema noch einmal zu sprechen gekommen. Dort erkla¨rte er, es fehle „denjenigen, welche damals [1717] geglaubet; als wenn ich ihnen ihre Jubel-Freude sto¨ren wollen, an einer guten Einsicht in die Beschaffenheit der so vielfa¨ltigen Jubel-Jahre.“ (Johann Peter Ludewig, Jubel-Rede, S. 4). 77 Joachim Lange warnt in der Vorrede zu seiner Jubel-Schrift „Wohl-verdientes EhrenGeda¨chtniß“, die auf den Dezember 1716 datiert ist, vor der Gestaltung einer Feier, bei der durch zu starke Betonung von A¨ußerlichkeiten die Verinnerlichung des eigentlichen Kerns der Feier verhindert wu¨rde. Und einer der wesentlichen Punkte in den Jubel-Predigten August Hermann Franckes ist die eindringliche Ermahnung zu Verinnerlichung und perso¨nlicher Aneignung des Evangeliums anstelle der unperso¨nlichen Aufza¨hlung theologischer Richtigkeiten bzw. der Erinnerung an historische Begebenheiten, die fu¨r das Christsein in der Gegenwart vo¨llig irrelevant seien. 78 Hil. Ev. II, S. 12a (Auspicatissimam Lucem): „Non vt inanibus spectaculis, quae momentanea voluptate delectant, & simul ac subducta oculis sunt, euanescere solent, in quibus 72 73

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witz in Rostock betonte in seiner Vorbereitungsrede, wie notwendig die innere Vorbereitung und Feier des Festes sei,79 und selbst an der heimischen Fridericiana konnte Ludewig trotz kritischer Gegenstimmen auf einzelne Sympathisanten hoffen. Joachim Lange hatte lange vor ihm gefordert, das Fest solle vornehmlich zur inneren Erbauung und Umkehr genutzt werden,80 und August Hermann Francke warnte die Ho¨rer seiner Jubel-Predigten davor, sich nicht durch die historischen Fakten u¨ber die Reformation von der notwendigen perso¨nlichen Buße und Umkehr ablenken zu lassen, die der eigentliche Inhalt der reformatorischen Botschaft gewesen sei.81 Doch abgesehen von diesen wenigen Befu¨rwortern zog Ludewig mit seiner Kritik den Zorn aller treuen Lutheraner auf sich, stand seine Forderung nach weniger aufwendigen Feiern doch in krassem Gegensatz zu den an vielen Orten geplanten Feiern.82 Darum hielt beispielsweise Martin Chladenius, Dekan der Theologischen Fakulta¨t in Wittenberg, Ludewig entgegen, es sei ausdru¨cklich biblische Lehre, Freude innerlich und a¨ußerlich zum Ausdruck zu bringen.83 U¨berdies warf Chladenius Ludewig vor, er habe mit seiner Schrift das Prinzip der konfessionellen Beliebigkeit proklamiert, durch das den Hauptfeinden der Kirche, na¨mlich dem Synkretismus und Indifferentismus, Tor und Tu¨r geo¨ffnet werde. Nach Chladenius’ Auffassung war es wesentlicher Bestandteil der Jubila¨umsfeier, das konfessionelle Selbstbewußtsein und die historische Verankerung in

tamen potissima pars pietatis Pontificae consistit . . .: sed vt DEO immortali, pro infinita bonitate in Genus nostrum, & illis . . . beneficiis, quae in nos adhuc uberrime, qua reuelando, qua tuendo & conseruando veritatem, contulit, debitae laudes ac gratulationes publicae redderentur.“ Vgl. auch Johannes Schmidt, De Iubileis maxime Evangelico-Lutheranis, S. 42: „In ceremoniis & ritibus, quibus Iubileus Romanensium annus illustratur, eo parciores, quo prolixius & fusius de illis non pauci commentati sunt. Theatralem enim istorum pompam accurate describere uelle non institutae brevitatis, sed maximi commentarii opus esset. In una quippe Urbe tunc videas collectum, quicquid usquam uel maiestatis, uel splendoris, uel superstitionis cerni potest.“ 79 Albrecht von Krackewitz, Oratio Secularis, S. 93r: „Et hac ratione duo tantum fuerunt Jubilaea, ab ipso Deo instituta, quorum unum typicum, alterum vero antitypicum dicendum esset.“; vgl. auch Pietas Academica, S. 225: „In V. T. infinita Ceremoniarum & Feriarum multitudo erat essentialis pars cultus divini, tum quia Deus eas ordinaverat expressa sanctione, tum quia erant Messiae.“ 80 Joachim Lange, Wohl-verdientes Ehren-Gedachtniß, a4v. ¨ 81 August Hermann Francke, Der Zuruf Christi, S. 4 f. 82 J. P. B. Jungling, ein vom hallischen Pietismus beeinflußter Parteiganger Ludewigs, ¨ ¨ nannte ausdru¨cklich die Feiern der Wittenberger Universita¨t: „Blasphemiae & Nundinationes impudentissimae ad nos non pertineant, tamen (quod dolendum) experientia monstravit, multis locis & praesertim etiam in adeo laudata Leucorea Jubilaeum illud ita celebratum esse, ut nomini divino feriae istae, magis dedecori quam decori fuerint.“ (J. P. B. Ju¨ngling, Argumenta idonea, S. 7 f). 83 Martin Chladenius, Argumenta idonea, a3r: „Quotquot enim locis Spiritus S. nos ad gaudium cohortatur, externam & internam laetitiam vult conjunctam . . .“

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der Reformation Luthers zu festigen.84 Gerade diesen Bemu¨hungen aber hatte Ludewig mit seiner Schrift geschadet, weshalb Joachim Coler, ein Wittenberger Parteiga¨nger von Chladenius, erkla¨rte, Ludewig habe dem Protestantismus mit seiner Schrift mehr geschadet als viele ro¨misch-katholische Kritiker. Fu¨r Coler stellte sich nach Ludewigs Quertreiberei sogar die Frage, ob er u¨berhaupt noch zu Recht als Mitglied der evangelischen Kirche angesehen werden ko¨nne.85 Diese und a¨hnliche Anfragen bezu¨glich des Zwecks der bevorstehenden Jubila¨umsfeier fu¨hrten dazu, daß andere Theologen die Legitimita¨t der Jubila¨umsfeier nachwiesen und die Frage Ludewigs nach der angemessenen Gestaltung der Feier vertieften. Ungeachtet aller Widerspru¨che von ro¨misch-katholischer Seite reklamierten sie fu¨r die protestantischen Landesherren das Recht kirchliche Jubelfeiern anzuordnen.86 Das Recht, kirchliche Feste anzuordnen, sei den Fu¨rsten bereits in der Heiligen Schrift zugebilligt,87 ohne daß jedes von einem Fu¨rsten angeordnete kirchliche Fest ein Fest mit quasi-go¨ttlicher Legitimation sein mu¨sse, wie es die Pa¨pste fu¨r ihre Jubeljahre behaupten.88 Fu¨r die na¨here Bestimmung des Charakters einer protestantischen Jubila¨umsfeier, zumal im Gegensatz zu den ro¨misch-katholischen Jubelfeiern, rekurrieren sie auf die von Gott selbst begru¨ndeten alttestamentlichen Jubelfeiern.89 Anders als Ludewig nennen sie ausdru¨cklich die Erlaßbestimmungen, die das alttestamentliche Jubeljahr zum Vorbild protestantischer Jubelfeiern machen. Das Erlaßjahr war ihrer Meinung nach das Vorbild des von Christus vollbrachten Heilswerks, das die Reformatoren nach jahrhundertelanger Verdunkelung wieder ans Licht gebracht und den Menschen versta¨ndlich gemacht hatten.90 Der Unterschied dieser christlichen Feiern zu denen der alten Ro¨mer oder der ro¨misch-katholischen Kirche sei daher gewal-

Martin Chladenius, Argumenta idonea, b3v. Joh. Christoph Coler, Kurtze und bescheidene Anmerckungen, S. 50. 86 Johannes Schmidt, De Iubileis maxime Evangelico-Lutheranis, S. 135 ff. David Richter, Ausfu¨hrliche Historie und Recht eines Evangelisch-Lutherischen JVBILAEI, S. 174–191. 87 Johannes Schmidt, De Iubileis maxime Evangelico-Lutheranis, S. 134. 88 Johannes Schmidt, De Iubileis maxime Evangelico-Lutheranis, S. 131. 89 David Richter, Ausfuhrliche Historie und Recht eines Evangelisch-Lutherischen ¨ JVBILAEI, S. 5 f. 90 Albrecht von Krackewitz, Oratio Secularis, S. 94r: „Haud recensebo omnes, quos respexit hic annus, fines, sed paucissimis illum tantum attingam, qui respectum habuit ad magnum illud Jubilaeum, quod inde a nato Christo usq. ad finem hujus universi durabit, in solatium ac gaudium omnium hominum peccatorum, qui ex carceribus inferni per Christum redempti, pristinae libertati restituti, bona sua amissa recuperarunt abundantissime, et laetandi materiam omnibus diebus habent affluentissimam.“ A¨hnlich argumentiert Valentin Ernst Lo¨scher, der allerdings das Passafest als Vorbild des Werkes Jesu Christi ansieht und konstatiert, daß die dort geschilderte Erlo¨sung als biblisches Vorbild der Befreiung der Christen aus der babylonischen Gefangenschaft der Papstkirche zu verstehen sei. (Ders., Jubel-Predigten, S. 20). Ebenso: August Hermann Francke, Die Freude im Herrn, S. 16 f. 84 85

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tig:91 die ro¨mischen Feste hatten nicht nur in unregelma¨ßigen Absta¨nden stattgefunden, wie Ludewig richtig festgestellt hatte, sondern sie waren, bei den Israeliten abgeschaut, mit heidnischen Riten versehen und zur Ehre heidnischer Go¨tter gefeiert worden.92 Ohne das Vorbild des alttestamentlichen Erlaßjahres und dessen Vollendung im Heilswerk Christi fußten auch die von den Pa¨psten ersonnenen Jubeljahrsfeiern auf schwankendem theologischen Grund. Ihre Funktion war es, die pa¨pstlichen Kassen zu fu¨llen, ohne den seelsorgerlichen Bedu¨rfnissen der Christen Genu¨ge zu tun. Mit diesen und a¨hnlichen Feiern heidnischen Ursprungs sind daher die protestantischen Jubila¨umsfeiern nicht zu vergleichen.93 Denn diese beziehen sich einzig auf die go¨ttliche Gnadengabe im Zeitalter der Reformation und haben ihren Grund in der Erneuerung der Kirche, die Gott mit dem Werk Luthers begonnen und in den folgenden Generationen befestigt hat. Sie bilden ein vo¨llig neues Kapitel christlicher Jubelfeiern,94 deren Zweck es ist, Gott fu¨r das Werk der Reformation zu loben und ihm fu¨r die Bewahrung der lutherischen Kirche in den vergangenen Jahrhunderten zu danken.95 Es geht gerade nicht um die Abgrenzung vom konfessionellen Gegner, sondern um die Bewußtmachung des eigenen konfessionellen Standorts.96 Mit dieser Zielbestimmung verbindet sich aber auch die von vielen Autoren so nicht wahrgenommene Tendenz einer glorifizierenden Luther91 Johannes Schmidt, De Iubileis maxime Evangelico-Lutheranis, S. 29: „Hebraeorum Iubileo diuinitus subiungimus IUBILEUM ROMANENSIUM, non quod bene hoc cum illo conuenire putamus, sed ut eo pateat luculentius, quantum distent aera lupinis, & quantus inter prius & posterius hiatus intersit.“ Bernhard von Sanden, Predigten, S. 31. Nach Auskunft Moellers la¨ßt sich die Deutung der Reformation als „guldin und jubeljahr“ bis in die Jahre der Reformation selbst zuru¨ckverfolgen (Bernd Moeller, Was wurde in der Fru¨hzeit der Reformation in den deutschen Sta¨dten gepredigt?, S. 99). 92 Johannes Behm, Brevis resolutio Quaestionis Doctoralis, S. 52v. 93 Martin Chladenius, Argumenta idonea, A4r urteilt uber die vom Papst Bonifatius ¨ VIII. begru¨ndeten Jubelfeiern: „. . . nostris solennibus ille auspicium non dedit, neque ejus mala instituta vitiant solennitatem feriarum nostrarum: cum vel ipsa causae finisque disparitas nos longissime sejungat.“ Friedrich Andreas Hallbauer, Ecclesia Lutherana, S. 2. 94 David Richter, Ausfuhrliche Historie und Recht eines Evangelisch-Lutherischen ¨ JVBILAEI, S. 28–30. 95 So definiert Johannes Schmidt das Jubilaum als „. . . festiuitatem secularem, a Principe ¨ aut Magistratu inter Protestantes ob ueritatis coelestis uel restitutionem uel conseruationem instituta, ut in ista prouidentia DEI uel reformatrix uel conseruatrix, itemque beneficia in Ecclesiam collata pura uerbi praedicatione & sacramentorum administratione extollantur, additis precibus, uelit idem uerbum aduersus hostium machinationes porro tueri & posteris, si qui futuri, illibatum seruare benignissimum Numen.“ (Ders., De Iubileis maxime Evangelico-Lutheranis, S. 131). 96 Johann Wolfgang Ianus, De Dominatu Pontificio, Vorrede: „In hoc qualiscunque opera nostra uersabitur, non, ut par pari referamus, et aduersariis nostris uicissim insultemus; sed ut diuinum beneficium, per sacrorum emendationem in summos principes, molestissimo iugo exemptos, et in integras gentes ac nationes, tot factionibus, caedibus, rapinis et calamitatibus publicis literatas, contulit, grata mente ac pietate concelebremus.“

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Deutung im Rahmen des Jubila¨ums, die Ludewig gerade verhindern wollte. So heißt es bei Richter, einem treuen Verfechter des Jubila¨umsgedankens, es gebe neben Gott niemanden, dem die lutherische Kirche soviel zu danken habe wie Luther und „daß es demnach unmu¨glich sey / selbigen bey diesen / . . . zu erlebendem anderm Jubilaeo, nicht davor in seiner Grufft und annoch GOttlob in vollen reichlichen Seegen lebender hoher und vornehmer Posterita¨t / herztlich zu dancken / und in allen Ehren aufs ru¨hmlichste zu gedencken.“97 Und Martin Chladenius erkla¨rt im ausdru¨cklichen Widerspruch zu Ludewig, Luther ko¨nne und du¨rfe sehr wohl im Mittelpunkt eines Reformationsgeda¨chtnisses stehen, sofern man ihn als „organum divinae misericordiae“ und nicht als „materiam gaudii“ ausweise.98 Doch im Kern – das ist bei allen aufkommenden politischen und theologischen Streitigkeiten im Vorfeld der Jubila¨umsfeier wichtig festzuhalten – waren die lutherischen Territorien sich einig daru¨ber, daß eine Jubila¨umsfeier stattfinden sollte, um die historischen und theologischen Wurzeln der protestantischen Kirche neu in Erinnerung zu rufen. In einer Zeit sich auflo¨sender theologischer Gegensa¨tze wollten die einzelnen Territorien auf ihre Weise Gott fu¨r das Gnadengeschenk der Reformation und fu¨r die Bewahrung der lutherischen Kirche danken und sich fu¨r das neue Jahrhundert ihres Bestehens als lutherische Kirche ausru¨sten lassen. An manchen Orten eher mit großem Pomp und aufwendigen Feiern, an anderen Orten auf eher stille und beschauliche Weise; hier mit Luther als dem Heros der Reformation im Mittelpunkt der Feierlichkeiten, dort mit dem an Gott gerichteten Dank fu¨r die Reinigung der evangelischen Lehre von der Verdunkelung im Mittelalter. Daß es den Lutheranern trotz aller Gegensa¨tze um die Demonstration ihrer Einheit ging, zeigt die Resonanz, die Ernst Salomon Cyprian erfuhr, als er um die Einsendung des Quellenmaterials bat, aus dem er seine „Hilaria Evangelica“ als „Historie des Evangelischen Jubelfestes“ zusammenstellen wollte. Er selbst verstand das Werk von Anfang an als Demonstration des im Gedenken an die Urspru¨nge der Reformation geeinten Luthertums und gewann fu¨r diese Idee breite Unterstu¨tzung. Cyprians Sammlung macht deutlich, an wie vielen Orten das Jubila¨um trotz der angefochtenen Situation des Protestantismus gefeiert wurde; die Menge des ihm eingesandten theologischen Materials bietet einen beeindruckenden U¨berblick u¨ber die Vitalita¨t des Luthertums, und die Anlage seines Werks fu¨hrte dazu, daß darin ungeachtet aller bestehenden Spannungen und Gegensa¨tze die Einheit dieses Luthertums zum Ausdruck kam.

97 David Richter, Ausfuhrliche Historie und Recht eines Evangelisch-Lutherischen ¨ JVBILAEI, S. 103. 98 Martin Chladenius, Argumenta idonea, b3r.

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Wie bru¨chig diese Einheit, wie grundverschieden die Ansichten u¨ber die Geschichte und den aktuellen Zustand des Luthertums, dessen Verha¨ltnis zur ro¨misch-katholischen Kirche und die Erwartungen fu¨r die Zukunft des Luthertums dennoch waren, wird nirgends deutlicher als an den Feierlichkeiten zum zweihundertsten Jahrestag der lutherischen Reformation, die an den deutschen lutherischen Universita¨ten abgehalten wurden.

III. Die Jubila¨umsfeiern an den deutschen lutherischen Universita¨ten

1. Wittenberg Die kursa¨chsische Universita¨t Wittenberg (gegr. 1502) war sich stets bewußt, daß von ihr die Reformation ausgegangen war und betrachtete sich als Hu¨terin der rechten lutherischen Lehre. Aus diesem Grund sah die Universita¨tsverfassung aus dem Jahr 1606 die Vereidigung aller Lehrer und Promovenden auf die Konkordienformel vor1 – eine Bestimmung, der aber außerhalb der Theologischen Fakulta¨ten aufgrund mangelnder Sorgfalt der verantwortlichen Dekane im 17. Jahrhundert immer weniger Beachtung geschenkt wurde.2 Außerdem sollten die reformatorische Lehre und die aristotelisch-melanchthonische Schulphilosophie geschu¨tzt werden, indem der Philosophischen Fakulta¨t die Rezeption des Ramismus untersagt wurde.3 So geschah es, daß die Leucorea, wa¨hrend des Dreißigja¨hrigen Krieges zeitweise von der Schließung bedroht, in der zweiten Ha¨lfte des 17. Jahrhunderts an ihrer Treue zur lutherischen Lehre festhielt. Nach außen wurde dies in den Auseinandersetzungen mit der melanchthonisch gepra¨gten Theologie Helmstedts und mit dem Calvinismus im benachbarten Brandenburg deutlich. Daß der von Leipzig und Wittenberg gemeinsam formulierte „Consensus repetitus fidei vere Lutheranae“ (1655) von den u¨brigen lutherischen Fakulta¨ten nicht rezipiert wurde, ku¨ndigte aber auch die Gefahr einer Isolation der kursa¨chsischen Universita¨ten im lutherischen Lager an. Nicht nur, daß sich fu¨r den Kampf gegen die vermeintlichen Irrlehrer in Helmstedt keine Mitstreiter fanden; im August 1662 reagierte der Große Kurfu¨rst Friedrich Wilhelm von Brandenburg (1640–88) zudem empfindlich auf die fortgesetzte anti-calvinistische Polemik. Seinen Landeskindern, die eine Stellung im brandenburgischen Staatsdienst anstrebten, untersagte er das Studium der Philosophie und Theologie in

1 Zum letztenmal wurde diese Forderung in den von Christian II aufgestellten Statuten von 1606 erhoben; vgl. Walter Friedensburg, Urkundenbuch Bd. 1, Nr. 528, S. 642 f. 2 Zur Vereidigung vgl. Petra Blettermann, Universitatspolitik, S. 70 ff. ¨ 3 Walter Friedensburg, Urkundenbuch Bd. 1, Nr. 528, S. 675.

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Die Jubila¨umsfeiern an den Universita¨ten

Wittenberg, und den bereits in Wittenberg ansa¨ssigen Studenten befahl er, ihr Studium an der Leucorea abzubrechen.4 Die herausragende Gestalt unter den Wittenberger Theologen dieser Jahre war Abraham Calov (1612–1686), der seit 1650 an der Leucorea lehrte. Unter seiner A¨gide blieb die Theologische Fakulta¨t die bestimmende Kraft an der Universita¨t. Der Aristotelismus behauptete sich in allen Fakulta¨ten als beherrschende philosophische und methodische Schule, wodurch auch die naturwissenschaftlichen Studien an einer selbsta¨ndigeren Entwicklung gehindert wurden.5 Unbeschadet dieser Traditionsverbundenheit bewiesen insbesondere die Professoren der Theologischen Fakulta¨t im ausgehenden 17. Jahrhundert Einsicht in die allgemeine Reformbedu¨rftigkeit von Theologiestudium und Kirche.6 Nicht nur bei Calov, sondern auch bei einem Großteil seiner Wittenberger Kollegen und Nachfolger fanden die Reformvorschla¨ge Speners wohlwollende Beachtung.7 Freilich verhinderte dies nicht, daß man sich in Wittenberg 1694 u¨ber das Auftreten pietistischer Kreise beklagte und energisch gegen sie vorging, als deutlich wurde, daß der Pietismus auch Vera¨nderungen im Geba¨ude der lutherischen Orthodoxie nach sich ziehen werde. So ist es zu erkla¨ren, daß die Theologische Fakulta¨t der Leucorea im Jahre 1695 in einem so bisher nicht dagewesenen Verfahren die vermeintlichen Irrlehren des spenerschen Pietismus verurteilte, weil sie dem lutherischen Bekenntnis widersprachen.8 4 Vgl. Walter Friedensburg, Geschichte der Universitat Wittenberg, S. 423 und Klaus ¨ Deppermann, Die Kirchenpolitik des Großen Kurfu¨rsten, S. 110 f. 5 Das Beispiel des Mediziners Daniel Sennert (1572–1637) zeigt, wie die naturwissenschaftlichen Fa¨cher durch die a¨ußeren Rahmenbedingungen an der Universita¨t benachteiligt wurden. Die Medizinische Fakulta¨t hatte unter Sennert in der ersten Ha¨lfte des 17. Jahrhunderts einen zwischenzeitlichen Aufschwung erlebt, den die begrenzten ra¨umlichen und finanziellen Spielra¨ume der Fakulta¨t bald wieder bremsten; vgl. Wolfgang Bo¨hmer, Die u¨berregionale Bedeutung der medizinischen Fakulta¨t, S. 228 f. Anders beurteilt Gu¨nter Mu¨hlpfordt die Entwicklung der Universita¨t Wittenberg im ausgehenden 17. Jahrhundert und betont ihren Beitrag zur Verbreitung der Aufkla¨rung in Deutschland. Seine These, Wittenberg sei schon lange zu einer Bastion der Aufkla¨rung geworden, als ihm noch das Verdikt der strengen Orthodoxie anhaftete, la¨ßt sich fu¨r den hier behandelten Zeitraum nicht besta¨tigen. Die Hinwendung der Universita¨t Wittenberg zum Gedankengut der fru¨hen Aufkla¨rung hat 1717 noch nicht stattgefunden. (Ders., Wittenberg und die Aufkla¨rung, S. 346). Diese konstruktive Auseinandersetzung mit den neuen Lehren der Zeit und die Abkehr von der strengen lutherischen Orthodoxie setzten an der Leucorea erst in den folgenden Jahren und Jahrzehnten ein (vgl. Rolf Lieberwirth, Zur Geschichte der Universita¨t Wittenberg, S. 112 f). 6 Vgl. Hans Leube, Reformideen, S. 45–56. 7 Die Dialektik zwischen lutherisch-orthodoxem Denken und Offenheit fur Reformvor¨ schla¨ge wie diejenigen Speners, ist nach Tholucks Darstellung „Der Geist der lutherischen Theologen Wittenbergs“ charakteristisch fu¨r die 2. Ha¨lfte des 17. Jahrhunderts. 8 Johannes Wallmann, Die Rolle der Bekenntnisschriften, S. 388 ff weist auf die Neuartigkeit des hier praktizierten Verfahrens einer Lehrverurteilung unter Berufung auf die Bekenntnisschriften hin. Die gegen den Pietismus gerichtete Schrift erschien unter dem Titel: Christ-Lutherische Vorstellung, in deutlichen und aufrichtigen Lehr-Sa¨tzen, nach

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Mit dem Beginn der Herrschaft von Kurfu¨rst Friedrich August I., genannt August der Starke (1694–1733), der wenige Jahre spa¨ter im Jahre 1697 zum ro¨misch-katholischen Bekenntnis u¨bertrat, um die polnische Ko¨nigskrone zu erwerben, brach in Kursachsen und damit fu¨r die Universita¨ten Wittenberg und Leipzig eine neue A¨ra an. Unmittelbar nach der Konversion sicherte der Kurfu¨rst der lutherischen Bevo¨lkerung zu, daß ihr aus der Konversion keine politischen Nachteile oder Beschra¨nkungen in der Religionsausu¨bung entstehen sollten. Das Direktorium der protestantischen Reichssta¨nde im Corpus Evangelicorum fiel voru¨bergehend dem Herzog von Sachsen-Gotha und dann dem Herzog von SachsenWeissenfels zu, die auch die Aufsicht u¨ber das Dresdener Oberkonsistorium versahen.9 Innerhalb Kursachsens entwickelten sich die Landsta¨nde zu Hu¨tern des lutherischen Bekenntnisses, wa¨hrend die Fu¨hrungsrolle im Corpus Evangelicorum nach und nach dem Ko¨nig von Preußen zufiel. Damit hatte Kursachsen am Ende des 17. Jahrhunderts neben der lange unbestrittenen Vorherrschaft seiner Theologischen Fakulta¨ten auch seine politische Fu¨hrungsrolle unter den protestantischen Reichssta¨nden verspielt. Gleichwohl profitierten die kursa¨chsischen Universita¨ten Wittenberg und Leipzig gleichermaßen von den politischen und wirtschaftlichen Erfolgen des Kurfu¨rsten.10 Dieser ließ seinem Oberkonsistorium und dem Geheimen Rat (seit 1706 Geheimes Konsil) weitgehend freie Hand in der Personalpolitik der Universita¨ten11 und stellte sie u. a. durch die Einrichtung von Sonderprofessuren oder tempora¨ren Extraordinariaten in den Dienst des aufkommenden absolutistischen Staates.12 Den Bitten um eine Visitation der Universita¨ten ist August der Starke bis ins Jahr 1717 jedoch nicht nachgekommen, obwohl die Landsta¨nde bereits 1699 gravierende Mißsta¨nde im Leben und Lehrbetrieb der Universita¨ten moniert hatten.13 Zu den innenpolitischen Spannungen kamen außenpolitische Lasten, die GOttes Wort und den symbolischen Kirchen-Bu¨chern, sonderlich der Augspurgichen Confession, und unrichtigen Gegen-Sa¨tzen aus Herrn D. Philippi Jacobi Speners Schrifften . . . aufgesetzet und publiciret von den Theologis in Wittenberg. 9 Vgl. Carl Heinrich von Ro ¨ mer, Staatsrecht und Statistik des Churfu¨rstenthums Sachsen, S. 460. 10 Eine ausfuhrliche Darstellung der Entwicklung der kursachsischen Universitaten un¨ ¨ ¨ ter der Regierung Augusts des Starken bietet Petra Blettermann, Universita¨tspolitik. 11 Vereinzelt gab es trotzdem direkte Eingriffe der kurfurstlichen Familie in die Beru¨ fungspolitik. So ist Adam Rechenberg 1699 auf ausdru¨cklichen Wunsch der Mutter des Kurfu¨rsten auf die erste Professur der Theologischen Fakulta¨t berufen worden (Petra Blettermann, Universita¨tspolitik, S. 65). 12 Folgende Sonderprofessuren wurden in Leipzig und Wittenberg eingerichtet: eine Professur iuris saxonici et cursoriae tractationis Pandectarum 1702 in Leipzig und 1722 in Wittenberg; eine Professur fu¨r Natur- und Vo¨lkerrecht 1711 bzw. 1719 und eine Professur fu¨r gemeines und sa¨chsisches Lehensrecht 1712 bzw. 1718 (Petra Blettermann, Universita¨tspolitik, S. 77 f). 13 Vgl. Walter Friedensburg, Urkundenbuch Bd. 2, Nr. 836.

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das Land in diesen Jahrzehnten trafen. Der Nordische Krieg, in dem Kursachsen und Polen an der Seite Rußlands und Da¨nemarks gegen Schweden ka¨mpften, richtete im Land große Verwu¨stungen an. Zudem lasteten die Zahlungen, die August der Starke zum Erlangen der polnischen Ko¨nigswu¨rde geleistet hatte, ebenso auf den Schultern der Bevo¨lkerung wie die Kosten fu¨r die absolutistische Hofhaltung. Manche kritische A¨ußerung u¨ber die Verha¨ltnisse in Kursachsen, die im Rahmen der Jubelfeier laut wurde, ist vor dem Hintergrund dieser inneren und a¨ußeren Belastungen von Staat und Kirche zu verstehen.14 Dies war die Situation in Kursachsen, als 1716 die ersten U¨berlegungen zum bevorstehenden Reformationsjubila¨um angestellt wurden. Tatsa¨chlich hat August der Starke den Protestanten anla¨ßlich des Jubila¨ums die ihnen zugebilligte Religionsfreiheit nicht beschnitten und das Jubila¨um durch das Dresdener Oberkonsistorium vorbereiten und im ganzen Land anordnen lassen. Seine kurfu¨rstlichen Anordnungen zum Reformationsjubila¨um in Kursachsen sind auf den 8. September 1717 datiert.15 Sie verzichten auf kritische Anspielungen hinsichtlich der Vergangenheit und Gegenwart der ro¨misch-katholischen Kirche und nennen die Entdeckung und Verbreitung des Evangeliums durch Martin Luther als Anlaß und das Lob Gottes und die Fu¨rbitte fu¨r den weiteren Weg der Kirche als Zweck des Festes. Am gleichen Tag ergingen die ersten Anweisungen an die Universita¨ten. Darin ordnete der Kurfu¨rst an, daß beide Universita¨ten mit allen Fakulta¨ten an den Jubelfeiern teilnehmen sollten. Zugleich ermahnte er sie, in schriftlichen und mu¨ndlichen Beitra¨gen die gebu¨hrende Ma¨ßigung zu bewahren und wies sie auf die entsprechenden reichsrechtlichen Bestimmungen aus dem Ju¨ngsten Reichstagsabschied von 1654 hin. Weil diese Anweisung so scharf formuliert war, schloß er sie mit dem Zusatz: „Weil dieses Rescript drucken zu lassen bedencklich fa¨llet, Alß wird, damit solches unterbleibe, hierdurch zur Nachricht wißend gemacht.“16 Daß er einen gesitteten Verlauf der akademischen Feiern erwartete, zeigt ebenso sein Schreiben vom 11. Oktober 1717: „Wir wollen zwar nicht zweifeln, es werden bey bevorstehendem Jubilaeo, auch die Studiosi bey unserer Universita¨t zu Wittenberg sich in geziemenden Schrancken halten stille, sittsam und dergestalt bezeigen, daß niemand u¨ber sie Beschwerung zufu¨hren Anlaß und Gelegenheit haben ko¨nne; Dochferne aber

14 Auf ein bemerkenswertes Beispiel fur die kritischen und dem Jubilaum gegenuber ¨ ¨ ¨ skeptischen Stimmen sei hier besonders hingewiesen. Es ist ein Gedicht des siebzehnja¨hrigen Nikolaus Ludwig von Zinzendorf, der das Jubila¨um als Student in Wittenberg erlebt hat. Es ist wiedergegeben bei Albert Knapp, Geistliche Gedichte des Grafen Zinzendorf, S. 316 f. 15 Die Bestimmungen sind abgedruckt in Hil. Ev. I, S. 93 (Chur-Sachsen A). 16 Das Wittenberger Exemplar dieses Schreibens, von dem sich auch im Sachsischen ¨ HStA und im Universita¨tsarchiv Leipzig jeweils ein Exemplar befindet, ist bei Loofs, Jahrhundertfeier, S. 29 vollsta¨ndig wiedergegeben.

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doch u¨ber Vermuthen unter denenselben einige sich finden sollten, welche sich nicht gebu¨hrend auffu¨hren und entweder selbst unfertige Ha¨ndel vornehmen, oder andere darzu verleiten wollten; So habt ihr alle beho¨rige Sorgfalt, und mo¨glichste Behuttsamkeit anzuwenden, und zugebrauchen, damit dergl. abgewendet und alle und jede Exzesse sowohl in denen Ha¨usern als o¨ffentlich auff denen Strassen, und unbo¨tiges Wesen verhu¨ttet und selbigen vorgebauet werden mo¨ge. Gestalt ihr denn die sa¨mbtlichen Studiosos durch o¨ffentlichen Anschlag und sonsten zu wohlansta¨ndiger Bezeigung ernstlich anzuvermahnen, auch nachdru¨cklich zu verwarnen, daß wer einen oder den anderen Exzess veru¨ben wu¨rde, geschehe solches in der Stadt oder auff dem Lande wir dasselbe unnachbleiblich zu ahnden und empfindlich bestraffen zu lassen, nicht anstehen wu¨rden.“17

Außerdem forderte der Kurfu¨rst seine beiden Universita¨ten auf, mit einem offiziellen Schreiben bei den u¨brigen Reichssta¨nden fu¨r die Jubelfeier zu werben und u¨ber den Stand der kursa¨chsischen Vorbereitungen zu informieren.18 Am 29. Oktober erkla¨rte er sich kurz vor Beginn der Feierlichkeiten bereit, die Promotionsfeiern an beiden Universita¨ten dadurch zu unterstu¨tzen, daß er Wein und Wildbret fu¨r den Doktorschmaus stiftete.19 Das bevorstehende Fest sollte am 24. Oktober auf allen Kanzeln abgeku¨ndigt werden.20 Die Vorbereitung mit Gottesdienst und Beichte sollte am Vortag, dem 30. Oktober, stattfinden. Fu¨r die drei Festtage, vom 31. Oktober bis zum 2. November, wurden Handel und o¨ffentliche Gescha¨fte untersagt und der Gottesdienstbesuch und die Beteiligung an den u¨brigen Feierlichkeiten angeordnet. Die Predigttexte und die Lesungen fu¨r die Festgottesdienste wurden verbindlich vorgeschrieben: am 31. Oktober vormittags Mt. 2215–22 (Der Zinsgroschen) oder 2. Petr. 119 („Umso fester haben wir das prophetische Wort . . .“), nachmittags Kol. 31–6 („Seid ihr nun mit Christus auferstanden, so sucht, was droben ist. . .“), am 1. November vormittags Ps. 462–6 („Gott ist unsere Zuversicht und Sta¨rke, eine Hilfe in den großen No¨ten, die uns betroffen haben“), nachmittags Lk. 1232 („Fu¨rchte dich nicht, du kleine Herde. . .“), am 2. November vormittags 1. Tim. 612–16 („Ka¨mpfe den guten Kampf des Glaubens“) und nachmittags Joh. 1717 („Heilige sie in der Wahrheit; dein Wort ist die Wahrheit“).21 Fu¨r eine eventuelle Vero¨ffentlichung der Predigten war die Genehmigung des Oberkonsistoriums einzuholen, die Vero¨ffentlichung von

17 Zitiert nach: Sachsisches HStA, Geheimes Archiv, Loc. 1891, Bl. 49. Eine entspre¨ chende Ausfertigung im Universita¨tsarchiv Wittenberg wird von Loofs, Jahrhundertfeier, nicht erwa¨hnt. Daß das Schreiben aber tatsa¨chlich an die Universita¨ten ergangen ist, belegt das im Universita¨tsarchiv Leipzig vorliegende Exemplar; vgl. UAL, GA Sect. IV Nr. 59, Bl. 1. 18 Vgl. Kap. II. 19 Vgl. Sachsisches HStA, Geheimes Archiv, Loc. 7436/19, Bll. 210 f. ¨ 20 Der Text der Intimation findet sich Hil. Ev. I, S. 94 (Chur-Sachsen B). 21 Hil. Ev. I, S. 96f (Chur-Sachsen D).

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Predigtdispositionen oder anderen Hilfen zur Predigtvorbereitung im Vorfeld des Jubila¨ums sollte ga¨nzlich unterbleiben.22 Davon, daß der Kurfu¨rst im u¨brigen Zuru¨ckhaltung hinsichtlich des Jubila¨ums geu¨bt ha¨tte, wie Czok und Gross urteilen,23 kann angesichts der kurz vor dem Jubila¨um bekanntgemachten Konversion des Kurprinzen freilich keine Rede sein.24 Zwar hatte der Kurfu¨rst am 23. Oktober der protestantischen Bevo¨lkerung erneut die konfessionelle Toleranz zugesichert, doch bedingt durch die verzo¨gerte Vero¨ffentlichung des Mandats ist das Reformationsjubila¨um in Ungewißheit u¨ber die Zukunft der lutherischen Kirche in Kursachsen gefeiert worden.25 Das wird vor allem an den Nachrichten von den Feierlichkeiten in Dresden deutlich. Dort waren na¨mlich, unmittelbar nachdem der Kurfu¨rst sein Kabinett und seinen Geheimen Rat von der Konversion des Kurprinzen in Kenntnis gesetzt hatte, der Oberhofprediger und Superintendent von Dresden einbestellt worden. Ihnen wurde die Nachricht ebenfalls weitergegeben, erga¨nzt durch den Hinweis, daß man sie perso¨nlich zur Rechenschaft ziehen werde, sollte es zu unziemlichen Reaktionen unter den Geistlichen oder Gla¨ubigen kommen.26 Als am 28. Oktober die Ko¨nigin und Kurfu¨rstin anreiste, kursierte kurzzeitig das Geru¨cht, sie werde nun wohl ebenfalls zum Katholizismus konvertieren mu¨ssen.27 Um so gro¨ßer war die Freude, als sie gleich am ersten Festtag in Dresden den Festgottesdienst besuchte, am Abendmahl teilnahm und dem Oberhofprediger versicherte, sie werde zeitlebens am evangelischen Bekenntnis festhalten.28 Obwohl sich die Ko¨nigin damit demonstrativ auf die Seite der Protestanten stellte, blieben die Lutheraner verunsichert, Hil. Ev. I, S. 93b (Chur-Sachsen A). Karl Czok, und Reiner Gross, Das Kurfu¨rstentum, die sa¨chsisch-polnische Union und die Staatsreform (1547–1789), S. 260. 24 Zu diesen Vorgangen s. oben, S. 31 ff. ¨ 25 In den Quellen finden sich zwei Datierungen dieser neuerlichen Versicherung der Anerkennung des lutherischen Bekenntnisses in Kursachsen. Die in Hil. Ev. I, S. 97f abgedruckte kurfu¨rstliche Religions-Versicherung ist auf den 23. Oktober 1717 datiert. Christoph Ernst Sicul, Neo-Annalium III, S. 796 berichtet, das Mandat sei erst am 4. November in Leipzig vero¨ffentlicht worden. 26 M. Mann am 25. Oktober 1717 an Herzog Friedrich II., ThStAGo, Geheimes Archiv Gotha XX I Nr. 28. 27 M. Mann am 30. Oktober 1717 an Herzog Friedrich II., ThStAGo, Geheimes Archiv Gotha XX I Nr. 28. 28 M. Mann am 4. November 1717 an Herzog Friedrich II., ThStAGo, Geheimes Archiv Gotha XX I Nr. 28. Eine im kursa¨chsischen Torgau erschienene Jubelschrift unterstreicht die Bedeutung der Kurfu¨rstin als moralische Stu¨tze fu¨r die verunsicherten Lutheraner. Die Schrift aus der Feder des Lizentiaten Johann Philipp Do¨ring ru¨hmt „Die 5 Denckwu¨rdigsten 5 Verdienste 5 derer 5 Durchlauchtigsten 5 Churfu¨rstinnen zu Sachsen, 5 gegen die wahre Evangelische Religion . . .“ Das Frontispiz zeigt ein Bildnis der Ko¨nigin und Kurfu¨rstin Christiane Eberhardine, das mit den Worten unterschrieben ist: „Hier zeigt sich ein Portrait mit Ko¨niglichen Minen, 5 Das doch der Demuth selbst vollkommen a¨hnlich sieht 5 Von dem das Haupt-Bild sich, dem Ho¨chsten treu zu dienen, 5 Und seines Zions Ruhm zu 22 23

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wovon Lo¨schers Jubila¨ums-Predigten ein beredtes Zeugnis geben. Sie sind von dem Anliegen bestimmt, die Gemeinde angesichts der gefa¨hrdeten Lage der lutherischen Kirche zu tro¨sten und zu einem standhaften Bekenntnis ihres Glaubens zu ermutigen, nachdem das Fest u¨berhaupt nur „wider Vermuthen“29 zu Stande gekommen ist. Lo¨scher betont, daß es das Los der wahren Heiligen sei, in ihrem Leben viel Leid zu tragen,30 und in der gegenwa¨rtigen Situation geho¨re neben perso¨nlichen Repressalien der Abfall der Obrigkeit vom rechten Glauben dazu.31 Fu¨r die Gla¨ubigen bedeutet diese Situation den status confessionis, in dem sie vor der ungla¨ubigen Obrigkeit Zeugnis ablegen32 und selbst in die Gemeinschaft der verfolgten Gemeinden treten mu¨ssen.33 Wie beklemmend die Situation in Dresden gewesen ist, verdeutlicht die kurze Notiz, in der Lo¨scher am 6. November gegenu¨ber Cyprian das Jubila¨um erwa¨hnt. Er schreibt: „Gott hat uns zwar das Evangel. Lutherische Jubelfest in geistlicher Freude und ziemlicher Freyheit alhier zuru¨cklegen lassen, [. . .] aber der Jammer der uns zugleich wegen der berichteten Religions Vera¨nderung getroffen, ist kaum zu beschreiben.“34

An der Leucorea35 lehrten zum Zeitpunkt des Jubila¨ums 22 Professoren (4 theol., 5 jur., 3 med., 10 phil.). Die Professoren der Theologischen Fakulta¨t waren: Caspar Lo¨scher (1636–1718), Gottlieb Wernsdorf (1668– schu¨tzen stets bemu¨ht, 5 Auch durch die That erweißt, daß Christen Lampen wa¨ren, 5 Die, andern wohlzuthun, ihr eigen Oel verzehren.“ 29 Valentin Ernst Lo ¨ scher, Jubel-Predigten, S. 21. 30 Valentin Ernst Lo ¨ scher, Jubel-Predigten, S. 39. 31 Valentin Ernst Lo ¨ scher, Jubel-Predigten, S. 60. Diese und a¨hnliche Passagen der Jubel-Predigten haben dazu gefu¨hrt, daß Lo¨scher, der die Predigten vor dem Fest beim Oberkonsistorium vorzulegen hatte, ermahnt wurde, die Angriffe gegen den Kurfu¨rsten und die ro¨misch-katholische Kirche zu unterlassen. Ein entsprechender Aktenvermerk findet sich: Sa¨chsisches HStA, Geheimes Archiv, Loc. 7436/19, Bl. 214 f. 32 Valentin Ernst Lo ¨ scher, Jubel-Predigten, S. 56.60. 33 Valentin Ernst Lo ¨ scher, Jubel-Predigten, S. 50. 34 FLB Chart A 425, Bl. 182r. (Brief Loschers vom 6. November 1717). ¨ 35 Folgende Berichte stehen zur Verfugung: 1. Kurtzer Entwurff, Wie das den 31. Oct¨ ober, des itzt lauffenden Heil-Jahrs 1717 . . . Zum andern male einfallende Jubilaeum Lutheranum Auf der . . . Universita¨t Wittenberg Von dem 31. Octobr. biß auf den 7. Novembr. soll celebriret werden, Wittenberg 1717. 2. Georgi, Chr. Sigismund, Annales Academiae Vitembergensis, Wittenberg 1775, S. 194–221. 3. Das / in diesem MDCCXVII. Jahre / zum andern mahle / u¨ber die Reformation Lutheri / Jubilirende / Wittenberg / und sonderlich / wie / Eine Hochlo¨bl. Universita¨t / daselbst / diß andere Jubileum Lutheranum / bey Vierzehen Tage lang / feyerlich begangen. / WITTENBERG / . . . / . . . 1717. 4. Umsta¨ndliche Beschreibung und Bericht, wie das zweyte Jubel-Fest der Reformation Lutheri An. 1717. in Wittenberg solenniter begangen worden, in: Antonius Faber, Europ. StaatsCantzley. Th. 80, S. 612–622. 5. Von der nunmehr gehaltenen Reformations-Jubel-Feyer zu Dresden, zu Leipzig und zu Wittenberg, Hil. Ev. I, S. 106–115 (Chur-Sachsen M). 6. Das / Evangelische Wittenberg / Wie es mit Loben und Dancken / Das Zweyte Jubel-Fest / der Reformation Lutheri / in diesem MDCCXVII. Jahre begangen / o. O., Hil. Ev. I, S. 139–150 (Chur-Sachsen O).

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1729), Martin Chladenius (1669–1725) und Georg Friedrich Schroer (1663–1739). Von Lo¨scher, dem Senior der Fakulta¨t, liegen uns keine Beitra¨ge zum Reformationsjubila¨um 1717 vor, da er erkrankt war. Er ließ sich wa¨hrend der Feiern von Wernsdorf vertreten, der fu¨r ihn eine der Festpredigten und die Jubelrede auf die Reformation zu Beginn der akademischen Feiern vor der versammelten Universita¨t hielt. Wernsdorf, der allgemein zu den „Vertretern der milderen Orthodoxie“36 gerechnet wird, hat diesen Ruf mit seinen offiziellen Beitra¨gen zum Jubila¨um zwar besta¨tigt. Daneben verfaßte er aber eine der bissigsten Schriften, die anla¨ßlich des Jubila¨ums entstanden sind. Wernsdorf vero¨ffentlichte seine Schrift „Judas der Verra¨ter am Evangelischen Jubila¨o“ unter dem Pseudonym „Theophil Warmund“37 gegen einen lutherischen Konvertiten, dem er Verrat an der lutherischen Kirche vorwirft. Theologische Beweise und historische Erza¨hlungen sollen beweisen, warum das Seelenheil auf keinen Fall in der ro¨misch-katholischen Kirche zu finden sei. Daß Wernsdorf angesichts der aktuellen Situation in Kursachsen solch ein scharfes Pamphlet von u¨ber 400 Seiten gegen einen ehemals protestantischen Konvertiten vero¨ffentlichte, zeugt von selbstgewissem Wagemut, zeigt aber ebenso den orthodoxen Streittheologen in ihm.38 Dekan der Theologischen Fakulta¨t war zum Zeitpunkt des Jubila¨ums Martin Chladenius, aus dessen Feder die offiziellen Einladungsschreiben der Theologischen Fakulta¨t und der Universita¨t stammen. Insgesamt ist Chladenius im Zusammenhang des Reformationsjubila¨ums einer der aktivsten Professoren u¨berhaupt gewesen. Bereits am 1. Dezember 1716 veranstaltete er eine neue Ausgabe von Luthers 95 Thesen, und in den folgenden elf Monaten bis zum Jubila¨um stellte er vorwiegend reformationsgeschichtliche Themen in das Zentrum seiner akademischen Veranstaltungen. Sein Beitrag zu den Feiern selbst umfaßt drei Predigten und drei Disputationen. Außerdem antwortete er im Dezember 1717 auf J. P. Ludewigs „Dica Ivbilaeorum“ und verteidigte das Jubila¨um gegen die Attakken aus Halle. Als Mitstreiter Wernsdorfs im Kampf gegen theologische Sondermeinungen in der Theologischen Fakulta¨t ist Schroer zu erwa¨hnen, der 1717 ordentlicher Professor der Theologie geworden war und wa¨hrend der Feiertage zwei Predigten fu¨r seinen Schwiegervater Caspar Lo¨scher u¨bernahm. Mit Johann Caspar Haferungs (1669–1744) Lehrta¨tigkeit brach schließlich auch in Wittenberg die Zeit an, in der „Pietisten bzw. Pietistenfreunde“39 ordentliche Lehrstu¨hle besetzten. Haferung 36 Georg Mu ¨ ller, Art. „Wernsdorf“, in: RE3, Bd. 21, S. 127 za¨hlt Wernsdorf „zu den Vertretern der milderen Orthodoxie, der bei strenger Wahrung des eigenen Standpunkts fu¨r den Gegner Versta¨ndnis und Entgegenkommen zeigte.“ 37 Vgl. Deutsches Pseudonymen-Lexikon, S. 303. 38 Auf diese Seite von Wernsdorfs theologischem Schaffen hat jungst Heikki Lempa, ¨ Zur Bildungsgeschichte Wittenbergs, S. 315 hingewiesen. 39 Johannes Wallmann, Die lutherische Orthodoxie zur Zeit Ernst Salomon Cyprians.

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war seit 1713 Archidiakonus an der Marien-Kirche und seit 1715 außerordentlicher Professor der Theologie.40 Von ihm sind zwei Jubelpredigten u¨berliefert.41 Der Juristischen Fakulta¨t geho¨rten folgende Professoren an: Caspar Heinrich Horn (1657–1718), Johann Balthasar Wernher (1675–1742), Michael Heinrich Griebner (1682–1755), Gebhard Christian Bastineller, Gottfried Ludwig Mencken (1683–1744). Zur Medizinischen Fakulta¨t za¨hlten: Johann Gottfried Berger (1659–1736), Christian Vater (1651–1732) und Adam Brendel (gest. 1719). Letzterer war 1717 Rektor der Universita¨t und damit verantwortlich fu¨r die Organisation und Durchfu¨hrung des Jubila¨ums. In der Philosophischen Fakulta¨t lehrten: Johann Christoph Wichmannshausen (1663–1727), Johann Wilhelm Berger (1672–1751), Georg Wilhelm Kirchmajer (1673–1751), Heinrich Klausing (1675–1745), Ernst Christian Schroeder, Martin Hassen (1677–1750), Martin Gotthelf Lo¨scher (gest. 1735), Johann Wilhelm Jahn (1681–1723), Friedrich Strunz (1680–1725) und Johann Friedrich Weidner. Allen politischen und theologischen Voraussetzungen zum Trotz hat die Leucorea im Jahre 1717 noch immer ihren Fu¨hrungsanspruch unter den lutherischen Universita¨ten des Reichs geltend gemacht und sich dazu auf ihre besondere Rolle im Zeitalter der Reformation und ihren Beitrag zur Ausbreitung der reformatorischen Lehre berufen. In ihrem Programm heißt es: „In ea enim Urbe vivimus, in qua renata veritas sua velut incunabula invenit: Ea in Cathedra sedemus, e qua purioris doctrinae semina primum omnium sunt sparsa: Ea denique in Aede concionamur, per cujus quasi portas Rex gloriae denuo in Ecclesiam est ingressus . . . Sit igitur non usque adeo speciosa, sit inter Duces Judae minima, sit in oculis mundi contempta, Wittenberga! Sat honoris, & gloriae, in eam contulit Deus, quod illam, per renatum in ea Evangelium, omnium Ecclesiarum Evangelicarum matrem constituit.“42

Die hier anklingende enge historische Beziehung zwischen Stadt und Universita¨t dru¨ckte sich auch in der Verbindung sta¨dtischer und akademischer Jubelfeiern aus, wenn die letzten Absprachen auch sehr kurzfristig, na¨mlich am 26. Oktober, getroffen wurden.43 Dann stand aber endgu¨ltig

Stand der Forschung, S. 13. Wallmann nennt neben Haferung Johann Georg Joch als ersten Wegbereiter des Pietismus an der Leucorea. 40 Eine ordentliche Professur in der Theologischen Fakultat wurde Haferung 1726 ub¨ ¨ ertragen. 41 Die Predigten bilden formal eine ungewohnliche Verbindung zwischen der von Tho¨ luck beschriebenen a¨lteren weitschweifigen, betont gelehrten und hochtrabenden Predigtweise der Wittenberger Theologen und der neuen pietistisch-erbaulichen Predigtmethode, wie sie vor allem in Halle anzutreffen war (August Tholuck, Der Geist der lutherischen Theologen Wittenbergs, S. 262 ff). 42 Hil. Ev. II, S. 20a (Epistola Invitatoria). 43 Friedrich Loofs, Jahrhundertfeier, S. 22. Von vorausgegangenen Absprachen zwi-

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fest, daß die kirchliche Feier mit Beteiligung der Professoren als Predigern vom 31. Oktober bis zum 2. November dauern und im Anschluß die akademischen Feierlichkeiten vom 3. bis zum 13. November stattfinden sollten. Eine Besonderheit der ansonsten eng an das erste Sa¨kularfest von 1617 angelehnten Jubelfeiern44 war die Einrichtung eines eigenen von den Studenten der Theologischen Fakulta¨t vorbereiteten Festaktes, der am 7. November abgehalten werden sollte. Der Ablauf der Feiern gestaltete sich wie folgt: Weisungsgema¨ß wurde am 24. Oktober die Intimation von den Kanzeln verlesen, am 30. Oktober wurden vormittags in der Stadtschule erste Vorbereitungsreden gehalten, und Haferung hielt im Abend-Gottesdienst eine Vorbereitungs-Predigt u¨ber Apk. 311 („Halte, was du hast, daß niemand deine Krone nehme!“). Die Feierlichkeiten am 31. Oktober begannen um 3 Uhr morgens mit der Illumination der Tu¨rme der Pfarr-Kirche. Unterdessen spielten die Stadtmusiker auf den Tu¨rmen Chora¨le, die in der ganzen Stadt zu ho¨ren waren.45 Zwischen 4 und 5 Uhr wurde das Fest, wie an hohen kirchlichen Feiertagen u¨blich, eingela¨utet,46 anschließend hielt der Magister A. Wolf einen ersten Festgottesdienst. Ab 5 Uhr versammelte sich das Corpus Academicum im Augustiner-Kloster: die Professoren in der Cellula Lutheri, Doktoren, Licentiaten und Ga¨ste im Alumneum und die Studenten im großen Saal.47 Vom Augustinerkloster zogen die Universita¨tsangeho¨rigen in einer Prozession in die Schloßkirche ein, wo Wernsdorf die Jubila¨umsPredigt u¨ber Mt. 1724–29 (Der Zinsgroschen) hielt.48 Im Anschluß begab man sich in die Stadtkirche, in der Schroer in Vertretung C. Lo¨schers die Hauptpredigt hielt. Schroer hatte zwar offiziell u¨ber 2. Petr. 119 zu predigen, aber die noch vorliegende Disposition zeigt, daß er sich vornehmlich an den Text des Exordiums aus Apk. 146 ff („Und ich sah einen andern Engel fliegen mitten durch den Himmel, der hatte ein ewiges Evangelium zu verku¨ndigen. . .“) gehalten hat.49 Die dritte Festpredigt dieses Tages vor der Universita¨t hielt Chladenius am Nachmittag u¨ber Kol. 13–6 in der Pfarrkirche. Damit hatte bereits am ersten Festtag je ein Theologieprofessor in einer der drei Hauptkirchen gepredigt. Die u¨brigen von Angeho¨ri-

schen der Stadtgeistlichkeit mit Caspar Lo¨scher berichtet zusa¨tzlich: Das jubilirende Wittenberg A3b. 44 Friedrich Loofs, Jahrhundertfeier, S. 22. 45 Hil. Ev. I, S. 141b (Chur-Sachsen O). 46 Hil. Ev. I, S. 142a (Chur-Sachsen O). 47 Das jubilirende Wittenberg A4a. 48 Rein formal ist diese Predigt bemerkenswert, da sie als Beschreibung einer Jubel-Medaille gestaltet ist, anhand derer Wernsdorf den Charakter der lutherischen Reformation und der Jubelfeier exemplifiziert. Eine Abbildung der Jubila¨ums-Medaille findet sich bei Hugo Schnell, Martin Luther und die Reformation, Abb. 171. Zu Predigt und Medaille: Friedrich Loofs, Jahrhundertfeier, S. 31, Anmerkung 2. 49 Die Predigt beschrieb nach Hil. Ev. I, S. 110a (Chur-Sachsen M): „Lutherum, den mitten durch den Kirchen-Himmel mit dem ewigen Evangelio fliegenden Engel“.

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gen der Universita¨t gehaltenen Predigten waren folgende: am Vormittag des 1. November Wolf, Schroer und Chladenius u¨ber Ps. 462–6;50 die Abend-Predigt u¨ber Lk. 1232 hielt Haferung; am 2. November predigte Klausing vormittags u¨ber 1. Tim. 612–16 und Chladenius – auch er entgegen den kurfu¨rstlichen Vorschriften – u¨ber Jer. 3133 („Das soll der Bund sein, den ich mit dem Hause Israel schließen will . . .“).51 Ihren Abschluß fand die kirchliche Feier mit der Vesper-Predigt Andreas Julius Bo¨ttichers u¨ber Joh. 1717, die zugleich seine Licentiatenpredigt war.52 Den Auftakt zur Jubelfeier der Universita¨t bildete am Morgen des 3. November die Rede Wernsdorfs u¨ber den Nutzen der Reformation fu¨r Kirche und Staat in der Schloßkirche.53 Am Nachmittag rezitierte Strunz ein Fest-Gedicht „De impedimentis reformationis“, das schon 1617 vorgetragen worden war.54 An den folgenden Tagen ließ die Universita¨t die zu den Promotionen geho¨rigen Disputationen abhalten und nahm eine Reihe akademischer Ehrungen vor. Am 4. November disputierte Bo¨tticher unter dem Vorsitz von Chladenius u¨ber das Thema der richtigen theologischen Erkenntnismethode in der evangelischen Theologie,55 und am 5. November wurden neben ihm sieben weitere Theologen und ein Jurist promoviert.56 Den feierlichen Promotionsakt umrahmten Reden des Theologen Schroer und des Juristen Mencke.57 Am 6. November erhielten 43 Angeho¨rige der Philosophischen Fakulta¨t den Magistergrad, nachdem sie zuvor im Hause des amtierenden Dekans der Theologischen Fakulta¨t, Chladenius, die Konkordienformel unterzeichnet hatten.58 Auch diese feierliche Promotion wurde von der Rede eines Professors, na¨mlich des Dekans der Philosophischen Fakulta¨t Hassen begleitet, der u¨ber Luther als den Reformator der Moralphilosophie sprach.59 Neben diesen Magistern wurden wa¨hrend des Festakts durch Schroer zwei poetae laureati kreiert.60

Hil. Ev. I, S. 144b (Chur-Sachsen O). Das jubilirende Wittenberg B2a berichtet, auch Martin Chladenius habe u¨ber 1. Tim. 612–16 gepredigt. 52 Hil. Ev. I, S. 146b (Chur-Sachsen O). Das jubilirende Wittenberg B2a. 53 Das jubilirende Wittenberg B2b. 54 Friedrich Loofs, Jahrhundertfeier, S. 23. 55 Das jubilirende Wittenberg B2b. 56 Die neu promovierten Doktoren der Theologischen Fakultat waren: J. B. Luhn, J. A. ¨ Knoblach, H. G. Schneider, M. W. Wagner, C. C. Stempel, J. R. Cademann, A. Bo¨tticher. Zum Doktor beider Rechte wurde J. F. Schlegel promoviert; vgl. Das jubilirende Wittenberg B3a. 57 Beide Reden sind nicht erhalten und die Themen sind nicht bekannt. 58 Hil. Ev. I, S. 147b (Chur-Sachsen O). 59 Die nicht erhaltene Rede hatte den Titel: „De Luthero, moralis sapientiae restauratore.“; vgl. Hil. Ev. I, S. 110a (Chur-Sachsen M). Eine weitere Rede im Rahmen dieses Festakts hielt Martin Gotthelf Lo¨scher u¨ber das Thema: „De meritis Lutheri in Philosophiam naturalem“ (vgl. ebd.). 60 Hil. Ev. I, S. 148a (Chur-Sachsen O). Einer der beiden Geehrten, Jacob F. Jung, legte 50 51

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Die Jubila¨umsfeiern an den Universita¨ten

Ein außergewo¨hnliches Ereignis war die am 7. November von den in Wittenberg geborenen Studenten abgehaltene Feier, an der auch die Professoren in großer Zahl teilnahmen.61 Sie fand in der Schloßkirche statt, und in ihrem Rahmen wurde ein Oratorium gesungen, J. H. Brendel trug ein „Carmen panegyricum de laude Lutheri ob virtutes heroicas & theologicas“ vor, und der Magister Immanuel Weber hielt eine von lutherischorthodoxem Geist gepra¨gte „Oratio de veritate somnii Friderici sapientis“. Die Disputationen wurden am 8. November fortgesetzt, als J. F. Jung unter dem Vorsitz von Chladenius anhand von Jos. 2415 f u¨ber die Glaubenstreue der Israeliten sprach.62 Ebenfalls an diesem Tag pra¨sidierte Wernsdorf der ersten Disputation in einer von ihm geplanten Disputationsreihe; sie behandelte die Anfa¨nge der Reformation.63 Wernsdorf hat mo¨glicherweise im laufenden Jahr 1717 u¨ber reformationsgeschichtliche Themen gelesen, und die unter seinem Vorsitz abgehaltenen Disputationen bezogen sich unmittelbar auf den Gegenstand seiner Lehrveranstaltungen.64 Vom 9. bis zum 11. November war es an der Medizinischen Fakulta¨t, die Promotion von drei neuen Doktoren der Medizin vorzunehmen. Die Dissertationen behandelten jedoch rein medizinische Fragestellungen, was insofern bemerkenswert ist, als an anderen Universita¨ten Versuche begegnen, ihre Promotionen auf die Reformation und die Person Luthers zu beziehen.65 Zwei Disputationen von Studenten unter dem Vorsitz Wernsdorfs am 12. November und unter dem Vorsitz des Historikers Jahn am 13. November beschlossen die offiziellen Feierlichkeiten in Wittenberg.66 Daru¨-

in seiner anla¨ßlich des Jubila¨ums verfaßten Festschrift „Tubinga Iubilans“ eine Kostprobe seines Ko¨nnens ab. 61 Eine ausfuhrliche Beschreibung der Feier befindet sich in Hil. Ev. I, S. 148–150 ¨ (Chur-Sachsen O). 62 Vgl. Hil. Ev. I, S. 150a (Chur-Sachsen O). 63 De primordiis per Lutherum emendatae religionis. 64 So berichtet Walter Friedensburg, Geschichte der Universitat Wittenberg, S. 552 von ¨ Vorlesungen Wernsdorfs im Winter 1716/17, die große Na¨he zu seinen Disputationen anla¨ßlich des Reformationsjubila¨ums aufweisen. Er wollte lesen: „In historia ecclesiastica ad seculum usque nonum progressus, quibus maxime artibus papa Romanus fatalem in ecclesia tyrannidem occuparit, fideliter exponet, ad historiam emendatae per Lutherum religionis cum ipso gaudii secularis tempore perrecturus“. 65 Zu Doktoren der Medizin wurden promoviert: J. F. Schleiffer, C. Schultze, J. G. Block (vgl. Hil. Ev. I, S. 110b; Chur-Sachsen M) und zu Doktoren in der Philosophischen Fakulta¨t: J. F. Michaelis und C. F. Stein. (vgl. Hil. Ev. I, S. 110a; Chur-Sachsen M). 66 Der Theologiestudent J. F. Michaelis disputierte „De judice juste non iniuste iudicante, ex 1. Petr. 223 contra statores infallibilitatis Pontificis Romani“ und der Student der Philosophischen Fakulta¨t C. F. Stein sprach „De dominatu Pontificio in Reges & Principes post Reformationem diminuto“; vgl. Hil. Ev. I, S. 110b (Chur-Sachsen M). Zu der unter dem Vorsitz von Johann Wilhelm Jahn gehaltenen Disputation ist folgendes anzumerken: Jahn wird regelma¨ßig – und das zu Recht – als einer der letzten Vertreter der sog. Vier-Mon-

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ber hinaus wissen wir von zwei weiteren Disputationen, die in der Woche nach Abschluß der offiziellen Feierlichkeiten stattgefunden haben. Schroer ließ die Verwerfung der Lehre Quesnels durch die ro¨misch-katholische Kirche ero¨rtern,67 und Wernsdorf setzte die begonnene Disputationsreihe mit einer Betrachtung der Entwicklung der Reformation fort.68 Alles in allem nahmen die Feiern in Wittenberg einen harmonischen Verlauf und zeigten in einer breiten Vielfalt von Reden, Predigten und Carmina die in Wittenberg weiterhin vorherrschende lutherische Orthodoxie. Im Dezember 1717 zog der Dekan der Theologischen Fakulta¨t ein positives Fazit der Feiern.69

2. Leipzig Das zweite Zentrum im aufstrebenden Kursachsen am Ende des 17. Jahrhunderts bildete Leipzig, das als alter Messe- und Handelsplatz bei weitem nicht so einseitig durch seine Universita¨t (gegr. 1409) gepra¨gt war wie Wittenberg. Die Universita¨t, deren Verfassung mit der Wittenberger identisch war, wurde 1657 unter die parita¨tische Verwaltung des sa¨chsischen Kurfu¨rsten und der neuen Teilherrschaften Sachsen-Weißenfels, SachsenMerseburg und Sachsen-Zeitz gestellt und lehnte sich in ihrer Lehre eng an die Leucorea an. So unterstu¨tzte sie, vermittelt durch die vormaligen Wittenberger Professoren Polykarp Leyser (1586–1633) und Johann Hu¨lsemann (1602–1661), die Leucorea im Kampf gegen die Helmstedter und Ko¨nigsberger Synkretisten, obwohl diese Haltung innerhalb der Univer-

archien-Lehre genannt, die er in einer 1712 erstmals und 1728 erneut herausgegebenen Schrift „De IV monarchiis“ vertrat (vgl. Ulrich Muhlack, Geschichtswissenschaft, S. 123). Um so wichtiger ist es festzuhalten, daß die von Jahn fu¨r das Jubila¨um von 1717 angefertigte, streng chronologisch gegliederte Jubelschrift keinerlei Bezug auf die Vier-MonarchienLehre nimmt und die einzige historische Za¨sur im Beginn von Luthers Reformation sieht. Ein heilsgeschichtliches Schema hinter dieser chronologischen Gliederung la¨ßt sich in dieser Schrift nicht nachweisen, wohl aber das Bemu¨hen, die Geschichte von Aufstieg und Verfall der pa¨pstlichen Herrschaft detailliert nachzuzeichnen, freilich von einem streng lutherischen Standpunkt. Insofern ist Jahn nicht nur der letzte unbeirrbare Vertreter der Vier-Monarchien-Lehre, sondern zugleich ein Beispiel fu¨r den fließenden U¨bergang der fru¨hneuzeitlichen Historiographie, die neben heilsgeschichtlichen Deutekategorien zusehends von einem realistischen historischen Interesse bestimmt wird. 67 Das jubilirende Wittenberg, B4b. 68 De progressu emendatae per Lutherum religionis. Die zwei weiteren geplanten Disputationen liegen nicht vor, und es ist nicht bekannt, ob sie stattgefunden haben. Joachim Coler, De Gottliebii Wernsdorffii in rem sacram et literariam meritis, S. 33 nennt zumindest die Titel: 1. De impedimentis Reformationis 2. De necessitate, sufficientia, divinitate et fructibus Reformationis. 69 Martin Chladenius, Argumenta Idonea, A2rv.

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sita¨t nicht unumstritten war.70 Erst 1670 gab Leipzig seinen Widerstand gegen die Helmstedter endgu¨ltig auf und suchte damit einen neuen, von Wittenberg unabha¨ngigen Weg in der theologischen Entwicklung einzuschlagen.71 Von erheblicher Tragweite fu¨r die weitere Entwicklung der Universita¨t waren die 1686 beginnenden Auseinandersetzungen um die pietistische Bewegung. Bei den Professoren der Theologischen Fakulta¨t, in der vereinzelt Fragen der Kirchenreform behandelt worden waren,72 stieß das von A. H. Francke, P. Anton und verschiedenen anderen Magistern gegru¨ndete Collegium philobiblicum auf ein geteiltes Echo,73 wa¨hrend es bei den Studenten regen Zuspruch fand. Als Francke nach mehr als einja¨hriger Abwesenheit, wa¨hrend der er seine Bekehrung erlebt und einen zweimonatigen Aufenthalt bei Spener verbracht hatte, 1689 nach Leipzig zuru¨ckkehrte, vera¨nderte er den Charakter des Collegiums: er begann es in deutscher Sprache abzuhalten, behandelte erbauliche und die praktische Lebensfu¨hrung betreffende Fragen und verzichtete auf das Kolleggeld. Stadtgeistlichkeit und Theologische Fakulta¨t wehrten sich gegen diese unerho¨rten Neuerungen und erreichten, daß es Francke untersagt wurde, Lehrveranstaltungen theologischen Inhalts abzuhalten. Als Francke daraufhin mit Unterstu¨tzung von Christian Thomasius die Unrechtma¨ßigkeit der gegen ihn erhobenen Vorwu¨rfe und des gegen ihn eingeleiteten Verfahrens nachweisen wollte, kam es zum Bruch.74 Ohne die weiteren Ergebnisse abzuwarten, nahm Francke 1691 eine neue Stelle in Erfurt an. Die bleibende Empfa¨nglichkeit der Leipziger Theologen fu¨r Themen pietistischer Theologie zeigte sich wenige Jahre spa¨ter, als die Theologische Fakulta¨t im sog. Terministischen Streit im Gegensatz zu den Theologischen Fakulta¨ten Altdorf, Rostock und Wittenberg die Lehren des Sorauer Diakons Johann Georg Bo¨se als schriftgema¨ß bezeichnete. Der orthodoxe Lutheraner Thomas Ittig widersprach seinen Leipziger

70 So berichtet August Tholuck, Hulsemann hatte sich ein weniger scharfes Vorgehen ¨ ¨ gegen Calixt gewu¨nscht. (Ders., Der Geist der lutherischen Theologen Wittenbergs, S. 170 f.) Otto Kirn weist außerdem auf H. Ho¨pfners Bemu¨hungen hin, den Streit mit Calixt auf der Ebene privater Kontakte beizulegen, denen die Weigerung der Theologischen Fakulta¨t entsprach, auf Anregung Marburgs einen o¨ffentlichen Streit mit Calixt auszufechten. Zeitgleich mit der beginnenden Distanzierung Leipzigs von Wittenberg ging auch Jena auf Distanz zur Wittenberger Streittheologie (Ders., Die Leipziger Theologische Fakulta¨t, S. 80 f). 71 Martin Petzoldt, Konfessionalisierung als Identitatssuche, S. 70 f. ¨ 72 Hans Leube nennt als ein wichtiges Beispiel Hulsemanns Schrift „De jure et modera¨ tione correptionis fraternae dissertatio practica“ (1651), ra¨umt aber auch ein, insgesamt gebe es im Kreis der Leipziger Theologen nicht viele Schriften, die Einsicht in die in der Kirche herrschenden Scha¨den zeigten; (Ders., Reformideen, S. 56–58). 73 Otto Kirn, Die Leipziger Theologische Fakultat, S. 83 f. ¨ 74 Hans Leube, Pietistische Bewegung in Leipzig, S. 195 ff. Martin Brecht, August Hermann Francke und der Hallische Pietismus, S. 440–452.

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Fakulta¨tskollegen, woraufhin sich der Streit innerhalb der Fakulta¨t fortpflanzte.75 Christian Thomasius, der Francke unterstu¨tzt hatte, erging es bald darauf nicht besser. Bis zu seiner Flucht aus Leipzig im Ma¨rz 1690 mu¨hte er sich erstmals um die Erneuerung des Wissenschaftsbetriebs.76 Als junger Magister unterzog er den vorgeschriebenen Lehrstoff einer kritischen Revision, gliederte die Studieninhalte neu und erkla¨rte, er wolle die Studenten zu selbsta¨ndig denkenden und verantwortlich handelnden Staatsbu¨rgern ausbilden. Die Widersta¨nde innerhalb der Universita¨t und Thomasius’ selbstbewußtes, respektloses Auftreten lo¨sten scharfe Auseinandersetzungen aus, die ihn schließlich zur Flucht aus Leipzig zwangen. A¨hnlich wie Francke nahm auch er erst in Halle die endgu¨ltige Gestaltung seiner Reformideen vor und entwickelte sich dort zum Reformator der deutschen Universita¨t. Fu¨r Halle bedeutete die Ankunft dieser zwei originellen Denker einen wichtigen Beitrag zum schnellen Aufstieg der Universita¨t: Halle gewann, was Leipzig verlor. Daß sich Leipzig aber dem neuen Zeitgeist nicht vo¨llig verschloß, zeigen sowohl die verschiedenen Gelehrten Gesellschaften, die sich im Umfeld der Universita¨t etablieren konnten, als auch die von Otto Menke (1644–1707) in Leipzig gegru¨ndeten und verlegten „Acta Eruditorum“, die sich zu einem der wichtigsten Organe der deutschen Fru¨haufkla¨rung entwickeln sollten. Zum Zeitpunkt des Jubila¨ums war die Theologische Fakulta¨t nur mit drei Professoren besetzt, nachdem der von der Theologischen Fakulta¨t fu¨r die Nachfolge von Gottfried Olearius vorgeschlagene Georg Abicht77, durch die Unentschlossenheit der Regierung entmutigt, im Juli 1717 nach Danzig gegangen war. Die vakante Professur an der Theologischen Fakulta¨t wurde erst 1719 wieder besetzt. An der Theologischen Fakulta¨t lehrten: Adam Rechenberg (1642–1721), Johannes Cyprian (1642–1723) und Christan Friedrich Bo¨rner (1683–1753). Aus Anlaß des Jubila¨ums vero¨ffentlichten die Theologen unter Federfu¨hrung Bo¨rners fu¨nfzig theologische Programme und Disputationen aus den vergangenen Jahrzehnten neu. Sie sollten einen Eindruck von den Leistungen der Theologischen Fa-

75 Friedrich Herrmann Hesse, Der terministische Streit. U ¨ berdies weist Martin Petzoldt daraufhin, daß der Bruch mit Francke nicht unmittelbar zu einem Bruch mit der um Francke entstandenen theologischen Bewegung fu¨hrte; deren Anliegen seien vielmehr auch nach Franckes Abschied an der Universita¨t geho¨rt worden (Ders., Konfessionalisierung als Identita¨tssuche, S. 75 f). 76 Alfred Rausch, Christian Thomasius’ Bedeutung fur deutsches Geistesleben und ¨ deutsche Erziehung. 77 Abicht war seit 1708 im Besitz der theologischen Doktorwurde und lehrte in Leipzig ¨ Hebra¨isch. Diese Professur litt in Leipzig darunter, daß sie weder der Theologischen noch der Philosophischen Fakulta¨t eindeutig zugeordnet war. Die Professoren wurden von der Theologischen Fakulta¨t nominiert, hatten in ihr aber weder Sitz noch Stimme und wurden nur nach jeweils neuen Beratungen in die Philosophische Fakulta¨t aufgenommen; vgl. Otto Kirn, Die Leipziger Theologische Fakulta¨t, S. 153.

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kulta¨t und der Vitalita¨t des Luthertums in Leipzig wa¨hrend des vergangenen und im neuen Jahrhundert vermitteln.78 In der Juristischen Fakulta¨t lehrten Lu¨der Mencke (1658–1726), Johann Christoph Schacher (1667–1720), Joh. Friedrich Olearius (1669–1726) und Christoph Schreiter (1662–1720). Eine seit 1580 bestehende Sonderprofessur hatte Carl Otto Rechenberg (1689–1751) inne, und die 1712 eingefu¨hrte Professur fu¨r Lehnsrecht wurde von Siegismund Gottlieb Hilliger wahrgenommen. Die Medizinische Fakulta¨t war mit vier ordentlichen Professoren sehr gut besetzt: Johannes Bohn (gest. 1718) fu¨r Therapeutische Medizin; Johann Wilhelm Pauli (1658–1723) fu¨r Pathologie und Botanik; Augustus Quirinius Rivinus (1652–1723) fu¨r Anatomie und Chirurgie und Polykarp Gottlieb Schacher (1674–1737) fu¨r Physiologie. In der Philosophischen Fakulta¨t lehrten: Johannes Schmidt, Joh. Heinrich Ernesti (1652–1729), Jo. Burkhard Mencke (1675–1732), Ulrich Junius (1670–1726), Jacob Friedrich Ludovici (1671–1723), Joh. Christian Lehmann (1675–1739), Gottlob Friedrich Jenichen (1680–1735), Georg Philipp Olearius (1681–1741), Urban Gottfried Siber (1669–1741)79 und Ludwig Christian Crell (1671–1733). Wie in Wittenberg sollten sich in Leipzig alle Fakulta¨ten der Universita¨t an der Gestaltung der Feiern beteiligen.80 Da in Leipzig die Reformation erst 1539 eingefu¨hrt worden war, betonte der Festbericht, es habe „. . . das Leipzigische Zion . . . dieses Jahr, in der XXIII. Woche nach Trinitatis, mit allem Recht seinen GOtt gelobet, daß es, an statt des vor 200 Jahren noch hier verkaufften Ablasses, nunmehro eines bessern unterrichtet ist, und die Quelle Go¨ttlicher Gnade und Barmherzigkeit richtiger zu finden weiß.“81

Wa¨hrend die Hauptvorbereitungen der Feierlichkeiten noch in das bis zum 16. Oktober wa¨hrende Pro-Rektorat Lehmanns fielen, war zum Zeitpunkt des Jubila¨ums der Jurist C. O. Rechenberg Pro-Rektor der Universita¨t. Entgegen den kurfu¨rstlichen Anordnungen, Religionsstreitigkeiten im Rahmen des Fests nicht zu thematisieren, gestatteten es sich die Leipziger Prediger, auf die aktuellen kirchenpolitischen Ereignisse, die Christian Friedrich Bo¨rner, Academiae lipsiensis pietas. Siber hatte seit 1715 eine Professur fu¨r die Geschichte der Alten Kirche inne; Cyprian rechnet sie der Theologischen Fakulta¨t zu (Hil. Ev. I, S. 927a; Nachricht von denen Professoribus). Otto Kirn betont dagegen die von der Theologischen Fakulta¨t geforderte Zugeho¨rigkeit dieser Professur zur Philosopischen Fakulta¨t (Ders., Die Leipziger Theologische Fakulta¨t, S. 160). Diese wiederum hatte bei der Einrichtung der Professur sorgfa¨ltig darauf zu achten, daß sie nicht mit J. C. Menckes Professur fu¨r Universalgeschichte kollidierte. 80 Folgende Berichte uber die Feiern in Leipzig liegen vor: 1. Christoph Ernst Sicul, Die ¨ Andere Beylage zu dem Leipziger Jahr Buche aufs Jahr 1718, S. 63–174. 2. Christoph Ernst Sicul, NEO-ANNALIUM LIPSIENSUM CONTINUATIO III, S. 705 ff. 760 ff. 3. Schreiben von der nunmehr gehaltenen Reformations-Jubel-Feyer zu Dresden, zu Leipzig und zu Wittenberg, in: Hil. Ev. I, S. 106–115 (Chur-Sachsen M). 4. Der Unversita¨t Leipzig Reformations-Jubel, in: Hil. Ev. I, S. 115–139 (Chur-Sachsen N). 81 Hil. Ev. I, S. 115b (Chur-Sachsen N). 78 79

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Konversion des Kurprinzen, einzugehen und der Intimation des Jubila¨ums am 24. Oktober eine Fu¨rbitte fu¨r das zeitliche Wohlergehen und das Seelenheil des konvertierten Kurprinzen voranzustellen.82 Eine weitere, verborgene Spitze gegen die ro¨misch-katholische Kirche stellt die Datierung des Programms der Universita¨t dar: es ist auf das Jahr 1717 nach Christi Geburt und das Jahr 200 nach dem Offenbarwerden des Antichrists datiert.83 Am 29. Oktober sollte eine auf das Jubila¨um vorbereitende Disputation u¨ber den Ursprung der Jubeljahre unter dem Vorsitz des Dekans der Philosophischen Fakulta¨t Schmidt stattfinden,84 die aber wegen ihres Umfangs auf einen spa¨teren Termin nach dem Jubila¨um verlegt werden mußte. Wie schon in den vorangegangen Wochen hielt Romanus Teller am 30. Oktober eine Vorbereitungspredigt u¨ber 1. Petr. 29. Die Prediger der Festgottesdienste der Universita¨t waren: Cyprian und Bo¨rner aus dem Kreis der ordentlichen Professoren sowie aus dem weiteren Kreis der Lehrer der Universita¨t Andreas Erlemann, J. C. Hebenstreit, G. Hofmann, J. C. Ko¨rner.85 Die Gottesdienste der Universita¨t vom 31. Oktober bis zum 2. November und die akademischen Feierlichkeiten fanden allesamt in der zur Universita¨t geho¨rigen Pauliner-Kirche statt. Die Hauptfeier der Universita¨t wurde am 3. November abgehalten. Sie begann damit, daß „. . . eine dermaßen zahlreiche und ansehnliche Procession durch die grosse Thu¨re aus der St. Nicolai nach der Pauliner-Kirche angestellet ward / daß niemand in gantz Leipzig, so alt er auch ist / dergleichen gesehen zu haben / sich erinnern kann.“86

An dieser Prozession nahmen neben den Angeho¨rigen der Universita¨t der Bu¨rgermeister der Stadt, eine Zahl ko¨niglicher und fu¨rstlicher Ra¨te und andere hochrangige Ga¨ste teil. Die Paulinerkirche war anla¨ßlich des Fests pra¨chtig geschmu¨ckt, indem ihre Wa¨nde

Christoph Ernst Sicul, Neo-Annalium, S. 780. Hil. Ev. II, S. 16b (Rector Academiae Lipsiensis SECULARE SACRUM . . . celebrandum indicit): „. . . LIPSIAE, die XXIV. Octobris, Dominica post Trinit. XXII. Anno a CHRISTO nato MDCCXVII. Antichristo manifestato CC.“ 84 Christoph Ernst Sicul, Die Andere Beylage, S. 119. 85 Die Dispositionen aller 46 anlaßlich des Jubilaums in Leipzig gehaltenen Predigten ¨ ¨ sind in den Hil. Ev. wiedergegeben (Hil. Ev. I, S. 131–139, Chur-Sachsen N). Darunter sind auch die Predigten der Universita¨tsangeho¨rigen aufgefu¨hrt. Aus dieser Aufstellung geht hervor, daß verschiedene Professoren wa¨hrend der Feiertage in Kirchen der Stadt gepredigt haben, anstatt an den offiziellen Feierlichkeiten der Universita¨t teilzunehmen, da sie neben ihrer Stellung an der Universita¨t zugleich als Pfarrer an einer der Stadtkirchen ta¨tig waren. 86 Christoph Ernst Sicul, Die Andere Beylage, S. 73. 82 83

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„. . . nicht nur um und um an den untersten Empor-Kirchen und Cantzeln roth bekleidet waren / sondern auch ein emblematisches Ehren-Geru¨ste im Altar-Chor erbauet worden.“87

Bo¨rner hielt eine Oration „Von go¨ttlicher vorsorge vor seine Kirche / und wie sich solche im abgewichenen Jahrhundert vornehmlichen in diesen Sa¨chsischen Landen tha¨tig und gescha¨fftig erwiesen“, und der Professor fu¨r Logik und Metaphysik Crell trug ein Jubel-Carmen gleichen Inhalts vor.88 In diesen ersten Festtagen trug sich eine Episode zu, die zeigt, daß die Berichte u¨ber die Feierlichkeiten aus Leipzig gescho¨nte Berichte sind. Sie erza¨hlen zwar von den gut verlaufenen Feiern, verschweigen aber die von einigen Studenten der Philosophischen Fakulta¨t provozierten Unruhen, die in den Akten der Universita¨t dokumentiert sind.89 Die Vorfa¨lle beschra¨nkten sich auf die ersten Festtage und trugen eindeutig antikatholische Zu¨ge. Soweit sich rekonstruieren la¨ßt, gingen sie auf la¨nger gehegte Pla¨ne zuru¨ck und kamen dann, mo¨glicherweise angeregt durch die ersten Festgottesdienste, am Abend des 1. November zum Ausbruch. Ziel des Angriffs war ein ro¨misch-katholischer Priester namens Heinrich Eckart, bei dessen Haus randalierende Studenten abends gegen acht Uhr die Fenster mit Steinen einwarfen. Anschließend wurden er und die u¨brigen Hausbewohner perso¨nlich angegriffen, trugen aber keine schwereren Blessuren davon.90 Bei der spa¨teren Untersuchung der Vorga¨nge durch die Polizei gab eine Gastwirtin zu Protokoll, die Studenten seien am gleichen Abend zwischen acht und neun Uhr bei ihr gewesen, um vor einem weiteren U¨berfall miteinander etwas Branntwein zu genießen. Als sie ihnen den Ausschank verweigerte, seien ihr von den Studenten Pru¨gel angedroht worden. Bei dem wohl zufa¨lligen Anru¨cken der Stadtwache seien die Studenten durch den Hof geflohen, nachdem sie in der Gastwirtschaft noch einigen Schaden an der Einrichtung und im Hof einen Karren Steine hinterlassen hatten.91 Den Zusammenhang dieser Taten mit dem Jubila¨um erhellt die Aussage der Studenten nach ihrer Festnahme: „Es geschehe

87 Christoph Ernst Sicul, Die Andere Beylage, S. 69. Das genannte Emblem ist in den Hil. Ev. I zwischen den Seiten 108 und 109 abgebildet. Es stellt die Geschichte der Stadt Leipzig und der Kirche in Leipzig dar. Es deutet die Gru¨ndung und Wachstum der Kirche im Spiegel der Praxis von Glauben, Hoffnung und Liebe in der Stadtgeschichte. Vgl. die ausfu¨hrliche Beschreibung Hil. Ev. I, S. 117–126 (Chur-Sachsen N). 88 Hil. Ev. I, S. 116b (Chur-Sachsen N). 89 Aus den Protokollen der Universitat uber die im folgenden geschilderten Vorfalle ¨ ¨ ¨ geht hervor, daß am ersten Tag der Unruhen insgesamt 13 Studenten festgenommen wurden, die alle bei einem Professor der Philosophischen Fakulta¨t immatrikuliert waren. 90 Sachsisches HStA, Loc. 7436/19, Bll. 245–247. (Bericht des Rats der Stadt Leipzig ¨ vom 9. November 1717 an das Oberkonsistorium u¨ber die Ausschreitungen). 91 UAL, GA Sect. IV Nr. 59, Bll. 7rv.

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dieses P. Eckarten zum Verdruß und D. Luthern zu Ehren, es mo¨ge ihnen gehen wie es wolle.“92 In den na¨chsten Tagen wurden die U¨bergriffe in der Stadt und in der Universita¨t publik, was zur Folge hatte, daß die Studenten ihre Sympathie fu¨r die inkarzerierten Kommilitonen zum Ausdruck brachten und die Wachen in der Stadt versta¨rkt werden mußten. Wurde dadurch die a¨ußere Ordnung auch sichergestellt, konnte dennoch nicht verhindert werden, daß am 3. November am hellichten Tage auf dem Gela¨nde der Universita¨t „. . . ein strohern Bild unter dem Namen und expression des Papsts durch die zusammen getretenen Studiosos und andere Leute verbrandt worden.“93 Die nachfolgenden Untersuchungen fo¨rderten keine weiteren Vergehen oder Pla¨ne der Studenten zutage, und die Angelegenheit wurde ohne zusa¨tzliches Aufsehen abgeschlossen. Die gefangenen Studenten wurden je nach Schwere ihrer Schuld bis zum Ende der Feiern unter Arrest gestellt oder im Karzer belassen. Diese Ereignisse hatten zur Folge, daß der Rektor der Universita¨t die Studenten am 4. November mit einem Plakat nochmals zu Ruhe und Ordnung ermahnte.94 Unangenehmer als die Vorga¨nge selbst war fu¨r die Universita¨t, daß sie dem Kurfu¨rsten zu Ohren kamen, der sofort einen genauen Bericht einforderte. Mit diesem Bericht der Universita¨t, der am 9. November an das Oberkonsistorium abgegangen ist, scheint die Angelegenheit fu¨r den Kurfu¨rsten bereinigt gewesen zu sein. Von nun an herrschte in Leipzig festliche Stille, und die Feiern konnten ungesto¨rt fortgesetzt werden.95 In den na¨chsten Tagen sprach am 4. November der Jurist L. Mencken u¨ber die Bedeutung der Reformation fu¨r die Entwicklung des Heiligen Ro¨mischen Reichs, am 5. November fand eine theologische Disputation unter dem Vorsitz Johannes Cyprians statt, und am 6. November sprach J. B. Mencken u¨ber die Bedeutung der humanistischen Wissenschaften fu¨r die Religion und insbesondere die Reformation.96 Die genannten Reden sind insofern bemerkenswert, als sie die Beteiligung der Juristischen und der Philosophischen Fakulta¨t bezeugen und die Bemu¨hung widerspiegeln, die Reformation nicht nur theologisch zu beurteilen, sondern auch in ihr historisches Umfeld einzuordnen. Den Abschluß der Jubila¨umsfeierlichkeiten bildete ein Festessen am 6. November, dem die Vesperpredigt u¨ber Kol. 13–6 („Wir danken Gott, dem Vater unseres Herrn Jesus Christus allezeit, wenn wir fu¨r euch beten“) vorausging. Zum Ende des Festes wur-

UAL, GA Sect. IV Nr. 59, Bl. 6v. Sa¨chsisches HStA, Loc. 7436/19, Bll. 245–247 (Bericht des Rats der Stadt Leipzig vom 9. November 1717 an das Oberkonsistorium u¨ber die Ausschreitungen). 94 Ein Exemplar dieses Aufrufs befindet sich: UAL, GA Sect. IV Nr. 59, Bl. 28. 95 Sachsisches HStA, Loc. 7436/19, Bll. 245–247 (Bericht des Rats der Stadt Leipzig ¨ vom 9. November 1717 an das Oberkonsistorium u¨ber die Ausschreitungen). 96 Hil. Ev. I, S. 126b (Chur-Sachsen N). 92 93

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den die Studenten mit Jubila¨umsmu¨nzen beschenkt, die zur Erinnerung an das Jubila¨um gepra¨gt worden waren. Daß die Medizinische Fakulta¨t in den Berichten der Universita¨t und der Stadt nicht auftaucht, hatte universita¨tsinterne Gru¨nde. Zwar hatte auch die Medizinische Fakulta¨t anla¨ßlich der bevorstehenden Sa¨kularfeier urspru¨nglich sechs medizinische Promotionen vorgesehen.97 Doch hatte sich die Fakulta¨t nicht mit den u¨brigen Fakulta¨ten abgestimmt und schloß ihre Promotionsverfahren bereits in der Woche vor dem 31. Oktober ab. Am 25. Oktober lud sie dann auf den 31. Oktober zur Promotionsfeier ein, worin aber die u¨brigen Fakulta¨ten keinen angemessenen Beitrag zum Fest sehen wollten. Daß sie so handelten, hatte aber weniger geistliche als vielmehr weltliche Gru¨nde: sie wollten die Mediziner nicht an Wein und Fleisch beteiligen, die der Kurfu¨rst ihnen am 29. Oktober fu¨r ihre Promotionsfeiern zugesagt hatte. Daraus entstand ein unru¨hmlicher Rechtsstreit um zwei Fa¨sser Wein und eine nicht na¨her bestimmte Menge Wildbret: Erst im Fru¨hjahr 1718 erkannte die Universita¨t die Promotionen der Medizinischen Fakulta¨t auf deren Beschwerde beim Oberkonsistorium hin als Beitrag zu den Jubelfeiern an, und der Medizinischen Fakulta¨t wurde von der Universita¨t der ihr noch zustehende Anteil des Weines ausgeha¨ndigt.98

3. Jena Die 1558 als Landesuniversita¨t des ernestinischen Sachsens gegru¨ndete Universita¨t Jena za¨hlte in der zweiten Ha¨lfte des 17. Jahrhunderts zu den fu¨hrenden deutschen Universita¨ten.99 Bald nach Abzug der letzten schwedischen Besatzungstruppen im Jahre 1650 hatte sie bei rasch steigenden Studentenzahlen den geregelten Lehrbetrieb wieder aufgenommen, und eine 1653 durchgefu¨hrte Visitation paßte die Universita¨t den vera¨nderten Zeitverha¨ltnissen an: Die Anzahl der Lehrstu¨hle in den einzelnen Fakulta¨ten wurde neu festgelegt, und neue Statuten wurden verfaßt. Aus der fru¨heren Zeit blieb vor allem die konfessionelle Ausrichtung der Universita¨t 97 Das Programm fur die Promotionsfeiern befindet sich im Universitatsarchiv Leipzig, ¨ ¨ Rep. II / V, Nr. 22, Bl. 15. Darin gibt die Fakulta¨t ausdru¨cklich zu verstehen, daß sie die Promotionen anla¨ßlich der Sa¨kularfeiern durchfu¨hre, obgleich sie im Rahmen des Promotionsverfahrens thematisch nicht auf die Reformation eingegangen sei. Promoviert wurden: Johannes Augustus Rivinus, Leonhardus Heinricus Mylius, Johannes Godofredus Hahn, Johannes Fridericus Drechsel, Fridericus Kunth, David Wipacher. 98 Die entsprechenden Akten befinden sich im Universitatsarchiv Leipzig, Rep. II / V, ¨ Nr. 22 sowie im Sa¨chsischen HStA, Loc. 7436/19, Bl. 248 ff. 99 Zur Geschichte der Universitat in diesem Zeitraum vgl.: Geschichte der Universitat ¨ ¨ Jena, Band 1, S. 116–165.

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erhalten, die durch die Verpflichtung der Professoren auf die Konkordienformel gewa¨hrleistet werden sollte.100 Die nach dem Dreißigja¨hrigen Krieg einsetzende Blu¨teperiode verdankte die Universita¨t vornehmlich dem Professor fu¨r Mathematik Erhard Weigel (1625–1699).101 Denker wie Descartes, Hobbes und Grotius fanden in ihm einen der ersten wichtigen Vermittler ihrer Anschauungen an einer deutschsprachigen Universita¨t,102 und in den langen Jahren seiner Lehrta¨tigkeit an der Salana za¨hlten u. a. Pufendorf und Leibniz zu seinen Studenten.103 Im gleichen Zeitraum nahmen die Juristische und die Philosophische Fakulta¨t in Gestalt von Georg Adam Struve und Johann Andreas Bose die von Hermann Conring in Helmstedt ausgehenden Impulse auf, woraufhin sich in Jena eine eigensta¨ndige geschichtswissenschaftliche Schule von u¨berregionaler Bedeutung entwickelte.104 Gegen die Widersta¨nde der Philosophischen und vor allem der Theologischen Fakulta¨t105 hielt auf diesen Wegen gegen Ende des 17. Jahrhunderts die Fru¨haufkla¨rung Einzug an der Salana. Es war die Philosophische Fakulta¨t, an der mit dem Historiker Caspar Sagittarius (1643–1694) und dem Magister der Philosophischen Fakulta¨t Johann Hieronymus Wiegleb (1664–1730) gegen Ende des 17. Jahrhunderts der Pietismus an der Salana einzog, und vor allem bei den Studenten zahlreiche Anha¨nger fand.106 100

Vgl. die Eidesformel bei August Tholuck, Das akademische Leben, 1. Abteilung,

S. 5 f. 101 ADB 41, S. 465–469. Neuere Darstellungen zu Weigel: Geschichte der Universitat Je¨ na, Band 1, S. 128 ff. und Othmar Feyl, Deutsche und europa¨ische Bildungskra¨fte, S. 29 ff. 102 Werner Ma¨gdefrau, Grundzuge der Geschichte der Universitat Jena, S. 52. Daß ¨ ¨ Weigel die Mathematik im philosophischen Sinn als grundlegende Wissenschaft fu¨r alle anderen Wissenschaften verstanden und gelehrt hat, deutet auch Othmar Feyl an: „Weigel erscheint . . . nicht als barocker Einzelga¨nger, sondern als der Stifter einer ho¨chst einflußreichen Tradition, die unter historisch neuen Vorzeichen in Jena immer wieder hervortrat. Ihr besonderes Merkmal ist die philosophische, pa¨dagogische und soziale Applizierung der Mathematik, philosophisch ausgedru¨ckt die bemerkenswerte Verbindung von Logisierung und Ethisierung der Welt.“ (Ders., Deutsche und europa¨ische Bildungskra¨fte, S. 35). 103 Erik Wolf, Große Rechtsdenker, S. 320 pass. 104 „Wenn es als anerkannt gilt, . . . H. Conring als den Begrunder der historischen und ¨ vergleichenden Staatswissenschaft Deutschlands anzusehen, so muß hinzugefu¨gt werden, daß es das barocke Jena war, das . . . die Helmstedter Anregungen im weiterfu¨hrendsten und erfolgreichsten Sinne bearbeitete und zur Begru¨ndung der deutschen Geschichts- und Staatswissenschaft . . . erweiterte.“ (Othmar Feyl, Deutsche Fru¨haufkla¨rung, S. 89). 105 Max Wundt, Die Philosophie an der Universitat Jena, S. 42–64. ¨ 106 Werner Ma¨gdefrau, Die Universitat Jena und das lutherische Erbe, S. 194. Dieser ¨ rechnet auch den Theologen Johann Wilhelm Baier (1617–1695), der 1694 erster Rektor der Universita¨t Halle werden sollte, zu den Vertretern des Pietismus in Jena. Zutreffend ist dagegen die Zuordnung Baiers zur orthodox lutherischen Theologie, wie sie von Notker Hammerstein, Universita¨tsgru¨ndungen im Zeichen der Aufkla¨rung, S. 269 f, vorgenommen wird. Daß Baier dennoch als Rektor nach Halle berufen wurde, erkla¨rt Hammerstein damit, daß auf diese Weise die Anspru¨che der lutherischen Geistlichkeit in Halle erfu¨llt werden sollten, die sich gegen eine ausschließlich mit Pietisten besetzte Universita¨t wohl zur Wehr gesetzt ha¨tte.

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Die Jubila¨umsfeiern an den Universita¨ten

Zur fu¨hrenden Perso¨nlichkeit an der Theologischen Fakulta¨t entwickelte sich nach dem Dreißigja¨hrigen Krieg Johann Musa¨us (1613–81), der seit 1643 Professor fu¨r Geschichte war, und seit 1646 eine Professur fu¨r Theologie innehatte.107 Trotz seiner Verwurzelung in der lutherischen Theologie vertrat er Ansa¨tze einer irenischen Theologie und lo¨ste die Fakulta¨t aus der einseitigen Bindung an die lutherische Orthodoxie. Nach außen wurden diese Bemu¨hungen darin deutlich, daß Musa¨us sich gegen eine offizielle Stellungnahme der Salana zu Ungunsten der neuen Helmstedter Theologie einsetzte. Daß diese Bemu¨hungen letztlich scheiterten und die Professoren der Salana am 20. September 1679 eine erneute Verpflichtung auf die Konkordienformel und eine Verurteilung jeglicher synkretistischer, calvinistischer oder papistischer Umtriebe unterzeichnen mußten, konnte die Wirkung seiner irenischen Bemu¨hungen nur verzo¨gern, aber nicht endgu¨ltig verhindern.108 In den Jahren um die Jahrhundertwende verblaßte der Ruhm der Salana voru¨bergehend, bis sie im Jahre 1705 mit Buddeus wieder einen u¨ber die Landesgrenzen hinaus gescha¨tzten Professor fu¨r die Theologische Fakulta¨t gewann.109 Im Jahr 1717 waren die 17 ordentlichen Professoren an der Salana wie folgt besetzt. An der Theologischen Fakulta¨t lehrten Michael Foertsch (1654–1724), Johann Franz Buddeus (1667–1729) und Johann Andreas Danz (1654–1727).110 Außer ihnen trat im Rahmen des Jubila¨ums der außerordentliche Professor der Theologie Isaac Friedrich Weissenborn (1673–1750), der 1724 zum Ordinarius der theologischen Fakulta¨t aufsteigen sollte, mit Predigten und Disputationen hervor. In ihrer theologischen Ausrichtung bot die Fakulta¨t mit dieser personellen Besetzung kein einheitliches Bild. Buddeus war aus Studienjahren in Wittenberg und Jena sowie durch seine zwo¨lfja¨hrige Lehrta¨tigkeit in Halle mit der lutherischen Orthodoxie ebenso vertraut wie mit der pietistischen Theologie und Fro¨mmigkeit.111 Zudem war er bemu¨ht, die Schriften der zeitgeno¨ssischen niederla¨ndischen, englischen und franzo¨sischen Philosophen fu¨r

Karl Heussi, Geschichte, S. 137 ff. Zu Musa¨us und seinem Verhalten in den Synkretistischen Streitigkeiten vgl. Geschichte der Universita¨t Jena, Bd. 1, S. 126 f. 109 Zu Buddeus und seiner Bedeutung fur die Universitat Jena: Alma Mater Jenensis, ¨ ¨ S. 103–119 sowie Karl Heussi, Geschichte, S. 151–162. 110 Dieser lehrte gleichzeitig in der Philosophischen Fakultat Orientalische Sprachen. ¨ 111 Buddeus blieb auch in Jena in enger Verbindung mit Francke. Dieser Umstand ließ ihn in den Jahren 1716 als mo¨glichen Vermittler zwischen den zerstrittenen Universita¨ten Wittenberg und Halle erscheinen, vgl. Martin Greschat, Zwischen Tradition und neuem Anfang, S. 287–295. Ein Zeugnis von den Anfeindungen, denen Buddeus aufgrund seiner weitgehend unparteiischen Stellung ausgesetzt war, bietet Theodor Wotschke, Gottlob [sic!] Wernsdorf wider Joh. Franz Buddeus. 107 108

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ein eigenes theologisches System fruchtbar zu machen.112 Foertsch, der Professor primarius, war von seinem Werdegang her zwar fu¨r die neuen theologischen Konzepte seines Kollegen Buddeus offen.113 Doch es gelang ihm, sich in den Streitigkeiten um den Pietismus und die fru¨he Aufkla¨rung einen neutralen Standort zu bewahren, um 1708 ging er auf Distanz zu Buddeus und unterstu¨tzte fortan dessen orthodoxe Kritiker.114 Danz schließlich, einer der bekannteren Schu¨ler des Hamburger Hebraisten Esdras Edzardt (1629–1708), hatte zum Zeitpunkt des Jubila¨ums schon u¨ber dreißig Jahre als Orientalist in Jena gelehrt, und seine Dissertation zum Reformationsjubila¨um weist ihn als Vertreter der strengen Orthodoxie aus. Zur Juristischen Fakulta¨t geho¨rten: Johannes Philipp Slevogt (1649– 1727), Johannes Christian Schroeter (1659–1731), Johannes Bernhard Friese (1643–1726), Wilhelm Hieronymus Bruckner und Christian Wildvogel (1646–1728). Der Extraordinarius der Juristischen Fakulta¨t Burkhard Gotthelf Struve (1671–1738) za¨hlte zu den wenigen Juristen, die in diesen Jahren außerhalb Helmstedts und Halles das Staatsrecht zum Gegenstand ihrer Arbeit machten.115 Seine Dissertation im Rahmen des Jubila¨ums bescha¨ftigte sich mit der Reichs- und Rechtsgeschichte.116 Zur Medizinischen Fakulta¨t geho¨rten: Rudolf Wilhelm Crausius (1642–1718), Johannes Hadrian Slevogt (1653–1726), Georg Wolfgang Wedel (1645– 1721) und Johann Adolf Wedel (1675–1747). In der Philosophischen Fakulta¨t lehrten: Johann Georg Mu¨ller (gest. 1721), Caspar Posner (1673– 1718), Jo. Reinhard Russius, Joh. Jacobus Syrbius (1674–1738), Herrmann Friedrich Teichmeyer (1680–1746), Johann Friedrich Wucherer (1682–1733), Gottlieb Stolle (1673–1744) und Johann Jakob Lehmann (1684–1740). Obwohl es grundsa¨tzlich unumstritten war, daß die Universita¨t Jena sich an den Sa¨kularfeiern beteiligen sollte, litten die Planungen darunter, daß die Salana als „Sa¨chsische Gemeinuniversita¨t“ von den kleineren, zum Teil miteinander konkurrierenden sa¨chsischen Herzogtu¨mern gemeinschaftlich verwaltet wurde. Als darum von Sachsen-Gotha im Ma¨rz/ April 1717 die Vorschla¨ge fu¨r die Gestaltung der Feiern versandt wurden, verurteilten die u¨brigen sa¨chsischen Herzogtu¨mer dieses eigenma¨chtige Vorgehen und bestanden auf gemeinschaftlichen Vorbereitungen.117 Die 112 Zu Buddeus und Pfaff vgl. Emanuel Hirsch, Geschichte Bd. 2, S. 318–354 und Arnold F. Stolzenburg, Buddeus und Pfaff. 113 Studium in Straßburg, Jena und Helmstedt; Promotion zum Dr. theol. in Gießen und von 1695–1705 Professor der Theologie in Tu¨bingen. 114 Vgl. Arnold F. Stolzenburg, Buddeus und Pfaff, S. 421 ff. 115 Emil Clemens Scherer, Geschichte und Kirchengeschichte, S. 153 ff lobt uberdies ¨ Struve fu¨r seine historischen Arbeiten. 116 B. Struve, Inter sacrorum Evangelicorum solemnia secunda vindicia Iuris Imperatorii, adversus urbis Romanae Episcopos. 117 So beklagte sich der Sachsen-Eisenachische Gesandte am Regensburger Reichstag,

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Die Jubila¨umsfeiern an den Universita¨ten

Folge von Cyprians Vorpreschen war aber, daß sich die fu¨r die Salana zusta¨ndige Universita¨ts-Konferenz der sa¨chsischen Herzogtu¨mer bereits am 8. Juni u¨ber Inhalt und Form der Feiern in Jena einigte,118 und zehn Tage spa¨ter, also am 18. Juni 1717, erging die offizielle Aufforderung an die Universita¨t, sich auf die Feiern vorzubereiten.119 Demnach sollten in der Woche nach dem 2. November in allen Fakulta¨ten Promotionen begabter Studenten und Lehrer sowie Festreden und -disputationen stattfinden.120 Zugleich forderte bereits dieses fru¨he Festprogramm die Universita¨t auf, „daß nach Gelegenheit der jetzigen Zeiten und La¨ufften, man sich aller Moderation gegen unsere Widersacher in der Religion, in denen zum Druck kommenden o¨ffentlichen Schrifften, in stylo zu bedienen habe & die hefftigsten, auch anzu¨glichen Expressionen vermieden werden sollen.“121

Erga¨nzt wurden diese Anordnungen an die Universita¨t durch die Verordnungen des Herzogtums Sachsen-Eisenach vom 2. Oktober 1717.122 Die aus Jena u¨berlieferten Festberichte123 machen deutlich, daß man sich in Stadt und Universita¨t um eine Befolgung der herzoglichen Wu¨nsche und Anordnungen bemu¨ht hat: Professoren hielten an den Feiertagen Gottesdienste, alle Fakulta¨ten trugen durch Reden oder Disputationen zu den akademischen Feiern bei, mehrfach pra¨sentierten die Studenten kunstvolle Illuminationen. Auch ließ die Salana eine eigene Jubila¨umsmedaille pra¨gen und als Erinnerung an die Festtage verteilen.124 J. Theuner, am 5. April 1717 u¨ber die gerade bekannt gewordenen Sachsen-Gothaischen Vorschla¨ge, weil sie nicht nur dem Vorbild der Feier von 1617 nicht vo¨llig entsprachen, sondern auch ohne weitere Abstimmung mit den u¨brigen Herzogtu¨mern entstanden waren. Als zusa¨tzliches Argument fu¨r eine gemeinschaftliche Abstimmung der Feiern erinnert er an den schlechten Zustand der Universita¨t, dem nur dadurch gewehrt werden ko¨nne, daß die Herzo¨ge eine gemeinsame Universita¨tspolitik betrieben. Dieser Brief Theuners an Cyprian findet sich in: FLB, Chart. A 424, Bl. 202–204. Zu Cyprians Beitrag bei der Vorbereitung des Reformationsjubila¨ums vgl. Kap. II.1. 118 Ein Protokoll dieser Sitzung befindet sich in: ThStAGo, Geheimes Archiv Gotha XX I Nr. 21, unfol. 119 Das Reskript des Schreibens ist in Hil. Ev. I, S. 275 f (Sachsen-Gotha D) abgedruckt. 120 Hil. Ev. I, S. 276a (Sachsen-Gotha D). 121 Hil. Ev. I, S. 276a (Sachsen-Gotha D). 122 Hil. Ev. I, S. 213–218 (Sachsen-Eisenach A). 123 1. Friedrich Andreas Hallbauer, Jenaische Jubelfreude (Sachsen-Eisenach B) und 2. M. N. Grinsius, Jena bis iubilans, eine sehr knappe Darstellung mit einem U¨berblick u¨ber die Verbreitung des Luthertums seit der Reformation. 3. Ein Bericht in Hil. Ev. I, S. 110–115 hat vor allem aus Grinsius gescho¨pft und ihn durch einige sonst nicht u¨berlieferte Details erga¨nzt. 124 Die Medaille ist abgebildet Hil. Ev. III, Tab. III, Nr. 10. Sie zeigt auf der Vorderseite den Parnaß und die jubilierenden Musen. Am Fuß des Berges steht ein Student, der mit einer Hand auf die vor ihm liegenden akademischen Zepter weist. Die Umschrift lautet: De papae In tertiV sIC IVbIlat aLMa IenensIs (Chronostichon : 1717). Die Ru¨ckseite tra¨gt die Inschrift: „Wo ist der Ort Da IE sVs spraCh zVM IVngern MATTH: IX. 37 sICh NAhet VnD spraCh zVM IVngern LUC: XXIV. 15.17“. Das Chronostichon in der ersten Frage ergibt 1617, das Chronostichon in der zweiten Frage ergibt 1717. Dieses sind die

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Die Feierlichkeiten in Jena konzentrierten sich, abgesehen von zwei Disputationen,125 auf die Ende Oktober beginnenden offiziell angeordneten Feierlichkeiten, nachdem das Jubila¨um in den regula¨ren Lehrveranstaltungen des Jahres in keiner Weise thematisiert worden war.126 Eine erste, wenn auch inoffizielle und eher spontane Vorbereitung auf das Fest bildete eine Rede, die Buddeus am 29. Oktober anstelle seiner regula¨ren Vorlesung hielt. Obwohl Buddeus sie erst am Morgen des gleichen Tages angeku¨ndigt hatte, war sie sehr gut besucht.127 Die eigentlichen Feiern begannen mit den Gottesdiensten am 31. Oktober, bei denen die Professoren der Salana predigten, soweit sie neben ihren Lehrauftra¨gen auch Predigtauftra¨ge zu versehen hatten. So predigte Weissenborn am 31. Oktober nachmittags u¨ber Ps. 125 („Die auf den Herrn hoffen, werden nicht fallen, sondern ewig bleiben wie der Berg Zion. . .“); am 1. November morgens predigte Foertsch u¨ber Apk. 146 f („Ich sah einen andern Engel fliegen mitten durch den Himmel, der hatte ein ewiges Evangelium zu verku¨ndigen . . .“); u¨ber denselben Text predigte der Superintendent von Sachsen-Eisenach M. Zu¨llich in der CollegienKirche;128 am 2. November predigte Buddeus morgens u¨ber Ro¨m. 323–26 („Sie sind allesamt Su¨nder und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten . . .“) und am Nachmittag Weissenborn u¨ber 2. Thess. 21–12 („Was nun das Kommen unseres Herrn Jesus Christus angeht. . .“). Sowohl die Auswahl der Predigttexte als auch die von Hallbauer mitgeteilten Dispositionen einer Reihe nicht erhaltener Predigten zeigt, daß zumindest in den Fest-Gottesdiensten anti-katholische Stimmen laut geworden sind und die lutherische Pra¨gung Jenas besta¨tigten.129

Jahreszahlen der ersten und der zweiten Sa¨kularfeier der Reformation. Die gestellten Fragen werden auch in der Medaille beantwortet: Die unterstrichenen Buchstaben ergeben zusammen: IENA. Das heißt: Jena ist der Ort, wo die Arbeiter fu¨r die go¨ttliche Ernte ausgebildet werden (Mt. 937), und Jena ist auch der Ort, an dem Jesus seine Ju¨nger belehrt (Lk. 2415. 17). Der Entwurf fu¨r diese Medaille stammt aus der Werkstatt des Gothaer Mu¨nzmeisters Christian Wermuth (1661–1739). 125 Es handelt sich um Buddeus’ Disputation „Divinae providentiae circa reformationem ecclesiae assertio“ vom 16. Juni und um Hallbauers Disputation „Lutherus politioris litteraturae cultor et aestimator“ vom 9. Oktober 1717. 126 Eine von Grinsius erstellte U ¨ bersicht u¨ber die Lehrveranstaltungen des Jahres 1717 belegt, daß es vor dem Jubila¨um keine Vorlesungen gegeben hat, die sich mit der Reformation und deren Ursachen und Wirkungen befaßten. Vgl. M. N. Grinsius, Jena bis iubilans, S. 36–45. 127 Hil. Ev. I, S. 222a (Sachsen-Eisenach B). 128 Diese Predigt Zullichs sorgte fur nachhaltige Verstimmung unter den sachsischen ¨ ¨ ¨ Herzogtu¨mern. Indem ihm das Oberkonsistorium von Sachsen-Eisenach eigenma¨chtig einen Predigtdienst in der zur Universita¨t geho¨rigen Collegien-Kirche aufgetragen hatte, hatte es zugleich die u¨brigen sa¨chsischen Herzogtu¨mer und die fu¨r derartige Fragen zusta¨ndige Universita¨ts-Konferenz u¨bergangen. (Die entsprechenden Aktenstu¨cke zu diesem Vorgang: ThHStA Weimar, A 5609, Bl. 6 ff.). 129 Vgl. die Predigtdispositionen in: Hil. Ev. I, S. 223–237 (Sachsen-Eisenach B).

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Die Jubila¨umsfeiern an den Universita¨ten

Die akademischen Feierlichkeiten wurden am 31. Oktober durch Aushang des von Posner verfaßten Programms der Universita¨t angeku¨ndigt.130 Sie sollten bis zum 10. November, dem Geburtstag Luthers, andauern131. Außerdem schlossen sich die Antrittsreden der neuen ordentlichen Professoren in der Philosophischen Fakulta¨t, die im Dezember gehalten wurden, thematisch so eng an das vorangegangene Jubelfest an, daß sie als zum Reformationsjubila¨um zugeho¨rig angesehen werden mu¨ssen. Das Hauptgewicht der Feierlichkeiten lag allerdings auf den Tagen vom 3. – 10. November. Die Professoren hielten ihre Reden, die Fakulta¨ten fu¨hrten Disputationen und Promotionen durch, und die Studenten pra¨sentierten ihre Illuminationen. Hierbei handelte es sich um emblematische Kompositionen farbiger Bilder und erla¨uternder Sinnspru¨che, die auf du¨nnes Papier oder du¨nnen Stoff, vornehmlich Seide, gemalt waren und im Dunkeln durch dahinter gestellte Kerzen oder Fackeln „illuminiert“ wurden.132 Zum Gelingen der Feiern an der Salana hat maßgeblich Buddeus beigetragen, der innerhalb eines la¨ngeren Zeitraums (16. Juni, 5. November, 20. November 1717 und 18. Februar 1718) eine thematisch zusammenha¨ngende Reihe von Disputationen abhielt. Der diese Disputationen bestimmende Grundgedanke war es, den Nachweis fu¨r die Rechtma¨ßigkeit und Notwendigkeit der Reformation Luthers angesichts des fortschreitenden Verfalls der mittelalterlichen Kirche zu erbringen und die go¨ttliche Vorsehung als Ursprung und erhaltende Kraft der Reformation und der lutherischen Kirche zu ru¨hmen. Dieselbe Thematik war Gegenstand der Festrede, die Posner am 3. November im Namen der Universita¨t hielt.133 Charakteristisch fu¨r Posners Deutung im Vergleich zu Buddeus ist die Konzentration auf die Person Luthers und dessen go¨ttliche Berufung, wa¨hrend Buddeus den prozeßartigen, und nicht auf die Person Luthers beschra¨nkten Verlauf der Reformationsgeschichte betonte. In einer Rede am 4. November134 und einer Disputation am 11. November135 nahm sich Foertsch der durch den Pietismus neu aufgeworfenen Akzentuierungen der Rechtfertigungstheologie an, wobei Foertsch sich auf eine Verha¨ltnisbestimmung von Rechtfertigung und Heiligung im Sinne der reformatorischen Theologie beschra¨nkte. Am 5. November fand die zweite Disputation unter dem Vorsitz von Buddeus statt, die Luthers Urteil u¨ber die ro¨misch-katholische Kirche

M. N. Grinsius, Jena bis iubilans, S. 54. M. N. Grinsius, Jena bis iubilans„ S. 59. 132 Die Beschreibung der Illuminationen findet sich Hil. Ev. I, S. 233a. 237b. 239b. 251–253 (Sachsen-Eisenach B) und bei M. N. Grinsius, Iena bis iubilans, S. 60 ff. 133 Hil. Ev. I, S. 238b (Sachsen-Eisenach B). 134 Hil. Ev. I, S. 241a (Sachsen-Eisenach B). 135 Hil. Ev. I, S. 253a (Sachsen-Eisenach B). 130 131

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zum Gegenstand hatte.136 Am 6. November schickte sich Danz an, in einer Disputation die Echtheit des u¨berlieferten Textes des Alten Testaments nachzuweisen, indem er anhand der Anfangskapitel des Buches Jeremia exemplarisch fu¨r das gesamte Alte Testament die Priorita¨t der urspru¨nglichen Lesarten des hebra¨ischen Texts gegenu¨ber den spa¨teren Korrekturen der Masoreten behauptete.137 Weissenborn hatte wa¨hrend der Festtage bei zwei Disputationen, am 8. und 17. November, den Vorsitz inne.138 Abgesehen von zwei Disputationen am 12. und 13. November unter dem Adjunkt der Philosophischen Fakulta¨t Heinrich Gottlieb Reime (1690–1749)139 und von Struves Disputation in der Juristischen Fakulta¨t140 leisteten die drei u¨brigen Fakulta¨ten gegen Ende November / Anfang Dezember ihren Beitrag mit den Antrittsreden des bisherigen Extraordinarius Stock141 sowie der neuberufenen Professoren Hermann Friedrich Teichmeyer, Johann Friedrich Wucherer, Gottlieb Stolle und Johann Jakob Lehmann142. Mit diesen Reden fand das Reformationsjubila¨um 1717 in Jena seinen Abschluß. Alles in allem hat die Universita¨t Jena anla¨ßlich des Jubila¨ums das Banner der lutherischen Orthodoxie hochgehalten, obwohl einzelne Predigten und Disputationen pietistische Einflu¨sse erkennen lassen. Außerdem deutet sich in der historischen, ganzheitlichen Betrachtung der Reformation und der durch sie verursachten politischen, gesellschaftlichen und kirchlichen Vera¨nderungen eine neue, differenzierte Bewertung des gesamten Reformationszeitalters an.143 So markiert das Jubila¨um fu¨r Jena einerseits die historische Verbundenheit mit der lutherischen Orthodoxie und andererseits eine große Offenheit fu¨r die bevorstehenden Entwicklungen des noch jungen Jahrhunderts. Ein besonderes Lob dieser wissenschaftlichen Blu¨te in Jena sowie des Fleißes und des reinen und lebendigen Luthertums der Jenenser Professoren hat Johann August Faschius abgelegt, der in einem Festgedicht die Universita¨t und ihre Professoren – freilich idealisierend und typisierend – charakterisierte.144 Es ist sinnbildlich fu¨r die Vitalita¨t und Beweglichkeit einer fu¨r die Zukunft offenen lutherischen Orthodoxie, wie sie sich in Jena anla¨ßlich des Jubila¨ums pra¨sentierte. Hil. Ev. I, S. 245 f (Sachsen-Eisenach B). Hil. Ev. I, S. 247b (Sachsen-Eisenach B). 138 Am 8. November „Jactantia Ecclesiae Romanae“ (Hil. Ev. I, S. 249a; Sachsen-Eisenach B) und am 17. November u¨ber „Jesus Pontificiorum cum Jesus Lutheranorum collatus“ (Hil. Ev. I, S. 256b; Sachsen-Eisenach B). 139 Am 12. November ließ er disputieren „De harmonia vitae Achasiae“ und am 13. November „De curru Jecheskelis vatis“. Vgl. Hil. Ev. I, S. 255 (Sachsen-Eisenach B). 140 Vindiciae juris imperatorii adversus urbis Romae Episcopos ab ipsis Augustis factae. Vgl. Hil. Ev. I, S. 258b (Sachsen-Eisenach B). 141 Hil. Ev. I, S. 260b (Sachsen-Eisenach B). 142 Hil. Ev. I, S. 261 (Sachsen-Eisenach B). 143 Hier ist besonders auf die im Dezember gehaltenen Antritts-Reden hinzuweisen. 144 Jo. Augustus Faschius, Das wahre reine Lutherthum der Welt-beruhmten Univer¨ sita¨t JENA. 136 137

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Die Jubila¨umsfeiern an den Universita¨ten

4. Tu¨bingen Als einzige große Bildungseinrichtungen bestimmten die Universita¨t Tu¨bingen und das Tu¨binger Stift u¨ber Jahrhunderte die akademische Lehre und Forschung im Herzogtum Wu¨rttemberg. Wie fu¨r die gesamte wu¨rttembergische Kirche war fu¨r sie, neben den von Herzog Christoph eingefu¨hrten Bekenntnisschriften, die Konkordienformel die Richtschnur ihrer Lehre.145 Dieser eigensta¨ndige Kanon von gu¨ltigen Bekenntnisschriften verschaffte der wu¨rttembergischen Kirche eine exponierte Stellung unter den lutherischen Universita¨ten, den sie bis ins 17. Jahrhundert aufrechterhalten konnte.146 Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts ging der Ernennung aller Professoren der Universita¨t die Vereidigung und Verpflichtung auf die vorgeschriebenen Bekenntnisschriften, die Konkordienformel eingeschlossen, voraus.147 Daß es um die Wende zum 18. Jahrhundert in Tu¨bingen zu einer Schwa¨chung der systematischen lutherischen Theologie kam, lag hauptsa¨chlich an der Verbreitung des lutherischen Pietismus in Wu¨rttemberg, der seit den 1660er Jahren Eingang in die wu¨rttembergische Kirche fand.148 Tu¨bingen bildete den Ausgangspunkt fu¨r die Ausbreitung der neuen Anschauungen im Herzogtum. Urheber der Entwicklung war Philipp Jakob Spener, der bei einem Aufenthalt im Jahre 1662 Kontakte am Hof in Stuttgart und an der Universita¨t in Tu¨bingen geknu¨pft hatte, die ihm in spa¨teren Jahren die Verbreitung und Fo¨rderung des Pietismus im Herzogtum Wu¨rttemberg ermo¨glichten.149 Seine wichtigsten Vertrauten in der Leitung der wu¨rttembergischen Kirche und an der Tu¨binger Universita¨t wurden der Theologe Johann Andreas Hochstetter (1637–1717) und der Jurist Georg Kulpis (1652–1698).150 Zu einem der „Grenzsteine

145 Diese waren neben der Konkordienformel und dem Konkordienbuch die Confessio Virtembergica von 1552 sowie das von Brenz verfaßte Abendmahlsbekenntnis; vgl. Alfred Adam, Bekenntnisstand, S. 941; jetzt auch: Johannes Wallmann, Die wundersame Ru¨ckkehr der Konkordienformel, S. 476. 146 Johannes Wallmann, Die wundersame Ruckkehr der Konkordienformel, S. 477. ¨ Aus diesem Grunde drohte noch 70 Jahre nach den christologischen Streitigkeiten die 1695 vollzogene Berufung von Michael Foertsch nach Tu¨bingen daran zu scheitern, daß dieser in Gießen promoviert worden war und sofort bereit war, sich gegen die Gießener und fu¨r die Tu¨binger Christologie auszusprechen. (Carl von Weizsa¨cker, Lehrer und Unterricht, S. 85 f). 147 Hans-Wolf Thummel, Tubinger Universitatsverfassung, S. 282. Klaus Schreiner ¨ ¨ ¨ weist im gleichen Zusammenhang auf die strenge Kontrolle hinsichtlich des Bekenntnisses hin, der Lehrende und Lernende durch die Visitationen der Universita¨t bis weit ins 18. Jahrhundert unterworfen waren. (Ders., Wissenschaftsfreiheit, S. 24 ff). 148 Vgl. zum Folgenden: Martin Brecht, Philipp Jakob Spener und die wurttembergi¨ sche Kirche. 149 Zu diesem Aufenthalt Speners in Wurttemberg: Johannes Wallmann, Philipp Jakob ¨ Spener und die Anfa¨nge des Pietismus, S. 153–164. 150 Martin Brecht, Philipp Jakob Spener und die wurttembergische Kirche, S. 445 f. ¨

Tu¨bingen

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zwischen Orthodoxie und Pietismus in Wu¨rttemberg“151 wurde die neue Studienordnung von 1688 fu¨r das Tu¨binger Stift, die zugleich das Studium an der Theologischen Fakulta¨t beeinflußte.152 Eine weitere – ebenfalls von Spener beeinflußte – Vera¨nderung war es, daß von 1687 an den wu¨rttembergischen Theologiestudenten die in den anderen Fakulta¨ten schon lange u¨bliche peregrinatio academica gestattet wurde.153 So war ein Großteil der 1717 in Tu¨bingen lehrenden Theologieprofessoren in den Genuß eines durch den Herzog gefo¨rderten Studiums außerhalb von Wu¨rttemberg gekommen. Die allma¨hliche Entwicklung gema¨ßigt orthodoxer Anschauungen spiegelt sich in der weitgehenden Zuru¨ckhaltung wider, die Tu¨bingen im synkretistischen Streit und auf dem Ho¨hepunkt des terministischen Streits u¨bte.154 Alles in allem lassen sich Pietismus und orthodoxes Luthertum in Tu¨bingen im ausgehenden 17. Jahrhundert nicht deutlich gegeneinander abgrenzen. Vielmehr standen sie durch gegenseitige Anregung, Kritik und Korrektur in enger Beziehung zueinander und verliehen dem Leben und der Lehre in Tu¨bingen ein eigenes Gepra¨ge.155 Von einem Eindringen der Aufkla¨rung in den Lehrbetrieb kann fu¨r das ausgehende 17. Jahrhundert und das fru¨he 18. Jahrhundert noch keine Rede sein. Zu streng waren die Kontrollen fu¨r Lehrer und Lernende durch die Visitationen, und zu sehr war die Stellung der Theologischen Fakulta¨t noch gefestigt, in der mit Osiander bis 1697 einer der letzten Vertreter der lutherischen Orthodoxie lehrte.156 Die Regierungszeit von Herzog Eberhard Ludwig (1693–1733) stand im Zeichen des Fru¨h-Absolutismus und der Einflußnahme auf die Universita¨tspolitik, die sich insbesondere bei der Berufung des Kanzlers der Universita¨t und neuer Professoren bemerkbar machte.157 Hinzu kam der unmittelbare Einfluß auf die Tu¨binger Theologieprofessoren seitens

Martin Brecht, Philipp Jakob Spener und die wu¨rttembergische Kirche, S. 448. Die Studienordnung ist abgedruckt bei Martin Leube, Geschichte des Tu¨binger Stifts. Teil 1, S. 221–232. Ziel der Reform von 1688 war es, bei der Ausbildung der Studenten neben den theologischen Kenntnissen die Vorbereitung auf das geistliche Amt sta¨rker zu beru¨cksichtigen. Sie betonte die exegetischen Fa¨cher und die Kirchengeschichte im Studienplan und regte eine Belebung der praxis pietatis bei Lehrern und Studenten an; außerdem entstanden unter den Studenten collegia pietatis. Die Auswirkungen der neuen Studienordnung auf die Universita¨t ist um so ho¨her einzuscha¨tzen, wenn man beru¨cksichtigt, daß eine Reform der Universita¨t, die der Herzog perso¨nlich 1652 initiiert hatte, vo¨llig wirkungslos blieb. (Klaus Schreiner, Wissenschaftsfreiheit, S. 25 f). Zu der Entwicklung am Stift und deren Auswirkungen auf die Universita¨t in diesen Jahrzehnten vgl. auch Joachim Hahn / Hans Mayer, Das Evangelische Stift in Tu¨bingen, S. 37 ff. 153 Martin Brecht, Philipp Jakob Spener und die wurttembergische Kirche, S. 449. ¨ 154 Martin Brecht, Philipp Jakob Spener, sein Programm und dessen Auswirkungen, S. 340. 155 So Sabine Holtz, Theologie und Alltag, 337–348; so auch Martin Brecht, Der wu¨rttembergische Pietismus, S. 227–230. 156 Klaus Wetzel, Theologische Kirchengeschichtsschreibung, S. 22. 157 Vgl. Wolfram Angerbauer, Kanzleramt, S. 81 ff. 151

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Die Jubila¨umsfeiern an den Universita¨ten

der herzoglichen Kirchenbeho¨rden, da die Theologieprofessoren zugleich die wichtigsten Tu¨binger Pfarrstellen innehatten.158 Die Professuren an der Tu¨binger Universita¨t waren im Jahr 1717 wie folgt besetzt: Professor Primarius der Theologischen Fakulta¨t und zugleich Universita¨tskanzler war Johann Wolfgang Ja¨ger (1647–1720), der Verfasser des verbreiteten Compendium Theologiae positivae. Neben ihm lehrten Johann Christoph Pfaff (1651–1720) und Gottfried Hoffmann (1669–1728). In der Juristischen Fakulta¨t war die erste Professur im Jahre 1717 unbesetzt, bis sie 1718 Johann Theodor von Scheffern (1687–1745) u¨bernahm, der seit 1716 als Extraordinarius Staatsrecht lehrte. Weitere juristische Professoren waren der wa¨hrend des Jubila¨ums amtierende Rektor Michael Grass (1657–1731), sowie Johann Andreas Frommann (1672–1730), Gabriel Schweder (1648–1735), Ernst Gottlieb Maier (1651–1727) und Jakob David Mo¨gling (1680–1729). Zur Medizinischen Fakulta¨t geho¨rten Elias Cammerer, Johann Zeller (1656–1734) und Rudolph Jakob Cammerer (1665–1721). An der Philosophischen Fakulta¨t lehrten fu¨nf ordentliche Professoren: Johann Christian Neu (1668–1720), Johann Conrad Creiling (1673–1752), Johann Rudolf Osiander (1689–1725), Christian Hagmajer und Eberhard Ro¨sler (1663–1733). U¨ber den Verlauf der Feierlichkeiten im Herzogtum Wu¨rttemberg informieren zwei zeitgeno¨ssische Berichte,159 die in Cyprians „Hilaria Evangelica“ nicht aufgenommen wurden.160 Unter den bei Cyprian mitgeteilten Materialien aus dem Herzogtum Wu¨rttemberg findet sich lediglich das wenig aussagekra¨ftige Programm des Rektors der Universita¨t anla¨ßlich zweier Jubel-Reden am 1. November, das von der Beteiligung der Universita¨t an den Feierlichkeiten zeugt.161 Insgesamt sahen die herzoglichen Anweisungen fu¨r das Herzogtum Wu¨rttemberg eine vergleichsweise schlichte Feier vor.162 Nach der Abku¨ndigung des Festes am 24. Oktober sollte am 28. Oktober, dem Gedenktag der Apostel Simon und Judas, anstelle der Predigt eine eigens fu¨r diesen Anlaß verfaßte Vita Lutheri verlesen werden163, daran sollte sich eine kurze Predigt u¨ber Hebr. 137 („Gedenket Eurer Lehrer“) anschließen. Fu¨r den 29. Oktober war eine Vorbereitungspredigt u¨ber Apk. 25 („So denke nun daran, wovon du abgefalHans-Wolf Thu¨mmel, Tu¨binger Universita¨tsverfassung, S. 174 ff. 1. Wu¨rtembergische Neben-Stunden. 2. Georg Conrad Pregitzer, Das . . . Zweyte Evangelische Jubel-Jahr. Diese Berichte setzen unterschiedliche Schwerpunkte in der Berichterstattung und erga¨nzen sich an vielen Stellen. Daß auch sie unvollsta¨ndig sind, wird daran deutlich, daß beide eine Disputation unter dem Vorsitz von Johann Christoph Pfaff u¨ber das Augsburger Bekenntnis nicht vermelden. 160 Dort finden sich lediglich die herzoglichen Anordnungen einschließlich der am 28. Oktober in den wu¨rttembergischen Kirchen verlesenen Lebens-Beschreibung Luthers sowie eine Beschreibung der Feiern in Stuttgart (vgl. Hil. Ev. I, S. 366–391). 161 Vgl. Hil. Ev. II, S. 52 f (RECTOR UNIVERSITATIS TUBINGENSIS). 162 Hil. Ev. I, S. 368–370 (Wurtemberg B). ¨ 163 Diese Vita Lutheri findet sich Hil. Ev. I, S. 372–390 (Wurtemberg D). ¨ 158 159

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len bist, und tue Buße. . .“) vorgesehen. Als Predigttexte fu¨r die Gottesdienste am eigentlichen Festtag, dem 31. Oktober, waren fu¨r den HauptGottesdienst Ps. 871–3 („Sie ist fest gegru¨ndet auf den heiligen Bergen . . .“) und fu¨r den Abend-Gottesdienst Kol. 112–14 („Mit Freuden sagt Dank dem Vater . . .“) bestimmt worden. Die Universita¨t hat diese Anordnungen vollsta¨ndig u¨bernommen, wenn auch die folgende Darstellung zeigen wird, daß sie ihr nur als Grundgeru¨st fu¨r eine sehr viel umfangreichere Feier diente. Erwa¨hnenswert ist, daß in Tu¨bingen die von Ludewig in Halle ausgelo¨ste Kontroverse um die Rechtma¨ßigkeit des Reformationsjubila¨ums164 mit Interesse verfolgt wurde und daß sowohl Ludewigs Schrift „Dica Iubilaeorum“ als auch die Gegenschrift des Wittenbergers Chladenius in den Berichten von den Feierlichkeiten ausfu¨hrliche Erwa¨hnung fanden.165 Die Veranstaltungen zum Jubila¨um begannen in Tu¨bingen bereits in der Woche vor dem 31. Oktober. Hoffmann predigte am 24. Oktober mit Blick auf das bevorstehende Jubila¨um u¨ber den „rechten Thesaurus gratiae“ (nach Mt. 1916 ff)166 im Gegensatz zu dem vom Papst angeblich verwalteten „Thesaurus operum bonorum“. Am 27. Oktober zeichnete die Philosophische Fakulta¨t 25 Studenten mit der Bakkalaureus-Wu¨rde aus, um dadurch zum Ausdruck zu bringen, wie sehr die Reformation das allgemeine Bildungswesen gehoben hatte.167 Am na¨chsten Tag wurde von dem Magister und Diakon Tafinger (gest. 1753) die Vita Lutheri verlesen, zugleich wurde der Gedenktag fu¨r die Apostel Simon und Judas gefeiert.168 Die Verbindung von Apostel-Gedenken und Luther-Gedenken war in dieser Form einmalig. Daß die Verbindung von Apostel-Gedenken und Luther-Gedenken bewußt hergestellt worden ist, zeigt die Wahl von Hebr. 137 als Predigttext, wodurch Luther mit den Aposteln auf eine Ebene gestellt wurde. Am 29. Oktober fand die erste Fest-Disputation unter dem Vorsitz Ja¨gers statt, der zwanzig von Luthers Ablaßthesen zugrundelagen.169 Der Extraordinarius der Philosophischen Fakulta¨t Johann Gottfried Hallwachs hatte diese Thesen zu verteidigen und anschließend das Verha¨ltnis der gegenwa¨rtigen lutherischen Kirche zur Theologie Luthers zu beschreiben. Am gleichen Tag wurde eine Bet-Stunde abgehalten, die der Vorbereitung auf das Jubila¨um diente. Lesungstext fu¨r diese Versammlung war Ps. 126 („Wenn der Herr die Gefangenen Zions erlo¨sen wird . . .“),170

Vgl. Kap. II. 2. Wu¨rtembergische Neben-Stunden, S. 205–217. 166 Georg Conrad Pregitzer, Das . . . Zweyte Evangelische Jubel-Jahr, S. 181. 167 Wurtembergische Neben-Stunden, S. 142. Das Programm zu dieser Promotionsfeier ¨ ist abgedruckt in Wu¨rtembergische Neben-Stunden, S. 137–144. 168 Georg Conrad Pregitzer, Das . . . Zweyte Evangelische Jubel-Jahr, S. 183. 169 Wurtembergische Neben-Stunden, S. 144. ¨ 170 Georg Conrad Pregitzer, Das . . . Zweyte Evangelische Jubel-Jahr, S. 184. 164 165

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Die Jubila¨umsfeiern an den Universita¨ten

und am 30. Okt wurde ein weiterer Gottesdienst zur Vorbereitung auf das Jubila¨um abgehalten.171 Noch am selben Tag fand auch die InauguralDisputation des Juristen Christophorus Fierer unter dem Vorsitz von Grass statt. Das Thema der Disputation stand in keinem Zusammenhang mit den Jubila¨umsfeierlichkeiten.172 Ebenfalls im Oktober fand eine Disputation unter dem Vorsitz von J. C. Pfaff statt, in der die Theologie der Augsburgischen Konfession dargestellt und verteidigt wurde.173 Es fa¨llt auf, daß die einzelnen Veranstaltungen vor dem 31. Oktober in den Kirchen und in der Universita¨t nicht aufeinander abgestimmt waren, wie es in anderen Universita¨tssta¨dten der Fall war. Wa¨hrend in den Tu¨binger Kirchen noch Vorbereitungs- und Bußgottesdienste abgehalten wurden, begannen einzelne Fakulta¨ten bereits mit den festlichen Promotionsfeiern. Diese Diskrepanz ist um so erstaunlicher, als die drei wichtigsten Predigtstellen in Tu¨bingen mit Theologieprofessoren besetzt waren und als enge Verbindungen zwischen dem Konsistorium und der Universita¨t ha¨tten genutzt werden ko¨nnen, um eine engere Abstimmung der verschiedenen Feierlichkeiten zu ermo¨glichen. Im Mittelpunkt des 31. Oktober standen zwei Festgottesdienste. Am Vormittag predigte J. C. Pfaff u¨ber Ps. 871–3, und am Abend predigte Pregitzer u¨ber Kol. 112–14.174 Wie am Vortag angeku¨ndigt, hielt am 1. November der Professor fu¨r Moralphilosophie Ro¨sler eine Rede u¨ber den geistlichen Nutzen der Reformation im Alltag. Er versuchte damit, den theologischen Ertrag der Reformation auf seine Relevanz fu¨r das ta¨gliche Leben der Christen hin zu beleuchten,175 außerdem wurde Gottfried Thumm an diesem Tag die theologische Doktor-Wu¨rde verliehen.176 Eine ebenfalls fu¨r diesen Tag geplante Rede von Johann Christian Neu mußte kurzfristig verschoben werden und wurde am 29. November nachgeholt.177 Einen Ho¨hepunkt des Reformationsjubila¨ums stellte am 2. November die Promotion von Christoph Mattha¨us Pfaff zum Dr. theol. und dessen Amts-Einfu¨hrung als Professor der Theologie dar.178 Den feierlichen Rahmen dieser Promotion Pfaffs bildeten Reden seines Vaters, des Dekans der Theologischen Fakulta¨t, J. C. Pfaff, und des Kanzlers der

Georg Conrad Pregitzer, Das . . . Zweyte Evangelische Jubel-Jahr, S. 185. Wu¨rtembergische Neben-Stunden, S. 145. 173 Articuli XXI Confessionis Augustanae vindicati. Die Disputation ist nicht auf den Tag genau datierbar. 174 Georg Conrad Pregitzer, Das . . . Zweyte Evangelische Jubel-Jahr, S. 186 f. 175 Georg Conrad Pregitzer, Das . . . Zweyte Evangelische Jubel-Jahr, S. 187; vgl. Hil. Ev. II, S. 53b (RECTOR UNIVERSITATIS TUBINGENSIS). 176 So heißt es im Bericht der Theologischen Fakultat an das Dresdener Oberkonsistori¨ um vom 15. November 1717 (Sa¨chsisches HStA, Geheimes Archiv, Loc. 1891, Bll. 83–84). 177 Wurtembergische Neben-Stunden, S. 154; Georg Conrad Pregitzer, Das . . . Zweyte ¨ Evangelische Jubel-Jahr, S. 236 f. 178 Wurtembergische Neben-Stunden, S. 149 ff. Hier findet sich auch das Programm fur ¨ ¨ die Promotionsfeier. 171

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Universita¨t Ja¨ger. Ersterer sprach u¨ber Luthers Selbstversta¨ndnis und Wirken als Doktor der Theologie, und letzterer nutzte die Rede zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem ro¨misch-katholischen Theologen Jacques-Benigne Bossuet (1627–1704).179 Die Notwendigkeit einer Reformation der Kirche zu Zeiten Luthers machte C. E. Weismann am 3. November zum Gegenstand seiner Rede.180 Eine Besonderheit stellt der Beitrag dreier Theologie-Studenten dar, die am 5. November zwei Gedichte und eine Rede vortrugen, die einen historischen U¨berblick u¨ber den Zustand der christlichen Kirche vor, wa¨hrend und nach der Reformation zum Thema hatten.181 Die letzte Disputation ließ J. C. Pfaff am 6. November u¨ber Ro¨m. 1010 abhalten182, bevor die Feierlichkeiten am 7. November mit der U¨bergabe des Rektorats von Grass an Mo¨gling zu Ende gingen. Grass sprach zu diesem Anlaß „De factis B. Lutheri in frontispicio dubiis, in fine gloriosis“.183 Zwei verspa¨tete Fest-Beitra¨ge waren Hoffmanns Disputation u¨ber einige von Tetzels Ablaßthesen am 12. November184 und die Antrittsrede des PhilosophieProfessors Klemm am 27. November,185 bei der unter anderen illustren Ga¨sten auch August Hermann Francke zugegen war.186

5. Rostock Die Universita¨t Rostock (gegr. 1419) geho¨rte neben Ko¨nigsberg zu den wenigen Universita¨ten, die in den Jahren des Dreißigja¨hrigen Krieges wachsende Studentenzahlen vermelden konnte.187 Wa¨hrend damals an 179 Wurtembergische Neben-Stunden, S. 149. Beide Reden sind nicht erhalten. Gerade ¨ Ja¨gers Rede wa¨re aufschlußreich fu¨r die Frage gewesen, wie dieser das Werk des bedeutenden zeitgeno¨ssischen ro¨misch-katholischen Theologen beurteilt hat. 180 Georg Conrad Pregitzer, Das . . . Zweyte Evangelische Jubel-Jahr, S. 189. 181 Georg Conrad Pregitzer, Das . . . Zweyte Evangelische Jubel-Jahr, S. 237. U ¨ berliefert sind lediglich die Namen der Studenten und die Themen ihrer Vortra¨ge: 1. Jo. Conrad Beck: „Vita & fata Lutheri in Reformatione ab eo suscepta usque ad ejus mortem.“ 2. Chr. Friedr. Gross: „De vita fatisque Lutheri in Reformatione ante coeptam Reformationem“ 3. Lud. Caspar: „Fata ecclesiae a morte Lutheri usque ad hanc nostram aetatem.“ 182 Wurtembergische Neben-Stunden, S. 154. ¨ 183 Georg Conrad Pregitzer, Das . . . Zweyte Evangelische Jubel-Jahr, S. 229. 184 Wurtembergische Neben-Stunden, S. 198. ¨ 185 Georg Conrad Pregitzer, Das . . . Zweyte Evangelische Jubel-Jahr, S. 237. Das Thema der Rede war: De servandis augendisque Reformationis Fructibus. 186 Georg Conrad Pregitzer, Das . . . Zweyte Evangelische Jubel-Jahr, S. 247 berichtet, Francke sei vom 25. November bis zum 2. Dez. in Tu¨bingen zu Gast gewesen. U¨ber das Auftreten Franckes in Tu¨bingen vermeldet Pregitzer, ebd.: „Seine Auffu¨hrung war Theologisch und gravitaetisch, seine Reden waren erbaulich, liebreich, und ernstlich, daß jedermann, wer ihne besprochen und geho¨ret, Ihne geliebet und geehret.“ 187 Geschichte der Universitat Rostock, Bd. 1, S. 65. ¨

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Die Jubila¨umsfeiern an den Universita¨ten

anderen Orten das akademische Leben weitgehend ruhte, gru¨ndete der Mediziner Joachim Jungius (1587–1657) im Jahre 1622 in Rostock eine der ersten Gelehrten Gesellschaften in Nordeuropa u¨berhaupt. Dessen von 1619–29 wa¨hrende Lehrta¨tigkeit bereicherte den Lehrbetrieb, insofern Jungius die menschliche Vernunft, empirische Untersuchungen und Einzelexperimente zu den maßgeblichen Erkenntnisprinzipien in den Naturwissenschaften erhob;188 bald nachdem er Rostock verlassen hatte, gerieten seine Vorsto¨ße jedoch wieder in Vergessenheit. Nach dem Krieg sank das allgemeine Ansehen der Universita¨t, deren Ergehen u¨ber lange Jahre eng mit den Geschicken der Hanse verbunden gewesen war, und mit der abnehmenden Bedeutung der Hanse verkleinerte sich der Einflußund Einzugsbereich der Universita¨t ebenso wie ihr finanzieller Spielraum.189 In diesem Zeitraum war es die Theologische Fakulta¨t, die sich zu einem Zentrum der allgemeinen Reformbestrebungen innerhalb der lutherischen Kirche entwickelte.190 Hier lehrten u. a. Paul Tarnow (1562–1633), Joachim Lu¨tkemann (1608–1655), Johann Quistorp d. A¨. (1584–1648) und Johann Quistorp d. J. (1624–1669), die in ihren Arbeiten die herrschenden Mißsta¨nde in theologischer Lehre und geistlichem Leben schonungslos aufdeckten und Verbesserungsvorschla¨ge fu¨r eine neue Reform der Kirche machten.191 Den Ho¨hepunkt dieser Entwicklung bildete Theophil Grossgebauers (1627–1661) Reformschrift „Wa¨chterstimme aus dem verwu¨steten Zion“ von 1661,192 in der dieser angesichts der herrschenden Mißsta¨nde eindringlich eine zweite Reformation der Kirche forderte, welche die Gottesdienste, die katechetische Unterweisung sowie das ta¨gliche Leben der Christen umfassen sollte. Nach Grossgebauers Vorstellungen sollten Geistliche und Laien gemeinschaftlich diese Reform unternehmen – ein anspruchsvolles aber zukunftstra¨chtiges Konzept, wie die Zukunft zeigen wu¨rde – wenn es auch nicht in Rostock verwirklicht werden sollte.193 Denn in Gestalt von Heinrich Mu¨ller (1631–1675) war seit 1662 schon der letzte Vertreter der reformerisch gesonnenen Theologieprofessoren in Rostock ta¨tig, der wie sein Lehrer Lu¨tkemann vornehmlich als Erbauungsschriftsteller und Prediger wirkte. Mit Johann Friedrich Ko¨nigs 188 Zur Wirksamkeit von Jungius in Rostock: Peter Jakubowski; Joachim Jungius und der erste Ho¨hepunkt der Naturerkenntnis an der Universita¨t Rostock. 189 Jurgen Haalck, Die Rostocker Juristenfakultat, S. 406. Zu den Beziehungen zwi¨ ¨ schen Universita¨t und Hanse: Karl-Friedrich Olechnowitz, Die Universita¨t Rostock und die Hanse. 190 Zu Rostock als der Heimat der Reformbewegung in der lutherischen Kirche im norddeutschen Raum: Hans Leube, Reformideen, S. 63–80. Vgl. auch die knappe Darstellung von Martin Brecht, Das Aufkommen der neuen Fro¨mmigkeitsbewegung, S. 171 ff. 191 Hans Leube, Reformideen, S. 63 ff. 192 Johannes Wallmann, Philipp Jakob Spener und die Anfange des Pietismus, S. 159. ¨ 193 Vgl. Hans Leube, Reformideen, S. 74–77.

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(1619–1664) kurzer Lehrta¨tigkeit in Rostock von 1663–1664 gewannen die strengen lutherischen Kreise erstmals wieder die Oberhand, und spa¨testens unter der A¨gide von Johann Fecht (1636–1716), einem fru¨heren Freund Philipp Jakob Speners, verlor Rostock seine Vorreiterrolle fu¨r die Reformideen innerhalb der lutherischen Orthodoxie.194 Als allma¨hlich die Reformansa¨tze erstickten, sank auch die Frequenz der Universita¨t wieder.195 Als 1717 in Rostock das Reformationsjubila¨um gefeiert wurde, waren die Lehrstu¨hle der einzelnen Fakulta¨ten wie folgt besetzt: Theologische Fakulta¨t: Albrecht Joachim von Krackewitz (1674–1732), Johann Joachim Weidner (1672–1732), Hermann Christoph Engelken (1679–1742); Juristische Fakulta¨t: Johann von Klein (1659–1732), Johann Joachim Scho¨pfer (1661–1719), Matthias Stein (1660–1718), Johann Christian Petersen (1682–1766), Joachim Heinrich Sibrand (1670–1743); Medizinische Fakulta¨t: Johann Ernst Schaper (1668–1721), Georg Detharding (1671– 1747), Christoph Martin Burchardi (gest. 1741); Philosophische Fakulta¨t: Petrus Becker (1672–1753), Carol Arndt (gest. 1721), Jakob Burgmann (1659–1724), Jakob Carmon (1677–1743), David Heinrich Ko¨pken (1677–1731), Franz Albert Aepin (1673–1750). Wie der U¨berblick u¨ber die Feierlichkeiten zeigt, hat die Universita¨t Rostock das Jubila¨um in bemerkenswerter Geschlossenheit gefeiert.196 Mit Ausnahme der Juristischen Fakulta¨t, aus der nur Petersen einen Beitrag zum Jubila¨um geleistet hat, beteiligten sich sa¨mtliche Professoren mit Reden oder Disputationen an den akademischen Feiern. Ebenso vorbildlich waren Planung und Verlauf des Festes: Gleichma¨ßig verteilt u¨ber die Festwochen, die mit der Vorbereitungsrede am 29. Oktober begannen und mit dem Geburtstag von Herzog Karl Leopold am 26. November endeten, fanden Gottesdienste und akademische Jubelfeiern in enger Abstimmung aufeinander statt. Fu¨r diese beispielhafte Organisation zeichneten hauptsa¨chlich der Mecklenburgische Superintendent und Professor von Krackewitz und der amtierende Pro-Rektor der Universita¨t Arndt

194 Auf die rege wissenschaftliche Tatigkeit in den exegetischen Fachern, die mit dem ¨ ¨ Tod von August Varenius (1620–84) zum Abschluß kam, macht Karl-Heinz Bernhardt, Alttestamentliche Studien an der Universita¨t Rostock, aufmerksam. In diesem Zusammenhang deutet er eine Verbindung zwischen dem Aufkommen der Reformideen und den exegetischen Fortschritten an. Seine Vermutung wird dadurch besta¨tigt, daß mit dem Sieg der strengen Lutheraner u¨ber die reformwilligen Theologen auch die exegetischen Bemu¨hungen an Kraft und Originalita¨t verloren. 195 Geschichte der Universitat Rostock, Bd. 1, S. 63. ¨ 196 Folgende Quellen berichten uber die Feierlichkeiten: 1. Albrecht von Krackewitz, ¨ Vollsta¨ndige Historische Nachricht. Dieser Bericht ist in Hil. Ev. I, S. 406–418 (Mecklenburg-Schwerin A) abgedruckt; 2. Georg Friedrich Niehenck, Hilaria Evangelica Rostochiensia; 3. Im Thu¨ringischen Staatsarchiv Gotha sind Manuskripte der einzelnen Reden und andere Materialien erhalten; Sign.: Oberkonsistorium Gotha, Generalia, Loc. 26 Nr. 11.

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Die Jubila¨umsfeiern an den Universita¨ten

verantwortlich. Lange bevor offizielle Planungen fu¨r eine Jubelfeier bekannt wurden, berief Arndt den Senat der Universita¨t ein, um das allgemeine Jubelfest vorzubereiten.197 Als dann die die herzoglichen Mandate vom 27. September und 1. Oktober eingingen,198 war die Universita¨t schon so weit geru¨stet, daß in den folgenden Wochen nur noch letzte Einzelheiten mit dem Herzog abzustimmen waren. Die Jubila¨umsfeiern begannen am 29. Oktober mit einer Vorbereitungsrede, die von Krackewitz u¨ber die Berechtigung und Verpflichtung der evangelischen Christen zur Abhaltung einer Jubila¨umsfeier hielt.199 Am 30. Oktober sandte die Universita¨t eine Delegation aus Lehrern und Studenten durch die Stadt, um die Honoratioren Rostocks zu den Feiern der na¨chsten Tage perso¨nlich einzuladen. Fu¨r die Gottesdienste waren folgende Predigttexte vorgeschrieben: 31. Oktober: Fru¨h-Gottesdienst Ps. 1382 („Ich will anbeten vor deinem heiligen Namen und deinen Namen preisen fu¨r deine Gu¨te und Treue . . .“), Haupt-Gottesdienst Ex. 133 f (Einsetzung des Passafests), Nachmittags-Gottesdienst Gal. 16–9 („Mich wundert, daß ihr euch so bald abwenden laßt zu . . . einem andern Evangelium“); 1. November: Fru¨h-Gottesdienst Jes. 5116 („Ich habe mein Wort in deinen Mund gelegt . . .“), Haupt-Gottesdienst Ps. 8916–19 („Wohl dem Volk, das jauchzen kann . . .“); Nachmittags-Gottesdienst Hebr. 138 f. („Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit“).200 Den Fru¨h-Gottesdienst am 31. Oktober ließ man in Rostock allerdings ausfallen, um in der Jakobi-Kirche den Haupt-Gottesdienst um 10 Uhr mit einer mo¨glichst großen Gemeinde in Gegenwart des eigens aus Schwerin angereisten Herzogs Karl Leopold zu feiern.201 Die Predigt im Nachmittags-Gottesdienst hielt der Professor und Archi-Diakon Becker, und am 1. November wurde in allen Kirchen der Stadt wiederum Gottesdienst gefeiert.202 Am 2. November la¨uteten von 7 bis 8 Uhr morgens die Glocken der Rostocker Kirchen, und von 8 bis 10 Uhr musizierten auf dem im Stadtzentrum nahe der Universita¨t gelegenen Hopfen-Markt wechselweise zwei Cho¨re mit Pauken und Trompeten, um die Bevo¨lkerung und die Universita¨tsangeho¨rigen zur Feier der Universita¨t zusammenzurufen. Nach einer Prozession der Universita¨tsangeho¨rigen durch die Stadt zogen sie ins Au-

Hil. Ev. I, S. 407a (Mecklenburg-Schwerin A). Hil. Ev. I, S. 418b (Mecklenburg-Schwerin B) und 421 f (Mecklenburg-Schwerin G). 199 Hil. Ev. I, S. 408b (Mecklenburg-Schwerin A). 200 Hil. Ev. I, S. 418 f (Mecklenburg-Schwerin C). 201 Albrecht von Krackewitz hat nicht nur eine sehr detaillierte, sondern auch pathetische Schilderung der Ereignisse verfaßt. So berichtet er, wa¨hrend des Vormittags-Gottesdienstes seien nach den Gesa¨ngen neben der Kirche Salutschu¨sse zur Ehre Gottes abgegeben worden, „wodurch eine Devotion bey allen, die in der Kirchen dem GOttesdienst beywohneten, erwecket wurde, so, daß man viele mit Thra¨nen und grosser Ehr-Furcht GOtt loben u.[nd] singen gesehen.“ Hil. Ev. I, S. 409a (Mecklenburg-Schwerin A). 202 Hil. Ev. I, S. 409a (Mecklenburg-Schwerin A). 197 198

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ditorium ein; anschließend ließen sie den Herzog samt Gemahlin durch eine Delegation zur Feier einladen und ins Auditorium geleiten. Carmon hielt die von feierlicher Musik umrahmte Jubila¨ums-Rede u¨ber die Reinheit und Besta¨ndigkeit von Luthers Lehre und seiner perso¨nlichen Lebensfu¨hrung.203 Danach ließ sich Karl Leopold in seine Residenz zuru¨ckgeleiten, wa¨hrend die Universita¨tsangeho¨rigen in die Jakobi-Kirche einzogen, um die Feierstunde mit Gebet, Gesang und Segen zu beschließen.204 Die Schilderung dieser Jubila¨umsversammlung zeigt die Ernsthaftigkeit und Andacht, mit der das Jubila¨um in Rostock begangen wurde; zugleich trug diese Feier Zu¨ge, die Erinnerung an die Heiligen- und Reliquienverehrung wecken, von denen sich die lutherischen Kirche doch eigentlich distanziert hatte. Deutlich wird dieses an der Verehrung, die einem von Luther benutzten Exemplar seines Katechismus im Rahmen der Universita¨tsfeiern zuteil wurde. Dieser Katechismus wurde na¨mlich bei der Prozession der Universita¨tsangeho¨rigen durch die Stadt vorangetragen. An der Spitze der Prozession gingen „Des Herren D. und Prof. Weidners Sohn, . . ., welcher in der Hand hatte das Exemplar des kleinen Catechismi, welches der seel. D. Luther selbst gebraucht, und in welchem noch seine eigne Hand gefunden ward.“ Ihnen folgten „Sechs Knaben mit grossen brennenden Wachslichtern, welche Paarweise nach einander gingen . . . welche die Glaubensbu¨cher unserer Kirchen aufgeschlagen, auf einen rothen sammiten Ku¨ssen trugen . . .“ Und vier Magistri „. . . welche eine grosse Biebel aufgeschlagen, ebenfals auf einen rothen sammiten Ku¨ssen reichlich mit Silber besetzet, trugen.“205 Diesen Bu¨chern und ihren Tra¨gern wurde wa¨hrend der Feierstunde und der abschließenden Andacht ein Ehrenplatz zugewiesen. Am fru¨hen Nachmittag lo¨ste sich die Versammlung nach einem Schlußwort Carmons auf.206 Hatten die Studenten schon die Prozession am Vormittag mit eigens fu¨r diesen Festtag gedichteten Liedern begleitet,207 so bestand ihr besonderer Beitrag zu den akademischen Feiern in der Illumination des Auditoriums am Abend dieses Tages. Diese Illuminationen standen unter dem Thema „Gottes Wort und Luthers Lehr vergehen nun und nimmermehr“. Sie wurden dem Herzog und den Professoren im festlichen Rahmen pra¨sentiert und durch einen Studenten ausfu¨hrlich erla¨utert.208

Hil. Ev. I, S. 409a (Mecklenburg-Schwerin A). Hil. Ev. I, S. 411 (Mecklenburg-Schwerin A). 205 Georg Friedrich Niehenck, Hilaria Evangelica Rostochiensia, S. 48. 206 Hil. Ev. I, S. 412a (Mecklenburg-Schwerin A). 207 Georg Friedrich Niehenck, Hilaria Evangelica Rostochiensia, S. 51, Anm. 11 nennt die Titel dieser Lieder. 208 Die Rede des Studenten Marck, in der dieser die Illuminationen erlauterte, ist voll¨ ¨ sta¨ndig in Hil. Ev. I, S. 413 f (Mecklenburg-Schwerin A) abgedruckt. 203

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Eine Rarita¨t war die am 3. November von Detharding gehaltene Rede u¨ber die Verdienste Luthers um die medizinische Wissenschaft.209 Am Abend dieses Tages gab der Herzog ein Festessen fu¨r geladene Ga¨ste der Universita¨t und der Stadt. Gema¨ß dem Wunsch des Landesherrn wurde am Folgetag die U¨bergabe des Rektorats der Universita¨t von Schaper auf Burgmann mit zwei auf die Kirchenreform bezogenen Reden verbunden.210 Ließ Schaper, der von Hause aus Mediziner war, sich zu einer klaren Absage gegen die ro¨misch-katholische Papstkirche zugunsten der lutherischen Kirche bewegen, so nahm Burgmann die Gelegenheit wahr, der Wiederherstellung seines Lehrfaches, der griechischen Sprache, durch die Reformation zu gedenken.211 Am 5. November begannen die angeordneten Disputationen. In der ersten Disputation verteidigte ein Student namens Ferse unter dem Vorsitz von Krackewitz Luther gegen die Angriffe, die Gottfried Arnold und dessen Schu¨ler gegen Luthers Theologie und dessen Lebenswandel erhoben hatten.212 Nach einer Ruhepause am 6. und 7. November wurden die regula¨ren Jubila¨ums-Feierlichkeiten am Montag, dem 8. November, mit der Rede Petersens fortgesetzt,213 in der er u¨ber die Reformation des O¨ffentlichen Rechts sprach, die mit der Reformation eingesetzt habe. Formal wurde auch die Rede Carmons anla¨ßlich des Geburtstags der Herzogin den Jubelfeiern zugerechnet, zumal sie durch ein offizielles Programm der Universita¨t als Veranstaltung im Rahmen des Jubila¨ums angeku¨ndigt wurde.214 Doch nach ihrem Titel zu urteilen, stellte die nicht erhaltene Rede mehr eine Huldigung gegenu¨ber der Herzogin als ein Lob auf die lutherische Reformation dar.215 Bei der Disputation u¨ber den sittlichen und geistlichen Verfall der ro¨mischen Kurie in den Jahrhunderten vor der Reformation fu¨hrte Weidner am 10. November den Vorsitz.216 Am 11. November durfte der Theologiestudent Laurenz Johann Friedrich Dihn zur versammelten Universita¨t sprechen, wobei er die Bewahrung der lutherischen Kirche wa¨hrend der vergangenen zweihundert Jahre vorstellte,217 und am 12. November

Hil. Ev. I, S. 415a (Mecklenburg-Schwerin A). Hil. Ev. I, S. 415b (Mecklenburg-Schwerin A). 211 Schaper sprach „De Divinatione Pontificiorum contra Promulgatam per B[eatum] jam Lutherum verbi divini Veritatem, fallaci“ und Burgmann ero¨rterte die „Restauratio linguae graecae circa Reformationis tempora“; vgl. Georg Friedrich Niehenck, Hilaria Evangelica Rostochiensia, S. 55. 212 Hil. Ev. I, S. 415b (Mecklenburg-Schwerin A). 213 Hil. Ev. I, S. 416a (Mecklenburg-Schwerin A). 214 Hil. Ev. I, S. 416a (Mecklenburg-Schwerin A). 215 Der Titel lautete: „Der von dem Mecklenburgischen Greiff herstammende und mit demselben wieder vereinigte Russische Adler“ und war eine Anspielung auf die russische Abstammung der Gemahlin des Herzogs. (Hil. Ev. I, S. 416a, Mecklenburg-Schwerin A). 216 Hil. Ev. I, S. 416b (Mecklenburg-Schwerin A). 217 Hil. Ev. I, S. 416b (Mecklenburg-Schwerin A). 209 210

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exemplifizierte Engelken den Vorrang der lutherischen Kirche gegenu¨ber den Feinden der lutherischen Rechtgla¨ubigkeit, indem er u¨ber die Notwendigkeit einer korrekten Theologie des Abendmahls sprach.218 Hervorzuheben ist, daß am 16. November zum dritten Mal ein Student in der Festversammlung das Wort ergreifen durfte: der Theologiestudent Christian Wolffradt hielt eine Lobrede auf den Kurfu¨rsten Johann Friedrich von Sachsen (1532–47), den treuen Anha¨nger Luthers.219 Am 17. November wies der Philosophieprofessor Aepin nach, daß es sich bei der lutherischen Reformation um ein Werk go¨ttlichen Ursprungs gehandelt habe.220 Den offiziellen Schlußpunkt bildete die Rede Ko¨pkens am 23. November, der vom Nutzen der Reformation fu¨r Land und Leute in Mecklenburg sprach.221 Karl Leopold beging am 26. November seinen Geburtstag, und Carmon stellte zu diesem Anlaß die Privilegien der lutherischen Reichssta¨nde in einer Festrede dar.222 Mit einiger Verspa¨tung wurde zu Anfang des Jahres 1718 unter Weidners Vorsitz eine letzte Disputation zum Jubila¨um abgehalten, die an die unter seinem Vorsitz abgehaltene Disputation vom 10. November anknu¨pfte.223 Im Vergleich mit den Feiern in den u¨brigen Universita¨tssta¨dten zeichnen sich die akademischen Feiern in Rostock durch die Menge und inhaltliche Vielfalt der Beitra¨ge, die gelungene Planung der Feiern und deren Konzentration auf die Wochen rund um den 31. Oktober 1717 aus. In ihnen hat sich Rostock einmal mehr als besonders treue Hu¨terin der lutherischen Tradition erwiesen.

6. Greifswald Die Universita¨t Greifswald, 1456 als Universita¨t des Herzogtums Pommern-Wolgast gegru¨ndet, war die kleinste Universita¨t im deutschsprachigen Raum, die sich an den Feiern zum Reformationsjubila¨um 1717 betei218 Hil. Ev. I, S. 416b (Mecklenburg-Schwerin A). Engelken zielte mit dieser Disputation nicht nur gegen die ro¨misch-katholische Kirche, sondern wehrte sich zugleich gegen eine verwa¨sserte Sakramentstheologie, wie sie sich im Verlauf des Synkretistischen Streits herausgebildet hatte. Engelken selbst erwa¨hnt in seiner Schrift noch eine weitere Abhandlung zur Frage der Abendmahlslehre, die er anla¨ßlich des Jubila¨ums vero¨ffentlichen wollte. Diese zweite Schrift oder eine vorausgehende Disputation la¨ßt sich bibliographisch nicht nachweisen und wird auch in den Festberichten an keiner Stelle erwa¨hnt. 219 Hil. Ev. I, S. 417a (Mecklenburg-Schwerin A). 220 Hil. Ev. I, S. 417a (Mecklenburg-Schwerin A). 221 Hil. Ev. I, S. 417a (Mecklenburg-Schwerin A). 222 Hil. Ev. I, S. 417b (Mecklenburg-Schwerin A). 223 Georg Friedrich Niehenck, Hilaria Evangelica Rostochiensia, S. 59 Anm. 25. Die Arbeit trug den Titel: Designatio dogmatum divinorum quae propter curia Papalis Megalandrum nostrum ditionibus suis exterminavit.

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ligte. Wa¨hrend des Dreißigja¨hrigen Krieges wurde verschiedentlich u¨ber ihre Schließung oder die Verlegung nach Stettin verhandelt, bis sie nach dem Krieg in schwedischen Besitz u¨berging. Die neuen Herrscher statteten die Universita¨t finanziell großzu¨gig aus, ohne daß sie dadurch ihren fortschreitenden Verfall aufhalten konnten. Verheerende Scha¨den erlitt die Universita¨t in den Jahren 1678–79, als Friedrich Wilhelm von Brandenburg die Stadt belagerte und fu¨r kurze Zeit besetzen konnte. Der orthodox-lutherische Charakter der Universita¨t,224 der auch in der Schwedenzeit gepflegt wurde, erwies sich ebenso als Nachteil fu¨r die Rezeption wissenschaftlicher Neuerungen, wie ihre geographische Lage. Das gilt in gleichem Maß fu¨r die Philosophische Fakulta¨t, wie fu¨r die Medizinische Fakulta¨t, in der nur langsam die neuen anatomischen und physiologischen Erkenntnisse neben dem traditionellen Lehrstoff beru¨cksichtigt wurden.225 Eine gewisse Ausnahme bildete die Juristische Fakulta¨t, die zu den renommierteren juristischen Ausbildungssta¨tten im Reich za¨hlte.226 Ihr Aufschwung wurde durch die Lehrta¨tigkeit David Mevius’ zwischen 1635 und 1638 gefo¨rdert, nachdem zuvor die Bru¨der Joachim Stephani (1544–1627) und Matthias Stephani (1565–1646) dem neuen Jus Publicum einen festen Platz an der Fakulta¨t erstritten hatten.227 Neben seinen Studien zum Lu¨bischen Stadtrecht wirkte Mevius dadurch, daß er Anregungen zum naturrechtlichen Denken aufnahm und verbreitete, die er wa¨hrend verschiedener Aufenthalte in Schweden – mo¨glicherweise vermittelt durch Grotius – erfahren hatte. So wurde Greifswald eine der ersten Fakulta¨ten mit einem Lehrstuhl fu¨r Naturrecht. Und dank der Protektion, die der Jurist Christian Werner Friedlieb (1666–1713) von seiten der schwedischen Administration erfuhr, etablierte sich daneben das Vo¨lkerrecht als weiterer Zweig der Juristischen Fakulta¨t.228 Der Ruf der Theologischen Fakulta¨t, die nach dem Dreißigja¨hrigen Krieg außer Johann Friedrich Ko¨nig keinen bedeutenden Vertreter des Faches hatte aufweisen ko¨nnen, verbesserte sich seit 1701, als mit Johann Friedrich Mayer (1650–1712) ein ausgewiesener Vertreter der lutherischen Orthodoxie auf die erste Professur berufen wurde.229 Mayer hatte in Wittenberg studiert und anschließend in Hamburg und Kiel gelehrt, 224 Johann Gottfried Ludwig Kosegarten, Geschichte Teil 1, S. 216 erklart, der U ¨ ber¨ tritt der brandenburgischen Herrscher zum Calvinismus im Jahre 1613 habe die pommerschen Theologen zur dezidierten Ablehnung des Calvinismus gefu¨hrt. Deshalb verlangten die neuen Statuten der Theologischen Fakulta¨t aus dem Jahr 1623 die Verpflichtung der Theologieprofessoren auf die Konkordienformel. 225 Sigwald Bommer, Die Medizinische Fakultat in den ersten 4 Jahrhunderten, S. 277 f. ¨ 226 Notker Hammerstein, Jus und Historie, S. 292. 227 Michael Stolleis, Geschichte des O ¨ ffentlichen Rechts Band 1, S. 245. 228 Ivar Seth, Die Universitat Greifswald, S. 50 f. ¨ 229 Einen U ¨ berblick u¨ber die Wirksamkeit Mayers in Greifswald vermittelt Wilhelm Nagel, Johann Friedrich Mayer. Ausfu¨hrlicher und stellenweise kritischer ist die Darstellung dieser Jahre bei Ivar Seth, Die Universita¨t Greifswald, S. 67 ff.

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bis ihn der schwedische Ko¨nig Karl XI. (1697–1718) zum Oberkirchenrat in den deutschen Gebieten Schwedens ernannte, nachdem er zuvor eine Berufung an die Universita¨t Dorpat abgelehnt hatte.230 Den Anlaß seiner Berufung nach Greifswald im Jahre 1701 bildete der allgemeine Verfall des Studienbetriebs, insbesondere der Ru¨ckgang der Studentenzahlen.231 Tatsa¨chlich folgte Mayers Amtsantritt in Greifswald bald ein Anstieg der Studentenzahlen, der erst wieder stagnierte, als sich die Ka¨mpfe des Nordischen Kriegs auf Vorpommern zu konzentrieren begannen.232 Neben der Reform des Lehrbetriebs, die durch die große Universita¨tsvisitation 1699233 angeregt worden war, trug Mayers intensive Lehrta¨tigkeit zur zwischenzeitlichen Erholung der Universita¨t bei. In seinen Lehrveranstaltungen verband er streng lutherische theologische Grundsa¨tze mit katechetischen und seelsorgerlichen Konzepten fu¨r die pfarramtliche Praxis. Die fu¨r Mayers Lehrweise charakteristische Verbindung von Theorie und Praxis, sowie sein Versta¨ndnis fu¨r die Bedu¨rfnisse des einzelnen Christen bedeuteten einen großen Gewinn fu¨r die Ausbildung an der kleinen Theologischen Fakulta¨t.234 Zugleich sorgte Mayer wa¨hrend seiner Jahre in Greifswald dafu¨r, daß der Pietismus an der Universita¨t keine breitere Anha¨ngerschar fand.235 Gleichwohl konnte er nicht verhindern, daß auch u¨ber seinen Tod hinaus pietistische und orthodox-lutherische Theologen gleichermaßen um die Vorherrschaft an der Universita¨t ka¨mpften.236 Zu der angespannten Situation der Universita¨t trugen die a¨ußeren Umsta¨nde bei: Seit 1713 stand Greifswald im Zentrum der großen Schlachten des Nordischen Krieges. Die Stadt war von feindlichen Truppen besetzt, der Lehrbetrieb an der Universita¨t wurde durch die Kriegshandlungen stark behindert, akademische Streitigkeiten wurden dadurch in den Hintergrund gedra¨ngt;237 die Zahl der Studenten ging ebenso zuru¨ck wie die

Wilhelm Nagel, Johann Friedrich Mayer, S. 38. Ivar Seth, Die Universita¨t Greifswald, S. 68 f. 232 Wilhelm Nagel, Johann Friedrich Mayer, S. 34. 233 Insbesondere im Zusammenhang mit der Visitation von 1699 und dem 1702 ergangenen Visitationsrezeß hat Ivar Seth, Die Universita¨t Greifswald, S. 74 das herrische und autokratische Wesen der von Mayer und dem neuen Generalgouverneur Ju¨rgen Mellin (1633–1713) ausgeu¨bten Universita¨tsleitung kritisiert, dessen Zweck die Umgestaltung der Universita¨t nach Mayers und Mellins Vorstellungen gewesen sein soll. 234 Wilhelm Nagel, Johann Friedrich Mayer, S. 40 ff. Jetzt: Dietrich Blaufuss, Johann Friedrich Mayer, S. 328 f. 235 Zu Mayers Kampf gegen den Pietismus in Greifswald: Siegfried Wollgast, Spuren der Ha¨resie, S. 352 ff. Hans Leube, Reformideen, S. 37 nennt Mayer den erbittertsten Feind Speners. 236 Helmut Lother, Pietistische Streitigkeiten in Greifswald, S. 1–71 rechnet die Auseinandersetzungen zwischen Gebhardi und Mayer bzw. Wu¨rffel zum Vorgepla¨nkel der eigentlichen Kontroversen um den Pietismus, die erst in den 1720er Jahren zum vollen Ausbruch kamen. Martin Brecht, Der Hallische Pietismus in der Mitte des 18. Jahrhunderts, S. 345. 237 Vgl. Johann Gottfried Ludwig Kosegarten, Geschichte Teil 1, S. 273 ff. 230 231

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Zahl der Professoren.238 Dies machte sich auch im Jubila¨umsjahr bemerkbar. Die Professoren der Theologischen Fakulta¨t waren: Heinrich Brandanus Gebhardi (1657–1729) und Johannes Ludovicus Wu¨rffel (gest. 1719), zwischen denen sich nach Gebhardis allma¨hlicher Hinwendung zum Pietismus grundsa¨tzliche Gegensa¨tze auftaten, da Wu¨rffel sich der lutherischen Orthodoxie verpflichtet wußte;239 Juristische Fakulta¨t: Petrus von Mascov (1634–1719), Henning Christoph Gerdessen (gest. 1723), Philipp Balthasar Gerdessen (1680–1736); Medizinische Fakulta¨t: Johannes Lembke (1686–1746); Philosophische Fakulta¨t: Theodor Horn (1661–1736), Jeremias Papke (1672–1736), der spa¨ter zum Hauptagitator gegen den Pietismus werden sollte,240 N. Hesselgreen und Caspar Boerries. Neben den personellen und materiellen Verlusten mußte Greifswald die politischen Folgen des Nordischen Krieges verschmerzen, nachdem im Jahre 1715 Da¨nemark die schwedische Herrschaft als Besatzungsmacht ablo¨ste.241 Anders als im Fall der Universita¨t Kiel, die ebenfalls im Herrschaftsbereich des da¨nischen Ko¨nigs lag, verblieb der Universita¨t Greifswald keinerlei Mitspracherecht, was die Feiern zum Reformationsgedenken anbetrifft.242 Sie mußte sich dem Diktat des da¨nischen Ko¨nigs Friedrich IV. fu¨gen, der in einem Rundschreiben vom 19. August unter anderem dem Rektor der Universita¨t genaue Instruktionen erteilte, wie das Fest ablaufen solle.243 Dadurch verblieb der Universita¨t vergleichsweise viel Zeit, die Vorgaben des Ko¨nigs in Form zu bringen.244 Die akademischen Feiern an der Universita¨t Greifswald sollten sich gema¨ß den Anordnungen vom 19. August an die kirchlichen Feiern am 31. Oktober und 1. November anschließen und vom 2. bis 6. November vonstatten gehen. Die Predigten in den Kirchen am 31. Oktober und 1. November sollten u¨ber die u¨blichen Sonntags-Perikopen, also am 31. Oktober u¨ber Mt. 2215–22 (Der Zinsgroschen) und am 1. November u¨ber Mt. 51–13 (Seligpreisungen), gehalten und auf das Jubila¨um bezogen werden.245 Vorbereitungsgottesdienste und andere Vorbereitungen auf das Adolf Hofmeister, Die geschichtliche Stellung, S. 43, Anm. 37. Martin Brecht, Der Hallische Pietismus in der Mitte des 18. Jahrhunderts, S. 345. 240 Helmut Lother, Pietistische Streitigkeiten in Greifswald, S. 71. 241 Johann Gottfried Ludwig Kosegarten, Geschichte Teil 2, S. 147 f. 242 U ¨ ber die Feiern in Greifswald informieren: 1. die im Universita¨tsarchiv Greifswald aufbewahrten Unterlagen. 2. der Programmzettel, der in Hil. Ev. II, S. 11–13 (Auspicatissimam Lucem) abgedruckt ist. 3. Die Anordnungen des da¨nischen Ko¨nigs fu¨r das Jubila¨um, abgedruckt in: Hil. Ev. I, S. 23–28 (Da¨nnemarck B). 243 Eine Abschrift dieses Briefes befindet sich im UAG, Altes Rektorat Hbg. 62, fol. 2r–6r. Das Schreiben ist inhaltlich identisch mit der in Hil. Ev. I, S. 23–28 (Da¨nnemarck B) abgedruckten Verfu¨gung fu¨r die Herzogtu¨mer Schleswig und Holstein. 244 Die Anordnung des danischen Konigs an die Universitat Kiel ist erst auf den 1. Ok¨ ¨ ¨ tober 1717 datiert, ist also ganze sechs Wochen spa¨ter in Kiel eingetroffen als die Anordnungen in Greifswald. 245 Hil. Ev. I, S. 35a (Dannemarck E). ¨ 238 239

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Jubila¨um waren nicht vorgesehen; lediglich am Vorabend des 31. Oktobers war das Fest von 18 bis 19 Uhr einzula¨uten.246 Besondere Gottesdienste wurden fu¨r den 5. November angeordnet, der als „allgemeiner Danck- und Beth-Tag“ ohne gesonderte Feiern der Universita¨ten geplant war.247 Fu¨r die drei Gottesdienste dieses Tages wurden eigene Predigttexte vorgeschrieben. Diese waren: fu¨r die Fru¨h- oder Vormittagspredigt Am. 911 („Zur selben Zeit will ich die zerfallene Hu¨tte Davids wieder aufrichten“), fu¨r die Mittagspredigt Jos. 2414 („So fu¨rchtet nun den Herrn und dient ihm treulich und rechtschaffen . . .“) und fu¨r die Predigt im Nachmittagsgottesdienst 1. Thess. 213 („Darum danken wir auch Gott ohne Unterlaß dafu¨r, daß ihr das Wort der go¨ttlichen Predigt, das ihr von uns empfangen habt, nicht als Menschenwort aufgenommen habt . . .“).248 Der Verlauf der Feierlichkeiten an der Universita¨t Greifswald entsprach den Vorgaben fu¨r die Feiern in Kiel: Am 2., 3., 4. und 6. November sollte am Vormittag jeweils von einem Professor und am Nachmittag jeweils von einem Studenten eine Rede gehalten werden.249 Die a¨ußeren Gegebenheiten du¨rften das Ihrige dazu beigetragen haben, daß die Universita¨t Greifswald diesen schmal gesteckten Rahmen nicht erwa¨hnenswert zu u¨berschreiten gedachte. Zudem betonte die Universita¨t in ihrem Festprogramm, nicht der a¨ußere Pomp, sondern die innere Geisteshaltung seien fu¨r die Jubila¨umsfeier wesentlich.250 Besta¨tigung in ihrer Zuru¨ckhaltung erfuhr die Universita¨t in einem Schreiben des Ko¨nigs Friedrich IV. vom 4. Oktober, in dem er eindringlich auf die genaue Befolgung der von ihm erlassenen Verordnungen, vor allem auf die Wahrung des a¨ußeren Friedens wa¨hrend der Festtage, drang.251 So beteiligte sich die Universita¨t nicht an der Gestaltung der Festgottesdienste in der Stadt, doch an den darauffolgenden Festtagen hielt je ein Professor jeder Fakulta¨t eine der angeordneten Reden.252 Den Auftakt bildete am 2. November Lembkes Rede u¨ber Luther als Arzt;253 fu¨r die Theologische Fakulta¨t sprach am 3. November Gebhardi u¨ber die Reformation der Universita¨t Greifswald;254 P. B. Gerdessen behandelte am 4. November ein rechtsgeschichtliches Thema, als er den Einfluß der Rechtswissenschaften und Rechtsgelehrten auf die Reformation beschrieb,255 und Horn schließlich fu¨hrte in seiner Rede am 6. November Hil. Ev. I, S. 34b (Da¨nnemarck E). Hil. Ev. I, S. 35a (Da¨nnemarck E). 248 Hil. Ev. I, S. 24b (Dannemarck B). ¨ 249 Hil. Ev. I, S. 35a (Dannemarck E). ¨ 250 Hil. Ev. II, S. 12a (Auspicatissimam Lucem). 251 Hil. Ev. I, S. 37 (Dannemarck G). ¨ 252 Keine dieser Reden ist erhalten. Ihre Themen sind aus dem Programm der Universita¨t bekannt. 253 Hil. Ev. II, S. 12b (Auspicatissimam Lucem). 254 Hil. Ev. II, S. 13a (Auspicatissimam Lucem). 255 Hil. Ev. II, S. 13a (Auspicatissimam Lucem). 246 247

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den Nachweis, daß die pa¨pstlichen Sa¨kularfeiern im Grunde heidnischen Ursprungs seien, und legte dar, worin sich das Jubila¨umsfest der Lutherischen Kirche von diesen heidnischen Gebra¨uchen unterschied.256 Außerdem ist auf die Reden der außerordentlichen Professoren Johann Samuel Hering (1683–1752) und Michael Quade (1682–1757) hinzuweisen, die sie am 1. November im Stettiner Pa¨dagogium gehalten haben. Es sind die einzigen vollsta¨ndig u¨berlieferten Jubila¨ums-Schriften Greifswalder Professoren. Hering behandelte Luthers Kenntnisse des kirchlichen Rechts und zeigte deren Bedeutung fu¨r Luthers Lebensgang und den Verlauf der Reformation auf.257 Quade kritisierte den Widerspruch, der zwischen dem allgemeinen Wunsch nach einer Reformation der Kirche vor Luthers Auftreten und dem vera¨chtlichen Umgang ro¨misch-katholischer Theologen mit den reformatorischen Ideen nach der Reformation bestand.258 Gro¨ßere Schwierigkeiten als die Reden der Professoren an den Vormittagen bereiteten die fu¨r die Nachmittagsstunden vorgeschriebenen Reden der Studenten, die der Rektor der Universita¨t nur mit wenig Interesse organisierte. So geschah es, daß zwar die Redner bestimmt, bis kurz vor dem Fest aber nicht die Themen ihrer Reden festgelegt waren. Zudem stellte sich am 25. Oktober heraus, daß aufgrund fehlerhafter Absprachen unter den Professoren ein Redner zuviel eingeplant war. Das urspru¨ngliche Programm fu¨r die Nachmittage mußte vo¨llig umgestoßen werden, und einem bis dato gar nicht beru¨cksichtigten candidatus magisterii mit Namen Schwartz wurde zu Lasten der u¨brigen studentischen Redner das Recht auf die allererste Rede im Namen der Studenten zugebilligt. Schwartz hatte na¨mlich nachweisen ko¨nnen, daß er sich lange vor den u¨brigen Studenten erfolgreich um das Rederecht anla¨ßlich des Jubila¨ums bemu¨ht hatte, dann aber bei den Detailplanungen u¨bergangen worden war.259 Diese Nachla¨ssigkeit seitens des Rektors vera¨rgerte die benachteiligten Studenten so sehr, daß einige von ihnen ihre geplante Rede gar nicht hielten, was den Ablauf der Feiern erheblich beeintra¨chtigte.260 Die Universita¨t vertuschte diesen offensichtlich von ihr selbst zu verantwortenden Eklat gegenu¨ber dem da¨nischen Ko¨nig, indem sie in ihrem offiziellen, nach Kopenhagen entsandten Bericht u¨ber die Feierlichkeiten in Greifswald nicht weiter auf die Beitra¨ge der Studenten einging261 und den Programmzettel, auf dem die Reden der Studenten vermerkt waren, gar nicht erst nach Kopenhagen einsandte.262 U¨ber diese offiziellen Feierlich-

Hil. Ev. II, S. 13b (Auspicatissimam Lucem). Hil. Ev. II, S. 109–113. 258 Hil. Ev. II, S. 104–109. 259 UAG, Altes Rektorat Hbg. 62, fol. 24r–25r. 260 UAG, Altes Rektorat Hbg. 62, fol. 31r. 261 UAG, Altes Rektorat Hbg. 62, fol. 33r. 262 UAG, Altes Rektorat Hbg. 62, fol. 31r: Dort heißt es zusammenfassend uber die Be¨ ratung des Senats der Universita¨t am 22. November 1717 und den nach Kopenhagen zu er256 257

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keiten hinaus hat die Universita¨t am 10. November, dem Geburtstag Luthers, eine Feier abgehalten, in deren Rahmen drei Studenten durch den Vortrag von Festgedichten des Reformators gedachten.263 Aufs ganze betrachtet waren die Feiern in Greifswald die bescheidensten der an den deutschen Universita¨ten abgehaltenen Jubila¨umsfeiern. Dies gilt sowohl fu¨r den Umfang als auch fu¨r die Dokumentation der Feier durch anschließend vero¨ffentlichte Festberichte oder Drucke einzelner Beitra¨ge zum Fest. Dennoch hat die Universita¨t Greifswald dem Jubila¨um nicht gleichgu¨ltig gegenu¨ber gestanden: unter den gegebenen widrigen Umsta¨nden war es viel, daß sie sich u¨berhaupt an den Jubila¨umsfeiern beteiligte.

7. Kiel Der Entschluß Herzog Christian-Albrechts von Schleswig-Holstein-Gottorf im Jahre 1665 die Universita¨t Kiel zu gru¨nden, erwuchs aus den Bestrebungen der holsteinischen Herzo¨ge, ihre Unabha¨ngigkeit vom Ko¨nigreich Da¨nemark zu festigen und auszubauen. Obwohl Christian-Albrecht die junge Universita¨t großzu¨gig mit Professuren ausstattete, verhinderten bis weit ins 18. Jahrhundert die unsicheren politischen Verha¨ltnisse sowie die betra¨chtliche Anzahl bereits bestehender Universita¨ten im Ostseeraum, daß die Universita¨t Kiel u¨berregionale Bedeutung gewinnen konnte.264 Von ihren Gru¨ndungsstatuten war die Universita¨t zu den gema¨ßigten lutherischen Universita¨ten zu rechnen. Obwohl von allen Professoren erwartet wurde, daß sie lutherischen Bekenntnisses sein sollten, verlangten die Statuten expressis verbis nur von den Professoren der Theologischen Fakulta¨t die Anerkennung des lutherischen Bekenntnisses.265 Mit dieser stattenden Bericht: „Wegen des kleinen Programmat[is] worauf die 3 letzten Studiosi stehen, ist concludiret, daß solches nur zuru¨cke bleiben mo¨chte, weil es nun in einem ungeschickten format und ohnedehm die Orationes zum theil nicht gehalten worden.“ 263 Von dieser Feier wissen wir aus dem bibliographischen Hinweis auf die von Horn verfaßte Einladungsschrift zu dieser Feier. Vgl. Hil. Ev. I, S. 1045b (Verzeichniß). 264 Zu den wechselvollen Geschicken der Schleswig-Holsteinischen Herzogtumer im 17. ¨ und 18. Jahrhundert, die vom Interessenkonflikt zwischen Da¨nemark und Schweden bestimmt waren: Hermann Kellenbenz, Die Herzogtu¨mer vom Kopenhagener Frieden bis zur Wiedervereinigung Schleswigs 1660–1721, S. 205–252. 265 In den Statuten der Theologischen Fakultat heißt es unter Tit. 1 § 3: „In serenissimis ¨ ducatibus Slesvico-Holsaticis pro formula fidei sunt libri symbolici, quos omnes ecclesiae, scholae et academiae Lutheranae amplectuntur, videlicet invariata Augustana confessio, ejus apologia, articuli Smalcaldici et uterque catechismus Lutheri.“ und in § 4: „His obstringuuntur omnes, qui professionem theologiae in academia Christiana-Albertina Kiloniensi obire cupiunt.“ Die Statuten sind abgedruckt bei Carl Rodenberg und Volquart Pauls, Die Anfa¨nge der Christian-Albrechts-Universita¨t Kiel, S. 391–405.

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Bekenntnisbindung (ohne Konkordienbuch) verharrte die Universita¨t auf dem historischen Standort des milderen Luthertums der holsteinischen Herzogtu¨mer und folgte zugleich den Bemu¨hungen um ein friedliches Miteinander der Konfessionen nach Abschluß des Westfa¨lischen Friedens.266 Schon bei der ersten Besetzung der theologischen Professuren im Jahre 1655 war keineswegs eine streng lutherische Ausrichtung der Universita¨t beabsichtigt: Ihr erster Prorektor und Prokanzler Peter Musa¨us (1620–1674) hatte sich in Publikationen und wa¨hrend des Kasseler Religionsgespra¨chs von 1661 als irenischer Theologe bewiesen; auch Christian Kortholt (1633–1694), der u¨ber dreißig Jahre an der Theologischen Fakulta¨t lehrte, war, bei aller Treue zum lutherischen Bekenntnis, um die Reform der Kirche bemu¨ht. Wa¨hrend seiner Zeit in Kiel unterhielt er enge Kontakte zu pietistischen Theologen,267 und einige nachmals einflußreiche Vertreter des Pietismus, wie beispielsweise August Hermann Francke, za¨hlten zu seinem engeren Schu¨lerkreis.268 Insgesamt blieb Kiel als Universita¨t der melanchthonischen Schulphilosophie verpflichtet. In der Medizinischen Fakulta¨t trug vornehmlich Johann Ludwig Hannemann (1640–1724) dazu bei, daß sich die Ausbildung der Medizin-Studenten an den traditionellen Autorita¨ten Galen, Hippokrates und Aristoteles orientierte.269 Einzig Gu¨nther Christoph Schelhammer (1649–1716), ein Neffe des Jenaer Anatoms Werner Rolfinck (1599–1673), bemu¨hte sich wa¨hrend seiner Kieler Lehrta¨tigkeit Erkenntnisse auch aus empirischen Beobachtungen und Experimenten zu erheben.270 Dagegen verstand es die Juristische Fakulta¨t, die bei der Gru¨ndung gewa¨hrten akademischen und institutionellen Freiheiten zur Modernisierung des Lehrbetriebs zu nutzen: Anstelle der andernorts u¨blichen sukzessiven Interpretation der einzelnen Corpora Iuris setzte sich an der Albertina die systematische Auslegung und Vermittlung der Rechtswissenschaften durch,271 die auf zeitgeno¨ssischen Kompendien der RechtsInge Mager, Aufnahme und Ablehnung des Konkordienbuchs, S. 291 f. Auf die engen Verbindungen zwischen Christian Kortholt und Philipp Jakob Spener weist Manfred Jakubowski-Tiessen, Der fru¨he Pietismus in Schleswig-Holstein, S. 32 ff hin. Zur Verbindung Kortholts mit Johann Wilhelm und Eleonora Petersen vgl. Erhard Peschke, Zur Theologie Christian Kortholts, S. 652. 268 Zur Beziehung Kortholts zu Francke vgl. Erhard Peschke, Die Reformideen Christian Kortholts, S. 63 f. 269 Heinrich Schipperges faßt das erste Jahrhundert der medizinischen Ausbildung in Kiel unter dem Epochenbegriff „Das scholastische Stadium“ zusammen (Ders., Geschichte der medizinischen Fakulta¨t, S. 40). 270 Heinrich Schipperges, Geschichte der medizinischen Fakultat, S. 61 ff. Alexander ¨ Scharff, Verfall und Wiederaufstieg, S. 9, weist darauf hin, wie eingeschra¨nkt die Mo¨glichkeiten fu¨r derartige Vera¨nderungen in der Medizinischen Fakulta¨t waren. Lange Jahre war es fast unmo¨glich, in der Medizinischen Fakulta¨t anatomische Studien am Menschen durchzufu¨hren, der Botanische Garten war zeitweise vermietet, und die geringen Studentenzahlen schwa¨chten die Stellung der Fakulta¨t im Gesamtgefu¨ge der Universita¨t. 271 Nach Erich Do ¨ hring, Geschichte der Juristischen Fakulta¨t 1665–1965, S. 64 f wurde 266 267

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wissenschaft oder einzelnen rechtstheoretischen Entwu¨rfen aufbaute.272 Wichtige Lehrer in dieser ersten Epoche der Juristischen Fakulta¨t waren Simon Heinrich Musa¨us (1655–1711)273 und Samuel Rachel (1628–1691), ein Schu¨ler Conrings, der in Kiel bis 1677 das Natur- und Vo¨lkerrecht vertrat.274 In der Theologischen Fakulta¨t kam es jedoch zu Beginn des 18. Jahrhunderts zu erheblichen Spannungen, nachdem der Pietist Heinrich Muhle (1666–1733) im Jahre 1695 zum Theologieprofessor und 1698 zusa¨tzlich zum herzoglichen General-Superintendenten fu¨r Schleswig-Holstein-Gottorf aufgestiegen war. Dessen verwandtschaftliche Beziehungen zum herzoglichen Minister Magnus von Wedderkop (1638–1721) boten ihm bis zu Wedderkops Sturz im Jahre 1708 bei amtlichen Stellen Ru¨ckhalt fu¨r die Ausbreitung des Pietismus unter den Geistlichen des Landes. Zu theologischen Gegnern aus dem Lager der lutherischen Orthodoxie wurden fu¨r Muhle der ko¨nigliche General-Superintendent Josua Schwartz (gest. 1708), dessen Amtsnachfolger Theodor Dassov (1648–1712) und der vormalige Wittenberger Professor Johann Friedrich Mayer (1650–1712), seit 1701 Generalsuperintendent in Pommern und Ru¨gen. Eine Entscheidung fanden diese Streitigkeiten nicht, und mit dem Tod der jeweiligen Opponenten geriet oftmals auch ihr Streit in Vergessenheit. Weder der lutherisch-orthodoxen noch der pietistischen Partei gelang es, die Universita¨t Kiel, insbesondere die Theologische Fakulta¨t, dauerhaft fu¨r sich zu gewinnen.275 Weit folgenreicher als diese Streitigkeiten war fu¨r die Universita¨t der Nordische Krieg. Weder das 1707 von M. Wedderkop verfaßte neue Reglement der Universita¨t, das den Fakulta¨ten volle Lehrfreiheit zugestand, noch das 1711 verfaßte „Project zur Reformation der Universita¨t Kiel“ des Baron von Goertz ließen sich in den entbehrungsreichen Kriegsjahren in die Praxis umsetzen.276 Statt dessen geriet die Universita¨t 1713 in die Ha¨nde der da¨nischen Besatzungsmacht: Von diesem Zeitpunkt an fielen immer mehr Vorlesungen aus, die Professoren erhielten zeitweise ihre Geha¨lter nicht mehr, und die Studenten wanderten aus Kiel ab.277 Fu¨r Professoren war Kiel unter diesen Umsta¨nden keine begehrte Wirkungssta¨tte, womit sich die unzureichende Besetzung der Professuren im Jahre 1717 diese Praxis schon 1667 begonnen und setzte sich dann gegen anfa¨ngliche Widersta¨nde durch. 272 So gehorte zum Beispiel seit 1665 die Auslegung von Grotius’ „De iure belli ac pacis“ ¨ zum Bestandteil des juristischen Unterrichts. Vgl. Erich Do¨hring, Geschichte der Juristischen Fakulta¨t 1665–1965, S. 73. 273 Erich Do ¨ hring, Geschichte der Juristischen Fakulta¨t 1665–1965, S. 73 f. 274 Michael Stolleis, Geschichte des offentlichen Rechts I, S. 245. ¨ 275 Vgl. Manfred Jakubowski-Tiessen, Der fruhe Pietismus in Schleswig-Holstein; ¨ Ders., Der Pietismus in Da¨nemark und Schleswig-Holstein, S. 455–459. 276 Alexander Scharff, Verfall und Wiederaufstieg, S. 8 f. 277 Alexander Scharff, Verfall und Wiederaufstieg, S. 7 f.

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erkla¨rt. In der Theologischen Fakulta¨t lehrte neben Muhle lediglich Albert zum Felde (1675–1720); Franz Ernst Vogt vertrat allein die Juristische Fakulta¨t (1680–1736);278 in der Medizinischen Fakulta¨t lehrte Wilhelm Huldrich Waldschmidt (1669–1734), und in der Philosophischen Fakulta¨t lehrten Johann Burkhard Mai (1652–1726), Nikolaus Mo¨ller (1664–1734), Sebastian Kortholt (1675–1760) und als Lehrer fu¨r die franzo¨sische Sprache Karl Heinrich D’Arbemont279; daneben unterrichteten die Professoren zum Felde und Waldschmidt in der Philosophischen Fakulta¨t. Daß die Feierlichkeiten trotz der ungu¨nstigen politischen, akademischen und kirchlichen Lage nicht in Mitleidenschaft gezogen wurden, war dem großen perso¨nlichen Interesse des da¨nischen Ko¨nigs zuzuschreiben.280 Verha¨ltnisma¨ßig fru¨h, am 31. Juli 1717, hatte Herzog Karl Friedrich von Schleswig-Holstein-Gottorf die Feier des Jubila¨ums angeordnet.281 Fu¨r die Universita¨t Kiel wurden daru¨ber hinaus die Anordnungen des da¨nischen Ko¨nigs Friedrich IV. (1699–1730) relevant, dessen Erfolge im Nordischen Krieg ihn zum interimistischen Herrn der Christian-Albrechts-Universita¨t werden ließen. Zwar wurde die Planung der Einzelheiten den Pro¨psten und Pfarrern u¨berlassen, doch die Predigttexte wie auch die Gebete fu¨r die Gottesdienste am 31. Oktober, 1. und 5. November waren von der Regierung vorgeschrieben. Anders als in den meisten anderen Territorien ist die Woche vor dem Jubila¨um nicht ausdru¨cklich als Vorbereitung auf das Jubila¨um gestaltet worden. Lediglich eine Rede von Muhle, die nicht genauer datiert werden kann, diente dem Hinweis auf das anstehende Jubila¨um.282 An jedem der Festtage fand ein Gottesdienst statt. Predigttexte waren am 31. Oktober Mt. 2234 ff (Die Frage nach dem ho¨chsten Gebot), am 1. November Mt. 51 ff (Seligpreisungen) und am 5. November Am. 911 ff („Zur selben Zeit will ich die zerfallene Hu¨tte Davids wieder aufrichten . . .“).283 Die Universita¨t hat sich diesen

278 An Vogt wird die angespannte personelle Lage der Universitat besonders deutlich. ¨ Er war von 1714–21 als einziger ordentlicher Professor in der Juristischen Fakulta¨t ta¨tig. Vgl. Friedrich Volbehr und Richard Weyl, Professoren und Dozenten der Christian-Albrechts-Universita¨t, S. 28. 279 Von ihm sind keine Lebensdaten bekannt. 280 Die wichtigsten Quellen sind: 1. Hil. Ev. I, S. 427–429, wo die herzogliche Anordnung fu¨r das Fest und Anordnungen fu¨r die Gottesdienste u¨berliefert sind (HollsteinSchleswig A. B); 2. Das Programm der Universita¨t zu den Feierlichkeiten; vgl. Hil. Ev. II, S. 100–103 (Pro-Rector & Senatus Academiae Kiloniensis); und 3. die anonyme Schrift „Kurtze Vorstellung Einer o¨ffentlichen Jubel-Freude“. 281 Hil. Ev. I, S. 427b (Hollstein-Schleswig A). 282 Vgl. Hil. Ev. II, S. 102b (Pro-Rector & Senatus Academiae Kiloniensis); Titel der Rede war: „Quantum & Reipublicae & Ecclesiae Indulgentiae nocuerint, quamque vere ac merito cum Reformationi Evangelicae, tum Schismati in Occidente enato caussam ad occasionem suppeditarint“. 283 Vgl. Hil. Ev. I, S. 427b (Hollstein-Schleswig A).

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Anordnungen angeschlossen und an den Gottesdiensten beteiligt, ohne daß Na¨heres daru¨ber bekannt ist.284 Am 2. November begannen die Feiern der Universita¨t mit zwei Fest-Reden im Auditorium der Theologischen Fakulta¨t.285 Der fu¨r Kirchengeschichte zusta¨ndige Professor Johann Burkhard Mai, der das ganze Jahr u¨ber eine reformationsgeschichtliche Vorlesung gehalten hatte, sprach u¨ber die historischen Ursachen fu¨r den Aufstieg und den Verfall der Kirche in den Jahrhunderten vor der Reformation, und Daniel Friedrich Gaul ru¨hmte die Verdienste Luthers um die deutsche Sprache und Literatur.286 Den Ho¨hepunkt bildete der 3. November, an dem die Universita¨t eine o¨ffentliche Feier in der Stadt ausrichtete, die großen Zuspruch bei der Bevo¨lkerung fand. Deren Auftakt bildete eine von Muhle in den Ra¨umlichkeiten der Universita¨t gehaltene Rede, in der er Luther und Hus verglich.287 Danach wurde die Feier in der Stadt fortgesetzt. Dort hatten die vier Fakulta¨ten auf dem Marktplatz einen großen Torbogen aufgerichtet, dessen Sa¨ulen und Bogen mit Bildern und Inschriften geschmu¨ckt waren. Am Abend wurde der Torbogen hell beleuchtet. Den oberen Torbogen zierte das kaiserliche Wappen, unter dem in Anlehnung an Apk. 146 ff das Bild eines Engels zu sehen war, der ein Buch in der Hand hielt. Darunter war die Inschrift zu lesen: VERBUM DOMINI MANET IN AETERNUM.288 Die zwei Sa¨ulen trugen zuoberst das Wappen Schleswig-Holsteins bzw. der Universita¨t.289 An beiden Sa¨ulen war mit einer Inschrift die Widmung angebracht: „MEMORIAE DIVI LUTHERI SACRUM HOC ESSE IUBET ACADEMIA KILONIENSIS.“290 Auf den Sa¨ulen verteilt waren die Wappen der Fakulta¨ten abgebildet. Unterhalb der Wappen befand sich jeweils ein Emblem, das dem Betrachter die Bedeutung der jeweiligen Fakulta¨t fu¨r die Ausbreitung und weiteren Bestand der reformatorischen Lehre erschloß.291 Der Triumphbogen wurde von Soldaten bewacht und hat dem Anschein nach nur an diesem einen Tag auf dem Marktplatz gestanden.

Vgl. Kurtze Vorstellung, S. 3. Kurtze Vorstellung, S. 3. 286 Vgl. Hil. Ev. II, S. 103a (Pro-Rector & Senatus Academiae Kiloniensis). Die Reden sind nicht erhalten; zu Mais Vorlesungsta¨tigkeit im Jahr 1717 vgl. Emil Clemens Scherer, Geschichte und Kirchengeschichte, S. 149. 287 Kurtze Vorstellung, S. 3. Die Rede ist nicht erhalten. 288 Kurtze Vorstellung, S. 4. 289 Kurtze Vorstellung, S. 4. 290 Kurtze Vorstellung, S. 7. 9. 291 Kurtze Vorstellung, S. 7–9. Diese Inschriften sind ein treffendes Beispiel fur das im ¨ Wandel befindliche Selbstversta¨ndnis der Reformation und deren Wirkungen. Nicht allein die Theologische Fakulta¨t, sondern alle Fakulta¨ten haben aus der Reformation großen Nutzen gezogen und zum Wachstum der reformatorischen Kirche beigetragen. Im Falle Kiels ist diese Feststellung um so bemerkenswerter, als die Universita¨t ja erst 140 Jahre nach Beginn der Reformation gegru¨ndet worden ist. 284 285

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Den Abschluß des Festtages bildete ein Umzug durch die Stadt, den die Angeho¨rigen der Universita¨t zur Belustigung (und Belehrung) der Bevo¨lkerung veranstalteten.292 Er wurde von Musikanten begleitet. Der Umzug war in drei thematische Abteilungen untergliedert, von denen die beiden ersten das Reformationszeitalter zum Thema hatten. Die erste Abteilung stellte einerseits die Tugenden dar, die Luther zum Reformationswerk befa¨higt hatten, andererseits die Laster und Fehler, die eine Reform der Kirche unmo¨glich gemacht ha¨tten. Luthers Verha¨ltnis zu diesen Tugenden und Lastern wurde dadurch versinnbildlicht, daß in der Reihenfolge des Umzugs eine Gestalt, die Luther verko¨rpern sollte, den Tugenden folgte, wa¨hrend die Luther nachfolgenden Laster vergeblich versuchten, diesen „Luther“ einzuholen.293 Die zweite Abteilung des Umzugs diente der Verspottung der ro¨misch-katholischen Kirche. In Anspielungen auf Ereignisse, Personen und theologische Lehrentscheidungen karikierten die Zugteilnehmer das Verhalten der ro¨misch-katholischen Kirche wa¨hrend und nach der Reformation.294 Der Zug endete vor dem Haus des Rektors, wo ein Singspiel aufgefu¨hrt wurde. In diesem Spiel ka¨mpfte die fromme Albertine, Sinnbild der Universita¨t, mit Unterstu¨tzung der go¨ttlichen Wahrheit einen siegreichen Kampf gegen die pa¨pstlichen Irrlehrer.295 Unter Glockengela¨ut und Salutschu¨ssen lo¨ste sich die Versammlung am spa¨ten Abend auf.296 An den folgenden Tagen wurden in der Universita¨t Reden und Disputationen abgehalten und Jubila¨ums-Carmina vorgetragen, wie es dem Herkommen bei akademischen Feiern entsprach. Am 4. November sprach Sebastian Kortholt u¨ber Luther, den wahren Zeugen des Christentums, am 6. November wurde von Friedrich Gentzke (1678–1757), einem Extraordinarius der Philosophischen Fakulta¨t, die moralische Unbescholtenheit Luthers gepriesen, und schließlich legte Christoph Johannes Francke am 10. November die von Luther bewirkte Befreiung von Kirche und Welt aus der Tyrannei des Papsttums dar.297 Kurtze Vorstellung, S. 9 ff. Kurtze Vorstellung, S. 9–14. Zu den Tugenden za¨hlten u. a. Glaube, Hoffnung, Liebe und Einigkeit; zu den Lastern geho¨rten u. a. Wollust, Ehrgeiz, Unwissenheit und Spitzfindigkeit. Als besondere Tugend Luthers wurde die Weisheit dargestellt. 294 Kurtze Vorstellung, S. 14–21. Dazu gehorte ein Bettelmonch, der unter anderem mit ¨ ¨ einem Bart maskiert war, auf dem die Worte „DAMNAMUS, DAMNAMUS, NAMUS“ zu lesen waren, womit er „auf den Eyfer der Pa¨pstler zielete / welche auf der Versammlung zu Trident alle Lutherische Lehren ohne Ansehen / ob sie mit Gottes Wort u¨berein stimmeten oder nicht / verdammet und verketzert.“ Der Wortfetzen „NAMUS“ sollte einen auf dem Konzil wa¨hrend der Verhandlungen aufgeschreckten Mo¨nch versinnbildlichen, der die eigentlichen Ero¨rterungen verschlafen hatte und, wa¨hrend der Abstimmung u¨ber die Lehrverurteilung aufgeweckt, nur noch im Gleichklang mit den u¨brigen Teilnehmern „NAMUS“ mitbrabbelte. (ebd., S. 15). 295 Kurtze Vorstellung, S. 22–26. 296 Kurtze Vorstellung, S. 27. 297 Abgesehen von der Dissertation, die von Mosheim verfaßt hatte, sind alle genannten 292 293

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Alle Fakulta¨ten haben das Jubila¨um auch zu feierlichen Disputationen genutzt. So disputierte Johann Lorenz von Mosheim (1694–1755), der seit 1716 Dozent an der Philosophischen Fakulta¨t war, am 8. November unter dem Vorsitz von zum Felde u¨ber Mt. 513 („Ihr seid das Salz der Erde . . .“); er sprach dabei der ro¨misch-katholischen Kirche ihre Berufung zum vollma¨chtigen Christuszeugnis in Lehre und Leben ab.298 Am 9. November wurde unter dem Vorsitz des Juristen Vogt u¨ber die Fu¨rsorge des Staates fu¨r Kirche und Religion disputiert.299 Rein medizinischer Natur war eine Disputation unter dem Vorsitz Waldschmidts, obgleich auch sie ihrem Titel zufolge explizit anla¨ßlich des Reformationsjubila¨ums am 11. November stattfand.300 Am 12. November ließ Mo¨ller u¨ber ein kirchengeschichtliches Thema disputieren,301 und den offiziellen Schlußpunkt setzte der Privatdozent der Theologischen Fakulta¨t Paul Friedrich Opitz (1684–1747), indem er den Gemeinschaftscharakter des Laubhu¨ttenfestes anhand von Ps. 133 vorstellte.302 Schließlich sind zwei Lehrveranstaltungen zu erwa¨hnen, die u¨ber die offiziellen Feierlichkeiten hinaus in Kiel stattfanden. Zum einen hat Muhle eine Schrift Heinrich von Zu¨tphens neu ediert und mit Anmerkungen versehen. Dieses geschah wohl im Rahmen einer Lehrveranstaltung, in der sich Muhle anla¨ßlich des Reformationsjubila¨ums mit Gestalten der schleswig-holsteinischen Kirchengeschichte bescha¨ftigte.303 Zum anderen lud Petrus Friedrich Arpe (1682–1740), Privatdozent der Juristischen Fakulta¨t, mit Hinweis auf das Jubila¨um der Reformation zu einem Vortrag u¨ber das Alte und Neue Ro¨mische Kirchenrecht ein, den er am 15. November gehalten hat.304

Reden aus dem von Cyprian u¨berlieferten Programm der Universita¨t bekannt. Gleiches gilt fu¨r die Festgedichte, die jeweils am Nachmittag des 4., 6. und 10. November vorgetragen wurden. Auch hiervon sind nur die Titel der Carmina und die Namen der Verfasser und Vortragenden aus dem genannten Programm zu entnehmen. Hiernach hat unter anderem Johann Lorenz von Mosheim ein Carmen mit dem Titel „Laudes & immortalia Lutheri in Ecclesiam merita“ zum Vortrag gebracht. 298 Dissertatio, pontificios, salis apostolici expertes. 299 De cura religionis publica, ejusque defensione armata; vgl. Hil. Ev. II, S. 103a (ProRector & Senatus Academiae Kiloniensis). 300 De morbo convulsivo, epidemice per hos Ducatus grassante (Hil. Ev. II, S. 103b; Pro-Rector & Senatus Academiae Kiloniensis). 301 „De Germana veritatem divinitatemque Historiae sacrae & sapientiae ac Religionis in ea patefactarum demonstrandi ratione“; vgl. Hil. Ev. II, S. 103b (Pro-Rector & Senatus Academiae Kiloniensis). 302 De amico Israelitarum in Festo Tabernaculorum consortio; vgl. Hil. Ev. II, S. 103b (Pro-Rector & Senatus Academiae Kiloniensis) 303 Hil. Ev. II, S. 103a (Pro-Rector & Senatus Academiae Kiloniensis) 304 Peter Friedrich Arpe, Programma.

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8. Ko¨nigsberg Wegen ihrer geographisch entfernten Lage dienten Stadt und Universita¨t Ko¨nigsberg (gegr. 1544) wa¨hrend des Dreißigja¨hrigen Krieges zeitweilig als Zufluchtssta¨tte fu¨r die vom Krieg bedra¨ngte Bevo¨lkerung des Reichs und fu¨r Studenten, die an anderen Universita¨ten ihr Studium nicht fortsetzen konnten. Die Ko¨nigsberger Universita¨t erreichte in diesen Jahren die ho¨chsten Immatrikulationszahlen ihres Bestehens.305 In der zweiten Ha¨lfte des 17. Jahrhunderts waren es die Regierungsmaßnahmen des Großen Kurfu¨rsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg, die fu¨r die Kirche in Ko¨nigsberg und die Lehre an der Albertus-Universita¨t wichtige Vera¨nderungen mit sich brachten.306 Denn Friedrich Wilhelm, der perso¨nlich strikt am reformierten Bekenntnis festhielt, verfolgte in seiner Kirchenpolitik den Ausgleich zwischen Lutheranern und Reformierten, der den weiteren Aufstieg des preußisch-brandenburgischen Staatswesens fo¨rdern sollte.307 Die Religionsgespra¨che in Thorn (1645) und Berlin (1662–63) offenbarten Friedrich Wilhelms Ressentiments gegenu¨ber der lutherischen Orthodoxie ebenso wie das Studienverbot an den kursa¨chsischen Universita¨ten, mit dem die brandenburgisch-preußischen Studenten im Jahre 1662 belegt wurden. Die Bevorzugung irenischer Theologen vor den Vertretern des orthodoxen Luthertums durch den Kurfu¨rsten fu¨hrte insbesondere in Ko¨nigsberg zu anhaltenden Spannungen zwischen Vertretern beider Richtungen in der Universita¨t und bei den Geistlichen der Stadt. Statt die unterschiedlichen Anschauungen miteinander zu verso¨hnen, veranlaßte die Theologie Calixts seit den 1680er Jahren verschiedene Ko¨nigsberger Gelehrte zur Konversion zum Katholizismus,308 bei einzelnen Theologen fu¨hrte sie zur Profilierung ihrer lutherischen Theologie.309 Die u¨brigen Fakulta¨ten der Albertus-Universita¨t wurden im 17. Jahrhundert von der Theologischen Fakulta¨t dominiert und konnten sich aus den Fesseln von

Go¨tz von Selle, Geschichte der Albertus-Universita¨t, S. 75. Klaus Deppermann, Die Kirchenpolitik des Großen Kurfu¨rsten, S. 102; zur Universita¨tspolitik des Großen Kurfu¨rsten: Martin Lackner, Die Kirchenpolitik des Großen Kurfu¨rsten, S. 258–273. 307 Martin Lackner, Die Kirchenpolitik des Großen Kurfursten, S. 304 f. ¨ 308 Walther Hubatsch, Geschichte der evangelischen Kirche in Ostpreussen I, S. 149 f. Einen wichtigen Beitrag zu den Konversionen bildeten die Aktivita¨ten der ro¨misch-katholischen Akademie in Braunsberg, die mit ihrem missionarischen Eifer zu einem der Hauptgegner der Universita¨t Ko¨nigsberg za¨hlte. Vgl. dazu: Bernhard Stasiewski, Die geistesgeschichtliche Stellung der Katholischen Akademie Braunsberg; Hermann Dembowski, Art. „Ko¨nigsberg“, in: TRE 19, S. 306. 309 So deutet Johannes Wallmann das Vorgehen Abraham Calovs gegen den Helmstedter Synkretismus als dessen Reaktion auf die Religionspolitik in seiner brandenburgischpreußischen Heimat. (Johannes Wallmann, Abraham Calov – theologischer Widerpart der Religionspolitik des Großen Kurfu¨rsten, S. 306 ff). 305 306

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„Aberglaube, Alchemie, Aristoteles“ nicht befreien.310 Zur wissenschaftlichen Schwa¨chung der Universita¨t traten die personellen Lu¨cken hinzu, die der Nordische Krieg und mehrere Pestepidimien in den Reihen der Professoren und Studenten verursachten.311 Mit dem Herrschaftsantritt von Kurfu¨rst Friedrich III. (1688–1713, seit 1701 als Friedrich I. Ko¨nig in Preußen) a¨nderten sich die kirchlichen Verha¨ltnisse erneut: dieser verscha¨rfte die Kirchenzucht und fo¨rderte die Ausbreitung des Pietismus in Preußen.312 Im Jahre 1701 stellte Friedrich I. die von Theodor Gehr (gest. 1705) begru¨ndete pietistische Schulanstalt, das seit 1703 sogenannte Friedrichs-Kollegium, unter staatlichen Schutz,313 und 1702 gru¨ndete er in Ko¨nigsberg ein Waisenhaus nach halleschem Vorbild. Im Jahr 1703 betraute der Ko¨nig Heinrich Lysius (1670–1731), einen Schu¨ler Speners und Franckes, der seit 1701 in Ko¨nigsberg als Lehrer ta¨tig war, mit der Leitung des Friedrich-Kollegs.314 Sechs Jahre spa¨ter wurde Lysius ordentlicher Professor der Theologie an der Albertina und konnte dem Pietismus nach vielen Ka¨mpfen zum Durchbruch in Preußen verhelfen, als er 1718 gemeinsam mit B. von Sanden und den litauischen Erzpriestern mit der Durchfu¨hrung der Kirchenund Schulreform betraut wurde.315 Mit den pa¨dagogischen und theologischen Vera¨nderungen gingen an der Universita¨t Ko¨nigsberg im fru¨hen 18. Jahrhundert Vera¨nderungen im organisatorischen Bereich einher, die durch verschiedene Visitationen angeregt wurden.316 Geblieben ist die Verpflichtung der Theologieprofesso-

310 Walther Hubatsch, Die Albertus-Universitat zu Konigsberg, S. 14; das Zitat findet ¨ ¨ sich bei Go¨tz von Selle, Geschichte der Albertus-Universita¨t, S. 100. 311 Walther Hubatsch, Geschichte der evangelischen Kirche in Ostpreußen I, S. 180 f. 312 Walther Hubatsch, Geschichte der evangelischen Kirche in Ostpreußen, S. 177 f. 313 Vgl. Carl Hinrichs, Pietismus und Standetum, S. 231 f. ¨ 314 Martin Brecht, August Hermann Francke und der Hallische Pietismus, S. 501 f. 315 Vgl. die ausfuhrliche Darstellung dieser Vorgange bei Carl Hinrichs, Pietismus und ¨ ¨ Sta¨ndetum, S. 216 ff. Wichtig fu¨r das Versta¨ndnis der kirchlichen Entwicklung in Preußen ist die Beobachtung von Walther Hubatsch, daß die Durchsetzung des Pietismus in Preußen ebenso auf die Unterstu¨tzung einer kirchlichen und theologischen Minderheit durch das Herrscherhaus zuru¨ckzufu¨hren ist, wie die Durchsetzung des Calixtinismus im 17. Jahrhundert (Ders., Die Ko¨nigsberger Universita¨t und der preussische Staat, S. 73). 316 Als Beispiel konnen zwei bei Arnoldt uberlieferte Verordnungen aus den Jahren 1701 ¨ ¨ und 1717 dienen, wonach pompo¨se und kostspielige Promotionsfeierlichkeiten unterbleiben sollten. Dabei handelte es sich um Vera¨nderungen von großer Tragweite fu¨r die Universita¨t, denn aufgrund der horrenden Kosten fu¨r eine Promotion hatte eine solche seit mehreren Jahrzehnten in der Medizinischen Fakulta¨t Ko¨nigsberg nicht mehr stattgefunden. Am 4. Februar 1701 befahl Friedrich I., diesem Mangel durch eine drastische Senkung der Promotionskosten und der anschließenden Feiern Abhilfe zu verschaffen (vgl. Daniel Heinrich Arnoldt, Historie der Ko¨nigsbergischen Universita¨t, Theil 1, Beylage Nr. 51). Die gleiche Reform wurde anla¨ßlich des Reformationsjubila¨ums an der Theologischen Fakulta¨t durchgesetzt, nachdem sie Ko¨nig Friedrich Wilhelm I. wiederholt um finanzielle Unterstu¨tzung der Promotionsfeiern gebeten hatte (vgl. Daniel Heinrich Arnoldt, Historie der Ko¨nigsbergischen Universita¨t, Theil 1, Beylage Nr. 45).

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ren auf die in Ko¨nigsberg geltenden Lehrbekenntnisse317 neben der fu¨r alle anderen Professoren u¨blichen Verpflichtung auf die Statuten der Universita¨t und der Einzelfakulta¨ten.318 Im Jahre 1717 gab es in Ko¨nigsberg vier theologische, drei juristische, vier medizinische und acht philosophische ordentliche Professuren.319 Die Professoren waren in der Theologischen Fakulta¨t: Bernhard von Sanden (1666–1721), Heinrich Lysius (1670–1731), Christian Mascov (1673–1732) und Jo. Ernst Segers (1675– 1719); in der Juristischen Fakulta¨t lehrten Johannes Stein (1661–1725) Johann Amseln (1665–1732) und David Stravinski. In der Medizinischen Fakulta¨t lehrten: Georg Emmerich (1672–1727), Johann Georg Goltz (gest. 1720), Heinrich von Sanden (1672–1728) und Joh. Friedrich Strakke. In der Philosophischen Fakulta¨t, in der 1717 zwei ordentliche Professuren nicht besetzt waren, lehrten: Michael Gehrke (1679–1721), Georg Thegen (1651–1729), David Blaesing (1660–1719), Joh. Samuel Strimesius (1684–1744), Johann Bernhard Hahn (1685–1755) und Christian Gabriel Fischer (gest. 1751). Die Jubila¨ums-Feierlichkeiten wurden von Ko¨nig Friedrich Wilhelm I. (1713–1740) angeordnet, ohne daß er, wie es andernorts geschah, gesonderte Vorgaben fu¨r die Feiern an Gymnasien und Universita¨ten des Landes machte.320 In seinen Anweisungen betonte er ausdru¨cklich, daß es sich um ein Jubila¨um der evangelisch-lutherischen Kirchen handle, an dem sich die reformierten Gemeinden nicht beteiligen sollten.321 Die end317 Diese Bekenntnisse waren nach Daniel Heinrich Arnoldt, Historie der Konigsber¨ gischen Universita¨t, Theil 1, S. 258: die altkirchlichen Bekenntnisse, die CA Invariata und deren Apologie, die Konkordienformel und das Corpus Doctrinae Prutenicum von 1567. 318 Die Statuten der Universitat und der Fakultaten sind abgedruckt bei Daniel Heinrich ¨ ¨ Arnoldt, Historie der Ko¨nigsbergischen Universita¨t, Theil 1, Beylage Nr. 46–52. 319 Daniel Heinrich Arnoldt, Historie der Konigsbergischen Universitat, Theil 1, ¨ ¨ S. 170. 320 Der einzige Bericht uber die Feiern in Konigsberg ist in Hil. Ev. I, S. 301–304 abge¨ ¨ druckt: Nachricht, wie das Jubel-Fest zu Ko¨nigsberg . . . gefeyret worden (Chur-Brandenburg D). Die meisten in diesem Bericht erwa¨hnten Texte, Schriften, Reden etc. sind als Manuskript nach Gotha eingesandt worden und befinden sich im Besitz des Thu¨ringischen Staatsarchivs Gotha. 321 Dieses geht auch aus dem Titel der Abkundigungs- und Gebetsformulare fur die Kir¨ ¨ chen im Kurfu¨rstentum Brandenburg hervor, in dem ausdru¨cklich von den EvangelischLutherischen Kirchen die Rede ist (vgl. Hil. Ev. I, S. 298–299, Chur-Brandenburg A); zur Rolle des brandenburgischen Herrscherhauses bei den Planungen des Jubila¨ums auf Reichsebene: vgl. Kap. II. 1. Daß der Ausschluß der Reformierten von den Jubila¨umsfeiern nicht nur auf Gegenliebe gestoßen ist, belegt die in Hil. Ev. I., S. 331–332 (Chur-Brandenburg R) u¨berlieferte Stellungnahme eines unbekannten reformierten Theologen. Dieser sieht die lutherischen und reformierten Christen durch die gemeinsame U¨berreichung der Augsburger Confession und ihre Gleichstellung im Westfa¨lischen Frieden in der Opposition gegen die ro¨misch-katholische Kirche so eng miteinander verbunden, daß ein Ausschluß der Reformierten von der Jubelgemeinde 1717 einen Abfall vom Corpus Evangelicorum und zugleich eine große Genugtuung fu¨r die ro¨misch-katholische Kirche bedeuten wu¨rde. Aus diesem Grund regt er an, auch die reformierten Gemeinden an den Feierlichkeiten zu beteiligen.

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gu¨ltige Anordung des Ko¨nigs betreffs des Jubila¨ums ist auf den 8. September 1717 datiert und entha¨lt Anweisungen u¨ber die Termine von Abku¨ndigungen, u¨ber Lesungs- und Predigttexte und u¨ber das vorgegebene Dankgebet.322 Demnach hat man zwar in Berlin das Anliegen als solches, ein Gedenken der Reformation zu feiern, ernst genommen; aber daran, daß die Feierlichkeiten sich auf den 31. Oktober und die lutherischen Gemeinden beschra¨nken sollten, zeigt sich, daß dem Jubila¨um ein geringerer Stellenwert beigelegt wurde als in vielen anderen protestantischen Territorien. Da die Ko¨nigsberger Theologieprofessoren zugleich Pastoren an den Ko¨nigsberger Hauptkirchen waren, haben sie anla¨ßlich des Reformationsjubila¨ums gepredigt. Obwohl das Jubila¨um offiziell nur einen Tag andauern sollte, haben sie es durch Predigtreihen zum Jubila¨um u¨ber einige Wochen hinweg im Bewußtsein ihrer Gemeinden wachgehalten. So hat B. von Sanden eine Reihe von fu¨nf Predigten gehalten und anschließend vero¨ffentlicht.323 Sie behandelten die Reformation vor allem aus kirchengeschichtlicher Perspektive, und von Sanden schloß sie am 14. November mit einer eindringlichen Warnung vor dem Papsttum ab. Seine Predigtreihe kann als die offizielle Vorbereitung des Jubila¨ums in Ko¨nigsberg angesehen werden, da er sie in seiner Eigenschaft als Oberhofprediger in der Ko¨nigsberger Schloß-Kirche gehalten hat. Literarischen Niederschlag fanden von Sandens Bemu¨hungen um die Vorbereitung des Jubila¨ums außerdem in zwei katechetischen Schriften, von denen die eine 24 Irrlehren der ro¨misch-katholischen Kirche widerlegte und die andere eine katechetische Erla¨uterung des Jubila¨ums fu¨r die interessierten Laien darstellte.324 Auch Lysius sah die Notwendigkeit, die Frage nach dem aktuellen Sinn des Jubila¨ums anzusprechen. So predigte er am Sonntag vor dem Jubila¨um u¨ber den wu¨rdigen Abschluß des zweiten Jahrhunderts nach Beginn der Reformation, und am 31. Oktober behandelte er die Frage, wie das neu anbrechende dritte Jahrhundert der Reformation angemessen zu beginnen sei.325 Am 7. November, als er von Sanden als Prediger zu vertreten hatte, ließ Lysius sein Konzept dann den Berichten zufolge ga¨nzlich außer acht und verurteilte aufs scha¨rfste – provoziert durch die Predigten eines Ko¨nigsberger Jesuiten – die Reliquien- und Heiligenverehrung in der ro¨misch-katholischen Kirche.326 A¨hnlich kritische To¨ne vernahmen die Predigtho¨rer C. Mascovs, als dieser am 31. Oktober das wahre Bild der ro¨-

Hil. Ev. I, S. 301ab (Chur-Brandenburg B). Die Predigten wurden am 17., 24. und 31. Oktober sowie am 14. November gehalten. Die fu¨r den 7. November vorbereitete Predigt konnte von Sanden wegen anderweitiger Verpflichtungen nicht halten und hat sie nur im Anschluß an das Jubila¨um mitvero¨ffentlicht. Vgl. Hil. Ev. I, S. 302a (Chur-Brandenburg D). 324 Bernhard von Sanden, Abfertigung 24 lugenhaffter papstischer Irrlehren und Ders., ¨ ¨ Unterricht vor die Jungen und Einfa¨ltigen in der Gemeinde. 325 Hil. Ev. I, S. 301b (Chur-Brandenburg D). 326 Hil. Ev. I, S. 302a (Chur-Brandenburg D). 322 323

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misch-katholischen und evangelischen Kirche zeichnete. Schließlich predigte der außerordentliche Professor der Theologischen Fakulta¨t J. J. Quandt am 24. und 31. Oktober u¨ber die von den Reformatoren aufgedeckten Ma¨ngel der Kirche und die von ihnen neu entdeckte Wahrheit des Evangeliums.327 Dieser U¨berblick zeigt, daß die Prediger auf historischer Grundlage eine Abgrenzung zwischen lutherischer und ro¨misch-katholischer Kirche suchten. Die Universita¨t selbst begann einige Wochen vor dem Jubelfest damit, die Promotionen in den einzelnen Fakulta¨ten vorzubereiten. Den Anfang machte die Theologische Fakulta¨t, die zwei Doktoren promovierte: Johannes Behm (1687–1753) hielt am 20. September seine Lectiones cursorias u¨ber Kol. 124,328 und am 26. Oktober disputierte er unter B. von Sandens Vorsitz u¨ber den reformatorischen Bekenntnissatz „Verbum Domini Manet In Aeternum“.329 Christoph Langhansen (1691–1770), der zweite Doktorand der Theologischen Fakulta¨t, verwarf in seinen Lesungen u¨ber Jes. 4713 das abergla¨ubische Vertrauen auf die Astrologie330 und hielt seine Inauguraldisputation am 22. Oktober unter Vorsitz von Lysius u¨ber die Frage, ob die Reformation einer go¨ttlichen Legitimation durch Wundertaten Luthers bedurfte.331 Weniger aufwendig betrieb die Juristische Fakulta¨t ihre Promotionen, indem sie ohne vorangegangene Disputationen oder Lektionen zwei ihrer außerordentlichen Professoren, Balthasar Tilesius (1673–1735) und Philipp Richard Schroeder (1692–1724), zu Doktoren beider Rechte promovierte.332 Von dem Mediziner Johann Fabian Goltz hingegen verlangte die Medizinische Fakulta¨t wiederum alle zur Promotion geho¨rigen Leistungen: Nach seinen Lektionen u¨ber die Medicina Magica in der Woche vor dem Jubila¨umsfest fand er sich am 1. November zu seiner Inauguraldisputation ein.333 Die eigentlichen Promotionsfeierlichkeiten hielt die Universita¨t am 2. November fu¨r die drei oberen Fakulta¨ten gemeinsam in der Schloßkirche und im Schloß ab. Dabei wurden nacheinander die Doktoranden der Theologischen, der Juristischen und der Medizinischen Fakulta¨t promoviert. Der Ablauf war jeweils der gleiche: Ein Vertreter der Fakulta¨t hielt eine Rede anla¨ßlich der Promotion, die Doktoranden wurden vereidigt und danach promoviert. Den Abschluß bildete jeweils die Dankrede eines der neu promovierten Doktoren.334 Lysius sprach als Vertreter Hil. Ev. I, S. 302a (Chur-Brandenburg D). Er legte den Text gegen die Sozinianer und die Papstkirche aus, Hil. Ev. I, S. 302a (Chur-Brandenburg D). 329 Hil. Ev. I, S. 302a (Chur-Brandenburg D). 330 Hil. Ev. I, S. 302b (Chur-Brandenburg D). 331 Hil. Ev. I, S. 302b (Chur-Brandenburg D). 332 Hil. Ev. I, S. 302b (Chur-Brandenburg D). 333 Hil. Ev. I, S. 302b (Chur-Brandenburg D); Thema und Titel dieser Disputation sind nicht bekannt. 334 Die Manuskripte aller Reden, Disputationen, Eidesformeln etc. dieser Promotions327 328

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der Theologischen Fakulta¨t u¨ber das Wachstum der Evangelischen Kirche im zu Ende gehenden zweiten Jahrhundert nach der Reformation.335 Der Jurist Amseln behandelte anhand von Luthers Testament aus dem Jahr 1542 Fragen des Erbrechts; Heinrich von Sanden veranschaulichte die aus dem Volksaberglauben u¨bernommenen medizinischen Heilverfahren, die von der ro¨misch-katholischen Kirche verbreitet zu werden pflegten.336 Auch Friedrich Wilhelms I. Anweisung zu einer Einschra¨nkung der aufwendigen Promotionsfeiern wurde treu befolgt, insofern der „Actus mit einem Glase guten Weins geendiget wurde“337 und der bis dahin u¨bliche Doktorschmaus entfiel. Eine Woche spa¨ter promovierte die Philosophische Fakulta¨t vier Magister. Zu diesem Anlaß hielt der Professor der Praktischen Philosophie Thegen eine Rede, in der er die Verdienste des brandenburgischen Herrscherhauses fu¨r den Erfolg und die Ausbreitung der Reformation ru¨hmte.338 Nach der Vereidigung pra¨sentierte der neu kreierte Magister Walter dem Orientalisten Hahn eine Streitfrage, die dieser zu beantworten hatte. Nach der sich anschließenden Dankrede eines der Magister beendete auch hier eine kleine gemeinsame Feier die Promotionen.

9. Helmstedt Die Universita¨t Helmstedt, die bei ihrer Gru¨ndung als „Pflegesta¨tte echt lutherischen Geistes“339 geplant war, nahm wa¨hrend des 17. Jahrhunderts unter den lutherischen Universita¨ten des Reichs eine Sonderrolle ein. Trotz ihrer urspru¨nglich lutherischen Ausrichtung kam es zu heftigen Auseinandersetzungen um die Rezeption der Konkordienformel in Helmstedt.340 An deren Ende unterschrieben Herzog Julius und die Professoren zwar den Text,341 doch in den spa¨teren Eidesformeln fu¨r die Professoren der Theologie und Philosophie wird die Konkordienformel nicht mehr genannt.342 Die melanchthonisch gepra¨gten Statuten343, die Ergeb-

feier sind Cyprian nach Gotha u¨bersandt worden und befinden sich heute im Thu¨ringischen Staatsarchiv: ThStAGo, Oberkonsistorium Gotha, Generalia, Loc. 26 Nr. 12. 335 Oratio de Incrementis Ecclesiae Evangelicae per elapsum seculum secundum. 336 Oratio de superstitiosis Pontificiorum curationibus. 337 Hil. Ev. I, S. 303b (Chur-Brandenburg D). 338 De Augustissimo domo Brandenburgensi Reformationem adiuvante. 339 Johannes Meyer, Kirchengeschichte Niedersachsen, S. 104. 340 Inge Mager, Aufnahme und Ablehnung des Konkordienbuchs, S. 281 f. 341 Inge Mager, Aufnahme und Ablehnung des Konkordienbuchs, S. 282 f. 342 Vgl. Peter Baumgart / Ernst Pitz, Statuten der Universitat Helmstedt, §§ 12. 37. ¨ 45. Lehrgrundlage waren demnach neben der Kirchenordnung fu¨r das Herzogtum Braunschweig-Wolfenbu¨ttel von 1569 die altkirchlichen Symbole, die Confessio Augustana von

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nisse des sog. Hofmannschen Streits344 zwischen der Theologischen und der Philosophischen Fakulta¨t u¨ber das Verha¨ltnis von Offenbarungs- und Vernunftwahrheit, sowie die zunehmend kritische Rezeption der Theologie Luthers betonten bereits zu Beginn des 17. Jahrhunderts Helmstedts Sonderstellung unter den lutherischen Universita¨ten. Trotz der schweren Scha¨den, die wa¨hrend der Jahre nach 1623 in den braunschweigischen Landen entstanden, erholten Land und Universita¨t sich rasch; noch wa¨hrend des Krieges begann der Wiederaufbau der Universita¨t. Entscheidend fu¨r die weitere Entwicklung der Julius-Universita¨t war die in diesen Jahren vollzogene Wende Georg Calixts (1586–1656) von einer streng lutherischen Theologie zu seiner irenischen Theologie, die auf die dauerhafte U¨berwindung der konfessionellen Gegensa¨tze zielte.345 Auf dessen Unionsbemu¨hungen reagierten die Wittenberger Theologen, indem sie – wenn auch erfolglos – die Helmstedter Theologen 1655 mit dem Consensus Repetitus aus dem Kreis der orthodox lutherischen Universita¨ten auszugrenzen versuchten. Helmstedt bemu¨hte sich jedoch fortgesetzt um einen Ausgleich zwischen den Konfessionen und fo¨rderte weitere Einigungsversuche, so das Kasseler Religionsgespra¨ch 1661, oder regte solche an (Leibniz).346 Mit dieser humanistisch gepra¨gten, von Calixt vorangetriebenen Suche nach Versta¨ndigung und Ausgleich zwischen den Konfessionen faßte der Toleranzgedanke erstmals an den protestantischen Universita¨ten Fuß.347 Der Helmstedter Spa¨thumanismus wurde zu einem wichtigen Wegbereiter fu¨r die Fru¨haufkla¨rung an den protestantischen Universita¨ten. Keine große Bedeutung gewann dagegen in Helmstedt, wie u¨berhaupt in Niedersachsen, der Pietismus:348 mystische und spekulative Elemente waren bei den Helmstedter Theologen wenig angesehen; u¨berdies betonte die calixtische Theologie mit ihren humanistischen Wurzeln die Notwendigkeit einer Fro¨mmigkeitspraxis, womit sie wesentliche Anliegen des Pietismus vorwegnahm und dessen Eindringen in Niedersachsen unno¨tig

1530, die Apologie der CA, die Schmalkaldischen Artikel und Luthers Katechismen. Vgl. Klaus Schreiner, Iuramentum Religionis, S. 229, Anm. 64. 343 Die Statuten sind vornehmlich von dem Melanchthon-Schuler und Rostocker Theo¨ logieprofessor David Chytra¨us ausgearbeitet worden; vgl. Peter Baumgart / Ernst Pitz, Statuten der Universita¨t Helmstedt, S. 15 ff. 344 Nach der von Inge Mager vertretenen Auffassung bedeutet das Ende des Hofmannschen Streits die endgu¨ltige Verdra¨ngung des strengen Luthertums aus Helmstedt. (Dies., Reformatorische Theologie, S. 15). 345 Eine gute Darstellung der theologischen und politischen Bemuhungen Calixts bietet ¨ Hermann Schu¨ssler, Georg Calixt. 346 Hermann Schussler, Georg Calixt, S. 150 ff. Vgl. die knappe Darstellung der von ¨ Calixt und anderen niedersa¨chsischen Theologen unternommen Unionsbemu¨hungen bei Hans-Walter Krumwiede, Kirchengeschichte Niedersachsens, Band 1, S. 204 ff. 347 Johannes Wallmann, Zwischen Reformation und Humanismus, S. 362 f. 348 Vgl. Manfred Jakubowski-Tiessen, Der Pietismus in Niedersachsen.

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machte.349 Auch in dieser Hinsicht behauptete Helmstedt seine Sonderrolle unter den lutherischen Universita¨ten: die lutherische Orthodoxie wurde hier durch einen ausgepra¨gten Spa¨thumanismus und nicht durch den Pietismus abgelo¨st und u¨berwunden.350 Bemerkenswert erscheint fu¨r die Helmstedter Theologie im 17. Jahrhundert die unkritische Haltung der humanistisch gepra¨gten Universita¨t gegen den absolutistischen Staatsgedanken, der sich im 17. Jahrhundert in den braunschweigischen Herzogtu¨mern durchsetzte.351Als Einzeldisziplin in der Theologischen Fakulta¨t erlangte die Kirchengeschichte u¨berregionale Bedeutung.352 Neben Georg Calixt und dessen Sohn Friedrich Ulrich Calixt (1622–1701) bestimmte vor allem der Polyhistor Hermann Conring (1606–1681)353 den Geist an der Julius-Universita¨t in der zweiten Ha¨lfte des 17. Jahrhunderts. Conring setzte nicht allein in den von ihm vertretenen Einzeldisziplinen, sondern auch in der Wissenschaftsmethode neue Maßsta¨be.354 Bei der Entwicklung seiner Staatswissenschaft distanzierte er sich in zentralen Fragen von der bis dahin unumstrittenen Autorita¨t des Aristoteles; und seine viel spa¨ter als richtig besta¨tigte Deutung der deutschen Rechtsgeschichte, die er als weitgehend vom Ro¨mischen Recht unabha¨ngige Entwicklung darstellte, hielt er unbeirrt gegen die Kritik seiner Zeitgenossen aufrecht.355 So waren es vor allem Calixt und Conring, die Helmstedt neben Jena zu einer der fortschrittlichen Universita¨ten im 17. Jahrhundert werden ließen. Im Jahr des Reformationsjubila¨ums hatte Helmstedt seinen Zenit als eine der fu¨hrenden Universita¨ten im protestantischen Deutschland u¨berschritten und zehrte nur noch von den Fru¨chten seiner Blu¨tezeit im 17. Jahrhundert. An der Theologischen Fakulta¨t lehrten: Joh. Andreas Schmidt (1652–1726), der als Schu¨ler Erhard Weigels sein Studium und die ersten Jahre als Magister in Jena verbracht hatte; weitere Theologieprofessoren waren Friedrich Weise (1649–1735), Justus Christoph Bo¨h349 Inge Mager, Georg Calixts theologische Ethik, S. 162 ff. Hans-Walter Krumwiede, Kirchengeschichte Niedersachsen, Band 1, S. 199. 350 Johannes Wallmann, Zwischen Reformation und Humanismus, S. 348. 351 Johannes Wallmann, Zwischen Reformation und Humanismus, S. 370 halt diesen ¨ Sachverhalt fu¨r so wichtig, daß er fragt „ob die Bedeutung Helmstedts fu¨r die protestantische Theologie und Kirchengeschichte nicht vor allem darin liegt, zuerst einen in das absolutistische Kirchenregiment sich problemlos einpassenden Typus lutherischer Theologie ausgebildet zu haben.“ 352 Vgl. Hans-Walter Krumwiede, Kirchengeschichte Niedersachsens, Band 1, S. 182. 353 Zu Conrings Leben und Werk vgl. die Beitrage in dem von Michael Stolleis heraus¨ gegebenen Sammelband: Hermann Conring, und Dietmar Willoweit, Hermann Conring. 354 Othmar Feyl, Deutsche Fruhaufklarung, S. 89 nennt es eine allgemein anerkannte ¨ ¨ Tatsache, daß in Conring der „Begru¨nder der historischen und vergleichenden Staatswissenschaft Deutschlands“ zu sehen sei. Notker Hammerstein, Jus und Historie, S. 97–103, hat ebenso sehr die Verbreitung und Rezeption der Werke Conrings betont, durch die er weitreichende Wirkung erzielt hat. 355 Klaus Luig, Conring, das deutsche Recht und die Rechtsgeschichte, S. 355 ff.

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mer (1670–1732) und Christoph Heinrich Rithmeier (1671–1719). Rithmeier war zur Zeit des Jubila¨ums Dekan der Theologischen Fakulta¨t und als solcher wohl der spiritus rector bei den Vorbereitungen fu¨r die akademischen Jubelfeiern in Helmstedt. In der Juristischen Fakulta¨t lehrten: Johann Wilhelm Engelbrecht (1674–1729), Augustinus Leyser (1683– 1752), Jo. Paul Kress (1677–1741), der in Halle unter Stryk und Thomasius studiert hatte, sowie Joh. Wilhelm Go¨bel. Dieser war durch den Einfluß von Leibniz nach Helmstedt gelangt und 1717 zum ordentlichen Professor ernannt worden. Zur Medizinischen Fakulta¨t geho¨rten: Andreas Julius Bo¨tticher (1672–1719), Jo. Georg Steigerthal und Brandanus Meibohm (1678–1740); an der Philosophischen Fakulta¨t lehrten Hermann von der Hardt (1660–1743), Rudolph Christian Wagner (1671–1741), Cornelius Dieter Koch (1676–1724), Gottlieb Samuel Treuer (1683– 1743), Sim. Friedrich Hahn (1692–1729) und Johannes Oldermann (1686–1723). August Wilhelm, Herzog von Braunschweig und Lu¨neburg zu Wolfenbu¨ttel (1714–1731), der im Jahre 1717 Rektor der Julius-Universita¨t war, erließ am 30. September 1717 fu¨r sein Territorium die Anordnungen fu¨r die Jahrhundertfeier der Reformation,356 nachdem er der Universita¨t bereits am 10. August detaillierte Instruktionen fu¨r die Feiern erteilt hatte.357 Der Bericht u¨ber die Feiern an der Universita¨t Helmstedt vermittelt den Eindruck, auch dort habe man sich um eine dem Anlaß angemessene Feier bemu¨ht und schließt mit dem formelhaften Wunsch, auch in hundert Jahren mo¨ge es wieder eine Reformationsjubelfeier geben.358 Ein Blick auf die durchgefu¨hrten Veranstaltungen wirft allerdings die Frage auf, welche Bedeutung die Julius-Universita¨t dem Jubila¨um tatsa¨chlich beigemessen hat. Die offiziellen Feierlichkeiten359 beschra¨nkten sich na¨mlich zeitlich auf den 30. Oktober bis 1. November und bestanden lediglich aus drei Gottesdiensten und einer Festrede: Am 30. Oktober hielt der Prorektor Bo¨hmer vormittags die ihm aufgetragene Vorbereitungsrede vor der versammelten Universita¨t,360 und am Nachmittag wurde unter der Leitung H. Rithmeiers in der Collegien-Kirche ein VorbereitungsGottesdienst gefeiert, nachdem das Jubila¨um festlich eingela¨utet worden war.361 Am 31. Oktober und 1. November wurde wiederum in der Collegien-Kirche jeweils ein Festgottesdienst gehalten. Rithmeier predigte am Vgl. Hil. Ev. I, S. 352 f (Braunschweig-Lu¨neburg A). StA WF 37, Alt Universita¨t Helmstedt Nr. 353, Bll. 3–4. 358 Hil. Ev. I, S. 359 f (Braunschweig-Luneburg, F). ¨ 359 U ¨ ber die Feiern in Helmstedt unterrichtet ein Festbericht, der sich in Hil. Ev. I, S. 359 f (Braunschweig-Lu¨neburg, F) abgedruckt ist. Die Angaben entsprechen einem Bericht u¨ber die Feierlichkeiten, den die Universita¨t am 30. Dezember 1717 auf Wunsch des Herzogs einreichte. Dieser Bericht wird im Niedersa¨chsischen Staatsarchiv Wolffenbu¨ttel aufbewahrt: StA WF 37, Alt Universita¨t Helmstedt Nr. 353, Bll. 8–10. 360 Hil. Ev. I, S. 360a (Braunschweig-Luneburg, F). ¨ 361 Hil. Ev. I, S. 360a (Braunschweig-Luneburg, F). ¨ 356 357

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31. Oktober u¨ber Habakuk 318 f („Aber ich will mich freuen des Herrn und fro¨hlich sein in Gott, meinem Heil. . .“)362 und Koch am 1. November u¨ber Eph. 415 („Laßt uns wahrhaftig sein in der Liebe und wachsen in allen Stu¨cken zu dem hin, der das Haupt ist, Christus“).363 Selbst die Wahl der genannten Predigttexte la¨ßt auf eine gewisse Distanz zu den angeordneten Feierlichkeiten schließen. Durch die herzogliche Anordnung waren fu¨r den 31. Oktober Mt. 2215–22 und Apk. 146 f und fu¨r den 1. November Ps. 465–8 und Ps. 11943 als Predigttexte vorgeschrieben.364 Jeder dieser Texte hatte innerhalb der lutherischen Orthodoxie große Bedeutung fu¨r die heilsgeschichtliche Bewertung der Reformation und des Wirkens Luthers gewonnen. Keinen dieser Texte haben Rithmeier und Koch in ihren Predigten behandelt, und die von ihnen selbst ausgewa¨hlten Texte haben sie sehr zuru¨ckhaltend ausgelegt. Von einer Glorifizierung der Reformation oder der Person Luthers fehlt nicht nur jede Spur; Rithmeier wies bei verschiedenen Gelegenheiten entsprechende Deutungen der Reformation kategorisch zuru¨ck.365 So ist es versta¨ndlich, daß die Einladungsschrift zu Bo¨hmers Rede neben Luther an Melanchthon als Reformator der Kirche erinnert366 und daß Rithmeier die von Martin Chemnitz anla¨ßlich der Einweihung der Universita¨t 1576 gehaltene Rede als exemplarische Mahnung an alle Studenten zu einem fleißigen und gottgefa¨lligen Studium neu vero¨ffentlichte.367 In diesen wenigen Notizen erscho¨pfen sich die offiziellen Berichte u¨ber das Reformationsjubila¨um an der Universita¨t Helmstedt. Anhand einiger separat vero¨ffentlichter Druckschriften lassen sich allerdings weitere Aktivita¨ten von Universita¨tsangeho¨rigen rekonstruieren, die als Beitrag zum Jubila¨um gelten ko¨nnen. Dazu geho¨rt die Rede, die J. G. Sprengel am 10. Hil. Ev. I, S. 360a (Braunschweig-Lu¨neburg, F). Hil. Ev. I, S. 360b (Braunschweig-Lu¨neburg, F). Diese Predigt ist als Manuskript erhalten; vorhanden im Thu¨ringischen Staatsarchiv Gotha, Oberkonsistorium Generalia, Loc. 26, Nr. 19. 364 Hil. Ev. I, S. 353b (Braunschweig-Luneburg A). ¨ 365 „Von den Widersachern aber ists eine Lasterung / wenn sie uns falschlich beymessen ¨ ¨ / als ob wir Lutherum zum Haupt der Parthey / ja beynahe zu einem neuen Apostel setzen wollten. Wie niemand unter uns ist / der Lutherum von menschlichen Fehlern freyzusprechen gedencket / noch in die Claße der Propheten und Apostel zu stellen / also binden wir uns an Ihn und seine autorita¨t nicht; welche wir nirgend / als wo seyne Meynung in heiliger go¨ttlicher Schrift gegru¨ndet ist / gelten lassen. . .“ (Christoph Heinrich Rithmeier, Vorbereitung, S. a3v) A¨hnlich urteilt er in seiner Predigt: „Zwar ists fern von uns / das wir Lutherum in die Claße der Propheten und Apostel solten stellen / . . . aber das ko¨nnen wir mit Warheit sagen / und von ihm ru¨hmen / daß Er ein grosser Mann GOttes / und rechter Glaubens-Held gewesen / der in dem Stu¨ck woll kaum seines gleichen gehabt / nach der Apostel Zeiten.“ (Ders., Ivbilvm Propheticvm, S. 24). Zusammengefaßt ist diese U¨berzeugung in Rithmeiers Votum: „Es ist nicht unser Zweck / wie sonst wol geschiehet / nur des Lutheri Lob-Spru¨che zu ha¨uffen.“ (Ders., Vorbereitung, a4r). 366 Hil. Ev. II, S. 52a (Programma de Invictis argumentis Lutheri). 367 MONITA CHEMNITIANA, von Rithmeier im Anhang zu seiner Schrift „Vorbereitung zu dem instehenden Evangelischen Jubel-Jahre“ vero¨ffentlicht. 362 363

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November (also an Luthers Geburtstag) auf Anregung Bo¨hmers u¨ber den Einfluß des Humanismus auf Entstehung und Verlauf der Reformation gehalten hat.368 Unklar ist die Entstehung und Verwendung einer Reihe von Schriften, die Gottlieb Samuel Treuer verfaßt hat. Dieser behandelte na¨mlich im Jubeljahr diverse reformationsgeschichtliche Fragestellungen, ohne daß sie Eingang in Berichte u¨ber die Helmstedter Feierlichkeiten gefunden ha¨tten. Die einzige genau zu datierende Disputation fand am 4. November statt und behandelte Fragen des Ablaßstreits. Weiter schrieb Treuer u¨ber die politischen Fehler der Ro¨mischen Kirche am Vorabend der Reformation,369 u¨ber die Verbreitung des Aberglaubens in der Kirche370 und u¨ber die in der ro¨misch-katholischen Kirche u¨bliche Heiligenverehrung.371 In einer weiteren Disputation behandelte er die Perso¨nlichkeit Luthers.372 Neben Rithmeier hat Treuer maßgeblichen Anteil an dem Reformationsjubila¨um in Helmstedt. Seine Beitra¨ge vermitteln den Eindruck eines starken perso¨nlichen Interesses am Reformationsjubila¨um, das jedoch von der Universita¨t nicht aufgenommen oder unterstu¨tzt wurde. Große Beachtung u¨ber die Grenzen Helmstedts hinaus fand dagegen die umfangreiche „Historia literaria reformationis“, die Hermann von der Hardt im Jubila¨umsjahr vero¨ffentlichte und die sowohl als Deutung der Reformationsgeschichte als auch als Quellenedition aus der Menge der Jubila¨umsschriften herausragt. Das Werk gliedert sich in fu¨nf Abschnitte, in deren ersten Teil von der Hardt jeweils eine im weitesten Sinne reformationsgeschichtliche Dissertation gestellt hat, wa¨hrend er im zweiten Teil zum Thema geho¨rige Quellentexte vero¨ffentlichte. Der reiche Schatz bis dahin weit verstreuter oder ga¨nzlich unvero¨ffentlichter Quellentexte machte dieses Werk zu einem wichtigen neuen Hilfsmittel bei der Bescha¨ftigung mit der Reformationsgeschichte. Zugleich bedeutete es einen wichtigen Beitrag zu ihrer historischen Deutung. Denn indem von der Hardt die Menge der innerkirchlichen Reformbemu¨hungen wa¨hrend des 15. Jahrhundert herausarbeitete, die Verbindungslinien zwischen Humanismus und Reformation aufzeigte und damit die Reformation in ihren weiten historischen Kontext einordnete, entwickelte er ein eigenes Versta¨ndnis von Entstehung und Verlauf der Reformation. Er reduzierte sie nicht auf die Person Luthers. Die theologische Kritik Luthers wird vielmehr in den Horizont des maßgeblich vom Humanismus betriebenen bildungsgeschichtlichen Umbruchs eingeordnet, und die Reformation wird

368 Auf diese Rede und deren Inhalt weist das von Justus Christoph Bohmer abgefaßt ¨ Programm hin; vgl. Ders., De bonis litteris. 369 Gottlieb Samuel Treuer, Die politischen Fehler des papstlichen Hofes. ¨ 370 Ders., De superstitionis conditoribus et propagatoribus. 371 Ders., De imposturis sanctitatis titulo factis. 372 Ders., De caractere animi Lutheri.

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als Teil einer reichspolitisch kritischen Phase deutscher Geschichte erkennbar. Eine Besonderheit des Jubila¨ums, aber auch in der Geschichte der Universita¨t Helmstedt, verbindet sich mit Christoph Heinrich Rithmeier. Denn neben der Jubila¨ums-Predigt, von der bereits die Rede war, hat Rithmeier das Jubila¨um genutzt, um in Helmstedt eine Gebet- und Bibelstunde nach der Art einzurichten, wie er sie wa¨hrend seines Studiums in Halle kennengelernt haben du¨rfte.373 Eine erste Anku¨ndigung der fu¨r Helmstedt vo¨llig neuen Veranstaltung vero¨ffentlichte Rithmeier am 1. Dezember 1716.374 Angesichts der großen Bedeutung, die der Bibel wa¨hrend der Reformation zugekommen war, lag es fu¨r Rithmeier nahe, den rechten Umgang mit der Bibel auch in den Mittelpunkt seiner Aktivita¨ten anla¨ßlich des Jubila¨ums zu stellen. Er bediente sich dazu einer bereits bestehenden o¨ffentlichen Andacht, die jeden Samstag in der Collegien-Kirche abgehalten wurde und gestaltete sie zur Bibel-Stunde um. In deren Rahmen sollten einzelne Passagen oder Schriften der Heiligen Schrift mit dem Zweck der „Erbauung / und Beforderung des Bibel-Fleisses“ vorgelesen und erkla¨rt werden.375 Informationen, die lediglich von wissenschaftlichem Interesse waren, sollten ebenso vermieden werden wie Beitra¨ge zu Kontroversen und Religionsstreitigkeiten, um die Konzentration auf die „Nutz-Anwendung“ und das, „was zur Ausu¨bung des wahren Christentums vonno¨hten“ war, zu gewa¨hrleisten.376 Als Adressaten dachte Rithmeier an die Studenten der Theologie; er lud jedoch auch die u¨brige Bevo¨lkerung zu der Veranstaltung ein,377 die, wie es scheint, in deutscher Sprache abgehalten wurde.378 Um dem Vortrag besser folgen zu ko¨nnen, ermunterte Rithmeier die Zuho¨rer, ihre Bibeln mit in die Versammlung zu bringen, „. . . wie es an vielen Orten geschiehet / da gantze Gemeinden / die Bibel mit sich in die Kirche nehmen / und alles was daraus vorkommt / fleissig auffschlagen und 373 Rithmeier hat neben Helmstedt und Leipzig einige Jahre in Halle studiert, und der von Justus Christoph Bo¨hmer nach Rithmeiers Tod im Jahre 1719 vero¨ffentlichte Lebenslauf macht deutlich, daß Halle neben Helmstedt der Ort war, an dem Rithmeier seine wichtigsten theologischen Pra¨gungen erfahren hat. 374 Christoph Heinrich Rithmeier, Vorbereitung, c2v. Am 18. Februar 1717 hat Rithmeier ein zweites Programm dieser Veranstaltung vero¨ffentlicht, in dem er seine erste Einladung na¨her erla¨utert (Ders., Fernere Nachricht). 375 Christoph Heinrich Rithmeier, Vorbereitung, c2v. 376 Christoph Heinrich Rithmeier, Fernere Nachricht, S. 5 f. 377 Christoph Heinrich Rithmeier, Fernere Nachricht, S. 13: „Nicht weniger habe die Hoffnung / daß unter Go¨ttlicher Benedeyung / auch andern mehr / sie seyn wes Standes oder condition sie wollen / die GOttes Wort ehren / lieben und gerne ho¨ren / mit obgedachten meinem Vorhaben und solcher Biblischen Arbeit / gedienet seyn werde.“ 378 Darauf, daß die Veranstaltung in deutscher Sprache gehalten wurde, deutet die Tatsache, daß die Einladungsschriften ebenso in deutscher Sprache abgefaßt sind wie der einzige vero¨ffentlichte Vortrag im Rahmen dieser Veranstaltungen, den der Student Joachim Ernst Stein am 30. Oktober 1717 in der Bibelstunde gehalten hat.

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nachlesen . . .“.379 Ein Bericht des Studenten Joachim Ernst Stein zeigt, daß Rithmeier im Verlauf des Jahres dazu u¨berging, die Erkla¨rung der Schrift an ausgewa¨hlte Studenten zu u¨bertragen, die sich damit unter seiner Anleitung in dieser Form des Vortrags u¨ben konnten.380 Rithmeiers zweite Einladungsschrift zu dieser Bibelstunde, die unmittelbar vor Beginn des Jubila¨ums vero¨ffentlicht wurde, la¨ßt die Widersta¨nde erahnen, auf die Rithmeier mit seinem Vorhaben stieß. Seine Bitte um gerechte und korrekte Behandlung durch mo¨gliche Gegner seines Vorhabens und sein Hinweis auf die Befu¨rworter legen die Vermutung nahe, daß er auf Widerstand traf.381 Um ihm zu begegnen, berief er sich in seiner zweiten Einladungsschrift in aller Ausfu¨hrlichkeit auf die Statuten der Universita¨t, die ihn zur Durchfu¨hrung der Bibel-Stunde berechtigten, ja streng genommen sogar verpflichteten.382 Erga¨nzend belegte er an Luther und Chemnitz die Bedeutung intensiver perso¨nlicher Schriftlektu¨re fu¨r die Ausbildung einer rechten Theologie.383 Wie aus dem Bericht von Steins Rede in der Bibel-Stunde am 30. Oktober zu schließen ist, hat Rithmeier sich gegen die Widersta¨nde behauptet und ist mit seinem Angebot auf so große Resonanz gestoßen, daß er es bis zum Jubila¨um beibehalten hat.384 Gleichwohl scheint das Collegium nach dem Reformationsjubila¨um wieder eingeschlafen zu sein, und als Rithmeier im April 1719 unerwartet verstarb, war diese Episode einer pietistischen Bibel-Stunde an der Academia Julia schon wieder beendet.

10. Gießen Die 1607 gegru¨ndete385, zwischen 1625 und 1648 mit Marburg vereinte und danach geschlossene Universita¨t Gießen386 wurde am 5./6. Mai 1650 als lutherische Universita¨t der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt wieder ero¨ffnet. Wie in den Jahren vor dem Dreißigja¨hrigen Krieg sollte sie gema¨ß dem Willen von Landgraf Georg II. (1626–1661) den Gegenpol zur reformierten Universita¨t Marburg bilden, die im Jahre 1653 den Lehrbetrieb wieder aufnahm.387 Aus diesem Grund wurden alle Gießener ProChristoph Heinrich Rithmeier, Fernere Nachricht, S. 16. Joachim Ernst Stein, Vorbereitungsrede, S. 2. 381 Christoph Heinrich Rithmeier, Fernere Nachricht, S. 15. 382 Christoph Heinrich Rithmeier, Fernere Nachricht, S. 7 ff. 383 Christoph Heinrich Rithmeier, Fernere Nachricht, S. 10–13. 384 Joachim Ernst Stein, Vorbereitungsrede. 385 Zur Universitatsgrundung und ihren konfessionellen Hintergrunden vgl. Martin Ru¨ ¨ ¨ dersdorf, Der Weg zur Universita¨tsgru¨ndung in Gießen. 386 Den Niedergang der Universitat Gießen in den Jahren des Dreißigjahrigen Krieges ¨ ¨ beschreibt Karl E. Demandt, Geschichte Hessen-Nassaus, S. 259 ff. 387 Peter Moraw, Kleine Geschichte, S. 28 ff. 379 380

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fessoren auf einen Kanon lutherischer Bekenntnisschriften – ohne Konkordienbuch – und auf die hessische Kirchenordnung verpflichtet;388 fu¨r die Professoren der Theologischen Fakulta¨t galten außerdem die christologischen Lehren der Fakulta¨t von 1624 als gu¨ltige Lehrnorm.389 Zugleich untersagten die Statuten den Professoren, sich an theologischen Streitigkeiten zu beteiligen, die dem Religionsfrieden schaden oder neue Religionska¨mpfe auslo¨sen ko¨nnten. Die Suche nach der theologischen Wahrheit sollte fortan friedlich und frei von professoraler Streit- und Ehrsucht vonstatten gehen.390 Ungeachtet der zahlenma¨ßigen Dominanz der Juristischen Fakulta¨t, die von dem wachsenden Bedarf an Juristen in der landgra¨flichen Verwaltung und von der Na¨he zum Reichskammergericht profitierte,391 oblag es der Theologischen Fakulta¨t, u¨ber die Reinheit der Lehre an der Universita¨t zu wachen. Diese ruhte auf den traditionellen Sa¨ulen der lutherischen Rechtgla¨ubigkeit, der aristotelisch-melanchthonischen Schulphilosophie und des Humanismus.392 Am Ende des 17. Jahrhunderts wurde sie sukzessive durch Anregungen aus reformerischen Kreisen der hessischen Kirche und des Pietismus erga¨nzt. Die ersten Impulse fu¨r diese Entwicklung gingen von Spener aus, der seit 1687 Einfluß auf die Stellenbesetzung an der Universita¨t nehmen konnte, und wurden dadurch begu¨nstigt, daß Landgra¨fin Elisabeth Dorothea das antipietistische Programm ihres Vorga¨ngers nicht fortsetzte. Fast ein Jahrzehnt vor Halle entwickelte sich Gießen im ausgehenden 17. Jahrhundert zur ersten lutherischen Universita¨t, an der Professoren lehrten, die sich den Reformideen des Pietismus verbunden fu¨hlten.393 1690 wurde mit Johann Heinrich May (1653–1719) erstmals ein ausgesprochener Pietist auf eine Professur in Gießen berufen. Gemeinsam

388 Die Statuten nennen als verbindliche Bekenntnisschriften die drei altkirchlichen Symbole, die CA und Apologie von 1530, die Wittenberger Konkordie von 1536, die Schmalkaldischen Artikel, Luthers Katechismen sowie die hessische Kirchenordnung; vgl. Hans Georg Gundel, Statuta Academiae Marburgensis deinde Giessensis, S. 92) 389 Hans Georg Gundel, Statuta Academiae Marburgensis deinde Giessensis, S. 97 f. 390 „Controversiae theologicae a cuiusvis facultatis professoribus ex privato odio meraque conviciandi calumniandique libidine aut inanis gloriolae captandae causa aliterve quam pacificatio religionis ferat ordinationesque et recessus imperii iuxta notorium exercitium in protestantium ecclesiis permittant non moventor, sed sobrie singula atque modeste, tam in concionando, quam scribendo docendove, tractantor, ne potius animorum divulsio et exacerbatio quam veritatis investigandae studium quaesita videri queant.“ Vgl. Hans Georg Gundel, Statuta Academiae Marburgensis deinde Giessensis, S. 93. 391 Peter Moraw, Kleine Geschichte, S. 83 f. 392 Anton Schindling, Gießen als Typus einer Hochschulgrundung, S. 104. Bemerkens¨ wert ist die gema¨ßigt kritische Rezeption des Petrus Ramus fu¨r den Unterricht in der Logik und Metaphysik, die eher fu¨r die reformierten Universita¨ten charakteristisch war; vgl. Hans Georg Gundel, Statuta Academiae Marburgensis deinde Giessensis, S. 154. 393 Martin Brecht, Philipp Jakob Spener, sein Programm und dessen Auswirkungen, S. 340–344.

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mit Johann Christoph Bilefeld (1664–1727), dem pietistisch gesinnten Oberhofprediger in Darmstadt, verdra¨ngte May 1693 den orthodoxen Primarius der Theologischen Fakulta¨t Ludwig Hanneken aus dessen Amt und besetzte die Stelle mit Bilefeld. Vereint mit dem Mediziner Michael Bernhard Valentini und gestu¨tzt durch den Kanzler der Universita¨t Jacob von Schro¨der,394 sicherten sie dem Pietismus bis ins zweite Jahrzehnt des 18. Jh. die Vorherrschaft an der Universita¨t.395 Vor allem May bewa¨hrte sich fortan als treuer Sachwalter des Pietismus. Wa¨hrend seiner u¨ber dreißigja¨hrigen Lehrta¨tigkeit bildete er eine große Zahl hessischer Pfarrer aus und fo¨rderte damit die Verbreitung pietistischer Ideen im ganzen Land. Gleichwohl blieben die pietistischen Neuerungen auch in Gießen umstritten: Einerseits konnten selbst solche Professoren wie Johann Heinrich Hedinger (1664–1704) oder Gottfried Arnold, die wegen ihrer Offenheit fu¨r die pietistischen Reformideen nach Gießen berufen worden waren, nicht dauerhaft in den Universita¨tsbetrieb integriert werden.396 Zudem wurde die Universita¨t wiederholt mit separatistischen Umtrieben innerhalb des hessischen Pietismus in Verbindung gebracht, und 1704 stu¨rzte Bilefeld als Oberhofprediger u¨ber seine Sympathie fu¨r die schwa¨rmerischen Kreise.397 Als der Landgraf im Jahre 1706 in einem Edikt befahl, das Land vom Pietismus zu sa¨ubern, schra¨nkte dies die Spielra¨ume fu¨r die pietistischen Professoren an der Gießener Universita¨t ein.398 Von den u¨brigen lutherischen Universita¨ten wurden diese Entwicklungen aufmerksam beobachtet. Als die Theologische Fakulta¨t Rostock im Jahre 1710 um ein Gutachten zu den Waldeckschen Ha¨ndeln gebeten wurde, verband sie dessen Abfassung mit einem Angriff auf die pietistischen Professoren in Gießen.399 Der in den na¨chsten Jahren folgende Austausch von Gutachten und Gegengutachten bescha¨digte das Ansehen der Gießener Theologischen Fakulta¨t so sehr, daß diese die Gelegenheit ergriff, beim Reformationsjubila¨um ihre Zugeho¨rigkeit zum rechtgla¨ubigen Luthertum zu demonstrieren.400 Ru¨diger Mack, Hedinger, S. 335. Ru¨diger Mack, Hedinger, S. 342 f spricht vom „pietistischen Triumvirat“ (May, Bilefeld, Valentini), das in diesen Jahren geschickt die leitenden Universita¨tsa¨mter unter sich aufteilte und dadurch der Universita¨t ein pietistisches Gepra¨ge zu verleihen versuchte. 396 Hedinger, der von 1694–1698 den neu eingerichteten Lehrstuhl fur Natur- und Vol¨ ¨ kerrecht innehatte (vgl. Peter Moraw, Kleine Geschichte, S. 83 f.), verließ Gießen im Jahre 1699 nach verschiedenen Konflikten innerhalb der Fakulta¨t (vgl. Ru¨diger Mack, Hedinger, S. 335 f. 340 f. 355 ff). Arnold gab 1697 bereits nach einem halben Jahr die fu¨r ihn geschaffene Professur fu¨r Universalgeschichte wieder auf (Ru¨diger Mack, Hedinger, S. 340); zu Hedingers Zeit in Gießen und seiner Mittlerrolle zwischen lutherischer Orthodoxie und Pietismus: Wolfgang Sommer, Hedinger, S. 116–120. 397 Friedhelm Ackva, Der Pietismus in Hessen, S. 203. 398 Friedhelm Ackva, Der Pietismus in Hessen, S. 203. Martin Brecht, Philipp Jakob Spener, sein Programm und dessen Auswirkungen, S. 343 spricht vom Ende des „obrigkeitlich protegierten Pietismus“. 399 Johann Georg Walch, Band 1, S. 915 ff. 400 So schreibt Johann Conrad Arnold im Vorwort seiner Promotionsschrift, bei den 394 395

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Zum Zeitpunkt des Jubila¨ums geho¨rten folgende Professoren der Theologischen Fakulta¨t an: die bereits genannten Bilefeld und May sowie Johann Bartholoma¨us Ru¨diger (1660–1729) und Christoph Ludwig Schwarzenau (1647–1722).401 Zur Juristischen Fakulta¨t geho¨rten: Bernhard Ludwig Mollenbeck (1658–1720), Melchior Dethmar Grolmann (1668–1720), Franz Lucas, Immanuel Weber (1659–1726) und Johann Heinrich Mollenbeck (1669–1739). In der Medizinischen Fakulta¨t lehrten: Johann Christoph Hert (1679–1739), Michael Bernhard Valentini (1657–1729) und Johann Casimir Hert (1679–1748). An der Philosophischen Fakulta¨t lehrten neben Weber, Mollenbeck und Valentini, die jeweils in zwei Fakulta¨ten lasen: Johann Melchior Verdries (1679–1736), Matthias Nikolaus Kortholt (1674–1725), der amtierende Rektor Johann Georg Liebknecht (1679–1749), sowie Johann Gottfried Meier und Johann Conrad Arnold (1658–1735). Die erste Initiative fu¨r eine Reformationsjubelfeier an der Universita¨t Gießen ging von der Universita¨t selbst aus.402 Am 17. August 1717 richtete sie die Anfrage an Landgraf Ernst Ludwig (1688–1729), ob und in welcher Form am 31. Oktober gefeiert werden solle, daß „abermals ein Seculum voru¨ber gehet, worinnen der grosse GOtt das Licht der wahren reinen Evangelischen Lehre uns helle leuchten lassen . . .“.403 Die treibende Kraft bei diesen Planungen war der Rektor Liebknecht, der bereits seine Reden beim Antritt des Rektorats am 1. Januar 1717 und zum Universita¨tsfest am 1. Juli zu feierlichen Ausfu¨hrungen u¨ber die Reformation ausgestaltet hatte.404 Wie das Vorlesungsverzeichnis der Universita¨t fu¨r das Wintersemester 1716/1717 zeigt, gab es in der Philosophischen und in der Theologischen Fakulta¨t verschiedene Lehrveranstaltungen zu reformationsgeschichtlichen Themen,405 und einmal wo¨chentlich stellte Kortholt in

Vorbereitungen der Jubila¨umsfeiern sei es der Universita¨t darum gegangen, „studia sua Orthodoxia sacra consecrata comprobare.“ (Ders., Monumentum gratiae, S. 3). 401 Schwarzenau lehrte wegen seines Alters nicht mehr. Er war 1694 wegen seiner orthodoxen Haltung als Metropolitan von Vo¨hl ohne eigenes Verschulden zwischen die Fronten der streitenden theologischen Parteien geraten und aus seinem Amt entlassen worden. Seine Berufung auf die Gießener Professur (1715) war ein unpassender Versuch, das an ihm veru¨bte Unrecht wieder gutzumachen, der noch dazu als Spitze gegen die Pietisten an der Theologischen Fakulta¨t gedeutet werden muß. Vgl. Heinrich Steitz, Geschichte, S. 204. 402 Der einzige gedruckte Bericht uber die Feiern ist in Hil. Ev. I, S. 397–400 wiederge¨ ben: Erzehlung, welcher Gestalt das zweyte Evangelisch-Lutherische Jubel-Fest zu Giessen celebriert worden, sammt kurtzem Bericht, was dessfalls, in diesem Jahr, daselbst vorgefallen (Hessen-Darmstadt I). 403 Hil. Ev. I, S. 392b (Hessen-Darmstadt B). 404 Titel der nicht erhaltenen Reden war: „Oratio de numero decimo septimo, quo integer regni Papalis thronus definitur, universae ideo Ecclesiae Christi & Luthero fatali ac sacro.“ Hil. Ev. I, S. 398a (Hessen-Darmstadt I). 405 Johann Georg Liebknecht, Praelectiones Academicas, S. 2 ff: May las uber alt- und ¨ neutestamentliche Vorbilder der Reformation, Schwarzenau u¨ber „D. M. Lutherum quasi redivivum, ut animosum, ingenuum, sincerum atque verum & Dogmatistam & Moralistam,

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der Universita¨tsbibliothek Dokumente und Quellenschriften zur Reformationsgeschichte vor.406 So erfuhr Liebknecht breite Unterstu¨tzung, als er im August im Senat der Universita¨t vorschlug, dem bevorstehenden Fest durch verschiedene Promotionen in den Fakulta¨ten zusa¨tzlichen Glanz zu verleihen.407 Bei den Professoren herrschte zu diesem Zeitpunkt noch die U¨berzeugung, daß am 31. Oktober „. . . an einer der ansehnlichsten Promotionen, der kurtzen Zeit ohngeachtet, nicht zu zweiflen . . .“ sei.408 Wider Erwarten kam die erhoffte Zahl an Promotionen aber in keiner Fakulta¨t zustande. Schließlich erbot sich Liebknecht selbst,409 trotz zu befu¨rchtender protokollarischer Schwierigkeiten,410 zur Doktorpromotion in der Theologischen Fakulta¨t, damit u¨berhaupt eine solche anla¨ßlich des Reformationsjubila¨ums vorgenommen werden konnte. Daß die Vorbereitungen nur schleppend vorangekommen waren, erkla¨rte M. Kortholt im Anschluß an die Feiern in einem Brief an Cyprian mit der Erkrankung Bilefelds, der als „primus Ecclesiarum Hasso-Darmstadium Antistes et Consiliarius in Sacris supremus“ fu¨r die endgu¨ltige Koordinierung der Feiern in der ganzen Landgrafschaft zusta¨ndig gewesen wa¨re.411 Denn Landgraf Ernst Ludwig gab zwar am 15. Oktober an den Festungskommandanten von Gießen den Befehl, am 31. Oktober nach der Fru¨hpredigt sechzig Salutschu¨sse abzufeuern.412 Aber die Universita¨t erhielt keine weiteren Anordnungen und war in der Planung ganz auf sich gestellt. Am 24. Oktober vero¨ffentlichte sie daher ohne Ru¨cksprache mit der Regierung in Darmstadt ihr Programm fu¨r die Feierlichkeiten am 31. Oktober, und am 29. Oktober beschloß der Senat, mangels anderslautender Befehle des Landgrafen, auf eine Prozession zum Festgottesdienst in die Universita¨tskirche zu verzichten.413 Trotz dieser Anlaufschwierigkeiten hielt die Gießener Universita¨t eine ansehnliche Feier ab, bei der sie sich u¨ber mangelnde Beteiligung nicht beklagen konnte. Denn da im reformierten Hessen-Kassel keine eigenen Feiern stattfanden,414 reisten die Bu¨rger lutherischer Konaeque Doctrinae ac Vitae Reformatorem“, und Kortholt erkla¨rte „Elegias Eobani Hessi de caussa Lutheri.“ 406 Johann Georg Liebknecht, Praelectiones Academicas, S. 6. 407 Hil. Ev. I, S. 398b (Hessen-Darmstadt I). 408 Hil. Ev. I, S. 398b (Hessen-Darmstadt I). 409 Hil. Ev. I, S. 399a (Hessen-Darmstadt I). 410 Liebknecht war kein Professor der Theologie und durfte die notige Disputation nicht ¨ ohne Pra¨ses halten. Da er als Rektor aber nicht unter dem Vorsitz eines Theologie-Professors disputieren konnte, erteilte ihm der Landgraf am 29. Okt die Sondergenehmigung fu¨r eine Disputation ohne Pra¨ses. Alle anderen Auflagen fu¨r eine Doktor-Promotion an der Theologischen Fakulta¨t sollte er aber erfu¨llen. Kopie des Schreibens im Universita¨tsarchiv Gießen, Allg. Nr. 805, Bl. 49. 411 Brief vom 25. Marz 1718, Bl. 202–203 (vorh.: FLB, Chart A 425, Bll. 202–203). ¨ 412 Hil. Ev. I, S. 395 (Hessen-Darmstadt G). 413 Universitatsarchiv Gießen, Allg. Nr. 805, Bll. 45 f. ¨ 414 Fritz Wolff, „Ein Tag, der gar in hundert Jahren nur einmal dich begrußt . . .“, S. 77. ¨

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fession aus den umliegenden Sta¨dten, unter anderem aus Marburg, nach Gießen, um die Zweihundertjahrfeier der Reformation zu begehen.415 Zur Vorbereitung wurde am Sonnabend vor dem Fest ein allgemeiner Bußtag begangen, an dem in beiden Gießener Hauptkirchen jeweils fu¨nf Gottesdienste abgehalten wurden.416 Den Fru¨hgottesdienst am 31. Oktober beschlossen weisungsgema¨ß sechzig Salutschu¨sse; ihm folgten in den beiden großen Stadtkirchen weitere Gottesdienste. Den Gottesdienst in der Universita¨tskirche St. Pankratius nutzte May zu einer Predigt u¨ber die „Hoheit und Wu¨rdigkeit der Lutherischen Priesterschafft und Geistlichkeit“.417 Am 1. November kam das corpus academicum zur Feier der Universita¨t zusammen, auf der Kortholt die Festrede u¨ber Apk. 146 ff hielt und den Text in einem biographischen U¨berblick auf Luther und die Reformation deutete.418 Im Anschluß veranstaltete der Landgraf ein Festessen fu¨r die Universita¨tsangeho¨rigen, und den Ho¨hepunkt des Festtages bildete Liebknechts Inaugural-Dissertation „De Luthero, divina poenitentiae et suavissima evangelii voce“, womit er an Kortholts Rede vom Vormittag anknu¨pfte.419 Auch in den u¨brigen Fakulta¨ten fanden Disputationen statt: in der Philosophischen Fakulta¨t war bereits am 25. Oktober eine Disputation unter Meiers Vorsitz u¨ber Luthers vorbildliches Wirken als Doktor der Theologie abgehalten worden,420 Kortholt hielt eine „Oratio publica de philosophia in praecipua Orientis gente Ebraea saepius deformata et reformata“;421 in der Medizinischen Fakulta¨t wurde ebenfalls disputiert.422 Am 18. November423 beendete die Theologische Fakulta¨t das Promotionsverfahren fu¨r Liebknecht: Nachdem er sich an den Vortagen den u¨blichen Pru¨fungen unterzogen hatte, hielt May als Promotor eine Festrede,424 danach hatte Liebknecht 2. Tim 41 ff im Blick auf die Reformati-

415 Hil. Ev. I, S. 399b (Hessen-Darmstadt I) heißt es: Zum Festgottesdienst am 31. Oktober in Gießen kamen „die Christlichen Gemeinden alle / und so die Personae Academiae in der Haupt-Kirche, St. Pancratii, . . . zusammt denen Studiosis . . . zu welchen sich viele aus benachbarter Kayserlichen Freyen Reichs-Stadt Wetzlar eingefunden, wie auch viele Studiosi aus der benachbarten Universita¨t Marburg, wie auch Herborn und andern Orten . . .“. 416 Hil. Ev. I, S. 399b (Hessen-Darmstadt I). 417 Hil. Ev. I, S. 399b (Hessen-Darmstadt I). 418 Hil. Ev. II, S. 57 (De Luthero). 419 Hil. Ev. I, S. 400a (Hessen-Darmstadt I); der Titel folgt der Ankundigung dieser Re¨ de durch Liebknecht (Hil. Ev. II, S. 53). 420 Das Datum ist dem Titelblatt dieser Arbeit zu entnehmen: Johann Gottfried Meier, De doctoratu Lutheri. 421 Titel der nicht erhaltenen Rede nach: Hil. Ev. I, S. 1070a (Verzeichniß). 422 Hil. Ev. I, S. 400a (Hessen-Darmstadt I). 423 Liebknecht nennt in seinem Programm den 15. November als Termin. 424 May sprach „De miserando Studii Theologiae ante reformationem statu“ (Hil. Ev. I, S. 400a; Hessen-Darmstadt I).

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on auszulegen. Sodann wurde er feierlich promoviert.425 Ein weiteres Promotionsverfahren in der Theologischen Fakulta¨t, das des Philosophen Arnold, wurde am 2. Dezember mit dessen Inauguraldisputation abgeschlossen.426 Einen eigenen Ho¨hepunkt markierte am 30. Dezember das sogenannte „Illuminare“, eine Besonderheit der in Gießen an der Philosophischen Fakulta¨t vorgenommenen Magisterpromotionen. Dabei hatten die Kandidaten unter Vorsitz von Kortholt jeweils einen bestimmten Teil der Disputationsthesen vor der gesamten Universita¨t zu verteidigen.427 Nach dem Festakt bekamen die Studenten die Jubila¨ums-Medaillen des Landgrafen ausgeha¨ndigt, die anla¨ßlich des Festes gepra¨gt worden waren.428 Den Abschluß bildete schließlich Liebknechts Rede zum Ende seines Rektorats am 1. Januar 1718. Sie hatte einen Ausblick auf das vor der lutherischen Kirche liegende neue Jahrhundert zum Thema.429 Alles in allem vermittelt der von Cyprian in den „Hilaria Evangelica“ mitgeteilte offizielle Bericht u¨ber die Feierlichkeiten der Universita¨t den Eindruck einer zu allgemeiner Zufriedenheit verlaufenen Feier. Aus den Regesten des Universita¨tsarchivs Gießen geht hervor, daß es am 22. Juni 1718 eine zweite Feier zum Reformationsgedenken gegeben hat, in deren Rahmen eine gro¨ßere Zahl von Doktorpromotionen vollzogen wurde, die man urspru¨nglich anla¨ßlich des Jubila¨ums im Jahre 1717 hatte vornehmen wollte.430 Und ein im u¨brigen unbedeutender Briefwechsel zwischen dem Hil. Ev. I, S. 400a (Hessen-Darmstadt I). Das Thema der Disputation Arnoldis lautete: Monumentum gratiae et gratiarum actionis. Unklar ist die Herkunft einer Rede Arnolds, auf die DBA 34, Nr. 324 hinweist. Unter den nachgelassenen Schriften Arnolds wird dort ein Manuskript mit dem Titel „Observationes in Theses Lutheri de indulgentiis, occasione Jubilaei secundi evangelici consignatae“ aus dem Jahr 1717 verzeichnet. 427 Vgl. Wilhelm Martin Becker, Das erste halbe Jahrhundert, S. 159 f. 428 Ein Exemplar der Medaille ist abgebildet in Hil. Ev. III, Tab. XI, Nr. 6. An diesen Medaillen ist weniger ihre ku¨nstlerische Gestaltung interessant als die Finanzierung ihrer Herstellung und Verteilung unter die Schu¨ler. Denn nicht etwa der Landgraf hat diese Medaillen an die Schuljugend seiner Herrschaft verschenkt, sondern er hat durch ein Edikt die jeweiligen Orte, in denen Medaillen verteilt wurden, aufgefordert, sich an der Finanzierung zu beteiligen, wodurch er, wie es scheint, den Großteil der entstandenen Kosten auf seine Untertanen abgewa¨lzt hat. Das Edikt befindet sich im Hessischen Staatsarchiv Darmstadt: E 5 A 1, Konv. 37, Fasc. 1; die Korrespondenz mit den einzelnen Do¨rfern und Sta¨dten ist ebendort Sign.: Abt. E 1 B Nr. 32/1 verwahrt. 429 Hil. Ev. I, S. 400b (Hessen-Darmstadt I). 430 Die von Wilhelm Martin Becker 1907 angefertigten und dort aufbewahrten Regesten des Universita¨tsarchivs Gießen verzeichnen unter der laufenden Nr. 4474 folgenden Aktentitel: „1718/19 Acten betr. [effend] Nachholung der beim Reformationsjubila¨um beabsichtigten Festpromotionen.“ Diese Akten wurden 1944 beim Brand der Universita¨tsbibliothek Gießen vernichtet. Auch Hermann Haupt verweist in seiner Chronik zur Geschichte der Universita¨t Gießen unter der laufenden Nummer 158 auf diese Promotionsfeiern. Er gibt als Datum den 22. Juni 1718 an und weiß von 2 theologischen, 10 juristischen, 7 medizinischen und 7 philosophischen Doktorpromotionen, die an diesem Tag vorgenommen wurden. Auch die von Haupt fu¨r die Chronik verwendeten Materialien, die nach seiner Angabe in den Bestand der Universita¨tsbibliothek u¨bergegangen sind (vgl. Chronik, S. 368), wur425 426

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Landgrafen und einem seiner Gießener Beamten aus dem Jahr 1719 belegt, daß die Promotionen anla¨ßlich des Jubila¨ums sogar erst im Juni 1719 endgu¨ltig abgeschlossen wurden. Am 1. November 1717 na¨mlich hatte der Landgraf der Universita¨t zugesagt, ihr nach den abgeschlossenen Jubila¨ums-Feierlichkeiten Wein und eine gewisse Menge Wildbret fu¨r den Doktorschmaus zur Verfu¨gung zu stellen.431 Am 24. Juni 1719 meldete der zusta¨ndige Beamte namens Witting dem Landgrafen, er habe, nachdem die Promotionen in der vergangenen Woche abgeschlossen worden seien, den vom Landgrafen versprochenen Wein ausgeliefert.432 Mit einem Wort: Erst im Juni 1719 konnte die Universita¨t Gießen endlich die seit August 1717 geplanten akademischen Feierlichkeiten zum 200ja¨hrigen Jubila¨um der Reformation beenden.

11. Halle Neben Ko¨nigsberg war Halle die zweite preußische Universita¨t, die sich an den Feierlichkeiten zum Reformationsjubila¨um von 1717 beteiligte. Wenn diese, damals ju¨ngste Universita¨t des Reiches (gegr. 1694) in ihrer Entwicklung einen anderen Weg einschlug als die Ko¨nigsberger Alma mater, ist dies mit den besonderen Umsta¨nden ihrer Entstehung zu erkla¨ren. Die Universita¨t Halle war im Zuge der politischen und administrativen Reformbemu¨hungen im Kurfu¨rstentum Brandenburg gegru¨ndet worden; dem Aufbau der Juristischen Fakulta¨t galt daher große Aufmerksamkeit. Mit der Theologischen Fakulta¨t gelang es dank einer geschickten Berufungspolitik, die Abwanderung der Landeskinder an die Hochburgen der lutherischen Orthodoxie in Wittenberg, Leipzig oder Jena zu verhindern und ein neues Zentrum der theologischen Ausbildung zu etablieren.433 Es den 1944 vernichtet. Die von Haupt angefu¨hrten Disputationen haben sich bisher bibliographisch nicht nachweisen lassen; vgl. dazu auch Hermann Schu¨ling, Die Dissertationen und Habilitationsschriften der Universita¨t Gießen im 18. Jahrhundert, S. 80 ff. Aus dem Brief Kortholts an Cyprian geht hervor, daß an diesem Tag tatsa¨chlich nur die Promotionen, nicht aber dazugeho¨rige Disputationen oder Pru¨fungen vorgenommen wurden. In der Philosophischen Fakulta¨t wurden beispielsweise die sieben Kandidaten promoviert, die an dem „Illuminare“ vom 30. Dezember 1717 teilgenommen hatten. 431 Brief des Landgrafen an die Universitat vom 1. November 1717. Vorhanden im Hes¨ sischen Staatsarchiv Darmstadt, Abteilung E 1 B Nr. 32/1, Bll. 189 f. 432 Ebd., Bll. 191 f. Unklar ist, um wessen Dr.-Promotion es sich handelte, auf die in dem Brief Bezug genommen wird. Hermann Schu¨ling, Die Dissertationen und Habilitationsschriften der Universita¨t Gießen im 18. Jahrhundert, S. 87 f verzeichnet fu¨r den in Frage kommenden Zeitraum zwei Promotionen: Am 15. Juni 1719 die von Conrad Heinrich Seiffart zum Dr. jur. und am 21. Juni 1719 die Promotion von Bodo Heinrich Reinhardt zum Dr. med. 433 Johann Christoph Dreyhaupt, Beschreibung des Saal-Creyses, S. 5 f betont besonders den Gegensatz zu Wittenberg, wo man sich der „Ketzermacherey“ gegenu¨ber den

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Die Jubila¨umsfeiern an den Universita¨ten

erwies sich als glu¨ckliche Koinzidenz, daß die Gru¨ndung der neuen Universita¨t zeitlich mit der Ausbreitung des Pietismus einherging, dessen wichtiger Vertreter August Hermann Francke seit 1693 in Halle lehrte und den Aufbau der Halleschen Anstalten eng mit dem der Universita¨t verquickte.434 Trotz aller Vorzu¨ge, die diese Verbindung mit sich brachte, ha¨tte eine rein pietistisch gepra¨gte Theologische Fakulta¨t den Vorstellungen des Landesherrn nicht entsprochen. Denn angesichts des seit 1613 bestehenden konfessionellen Unterschiedes zwischen reformiertem Herrscherhaus und lutherischer Bevo¨lkerung war Halle als protestantische Universita¨t gegru¨ndet worden, in der sich beide protestantischen Konfessionen achten und respektieren sollten. Als Bekenntnisgrundlage fu¨r die Universita¨tsangeho¨rigen nennen die Statuten daher die Heilige Schrift und die Confessio Augustana.435 Fu¨r den Geist der Universita¨t bedeutete dies, daß nicht nur der Pietismus durch seine die Konfessionsgrenzen u¨bergreifende Theologie, sondern auch die a¨ußere Verfassung der Universita¨t eine U¨berwindung des Konfessionalismus anstrebte und fo¨rderte.436 Gleichwohl entwickelten sich seit dem Eintreffen Franckes in Halle bleibende Gegensa¨tze zwischen der streng lutherischen Stadtgeistlichkeit und den Anha¨ngern des lutherischen Pietismus.437 Dieser Gegensatz gewann dadurch an Scha¨rfe, daß u¨ber Jahrzehnte hinweg die meisten Professuren mit Perso¨nlichkeiten besetzt wurden, die dem lutherischen Pietismus nahestanden.

brandenburgischen Universita¨ten befleißigte und zugleich durch entsprechende Beeinflussung und Ausbildung der angehenden brandenburgischen Pfarrer die Konflikte in die brandenburgische Kirche selbst hineintrug. Diesem A¨rgernis habe man ein Ende setzen wollen. Vor allem Spener sei es zu verdanken, daß man bei der Einrichtung der Theologischen Fakulta¨t besondere Sorgfalt walten ließ und die Lehrstu¨hle mit guten Lehrern besetzt werden konnten. 434 Zur Verbindung von Universitat und Halleschen Anstalten vgl. Martin Brecht, Au¨ gust Hermann Francke und der Hallische Pietismus, S. 453–514. 435 Vgl. Cap. I § 2 der Universitatsstatuten: „Praecipue autem consensus sit inter omnes ¨ et singulos Professores in religione christiana et doctrina evangelica, Scriptis Prophetarum et Apostolorum, et Augustanae Confessione comprehensa.“ Es scheint, als sei bei der Abfassung der Statuten auf die genauere Bestimmung, ob die Confessio Augustana Variata oder Invariata Grundlage des Bekenntnisses sein sollte, mit Absicht verzichtet worden. Dagegen wird in den Statuten der Theologischen Fakulta¨t die CA von 1530 genannt (Statuten der Theologischen Fakulta¨t II). Die Statuten der Universita¨t und der Einzelfakulta¨ten finden sich bei Schrader, Geschichte der Friedrichs-Universita¨t, Bd. 2, S. 381 ff. 436 Friedrich August Eckstein, Chronik der Stadt Halle, S. 41 f berichtet von der 1711 vorgenommenen Gru¨ndung eines reformierten Gymnasium illustre, durch dessen Einrichtung Halle zur „Simultan-Unversita¨t“ fu¨r Lutheraner und Reformierte geworden sei. Der Einfluß der Reformierten auf die Universita¨t wurde jedoch dadurch begrenzt, daß die Theologische Fakulta¨t – trotz eindringlicher Mahnungen seitens des Ko¨nigs – die reformierten Professoren des Gymnasiums, Johann Hulderich Heyden und Johann Philipp Heine, nicht als gleichberechtigte Kollegen anerkannte. 437 Klaus Deppermann, Der hallische Pietismus, S. 69 ff. 97 ff. 109 ff.

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Im Jahr 1717 lehrten an der Theologischen Fakulta¨t sechs ordentliche Professoren.438 Senior der Fakulta¨t war Joachim Justus Breithaupt (1658–1723), der seit seinem Studium in Kiel bei Christian Kortholt mit Francke bekannt war. Mit diesem verband ihn das Bemu¨hen um eine Erneuerung der perso¨nlichen Fro¨mmigkeit unter den Theologiestudenten und um die Betonung der praktischen Dimension des Theologiestudiums.439 An seiner Seite lehrte August Hermann Francke (1663–1727), der die Universita¨t durch den Aufbau der Halleschen Anstalten pra¨gte, die er mit der Universita¨t verband und beide Einrichtungen in den Dienst der von ihm angestrebten Reform von Kirche und Gesellschaft stellte.440 Der dritte Theologe, Paul Anton (1661–1730), ebenfalls aus Studienzeiten mit Francke bekannt,441 genoß außerhalb der pietistischen Kreise einen guten Ruf als Dogmatiker.442 Joachim Lange (1670–1744), der sich vor allem als Polemiker und Streittheologe auf seiten der Pietisten hervortat,443 hatte seit 1709 eine theologische Professur in Halle inne. Zusammen mit Johann Heinrich Michaelis (1668–1738), dem fu¨nften Ordinarius, wurde er anla¨ßlich des Reformationsjubila¨ums zum Doktor der Theologie promoviert. Das sechste Ordinariat versah Joh. Daniel Herrnschmid (1675–1723). Zur Juristischen Fakulta¨t, die unter Zeitgenossen als „das eigentliche Glanzstu¨ck der Fridericiana“ galt,444 geho¨rten im Jahre 1717: Johann Pe438 Diese vergleichsweise hohe Zahl erklart sich daraus, daß Breithaupt seine Lehrtatig¨ ¨ keit wegen anderer Beanspruchungen seit 1709 stark eingeschra¨nkt hatte und Lange und Michaelis, die im selben Jahr zu seiner Entlastung eingestellt worden waren, keinen vollen Lehrauftrag versahen. 439 Vgl. Martin Brecht, August Hermann Francke und der Hallische Pietismus, S. 449–552. Indem es ihnen und ihren Kollegen gelang, diese Vorsa¨tze an der Universita¨t Halle umzusetzen, realisierten sie erstmals die von Spener in den „Pia desideria“ vorgetragenen Reformvorschla¨ge fu¨r die theologische Ausbildung. 440 Die umfassenden Plane fur eine Reform von Kirche und Gesellschaft hat Francke in ¨ ¨ dem sogenannten „Großen Aufsatz“ zusammenfassend dargestellt, dessen wiederholt verschobene Vero¨ffentlichung zeigt, daß Francke sich der bevorstehenden Hindernisse und Widersta¨nde bei der Durchfu¨hrung der Reform bewußt war. Vgl. August Hermann Francke, Schrift u¨ber eine Reform des Erziehungs- und Bildungswesens als Ausgangspunkt einer geistlichen und sozialen Neuordnungen der Evangelischen Kirche des 18. Jahrhunderts. Der Große Aufsatz. Eine gute Darstellung bei Carl Hinrichs, Die universalen Zielsetzungen des Halleschen Pietismus. 441 Martin Brecht, Philipp Jakob Spener, sein Programm und dessen Auswirkungen, S. 333. 442 So urteilte beispielsweise Loscher uber Anton, dieser sei der „redlichste unter den ¨ ¨ hallischen Theologen, mit dem man sich wohl versta¨ndigen ko¨nne.“ Zitiert nach: BBKL, Band 1, Sp. 190. 443 Vgl. Wilhelm Schrader, Geschichte, Bd. 1, S. 133, nennt Lange das „streitbarste Mitglied der Fakulta¨t“. Eine Korrektur des negativen Bildes von Lange mahnt dagegen Christoph Schmitt an, der Lange an seinen eigentlichen theologischen Arbeiten messen will und nicht nur an seinen polemischen Beitra¨gen zum Kampf gegen Orthodoxie und Aufkla¨rung. Vgl. BBKL, Bd. 4, Spp. 1097–1104. 444 Vgl. Notker Hammerstein, Geschichte der deutschen Universitat im Zeitalter der ¨

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ter Ludewig (1668–1743), Christian Thomasius (1655–1728), Justus Henning Bo¨hmer (1674–1749), Jakob Friedrich Ludovici (1671–1723) und Nikolaus Hieronymus Gundling (1671–1729). Die Fakulta¨t hatte sich bereits unter der A¨gide Samuel Stryks (1640–1710) einen guten Ruf bei den deutschen Juristen erworben, den sie dank der Wirksamkeit von Thomasius im 18. Jahrhundert weiter ausbaute. Er trug maßgeblich zum Aufstieg Halles zur ersten Universita¨t im Heiligen Ro¨mischen Reich bei.445 An der Medizinischen Fakulta¨t lehrten Friedrich Hoffmann (1660–1742), der mit Georg Ernst Stahl (1660–1734) die Medizinische Fakulta¨t aufgebaut hatte, und Michael Albert (geb. 1682); auch diese Fakulta¨t geho¨rte zu den fortschrittlichen im Reich.446 In der Philosophischen Fakulta¨t lehrten: Joh. Sperlette (1661–1724), Joh. Fridemann Schneider (1669–1735), Christian Wolff (1679–1754), Jakob Karl Spener (1684–1730), Joh. Gottl. Heineccius (1680–1741) und Christian Benedikt Michaelis (1680–1764). Den Verlauf des Reformationsjubila¨ums in Halle schildern gleich mehrere Berichte.447 Von den Predigern und Universita¨tslehrern Halles heißt es u¨bereinstimmend, sie ha¨tten das ganze Jahr zur Vorbereitung ihrer Gemeinden und Schu¨ler auf das Jubila¨um genutzt.448 Vor allem Anton und Herrnschmid waren bemu¨ht, die Gemeinsamkeit ihrer Vorbereitungen mit denjenigen der Stadtgeistlichkeit zu betonen.449 Heineccius, selbst Angeho¨riger der Stadtgeistlichkeit, erwa¨hnt dagegen weder die FeierlichAufkla¨rung, S. 159; zum Aufbau und Bedeutung der juristischen Fakulta¨t Halles im 17. und 18. Jahrhunderts: Hans Maier, Aufkla¨rung, Pietismus, Staatswissenschaft. 445 Zu der von Thomasius angestrebten Reform des juristischen Studiums und seiner Bedeutung fu¨r den Aufstieg der Universita¨t Halle vgl. die Darstellung von Notker Hammerstein, Jus und Historie, S. 43–147. 446 So wandte Hoffmann sich zusehends einem experimentell-naturwissenschaftlichen Versta¨ndnis der Medizin zu; vgl. Ingo Wilhelm Mu¨ller, Das mechanistische Ko¨rpermodell in der Praxis. Die „Fundamenta“ des Friedrich Hoffmann, S. 233. Zudem wurde im Jahre 1717 in Halle, erstmals an einer Universita¨t im Reich, der klinisch-praktische Unterricht fu¨r Medizinstudenten eingefu¨hrt; vgl. Monika Richarz, Der Eintritt der Juden in die akademischen Berufe, S. 47 f. 447 „1. Vortrab einer Historischen Nachricht, welcher Gestalt das zweyte Jubel-Fest der Evangelisch-Lutherischen Kirchen . . . bey hiesiger weitberu¨hmten Friedrichs-Universita¨t . . . gefeyret worden.“ Der Bericht ist abgedruckt in Hil. Ev. I, S. 304–309 (Chur-Brandenburg E); Friedrich Loofs nennt als mo¨glichen Verfasser einen Theologen namens David Schott (Ders., Jahrhundertfeier, S. 40). 2. Die Vorrede von Paul Anton und Johann Daniel Herrnschmid zu ihrer Schrift „O¨ffentliches Jubel-Zeugnis von der Evangelisch. Reformation“ gibt eine U¨bersicht u¨ber Einzelheiten der Feierlichkeiten. Da die Seiten der Vorrede nicht numeriert sind, wird die Vorrede nach den von Anton und Herrnschmid von I–XXVI durchnumerierten Sinnabschnitten zitiert. 3. Die Festbeschreibung bei Jo. Michael Heineccius, Hundert-ja¨hriges Denkmahl der Reformation, S. 92–93. 4. Das Festprogramm der Universita¨t, PROGRAMMA SECULARE ACADEMICUM, in: Hil. Ev. II, S. 45–47. Die staatlichen Anordnungen entsprechen denjenigen fu¨r die Universita¨t Ko¨nigsberg, s. o. S. 102 f. 448 Hil. Ev. I, S. 305a (Chur-Brandenburg E). 449 Paul Anton / Johann Daniel Herrnschmid, Vorrede I. Bezuglich der Umsetzung ¨ heißt es u¨ber die Universita¨t: „. . . so hat hierbey ein jedes Collegium an seinem Theil fu¨r sei-

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keiten noch die Vorbereitungen der Universita¨t und betont lediglich die gute Zusammenarbeit von Stadtgeistlichkeit und Rat der Stadt im Vorfeld des Festes.450 Diese unterschiedliche Darstellung beruht vermutlich auf der perso¨nlichen und theologischen Distanz zwischen dem Pastor Primarius der Stadt, Heineccius, und der Theologischen Fakulta¨t, zu der es gekommen war, als sich die Theologische Fakulta¨t 1709 angemaßt hatte, Heineccius das Recht auf die Visitation der sta¨dtischen Pfarrerschaft streitig zu machen.451 Es erstaunt daher wenig, daß Heineccius die Universita¨t in die Vorbereitung der sta¨dtischen Jubila¨umsfeierlichkeiten nicht einbezog. Ebenso versta¨ndlich ist aber die Absicht der Universita¨t, sich durch Ausrichtung eigener Jubila¨umsgottesdienste in Anlehnung an die ko¨niglichen Instruktionen von dem Vorurteil zu befreien, daß man an der Universita¨t „. . . das Werck der Evangelischen Reformation, ja Lutheri Person und Amt selbst, gering achte / und deßwegen eine andere Reformation haben wolle . . .“.452

Ganz im Gegenteil gedachte die Friedrichs-Universita¨t, „. . . die Celebrirung dieses Evangelischen zweyten Jubel-FEstes, auf eine solche Art und Weise zu veranstalten, daß sowol die allhier studierende Jugend, als auch andere Evangelische Christen, ja fremde Religions-Verwandte selber, daraus entnehmen ko¨nnten, man stimme der allgemeinen Jubel-Freude der Evangelischen Kirche, nicht nur wegen des von Ihro Ko¨niglichen Majesta¨t empfangenen Befehls, sondern auch aus eigener Bewegung, mit allem geneigten Willen bey . . .“453

Trotzdem war man seitens der Universita¨t nicht geneigt, diese eigenen Feierlichkeiten mit denen der Stadtgeistlichkeit abzustimmen.454 Zusa¨tzlich zu den eigentlichen Feierlichkeiten am 31. Oktober und am 1. November hat die Theologische Fakulta¨t das ganze Jahr dazu genutzt, Lehrveranstaltungen mit Lehreinheiten zum theologischen und geschichtne Pflicht erachtet, in der Vollstreckung dieses Allergna¨digsten Befehls eine sonderbare Willigkeit und Sorgfalt zu beweisen.“ 450 Jo. Michael Heineccius, Hundert-jahriges Denkmahl der Reformation, S. 92. ¨ 451 Vgl. Klaus Deppermann, Der hallische Pietismus, S. 164. 452 Paul Anton / Johann Daniel Herrnschmid, Vorrede IX. Wie Martin Greschat richtig feststellt, ist die apologetische Vorrede von Anton / Herrnschmid nicht nur im Blick auf das Reformationsjubila¨um 1717 zu verstehen, sondern sie ist zugleich als die erste Reaktion der hallischen Theologen auf die ju¨ngste Vero¨ffentlichung Valentin Ernst Lo¨schers, den ersten Teil von dessen Timotheus Verinus (Ders., Zwischen Tradition und neuem Anfang, S. 296 f). 453 Paul Anton / Johann Daniel Herrnschmid, Vorrede I; Friedrich Loofs, Jahrhundertfeier, S. 48, bezeichnet Antons und Herrnschmids Schrift darum als eine „pietistische Werbe- und Streitschrift zugunsten ihrer Fakulta¨t . . .“ 454 Wahrend Loofs berichtet, Jahrhundertfeier, S. 40 Anm. 1, schon 1817 hatten der ¨ ¨ Universita¨t die Akten u¨ber das Jubila¨um von 1717 nicht mehr vorgelegen, zitiert Eckstein, Chronik der Stadt Halle, S. 70 f, noch aus diesen Akten bzw. den Sitzungsprotokollen der Fakulta¨t, in denen u¨ber das Jubila¨um verhandelt wurde, freilich ohne Angabe seiner Quelle.

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lichen Hintergrund des Reformationsjubila¨ums zu verbinden. So heißt es in den Vorlesungsanku¨ndigungen fu¨r das Sommersemester: „Et hoc est, quod nunc repetimus, eo anno, qui per Dei gratiam ecclesiae nostrae, quae a REPVRGATO EVANGELIO EVANGELICA vocatur, secularis est ac memorialis. Quod doctrinae euangelicae in integrum restitutae beneficium vt auditoribus nostris revera sit, aut fit, quod in se est, h. e. maximum, omnem dabimus operam in lectionibus nostram; quippe quarum nonnullae hunc ipsum in finem electae sunt, in eumque data opera dirigentur.“455

Im einzelnen sind folgende Veranstaltungen bekannt: August Hermann Francke hat „in seinen gewo¨hnlichen lectionibus paraeneticis zu handeln angefangen de reformatione Academiarum.“ Dabei hat er „deutlich dargethan und bewiesen, daß nicht allein eine Reformation der Academien und Schulen no¨thig, sondern, wie auch von solcher Reformation ein besserer Zustand in der gantzen Christenheit zu gewarten sey, und daß, wo exemplarische Professores und Lehrer wa¨ren, man ku¨nfftig hin auch eine Besserung in allen Sta¨nden durch Exemplarische Kirchen- und SchulLehrer und andere vorgesetzte im geist- und weltlichen Sta¨nde zu gewarten ha¨tte.“456 Den Abschluß dieser Vorlesung bildete seine Rektoratsrede u¨ber die Reform der Universita¨ten, die er am 12. Juli 1717 anla¨ßlich der U¨bergabe seines Prorektorats an Johann Peter Ludewig hielt.457 Paul Anton hat seine im Vorsemester begonnenen Vorlesungen u¨ber die Symbolischen Bu¨cher der Reformation abgeschlossen, war anschließend zum Tridentinum u¨bergangen, um dann in „seinen Lectionibus Antitheticis in Concilium Tridentinum eine applicationem historiae reformationis ad controversias“ zu versuchen;458 Teile davon hat er mit seiner Jubila¨umspredigt vero¨ffentlicht.459 Aus dem Neuen Testament behandelte Anton die Apostelgeschichte, an der er neben den exegetischen Fragestellungen allgemeine Fragen zur Reformation der Kirchen behandelte, die sich aus Parallelen zwischen den Texten und den historischen Umsta¨nden nahelegten.460 Herrnschmid hielt „den Sommer u¨ber ein besonderes Collegium historicum de Reformatione Evangelica, da dann die Auditores immer auf den rechten Zweck der Reformation gewiesen, und bey jeder Lection heylsame monita zu dem Ende gegeben wurden“.461 Die Vorlesungsanku¨ndigungen zeigen, daß darin Luther insbesondere als Vorbild geist-

Conspectus lectionum, S. 3. Hil. Ev. I, S. 305 (Chur-Brandenburg E); a¨hnlich: Paul Anton / Johann Daniel Herrnschmid, Vorrede V. 457 August Hermann Francke, Oratio Jubilaea de reformatione academiarum. 458 Hil. Ev. I, S. 305b (Chur-Brandenburg E). Vgl. auch Paul Anton / Johann Daniel Herrnschmid, Vorrede V. 459 Paul Anton, Predigt, S. 24 ff. 460 Conspectus Lectionum, S. 5. 461 Hil. Ev. I, S. 305b (Chur-Brandenburg E). Vgl. auch Paul Anton / Johann Daniel Herrnschmid, Vorrede V. 455 456

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lichen Lebens vorgestellt werden sollte.462 Dem Zweck, die Stadtbevo¨lkerung u¨ber die Reformation und das anstehende Jubila¨um „recht zu unterrichten, wie sie dasselbe zum Preiß GOttes, ihrer Seelen Nutzen, und der Kirchen zum wahren besten, christlich halten und anwenden solten. . .“, diente die von Lange veranstaltete Neuausgabe von Luthers Sermon von den guten Werken.463 Breithaupt schließlich behandelte mit Blick auf das Jubila¨um den theologischen und praktischen Nutzen, den die protestantischen Kirchen aus der Confessio Augustana ziehen ko¨nnten.464 Außerdem hielt er in den letzten Wochen vor dem Fest die Vorbereitungspredigten, von denen indessen nur noch die Dispositionen erhalten sind.465 Einen unerwarteten Ru¨ckschlag erfuhren die Bestrebungen der Universita¨t, anla¨ßlich des Reformationsjubila¨ums ihre Zugeho¨rigkeit zum rechtgla¨ubigen Luthertum zu demonstrieren, als am 27. Oktober die Schrift „Dica Iubilaeorum“ des amtierenden Pro-Rektors der Universita¨t, des Juristen J. P. Ludewig, erschien, in der dieser die U¨bereinstimmung des bevorstehenden Jubila¨ums mit dem Anliegen der Reformation in Frage stellte. Ludewig handelte sich mit dieser Schrift heftige Schelte aus den Reihen der Wittenberger Theologen ein, und innerhalb der Fridericiana erregte die Schrift ebenso Aufsehen, aber weniger wegen ihrer kritischen Gedanken, sondern wegen der aus Wittenberg erhobenen Vorwu¨rfe, er falle damit den Lutheranern in den Ru¨cken und solidarisiere sich mit den Katholiken.466 Damit war zwar der Kern von Ludewigs Ansichten nicht getroffen, doch die Schlußfolgerungen widersprachen den Versuchen der hallischen Theologen, sich als bekenntnistreue Lutheraner auszuweisen. Ludewig erwies seiner Universita¨t einen Ba¨rendienst, als er sich zur Vero¨ffentlichung seiner Streitschrift entschloß. Daß er im Titelblatt angab, er habe die Schrift als Privatperson, nicht aber in seiner Eigenschaft als Rektor der Universita¨t geschrieben, konnte die Gegner nicht zufriedenstellen: zu sehr waren Amt und Person in diesem Fall miteinander verbunden. Der A¨rger u¨ber die Schrift wird an der Art und Weise deutlich, wie sie in den Berichten u¨ber die Jubelfeiern aufgenommen wurde. Zwar lautet der Bericht in den „Hilaria Evangelica“ so, als ha¨tte auch diese Vero¨ffentlichung dem Nachweis gedient, „daß die Universita¨t des Jubel-Fests nicht Conspectus Lectionum, S. 13 f. Joachim Lange, Wohlverdientes Ehren-Geda¨chtnis D. Martini Lutheri. 464 Conspectus Lectionum, S. 4. 465 Vgl. Hil. Ev. I, S. 305b-306a (Chur-Brandenburg E): Predigt am 20. p. Tr. uber Mt. ¨ 222–14: „Die eigentliche Beschaffenheit der Evangelischen Kirchen-Reformation, so durch Lutherum, den Mann GOttes geschehen ist. Wobey er zeigte 1. Derselben gru¨ndliche Beschaffenheit 2. Woran der Mangel derselben bey denen Seelen zu erkennen sey.“ Predigt am 21. p. Tr. u¨ber Joh. 447–54 : „Von denen Hu¨lfs-Mitteln, die GOtt verleihet, seine Kirche in der rechten Einigkeit des Glaubens zu reformieren und zu erhalten.“ Predigt am 22. p. Tr. u¨ber Mt. 1823–35: „Die Hindernisse . . ., welche wir bey dem Reformations-Werck zu vermeiden haben . . . I. Die sichere Unwissenheit / II. Die sichere Zweiffelmu¨thigkeit.“ 466 Zu dem Streit uber Ludewigs „Dica Ivbileorvm“ s. Kapitel II.2. ¨ 462 463

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sowol in a¨usserlichem Gepra¨nge und Gebra¨uchen, sondern im Geist und in der Wahrheit feyren ko¨nne. . .“467, aber in dem von Anton und Herrnschmid zusammengetragenen „O¨ffentlichen Jubel-Zeugniß“ wird Ludewigs Schrift mit keinem Wort erwa¨hnt. In den Tagen vor dem 31. Oktober fanden die Lectiones cursoriae der Promovenden Lange und Michaelis statt, die am 1. November gemeinsam mit Litthe und Herrnschmid promoviert werden sollten. Zu den Lectiones von Michaelis ist die Einladung Breithaupts u¨berliefert,468 derzufolge Michaelis am 25. und 26. Oktober mit Mt. 1618 („Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen . . .“) einen locus classicus der protestantischen Kontroverstheologie behandelt hat. Am 27. Oktober hielt er seine Disputation, und in den Tagen vom 28. Oktober bis zum 30. Oktober hielt auch Lange seine Lectiones und die Disputation. Am 31. Oktober und 1. November fanden die eigentlichen Feierlichkeiten der Universita¨t statt. Sie begannen mit dem von der ganzen Universita¨t besuchten Fest-Gottesdienst in der Universita¨tskirche um 8 Uhr,469 hierbei hielt Anton die Predigt u¨ber Mt. 251–13 (Das Gleichnis von den klugen und den to¨richten Jungfrauen). Am Nachmittag versammelte sich die Universita¨t erneut zum Fest-Gottesdienst, in dem Herrnschmid u¨ber Ps. 8015 f predigte („Gott Zebaoth, wende dich doch! Schaue vom Himmel und sieh darein, nimm dich dieses Weinstocks an!“). Tags darauf fanden die Promotionen im Rahmen des akademischen Festakts statt. Eine Stunde vor dem Festakt, um 9 Uhr, versammelten sich die Professoren im Universita¨ts-Kollegium, um in einer Prozession in das Auditorium einzuziehen. Den Auftakt des Festakts bildete Breithaupts Festrede.470 Im Anschluß daran wurde den drei Promovenden die Frage gestellt „An ordinatio Ecclesiae Ministrorum Augustanae Confessionis sit legitima“. Herrnschmid beantwortete sie ausfu¨hrlich, bevor den Promovenden die Doktorwu¨rde verliehen wurde.471 Damit waren die akademischen Jubila¨umsfeierlichkeiten in Halle abgeschlossen, die nach Antons Aufzeichnungen durch einen Ru¨ckblick auf das Zeitalter der Reformation in einem Collegium u¨ber den „Usus antitheticus ex Historia Reformationis“ in einer Lehrveranstaltung nachbereitet wurden. Bald darauf erschienen die Hil. Ev. I, S. 307a (Chur-Brandenburg E). Joachim Justus Breithaupt, AD LECTIONES CVRSORIAS . . . DIGNISSIMI DOCTORANDI, DN. IOANNIS HENRICI MICHAELIS INVITAT. 469 Hil. Ev. I, S. 307b (Chur-Brandenburg E). 470 Joachim Justus Breithaupt, ORATIO SECULARIS de Reformationis Evangelicae Impedimentis. 471 Friedrich Loofs, Jahrhundertfeier, S. 43 hat darauf hingewiesen, daß die Promotionen insofern an Bedeutung verloren, als der eine Promovend, Wilhelm von der Lith, schon 1700 pro licentia promoviert war und nun – Hil. Ev. I, S. 309a (Chur-Brandenburg E) – die Doktorwu¨rde in Abwesenheit verliehen bekam, wa¨hrend die u¨brigen Promovenden schon seit langer Zeit an der Theologischen Fakulta¨t als ordentliche Professoren lehrten und wohl nur pro forma promoviert wurden. 467 468

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zwei erwa¨hnten Predigtba¨nde mit den Festberichten und -predigten, die das Jubila¨um literarisch beschlossen. Loofs urteilt, die Aktivita¨ten der Hallischen Universita¨t seien verha¨ltnisma¨ßig spa¨rlich ausgefallen, wofu¨r er vor allen Dingen den Pro-Rektor Ludewig verantwortlich macht.472 Daß die pietistisch gepra¨gte Universita¨t nur zum Schein mitgefeiert haben soll, um dem Vorwurf der Heterodoxie zu begegnen, leuchtet angesichts der vergleichsweise intensiven Vorbereitungen in den Lehrveranstaltungen der Theologen jedoch nicht ein. Vielmehr hat die Theologische Fakulta¨t das Reformationsjubila¨um zu dem Versuch genutzt, die Hallenser Theologen als wahre Schu¨ler Luthers zu profilieren. Im u¨brigen steht fest, daß die bei der Vorbereitung und Durchfu¨hrung der Feier allein engagierte Theologische Fakulta¨t, die durch das Fehlen Franckes personell geschwa¨cht war, zwangsla¨ufig nur einen geringeren Beitrag zu den Feierlichkeiten liefern konnte, als eine Universita¨t, an der sich Professoren aller Fachbereiche aktiv an den Feierlichkeiten beteiligten. Francke hatte bald nach U¨bergabe seines Rektorats beim Ko¨nig um die Gewa¨hrung eines mehrwo¨chigen Urlaubs gebeten, um sich von den Strapazen der vergangenen Monate zu erholen,473 und war bald darauf zu einer Erholungsreise, der sogenannten „Reise ins Reich“, aufgebrochen.474 Wa¨hrend der Jubila¨umstage hielt er sich zuerst in Ingelfingen und in den folgenden Wochen an verschiedenen Orten in Wu¨rttemberg auf, wo er die o¨rtlichen Jubelfeiern mitgestaltet hat. Insgesamt sind von ihm drei Predigten u¨berliefert, die ausdru¨cklich als Jubelpredigten ausgewiesen sind. In Ingelfingen predigte er zweimal: am 31. Oktober u¨ber Apk. 310–11 und am 1. November u¨ber 1. Thess. 523–24, und drei Tage spa¨ter predigte er in Schwa¨bisch-Hall u¨ber Jes. 6110–11. In der Art und Weise, wie er hier seinen Ho¨rern die Gegenwartsbedeutung der Reformation vor Augen stellte und seine Kritik am bloßen historischen Gedenken zum Ausdruck brachte, ragen sie aus den u¨brigen Jubelschriften heraus. Zu einer fu¨r alle Beteiligten unangenehmen Situation kam es in Schwa¨bisch-Hall, als Francke voll Widerwillen das abendliche Festmahl u¨ber sich ergehen lassen mußte, bei dem „viel Wein und confect“ ausgeteilt wurde, weshalb er sich tags darauf beim Magistrat der Stadt u¨ber die Unma¨ßigkeiten bei dieser Feier beschwerte; sie stand fu¨r ihn in diametralem Gegensatz zu seiner Predigt vom Vormittag.475 Auch seine Anwesenheit bei der Antrittsrede Klemms

Friedrich Loofs, Jahrhundertfeier, S. 45. Das Urlaubsgesuch ist abgedruckt bei: Gustav Kramer, Neue Beitra¨ge, S. 157 f. 474 Vgl. zur „Reise ins Reich“ die sich erganzenden Beschreibungen von August Nebe, ¨ Franckes Reise ins Reich, und diejenige von Gustav Kramer, Neue Beitra¨ge, S. 188 ff; sowie die zusammenfassende Darstellung: von Martin Brecht, August Hermann Francke und der Hallische Pietismus, S. 513 f. 475 Gustav Kramer, Neue Beitrage, S. 191 f. ¨ 472 473

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in Tu¨bingen am 27. November, die zu den dortigen Feiern geho¨rte, bezeugt sein Interesse an den Jubelfeiern.476

12. Altdorf Neben Greifswald war Altdorf die kleinste lutherische Universita¨t im Reich. Sie war erst 1696 mit der Verleihung des Promotionsrechts an die Theologische Fakulta¨t zur Volluniversita¨t aufgestiegen. Im Ensemble der lutherischen Universita¨ten spielte Altdorf, was auch die Jubelfeiern von 1717 besta¨tigen, eine untergeordnete Rolle. Nachdem die Universita¨t zum Ausgang des 16. Jahrhunderts von Positionska¨mpfen u¨ber die Rezeption der reformatorischen Theologie gespalten worden war, wurde seitdem die strenge lutherische Lehre gepflegt. Bei der Besetzung der theologischen Professuren wurde auf die lutherische Pra¨gung der neuen Stelleninhaber Wert gelegt, Bewerber aus Jena wurden bevorzugt behandelt.477 In dieser Entwicklung bot das Jubila¨um von 1717 fu¨r die Universita¨t eine willkommene Mo¨glichkeit, das eigene lutherische Profil zu scha¨rfen, zumal die Einladung des Dresdener Oberkonsistoriums zur Beteiligung an den Feiern zeigt, daß auch die Zionswa¨chter des Luthertums in Dresden einige Hoffnung auf Altdorf setzten, was die zuku¨nftige Bewahrung des reformatorischen Erbes anging.478 Die Universita¨t in Altdorf hat jedoch, so scheint es, die sich damit bietende Gelegenheit ungenutzt verstreichen lassen:479 Sie hielt eine einzige Feierstunde anla¨ßlich des Jubila¨ums ab, und selbst diese beschra¨nkte sich, wenn man dem u¨berlieferten Programm Glauben schenken darf, auf ein kurzes Fest-Gedicht, das der Philosophieprofessor Schwarz abgefaßt und am 31. Oktober der versammelten Universita¨t vorgetragen hat. Bei aller Verachtung fu¨r die ro¨mische Prunksucht bei derartigen Anla¨ssen, von der das Altdorfer Programm zeugt,480 war dieses ein magerer Beitrag der S. o. S. 81. Gerhard Pfeiffer, Art. „Altdorf“, in: TRE 2, S. 328. 478 Den tatsachlichen Stellenwert, den Dresden Altdorf beimaß, zeigt der Kreis der Uni¨ versita¨ten, die neben Altdorf von Dresden aus umworben wurden: Rostock, Tu¨bingen, Jena und Straßburg, allesamt also Universita¨ten mit einer langen lutherischen Tradition, s. o. S. 35. 479 Professoren in Altdorf waren im Jahre 1717: Theologische Fakultat: Christophorus ¨ Sonntag (1654–1717), Gustav Georg Zeltner (1672–1738), Johann Wilhelm Baier (1675–1729), Juristische Fakulta¨t: Heinrich Hildebrand (1668–1729), Jo. Georg Fichtner (1673–1729), Eucharius Rinck (1670–1745), Ephraim Gerhard (1682–1718); Medizinische Fakulta¨t: Jo. Jacob Baier (1677–1735), Lorenz Heister (1683–1758), Jo. Jacob Jantke (1687–1768), Philosophische Fakulta¨t: Christian Gottlieb Schwarz (1675–1751), Jo. Heinrich Mu¨ller (1671–1731), Jo. David Koeler (1684–1755), Jacob Wilhelm Feuerlein (1689–1766). 480 Hil. Ev. II, S. 114b (Rector Universitatis Altorphinae): „Equidem haudquaquam opus 476 477

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Universita¨t, der um so mehr auffa¨llt, als die Stadt Nu¨rnberg eine sehr große Feier abgehalten hat.481 Nur eine einzige weitere Veranstaltung eines Universita¨tsangeho¨rigen, die noch dazu auf private Initiative zuru¨ckzufu¨hren sein du¨rfte, la¨ßt sich nachweisen: Johann Wilhelm Baier (1675–1729) veranstaltete eine Neuedition von Luthers Ablaßthesen und ließ am 3. November einen seiner Studenten, Matthias Asp, u¨ber die Thesen disputieren. A¨hnlich gleichgu¨ltig verhielten sich die Altdorfer, als Cyprian wenige Monate spa¨ter Material fu¨r seine Dokumentation des Jubila¨ums zu sammeln begann. Seine Anfrage blieb unbeantwortet; das einzige ihm zur Verfu¨gung gestellte Material u¨bersandte ihm die Nu¨rnberger Stadtgeistlichkeit. Auf dem Weg zur Etablierung als lutherische Universita¨t bedeutete das Reformationsjubila¨um fu¨r Altdorf einen Ru¨ckschritt. Den Schaden suchte Cyprian dadurch in Grenzen zu halten, daß er die wenigen ihm vorliegenden Texte aus Altdorf vollsta¨ndig in seine „Hilaria Evangelica“ aufnahm, und damit auch Altdorf, gegen dessen eigene offensichtliche Indifferenz, in die Heerschau des Luthertums einbezog.482

est, ut tanta pompa tantaque magnificentia sacrum saeculare transigamus; quanta olim Roma vetus suos celebravit ludos saeculares. At enimvero id maxime agemus, ut animum a caligine subductum excitemus ad verae pietatis sensum, ac DEO, omnium rerum parenti . . . puras emendatasque mentes afferamus . . .“ 481 Dies wird durch den Brief der Nurnberger Stadtgeistlichkeit an Cyprian vom 28. Ja¨ nuar 1718 besta¨tigt, in dem es heißt: „. . . was bey der lo¨bl. Universitaet Altdorf fu¨rgenommen worden, gibt das beykommende Programm und der Lateinische Hymnus secularis zu erkennen.“ (Vgl. ThStAGo, Oberkonsistorium Gotha, Generalia Loc. 26 Nr. 6). Auch die Festberichte von den Feierlichkeiten in Nu¨rnberg (Hil. Ev. I, S. 681–682; Nu¨rnberg C) handeln in zwei knappen Sa¨tzen die Feierlichkeiten in Altdorf ab. Die Indifferenz der Universita¨t hatte sich bereits im Vorfeld abgezeichnet. Wa¨hrend die Nu¨rnberger Stadtgeistlichkeit das an sie gerichtete Schreiben aus Dresden mit guten Wu¨nschen und in Vorfreude auf die Feier beantwortete (Schreiben der Pastoren und Diakone Nu¨rnbergs an das Dresdner Oberkonsistorium vom 21. Oktober 1717; Sa¨chsisches HStA, Geheimes Archiv, Loc. 1891, Bl. 71) reagierte die Universita¨t Altdorf u¨berhaupt nicht auf das Schreiben. A¨hnlich stellten sich die Verha¨ltnisse bei der Sa¨kularfeier von 1617 dar: die Stadt hat gefeiert, aber fu¨r die Universita¨t lassen sich keine Feierlichkeiten nachweisen. Vgl. Hans-Ju¨rgen Scho¨nsta¨dt, Antichrist, Weltheilsgeschehen und Gottes Werkzeug, S. 60 ff. 482 Hil. Ev. II, S. 113–116.

IV. Die Darstellung und Beurteilung der Kirchengeschichte in den akademischen Jubila¨umsschriften

Nachdem im vorstehenden Kapitel der a¨ußere Verlauf der Jubila¨umsfeierlichkeiten an den deutschen lutherischen Universita¨ten nachgezeichnet wurde, beschreiben die folgenden Kapitel die theologische und historische Darstellung der Reformation, ihrer Vorgeschichte sowie ihrer Wirkungen, wie sie die Jubila¨umsschriften, Predigten und u¨brigen akademischen Quellen schildern. Dem Kapitel geht eine Einfu¨hrung in die theologische und historiographische Methode voraus, der sich die Verfasser der Jubila¨umsschriften bedienen. Diese Hinfu¨hrung charakterisiert ausdru¨cklich nicht die historiographische Methode des 18. Jahrhunderts im allgemeinen; vielmehr geht es darum, anhand der fu¨r das Reformationsjubila¨um von 1717 verfaßten Jubila¨umsschriften aufzuzeigen, welche theologischen und historiographischen Kriterien die Verfasser der akademischen Jubila¨umsschriften leiten.

1. Die historiographische Methode a) Die Heilige Schrift als historiographischer Maßstab Wie der nachfolgende U¨berblick zeigen wird, bemu¨hen sich die Jubila¨umsschriften von 1717 um ein differenziertes Bild des reformatorischen Zeitalters, indem sie die Reformation in den weiteren Kontext der Zeitgeschichte stellen. Zur gleichen Zeit kommt der Heiligen Schrift als Kriterium fu¨r die historische und theologische Bewertung der Reformation eine im Vergleich mit 1617 vera¨nderte Bedeutung zu. Typologisch-heilsgeschichtliche Deutungen biblischer Texte im Hinblick auf die Reformation, wie Scho¨nsta¨dt sie fu¨r das Jubila¨um von 16171 und zum Teil auch noch fu¨r das Jubila¨um von 1717 anhand der offiziellen Verordnungen nachgewiesen hat,2 bilden in den akademischen Jubila¨umsschriften von 1 Hans-Jurgen Scho ¨ nsta¨dt, Antichrist, Weltheilsgeschehen und Gottes Werkzeug, ¨ S. 86 ff. 2 Hans-Jurgen Scho ¨ nsta¨dt, Reformationsjubila¨um 1717, S. 108: „Der Geschichtsver¨ lauf galt in den Schriften des Alten und Neuen Testamentes vorhergesagt, Papsttum, Re-

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1717 die Ausnahme.3 Und selbst den wenigen Schriften, die sich der typologischen Methode bedienen, mangelt es an theologischer U¨berzeugungskraft. Fu¨r den Versuch, die Reformation des 16. Jahrhunderts als Erfu¨llung biblischer Prophezeiungen darzustellen, sind immerhin noch die von Christoph August Heumann4 und Brandanus Henrici Gebhardi verfaßten Auslegungen der Johannes-Apokalypse als beispielhaft nennenswert. Heumann versucht in seiner Schrift eine zeitgeschichtliche Auslegung der Johannes-Apokalypse, mit der er die Reformation in den von Johannes prophezeiten Verlauf der Heils- und Weltgeschichte einordnet.5 Grundsa¨tzlich unterscheidet er zuru¨ckliegende historische Ereignisse, die sich mit bestimmten Schriftstellen identifizieren lassen, und Prophezeiungen zuku¨nftiger Geschehnisse, deren Erfu¨llung noch aussteht. Sein Hauptaugenmerk richtet er gema¨ß dem Grundsatz, daß die Apokalypse dem Versta¨ndnis der Vergangenheit, nicht aber der Vorschau in die Zukunft diene, auf die bereits erfu¨llten Prophezeiungen.6 Unter der Pra¨misse, daß die welt- und heilsgeschichtlichen Geschehnisse in der Reihenfolge ablaufen, wie die Apokalypse sie vorhersagt,7 beziehen sich Apk. 5–11 nach Heumanns Deutung auf Geschehnisse vor der Reformation: auf die Entstehung des Christentums (Apk. 6),8 auf die ersten Christenverfolgungen (Apk. 7),9 auf die Protektion des Christentums durch Kaiser Konformation und Luther waren demgema¨ß in der H. Schrift pra¨figuriert. Die Verordnungen und vor allem die als Grundlage fu¨r die Jubila¨umspredigten verordneten Bibeltexte brachten diese U¨berzeugung auch im Jahre 1717 klar und unmißversta¨ndlich zum Ausdruck.“ 3 Diese Tendenz in der orthodoxen Kirchengeschichtsschreibung, auf ausfuhrliche bi¨ blische Belege oder Argumentationen zu verzichten, ist seit der Mitte des 17. Jahrhunderts zu beobachten; vgl. Klaus Wetzel, Theologische Kirchengeschichtsschreibung, S. 177. 4 Die Tatsache, daß Heumann sich in seiner Exegese als Erbe der in der lutherischen Orthodoxie geu¨bten Schriftauslegung pra¨sentiert, zeigt, wie sehr die traditionellen Deutungsmuster der Reformation 1717 im Fluß sind. Denn, wie Scribner richtig feststellt, ist es Heumann, der sich in anderen Zusammenha¨ngen des Jubila¨ums als einer der wenigen Kritiker an der klassischen Reformationsgeschichtsschreibung und Luther-Deutung bemerkbar machte (R. W. Scribner, Luther Myth, S. 312). 5 Christoph August Heumann, De Luthero apocalyptico, Praefatio, b1r: „Adspirare pio conatui visus est, sanctissimus DEI Spiritus, animoque diu multumque in omnes partes versato aenigma aliud ex alio feliciter solui, & in sacratissima mysteria altius in dies penetraui, donec totam Ecclesiae Christianae historiam inde ab ortu suo vsque ad nostra tempora retexui.“ 6 Christoph August Heumann, De Luthero apocalyptico, S. 2 f. 7 Christoph August Heumann, De Luthero apocalyptico, Praefatio, b3r: „Nulla enim vtor hypothesi precaria, sed Apocalypsin interpretor ex Apocalypsi, ac ordine non interrupto historiam texo ecclesiasticam aenigmatibus propheticis inuolutam, ostendens, quam concinne euentus respondeant praedictionibus.“ Daß die Apokalypse selbst diesen Anspruch erhebt, ergibt sich gema¨ß Heumann aus Apk. 5, 1 (Ders., De Luthero apocalyptico, S. 7). 8 Christoph August Heumann, De Luthero apocalyptico, S. 7 f. 9 Christoph August Heumann, De Luthero apocalyptico, S. 9: „Hoc igitur capite septimo commemorantur persecutiones omnes, sub Imperatoribus ethnicis factae, quas uno fasce complexus est Ioannes, summis tantum notatis capitibus.“

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stantin, erste durch den Arianismus bedingte Kirchenspaltungen, den Auftritt des morgenla¨ndischen (Apk.8)10 und des abendla¨ndischen Antichrists (Apk. 9)11 sowie auf die Reformbemu¨hungen des Mittelalters (Apk. 10 f)12. Apk. 12 schließlich versteht Heumann als eindeutige Anku¨ndigung der Reformation,13 die neben dem Faktum der Reformation in wesentlichen Zu¨gen auch schon deren Verlauf vorhersagt.14 Dazu geho¨ren der vom Satan bewirkte Widerstand Roms gegen Luther,15 die Entlarvung des antichristlichen Wesens der ro¨misch-katholischen Kirche, das Walten der go¨ttlichen Providenz wa¨hrend der Reformation16 und die Unterstu¨tzung der reformatorischen Bewegung durch einzelne Reichsfu¨rsten.17 A¨hnlich wie Heumann begru¨ndet Gebhardi seine Auffassung, die Reformation sei in der Heiligen Schrift angeku¨ndigt, anhand von Apk. 11 – der nach seinem Versta¨ndnis eindeutigsten der in der Johannes-Apokalypse enthaltenen Prophezeiungen der Reformation.18 Gebhardi zufolge prophezeit Apk. 11 die Verdra¨ngung der Gla¨ubigen durch den Antichrist, dessen letzte Erscheinungsform das Papsttum ist, nachdem er zuvor in anderen Gestalten die Kirche beka¨mpft hatte.19 Die Reformation mu¨sse als Kampf der wahren Kirche gegen den im Gewand des ro¨mischen Papsttums auftretenden Antichrist verstanden werden.20 Gott hat das EnChristoph August Heumann, De Luthero apocalyptico, S. 9 ff. Christoph August Heumann, De Luthero apocalyptico, S. 12: „Tandem prodiit Antichristus occidentis Cap. IX. 1. Vti enim cap. VIII. 10 per stellam coelo delapsam significatur magnus ille Orientis Pseudoapostolus, Muhammedes: sic hoc loco pariter magnus doctrinae corruptor denotatur, Pontifex Romanvs.“ 12 Christoph August Heumann, De Luthero apocalyptico, S. 15 ff. 13 Christoph August Heumann, De Luthero apocalyptico, S. 4 erklart ausdrucklich ge¨ ¨ gen die bekannte These, die Reformation sei in Apk. 14, 3 ff angeku¨ndigt: „Verum in eo iam sum, vt quam fieri potest, manifestissimum faciam, totum caput XII. Apocalypseos religionis emendationi, quae saeculo XVI. facta est, describendae diuinitus destinatum esse.“ Schon in Apk. 13 sei von Ereignissen die Rede, „quae proxime post Lutheri tempora gesta sunt.“ (ebd., S. 5). 14 Christoph August Heumann, De Luthero apocalyptico, S. 19: „Nunc igitur Cap. XII. graphice describitur Reformatio illa Lutheri.“ 15 Christoph August Heumann, De Luthero apocalyptico, S. 20: „Immo postquam latius progressa est religio in lucem reuocata, Papaeque auctoritas vacillare coepit, serio de opprimendis Lutheranis cogitauit Satanas, sive, qui ipsius instrumentum est & legatus, Pontifex Romanus . . .“. 16 Christoph August Heumann, De Luthero apocalyptico, S. 23: „Sed iam non vincuntur Protestantes a Pontificiis: imo hi eiiciuntur e coelo [Zitat aus Apk. 12, 8], hoc est, publice demonstratur, eos falsam esse ecclesiam, & Papam esse Antichristum.“ 17 Christoph August Heumann, De Luthero apocalyptico, S. 24. 18 Brandanus Henricus Gebhardi, Vaticinium Johanneum, S. 1: „De Martino Luthero, vero nostro postremis his temporibus Elia, multa qvidem passim praeclara in Apocalypsi Johannea praedicantur, at nulla tamen evidentior prophetia in ea de ipso invenitur, quam qua Capite XI. exstat.“ 19 Brandanus Henricus Gebhardi, Vaticinium Johanneum, S. 4. 20 Brandanus Henricus Gebhardi, Vaticinium Johanneum, S. 6: „Si autem spirituali mo10 11

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de dieses Kampfes eingeleitet, als er seiner Kirche zwei Zeugen mit dem Auftrag sandte, die rechte Verwaltung von Wort und Sakrament wiederherzustellen und den Antichrist zu beka¨mpfen.21 Erschwert wurde dieser Kampf gegen den „Pa¨pstischen Anti-Christ“22, weil zahlreiche weltliche Herrscher vom Papst abha¨ngig waren und die Boten Gottes vom Papsttum besiegt schienen.23 Nach Ablauf der von Gott festgesetzten Epoche des Verfalls wird es dennoch zum Sieg u¨ber den Antichrist kommen, wofu¨r die Reformation Luthers den Auftakt gebildet habe.24 Denn der Kampf zwischen wahrer und falscher Kirche wird so verlaufen, wie er bereits in der Geschichte des Propheten Elias als Typologie fu¨r den tatsa¨chlichen Verlauf der Heilsgeschichte pra¨figuriert ist: als Sieg des Heiligen Rests der wahren Gla¨ubigen u¨ber die ungla¨ubigen Anha¨nger der falschen Kirche.25 Offensichtlich waren beide Verfasser, Heumann wie Gebhardi, darum bemu¨ht, die Legitimita¨t der Reformation und deren heilsgeschichtliche Bedeutung nachzuweisen, indem sie diese als Erfu¨llung biblischer Weissagungen und Verheißungen beschrieben. Gleichwohl zeigen ihre Auslegungen den allgemeinen Bedeutungsverlust, den die typologische Deutung biblischer Texte fu¨r das Versta¨ndnis der Reformation inzwischen erlitten hat. Nur mit großer Zuru¨ckhaltung und in allgemein gehaltenen Beobachtungen zeichnen sie die vermeintlich eindeutigen, zwischen den biblischen Prophezeiungen und deren Erfu¨llung in der Reformationsgeschichte bestehenden Verbindungen nach. Die in beiden Auslegungen rezipierte Charakterisierung der ro¨mischen Kirche als Kirche des Antichrists und der evangelischen Kirche als der wahren Kirche verliert angesichts der von Heumann und Gebhardi geu¨bten sprachlichen und exegetischen Zuru¨ckhaltung ihre Stoßkraft. Doch selbst diese zuru¨ckhaltenden, auf die Verurteilung der ro¨misch-katholischen und das Lob der evangelischen

do corruet urbs, non intelligi potest Roma, sed civitas Anti-Christi, qvae inde a primis Ecclesiae incunabulis in pios grassata est, ita ut olim nobilitata fuerit cum Sodomitarum furore in Martyrem Christi Lothum, . . . tum Pharaonis saevitia in Mosen Christi Martyrem, . . . deniqve & Synedrii in Christum fidelem testem injuria, unde & Sodoma, & Aegyptus, & Jerusalem dicitur: postremo Pontificis Romani crudelissimis persecutionibus.“ 21 Brandanus Henricus Gebhardi, Vaticinium Johanneum, S. 5. 22 Brandanus Henricus Gebhardi, Vaticinium Johanneum, S. 2. 23 Brandanus Henricus Gebhardi, Vaticinium Johanneum, S. 5. 24 Brandanus Henricus Gebhardi, Vaticinium Johanneum, S. 7: „Terminantur ergo hi tres dies cum semisse in ortu Lutheri, ex quo adhuc fluent duo dies cum semisse usqve ad consummationem seculi, ut ita exactis sex diebus seqvatur Sabbatum aeternae gloriae.“ 25 Brandanus Henricus Gebhardi, Vaticinium Johanneum, S. 8: „5. Elias surgit in Luthero; Ille enim postqvam Idolatriam Papalem manifestaverat, multi oppressi hactenus confessores prodeunt. 6. Elia praedicante Idolatria magnum decrementum accepit: Luthero praedicante decima pars regni Anti-Christiani cadit. . . . 9. Elias nihilominus minis Jesebelis subest . . . Sic & Lutherus cum suis paraza´taiß discipulis minis Romani Pontificis.“

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Kirche gemu¨nzten typologischen Auslegungen bilden in den Jubila¨umsschriften von 1717 nur noch die Ausnahme.26 Ein Grund dafu¨r bestand in dem kaiserlichen Friedensgebot, das den Gebrauch biblischer Texte zum Zweck der konfessionellen Polemik einschra¨nkte.27 Zeigen doch die Beispiele Heumanns und Gebhardis, wie gut Topoi konfessioneller Polemik angebracht werden konnten, wenn man sich der typologischen Auslegung bediente: sei es die Identifikation Roms mit dem Antichrist, die Anku¨ndigung von dessen bevorstehendem Ende oder das u¨berschwengliche Lob der reformatorischen Wahrheitszeugen. Doch auch im Umgang mit biblischen Texten, die nicht in den Dienst der konfessionellen Polemik gestellt wurden, findet die typologische Auslegungsmethode inzwischen immer seltenere Anwendung. Es sind nicht allein die konfessionalistisch-polemischen Theologumena, die im Kontext des Jubila¨ums verschwinden, es ist der Umgang mit der Schrift als solcher, der sich vera¨ndert. An die Stelle der rein typologischen Schriftauslegung treten zwei andere Ansa¨tze, die Heilige Schrift fu¨r die Deutung der Reformation heranzuziehen. Zum einen verwenden viele Verfasser die Heilige Schrift als Maßstab fu¨r die Beurteilung historischer Ereignisse, ohne daß biblischer Text und historisches Ereignis sich zueinander verhalten mu¨ßten wie Verheißung und Erfu¨llung. Wichtig sind statt dessen Strukturanalogien, die sich zwischen biblischen Texten und historischen Ereignissen aufzeigen lassen, womit die Mo¨glichkeit geschaffen ist, historische Ereignisse unter Beru¨cksichtigung dieses Analogieverha¨ltnisses anhand biblischer Texte zu deuten und zu bewerten. Zweitens fa¨llt das Bemu¨hen auf, mit Hilfe der Heiligen Schrift die positive Beschreibung einer legitimen Reformation zu entwerfen, deren Zweck nicht die Kritik am konfessionellen Gegner, sondern die Verifikation der eigenen, lutherischen Position ist. Die biblische U¨berlieferung wird als allgemeingu¨ltige Offenbarung des go¨ttlichen Willens verstanden, die unter Beru¨cksichtigung ihres exemplarischen Charakters auf die Bedu¨rfnisse und Gegebenheiten jeder Epoche neu angewandt werden muß. Derartige am biblischen Vorbild orientierte Charakterisierungen legitimer Reformen und Reformationen innerhalb der christlichen Kirche leiten die Jubila¨umsschriften mit dem Hinweis auf die Fehlbarkeit und auf die immer neue Reformbedu¨rftigkeit der Kirche ein. Die Kirche gilt ihnen, entgegen der Auffassung ro¨misch-katholischer Theologen, als fehlbare Versammlung von Gla¨ubigen, die seit Erschaffung der Welt zwar um die rechte, Gott wohlgefa¨llige Form der Gottesverehrung bemu¨ht ist, ungeachtet aller ihrer Bemu¨hungen aber immer wieder von Gott abfa¨llt.28 26 A ¨ hnliche Auslegungen finden sich bei Valentin Ernst Lo¨scher, Jubel-Predigten, S. 6 ff. Johann Franz Buddeus, Ivdicivm Martini Lvtheri, S. 29 ff. 27 Siehe dazu Kapitel II.2. 28 Johann Franz Buddeus, De characteribvs, S. 30: „Ipsa enim sacri paradisi ecclesia,

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Einzelne in der Bibel berichtete Reformationen (1. Ko¨n. 18 f; 2. Ko¨n. 11 f) legen die Vermutung nahe, daß den Reformen oftmals ein nahezu vollsta¨ndiger Verfall der Kirche vorangegangen ist.29 Nach May muß die Geschichte vom Su¨ndenfall (Gen. 3) als besta¨ndig gu¨ltige Beschreibung des zwischen Gott und dem Satan andauernden Kampfes um die Herrschaft u¨ber den Kosmos verstanden werden, in den die Kirche unmittelbar einbezogen ist.30 Dem Verfall der Kirche steht der Wille Gottes entgegen, die Menschen zu ihrer urspru¨nglichen Bestimmung zuru¨ckzufu¨hren und sie auf dem Weg dahin zu begleiten (2. Kor. 318).31 Zu diesem Zweck hat er zu allen Zeiten Reformer berufen und Reformen veranlaßt.32 Angesichts dieses immer wieder mo¨glichen Abweichens der Kirche von dem ihr durch Gott gewiesenen Weg, ist es der Zweck der Reformen, die Ehre und den Ruhm Gottes wiederherzustellen, indem sie das Licht des Wortes Gottes neu in der Welt ausbreiten. Reformen dienen dem Heil der Menschen: Ihnen wird das Wort Gottes neu erschlossen, sie empfangen mit neuer Achtung und Freude die Sakramente, sie bemu¨hen sich versta¨rkt um die Fu¨hrung eines Gott gefa¨lligen Lebens.33 Nach einer Definition von Buddeus geht es bei allen Reformationen um die Sa¨uberung oder Wiederherstellung der im Laufe der Zeit verunreinigten oder entstellten christlichen Fundamentallehren und damit um die Wiederherstellung der zwischenzeitlich von der ecclesia falsa verdra¨ngten ecclesia vera. Solche Reformen geschehen immer zum Wohl der Kirche und zum Wohl der be-

quae perfecta ac integra fruebatur sapientia ac sanctitate, ad quam nullius posthac vnquam ecclesiae membra peruenerunt, non fuit infallibilis, sed mox post iacta eius a Deo T. O. M. fundamenta ita defecit, vt insigni certe & peculiari quadam reformatione maxime opus haberet.“; Martin Chladenius, De Israelis, S. 26 f. Damit knu¨pfen die Jubila¨umsschriften an eine wesentliche Tendenz der Ekklesiologie in der orthodox-lutherischen Dogmatik, die sich (mit berechtigtem Bezug auf Luther) dezidiert gegen die ro¨misch-katholische Lehre von einer infallibilitas ecclesiae aussprechen, insofern dieser Anspruch als Wesensmerkmal der ro¨misch-katholischen Kirche und den von ihr als legitim anerkannten Konzilien angewandt wurde. Zur ro¨misch-katholischen Position vgl. Bellarmins These: „Nostra sententia est, ecclesiam absolute non posse errare, nec in rebus absolute necessariis nec in aliis . . .“ (Ders., Disputationes de controversiis christianae fidei, Tomus 2, Controversia Prima, Lib. III, Cap. II). 29 Franz Albert Aepin, Reformationis lutheranae opus, S. 7. Johann Franz Buddeus, De characteribvs, S. 3 f. 30 Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 3 f. 31 Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 22. 32 Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 2. 33 Bernhard von Sanden, Unterricht, Frage 7: Reformation der Kirche bedeutet: „die eingerissenen Mißbra¨uche und Irrthu¨mer abschaffen / und dagegen die reine Lehre / den rechten Gebrauch der Sacramenten wieder auffrichten / und ein Christliches Leben einfu¨hren . . .“ Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 9: „Finis reformationis est gloria Dei, & hominum seductorum atque a salutis via aberrantium reuocatio & restitutio.“

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troffenen Gla¨ubigen, die fu¨r ihren Glaubensweg neu auf Gott hin ausgerichtet werden.34 Zu den Merkmalen einer legitimen Reformation geho¨rt nach Darstellung der Jubila¨umsschriften, daß sie auf Gott als ihren Urheber zuru¨ckzufu¨hren ist, in dessen Macht allein die Wiederherstellung der wahren Kirche steht.35 Der Maßstab fu¨r Form und Inhalt der Reformation ist mit der Heiligen Schrift gegeben; die besta¨ndige Orientierung am Wort Gottes als allein bindender Norm ist conditio sine qua non fu¨r das Gelingen einer jeden Reformation. Nur aus dem Wort Gottes ist zu erkennen, welche Vera¨nderungen notwendig sind und welche nicht. Allein die besta¨ndige Ausrichtung an Gottes Wort verhindert, daß nebensa¨chliche Fragestellungen unno¨tiges Gewicht bekommen (Mt. 2324)36 oder daß verschiedene Reformideen den Gla¨ubigen nicht mehr einsichtig sind (1. Kor. 1023). Wenn sich jede echte Reformation nicht etwa nur auf einzelne Grundgedanken beschra¨nkt, sondern auf eine ganzheitliche Verbesserung der bestehenden Verha¨ltnisse abzielt,37 muß ihr Zentrum immer bei den Grundlagen des geistlichen Lebens und der geistlichen Grundlehren liegen und hieran erkennbar bleiben.38 Andererseits ist es ein Zeichen fu¨r das Wirken der providentia Dei, wenn a¨ußere Umsta¨nde einer Reform zu Hilfe kommen39 und sie a¨ußerlich sichtbaren Erfolg hat, der bisweilen 34 Johann Franz Buddeus, De characteribvs, S. 4: „per reformationem quandam, praecipuarum & fundamentalium, religionis doctrinarum, temporis successu corruptarum aut neglectarum emendationem, seu restitutionem, vi cuius multis erroribus, qui antea tanquam veritates publice in ecclesia approbati & propositi fuere, omissis & refutatis, veritas pura iterum docetur, mortalibusque vera ad veram salutem via rursus clare, sufficienter & recte ex diuino verbo ostenditur, intelligimus.“ 35 Gottlieb Wernsdorf, De primordiis, S. 4: „Itaque factum, ut, quum temporibus V. T. non raro nunc imperantium in republica, nunc docentium in Ecclesia culpa, inquinarentur sacra, nemo unquam privato vel consilio, vel ausu emendationem illorum aggressus fuerit, sed DEI est expectatum auxilium, qui per servos suos, eandem suo tempore certo secuturam esse, promisit.“ 36 Johann Franz Buddeus, De characteribvs, S. 13 f. 37 Tatsachlich schlagt sich in den Jubilaumsschriften der Unterschied zwischen dem pie¨ ¨ ¨ tistischen Anliegen einer Universalreform von Kirche und Gesellschaft einerseits und dem aus der Zwei-Reiche-Lehre erwachsenden Ruf nach Abtrennung kirchlicher Reformen von allen staatlichen Vorgaben andererseits nieder. Nicht zuletzt zeugt der Stellenwert, der Mt. 2215–22 als einem der am ha¨ufigsten verordneten Predigttexte zukam, von der allgemeinen Aufmerksamkeit, die dem Thema entgegengebracht wurde. 38 Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 5: „Principium & norma ac regula irreformabilis & infallibilis, secundum quam institui debet Reformatio, est verbum DEI aeternum, a quo apostasia & defectus sit; vnde fieri aliter nequit, quam vt eo reducatur & ad istum lydium lapidem exigatur, examinetur ac probetur omnis error.“ Joachim Justus Breithaupt, Hil. Ev. II, S. 41a (Oratio secvlaris). Dieser schildert die prinzipielle Bedeutung der Heiligen Schrift fu¨r die Entstehung der Reformation und urteilt u¨ber die Reformation selbst: „Haec si non est justa reformatio , quaenam erit? sin omnino est, per alium meditationis tramitem assequenda non erit.“ 39 Johann Franz Buddeus, De characteribvs, S. 7 f. Gottlieb Wernsdorf, De primordiis, S. 5.

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weit u¨ber die Kirche hinausstrahlen kann.40 Zu der besonderen Eigenschaft des Wortes Gottes geho¨rt es, daß es nicht nur als norma reformationis, sondern im Sinne der Augsburgischen Konfession auch als vis reformationis wirksam wird.41 Allein mit der Macht des Wortes Gottes ist es mo¨glich, Irrlehren zu widerlegen:42 Schon in der Vergangenheit wurden die Siege des Volkes Gottes „allein durch das Schwerdt des Geistes das Wort GOttes“ errungen,43 und auch vom endgu¨ltigen Sieg Gottes u¨ber den Antichrist heißt es, dieser werde nicht mit menschlichen Waffen, sondern durch Gottes Geist errungen (2. Thess. 28; Apk. 1921).44 Angesichts der Ha¨rte, mit der man in Frankreich seit dem Widerruf des Edikts von Nantes gegen die Hugenotten vorging, kann es als unterschwellige Kritik an der ro¨misch-katholischen Kirche verstanden werden, wenn die Jubila¨umsschriften betonen, echte Reformationen sollten in die wahre Kirche Gottes immer nur einladen, ohne daß dabei Gewalt angewandt werden du¨rfe (Lk. 1423).45 Analog gilt fu¨r Buddeus, daß die mit einer Reform befaßten Ma¨nner und Frauen nicht von sich aus die Trennung der gereinigten Kirche von den noch nicht reformierten Teilen der Kirche betreiben du¨rfen. Wenn es zur Trennung von der Kirche kommen muß, soll diese von den Reformationsgegnern herbeigefu¨hrt werden.46 U¨berdies verbessern die Reformer nach seiner Auffassung durch ihren Verbleib in der Kirche die Mo¨glichkeiten fu¨r die weitere Ausbreitung der Reformation innerhalb ihrer Kirche.47 Mit der Durchfu¨hrung einer Reformation beauftragt Gott seine Diener, seien es nun, in besonderen Fa¨llen, Engel oder aber zur Reformation begabte und auserwa¨hlte Menschen. Diese erhalten eine eindeutige Berufung Gottes fu¨r ihr reformatorisches Amt, in Ausnahmefa¨llen eine unmittelbar geoffenbarte Berufung, in der Regel jedoch eine mittelbare Berufung durch Gottes Wort und die ecclesia visibilis. Die Hauptaufgabe die-

Johann Franz Buddeus, De characteribvs, S. 18 f. CA 28, 20–21, in: BSLK, S. 123 f. 42 Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 17 f. 43 Bernhard von Sanden, Predigten, S. 68. 44 Johann Heinrich Michaelis, De rege Ezechia, S. 39. 45 So stellt Chladenius die These auf: Indoles Religionis Christianae non permittit, ut ad illam homines vi externa cogi possint aut debeant. Und als abschreckendes Gegenbeispiel weist er auf die Praxis der Pa¨pste hin, „. . . qui non solum calamo propugnant sanguinolentam istam thesin: Igni & ferro esse utendum ad propagandam Religionem Christianam; sed & facto ipso declarant, quam alieni sint a mente Christi mansueta.“ (Martin Chladenius, De Israelis, S. 19). A¨hnlich: Johann Franz Buddeus, De characteribvs, S. 12 f. Zum Vorgehen gegen die Hugenotten in Frankreich vgl.: Bernard Dompnier, Frankreich, S. 131 ff. 46 Johann Heinrich Michaelis, De rege Ezechia, S. 36: „DEVS, ubi liberare suos vult, caussam etiam honestam illis praestat . . . Sic etiam Lutherus , cum suis a Romano Pontifice per tyrannidem excommunicatus, schisma non fecit, sed iniustam segregationem passus fuit.“ Johann Franz Buddeus, De characteribvs, S. 14. Bernhard von Sanden, Predigten, S. 142. 47 Johann Franz Buddeus, De characteribvs, S. 14 f. 40 41

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ser Reformatoren besteht darin, die Reformation auf das Wort Gottes und seine zentralen Lehren zu konzentrieren. Dies setzt voraus, daß sie selbst fest in der christlichen Lehre stehen und ihr Leben gema¨ß dem Wort Gottes einrichten. Insofern muß sich ein von Gott berufener Reformator zuallererst selbst „reformieren“ lassen, bevor er eine Reformation unternimmt. Nur so kann er u¨berzeugend fu¨r seine Reformen werben und in Leben und Lehre ein glaubwu¨rdiges Vorbild abgeben, – Anforderungen an die perso¨nliche Eignung des Reformators, die mit gleichem Ernst von dem strengen Lutheraner Wernsdorf48 wie von dem eher pietistisch gesonnenen May49 oder auch Buddeus50 erhoben wurden. U¨blicherweise aber beruft Gott nicht nur eine Einzelperson zum reformatorischen Amt, sondern eine Gruppe von Menschen, die keineswegs allesamt der Geistlichkeit, geschweige denn dem ho¨heren Klerus angeho¨ren mu¨ssen. Buddeus spricht mit Hinweis auf 1. Petr. 29 ausdru¨cklich von der Berufung von Laien in den reformatorischen Dienst, wenn es auch Aufgabe der theologisch Gebildeten bleibt, u¨ber Inhalt und Verlauf der Reformation zu wachen.51 Wie fu¨r die gesamte Reformation, so gilt auch fu¨r das Vorgehen der einzelnen Reformatoren, daß sie sich gewaltta¨tiger Ausbru¨che gegen ihre Gegner enthalten mu¨ssen.52 Mit derartigen Anwendungen biblischer Texte auf historische Ereignisse der Reformation zeichnet sich in der Deutung der Reformationsgeschichte ein Wandel ab. Bleibt die Autorita¨t der Heiligen Schrift als Norm zur Deutung und Bewertung der Reformation auch unangetastet, so verschiebt sich doch ihre Funktion. Nur wenigen Verfassern geht es noch darum, anhand biblischer Zeugnisse die Reformation Luthers als das eine und einmalige, seit vielen Jahrhunderten vorausgesagte Ereignis zu beschreiben. Sie behaupten vielmehr, daß es zu allen Zeiten von Gott inspirierte Reformationen gegeben hat, zu denen die Reformation Luthers zu za¨hlen sei. Dabei ist es nicht allein so, daß die biblischen Vorbilder das Faktum der Reformation Luthers als solches legitimieren; sondern auch die Art und Weise, wie die Reformation Luthers vonstatten ging, weist alle diejenigen Merkmale auf, die als Merkmale einer von Gott gewollten und gesegneten Reformation aus der biblischen U¨berlieferung erhoben werden ko¨nnen. Nicht die biblischen Prophezeiungen sind es, denen zufolge die Reformation als von Gott gewollte Vera¨nderung der kirchlichen Verha¨ltnisse eintrifft. Es ist vielmehr die inhaltliche und struk-

Gottlieb Wernsdorf, Jubel-Groschen, S. 12. Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 157. 50 Johann Franz Buddeus, De characteribvs, S. 9 f. 51 Johann Franz Buddeus, De characteribvs, S. 5. 52 Johann Heinrich May geht naher auf die Totung der Baalspriester durch Elias ein, ¨ ¨ die zwar mit dem ius talionis zu erkla¨ren sei, aber dennoch kein u¨bliches Verhalten fu¨r Reformatoren darstelle: „Certum est, Reformatores non esse turbatores, sed emendatores & correctores. Tyranni id faciunt, qualis erat Achabus.“ (Historia Reformationis, S. 320 f). 48 49

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turelle Konformita¨t mit dem geoffenbarten Wort Gottes und die Orientierung an Gottes Gebot, anhand deren sich die Reformation und die Reformatoren als von Gott legitimiert erkennen lassen. Merkmale, die sich auf die Reformation Luthers anwenden lassen, ko¨nnen u¨berdies auch als Maßstab fu¨r ku¨nftige kirchliche Reformen gelten und lassen die Reformation Luthers zum Vorbild weiterer Reformationen der Kirche werden.53 b) Historiographische Aspekte Neben dem Wandel bei der Verwendung der Heiligen Schrift als Garantie und Maßstab fu¨r die theologische Bewertung der Reformation vollziehen die Jubila¨umsschriften einen Wandel im Versta¨ndnis der Reformation als heilsgeschichtlicher respektive historischer Epoche. Auf der einen Seite folgen die Jubila¨umsschriften vertrauten Mustern der heilsgeschichtlichen Deutung und schildern das Zeitalter der Reformation als rettendes Eingreifen Gottes in den Lauf der Welt- und Heilsgeschichte. Dabei bildet die Schilderung der Jahrhunderte vor der Reformation die Voraussetzung. Nur vor diesem historischen und theologischen Hintergrund scheint es den Verfassern mo¨glich und sinnvoll, an den Ursprung der evangelischen Kirche zu erinnern und die Wohltaten zu loben, die Gott der Christenheit mit der Reformation erwiesen hat.54 Die zu diesem Zweck zusammengetragenen historischen Fakten ergeben ein mosaikartiges Bild von fast 1500 Jahren Kirchengeschichte, die sich zu einem Geschichtsbild zusammenfu¨gen, das aus theologischer Perspektive eindeutig ist: zu dem Bild der vom wahren Glauben abgefallenen Kirche des Mittelalters. Dabei rekurrieren die Verfasser fu¨r die bisweilen drastischen Schilderungen der Verfallserscheinungen in der mittelalterlichen Kirche mo¨glichst auf Werke von zeitgeno¨ssischen ro¨misch-katholischen Autoren. Mit diesem von Flacius in die protestantische Geschichtsschreibung eingefu¨hrten Verfahren soll fu¨r die Leser die Glaubwu¨rdigkeit der Belege betont werden.55 Die protestantischen Theologen

53 Charakteristisch ist die Deutung der Exodus-Erzahlung bei Martin Chladenius: Er ¨ u¨bertra¨gt viele Aspekte der Erza¨hlung auf die Reformation Luthers und den heilsgeschichtlichen Kampf, in dessen Kontext sie einzuordnen ist. Die ausschließliche Deutung der Perikope auf das Zeitalter der Reformation schließt er jedoch aus, sie sei geradezu ein allgemeines „Vorbild / wie es der wahren Kirche GOttes / und dessen Volck zu allen Zeiten / ob wohl nicht mit allen diesen Umsta¨nden / zu ergehen pfleget.“ (Ders., Das Unschuldige Frolocken, S. 34). Johann Franz Buddeus, De characteribvs, S. 31. 54 Dieses verdeutlicht exemplarisch der U ¨ berblick u¨ber die Inhalte seiner reformationsgeschichtlichen Vorlesung, die Christian Scho¨ttgen in Frankfurt / Oder zur Vorbereitung auf das Jubila¨um gehalten hat. Daran nahmen die ersten 15 Jahrhunderte der Christenheit, quasi als Vorgeschichte der Reformation, deutlich mehr Raum ein, als die Darstellung der Reformation selbst; vgl. Christian Scho¨ttgen, Conspectus Lectionum. 55 Johann Wolfgang Iaeger, Wirtembergiae lvtheranae laetae candor, S. 12: „Habeant

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ersparen sich dadurch den Vorwurf einer Verleumdung der ro¨misch-katholischen Kirche. In dieser negativen Schilderung der ersten fu¨nfzehn Jahrhunderte der Kirchengeschichte zeigt sich die Verwurzelung der akademischen Jubila¨umsschriften von 1717 in der lutherisch-orthodoxen Tradition der Kirchengeschichtsschreibung. Nach dem nahezu vollsta¨ndigen Verfall der mittelalterlichen Kirche, in der allein durch den Dienst der „testes veritatis“ die reine Lehre bewahrt blieb, sind es das Leben und Werk Martin Luthers, an denen der Wille Gottes erkennbar wird, seine Kirche zu erneuern und das Licht des Evangeliums neu auszubreiten. Der Thesenanschlag gilt als der von Gott gesetzte Anfang zur Befreiung seiner Kirche aus ihrer geistlichen Gefangenschaft; sein Werkzeug war der anfangs ebenso unbekannte wie unbedeutende Mo¨nch Luther, der allein kraft seiner go¨ttlichen Berufung die Kirche von den Verunreinigungen des Mittelalters gesa¨ubert und das Evangelium in voller Klarheit wieder verku¨ndet hatte. Dank des Segens, mit dem Gott diese Bewegung begleitete, ging aus ihr die lutherische Kirche hervor, die sich ihres nunmehr zweihundertja¨hrigen Bestehens freuen und als wahre Erbin der wahren Kirche Jesu Christi verstehen darf. Insofern ist es zutreffend, wenn Hans-Ju¨rgen Scho¨nsta¨dt bei seiner Untersuchung der landesherrlichen Verordnungen von 1717 zu dem Ergebnis kommt, die Theorie von Ursache, Verlauf und Ertrag der Reformation habe sich innerhalb des Protestantismus zwischen erster und zweiter Sa¨kularfeier nicht vera¨ndert.56 Die offiziellen Verordnungen von 1717 sind aber fu¨r die Theologie des gesamten Jubila¨ums nicht ausschließlich bestimmend. Es ist wahrscheinlich, daß in ihrem Falle die U¨bereinstimmungen mit dem Geschichtsbild der ersten Sa¨kularfeier neben theologischen auch praktische Gru¨nde hatte. Denn in vielen Territorien griff man 1717 fu¨r die offiziellen Verlautbarungen auf Vorlagen der ersten Jubila¨umsfeier von 1617 zuru¨ck, die allenfalls da und dort u¨berarbeitet, aber nicht vo¨llig neu gestaltet wurden. Demgegenu¨ber zeichnen die neuen, eigens fu¨r die akademischen Jubila¨umsfeiern von 1717 verfaßten Schriften ein anderes Bild von der Entstehung und dem Verlauf der Reformation. Zwar finden sich auch in ihnen weiterhin heilsgeschichtliche Motive, deren Bedeutung Treuer gegen die neuere, zum „Atheismus“ tendierende historische Methode hochha¨lt.57

certe ipsi domi suae, quod in pontificibus suis atro notent carbone. Audiant vel ipsos ecclesiae suae advocatos Platinam, Onuphrium Panvinium, Baronium, Genebrardum, Sforzam, Pallavicinum, Bellarminum, Natalem Alexandrum, aliosque annalium ecclesiasticorum vel Biographiarum pontificum conditores, & deprehendent ne ullum quidem nominari posse crimen, quo non aliquis pontificum sese contaminaverit.“ 56 Hans-Jurgen Scho ¨ nsta¨dt, Das Reformationjubila¨um 1717, S. 117 f. ¨ 57 Gottlieb Samuel Treuer, Die politischen Fehler, S. 10: „GOtt ist mit im Spiele und wer denselben von dem Theatro der menschlichen actionen ausschließen will / wird sich schwerlich von dem verhaßten atheismo loswu¨rcken ko¨nnen.“

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Daneben kommen aber bemerkenswerte Fortschritte zur Geltung, die hinsichtlich der historischen Methode, der Kenntnis der Reformationsgeschichte und deren theologischer Deutung zu verzeichnen sind.58 Dies gilt zuerst fu¨r den Umgang mit den Quellen. Nachdem u¨ber Jahre und Jahrzehnte die Luther-Kenntnis abgenommen hatte,59 wurden anla¨ßlich des Jubila¨ums verschiedene von Luthers Schriften neu vero¨ffentlicht. Darunter finden sich Editionen der 95 Thesen von 1517,60 der beiden Katechismen, eine Sammlung von Luther-Liedern61 und im pietistischen Halle eine von Joachim Lange erla¨uterte Ausgabe des Sermons von den guten Werken.62 Unter den neu edierten Quellentexten ragt eine Ausgabe von Luther-Briefen hervor, fu¨r die Johann Franz Buddeus verantwortlich zeichnete. Handelt es sich dabei, streng genommen, um die Neuauflage einer 1702 erstmals vero¨ffentlichten Sammlung schwer zuga¨nglicher, bei der Briefedition der Altenburger Ausgabe unberu¨cksichtigter LutherBriefe,63 so hebt sie sich doch durch die von Buddeus fu¨r die Neuedition verfaßte Vorrede von den u¨brigen Luther-Editionen des Jubila¨ums ab. Buddeus betrachtet die Edition als Beitrag zu einer mo¨glichst vollsta¨ndigen Vero¨ffentlichung von Luthers Schriften, die ohne Ru¨cksicht darauf geschehen sollte, welchen Einfluß sie auf das Bild von Luther haben ko¨nnte. Wer bei der Edition von Quellen auswa¨hlt oder gar – wie einzelne Gegner der Brief-Edition vorgeschlagen hatten – unliebsame Quellentexte unterdru¨ckt, bedient sich der unlauteren Methode der ro¨misch-katholischen Kirche, gegen die schon die Reformatoren geka¨mpft hatten.64 Mit unlauteren Methoden aber la¨ßt sich in der Theologie, sowenig wie in allen

58 Zum Wandel im Geschichtsverstandnis und in der historischen Methodik in dieser ¨ Epoche: Klaus Wetzel, Theologische Kirchengeschichtsschreibung, sowie Gustav Adolf Benrath, Art. „Geschichte / Geschichtsschreibung / Geschichtsphilosophie VII/1“, in: TRE 12, S. 633–635. Zur allgemeinen geistesgeschichtlichen Einordnung dieses im Wandel befindlichen Geschichtsversta¨ndnisses: Ulrich Muhlack, Geschichtswissenschaft, S. 282 ff. 59 Vgl. die Klage Seckendorfs uber die fehlenden Luther-Kenntnisse seiner Zeit, der¨ zufolge selbst der Kleine Katechismus kaum noch in Gebrauch war. (Vgl. zu Seckendorf: Ernst Walter Zeeden, Martin Luther Band 1, S. 118; sowie zur allgemein mangelhaften Luther-Kenntnis in der lutherischen Orthodoxie: Horst Stephan, Luther, S. 14 ff). Wesentlich zu dieser mangelhaften Luther-Kenntnis trug die geringe Verbreitung der edierten LutherWerke bei. Diese lagen wohl in Form der Altenburger Ausgabe (enstanden zwischen 1661–64) und deren Erga¨nzungsband (erstmals 1702, neu ediert 1717) vor, deren Absatz hatte sich aber schleppend gestaltet, ganz zu schweigen von ihrer inhaltlichen Rezeption durch die zeitgeno¨ssischen Theologen. (Vgl. dazu Eike Wolgast / Hans Volz, LutherAusgaben, S. 559–572). 60 Martin Chladenius, Theses Martini Lutheri adversus indulgentias. 61 Johan. Christoph Olearius, Jubilirende Lieder-Freude. 62 Joachim Lange, Wohl-verdientes Ehren-Gedachtniß. ¨ 63 Zu dieser Ausgabe und anderen geplanten, aber nicht zur Ausfuhrung gekommenen ¨ Editionen von Luther-Briefen zu Beginn des 18. Jahrhunderts vgl. Eike Wolgast / Hans Volz, Lutherbriefeditionen, S. 463–471. 64 Johann Franz Buddeus, Collectio nova Epistolarvm Lvtheri, Einleitung, S. c4r.

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anderen Wissenschaften, etwas Rechtschaffenes leisten.65 A¨hnlich votierte Gentzke in Kiel, der am Beispiel von Luthers Tischreden zum historischkritischen Umgang mit den u¨berlieferten Quellen mahnte. Der Historiker hat die Glaubwu¨rdigkeit einer U¨berlieferung zu pru¨fen, den a¨ußeren Rahmen ihrer Entstehung zu beachten und unklare oder untypische A¨ußerungen vor dem Hintergrund eines Gesamtwerks zu beurteilen. Auch im Blick auf die Reformationsgeschichte ist der Historiker an das alte Gesetz gebunden „ne quid falsi dicat, & ne quid veri non dicat“.66 Neben solchen Ansa¨tzen zu einem vorurteilslosen Umgang mit den vorhandenen Quellen zeichnet sich das Bemu¨hen ab, die Reformation in ihren historischen Kontext einzuordnen. Dieses zeigt sich an Darstellungen zur Vorgeschichte der Reformation, von denen die umfangreiche Quellensammlung und -bearbeitung Hermann von der Hardts, die „Historia literaria reformationis“, eigens zu erwa¨hnen ist. Mit ihr erschloß von der Hardt bisher unbekanntes Quellenmaterial zur Verbindung von Humanismus, mittelalterlicher Reformbewegung und Reformation, dessen Bedeutung fu¨r das Gesamtversta¨ndnis der Reformation von der Hardt in einzelnen einleitenden Aufsa¨tzen herausgearbeitet hat. Die wiederholte Erwa¨hnung dieses Werks in den Jubila¨umsschriften belegt, wieviel von der Hardt zu dem neuen Versta¨ndnis der Reformation beigetragen hat. Anders stellt sich die Lage fu¨r die Reformation selbst dar. Hier lieferten die Luther-Predigten von Johann Mathesius die wichtigsten historischen Daten und die traditionellen Interpretamente der Luther-Deutung.67 Auf Mathesius lassen sich manche U¨bereinstimmungen der einzelnen Jubila¨umsschriften untereinander, ihre Na¨he zur Reformationsgeschichtsschreibung des 17. Jahrhunderts und die Kritik an der Reformationsgeschichte bei Arnold, Dippel und anderen zuru¨ckfu¨hren. U¨ber Mathesius hinaus weisen die Zitate in den Jubila¨umsschriften auf das maßgebende zeitgeno¨ssische reformationsgeschichtliche Werk, Veit Ludwig von Sekkendorfs „Commentarius historicus et apologeticus de Lutheranismo“, zuru¨ck. 1692 erstmals erschienen, wurde dieses Werk im Protestantismus rasch rezipiert, und seine Breitenwirkung war seit Erscheinen einer deutschen Fassung im Jahre 1714 noch gesteigert worden. Seckendorf verdanken viele Jubila¨umsschriften ihre Kenntnis einschla¨giger Luther-Texte, auf Seckendorf geht die reflektiert-kritische Anna¨herung an Luther als

65 Johann Franz Buddeus, Collectio nova Epistolarvm Lvtheri, Einleitung, S. c4v. Daß Buddeus dieses Versprechen eingelo¨st hat, besta¨tigen Wolgast / Volz, wenngleich sich die Sammlung im Vergleich mit der von Sagittarius geplanten Sammlung eher bescheiden ausnimmt. (Vgl. Eike Wolgast / Hans Volz, Lutherbriefeditionen, S. 467–471). 66 Frid. Gentzke, De Vita Et Scriptis D. Lutheri, unfoliiert. 67 Zu Entstehung, Verbreitung und Bedeutung der Mathesius-Predigten vgl. Hans Volz, Die Lutherpredigten des Johannes Mathesius. Von deren bleibender Bedeutung im fru¨hen 18. Jahrhundert zeugt eine vollsta¨ndige Ausgabe der Predigten, die im Jahr 1715 in Gu¨strow erschienen war.

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Person zuru¨ck, und Seckendorf war es, der trotz seiner Konzentration auf die ersten Jahre der Reformation den Blick fu¨r die Epoche als solche und deren Vorgeschichte geweitet hatte.68 Erga¨nzt wurde das Werk 1717 durch die Schrift „Historischer Bericht vom Anfang der Reformation“ aus der Feder von Wilhelm Ernst Tentzel, das weitere reformationsgeschichtliche Quellen erschloß. Auch dieses Werk rezipierten die Jubila¨umsschriften ausgiebig, und es fand so guten Absatz, daß bereits ein Jahr nach der ersten Vero¨ffentlichung im Fru¨hjahr 1718 eine dritte Auflage notwendig wurde. Die Verwendung des nunmehr verfu¨gbaren Materials an Quellen und Sekunda¨rliteratur war unterschiedlich. So bediente sich der Rostocker Aepin fu¨r seine Schrift „Reformationis lutheranae, opus divinum fuisse“ fast ausschließlich der Luther-Predigten des Johann Mathesius – sie hatten fu¨r ihn praktisch Quellenwert – und verharrte damit bei den Stereotypen der orthodoxen Reformationsgeschichtsschreibung. Demgegenu¨ber zog sein Fakulta¨tskollege Albrecht von Krackewitz zahlreiche neue, auch kritische Luther-Darstellungen heran, um ein Bild vom Werden und Verlauf der Reformation zu entwerfen, das den Angriffen der Arnold-Schule und anderer Kritiker standhalten konnte.69 Mit diesem differenzierteren Zugang zur Reformationsgeschichte verlor die heilsgeschichtliche Deutung der Reformation an Gewicht, die bis dahin die Reformationsgeschichtsschreibung dominiert hatte. Zwar wirkt die flacianische Deutung der mittelalterlichen Geschichte in den Jubila¨umsschriften nach, und die Reformation selbst gilt vielen Verfassern nach wie vor als wunderbare Gabe Gottes und erneuerte Offenbarung der wahren Kirche im Kampf gegen die Kirche des Antichrists. Doch indem die heilsgeschichtliche Interpretation der biblischen Texte, in denen die Reformation als endzeitliches Ereignis verstanden wurde, nicht mehr zum Tragen kam, vera¨ndert sich der Blick auf die Reformation als historische Epoche.70 Die Reformation gilt unbestritten als wichtiger Einschnitt in der Geschichte der christlichen Kirche; aber mit ihr ist nicht das Ende der Welt, geschweige denn der Heilsgeschichte eingela¨utet. Die endzeitliche, von Luther selbst vertretene Auffassung,71 die 1617 große Bedeutung fu¨r 68 Zu diesem Werk: Ernst Walter Zeeden, Martin Luther, Band I, S. 113–128; sowie: Klaus Wetzel, Theologische Kirchengeschichtsschreibung, S. 76–78. 69 Albrecht von Krackewitz, De Luthero, S. 66 ff. 70 An dieser Feststellung muß auch dann festgehalten werden, wenn man berucksichtigt, ¨ daß gerade die Vier-Monarchien-Lehre im Jahre 1712 von Jahn neu zur Geltung gebracht worden ist (vgl. Kap. III., Anm. 66). Eine der wenigen Ausnahmen, in der die Reformation noch nach dem Schema der sechs Welttage heilsgeschichtlich eingeordnet wird, stellt Brandanus Henricus Gebhardi dar, der in seiner Auslegung zu Apk. 11 konstatiert: „Terminantur ergo hi tres dies cum semisse in ortu Lutheri, ex quo adhuc fluent duo dies cum semisse usque ad consummationem seculi, ut ita exactis sex diebus sequatur Sabbatum aeternae gloriae.“ (Ders., Vaticinium Johanneum, S. 7). 71 Ulrich Asendorf, Eschatologie bei Luther, und dort insbesondere die Ausfuhrungen ¨

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die Gestaltung des Jubelfestes hatte,72 findet sich 1717 nur noch vereinzelt. Statt dessen besinnt sich das Luthertum 1717 auf seine theologischen und historischen Wurzeln, um sich der eigenen Daseinsberechtigung neu zu vergewissern. Insbesondere die akademischen Jubila¨umsschriften bewerten die Reformationszeit als besondere kirchengeschichtliche Epoche und bringen der Person Luthers große Wertscha¨tzung entgegen: aber sie sehen die Reformation auch als Vorbild fu¨r weitere notwendige Reformen der Kirche an. Die Reformation erscheint – inspiriert durch Vertreter des lutherischen Pietismus – weder als abgeschlossene historische Epoche noch als einmaliges heilsgeschichtliches Ereignis.73 Sehr wohl ist in den Jubila¨umsschriften von der „reformatio Lutheri“ die Rede, aber eben in dem Sinne, daß es nach dieser seiner Reformation weitere Reformationen geben kann, wie sie sich im zeitgeno¨ssischen Pietismus bereits abzeichnen. Die Zuschreibung der Begriffe „Reform“ und „Reformation“ auf die eine historische Epoche des 16. Jahrhundert findet sich gleichwertig neben der Bezeichnung „Reformation“ fu¨r ein Pha¨nomen, das es in der Kirchengeschichte gema¨ß dem Willen Gottes immer wieder gegeben hatte und das es auch in Zukunft wieder geben wu¨rde.74 Damit macht die Reformation des 16. Jahrhunderts Mut zu neuen Reformen und Reformationen, die einzig und allein am Maßstab der Heiligen Schrift zu beurteilen sind und die in der Reformation Luthers ihr hervorragendes Vorbild haben.

2. Die Geschichte der Kirche vor der Reformation Aus dem Blickwinkel des Reformationsjubila¨ums werden die ersten Jahrhunderte der westlichen Christenheit ausnahmslos positiv bewertet. Sie gelten als das goldene Zeitalter der christlichen Kirche.75 Das Christenu¨ber „Luthers eschatologisches Selbstbewußtsein“ (ebd., S. 214–221). Vgl. jetzt: Volker Leppin, Antichrist und Ju¨ngster Tag, S. 292. 72 Hans-Jurgen Scho ¨ nsta¨dt, Antichrist, Weltheilsgeschehen und Gottes Werkzeug, ¨ S. 104. 73 Gottfried Seebass, Art. „Reformation“, in: TRE 28, S. 392 f; Theodor Mahlmann, Art. „Reformation“, in: HWP 8, Sp. 419 f. 74 In diesem Sinne gelten auch die Konzilien des 15. Jahrhunderts als Reformationsversuche wie die Reformation Luthers, die sich weniger in ihrem Wesen als im Blick auf Erfolg und Mißerfolg unterschieden. Zur Geschichte des Begriffs „Reformation“ vgl. Gottfried Seebass, Art. „Reformation“, in: TRE 28, S. 393 f und Theodor Mahlmann, Art. „Reformation“, in: HWP 8, Sp. 420. 75 Michael Friedrich Quade, Hil. Ev. II, S. 106a (Oratio Solennis): „Aurea tamen dicenda sunt ista secula, cum subsequentibus si ea contendas temporibus: quia aureos & per ignem tribulationum probatos dederunt Christianos.“ Martin Chladenius, De methodo Evangelicorum, S. 28: „Novimus probe, priscos illos Episcopos Romanos bonos veritatis testes fuisse, eosque adhuc pro talibus adhibemus & citamus.“

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tum breitete sich stetig aus, und im Kampf gegen die Ha¨retiker und in den staatlichen Verfolgungen bewa¨hrten sich die Christen als Glaubenszeugen und Ma¨rtyrer. Bis zur konstantinischen Wende waren die besten ro¨mischen Bischo¨fe im Amt, die sich auf ihr geistliches Amt und dessen Geltungsbereich beschra¨nkten. Rangstreitigkeiten mit anderen Bischo¨fen wurden ohne nennenswerte Schwierigkeiten beigelegt.76 Im 4. Jahrhundert a¨ußerten ro¨mische Bischo¨fe erstmals Herrschaftsanspru¨che gegenu¨ber anderen Bischo¨fen, insbesondere gegenu¨ber denen in Konstantinopel.77 Die Regierung Kaiser Konstantins versta¨rkte den aufkeimenden Gegensatz und begru¨ndete mit der Verlegung der kaiserlichen Residenz nach Konstantinopel den kirchlichen Dualismus zwischen Rom und Byzanz.78 Ebenfalls in diesem Jahrhundert waren erste Anzeichen fu¨r den Ru¨ckgang der allgemeinen Geisteskultur wahrzunehmen. So behaupten Hallbauer und Klemm, bis ins vierte Jahrhundert ha¨tten die philosophischen Disziplinen in voller Blu¨te gestanden und seien dann von weltlichen Herrschern im Zuge ihres Kampfes gegen die christliche Kirche zuru¨ckgedra¨ngt worden.79 Innerhalb der Christenheit verlor das Wort Gottes an Bedeutung,80 u¨berdies kam es zur Abwendung von der klassischen Bildung,81 wenn auch bis ins fu¨nfte Jahrhundert eine Reihe

76 Joh. Joach. Weidner, Delineatio Curiae Papalis, S. 15: „Non est praesentis propositi / ut repetam / quomodo Pontifices divisi sint in Optimos usque ad tempore Constantini M., in bonos usq. ad Gregorium M., in Politicos usq. ad seculum nonum, in sceleratissimos, usq. ad seculum undecimum, in Anti Christianos usq. ad Lutherum.“ 77 Bernhard von Sanden, Predigten, S. 13: „Drey hundert Jahr nach Christi Geburt bezeigete sich der Bischoff zu Rom schon stoltz und hochmu¨tig gegen die anderen Bischo¨ffe bey anderen Gemeinen / daß er ihnen als ihr Haubt und erster Bischoff Gesetze vorschreiben wolte.“ 78 Bernhard von Sanden, Unterricht, Frage 30; Hieronymus Kromayer, in: Academiae lipsiensis pietas, S. 26 f. 79 Friedrich Andreas Hallbauer, Ecclesia Lutherana, S. 57: „Huncque ingenuarum disciplinarum neglectum a primis suis initiis papatus secum induxit. Iam seculo IIII. coeperint multi, quod hodie in ecclesia romana reprehendimus, propriae auctoritatis vtilitatisque, neglecta ecclesiae cura, potiorem rationem habere. . .“ Ders., Lutherus, S. 55: „. . . humana igitur & diuina sapientia arctissimo vinculo continentur: habent auctorem eundem DEVM: &, aut vehementissime fallor, aut nunquam vel raro vna floruerit sine altera: ita cum litteris floruisse religionem. Sec. V. & VI. cum barbarie varii quoque generis haereses inuectae sunt; renatis autem XV. & XVI. litteris, ipsa suam religio recuperauit dignitatem.“ Johann Christian Klemm, De servandis augendisque fructibus, S. 20 f: „Ex longo tempore maxima Ecclesiam occupaverat barbaries & suprema bonarum literarum ignorantia. Nam cum Julianus Apostata aliique Ecclesiae tyranni animadverterent, ex cultura eloquentiae aliarumque artium liberalium plurimum utilitatis redundare in res Christianorum . . . scholas Christianis praecludendas esse existimarunt, arbitrantes fore, ut religio destituta doctrinae facundiaeque praesidiis sponte sua contabesceret, tandemque aboleretur.“ 80 Johann Caspar Haferung, Gedachtnuß der Wunder Gottes, S. 11 f. ¨ ¨ 81 Johann Christian Klemm, De servandis augendisqve reformationis fructibus, S. 21: „Videbant enim exordia nostrae Religionis non ab oratoribus, non a Philosophis, non a dialecticis, non a mathematicis, sed absque scientiarum apparatu virtute magis, quam sermone & a Christo profecta & ab idiotis Apostolis esse propagata.“

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bedeutender Kirchenlehrer fu¨r ihre umfassende Allgemeinbildung bekannt waren.82 Zu den inneren Scha¨den traten die Bedrohungen durch a¨ußere Feinde, als im Orient erste Religionskriege entflammten.83 Trotz dieser Anzeichen fu¨r eine Schwa¨chung der christlichen Kultur und Kirche kann von einem Verfall des kirchlichen Lebens in diesen Jahren noch keine Rede sein. Die Erinnerung an die ersten sechs Jahrhunderte der christlichen Kirche steht fu¨r ihren unversehrten Zustand vor dem von der ro¨misch-katholischen Kirche ausgelo¨sten Niedergang. Und sie erinnern daran, daß die Wurzeln der wahren Kirche in dieser ersten Zeit der Christenheit zu suchen sind, als es noch keinen ro¨mischen Katholizismus gab. Mit dem Tod des letzten wahren ro¨mischen Bischofs, Gregors des Großen, im Jahre 604, ging diese Epoche zu Ende. Die historiographische Grenzscheide zwischen dem Zeitalter der wahren Kirche und der dem Verfall ausgesetzten ro¨misch-katholischen Kirche bildet das Jahr 607, in dem Bonifatius III. Bischof von Rom wurde. Diesem wird vorgeworfen, er habe sich von Kaiser Phokas I. (602–610) den Titel eines „Episcopus Oecumenicus“ u¨bertragen lassen, obwohl seine Amtsvorga¨nger Pelagius II. (579–590) und Gregor der Große ausdru¨cklich davor gewarnt hatten. So hatte Gregor der Große erkla¨rt, es sei ein Merkmal des Antichrists, wenn ein Bischof sich zum Herrn u¨ber die u¨brigen Bischo¨fe erheben lasse, weshalb die Kirche sich vor der Ernennung eines solches „Episcopus Oecumenicus“ hu¨ten mu¨sse.84 Seit diesem von Bonifatius III. begangenen Frevel entwickelte sich das Papsttum zur

82 Johann Heinrich Majus, Historia Reformationis, S. 145: „Quis enim est, qui ignorat, quinque prioribus post Saluatorem natum seculis antiquissimos Ecclesiae Doctores, Clementem, Iustinum, Philosophum & Martyrem, Minutium Felicem, Arnobium, Hilarium, Ambrosium, aliosque, & exacta variarum rerum eruditione, & sanctimonia illustres fuisse?“ Gottlieb Wernsdorf, De primordiis, S. 27. 83 Johann Daniel Herrnschmid, Predigt, S. 52. 84 Michael Friedrich Quade, Hil. Ev. II, S. 106a (Oratio Solennis): „Phocas seu Photius Imperator . . . Bonifacium III. Episcopum Romanum cum Patriarcha C(onstantino)politano de primatu certantem, primus titulo Episcopi Oecumenici mactaret, quem tamen Gregorius Magnus , Bonifacii in Episcopatu Romano Praedecessor, tanquam novum & blasphemum nomen, imo verissimam Anti-Christi notam in Patriarchis Constantinopolitanis diserte & palam damnaverat.“ Bernhard von Sanden, Predigten, S. 13 f. Henricus Muhlius, Martini Lutheri Propositiones, S. 3. Die in den Jubila¨umsschriften wiederholt zitierte Warnung Gregors des Großen vor dem Amt eines „Episcopus Oecumenicus“ findet sich in einem Brief an Kaiser Mauritius, wo es heißt: „Ego autem fidenter dico quia quisquis se universalem sacerdotem vocat, vel vocari desiderat, in elatione sua Antichristum praecurrit, quia superbiendo se caeteris praeponit.“ Vgl. MPL Tomus 77, Sp. 891. Auf Pelagius II. weist Johann Franz Buddeus hin (Ders., Ivdicivm, S. 32). Er bezieht sich auf einen von Papst Pelagius II. an den Bischof von Konstantinopel gerichteten Brief, in dem vor der Ernennung eines „Epicsopus universalis“ u¨ber die anderen Bischo¨fe gewarnt wird.; abgedruckt in: MPL 72, Sp. 738–744.

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schlimmsten aller Ketzereien, die entsetzliche Scha¨den anrichtete und sich la¨nger als jede andere Irrlehre gegen ihre Kritiker behauptete.85 Die Hervorhebung des Jahres 607 und die Betonung des Gegensatzes der nun anbrechenden kirchengeschichtlichen Epoche zu den ersten Jahrhunderten der Christenheit ist charakteristisch fu¨r die Geschichtsauffassung der Jubila¨umsschriften. Sie entspricht der Deutung der mittelalterlichen Kirchengeschichte, die sich bei Luther und Melanchthon findet und in den Magdeburger Zenturien entfaltet wurde. Schon Luther hatte Gregor den Großen als letzten ro¨mischen Bischof bezeichnet und dessen wenig bedeutenden Nachfolger Sabinianus (604–607), den die Jubila¨umsschriften u¨bergehen, als ersten Papst bezeichnet.86 U¨bereinstimmend hatten Luther und Melanchthon den Kaiser Phokas I. dafu¨r verantwortlich gemacht, daß die ro¨mischen Bischo¨fe von nun an einen unrechtma¨ßigen Vorrang vor den u¨brigen Bischo¨fen beanspruchten;87 programmatisch entfalteten dieses Konzept schließlich die Magdeburger Zenturien.88 Ein anderer Aspekt, der ebenfalls nach dem Erscheinen der Magdeburger Zenturien zum festen Topos der protestantischen Kirchengeschichtsschreibung geworden war, bleibt in den Jubila¨umsschriften dagegen nahezu unbeachtet: die Erwa¨hnung des doppelten Antichrists, der im 7. Jahrhundert in der Gestalt von Papsttum und Islam aufgetreten sei.89 Daß die Jubila¨umsschriften dieses Motiv selbst angesichts der Bedrohung Zentraleuropas durch die Tu¨rken im ausgehenden 17. Jahrhundert nicht erwa¨h-

85 Joh. Adam Scherzer, in: Academiae lipsiensis pietas, S. 14 f. Mit großem Eifer hat sich auch Cyprian mit der Verfallsgeschichte des Papsttums auseinandergesetzt und den „Hilaria Evangelica“ eine 190 Folioseiten umfassende „Belehrung vom Ursprung, Wachsthum und Beschaffenheit des Pabstthums“ beigefu¨gt; vgl. dazu Gustav Adolf Benrath, Ernst Salomon Cyprian als Reformationshistoriker, S. 42 f. 86 Martin Luther, WA 53, S. 142 (Supputatio annorum mundi. 1541.1545): „Gregorius magnus ultimus Episcopus Romanae Ecclesiae, sequentes sunt Papae, id est Pontifices Romanae Curiae.“ 87 Philipp Melanchthon, BSLK, S. 477, 21 (De potestate et primatu papae tractatus): „Item cum diu fuissent certamina de primatu inter Romanum et inter Constantinopolitanum episcopum, tandem Phocas imperator constituit Romano episcopo tribuendum esse primatum.“ A¨hnlich: Martin Luther, WA 54, 229, 14–230, 19 (Wider das Papsttum zu Rom, vom Teufel gestiftet. 1545) 88 Vgl. das Eingangskapitel zur siebten Centurie; abgedruckt in: Heinz Scheible, Die Anfa¨nge der reformatorischen Geschichtsschreibung, S. 76–78. 89 Das Motiv als solches findet sich bereits bei Luther; vgl. WA 10, 1, 1, 148, 14–18; anders: Reinhard Schwarz, Die Wahrheit der Geschichte, S. 173 f. Zur Erwa¨hnung des doppelten Antichrists in den Magdeburger Centurien: Heinz Scheible, Die Anfa¨nge der reformatorischen Geschichtsschreibung, S. 76 f. Zum doppelten Antichrist allgemein: Gottfried Seebass, Art. „Antichrist“, in: TRE 3, S. 33. Zu den wenigen Ausnahmen za¨hlen Christoph August Heumann, der ausdru¨cklich vom abendla¨ndischen Antichrist und dessen orientalischem Pendant, Muhammed spricht (Ders.,De Luthero apocalyptico, S. 11 f), sowie die Jubel-Predigt von Johann Daniel Herrnschmid. Bei diesem ist von den Gefahren die Rede, die von der Entstehung und Verbreitung des Islams ausgingen; die Identifikation des Islam mit dem Antichrist unterbleibt. (Ders., Jubel-Predigt, S. 51 f)

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nen, zeigt die Fokussierung ihrer Kirchenkritik auf die ro¨misch-katholische Kirche. Indem die Verfasser den Islam als Streitmacht des Widersachers Gottes ausblendeten, konnten sie die Machenschaften der Pa¨pste um so heftiger anprangern. Denn nachdem die ro¨mischen Bischo¨fe als Pa¨pste die geistliche Oberherrschaft u¨ber die Kirche errungen hatten, weiteten sie ihre Machtanspru¨che auf weltliche Herrschaftsbereiche aus. Dieses Machtgebaren entwickelte sich zur gro¨ßten Belastung u¨berhaupt, die von der ro¨mischen Kirche ausging.90 Die ersten entsprechenden Versto¨ße werden auf das fru¨he 8. Jahrhundert datiert,91 bis sich bei der Kro¨nung Karls des Großen im Jahre 800 endgu¨ltig abzeichnete, daß die Pa¨pste mehr als das bloße Recht auf die Kro¨nung des ro¨mischen Kaisers beanspruchten.92 Im Verha¨ltnis zwischen den spa¨ten Karolingern und den Pa¨psten wurden deren wahre Ambitionen deutlich: Karl der Kahle (gest. 877) huldigte im Jahre 875 als erster deutscher Kaiser einem Papst, na¨mlich Hadrian II. (867–72), und mußte sich diesem zu unbedingter Gefolgschaft verpflichten. Ein Vorgang, der bedauerlicherweise zeitlich mit der Christianisierung des Frankenreichs zusammengefallen war, die dadurch von Anfang an unter dem Einfluß der Pa¨pste stand.93 Unter Gregor VII. (1073–85), der bei den ro¨misch-katholischen Theologen des fru¨hen 18. Jahrhunderts hohe Wertscha¨tzung genoß,94 entfaltete sich die Machtgier der Pa¨pste weiter und fand im sogenannten „Dictatus Papae“ (1075) Ausdruck.95 Mit Gregor VII. hatte der diabolische Hochmut in die ro¨mische Kirche Einzug gehalten, der dazu fu¨hrte, daß die Pa¨pste sich als Vize-Go¨tter verehren ließen.96 Als markantes Beispiel gilt Gregors VII. Kampf mit Kaiser Heinrich IV. (1056–1106), der einzig 90 Gottlieb Wernsdorf, Hil. Ev. II, S. 25b (Oratio secularis): „Quanta enim, rogo vos, servitus majores nostros, summos, medios, infimos, premebat! Horreo meminisse, quae & quanta in Imperatores ac Reges ausi sunt Pontifices.“ 91 Johann Christian Klemm, De servandis augendisqve reformationis fructibus, S. 17. 92 Henricus Muhlius, Martini Lutheri Propositiones, S. 12. Hieronymus Kromayer, in: Academiae lipsiensis pietas, S. 27. 93 Johann Wilh. Ianus, De Dominatu, S. 29 ff. 94 Gottfried Maron, Kodifikationsarbeit, S. 110–112. 95 Johann Wilh. Ianus, De Dominatu, S. 1: „Doctrina haec, quae supremum Pontifici in Reges, praesertim Christianos, constituendos, iudicandos ac deiiciendos ius et arbitrium uindicat, ab Hildebrando siue Gregorio VII potissimum inuecta, et constanter deinceps retenta atque asserta est.“ Henricus Muhlius, Martini Lutheri Propositiones, S. 8 ff zitiert den kompletten „Dictatus Papae“. 96 Michael Friedrich Quade, Hil. Ev. II, S. 106b (Oratio Solennis): „Quid? quod vere diabolica horum hominum aeternisque flammis expianda superbia longissime ultra humanam sortem ascendere, & ad ipsum Majestatis Divinae & immensi Numinis thronum aspirare, caelumque adeo stultitia sua petere, ausa sit, quod Julii II. & Pauli V. exempla luculenter satis comprobant, quorum ille, Alterum in terris DEUM, hic vero Vice-Deum a blasphemis gnathonibus se appellari, aequis animis & auribus passi sunt.“ Auch das scharfe Urteil u¨ber Gregor VII. ist in der Generation der Reformatoren gepra¨gt worden und hat die protestantische Geschichtsschreibung beeinflußt; vgl. WA 53, S. 154 (Supputatio annorum

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die Vernichtung des Kaisers und die Steigerung der pa¨pstlichen Macht bezweckte.97 Mit a¨hnlichen Methoden hatte Gregor VII. spa¨ter auch in anderen La¨ndern um gro¨ßeren Einfluß geka¨mpft.98 Als weiterer Schritt gilt das Wormser Konkordat, in dem Heinrich V. (1106–25) das Recht auf die Investitur der deutschen Bischo¨fe abtreten mußte, um dem Bannspruch Papst Calixts II. (1119–24) zu entgehen.99 Von den nachfolgenden Pa¨psten berichten die Verfasser zahlreiche weitere Demu¨tigungen, die sie den Kaisern zufu¨gten: Papst Hadrian III. (1154–59) zwang Friedrich I. Barbarossa (1152–90), ihm als Rangho¨heren das Pferd zu fu¨hren, die Steigbu¨gel zu halten und beim Tragen der pa¨pstlichen Sa¨nfte zu helfen.100 Papst Alexander III. (1159–81), der den Kaiser im Jahre 1160 gebannt hatte, ließ diesen beim Friedensschluß in Venedig im Jahre 1177 so lange zu seinen Fu¨ßen verharren, bis sich daru¨ber selbst im pa¨pstlichen Gefolge Unmut regte.101 Und bei der Kro¨nung Heinrichs VI. (1190–1197) setzte Papst Coelestin III. (1191–98) diesem die Kaiserkrone mit den Fu¨ßen auf und trat sie ihm sofort wieder vom Kopf, um zu verdeutlichen, daß er als Papst die unbegrenzte Macht habe, Kaiser nach Belieben ein- und abzusetzen.102 Weiter verdeutlichen die Jubila¨umsschriften das widergo¨ttliche Wesen des Papsttums an den Intrigen, mit denen die Pa¨pste Kaiser Friedrich II. (1215–50) beka¨mpften. Gregor IX. (1227–41) sei allein von perso¨nlichem Haß und Ehrgeiz geleitet gewesen, als er den Kaiser bannte, zur Befreiung des Heiligen Grabes zwang und dessen Sohn samt den Reichsfu¨rsten zum Abfall vom Kaiser veranlaßte.103 Das Bu¨ndnis, das Innocenz IV. (1243–1254) mit dem Sultan der Sarazenen gegen Friedrich II. einzufa¨deln versuchte, und die Enthauptung des letzten Staufers im Jahre 1268 unter Papst Clemens V. (1259–81) gelten als Ho¨hepunkt in dem jahrhun-

mundi. 1541.1545), wo Luther Gregor VII. als „Gregorius 7. Hellebrand, Larva Diaboli“ bezeichnet. Christoph August Heumann, De Luthero apocalyptico, S. 13 f. 97 Johann Wilh. Ianus, De Dominatu, S. 1 ff. 98 Johann Wilh. Ianus, De Dominatu, S. 36 ff. 99 Jacob Carmon; Oratio in Natalem Serenissimi Principis, 149v: „Praestitissent sane in suo jure Antistites Seculares nisi Ipsi Imperatores investituram per baculum et anulum a se abdicare per Pontifices coactis fuissent, et cum status pleriq. ex beneficio Caesarum jura circa Sacra in suis ditionibus exercerent, mirum non est, horum jura quoq. hoc ipso conculcata et deminuta fuisse. Ut adeo ante Reformationem omne hoc jus vel Papale, vel Episcopale fuerit, nullum vero amplius Regium.“ Johann Wilh. Ianus, De Dominatu, S. 5. 100 Johann Wilh. Ianus, De Dominatu, S. 9. 101 Johann Wilh. Ianus, De Dominatu, S. 11. Bernhard von Sanden, Predigten, S. 10. 102 Johann Wilh. Ianus, De Dominatu, S. 13. A ¨ hnlich Gottlieb Wernsdorf, Hil. Ev. II, S. 25b (Oratio secularis). Wernsdorf und Jahn bestreiten allerdings, der Papst habe, wie die Legende weiter erza¨hlt, dem Kaiser als zusa¨tzliche Demu¨tigung den Fuß in den Nacken gesetzt. 103 Johann Wilh. Ianus, De Dominatu, S. 15: „Parum erat Gregorio IX, Imperatorem, odio et inuidia potius, quam ulla idonea causa sacris interdicere, et subditos ad rebellionem concitare . . .“

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dertelangen Ringen der Pa¨pste um die weltliche Herrschaft. Der Kampf Ludwigs des Bayern (1314–47) ein knappes Jahrhundert spa¨ter wird von Jahn immerhin als ehrenwertes und legitimes Unterfangen gewu¨rdigt,104 aber dieser Kampf war eine Ausnahme in einer Zeit, in der die weltlichen Herrscher dem Beispiel Karls IV., des „Imperator clericorum“, folgten und jegliche Konfrontation mit den Pa¨psten vermieden.105 Auch der Urheber des Ablaßhandels, Papst Bonifatius VIII. (1294–1303), ru¨ckt wiederholt in den Blickwinkel der Verfasser; er ist der in den Jubila¨umsschriften am ha¨ufigsten genannte und am heftigsten verurteilte Papst. Sie nennen zuna¨chst die Bulle „Unam Sanctam“ aus dem Jahr 1302, mit der Bonifatius VIII. die Oberherrschaft der Pa¨pste in weltlichen und geistlichen Fragen reklamierte und damit die ro¨mische Gefangenschaft der Christenheit begru¨ndete.106 Der theologische Anspruch der Bulle wird dabei sta¨rker betont als die beginnende Begrenzung der pa¨pstlichen Herrschaft, die zu den wichtigsten Folgeerscheinungen des Pontifikats Bonifatius’ VIII. geho¨rte, der seine politischen Machtanspru¨che bekanntlich nicht wirksam durchsetzen konnte.107 Vor allem wird Bonifatius VIII. als Begru¨nder des Ablaßhandels geru¨gt.108 Ihm wird vorgeworfen, es ha¨tten ihn bei der Stiftung des ersten Jubel-Ablasses im Jahre 1300 finanzielle, nicht seelsorgerliche Motive geleitet.109 Die Ertra¨ge dieses ersten Ablaßverkaufs waren so immens, daß ganz Italien mit seinen Klo¨stern, Kirchen sowie den Armen und Bedu¨rftigen davon profitierte.110 Seinem scha¨ndlichen Vorbild folgten die spa¨teren Pa¨pste, indem sie die Absta¨nde zwischen den Jubeljahren verku¨rzten und dadurch noch mehr Geld aus dem Volk herauspreßten.111 So gesehen dient der Ablaßhandel als Sinnbild fu¨r die Habsucht der Pa¨pste, die neben dem weltlichen Herrschaftsstreben als Hauptmerkmal fu¨r den Verfall der spa¨tmittelalterlichen Kirche angefu¨hrt wird.112 Denn 104 Johann Wilhelm Ianus, De Dominatu, S. 23 ff. U ¨ berdies erinnert Johann Christian Petersen an die Unterstu¨tzung, die Ludwig der Bayer von seiten seiner juristischen Berater erhielt; vgl. Hil. Ev. II, S. 83b (Oratio secularis). 105 Johann Wilhelm Ianus, De Dominatu, S. 28 f. 106 Bernhard von Sanden, Predigten, S. 61. Johann Heinrich Majus, Historia Reformationis, S. 216. 107 So bei Johann Wilhelm Ianus, De Dominatu, S. 48. 108 Eine ausfuhrliche Geschichte des Ablaßhandels bieten Joh. Joachim Weidner, Desi¨ gnatio sowie Joachim Lange, Disputatio secularis, S. 3–10; zu Bonifatius VIII. vgl. Johann Peter Ludewig, Dica Ivbileorvm, S. 6 ff. 109 Johann Peter Ludewig, Dica Ivbileorvm, S. 6: „Res ipsa loquitur, non animas curauit iubilei actor & auctor Bonifacius, sed nummos, quod iterum non silent eius temporis historici.“ 110 Johann Peter Ludewig, Dica Ivbileorvm, S. 8: „. . . coegerit argenti uim pontifex, ut inde ditauerit coenobia, basilicas condiderit, hilarauerit uniuersae Italiae pauperes.“ 111 David Richter, Ausfuhrliche Historie, S. 11 ff. Joh. Adam Scherzer, in: Academiae ¨ lipsiensis pietas, S. 22. 112 Hermann von der Hardt, Historia literaria reformationis, T. III, S. 63a: „Cum enim

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ihre verzweigten Finanzgescha¨fte und ihre luxurio¨se Lebensfu¨hrung trugen dazu bei, daß das christliche Profil der Kirche und ihres Oberhaupts im Verlaufe des Mittelalters zusehends verlorenging. Neben dem Ablaßhandel erwies sich der Verkauf kirchlicher A¨mter als eintra¨gliches Gescha¨ft fu¨r die Pa¨pste.113 Weidner hebt die Pa¨pste seit Sixtus IV. (1471–1484) hervor, weil sie nicht nur die vorhandenen kirchlichen A¨mter teuer verkauften, sondern zusa¨tzliche A¨mter mit dem einzigen Zweck einrichteten, durch deren Verkauf die leeren Kassen zu fu¨llen. Am schlimmsten trieb es Alexander VI. (1492–1503), der sich seine Wahl zum Papst teuer erkaufte,114 bevor er aus Geldgier kirchliche A¨mter, kirchlichen Besitz und Kultgegensta¨nde vera¨ußerte.115 Selbst die von ihm zur Finanzierung des Tu¨rkenkrieges geforderten Annatenzahlungen, unter denen die deutschen Territorien besonders zu leiden hatten, habe er mit seinen Neffen und Freunden verpraßt.116 Das Beispiel der englischen Kirche zeigt, wie die Pa¨pste ganze La¨nder finanziell aussogen; keine Kirche bezahlte ihre partielle Unabha¨ngigkeit von Rom und die Bewilligung politischer Vorhaben so teuer wie die englische.117 Ein weiteres abschreckendes Beispiel fu¨r die Korruptheit der ro¨mischkatholischen Kirche bot Papst Julius II. (1503–1513), der seine Wahl zum Papst mit 800000 Golddenaren erkauft hatte.118 Dem zunehmenden Reichtum der Kurie entsprach die immer aufwendigere Hofhaltung, die Sixtus IV. und seine Nachfolger pflegten. Zu ihrem verdorbenen Lebenswandel geho¨rte, daß die pa¨pstlichen Konkubinen geduldet und ihre unehelichen Kinder protegiert und mit eintra¨glichen kirchlichen A¨mtern versorgt wurden.119 Diese Ausfu¨hrungen u¨ber das Leben und die Amtsfu¨hrung der Renaissancepa¨pste vervollsta¨ndigen das Bild, das die Jubila¨umsChristus dixerit: Gratis accepistis, gratis date , quo spiritu audet ejus vicarius beneficia ecclesiastica, quae spiritualia sunt, quasi publicae venditioni exponere ? Haec est enim, ut arbitror, una de causis praecipuis tribulationum , quas Romana, & ex consequenti universalis patitur ecclesia, & amplius nisi provideatur, patietur.“ 113 Jacob Carmon, Oratio in Natalem Serenissimi Principis, S. 155rff. 114 Johann Lorenz von Mosheim, Pontificios, salis apostolici expertes, S. 36. 115 Joh. Joach. Weidner, Delineatio, S. 21 f. Gottlieb Samuel Treuer, Die Fehler des pa¨pstlichen Hofes, S. 21 f. Wu¨rttembergische Neben-Stunden, S. 140. 116 Johann Wilhelm Ianus, De Dominatu, S. 33 f. Joh. Joach. Weidner, Delineatio, S. 21 f. 117 Johann Wilhelm Ianus, De Dominatu, S. 40 ff: „Nusquam uero Pontifices quaestuosiorem auctoritatem, quam in Anglia habuerunt [. . .] Huiusmodi exactiones per quaestores Rom. usque ad Henrici VIII tempora continuatae sunt, et non minorem censum in Romanum, quam in regium aerarium intulerunt.“ 118 Joh. Joach. Weidner, Delineatio, S. 23. 119 Joh. Joach. Weidner, Delineatio, S. 33 f. Johann Heinrich May vergleicht dieses Verhalten mit dem Verhalten des Priesters Eli, der den Untaten seiner So¨hne nicht Einhalt gebot und damit großes Unheil u¨ber seine Familie und das Volk Israel brachte: „Plura non addo, quia ex dictis satis elucet, Pontificem Romanum cum Pontifice Hebraeorum Eli recte conferri posse, cum ratione culpae, tum ratione poenae.“ (Ders., Historia Reformationis, S. 230).

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schriften vom Verfall in Amtsfu¨hrung und Leben der mittelalterlichen Pa¨pste zeichnen. Sie demonstrieren damit, wie weit diese sich im Verlauf eines knappen Jahrtausends nach dem Tod Gregors des Großen vom Ideal der Nachfolge Christi entfernt hatten.120 In ihrer Gesamtheit laufen die Klagen u¨ber die Amts- und Lebensfu¨hrung der Pa¨pste seit dem fru¨hen 7. Jahrhundert auf den Vorwurf hinaus, das Papsttum werde seither, so wie es Gregor der Große angeku¨ndigt hatte, vom Antichrist beherrscht. Seit die ro¨mischen Bischo¨fe als Universalbischo¨fe u¨ber die u¨brige Kirche herrschten, manifestierte sich das antichristliche Wesen des Papsttums ebenso in der geistlichen und weltlichen Herrschsucht der Pa¨pste wie in der Vernachla¨ssigung ihrer Verantwortung fu¨r die Kirche Gottes. Ihr gottesla¨sterlicher Lebenswandel sowie die Selbstbezeichnungen der Pa¨pste zeigen, wie weit sie sich von Gott entfernt hatten und dem Widersacher Gottes verfallen waren.121 Vereinzelte Legenden, in denen vom teuflischen Verhalten der Pa¨pste122 oder von Bu¨ndnissen mit dem Teufel die Rede ist,123 unterstreichen dies. Ja, die Verfasser erkla¨ren, der Antichrist habe sich nicht der Pa¨pste allein, sondern des Papsttums als Institution bema¨chtigt und damit die Kirche in die Katastrophe gestu¨rzt. Darum zeigen sie neben den Verfehlungen der Pa¨pste die Verirrungen im u¨brigen kirchlichen Leben wa¨hrend des Mittelalters auf. So hatte sich der Klerus mit seiner Lebensfu¨hrung und Theologie immer sta¨rker dem Papsttum angeglichen und daru¨ber das Versta¨ndnis fu¨r das Wesentliche der christlichen Lehre und der Nachfolge Christi verloren.124 Viele Vorwu¨rfe, die sich urspru¨nglich gegen die Pa¨pste richteten, treffen 120 Gottlieb Samuel Treuer, Fehler, S. 20 urteilt zusammenfassend uber die Zustande ¨ ¨ im ro¨mischen Papsttum des 15. und 16. Jahrhunderts: „Die entsetzlichen Greuel / welche offt denen Heyden einen Eckel erwecket / wurden in Rom ohngescheuet getrieben / und man fand dorten einen Sammel-Platz von allen Su¨nden welche anderswo einzeln anzutreffen waren.“ Joh. Joachim Weidner, Delineatio, S. 49: „Horrenda istiusmodi adversus Codicem S[anctum] Ejusdemq. Credenda ac Agenda praevaricatio oriri non potuisset, si curia Papalis muneris sui sobrie fuisset memor & averruncandis malis in fide simul ac moribus decentem praestitisset solertiam, rebus secularibus debite exempta.“ 121 Joh. Joach. Weidner, Delineatio, S. 16 f bietet eine Aufstellung der verschiedensten Titel und Anreden, die sich die Pa¨pste im Verlauf der Jahrhunderte beigelegt haben. 122 Michael Friedrich Quade, Hil. Ev. II, S. 106b (Oratio Solennis), spricht von der „diabolica horum hominum aeternisque flammis expianda superbia“ der Pa¨pste. 123 Joh. Joach. Weidner, Delineatio, S. 20 berichtet uber Alexander VI.: „Ita ambitione ¨ insana percitus eo praecipue ruit, ut Diabolicum pactum iniret, qvo ad Pontificatus ascenderet culmen, in qvo execrabili facinore antecessores jamdum habuerat Gregorium VII.“ 124 Gottlieb Wernsdorf, Hil. Ev. II, S. 23b (Oratio secularis): „Cum doctrina neglecta fuerat disciplina , quam ipsi Patres Tridentini, admodum collapsam, ac depravatos in Clero, & populo Christiano mores esse, negare non poterant.“ Hermann von der Hardt untermauerte mit dem dritten Teil seiner „Historia literaria reformationis“ diesen Vorwurf. Die dort gesammelten und kommentierten Reden aus der Zeit der Reformkonzilien des 15. Jahrhunderts belegen den geistlichen und moralischen Verfall in der Kurie im Jahrhundert vor der Reformation.

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auch auf die Geistlichkeit und die Ordensgemeinschaften zu. Zu deren Verfehlungen geho¨rten ein aufwendiger Lebensstil, Habsucht und Ehrgeiz, Nepotismus und A¨mterschacher und nicht zuletzt Versto¨ße gegen die Keuschheitsgelu¨bde.125 Begu¨nstigt durch die Pa¨pste war es dem Klerus und den Geistlichen gestattet, im Konkubinat zu leben, ju¨ngeren Geistlichen wurde der straffreie Besuch von Bordellen zugestanden.126 Hinsichtlich der Mo¨nchsorden war diese Entwicklung besonders scha¨dlich fu¨r die Gesamtkirche: Erstens hatten diese traditionell großen Einfluß auf die kirchliche Lehre, sodann rekrutierten sich aus ihren Reihen viele Pra¨laten, und schließlich hatten sie durch ihre Seelsorge- und Predigtta¨tigkeit den gro¨ßten Einfluß auf die Gla¨ubigen.127 Mit ihrem gottlosen Wandel entheiligten Weltklerus und Ordensgeistliche die Gottesdienste und versu¨ndigten sich an ihren Gemeinden, die sie durch ihr Vorbild und ihre Lehre ha¨tten erbauen und zur Nachfolge Christi ermutigen sollen.128 125 Johann Franz Buddeus, De Pontificibvs Romanis, S. 5 f: „Et quid non corruptum in tali ecclesia praesumi potest, quid non abusibus & naeuis obnoxium? vbi episcoporum & clericorum , quibus salus animarum curae cordique esse oportebat, insatiabilis adquirendi cupido, voluptuosa & luxuriosa vita, ambitio summa tale culmen attigit, vt si vestimentorum forte peculiare genus, aliaque pauca demas, homines politicos, vanos, terrenis cupiditatibus immersos, nihil vero minus quam theologos, & ministros ecclesiae te conspicere existimaueris. Quis vero abusus ac naeuos numerabit omnes? ex vno malo oriuntur infinita, & reuera etiam inter Romanenses orta sunt.“ Gottlieb Samuel Treuer, Die Fehler des pa¨pstlichen Hofes, S. 57 f: „Man hatte damahls das zum gewissen Kennzeichen eines Ketzers / der nicht zur Ro¨mischen Kirche geho¨rete / daß er s[it] v[enia] nicht hurte / nicht schwuur / sich nicht vollsoffe und die H. Schrifft offt citirte: Denn die Mo¨nche pflegten von allen das Gegentheil an sich finden zu lassen.“ 126 Gottlieb Wernsdorf, Hil. Ev. II, S. 26a (Oratio secularis). 127 Bei Valentin Ernst Loscher konnte der Horer den Eindruck gewinnen, die Monchs¨ ¨ ¨ orden allein seien fu¨r den kirchlichen Verfall wa¨hrend des Mittelalters verantwortlich: „Denn gleich wie fast aller geistlicher Jammer durch die Mu¨nche in der Ro¨mischen Kirche angerichtet worden, so sind sonderlich 3. Orden bekannt, die allen Aberglauben eingefu¨hret und den Ro¨mischen Stuhl zum Stuhl des Verderbens gemacht haben. Nemlich die Cluniacenser, Carmeliten und Franciscaner. Von denen ersten und sonderlich von ihrem Abte Odilone kommt das Fege-Feuer, die Seel-Messe und das Fest aller Seelen her. Sie haben unter andern die Priester-Ehe mit aller Gewalt verdammt und abgeschafft . . . Aus diesen Mu¨nchen sind im XIten Seculo fast alle Pa¨pste genommen worden. Ihnen folgten die Carmeliter, welche die knechtische Anbetung der Mutter JEsu aufs ho¨chste erhoben, und mit ihrem Scapulir so viel elendes aberglaubisches Wesen im XIIten seculo ausgeheckt haben. Diesen thaten es nach die Franciscaner in XIIIten Seculo: und denen ists eigentlich Schuld zu geben, daß das Heilige Abendmahl nicht mehr unter beyder Gestalt den Layen gereichet wird, denn sie haben sich zu erst verschworen, das heilige Abendmahl nur unter einer Gestalt zu nehmen, hernach sind ihnen viel andere gefolget: Ja sie haben es mit ihrer List und stetem Anlauff dahin gebracht, daß der Ro¨mische Stuhl ihren Mißbrauch als einen Glaubens-Articul angenommen hat, wie sie denn auch die vo¨llige heutige Gestalt des Meß-Opffers vor die Lebendigen und Todten erst geformet, und dieses Mahlzeichen des Thieres fertig gemacht haben: Und wissen die Gelehrten sattsam, daß die itzige Messe Franciscanorum officium sey.“ (Ders., Jubel-Predigten, S. 52). 128 Christoph August Heumann, De Luthero Apocalyptico, S. 13. Dort heißt es uber ¨

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Die Kritik an der mittelalterlichen Theologie bleibt dagegen neben diesen Vorwu¨rfen gegen Papsttum und Klerus merkwu¨rdig blaß. Viele Autoren beschra¨nken sich auf katalogartige Auflistungen der ihnen bekannten Irrlehren, ohne auf einzelne Lehrstu¨cke einzugehen.129 Den Grund fu¨r diese oberfla¨chliche Behandlung sehen sie vorgeblich in der Menge der Irrtu¨mer, die eine ausfu¨hrliche Diskussion gar nicht zula¨ßt.130 Und tatsa¨chlich bot das Jubila¨um nicht den Rahmen, die Irrlehren der mitteltalterlichen Kirchen detailliert zu analysieren; zudem sollte gerade die katalogartige Zusammenstellung als u¨berzeugender Beleg fu¨r den allgemeinen Verfall der kirchlichen Lehre dienen. Zu den wenigen ausfu¨hrlicher behandelten Mißsta¨nden za¨hlt der Verlust der Heiligen Schrift als der einzigen und wahren Offenbarungsquelle;131 von Sanden spricht von einem rechten „Eckel vor dem lebendigen Wort GOttes“, der in der mittelalterlichen Kirche geherrscht habe.132 Die Heilige Schrift sei vielen Geistlichen gar nicht oder nur in Auszu¨gen bekannt gewesen,133 bisweilen sei vor der Bibel als einem Ketzerbuch gewarnt worden,134 den Laien habe man sie ga¨nzlich vorenthalten.135 InnoApk. 9, 3: „locustae ex fumo prodeuntes sunt monachi & sacerdotes Pontificii, numero ita multi, vt locustis comparari possint. Quod vero ad ipsorum doctrinam attinet, similes sunt scorpionibus, hoc est, non aperte profitentur noxam, sed videri volunt hominum saluti consulere: at sub caudis suis gerunt venenum, quo homines ita laedunt, vt aeterna morte afficiantur.“ 129 Ein Beispiel fur diese katalogartige Aufstellung findet sich bei: Henricus Muhlius, ¨ Martini Lutheri Propositiones, S. 23–25. 130 Michael Friedrich Quade, Hil. Ev. II, S. 106b (Oratio Solennis). 131 Christoph Heinrich Rithmeier, Vorbereitung, b2r: „. . . so groß und schandlich ist ¨ der Mißbrauch / Gewissens-Zwang und Tyranney des Papstthums / da man die Heil. Schrifft. / die da ist und seyn muß die Leuchte unsern Fu¨ssen / umgekehret / verboten und dem Volck aus den Ha¨nden gerissen.“ 132 Bernhard von Sanden, Predigten, S. 9. 133 Gottlieb Wernsdorf, Hil. Ev. I, S. 23a (Oratio secularis): „Namque & sacer ille codex, quem Scripturam vocamus, quemque Deus Ecclesiae suae illum in finem, ut ex eo recte credendi, beneque vivendi regulae petantur credidit, eaque de causa omnibus salutis suae cupidis commendatissimum esse voluit, Laicorum saltem, quos vocant, manibus erat excussus, ab ipsis vero sacerdotibus, perpetuis quasi tenebris damnatus. Fuit hos inter, qui aliquam Ezechielis Prophetiam extare omnino ignoraret: Fuit, qui de Decalogo rogatus, negaret, hujus nominis librum sua in Bibliotheca extare: Fuit, qui per DEUM juraret, se plus quam L. annos habuisse, quum primum disceret, quid esset Novum Testamentum. Carolstadius octo jam annos creatus erat Theologiae Doctor, necdum tamen evolverat Scripturas: Lutherus autem, cum in solitudine viveret Erfurti, & forte in codicem Bibliorum, antea nunquam sibi visum, incideret, avide, quidem eum inspexit, ac tum demum plura extare in Bibliis, quam textus Evangelicos & Epistolicos deprehendit.“ Bernhard von Sanden, Unterricht, Frage 12, erkla¨rt, Priester und Mo¨nche ha¨tten in der Regel nur nur mit Zustimmung der Oberen die Heilige Schrift studiert: „dahero waren alte Doctores, Priester und Bischo¨ffe / welche die Bibel niemahlen gesehen / geschweige denn gelesen hatten; Sondern die meiste Zeit ihres Lebens hatten sie mit Ero¨rterung unnu¨tzer Schul-Fragen und Erlernung der Pa¨pstlichen Rechte zugebracht . . .“ 134 Bernhard von Sanden, Unterricht, Frage 30. 135 Franz Albert Aepin, Reformationis lutheranae opus, S. 4: „Scripturarum namqve sa-

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cenz III. (1198–1218) sorgte dafu¨r, daß U¨bersetzungen der Heiligen Schrift in die jeweiligen Landessprachen verboten und Maßnahmen gegen die Heilige Schrift ergriffen wurden.136 Am Ende waren den Gla¨ubigen nicht einmal mehr die heilsnotwendigen Grundtatsachen des Glaubens, geschweige denn wichtige Bibelstellen bekannt.137 Besonders habe sich dieser Mangel in den Gottesdiensten bemerkbar gemacht, in denen nichtssagende Fabeln erza¨hlt oder kleine Abschnitte philosophischer Schriften vorgelesen worden seien, anstatt den Gla¨ubigen das Wort Gottes zu predigen.138 Daru¨ber hinaus heißt es, die Gottesdienste seien fu¨r die Laien unversta¨ndlich gewesen, wa¨hrend eine durch u¨berflu¨ssige Zeremonien aufgebla¨hte Sakramentenpraxis immer mehr Raum einnahm.139 An der mittelalterlichen Sakramentenlehre werden stereotyp die Verweigerung des Laienkelchs140 und die Beicht- und Bußpraxis angeprangert;141 vereinzelt a¨ußern die Verfasser Kritik am sakramentalen Versta¨ndnis der Ehe und am Verbot der Priesterehe.142 U¨berdies werden einzelne Elemente der Volksfro¨mmigkeit beklagt, zu denen die Marien-, Heiligen- und Reliquienverehrung sowie Wallfahrten und Prozessionen za¨hlen.143 Von Mosheim tut diese abergla¨ubischen Riten mit der Bemerkung ab, sie seien

crarum lectione prohibiti erant, qvos Laicos appellare solent, qvid? qvod sacrarum literarum studiosi, imo vel Verbi Praecones reperti fuerint, qvibus nunqvam lecta integra Biblia sacra.“ Christian Scho¨ttgen, De statu scholarum, S. 6. 136 Christoph Heinrich Rithmeier, Vorbereitung, S. b2v. 137 Christian Scho ¨ ttgen, De statu scholarum, S. 6. 138 Ein exemplarischer Vorwurf, der immer wieder begegnet, lautet, anstelle von Bibeltexten seien den Predigten oder theologischen Ero¨rterungen philosophische Schriften zugrundegelegt worden. Dieser Vorwurf findet sich bereits in der Apologie der Augsburgischen Konfession (BSLK 160, 9 ff), aufgenommen ist er bei: Gottlieb Wernsdorf, JubelGroschen, S. 5; Johann Christoph Pfaff, Christliche Predigt, S. 18; Joh. Joachim Weidner, Delineatio, S. 40; David Richter, Ausfu¨hrliche Historie, S. 146 f. 139 Johann Daniel Herrnschmid, Predigt, S. 57 faßt zusammen, die Geistlichkeit sei hauptsa¨chlich darauf besonnen gewesen Zeremonien zu ersinnen, „die in die Augen fielen / & etwa Fleisch und Blut gefa¨llig seyn konten / & brachte tausend Inventionen auf die Bahn / die Lebende zu Opfern & Verehrungen / die Sterbende aber zu Stifftungen & Verma¨chtnissen zu bewegen . . .“ Hermann von der Hardt, Historia literaria reformationis, T. III, S. 2. Bernhard von Sanden, Unterricht, Frage 23 f. Ders., Predigten, S. 12 f. Franz Albert Aepin, Reformationis lutheranae opus, S. 4. 140 Etwas ausfuhrlicher zu den Folgen der mittelalterlicher Abendmahlstheologie außert ¨ ¨ sich Hermann Christoph Engelken: Nach seiner Auffassung bestanden die wesentlichen Folgen im Entzug des Laienkelchs, in der Hostienverehrung und im Meßopfergedanken. (Ders., De dogmate transsubstantiationis, S. 61 ff). 141 Joachim Lange, Disputatio secularis, S. 3–5; Joh. Joachim Weidner, Designatio, 8 ff gehen na¨her auf die Fehlentwicklung der Bußpraxis ein, die schließlich im Ablaßhandel mu¨ndete. 142 Franz Albert Aepin, Reformationis lutheranae opus, S. 4. 143 Gottlieb Wernsdorf, Jubel-Groschen, S. 6. Bernhard von Sanden, S. 12. Justus Christoph Bo¨hmer, Fasces academici, S. 100. Franz Albert Aepin, Reformationis lutheranae opus, S. 4.

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dem Wunsch der ro¨misch-katholischen Theologen entsprungen, den offensichtlichen Mangel an theologischer Substanz zu kompensieren.144 Zu den Merkmalen fu¨r den nahezu vollsta¨ndigen Verfall der mittelalterlichen Kirche unter der Herrschaft des pa¨pstlichen Antichrists geho¨ren im Urteil der Jubila¨umsschriften außerdem die gescheiterten Reformbemu¨hungen der Konzilien des 14. und 15. Jahrhunderts. Dieses negative Urteil wiegt um so mehr, als die altkirchlichen Konzilien ausdru¨cklich anerkannt und als Beleg fu¨r den ehemals intakten Zustand der Kirche genannt werden.145 Wie bei den ersten Konzilien beruhte die Einberufung der Konzilien im Mittelalter auf der U¨berzeugung, daß die wahre Kirche zu allen Zeiten existiere und Konzilien als deren repra¨sentative Versammlung angesehen werden mu¨ßten.146 Allein die Tatsache, daß die Konzilien des Mittelalters die Heilige Schrift nicht als alleinige Norm der Lehrbildung gelten ließen, widerspricht jedoch diesem Anspruch.147 Stattdessen waren sie von menschlichen Maßsta¨ben und Forderungen bestimmt, die vornehmlich von den Pa¨psten ausgingen.148 Die Erfolglosigkeit dieser Reformbemu¨hungen verdeutlichen die Verfasser an ausgewa¨hlten Konzilien des Mittelalters. Beispielsweise konstatiert Buddeus fu¨r das Konzil von Vienne (1311), dieses ha¨tte mit Unterstu¨tzung des Papstes sehr wohl eine nachhaltige Reform anregen ko¨nnen:149 Wa¨ren Clemens V. (1305–14) und das Konzil den Vorschla¨gen gefolgt, die Durandus im Auftrag des Papstes erarbeitet hatte, wa¨re die protestantische Reform nicht notwendig gewesen.150 In Wahrheit aber habe Clemens V. das Konzil nur einberufen, weil er dem mißtrauischen Kirchenvolk seinen Glauben demonstrieren wollte,151 wa¨hrend er zugleich zuließ, daß Ko¨nig Philipp das Konzil mißbrauchte, um seine antikirchli-

144 In Anlehnung an das Thema seiner Dissertation beschrieb Lorenz von Mosheim uber ¨ mehrere Seiten die wichtigsten ihm bekannten Riten in der ro¨misch-katholischen Kirche, in denen Salz eine wichtige Rolle spielte; Ders., Pontificios, salis apostolici expertes, S. 71–76. 145 Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 387 f. 146 Johann Lorenz von Mosheim, Pontificios, salis apostolici expertes, S. 48. 147 Johann Lorenz von Mosheim, Pontificios, salis apostolici expertes, S. 39. 148 Johann Lorenz von Mosheim, Pontificios, salis apostolici expertes, S. 39. Hermann Christoph Engelken, De Dogmate Transsubstantiationis, S. 17. 21. 149 Johann Franz Buddeus, De Pontificibvs Romanis, S. 28: „Sane, si commonefactiones ac media DVRANDO commendata, suis commodis ac honori anteferre voluisset CLEMENS, non amplius duo adhuc vsque ad B.[eati] LUTHERI excitationem, misera & foeda secula lugenda ecclesiae fuissent.“ 150 Johann Franz Buddeus, De Pontificibvs Romanis, S. 26. 151 Johann Franz Buddeus, De Pontificibvs Romanis, S. 25: „Ex quibus omnibus clare sentimus atque docemur, ingentem corruptionem eorum temporum tam fuisse apertam, vt necessario CLEMENTI V cura quaedam, ac pristinae dignitati ecclesiam restituendi meditatio, ostendanda fuerit, nisi officii ac partium suarum plane immemor ab omnibus voluerit haberi.“

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che Politik zu legitimieren.152 Insgesamt entfernte das Konzil mit seinen Beschlu¨ssen (Aufhebung des Templerordens; Pla¨ne fu¨r den neuen Kreuzzug; Verurteilung von Bonifatius VIII.) die Kirche weiter von der erhofften Reform.153 Ebenso negativ fa¨llt das Urteil u¨ber die Konzilien von Pisa (1409), Konstanz (1414–18) und Basel (1431–49) aus.154 Die von Herrmann von der Hardt edierten Voten geistlicher Wu¨rdentra¨ger auf den Konzilien von Konstanz und Basel widerlegen die Schutzbehauptung, die herrschenden Mißsta¨nde seien nicht bekannt gewesen oder nicht zur Sprache gekommen.155 Vielmehr stießen anerkannte Theologen wie Jean Gerson auf den Konzilien von Pisa und Konstanz mit ihren Reformvorschla¨gen auf taube Ohren.156 Daß sie keine Vera¨nderungen bewirken konnten, war auf die mangelnde Reformbereitschaft des gesamten Klerus zuru¨ckzufu¨hren, wa¨hrend die weltlichen Herren, allen voran Ko¨nig Sigismund, fu¨r die Reform der Kirche ka¨mpften.157 A¨hnlich urteilt Buddeus, der jedoch ausschließlich die Pa¨pste fu¨r das Scheitern der Konzilien von Pisa, Konstanz und Basel verantwortlich macht. Wa¨hrend die Teilnehmer der Konzilien beharrlich eine Reform forderten, widersetzten sich die Pa¨pste offen diesen Vorschla¨gen.158 Am Konzil von Konstanz wird ausdru¨cklich die Verbrennung der bo¨hmischen Theologen Johannes Hus und Hieronymus von Prag angeprangert. Der Bruch des ihnen zugesagten freien Geleits wird zwar Ko¨nig Sigismund angelastet,159 bildet aber im Kontext des gesamten Verfahrens nur eine Freveltat unter vielen. Die widerrechtliche To¨tung der beiden Ma¨rtyrer „contra fidem datam, contra ius gentium“160 ist Sinnbild fu¨r die Falschheit und Verlogenheit der mittelalterlichen Pa¨pste insgesamt. Hus und Wyclif widerfuhr, was im ausgehenden Mittelalter allen rechtgla¨ubigen Christen drohte, die sich gegen das Regiment der Pa¨pste zu wehren wagten.161 Schließlich stehen die Streitigkeiten u¨ber die Legitimita¨t der Johann Franz Buddeus, De Pontificibvs Romanis, S. 27 f. Johann Franz Buddeus, De Pontificibvs Romanis, S. 25. 154 Johann Franz Buddeus, De Pontificibvs Romanis, S. 20. 155 Herrmann von der Hardt, Historia literaria reformationis, T. III. 156 Michael Friedrich Quade, Hil. Ev. II, S. 107b (Oratio Solennis). 157 Herrmann von der Hardt, Historia literaria reformationis, T. III, S. 1 f. Johann Franz Buddeus, De Pontificibvs Romanis, S. 20. Johann Heinrich Majus, Historia Reformationis, S. 6 f. 158 Johann Franz Buddeus, De Pontificibvs Romanis, S. 20. Gottlieb Wernsdorf, Hil. Ev. II, 22a (Oratio secularis): „Frustra igitur in Conciliis Constantiensi, Basiliensi, Pisano, Lateranensi, & aliis de sacris renovandis est cogitatum, Imperiique Proceres in omnibus prope comitiis . . . graves hac de re attulerunt querelas, quod ad illas pridem obsurduerat Pontifex, quaeque petita fuerant, vel differendo negabat.“ Johann Daniel Herrnschmid, Predigt, S. 53. 159 Michael Friedrich Quade, Hil. Ev. II, S. 107b (Oratio Solennis). 160 Justus Christoph Bo ¨ hmer, Fasces academici, S. 98. 161 Johann Daniel Herrnschmid betont, daß die Verfolgung von Christen, die nach re152 153

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Konzilien von Basel sowie von Florenz und Ferrara fu¨r die Ohnmacht der kirchlichen Reformversuche des 15. Jahrhunderts. Die Tatsache, daß zwei vorgeblich rechtma¨ßige Pa¨pste zur gleichen Zeit zwei vorgeblich rechtma¨ßige Konzilien einberufen hatten, die dann zu widerspru¨chlichen Lehrbeschlu¨ssen kamen, hatte den Konzilsgedanken ad absurdum gefu¨hrt.162 Als weiteren Faktor, der zum Niedergang der mittelalterlichen Kirche beitrug, nennen die Jubila¨umsschriften den Verfall des Schulwesens. Diesen Verfall und dessen Folgen fu¨r die kirchliche Lehre hat Christian Scho¨ttgen, Rektor des Gymnasiums in Frankfurt an der Oder, in seiner Schrift „De statu scholarum ante reformationem“ dargestellt. Scho¨ttgen stellt fest, daß es in den Jahrhunderten vor der Reformation sehr wohl gute Schulen gegeben hat, von denen sich allerdings keine dauerhaft der Unterwanderung durch den lasterhaften und mu¨ßigen Lebenswandel ihrer Lehrer entziehen konnte. In den ersten Jahrhunderten des von Karl dem Großen begru¨ndeten allgemeinen Schulwesens, als die Schulen noch in der Obhut der weltlichen Fu¨rsten standen, war die Ausbildung vorzu¨glich.163 Erst als die Schulen den Kirchen unterstellt wurden, nahm das Niveau der Ausbildung ab; es konnten nur noch wenige qualifizierte Lehrer in den Schulen gehalten werden, weil diese Stellungen schlecht bezahlt wurden und geringes Ansehen genossen.164 Infolgedessen ließ der Arbeitseifer nach und das Bildungsniveau sank in allen Fa¨chern, wovon die Theologie hart getroffen wurde, die auf den u¨brigen Fa¨chern aufbaute.165 Von besonderer Tragweite war es, daß die Kenntnis der alten Sprachen abnahm, insbesondere des Hebra¨ischen und Griechischen.166 Mangelhafte, u¨berholte Lehrbu¨cher aus vergangenen Jahrhunderten behinderten den Unterricht und ließen es zu intensiverem Versta¨ndnis der alten Sprachen nicht kommen.167 Am Tiefpunkt dieser Entwicklung galt es als Ketzerei, wenn jemand das Griechische u¨berhaupt noch beherrschte, den formatorischem Versta¨ndnis rechtgla¨ubig waren, fester Bestandteil des Vorgehens der Pa¨pste gegen ihre Gegner war: „Wer nun dargegen die Wahrheit des Evangelii auch nur einiger massen bezeugen wolte / mußte sich verfolgen / martern / ja gar als Ketzer verbrennen lassen. Hiervon kan insonderheit ein Zeugniß seyn, was mit denen Waldensern oder Albigensern vorgegangen, nachdem sie vom Papst Alexandro III. auf Synodo Taurinensi . . . verdammt worden. Denn von solcher Zeit an wurden diese Leute (weil sie die H. Schrift lasen, viele Irrthu¨mer und Mißbra¨uche bestrafften, und vornehmlich der Pa¨pste tyrannische Gewalt mißbillichten) mit Marter, Feuer und Schwerd verfolget.“ (Ders., Predigt, S. 53). 162 Johann Lorenz von Mosheim, Pontificios, salis apostolici expertes, S. 36–38. 163 Chistian Scho ¨ ttgen, De statu scholarum, S. 3–5. Jacob Burgmann, Oratio Rectoralis, S. 140r. 164 Chistian Scho ¨ ttgen, De statu scholarum, S. 27 ff. 165 Chistian Scho ¨ ttgen, De statu scholarum, S. 8 f. 166 Jacob Burgmann, Oratio rectoralis, S. 139 ff. 167 Chistian Scho ¨ ttgen, De statu scholarum, S. 13: „Certo constat, in Academiis eadem studia eodem modo fuisse tractata, adeoq. homines vix ante annum trigesimum ad aliquam Grammatices notitiam pervenisse.“

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Studenten war die Lektu¨re griechischer Schriftsteller im Original verboten,168 und des Hebra¨ischen waren im ausgehenden 15. Jahrhundert gerade noch drei bis vier Gelehrte kundig.169 Aber auch in den u¨brigen Fa¨chern, die zur philosophischen Fakulta¨t geho¨rten, so Scho¨ttgen, wurden grundlegende Wissensgebiete u¨ber Jahrhunderte vernachla¨ssigt. Das Studium der Logik war stark beeintra¨chtigt, weil nur schlechte U¨bersetzungen des Aristoteles vorlagen. Ganze Abschnitte seiner Logik mußten u¨bergangen werden, andere ließen sich nur oberfla¨chlich behandeln, so daß sie am Ende nur noch in Gestalt unzureichender und sachlich falscher Interpretationen bekannt war.170 Schließlich litt die Vermittlung des noch verbliebenen Wissens unter der schlechten Ausbildung der Lehrer, die didaktisch und rhetorisch mit den Aufgaben des ta¨glichen Unterrichts u¨berfordert waren.171 U¨berdies mangelte es an Lehrern, die die Kenntnisse ihrer Zeit in Form von Lehrbu¨chern ha¨tten sammeln und ihrer Generation erschließen ko¨nnen. Fu¨r die Theologie, die auf diesen Kenntnissen aufbaute, hatte das weitreichende Folgen. Die Arbeit am biblischen Text mußte auf die ungenu¨gende Textfassung der Vulgata zuru¨ckgreifen.172 Wegen ihrer mangelhaften Sprachkenntnisse blieben den meisten Theologen große Teile der a¨lteren Bibelauslegungen verschlossen, weshalb sie sich zunehmend auf die allegorische und mystische Schriftauslegung verlegten, ohne nach dem Literalsinn des Textes fragen zu ko¨nnen.173 Alles in allem zeichnen die Jubila¨umsschriften ein verheerendes Bild von den Zusta¨nden in der mittelalterlichen Kirche. Der Theologe Johann Daniel Herrnschmid in Halle urteilt u¨ber diese Epoche, man habe glauben mu¨ssen, „. . . daß Gott sich in Zorn abgewandt / und seine a¨usserliche Kirche verlassen habe.“174 Diese Kritiken runden das Bild der vom Antichrist beherrschten mittelalterlichen Kirche ab, das die Jubila¨umsschriften zeichnen. Dabei u¨bernehmen die Verfasser Luthers Anschauung vom Wesen des Antichrists, derzufolge nicht einzelne Pa¨pste, sondern das Papsttum als Institution mit dem Antichrist identifiziert werden mu¨sse.175 Die 168 Chistian Scho ¨ ttgen, De statu scholarum, S. 16; Jacob Burgmann, Oratio rectoralis, S. 140v. 169 Chistian Scho ¨ ttgen, De statu scholarum, S. 18. A¨hnliche Beispiel fu¨r die Unkenntnis des Griechischen und Hebra¨ischen finden sich bei Jacob Burgmann, Oratio rectoralis, S. 140r. Dieser erga¨nzt hinsichtlich der Lateinkenntnisse unter den Theologen im spa¨ten Mittelalter: „Episcopi enim et Sacerdotes tunc adeo rudes literarum fuerunt, ut ne latine quidem amplius loqui, imo ne intelligere quidem, multo minus epistolam Latine scribere possent.“ (Ders. Oratio Rectoralis, S. 139r.). Justus Christoph Bo¨hmer, Fasces academici, S. 96. 170 Chistian Scho ¨ ttgen, De statu scholarum, S. 18 f. 171 Chistian Scho ¨ ttgen, De statu scholarum, S. 21 f. 172 Chistian Scho ¨ ttgen, De statu scholarum, S. 26 f. Joh. Joachim Weidner, Delineatio, S. 40. 173 Chistian Scho ¨ ttgen, De statu scholarum, S. 6. 174 Johann Daniel Herrnschmid, Predigt, S. 56. 175 Volker Leppin, Antichrist und Jungster Tag, S. 214–220. ¨

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Verfallstheorie und das Antichristmotiv ziehen sich durch alle Festschriften hindurch: Dabei kommen auch biblisch-theologische U¨berlegungen zur Geltung. Die wichtigsten Belegstellen fu¨r das antichristliche Wesen des mittelalterlichen Papsttums sind 2. Thess. 2 als „locus classicus mittelalterlicher Antichristologie“176 und Apk. 146 ff, die in der lutherischen Orthodoxie ha¨ufig herangezogene Prophezeiung auf die Verku¨ndigung des Evangeliums und die Vertreibung des Antichrists durch die Reformatoren.177 Die theologische Auseinandersetzung mit dem Primatsanspruch des Papsttums anhand der von Luther und den ro¨misch-katholischen Theologen gleichermaßen herangezogenen loci classici (Mt. 1616 ff; Lk. 2231 ff; Joh. 2115 ff) unterbleibt weitgehend. Der Grund fu¨r diese Beschra¨nkung du¨rfte darin liegen, daß es den Verfassern einzig um die Abgrenzung von der ro¨misch-katholischen Kirche und um die Besta¨tigung der eigenen konfessionellen Identita¨t als der wahren Kirche ging. Dazu boten sich solche Texte an, die zur Grenzziehung zwischen wahrer und falscher Kirche, zwischen den Anha¨ngern Christi und des Antichrists anregten, ohne die Prediger und Redner auf das weite Feld protestantischkatholischer Kontroverstheologie zu fu¨hren. An der großen Bedeutung, die dem Antichrist-Motiv bei der Beschreibung der mittelalterlichen Kirchengeschichte zukommt, zeigt sich die Verwurzelung der Autoren in dem von Augustin begru¨ndeten dualistischen Geschichtsversta¨ndnis.178 Die Geschichte der mittelalterlichen Kirche sowie der nachfolgenden Reformation wird vor dem Hintergrund des heilsgeschichtlichen Kampfes zwischen Gott und Satan gedeutet, der sich in der Geschichte manifestiert. Die mittelalterliche Geschichte ist eine einzige Geschichte des Verfalls der sichtbaren Kirche und der Glaubenslehren, in der das Papsttum den Widerpart Gottes und der wahren Kirche einnimmt. Anders als noch bei den Reformatoren gilt die Entlarvung des Antichrists jedoch nicht unbedingt als Anku¨ndigung der unmittelbar bevorstehenden Endzeit, und die Rede vom unmittelbar bevorstehenden Ju¨ngsten Tag spielt trotz ihrer urspru¨nglichen Verbindung mit dem Antichrist-Motiv keine Rolle. Vielmehr gilt der Antichrist als innerweltlich offenbar gewordener Gegenspieler der wahren Kirche.179 In seinen wichtigsten Elementen entspricht das hier gezeichnete Bild der mittelalterlichen Kirche dem Bild, das die protestantische Kirchengeschichtsschreibung des 16. und 17. Jahrhunderts entworfen hatte.

Volker Leppin, Luthers Antichristversta¨ndnis, S. 51. Henricus Muhlius, Martini Lutheri Propositiones, S. 12. Zur Verwendung des Motivs in der lutherischen Orthodoxie: Hans Ju¨rgen Scho¨nsta¨dt, Antichrist, Weltheilsgeschehen und Gottes Werkzeug, S. 254 ff. 178 Alfred Schindler, Art. „Augustin / Augustinismus“, in: TRE 4, S. 680–683. 179 Zu dieser „Enteschatologisierung der Antichristpolemik“ im Zuge der konfessionellen Polemik als einer Tendenz der Antichristologie in der protestantischen Geschichtsschreibung: Volker Leppin, Antichrist und Ju¨ngster Tag, S. 226–229. 176 177

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Nicht als ob die gesamte mittelalterliche Kirche vom Antichrist beherrscht gewesen wa¨re! Wohl sei die wahre Lehre stark zuru¨ckgedra¨ngt und die Zahl der wahrhaft Gla¨ubigen sehr reduziert gewesen. Der Antichrist hatte sich aber nicht der gesamten Christenheit bema¨chtigen ko¨nnen. Vielmehr ist es der wahren Kirche im Mittelalter ergangen wie einst im Alten Bund, als der Prophet Elias durch Gottes Gnade mit einem heiligen Rest von 7000 Gla¨ubigen am wahren Glauben festhielt, wa¨hrend um ihn herum der Baalskult tobte (1. Ko¨n. 19).180 Wie damals hatte Gott wa¨hrend des Mittelalters einen heiligen Rest von testes veritatis berufen, die in der Zeit des allgemeinen Verfalls den wahren Glauben bewahrten. Diese Theorie von den testes veritatis als Tra¨gern des wahren Glaubens in den Zeiten der Anfechtung bildete das Gegenstu¨ck zur Verfallstheorie und geho¨rte seit ihrer ersten Erwa¨hnung bei Melanchthon und der weiteren Entfaltung durch Flacius zum Kernbestand des protestantischen Geschichtsversta¨ndnisses.181 Die Traditionstheorie sollte dem Nachweis dienen, daß die evangelische Kirche als die besta¨ndige, wahre, die ro¨misch-katholische Kirche aber als die falsche, von den Urspru¨ngen abgefallene Kirche gelten mu¨sse. Dazu bezog sie sich auf den von protestantischen und ro¨misch-katholischen Theologen gleichermaßen respektierten Grundsatz: „Vera ecclesia ac religio sunt perpetua, falsae vero ecclesiae et religiones subinde varie mutantur et transformantur.“182 Demnach geho¨rte es zu den wichtigsten Aufgaben der Jubila¨umsschriften nachzuweisen, daß es in der Zeit des kirchlichen Verfalls des Mittelalters Theologen gegeben hatte, die sich einerseits auf die wahre Kirche der ersten sechs Jahrhunderte gru¨ndeten und zugleich den Fundus fu¨r die protestantische Reformation geboten hatten. Demzufolge hatte es selbst in den Zeiten des Verfalls Christen gegeben, die in der Kirche des Mittelalters den heilstiftenden Glauben an Christus bewahrt hatten, so wie die mittelalterliche Kirche als ganze in ihrer Verfallenheit Teile der wahren Kirche in sich getragen hatte.183 Fu¨r diese Kontinuita¨t bu¨rgen die sogenannten testes veritatis. 180 Bei Johann Franz Buddeus, Ivdicivm, S. 39 heißt es unter Bezugnahme auf 1. Kon. ¨ 19: „ Pari ratione, quantumuis magna esset Romanae ecclesiae, & per errores grauissimos, & per superstitionem ac idolatriam, corruptio, hoc non obstabat, quo minus nonnulli superessent, qui in errorum istorum & idolatriae non eo vsque peruenirent societatem, vt salutis aeternae quoque iacturam facerent.“ Brandanus Henricus Gebhardi, Vaticinium Johanneum, S. 7 f; Christoph August Heumann bezieht sich auf Apk. 11 (Ders., De Luthero apocalyptico, S. 18). Gustav Adolf Benrath, Art. „Geschichte / Geschichtsschreibung / Geschichtsphilosophie VII/1“, in: TRE 12, S. 632. 181 Zur Bedeutung Melanchthons fur die Entstehung dieser Geschichtskonzeption bei ¨ Flacius: Heinz Scheible, Der Catalogus testium veritatis. Flacius als Schu¨ler Melanchthons, S. 352–355. 182 Aus der Vorrede zum Catalogus testium veritatis. Zitiert nach: Heinz Scheible, Die Anfa¨nge der reformatorischen Geschichtsschreibung, S. 51. 183 Martin Chladenius, De methodo Evangelicorum, S. 24; Johann Franz Buddeus, Ivdicivm, S. 44 f. Diesen die Jahrhunderte u¨berspannenden Zusammenhalt der wahren Kirche

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Allerdings besta¨tigt die Anwendung der Traditionstheorie in den Jubila¨umsschriften die These, es habe „die negative Verfallstheorie im Rahmen des protestantischen Geschichtsversta¨ndnisses gro¨ßere Bedeutung erlangt als die positive Theorie von den Wahrheitszeugen.“184 Der Kreis der testes veritatis bleibt u¨berschaubar, und kein Verfasser unternimmt den Versuch, eine lu¨ckenlose Reihe von testes veritatis aufzustellen, die eine ununterbrochene historische Verbindung zwischen der wahren Kirche der ersten Jahrhunderte und den Reformatoren ha¨tte verbu¨rgen ko¨nnen. Fu¨r einige Autoren sind die testes veritatis die Bewahrer der wahren Lehre im Sinne von 1. Ko¨n. 19, andere beschreiben sie als Vorla¨ufer der Reformation, wieder andere weisen lediglich auf die Kontinuita¨t des Wortes Gottes in der Zeit des verdunkelten Papsttums hin, ohne einzelne Zeugen besonders hervorzuheben.185 In der Regel wa¨hlen die Verfasser einzelne, ihnen wichtig erscheinende testes aus, wobei einige bekanntere ha¨ufiger als andere angefu¨hrt werden. In chronologischer Folge des Auftretens werden genannt: An erster Stelle die beiden Ordenstheologen Petrus Damiani (gest. 1072) und Bernhard von Clairvaux (1091–1153), die in den Finsternissen des Mittelalters fu¨r die Liebe zu Fro¨mmigkeit und Wahrheit eintraten. Quade lobt neben ihrer Kritik des Klerus einschließlich des Papstes ihre Vorschla¨ge zur Kirchenreform: beide ha¨tten es verdient gehabt, zu einer besseren Zeit zu leben.186 Aus dem 13. Jahrhundert werden wiederholt Petrus Waldes und die Gemeinschaft der Waldenser als Wahrheitszeugen angefu¨hrt, die zahlreiche Irrlehren der ro¨misch-katholischen Kirche aufdeckten und sich durch Repressionen nicht von ihren U¨berzeugungen abbringen ließen.187 Mit dem fortschreitenden Verfall der Kirche wuchs die Zahl reformerischer Theologen. An John Wyclif (gest. 1384) ist nicht nur seine Papstkri-

bringt auch eine in Wittenberg oder Gotha gepra¨gte Medaille zum Ausdruck: Auf der Vorderseite zeigt sie ein Bild Luthers und die Inschrift Ivbilaevm Secvndvum – Martinvs Lvthervs Theologiae Doctor, und auf der Ru¨ckseite ist Johannes Hus zu sehen umgeben von der Inschrift: „Credo Vnam Esse Ecclesiam Sanctam Catolicam.“ (Hugo Schnell, Martin Luther und die Reformation, Abb. 175). 184 Gustav Adolf Benrath, Die sogenannten Vorreformatoren in ihrer Bedeutung fur ¨ die fru¨he Reformation, S. 166. 185 Johann Heinrich Majus, Historia Reformationis, S. 255. Bernhard von Sanden, Predigten, S. 55. 142 f. Johann Wolfgang Iaeger, Wirtembergiae lvtheranae laetae candor, S. 12. Martin Chladenius, De methodo Evangelicorum, S. 13 f. 186 Michael Friedrich Quade, Hil. Ev. II, S. 107a (Oratio Solennis); Johann Franz Buddeus, Ivdicivm, S. 40 nennt ebenfalls Bernhard von Clairvaux. 187 Johann Franz Buddeus, Ivdicivm, S. 41; Joachim Lange, Disputatio secularis, S. 9. Selbst ein Kritiker wie Johann Peter Ludewig nennt neben anderen die Waldenser und Albigenser als testes veritatis des Mittelalters; vgl. Ders., Dica Ivbileorvm, S. 11 f. Christoph August Heumann, Lutherus Apocalypticus, S. 17: „Nempe a medio saeculo XII. vsque ad initium saeculi XVI. adeoque per tria saecula & dimidium, veritas fuit penes Waldenses & Bohemos, diuinae veritatis in mediis Papatus tenebris professores diuinitus excitatos.“

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tik bemerkenswert, sondern auch die posthume Verbrennung seiner Gebeine durch den Henker,188 wodurch er in den Augen der Protestanten zum Ma¨rtyrer erhoben wurde. An Wyclif wird deutlich, wie die Jubila¨umsschriften geradezu auf die Papstkritik fixiert waren. Mit keinem Wort erwa¨hnen sie Wyclifs Kirchenkritik, die Begru¨ndung seiner Theologie in der Heiligen Schrift oder sein Verdienst um die Verbreitung der Heiligen Schrift in der Volkssprache, die ihn als einen Vorla¨ufer des reformatorischen Schriftprinzips ha¨tten ausweisen ko¨nnen. Zu den meistgenannten testes za¨hlen die bo¨hmischen Theologen Johannes Hus und Hieronymus von Prag.189 Angeregt durch Wyclifs Theologie habe Hus fu¨r die Reinigung der Kirche geka¨mpft. Er hatte sein theologisches Amt als Verpflichtung zur furchtlosen Kritik an der bestehenden Kirche verstanden und sich ausschließlich auf das Zeugnis der Schrift berufen. Er habe die Gewa¨hrung des Laienkelchs gefordert, das antichristliche Wesen des Papsttums angeprangert und selbst vor Kaiser und Konzil seine U¨berzeugungen nicht verleugnet.190 In dieser Zusammenstellung wird Hus sowohl aufgrund seiner Theologie als auch aufgrund seines perso¨nlichen Werdegangs als Vorla¨ufer Luthers und der Reformation beschrieben, dem es nicht vergo¨nnt war, den Sieg seiner Reform zu erleben. Sein Ruhm gru¨ndet sich auf seinem Ma¨rtyrertod und auf seine Prophezeiung eines kommenden Reformators, die er der Legende nach auf dem Scheiterhaufen ausgesprochen hatte.191 Gemeinsam mit Hus wird Hieronymus von Prag genannt, der Hus in seiner theologischen Entwicklung begleitet und mit ihm in Konstanz den Ma¨rtyrertod erlitten hatte. Wegen des entehrenden Todes, den sie tapfer und getrost ertragen haben, gelten Hus und Hieronymus auch 1717 noch als die „martyres sanctissimi“ inmitten des vom Papsttum verfinsterten Mittelalters.192 Erga¨nzend erinnert Bernhard von Sanden an die Opfer der Hussitenkriege, die mit ihrem

188 Michael Friedrich Quade, Hil. Ev. II, S. 107b (Oratio Solennis); Bernhard von Sanden, Predigten, S. 15. 189 Charakteristisch fur die Bedeutung von Wyclif, Hus und Hieronymus von Prag ist, ¨ daß beispielsweise auch Bernhard von Sanden sich in seinem fu¨r das allgemeine Kirchenvolk bestimmten Katechismus auf diese Trias beschra¨nkt, um Beispiele fu¨r reformerische Impulse in der mittelalterlichen Kirche zu geben (Bernhard von Sanden, Unterricht, Frage 34). 190 Gottlieb Wernsdorf, De primordiis, S. 10–12. 191 Gottlieb Wernsdorf, De primordiis, S. 12–14. Bernhard von Sanden, Predigten, S. 15 f. Den engen Zusammenhang zwischen Hus und Luther stellt die von Gottlieb Wernsdorf neu herausgegebene Schrift „HUSSIUS ET LUTHERUS“ vor, die Sam. Martin anla¨ßlich des Jubila¨ums von 1617 verfaßt hatte. Die Rede von Heinrich Muhle „Solemnis comparatio inter duumviros, Johannem Hussum & Martinum Lutherum“ ist leider nicht erhalten. 192 Michael Friedrich Quade, Hil. Ev. II, S. 107b (Oratio Solennis). Bernhard von Sanden, Predigten, S. 15. Justus Christoph Bo¨hmer, Fasces academici, S. 98: „Nihil in eos valuerunt minae, nihil pollicitationes, nihil auctoritas hominum: pro caelesti veritate necem pertulerunt animo constanti, et quasi ad epulas inuitati, ad incendium properant.“

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Sterben ebenso mutig wie ihre beru¨hmten Lehrer fu¨r die Wahrheit des Evangeliums einstanden.193 Daß diesen testes und ihren Reformversuchen kein Erfolg beschieden war, deuten die Jubila¨umsschriften als Hinweis darauf, wie schwer es ist, eine wirkliche Reform der Kirche durchzufu¨hren. Dazu bedarf es neben der Einsicht in die vorhandenen Mißsta¨nde der Klarheit u¨ber die eigenen Ziele sowie des Mutes, die Reform tatkra¨ftig anzugehen und schließlich des beharrlichen Widerstandes gegen alle Gegner, die Pa¨pste eingeschlossen, – Voraussetzungen, an denen es den Reformen des Mittelalters fehlte. Sie waren gut gemeinte Versuche und bezeugen den U¨berlebenswillen der wahren Kirche in der tiefsten Verdunklung des Mittelalters, wa¨hrend ihnen das historische und geistige Umfeld fehlte, um der Kirche zu einer wahren Erneuerung zu verhelfen. Gleichwohl seien es historisch betrachtet die gescheiterten Reformbemu¨hungen des 14. und 15. Jahrhunderts gewesen, die den Boden fu¨r Luthers erfolgreiche Reformation des 16. Jahrhunderts bereiteten.194 Und auch fu¨r die Theologen war eindeutig, warum trotz aller Reformbemu¨hungen der Zeitpunkt fu¨r die Befreiung der Kirche aus ihrer geistlichen Finsternis noch nicht gekommen war: Gott selbst hatte im 15. Jahrhundert die Reformation seiner Kirche hinausgezo¨gert. Der Verfall war noch nicht weit genug vorangeschritten, die Zeit fu¨r die Befreiung der wahren Kirche noch nicht gekommen. Den testes veritatis und allen mittelalterlichen Reformbemu¨hungen fehlte, was Luther zuteil wurde: der go¨ttliche Beistand.195

Bernhard von Sanden, Predigt, S. 16. Herrmann von der Hardt, Historia literaria reformationis, T. IV, S. 1: „Non profecto subitanea fuit commotio, unius horae aut diei, nisi quoad publicae disputationis apparatum de indulgentiarum virtute. Reformationis communis exordium lentum , quod per annos praevios per secula praeuntia, sensim sensimque apparatum. Quando ecclesiastica administratio coepit insolescere, eodem etiam tempore bonorum indignatio, ut & Caesarum & principum audita querela & emendationis postulatio. Crevit Ecclesiae corruptio, crevit reformationis desiderium.“ 195 Gottlieb Wernsdorf, De primordiis, S. 31: „Aliud enim est, necessitatem repurgandorum sacrorum agnoscere ; aliud repurgationem ipsam suscipere , ac moliri; aliud iugum Pontificis impatientius ferre ; aliud id ipsum excutere ; aliud est emendationem in votis habere ; aliud eandem aggredi , ac tentare. Distinguendum quoque est inter qualemcunque doctrinae salutis cognitionem, Evangeliique praedicationem , et inter manifestam , studioque susceptam Pontificis oppugnationem , nec non inter emendationis praeludia , et inter emendationem ipsam. Vota, conatum, praeludia, multis relinquimus: ipsam sacrorum instaurationem, negamus. Largimur tamen, ante Lutherum non defuisse, qui et regni Pontificii errores agnoscerent, et saniora quodammodo docerent.“; a¨hnlich: Johann Franz Buddeus, Divinae providentiae, S. 52. 193

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3. Die Reformation in Deutschland Das Bemu¨hen der Jubila¨umsschriften von 1717 geht dahin, die Reformation als historischen Vorgang zu beschreiben. Entscheidend ist dabei weniger die Auswahl der historischen Fakten, die bisweilen beliebig wirkt, als vielmehr die Tatsache der historischen Betrachtungsweise an sich. Diese setzt mit der Charakterisierung des Humanismus als Vorbereitung der Reformation ein und erstreckt sich in einzelnen Schriften bis hin zum Augsburger Religionsfrieden.196 Das Schwergewicht liegt allerdings bei den Anfa¨ngen der Reformation, deren Zentrum wiederum die theologische Entwicklung Luthers bildet. a) Der Humanismus als Vorbereitung der Reformation Sinnfa¨llig fu¨r die historische Betrachtungsweise der Reformationsgeschichte ist der hohe Stellenwert, den die Jubila¨umsschriften dem Humanismus als einer die Reformation vorbereitenden historischen Erscheinung beimessen; eine historische Einscha¨tzung, die fu¨r die ReformationsBeschreibungen des 17. Jahrhunderts nur geringe Bedeutung gehabt hatte.197 So setzen die Jubila¨umsschriften einen neuen Akzent, indem sie den Beginn der reformatorischen Bewegung mit dem aufkommenden Humanismus verbinden. Im Gegenzug zu dem schleichenden Verfall der Kirche am Ausgang der Antike schildern sie die Wiedergeburt der klassischen Bildung als langsamen, zuerst kaum wahrnehmbaren Prozeß in der Mitte des 15. Jahrhunderts.198 Wenn sich u¨berhaupt ein Ausgangspunkt fu¨r diese Entwicklung nennen lasse, so liege dieser in der Mitte des 15. Jahrhunderts und bestehe in den wieder aufkeimenden Kenntnissen der alten Sprachen im westeuropa¨ischen Kulturraum. Den a¨ußeren Anlaß dazu bot der Fall Konstantinopels im Jahre 1453, in dessen Folge von dort geflu¨ch196 Exemplarisch wird dieses an dem „Entwurff der Reformationshistorie biß auf den Augsburgischen Frieden“ deutlich, die Justus Christoph Dithmar vero¨ffentlicht hat. Das Hauptgewicht liegt auf der detaillierten Beschreibung der Reformationsgeschichte, der einige Kapitel u¨ber die historische und theologische Vorgeschichte der Reformation vorangestellt waren. 197 In der Reformationsgeschichtsschreibung des spateren 16. Jahrhunderts taucht die ¨ Beschreibung des Humanismus als Vorbereitung der Reformation wiederholt auf, wenngleich nicht in den fu¨r die orthodoxe Deutung der Reformationsgeschichte pra¨genden Luther-Predigten des Johann Mathesius. Im fru¨hen 17. Jahrhundert verliert dieser Aspekt der Reformationsgeschichte an Bedeutung, weshalb beispielsweise Hans-Ju¨rgen Scho¨nsta¨dt fu¨r das Reformationsjubila¨um 1617 keine diesbezu¨glichen Belege verzeichnet. Ferguson konstatiert zusammenfassend, wa¨hrend des gesamten 17. Jahrhunderts sei u¨berhaupt keine ausfu¨hrliche Darstellung u¨ber Verlauf und Wirkung der Renaissance entstanden (Wallace K. Ferguson, The Renaissance in historical thought, S. 69). 198 Johann Daniel Herrnschmid, Predigt, S. 59. Georg Detharding, Hil. Ev. II, S. 93b (Oratio Jubilaea); Friedrich Andreas Hallbauer, Lutherus, S. 54 f.

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tete griechische Gelehrte ihre Kenntnisse und Schriften nach Italien brachten.199 Aus Sicht der Verfasser der Jubila¨umsschriften, die sich mit der Vorgeschichte der Reformation befassen, war dieser bescheidene Neuanfang der abendla¨ndischen Bildung samt des ihr vorausgehenden Falls von Konstantinopel ein Werk Gottes, das die Vertreibung der u¨ber dem Abendland liegenden geistigen und geistlichen Finsternis einleitete.200 Den von Gott gesandten Gelehrten des Ostens und ihren italienischen Go¨nnern war es zu verdanken, daß die Kenntnisse der griechischen Sprache und Literatur sich in Italien und von dort im u¨brigen Europa – bisweilen unter großen Opfern201 – ausbreiteten.202 Daß sich gleichzeitig durch die Verbesserungen im Buchdruck die technischen Mo¨glichkeiten zur Verbreitung der neuen Wissenschaften beschleunigten, gilt als untru¨gliches Zeichen fu¨r das Wirken der go¨ttlichen Providenz in den Jahren vor der Reformation.203 Vermittelt durch Johann Agricola und Johann Reuchlin erreichte die Bewegung im ausgehenden 15. Jahrhundert auch Deutschland.204

199 Jacob Burgmann, Oratio rectoralis, S. 140v. Gottlieb Wernsdorf, De primordiis, S. 29. Friedrich Andreas Hallbauer, Lutherus, S. 57. Mit dieser Deutung folgen die Jubila¨umsschriften der Verknu¨pfung, die auch die Reformatoren zwischen Humanismus und Reformation vornahmen. Fu¨r Melanchthon war zeitlebens unbestritten, daß die Wiederentdeckung der alten Sprachen die notwendige Voraussetzung fu¨r die theologischen Reformen gewesen waren, die Gott geschenkt hatte (vgl. Heinz Scheible, Melanchthons Bildungsprogramm, S. 105 f), auch Luther hat sich wiederholt dahingehend gea¨ußert (vgl. seinen Brief an Eobanus Hessus vom 29. Ma¨rz 1523; WA Br. 3, Nr. 596). 200 Friedrich Andreas Hallbauer, Lutherus, S. 57 f: „. . . tanta prouidentia supremum Nvmen mala etiam publica ad reuocandas artes, earumque beneficio restaurandam religionem convertit!“ Johann Daniel Herrnschmid, Predigt, S. 59. Gottlieb Wernsdorf, De primordiis, S. 27. Hermann von der Hardt, Historia literaria reformationis, Praefatio. Jacob Burgmann, Oratio rectoralis, S. 140v. Gottlieb Samuel Treuer, Die Politischen Fehler, S. 49. Christoph August Heumann, De Luthero Apocalyptico, S. 30 ff. Den langsamen Wandel, der mit dem Fall Konstantinopels einsetzte, dem aber viele weitere Schritte folgten, hatte wenige Jahrzehnte zuvor Cellarius sehr viel ausfu¨hrlicher beschrieben; auch er vertrat die Auffassung, der Wandel sei als langsamer Prozeß und nicht als zwangsla¨ufige Folge eines Einzelereignisses, eben des Falls Konstantinopels, zu verstehen (vgl. Wallace K. Ferguson, The Renaissance in historical thought, S. 76 f.). 201 Friedrich Andreas Hallbauer, Ecclesia Lutherana, S. 50: „Qui ingenuas artes toto nisu a barbarie & obliuione vindicarunt; eos omni tempore insanis monachorum clamoribus, diris odiis, ac perpetuis insidiis vexatos animaduertimus . . .“ 202 Gottlieb Wernsdorf, De primordiis, S. 29. 203 Justus Christoph Bo ¨ hmer, De bonis litteris, ):( 2v: „. . . nec sine arcano Dei prouisu, ac consilio factum, vt paullo ante in Germania ars typographica inueniretur, cuius ope, quae pro rei euangelicae redintegratione scribebantur, facili labore, breuique tempore vehementer multiplicari, et cum disiunctissimis populis communicari poterant.“ Jacob Burgmann, Oratio rectoralis, S. 140 f. Gottlieb Wernsdorf, Hil. Ev. II, S. 24a (Oratio secularis); Ders., De primordiis, S. 27 f; Johann Franz Buddeus, De characteribvs, S. 46. Gottlieb Samuel Treuer, Die Politischen Fehler, S. 28. Friedrich Andreas Hallbauer, Lutherus, S. 56. Christoph August Heumann, De Luthero Apocalyptico, S. 36. 204 Gottlieb Wernsdorf, Hil. Ev. II, S. 24a (Oratio secularis).

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Ausdru¨cklich heben die Jubila¨umsschriften die Verdienste des Erasmus von Rotterdam und Johann Reuchlins um die Verbreitung der Kenntnisse der alten Sprachen an den deutschen Schulen hervor.205 Das Werk des Erasmus, an das sie vor allem erinnern, ist seine Edition des Neuen Testaments. Aber auch seine u¨brigen Schriften haben maßgeblich zur Beseitigung der scholastischen Theologie beigetragen.206 Heumann formuliert, Erasmus habe die Waffen bereitgestellt, deren die Reformatoren gegen die ro¨misch-katholische Kirche bedurften.207 Zu der positiven Bewertung Reuchlins trugen vor allem dessen Schriften zur hebra¨ischen Sprache sowie sein Eintreten fu¨r die Erhaltung des ju¨dischen Schrifttums in den Jahren nach 1509 bei. Von der Hardt wu¨rdigte zudem Reuchlins Bemu¨hungen um einen friedlichen Umgang von Christen mit Juden und vero¨ffentlichte eine Reihe von Texten Reuchlins, in denen dieser fu¨r eine friedliche Judenmission geworben habe.208 Zu der positiven Bewertung Reuchlins du¨rfte außerdem Luthers Urteil beigetragen haben, der Reuchlin als das „organum consilii divini, omnibus purae Theologiae studiosis expectatissimum“ bezeichnet hatte.209 Eine weitere Reminiszenz an Reuchlin findet sich bei May, der Reuchlin als den eigentlich pra¨genden Lehrer Melanchthons bezeichnet.210

205 Johann Christian Klemm, De servandis augendisqve reformationis fructibus, S. 23: „Atque heic immortaliter de bonis litteris earumque restitutione meritos esse Johannem Capnionem & Desiderium Erasmum, divina atque omnibus seculis celebranda ingenia, diffitendum prorsus non est, qui exoptatissimo Reformationis operi viam egregie praepararunt, atque nobiliora excitarunt ingenia, ut perspecta seculi sui barbarie, de rebus & literariis & sacris in melius convertendis cogitaverint.“ Johann Gerhard Sprengel, De bonis litteris, ):( 2r. Hermann von der Hardt hat dem Lob auf Erasmus und Reuchlin fu¨r ihre Verdienste um die Kenntnisse in den alten Sprachen und die neue Bibelu¨bersetzung eine eigene Schrift mit dem Titel „Monumentum Jubilaei Humanitatis & Fontium sacrorum“ gewidmet. 206 Hermann von der Hardt, Historia literaria reformationis, T. I, S. 1 f. Johann Franz Buddeus, Divinae providentiae, S. 48. 207 Christoph August Heumann, De Luthero Apocalyptico, S. 44 f. Das Verhaltnis zwi¨ schen Erasmus und den Reformatoren charakterisieren einzelne Verfasser mit dem Bildwort, Erasmus habe ein Ei gelegt, das von Luther ausgebru¨tet worden sei: Gottlieb Wernsdorf, De primordiis, S. 34. Matthias Kortholt, Hil. Ev. II, S. 67a (De Luthero). Hermann von der Hardt, Historia literaria reformationis, T. I, S. 2. Daß dieses Bildwort sich bereits im 16. Jahrhundert großer Beliebtheit erfreute, berichtet: Wallace K. Ferguson, The Renaissance in historical thought, S. 53. 208 Auf diesen Aspekt weist Hermann von der Hardt hin, Historia literaria reformationis, T. II, S. 11. Bei dieser Reuchlin-Deutung du¨rften die Einflu¨sse Speners in einer fru¨heren Lebensphase von der Hardts mitspielen. 209 Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 44. 146. Matthias Kortholt, Illuminare, S. 7. Die Bezeichnung Reuchlins als „organum consilii divini“ findet sich in Luthers Brief an Reuchlin vom 14. Dezember 1518 (WA Br. 1, S. 2684) 210 Bei Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 146 heißt es uber das Verhalt¨ ¨ nis von Reuchlin und Melanchthon: „Ioannes Reuchlinus . . . a quo Melanchthon, communis Germaniae praeceptor, iuxta Deum, quicquid habuit potuitque, hausit.“ Ausfu¨hrlich dargelegt ist diese Auffassung in der Lebensbeschreibung Reuchlins, die May 1687 ver-

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Wa¨hrend demnach der Beitrag einzelner Humanisten zur Entstehung der Reformation im allgemeinen außer Frage stand, herrschte Uneinigkeit u¨ber die Beurteilung des Verha¨ltnisses von Reformation und Humanismus. Von der Hardt vertrat mit Nachdruck die Auffassung, Humanisten und Reformatoren seien von gleichen Zielen bewegt gewesen. Die Ziele der Reformation seien nicht auf den Wunsch nach religio¨ser Erneuerung der Kirche begrenzt gewesen, die Reformation habe vielmehr ein allgemeines theologisches, politisches und kulturelles Reformbedu¨rfnis aufgenommen. Sie habe die alten Sprachen und damit die Wissenschaften neu belebt, mit ihr sei das Bildungswesen neu aufgeblu¨ht und sie habe politische Reformen zum Ziel gefu¨hrt, die sich im ausgehenden Mittelalter angebahnt hatten. Von der italienischen Renaissance sei sie, abgesehen von der zeitlichen Verzo¨gerung, kaum zu unterscheiden.211 Aus diesem Grund bewertet von der Hardt den Humanismus als Teil der Reformation: er stellt Luthers Verdienst um den Aufbau der Universita¨t Wittenberg heraus und wu¨rdigt das Werk des jungen Melanchthon, der 1518 zum Zweck der Universita¨tsreform nach Wittenberg berufen worden sei.212 Damit nicht genug, reiht von der Hardt die Reformation in die allgemeinen politischen und kulturellen Reformbemu¨hungen des fru¨hen 16. Jahrhunderts ein, zu denen Luther einen kleinen Beitrag geleistet habe. Dessen Reformation sei eine von mehreren historischen Optionen gewesen, wie die dringend no¨tigen Reformen in die Wege geleitet werden konnten. Ha¨tte Luther das Panier nicht ergriffen, ha¨tten es Maximilian I., Friedrich der Weise oder auch Fu¨rsten ergreifen ko¨nnen, ohne daß sich am Ergebnis viel gea¨ndert ha¨tte.213 Die Tatsache, daß es nur wenige Jahre nach Ausbruch der Reformation zum Bruch zwischen Reuchlin und Melanchthon, zum Streit zwischen Erasmus und Luther, zwischen Humanismus und Reformatoren gekommen war,214 u¨bergeht von der Hardt, da er die Einheitlichkeit der Reformbemu¨hungen des 15. und 16. Jahrhunderts in den Mittelpunkt zu ru¨cken bestrebt ist. o¨ffentlichte. (Vgl. dazu Theodor Mahlmann, Die Bezeichnung Melanchthons als Praeceptor Germaniae, S. 142–147. 213 f). 211 Hermann von der Hardt, Historia literaria reformationis, Praefatio: „Quae initia tam auspicata jussit esse divina gratia, ut orbis nasci videretur novus, renasci, & novam induere indolem, quae communem rem servare sustineret.“ 212 Hermann von der Hardt, Historia literaria reformationis, T. IV, S. 10. A ¨ hnlich: Christoph August Heumann, De Luthero Apocalyptico, S. 42 f. 213 Hermann von der Hardt, Historia literaria reformationis, T. IV, S. 8: „Imo si vel maxime Lutherus se non fuisset passus eo adduci, ut contra illam proterviam scriberet, vel & alii prae metu fulminum quievissent, Caesar tamen Maximilianus, vel Saxonum Elector, vel alii Principes, resistendi animum sumsissent. Neque ignotum erat orbi, inprimis Germaniae, qua animi praesentia Maximilianus Imperator nuper in Gravaminibus Germaniae de indulgentiarum temeritate erat questus. Imo illa aetate vel maximo in animo. Caesaris Maximiliani, Summi Pontificis autoritatem cum Caesarea Majestate pro antiquissimis moribus combinare, pro infinitis incorrigibilibus abusibus tollendis.“ 214 Vgl. Heinz Scheible, Art. „Melanchthon“, in: TRE 22, S. 375, 42–44.

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Kritischer beurteilen andere Jubila¨umsschriften das Verha¨ltnis von Erasmus zur Reformation und zu Luther. Als Beleg fu¨r das urspru¨nglich gute Verha¨ltnis zwischen Humanisten und Reformatoren zitieren sie einen Brief, in dem Erasmus sich gegenu¨ber Friedrich dem Weisen ausdru¨cklich fu¨r Luther verwandte, dem Kurfu¨rst jedoch nahelegte, Luther zur Ma¨ßigung bei seinem Vorgehen anzuhalten.215 Fu¨r die spa¨teren Jahre weist Matthias Kortholt zwar auf zunehmende Differenzen zwischen Luther und Erasmus hin, kommt aber zu dem Schluß, selbst nach ihrem Streit u¨ber die Freiheit des menschlichen Willens habe Erasmus zum weiteren Kreis der Befu¨rworter und Fo¨rderer der protestantischen Reformation geza¨hlt.216 Fu¨r Buddeus hingegen ist der Vergleich von Erasmus und Luther geradezu paradigmatisch fu¨r die Unterschiede zwischen Reformation und Humanismus. Zur Reformation der Kirche ha¨tten die intellektuellen Fa¨higkeiten eines Erasmus nicht ausgereicht. Dazu wa¨ren eben tiefere Kenntnis der Heiligen Schrift und vor allem die Leitung und Bewahrung Gottes no¨tig gewesen.217 Bei Buddeus bleiben Erasmus und Reuchlin vornehmlich als humanistische Wegbereiter der Reformation in Erinnerung, von einem eigenen Beitrag des Humanismus zur Reformation ist nicht die Rede.218

215 Zitiert bei Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 159. Matthias Kortholt, Hil. Ev. II, S. 67a (De Luthero). Die Vorlage fu¨r dieses Zitat du¨rfte Seckendorfs Commentarius sein; demzufolge schrieb Erasmus am 6. Juli 1520 an Spalatin: „Precor, ut Christus optimus maximus Lutheri stylum & animum ita temperet, ut plurimum adferat fructus Evangelicae pietati, mentemque meliorem det quibusdam, qui ignominia Christi suam quaerunt gloriam, qui cum illius jactura suum quaerunt lucrum.“ (Veit Ludwig von Sekkendorf, Commentarius, Lib. I, Sect. 24, § 51). Friedrich Andreas Hallbauer zeichnet ein sehr viel kritischeres Bild des Verha¨ltnisses zwischen Luther und Erasmus. Zum einen erinnert er an verschiedene abfa¨llige A¨ußerungen, die Erasmus u¨ber den schlechten Bildungsstand der Deutschen im allgemeinen und Luthers im besonderen gemacht haben soll (Friedrich Andreas Hallbauer, Lutherus, S. 16 f), zum anderen wirft er Erasmus vor, er habe zeitlebens eine unentschiedene Mittelposition zwischen Wittenberg und Rom einzunehmen versucht, anstatt sich fu¨r eine der Seiten zu entscheiden. (Friedrich Andreas Hallbauer, Lutherus, S. 13 f); so auch Ders. Ecclesia Lutherana, S. 8 ff. 216 Matthias Kortholt, Hil. Ev. II, S. 67b (De Luthero). 217 Johann Franz Buddeus schließt den Vergleich zwischen Luther und Erasmus wie folgt ab: „Satis est, liquere ex hoc exemplo, vbi artes humanae tantum praeualeant, nec coniunctae cum scriptura, aut diuina accedat cura & gubernatio, veritates coelestes vix agnosci & custodiri, multo minus restitui amissas.“ (Ders., Divinae providentiae, S. 50). Allgemein formuliert Buddeus diesen Vorwurf fu¨r zahlreiche Gelehrte des Mittelalters in: Ivdicivm, S. 52 f. Damals habe es sehr wohl zahlreiche Gelehrte gegeben, aber eben kaum solche, die in einem lebendigen Glauben standen und somit ihre Gelehrsamkeit in den Dienst Gottes und seiner Kirche ha¨tten stellen ko¨nnen. 218 A ¨ hnlich urteilt Justus Christoph Bo¨hmer, De bonis litteris, ):( 2v: „Proludia itaque fuerunt litterae, ac praecursiones maiorum, et prosperiorum euentuum: ansamque inter alia dederunt, vt, qui in ecclesiam irrepserant, errores, ac vaframenta, nec vna, nec exigua, eliminarentur: hanc gloriam iis nulla denegabit inuidia, aut liuor; maiorem sibi tribui, qua sunt humanitate, nec postulant, nec exspectant.“

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b) Die reformatorischen Anfa¨nge Luthers Aufs Ganze gesehen bilden der Beginn von Luthers o¨ffentlicher Wirksamkeit und die Entwicklung seiner Theologie den Schwerpunkt der reformationsgeschichtlichen Darstellungen. Einen ersten wichtigen Themenkreis bildet die Schilderung der reformatorischen Anfa¨nge und die Frage nach den Urspru¨ngen von Luthers Theologie. In enger Anlehnung an Seckendorfs Darstellung, die streckenweise wo¨rtlich u¨bernommen wird, datiert man die Entstehung von Luthers reformatorischer Erkenntnis bereits in die Jahre nach seinem Eintritt ins Kloster.219 Luther habe schon damals die Glaubenserfahrungen gemacht, die fortan das Fundament seiner theologischen Lehre bildeten. Ebenso habe er sich zu dieser Zeit die Kenntnisse der Heiligen Schrift angeeignet,220 mit deren Hilfe er seine neue, von scholastischen Verunreinigungen gereinigte Theologie vortragen konnte.221 Ebenfalls aus dieser Zeit stammt nach Kortholt die Erkenntnis der Glaubensgerechtigkeit und des „sola fide“ als Kern von Luthers Theologie.222 In dieser Erkenntnis brachten ihn insbesondere in Zeiten perso¨nlicher Anfechtungen seine intensiven Paulusstudien voran.223 Als dritte Quelle neben der Heiligen Schrift und der perso¨nlichen Glaubenserfahrung wird auf Luthers Augustin-Studien in diesen fru¨hen Jahren hingewiesen.224 Von einer reformatorischen Entdeckung oder einem theologischen Bruch in Luthers Entwicklung ist nie die Rede, eher von der sukzessiven Vertiefung der fru¨h erlangten grundlegenden Einsichten und deren U¨berpru¨fung in den ersten gro¨ßeren Vorlesungen. Weiter heißt es, Luther habe bei seinen Ordensbru¨dern, ungeachtet vereinzelter Kritik, volle Anerkennung genossen.225 Als wichtigster Ratgeber Luthers wird Johann von Staupitz gewu¨rdigt: Dieser begleitete Luther wa¨hrend der ersten Klosterjahre seelsorgerlich, er ebnete Luther den Weg ins Priester- und spa¨ter ins 219 Vgl. Veit Ludwig von Seckendorf, Commentarius, Lib. I, Sect. 8, § 8. Ein weitere ha¨ufig zitierte Quelle fu¨r die ersten Lebensjahrzehnte Luthers und die fru¨he Entstehung seiner reformatorischer Theologie ist die von Melanchthon verfaßte biographische Skizze Luthers (Vgl. CR 6, 155–170. Praefatio Melanchthonis in „Tomum secundum omnium operum Reverendi Domini Martini Lutheri, . . . qui prodiit Witebergae per Iohannem Lufft. 1546.). Diese geho¨rte zum Kanon der maßgeblichen Luther-Biographien im Luthertum (vgl. Eike Wolgast, Biographie, S. 51–60). Sie war 1715 in Gu¨strow gemeinsam mit den Luther-Predigten des Johann Mathesius neu vero¨ffentlicht worden. 220 Gottlieb Wernsdorf, De primordiis, S. 38. Johann Caspar Haferung, Gedachtnuß ¨ ¨ der Wunder Gottes, S. 25. 221 Matthias Kortholt, Hil. Ev. II, S. 60a (De Luthero) 222 Matthias Kortholt, Hil. Ev. II, S. 59b (De Luthero) 223 Matthias Kortholt, Hil. Ev. II, S. 59b (De Luthero) 224 Gottlieb Wernsdorf, De primordiis, S. 39. Matthias Kortholt, Hil. Ev. II, S. 60a (De Luthero) 225 Laurent. Joh. Frid. Dihn, Religio lutherana, S. b4v; Caspar Posner, De divinitate, S. 14.

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Lehramt, und ihm verdankte Luther wesentliche theologische Einsichten. War Staupitz auch ein guter Lehrer, der a¨hnliche theologische Auffassungen wie Luther vertrat, so hatte er dennoch einen großen Mangel: „. . . er fu¨rchtete sich vor den Menschen.“226 Trotz der vergleichsweise du¨rftigen Quellenlage fu¨r diese Anfangsjahre der Reformation widmen sich die Jubila¨umsschriften sehr ausfu¨hrlich der ersten Phase von Luthers theologischer Entwicklung, wobei sie Luthers autobiographische Darstellungen zu seinen reformatorischen Anfa¨ngen kaum beru¨cksichtigen.227 Diese Phase gilt ihnen nicht als bloße Vorgeschichte des Ablaßstreits, sondern als eigener Abschnitt auf Luthers Weg zur Reformation. Ausdru¨cklich erkla¨ren sie, Luther sei bereits vor Beginn des Ablaßstreits zu den meisten Erkenntnissen seiner reformatorischen Theologie gelangt; der Ablaßstreit habe ihm lediglich den unerwarteten Anlaß gegeben, seine Theologie anzuwenden.228 Mit der so gedeuteten Entstehung der Reformation untermauerte das Luthertum seinen Anspruch auf die Fu¨hrungsrolle innerhalb des Protestantismus; Luther galt unbestritten als der erste Reformator, dessen Beispiel alle u¨brigen Reformatoren, insbesondere Zwingli, lediglich gefolgt seien. Denn obschon Zwingli, was sich historisch nicht bestreiten ließ, spa¨testens seit 1516 gegen das Papsttum und seit 1519 gegen den Ablaß gepredigt hatte, blieb bei der hier vorgenommenen Fru¨hdatierung von Luthers wesentlichen theologischen Einsichten sein historischer Primat in

226 Johann Daniel Herrnschmid, Predigt, S. 65. Trotz dieser Andeutung ist von der im weiteren Verlauf der Reformation entstehenden Distanz zwischen Luther und Staupitz keine Rede. 227 Zu denken ware an Luthers Selbstzeugnis aus dem Jahr 1545, WA 54, 179–187 (Vor¨ rede zu Band I der Opera Latina der Wittenberger Ausgabe. 1545), das sowohl in die Jenaer als auch in die Altenburger Luther-Ausgabe Eingang gefunden hatte. 228 Johann Joachim Weidner, Designatio, S. 72: „De Megalandro hocce nostro plura haberem, qvorum forte non inutilis foret commemoratio, qvum vero haec ipsa capita alibi multoties & abunde sint exhibita, id saltem repetendum esse statuo, qvod inter testes veritatis & errorum fideles oppugnatores jam ante hos motus [eben vor den Ablaßstreitigkeiten] referri debuerit Lutherus; Sic de Theologia, de Scriptura S[acra], de justificatione, de bonis operibus, de cultibus electitiis, de peregrinationibus in loca abdita & deserta, de cultu Sanctorum, de cultu reliquiarum, de libero Arbitrio, de corrupto Ecclesiae statu, de recepta concionandi methodo, de Lectione Patrum sobria &c. ea docuerat, qvae Pontificiis erroribus & Curiae Papali non poterant non esse adversa . . .“. Gottlieb Wernsdorf, De primordiis, S. 40; Friedrich Andreas Hallbauer, Ecclesia Lutherana, S. 4 f. Daß die Verfasser in diesem Zusammenhang bisweilen sehr großzu¨gig verfuhren, zeigt folgende Bemerkung aus einer Predigt Bernhard von Sandens: „Was er auf der Catheder und bey seiner Profession / vor einen herrlichen Ruhm / noch vor dem Ablaß-Streit / erhalten / ist bekandt. / . . . / Solches machte ihn bey denen Gelehrten zu derselben Zeit / dem Erasmo / dem Spalatino / Philippo Melanchthone, und anderen / so wol unter denen Papisten / als auch denen / welche hernach die Evangelische Lehre angenommen und vertha¨diget / ein grosses Ansehen und Hochachtung / noch ehe der Streit wegen des Ablasses von ihm rege gemachet worden . . .“ (Ders., Predigten, S. 103 f).

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der Reformationsgeschichte unberu¨hrt.229 U¨berdies hatte Luther schon zu diesem Zeitpunkt die ro¨misch-katholische Kirche in ihren Grundu¨berzeugungen angegriffen, wa¨hrend die Kritik Zwinglis lediglich Einzelaspekte der ro¨misch-katholischen Lehre betraf. Sodann diente die fru¨he Datierung von Luthers reformatorischen Anfa¨ngen einer wirkungsvollen Gegenwehr gegen die von ro¨misch-katholischen Theologen unterstellten niedrigen Motive, die den Anlaß zur Reformation gegeben haben sollten. Dazu geho¨rten Behauptungen wie die, Luther habe aus Ehr- und Geltungssucht den Streit mit Tetzel gesucht, der Orden der Augustiner-Eremiten habe dem Dominikanerorden die Anteile aus den Erlo¨sen des Ablaßhandels geneidet oder Friedrich der Weise habe Luther dazu benutzt, nach dem Tode Kaiser Maximilians I. seinen eigenen politischen Einfluß zu mehren.230 Derartige Behauptungen erwiesen sich als haltlos, wenn man ihnen die Schilderung des demu¨tigen, aber hochbegabten Mo¨nchs gegenu¨berstellte, der als treuer Diener seiner Kirche aus reiner Gewissensnot gegen eine theologische Verirrung antrat, die ihm in seinem Dienst als Seelsorger begegnet war.231 Schließlich konnten mit der Fru¨hdatierung von Luthers theologischen Anfa¨ngen die im Luthertum bekannten Weissagungen von Johannes Hus, Hieronymus von Prag und Johann Hilten in Einklang gebracht werden, die ungefa¨hr fu¨r das Jahr 1516 das Erscheinen des lang ersehnten Reformators der Kirche vorhergesagt hatten. Angesicht der Bedeutung, die diesen Prophezeiungen als Beleg fu¨r die vocatio Lutheri und die Legitimita¨t seiner Reformation beigemessen wurde, war diese U¨bereinstimmung willkommen und wichtig. c) Der Bruch Roms mit Luther Davon, daß Luther die Konfrontation mit der ro¨misch-katholischen Kirche gesucht oder deren Reform angestrebt ha¨tte, kann nach Darstellung der Jubila¨umsschriften keine Rede sein. Im Gegenteil sind sie darum bemu¨ht, den Anteil Luthers an der Entstehung der Reformation mo¨glichst gering zu bewerten, so daß zwei andere Faktoren um so sta¨rker zur Gel229 Albrecht von Krackewitz, De Luthero, S. 35–37; ahnlich: Christoph Heinrich Rith¨ meier, Vorbereitung, S. b1v. Daß im Falle der Leucorea der Wunsch bestimmend war, den eigenen Vorrang unter den lutherischen Universita¨ten festzustellen, versteht sich. 230 U ¨ ber die Urspru¨nge dieser Tradition berichtet Adolf Herte, Die Lutherkommentare des Johannes Cochla¨us, S. 151–155; zur Bedeutung von Cochla¨us’ Polemik im Zeitalter der Reformation vgl. Adolf Laube, Das Gespann Cochla¨us / Dietenberger. Korrigiert werden diese Geru¨chte in den Jubila¨umsschriften u. a. bei: Franz Albert Aepin, Reformationis lutheranae opus, S. 31 f. Gottlieb Wernsdorf, De primordiis, S. 43 f. Bernhard von Sanden, Unterricht, Frage 33. Johann Joachim Weidner, Designatio, S. 72 f. Friedrich Andreas Hallbauer, Ecclesia Lutherana, S. 4–6. 231 Johann Joachim Weidner, Designatio, S. 73.

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tung kommen konnten: das Wirken der providentia Dei als lenkende und leitende Kraft der Reformation einerseits sowie die Verstockung der ro¨misch-katholischen Kirche andererseits, deren Widerstand gegen die von Gott durch Luther initiierten Reformansa¨tze die Reformation als ganze erst auslo¨ste. Als Anlaß der Reformation gilt der Ablaßstreit, der sich an Luthers Weigerung entzu¨ndete, die Beichtenden zu absolvieren, die sich auf ihre Ablaßbriefe beriefen, anstatt wirkliche Reue u¨ber ihre Su¨nde an den Tag zu legen. Mit dieser Weigerung zog Luther den Zorn Tetzels auf sich, dessen Fehlverhalten den Streit anfachte.232 Neben den von den Jubila¨umsschriften reichlich belegten perso¨nlichen Schwa¨chen und Verfehlungen Tetzels233 und seiner Mitarbeiter,234 war es die Ablaßinstruktion, die bei Luther Anstoß erregte.235 Vornehmlich sto¨rte sich Luther an ihrer Auswirkung auf die Gla¨ubigen, die sich nach dem Erwerb der Ablaßbriefe in falscher Sicherheit u¨ber ihr Seelenheil und das ihrer Angeho¨rigen wiegen konnten.236 Von einer Kritik Luthers am Ablaßhandel,237 geschweige denn von einem Konflikt zwischen Luther und der ro¨misch-katholischen Kirche als ganzer sei zu diesem Zeitpunkt keine Rede gewesen. Im Gegenteil: Luther wa¨hnte sich im Einversta¨ndnis mit dem Papst,238 zumal zur gleichen Zeit andere Ablaßkritiker, wie zum Beispiel Johann von Salhausen, an die O¨ffentlichkeit traten.239 Daß Luther meinte, im Sinne der Gesamtkirche und des Papstes zu handeln, belegen die Jubila¨umsschriften mit seinem Verhalten wa¨hrend des Ablaßstreits: Luther setzte den aus seiner Sicht verantwortlichen KarJohann Joachim Weidner, Designatio, S. 71 f. Joachim Lange, Disputatio secularis, Die ausfu¨hrlichste Darstellung ist die von Gottfried Hecht, Vita Ioannis Tezelii. Weitere Hinweise finden sich bei: Gottfried Hoffmann, Examen disputationis, S. 5–7. Gottlieb Werndsdorf, De primordiis, S. 40. Henricus Muhlius, Martini Lutheri Propositiones, S. 52 f. Bernhard von Sanden, Predigten, S. 36. 234 Gottfried Hoffmann, Examen disputationis, S. 3. Caspar Posner, De divinitate, S. 21. 235 Henricus Muhlius, Martini Lutheri Propositiones, S. 53 f. Johann Joachim Weidner bringt zahlreiche Auszu¨ge aus dem Text, allerdings ohne ihn zu kommentieren. (Ders., Designatio, S. 76–78). 236 Gottfried Hoffmann, Examen disputationis, S. 3. Caspar Posner, De divinitate, S. 21. Matthias Kortholt, Hil. Ev. II, S. 62a (De Luthero). 237 Henricus Muhlius, Martini Lutheri Propositiones, S. 55: „Etenim nondum ipsas Indulgentias, quas ne tum quidem satis intelligebat, audebat impugnare, reprehendebat tantum incredibiles illos abusus, qui Christianam rem omnem pessum darent.“ Albrecht von Krackewitz, Oratio Secularis, S. 91v. 238 Johann Joachim Weidner, Designatio, S. 78: „His falsissimis, in justitiam Dei & meritum Redemptoris extreme injuriis eo magis privatis sermocinationibus & concionibus se opposuit Megalander, qvo certior erat hunc indulgentiarum scrutarium & aeruscatorem perditissimum approbationem processus sui nec a Papa nec abs Alberto impetraturum esse, eo fervidiori demonstratione Lutherus veritati consulere studuit . . .“ 239 Bernhard von Sanden, Predigt, S. 41. Henricus Muhlius, Martini Lutheri Propositiones, S. 54. 232 233

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dinal Albrecht von Mainz u¨ber die herrschenden Mißsta¨nde in Kenntnis,240 bereitete mit seinen Ablaßthesen vom Oktober 1517 die akademische Kla¨rung der seines Erachtens strittigen Fragen vor, verhielt sich danach aber abwartend241 und beteuerte nur wenig spa¨ter selbst dem Papst seine Treue zur ro¨mischen Theologie und Kirche.242 An der Ausweitung des Streits, die sich im weiteren Verlauf ergab, war Luther nicht interessiert.243 Die ersten Schritte in diese Richtung unternahm wiederum Tetzel, als er gegen Luther zu predigen begann, in der von Wimpina verfaßten Thesenreihe den akademischen Streit um den Ablaßhandel neu entfachte und sich schließlich an der Verbrennung von Luthers Thesen beteiligte.244 Luther seinerseits verhielt sich angesichts dieser Angriffe ruhig und wich trotz der wachsenden Zahl an Gegnern nicht von der U¨berzeugung, mit seiner Kritik im Sinne der wahren Kirche und des Papstes zu handeln, deren Urteil er sich weiterhin unterwarf.245 Als na¨chster Beleg fu¨r Luthers Friedfertigkeit und die Unverso¨hnlichkeit der ro¨misch-katholischen Kirche dient Luthers Begegnung mit Cajetan in Augsburg im Herbst 1518. Trotz offenkundiger Meinungsverschiedenheiten war Luther auf eine gu¨tliche Einigung bedacht gewesen, wa¨hrend Cajetan sich weder bereit gezeigt hatte, Luthers Gegner zur Ma¨ßigung zu veranlassen, geschweige denn die gegen Luther vorgebrachte Kritik mit hinreichenden Argumenten aus der Heiligen Schrift zu begru¨nden.246 Statt dessen beschimpfte und bedrohte er Luther, so daß dieser Augsburg aus Furcht vor einem gewaltta¨tigen U¨bergriff verließ und sich in einer Appellation direkt an den Papst wandte.247 Wa¨re die ro¨mische Kirche damals auf Luthers Kritik eingegangen, ha¨tte die Kirchenspaltung sich mo¨glicherweise vermeiden lassen, zumal ja spa¨ter die Reform240 Die Verfasser zitieren aus den Briefen Luthers an Albrecht von Mainz vom 31.10.1517 (WA Br. 1, Nr. 48, S. 110–112) und 4.3.1520 (WA Br. 2, Nr. 248, S. 27–29). Nicht zitiert ist hingegen der dritte Brief Luthers an Albrecht aus dieser Zeit, in dem von Luthers anfa¨nglicher Friedfertigkeit kaum noch etwas zu spu¨ren ist und er den Bischof heftig attackiert (WA Br. 2, Nr. 405, S. 405–409. An Kardinal Erzbischof Albrecht von Mainz, Wartburg, 1.12.1521). 241 Friedrich Andreas Hallbauer, Ecclesia Lutherana, S. 5. Johann Wolfgang Iaeger, Wirtembergiae lvtheranae laetae candor, S. 6 f entschuldigt Luthers abwartende Haltung in der Fru¨hphase der Reformation damit, daß dieser nicht sofort alle in der ro¨misch-katholischen Kirche herrschenden Mißsta¨nde habe aufdecken ko¨nnen. 242 Bernhard von Sanden, Predigten, S. 41 f. Gottfried Hoffmann, Examen disputationis, S. 4. Albrecht von Krackewitz, Oratio Secularis, S. 91v. 243 Gottlieb Wernsdorf, De progressu, S. 12. 244 Matthias Kortholt, Hil. Ev. II, S. 64a (De Luthero). Gottlieb Wernsdorf, De progressu, S. 13 f. 245 Gottfried Hoffmann, Examen disputationis, S. 5 betont, Luther habe sich nicht an der Verbrennung der gegnerischen Thesen beteiligt. Henricus Muhlius, Martini Lutheri Propositiones, S. 57. Gottlieb Wernsdorf, De progressu, S. 17 f. 246 Matthias Kortholt, Hil. Ev. II, S. 65a (De Luthero). 247 Henricus Muhlius, Martini Lutheri Propositiones, S. 59; Justus Christoph Bo ¨ hmer, Fasces academici, S. 93.

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beschlu¨sse des Tridentinischen Konzils gezeigt hatten, daß Korrekturen in der Ablaßfrage und damit eine Einigung zwischen Luther und Rom mo¨glich gewesen wa¨ren.248 Aber gerade eine vorzeitige Entspannung des Konflikts, so die Deutung der Jubila¨umsschriften, ha¨tte dem Willen Gottes widersprochen, der sich auch dieser taktischen Fehlleistungen der ro¨misch-katholischen Kirche bediente, um seine Reformation ins Werk zu setzen249: Eine vorzeitige Beilegung der erst sukzessive offenbar werdenden Mißsta¨nde ha¨tte nicht zum Heilsplan Gottes gepaßt, der u¨berdies die fu¨r Luther entta¨uschende Begegnung mit Cajetan dadurch zum Guten wandte, daß sie Luther zur Vertiefung seiner theologischen Erkenntnisse anspornte.250 Eine zusa¨tzliche, von Luther nicht beabsichtigte Verscha¨rfung des Konflikts sehen die Jubila¨umsschriften in der Leipziger Disputation (Juni/Juli 1519), bei deren Darstellung sie sich auf die Frage der Papstautorita¨t konzentrieren und die u¨brigen Disputationsthemen u¨bergehen.251 Wiederum heißt es, nicht Luther habe den Streit u¨ber die Papstautorita¨t in den Mittelpunkt gestellt, er habe sich lediglich gegen die von Eck erhobenen Vorwu¨rfe zur Wehr gesetzt; freilich mit dem Ergebnis, daß er seine Kritik am Papsttum zuspitzen mußte, so daß sich der Konflikt erheblich ausweitete.252 Insofern gilt die Leipziger Disputation als wichtiger weiterer Schritt, keinesfalls aber als Anlaß fu¨r den Bruch mit dem Papst: Wohl besta¨tigte sich hier fu¨r Luther seine einst gegenu¨ber

248 Gottfried Hoffmann, Examen disputationis, S. 3 f. Matthias Kortholt, Hil. Ev. II, S. 63b (De Luthero) nennt außerdem verschiedene ro¨misch-katholische Kirchenhistoriker, die im nachhinein Luthers Kritik am Ablaßhandel besta¨tigt haben. Die wesentlichen Beschlu¨sse des Tridentinischen Konzils zur Ablaßfrage wurden in der Sessio XXV. behandelt. 249 Gottlieb Samuel Treuer, Die Politischen Fehler, S. 68: „Allein der groste Fehler ist ¨ wol hauptsa¨chlich hierinnnen zu suchen / daß man zu Rom u¨ber eine Sache den Streit erhitzen ließ / da man sein Schwa¨che wuste / und einen Kampf hazadirte u¨ber die ungerechteste Sache von der Welt / deren Greuel auch einfa¨ltige Leute verfluchen musten / . . . .“ 250 Laurent. Joh. Frid. Dihn, Religio lutherana, b1r: „Etenim non ad exitium, qvod inimici qvidem unice in votis habent, sed ad exercitium Lutheri, nostri, ille Cajetanus vel invitus fecit, qvidqvid haud invitus fecit.“ 251 Dieser Abschnitt der Leipziger Disputation wird wohl von Wernsdorf angesprochen, spiegelt aber den Verlauf der Disputation nicht wider, wenn es zusammenfassend heißt: „In omnibus vero, de quibus fuerat disputatum, tandem assensit Eccius Carolstadio, rejectisque Thomae, ac Scotae sententiis, idem Patres sensisse, quod Carolstadius doceret, de libero arbitrio est professus.“ (Gottlieb Wernsdorf, De progressu, S. 29). A¨hnlich einseitig ist das Urteil u¨ber Luthers Beitrag zur Leipziger Disputation, das Wernsdorf in seiner Jubel-Predigt anfu¨gte: „Und da der wohlberedte Schlesier Jo. Lange auf Befehl H. Georgens zu Sachsen mit einer zierlichen Rede der bekandten Disputation zu Leipzig Ao. 1519 ein Ende machte / konnte Er nicht in Abrede seyn, Er habe sich viel Gutes von LVTHERO sagen laßen / und sey Er in dem Ruff / daß Er dem heil. Augustino nicht nur mit der Lehre / sondern auch dem euserl. Wandel beyzukommen suche.“ (Ders., Jubel-Groschen, S. 31). Bernhard von Sanden, Predigten, S. 75. 252 Matthias Kortholt, Hil. Ev. II, S. 66a (De Luthero).

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Linck gea¨ußerte Vermutung, die ro¨mische Kirche werde vom Antichrist regiert,253 und Luther entschied sich nunmehr zum bewußten Kampf gegen die ro¨mische Tyrannei.254 Dennoch belegt der nahezu zur gleichen Zeit verfaßte Brief an Leo X. Luthers ungebrochenes Vertrauen in den Papst, den er darin noch als Unschuldigen innerhalb einer vom Antichrist beherrschten Kirche anredet.255 Wie bei allen wichtigen Fortschritten der Reformation heißt es schließlich u¨ber die Trennung Luthers von der ro¨misch-katholischen Kirche, sie sei von seinen Gegnern provoziert worden, indem sie im Anschluß an die Leipziger Disputation die Bann-Androhungsbulle „Exsurge domine“ gegen ihn publizierten. Erst diese Tatsache zwang die Beteiligten, sich fu¨r oder gegen Luther zu entscheiden: In Ko¨ln, Lo¨wen und Mainz wurden Luthers Schriften verbrannt, und weltliche Fu¨rsten, die sich bis dahin abwartend verhalten hatten, stellten sich fortan auf die Seite des Papstes. Andererseits zeugt die ablehnende Haltung gegenu¨ber der Bann-Androhungsbulle an anderen Orten von den Sympathien des Volkes fu¨r Luther, so wie dessen Popularita¨t mit der Verbrennung seiner Schriften zunahm.256 So gesehen reagierte Luther mit der Verbrennung der Bann-Androhungsbulle lediglich auf die von Rom betriebene Verketzerung seiner Theologie und sagte sich von der ro¨mischen Kirche los.257 Von da an warnte er seine Studenten vor den Schriften der pa¨pstlichen Theologe, die er endgu¨ltig als Gehilfen des Antichrists enttarnt hatte.258 Zu den Wirkungen dieser Zuspitzung za¨hlen die Jubila¨umsschriften die wachsende Zahl von Helfern und Befu¨rwortern, die Luther nunmehr fand, unter denen Kurfu¨rst Friedrich der Weise die erste Stelle einnimmt. U¨ber ihn heißt es, ihn habe die Vero¨ffentlichung der Bann-Androhungs-

253 Gottlieb Wernsdorf, De progressu, S. 23. Vgl. Luthers Brief an Wenzeslaus Linck vom 18. Dezember 1518 (WA Br 1, 270, 11–14). 254 Gottlieb Wernsdorf, De progressu, S. 30 f. Johann Daniel Herrnschmid, Predigt, S. 69. 255 Gemeint ist: WA 7, 3–11 (Ein Sendbrief an den Papst Leo X. 1520) bzw. WA 7, 42–49 (Epistola Lutheriana ad Leonem X. summum pontificem. 1520). 256 Gottlieb Wernsdorf, De progressu, S. 40 f. Gottlieb Samuel Treuer, Die Fehler des Pa¨pstlichen Hofes, S. 107 ff sieht in dem massiven Druck, den die ro¨misch-katholische Kirche von nun an auf Luther und seine Anha¨nger ausu¨bte, eine Lenkung Gottes zur Ausbreitung der Reformation. Selbst die Verbrennung von Luthers Schriften deutet er positiv: „Die Verbrennung seiner Schrifften machte selbige nur beliebter und wie man gemeiniglich solche Bu¨cher weit eyfriger zu suchen pfleget / so bemu¨heten sich viele selbiger Zeit etwas von Lutheri Schrifften zu lesen und zu conserviren / die sonst vielleicht nicht daran gedacht ha¨tten.“ (ebd., S. 122 f). 257 Justus Christoph Bo ¨ hmer, Fasces academici, S. 92. Dort heißt es u¨ber die Verbrennung der Bulle und des Kanonischen Rechts: „. . . haec est aperta illa secessio ab inquinatis ecclesiae Romanae doctrinis: sic populus Christianus iugi, per tot saecula ex inscitia, et barbarie tolerati pertaesus, excutere illud coepit, quum caelestis lux veritatis, occoecatis hominum mentibus oborta, rursus exsplendesceret.“ 258 Gottlieb Wernsdorf, De progressu, S. 41.

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bulle zu eingehender Bescha¨ftigung mit der causa Lutheri veranlaßt, in intensivem Bibelstudium habe er sich ein eigenes Urteil gebildet und sich dann auf Luthers Seite gestellt.259 So habe sich der Kurfu¨rst allma¨hlich vom Beschu¨tzer des Papsttums und Anha¨nger spa¨tmittelalterlicher Fro¨mmigkeit zu Luthers Helfer und Schutzherrn entwickelt,260 ohne sich durch Gunstbezeugungen des Papstes vom eingeschlagenen Pfad abbringen zu lassen.261 An seinem Beispiel zeigt sich zugleich, daß weder Friedrich der Weise noch andere weltliche Herren aus politischen Motiven zu Fo¨rderern der Reformation wurden. Im Gegenteil nahm Friedrich der Weise vielfa¨ltige Nachteile in Kauf, um die nach seiner Auffassung gerechte Sache Luthers zu verteidigen.262 Einzig aus perso¨nlicher U¨berzeugung verweigerte er bei Ausha¨ndigung der Bannbulle die Auslieferung Luthers nach Rom und forderte statt dessen, die Angelegenheit solle in Deutschland verhandelt werden.263 Ihm, Friedrich dem Weisen, war es zu verdanken, daß Luther nicht in Rom verurteilt wurde, sondern seine Sache vor dem Reichstag vertreten konnte. Die Behandlung der causa Lutheri vor dem Reichstag in Worms 1521 schildern die Jubila¨umsschriften nur knapp: Nachdem Luther sich dem Urteil des Kaisers unterworfen und seine Bereitschaft zum Verho¨r vor dem Reichstag erkla¨rt hatte, erwirkte Friedrich der Weise dessen Berufung vor den Reichstag.264 Von Karl V. heißt es, er sei Luther gegenu¨ber aus politischen Gru¨nden voreingenommen gewesen,265 zudem habe sich der Kaiser vom Papst u¨ber die wahren Sachverhalte ta¨uschen und zu Stellungnahmen gegen Luther u¨berreden lassen.266 Trotz dieser schlechten Vorbedingungen verteidigte Luther unbeirrt seine U¨berzeugungen, bekannte sich zu seinen Schriften und lehnte standhaft den geforderten Widerruf ab.267 Die Ereignisse im Anschluß an den Reichstag belegen, wie Luthers Reformation trotz der kaiserlichen Acht und des pa¨pstlichen

259 Matthias Kortholt, Hil. Ev. II, S. 66b (De Luthero); Laurent. Joh. Frid. Dihn, Religio Lutherana, S. b2v. 260 Immanuel Weber, De veritate somnii Friderici sapientis, S. 14: „Quanquam enim uterque [gemeint sind Friedrich der Weise und Johann; H.C.] postea ueritatem, quam Lutherus in lucem protrahebat, protexerunt, historiarum tamen monumenta docent, sub initium eos, maximeque FRIDERICVM, Luthero ita addictum haud fuisse, quin, honorem Pontifici summo, quem per multorum seriem annorum sibi uendicauerat, sartum, tectum, cuperet, seruari.“ Johann Heinrich May erinnert an die beru¨hmte Reliquiensammlung des Kurfu¨rsten als Beispiel, von der er sich nach und nach gelo¨st habe. (Ders., Historia reformationis, S. 275). 261 Laurent. Joh. Frid. Dihn, Religio Lutherana, S. b2r+v. 262 Johann Wilhelm Ianus, De Dominatu, S. 54 f. 263 Gottlieb Wernsdorf, De progressu, S. 37. 264 Gottlieb Wernsdorf, De progressu, S. 46 f. 265 Justus Christoph Bo ¨ hmer, Fasces academici, S. 94. 266 Henricus Muhlius, Martini Lutheri Propositiones, S. 63. 267 Justus Christoph Bo ¨ hmer, Fasces academici, S. 94.

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Banns voranschritt. So wird an die Verhandlungen erinnert, die nach dem Verho¨r Luthers unter den Reichssta¨nden aufflammten, ob das Luther gegebene Geleit eingehalten werden mu¨sse. Vornehmlich Georg von Sachsen, der nicht auf Luthers Seite stand, war es demnach zu verdanken gewesen, daß der Kaiser das Luther gewa¨hrte freie Geleit nicht brach und nicht dem Vorbild des Konzils von Konstanz aus dem Jahr 1415 folgte, an das andere Reichssta¨nde ihn erinnerten.268 Aber auch das kaiserliche Edikt gegen Luther und dessen Lehre konnte nicht verhindern, daß sich die lutherische Lehre nach dem Wormser Reichstag unaufhaltsam ausbreitete. Die Unsicherheit u¨ber die tatsa¨chliche Haltung des Kaisers in der causa Lutheri kommt in einigen Jubila¨umsschriften darin zum Ausdruck, daß sie in Anlehnung an Seckendorf berichten, Friedrich der Weise habe Luther mit ausdru¨cklicher Billigung des Kaisers auf der Wartburg versteckt.269 Das Bekenntnis Luthers vor dem Wormser Reichstag bildet fu¨r die meisten Jubila¨umsschriften die Klimax der reformatorischen Anfa¨nge, deren Schilderung mit Luthers Flucht auf die Wartburg abgeschlossen wird. Abgesehen vom Anlaß des Jubelfestes, der die Fokussierung auf die Geschehnisse rund um den Thesenanschlag nahelegte, wird daran deutlich, daß, aus der Perspektive der Jubila¨umsschriften, bis zum Jahr 1521 die wesentlichen Ereignisse und Entwicklungsschritte der Reformation vollzogen sind. Sie kulminieren in Luthers Entlarvung der ro¨misch-katholischen Kirche als der Kirche des Antichrists, der von Rom erzwungenen Trennung Luthers von der ro¨misch-katholischen Kirche und dem Auftritt Luthers vor dem Wormser Reichstag. Die auf den Reichstag von Worms folgenden Jahre und Ereignisse erscheinen als Folge der ersten Jahren von Luthers Wirken – eine Geschichtsauffassung, die sich auf die das fru¨he 18. Jahrhundert pra¨gende Reformationsdeutung in Seckendorfs „Historia Lutheranismi“ von 1694 berufen konnte, der zufolge die Jahre von 1517–24 als „propria historia Lutheri“ gelten mußten, wa¨hrend die darauf folgenden dogmatischen und landeskirchlichen Verfestigungen von Luther so nie gewollt gewesen seien.270 Im Gefolge Seckendorfs konzentrieren sich die Jubila¨umsschriften bei der Schilderung der ersten Jahre der 268 Gottlieb Wernsdorf, De progressu, S. 50. Justus Christoph Bo ¨ hmer, Fasces academici, S. 102 f: „Laudemus sapientiam, ac magnanimitatem Caroli imperatoris, quod Lutherum, a pontifice, inique licet, iam ante damnatum, in comitiis Wormatiensibus benigne audiuerit, et securitatem promissam, contra quam alii vellent, seruauerit; indignum ratus, vt in gratiam sacerdotum, violatae fidei publicae infamia laborare Germania debeat . . .“ 269 Gottlieb Wernsdorf, De progressu, S. 51 ff. Matthias Kortholt, Hil. Ev. II, S. 68b (De Luthero). Kortholt greift die Bemerkung Seckendorfs auf, Kaiser Karl V. habe von Luthers Unterbringung auf der Wartburg gewußt und habe sie gebilligt. Johann Franz Buddeus, Divinae providentiae, S. 38. 270 Ernst Walter Zeeden, Martin Luther, Band 1, S. 116. Vgl. die entsprechenden Auszu¨ge aus Seckendorfs Vorrede, zitiert bei Ernst Walter Zeeden, Martin Luther, Band 2, S. 143–146. Das Zitat auf S. 146.

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Reformation auf die Person Martin Luthers, erst in die Darstellung der Jahre nach 1521 fließen allgemeinere historische und theologische U¨berlegungen ein. Charakteristisch fu¨r die Schilderung der Anfa¨nge der Reformation sind die Hinweise auf die Zuru¨ckhaltung und Friedfertigkeit, die Luther bei seiner Kritik an den herrschenden Mißsta¨nden, seiner Bereitschaft zu Verhandlungen mit den Vertretern Roms und in den Briefen an seine kirchlichen Vorgesetzten an den Tag gelegt habe. Zwar bezeugen die Jubila¨umsschriften die Standhaftigkeit, mit der Luther seine Einsichten verteidigte, die folgende Eskalation der theologischen und kirchlichen Auseinandersetzungen schreiben sie ihm aber nicht zu. Wo Luthers Zuru¨ckhaltung als Folge seiner Anfechtungen und A¨ngste bezeichnet wird,271 suchen die Verfasser ihn von dem Vorwurf zu entlasten, er sei fu¨r die aus seiner ersten Kritik letztlich erwachsene Kirchenspaltung verantwortlich: Die Schuld fu¨r den Bruch zwischen protestantischer und ro¨misch-katholischer Kirche weisen sie eindeutig seinen ro¨mischen Kontrahenten zu. Dabei folgen sie Luther selbst, der verschiedentlich erkla¨rt hatte, er sei gegen seinen Willen von Gott in die Reformation hineingezogen worden und die Reformation habe sich ohne sein Zutun ausgeweitet.272 Und damit weisen sie auf die eigentliche Ursache der Reformation, die besonders deutlich in den ersten Jahren zu spu¨ren gewesen sei: die providentia Dei.273 Tatsa¨chlich finden sich in den Schilderungen aus dieser ersten Phase der Reformation geschichtstheologische Interpretamente, die bei der Deutung spa¨terer Phasen zuru¨cktreten. Hier heben die Jubila¨umsschriften das Wirken Gottes als Initiator und lenkende Kraft hervor, der die Reformation mittelbar durch Einzelpersonen, historische Ereignisse oder Beeinflussung der Zeitumsta¨nde auslo¨ste und zum Erfolg fu¨hrte. Die Auswirkungen der providentia Dei zu Beginn der Reformation, wie sie die Jubila¨umsschriften aufza¨hlen, sind so vielfa¨ltig wie die Jubila¨umsschriften selbst. Zu ihnen geho¨ren: die Vorbereitung der Reformation durch den Humanismus;274 die Tatsache, daß nach den gescheiterten Reformver-

Johann Franz Buddeus, Divinae Providentiae, S. 57 f. Vgl. Luthers Brief an Staupitz vom 20. Februar 1519, in dem Luther inmitten des entflammten Streits paradigmatisch sein Gefu¨hl beschreibt, von Gott in die Reformation hingezogen und in ihr vorangetrieben zu werden: „Credo ad te pervenisse, Acta mea, id est iram et indignationem Romanam; Deus rapit, pellit, nedum ducit me; non sum compos mei, volo esse quietus, et rapior in medios tumultus.“ (WA Br. 1, Nr. 152, S. 344, 8–10); weitere Belege bei Martin Schmidt, Luthers Schau der Geschichte, S. 19 f. Vgl. auch: Johann Caspar Haferung, Geda¨chtnu¨ß der Wunder Gottes, S. 4. 273 Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 340. Bernhard von Sanden, Unterricht, Frage 47. Martin Chladenius, Solennia doctorvm, a1v. Albrecht von Krackewitz, De Luthero, S. 41. 274 Matthias Kortholt, Hil. Ev. II, S. 59a (De Luthero): „Nos originem Lutheranae ad divinam providentiam & Spiritus S. referimus impulsum, nos illam e fonte sacrarum scrip271

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suchen des Mittelalters u¨berhaupt noch eine Reform folgte;275 die Entstehung dieses Reformwerks aus dem Streit zwischen einem Mo¨nch und einem ro¨mischen Ablaßprediger, der sich noch dazu in einem unbedeutenden Provinzsta¨dtchen des Heiligen Ro¨mischen Reichs abgespielt hatte;276 die Bewahrung dieses unbedeutenden Mo¨nchs bei seinem Kampf gegen die Mißsta¨nde innerhalb der ro¨misch-katholischen Kirche;277 die Hilflosigkeit der ro¨misch-katholischen Kirche in ihren Reaktionen auf Luthers Reformanliegen und die daraus erwachsende Reformbewegung;278 die Protektion Luthers durch Friedrich den Weisen und andere Reichsfu¨rsten, wofu¨r der Wormser Reichstag als das herausragende Beispiel gilt.279

turarum, quas diligenter & attente legit Lutherus , profluxisse, opportunitatem vero inprimis & proximam indulgentias, & instaurationem meliorum litterarum per Reuchlinum, Erasmum aliosque in omnibus subsidia & adminicula praebuisse censemus.“ 275 Gottlieb Wernsdorf, Hil. Ev. II, S. 22a (Oratio secularis). 276 Franz Albert Aepin, Reformationis lutheranae opus, S. 8–10. Johann Daniel Herrnschmid, Predigt, S. 64. Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 389. Bernhard von Sanden, Predigten, S. 89–91. Johann Franz Buddeus, De characteribvs, S. 25. Johann Franz Buddeus, Divinae providenitae, S. 4 f. Hier zeigt sich U¨bereinstimmung mit Luthers eigenem Erleben seiner reformatorischen Anfa¨nge, wie es die autobiographischen Selbstzeugnisse der Jahre 1538 (WA 39I, 6–8, Luthers Vorreden zu den Thesensammlungen von 1534 und 1538) und 1545 (WA 54, 179–187, Vorrede zum 1. Bande der Gesamtausgabe seiner lateinischen Schriften, Wittenberg 1545) schildern. So berichtet Luther 1545: „Solus primo eram, et certe ad tantas res tractandas ineptissimum et indoctissimum, casu enim, non voluntate nec studio in has turbas incidi, Deum ipsum testor“ (ebd., S. 1802–4). Dazu: Eike Wolgast, Biographie als Autorita¨tsstiftung, S. 48 f. 277 Caspar Posner, De divinitate, S. 13 f. Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 389. Johann Daniel Herrnschmid, Predigt, S. 64. Jacob Carmon, Teutsche JubelRede, S. 122v. 278 Gottlieb Samuel Treuer, Die politischen Fehler, S. 9 ff: „Klugheit und List der Menschen ko¨nnen auf den Endzweck ihres Unterfangens kein gewiß conto machen und die Umsta¨nde der Zeit des Orts / derer Personen stehen nicht in menschlicher Gewalt / sondern es kommet darauf an / wie sie das Verha¨ngniß zusammen placiret hat und was selbigem vor eine Vera¨nderung damit zu machen beliebet . . . [9] . . . GOtt ist mit im Spiele und wer denselben von dem Theatro der menschlichen actionen ausschliessen will / wird sich schwerlich von den verhaßten atheismo loswu¨rcken ko¨nnen. Er ist es / welcher / da er die menschlichen Fehler permittiret / solche allemahl zu einem guten Endzweck und zur Ausbreitung der Ehre seines Nahmens zu lencken weiß . . . [10] . . . Wie solte er nicht den Papst und seinen Hoff verblendet seyn lassen damit seyn Nahme groß wu¨rde unter denen Vo¨lckern und sein Volck aus denen mehr als A¨gyptischen Finsternissen des damahligen Papstthums ausgehen mo¨chte . . . Kurtz: die Fehler der listigsten Leute braucht GOTT zu Ausfu¨hrung seiner Gerichte: Wenn diese sollen vollzogen werden / so geust er einen Schwindel-Geist aus u¨ber die Menschen.“ [11] A¨hnlich urteilt Christoph August Heumann, De Luthero apocalyptico, S. 47 ff. 279 Franz Albert Aepin, Reformationis lutheranae opus, S. 12.

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d) Vom Wormser Reichstag 1521 zum Augsburger Religionsfrieden 1555 Wa¨hrend viele Jubila¨umsschriften Luthers Auftritt vor dem Wormser Reichstag als Ho¨hepunkt beschreiben, erwa¨hnen sie Luthers WartburgAufenthalt nur am Rande, und die reiche literarische Produktion dieser neun Monate und Luthers schwierige perso¨nliche Situation auf der Wartburg bleiben unerwa¨hnt.280 A¨hnlich oberfla¨chlich wird Luthers theologische Entwicklung nach der Ru¨ckkehr von der Wartburg geschildert. Wichtige Vero¨ffentlichungen wie die Katechismen, die Visitationsartikel, die Entstehung der geistlichen Gesa¨nge werden nur eben genannt aber nicht behandelt, Luthers Auseinandersetzung mit Erasmus taucht lediglich in Randnotizen auf.281 A¨hnlich knapp wird von ersten Spaltungen innerhalb der protestantischen Bewegung berichtet, von denen die Jubila¨umsschriften exemplarisch die Wittenberger Unruhen um Karlstadt sowie den Bauernkrieg nennen.282 Mit Bedauern erwa¨hnen sie weiter die Abendmahlsstreitigkeiten und die daraus entstandene Trennung zwischen reformierten und lutherischen Theologen.283 Bewertende A¨ußerungen zu diesen Spannungen unterlassen sie allerdings, ist es doch ihr Bestreben, die Einheit der reformatorischen Bewegung in Erinnerung zu rufen, als deren Erbe sich das jubilierende Luthertum pra¨sentierte. Die sich andeutende und mit dem Westfa¨lischen Frieden besiegelte Trennung zwischen reformierter und lutherischer Kirche wird u¨bergangen. Ganz offensicht-

280 Eine ausgewogene Wurdigung findet der Wartburg-Aufenthalt bei Johann Daniel ¨ Herrnschmid, aber auch hier nur in Form einer summarischen Notiz: „Wartenburg war der recht gesegnete Ort, da er Zeit und Gelegenheit fand / seine Gedancken und Ha¨nde auf das H. Bibel-Werck zu wenden / und an dessen U¨bersetzung in die Teutsche Sprache zu arbeiten . . . Und eben diese unter dem Creutz verrichtete Arbeit das herrliche Mittel gewesen, / wodurch her nach so viele tausend Christen sind bekehret / und zum ewigen Leben erbauet worden.“ Von Luthers perso¨nlicher Verfassung heißt es, er habe „unter mancher Anfechtung und Satanischer Versuchung“ zu leiden gehabt. (Ders., Predigt, S. 72 f). Die einzige Schrift, die ausfu¨hrlicher auf Luthers Wartburgaufenthalt eingeht, ist diejenige von Paul Anton, De Pathmo Lutheri; aber auch dabei handelt es sich lediglich um ein a¨lteres Werk, das Anton anla¨ßlich des Jubila¨ums in unvera¨nderter Gestalt neu vero¨ffentlicht hat. 281 Beispielhaft ist die zusammenfassende Wurdigung von Luthers Bibelubersetzung, ¨ ¨ seinen Katechismen und seinen Geistlichen Gesa¨ngen als fu¨r die Ausbreitung der Reformation wesentlichen Schriften durch Bernhard von Sanden, Unterricht, Frage 43. 282 Zu Karlstadt und den Wittenberger Unruhen vgl.: Friedrich Andreas Hallbauer, Lutherus, S. 10 f. Hallbauer stellt die Bedeutung der Unruhen fu¨r die Entwicklung der Universita¨t als ganzer und fu¨r die Etablierung der humanistischen Wissenschaften an der Universita¨t heraus, die allein durch Luthers Einsatz und gegen Karlstadts Widerstand gerettet worden sei. Zur theologischen Dimension des Streits: Michael Friedrich Quade, Hil. Ev. II, S. 108a (Oratio Solennis); Gottlieb Wernsdorf, De progressu, S. 33. Zu Mu¨ntzer vgl.: Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 215. 334 f. Michael Friedrich Quade, Hil. Ev. II, S. 108b (Oratio Solennis). Quade erinnert außerdem an Schwenckfelds Versuche, die rechte Lehre Luthers durch eine Anleitung zum rechten Leben zu erga¨nzen (ebd., S. 108b). 283 Bernhard von Sanden, Unterricht, Frage 42.

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lich widersprachen diese Bru¨che dem Idealbild von der einen, wahren evangelischen Kirche, an dem das jubilierende Luthertum anknu¨pfen wollte, wa¨hrend der Hinweis auf die Spaltungen innerhalb des Protestantismus fester Bestandteil der ro¨misch-katholischen Polemik war.284 Das Interesse der Jubila¨umsschriften verlagert sich fu¨r die Jahre nach 1521 auf die Verquickung der Reformation mit der Reichspolitik, wobei die fu¨r die Ausbreitung der Reformation gu¨nstige politische Lage einzelnen Verfassern geradezu als Wunder Gottes erschien. So zumindest erkla¨rt Haferung die Passivita¨t der Fu¨rsten bei der Umsetzung des Wormser Edikts,285 auch deren Parteinahme fu¨r die Reformation ohne Ru¨cksicht auf eigene Nachteile habe darin ihren Ursprung.286 Fu¨r die evangelischen Landesherren seien ausschließlich religio¨se, und nicht wie Cochla¨us behauptet hatte, politische Motive ausschlaggebend gewesen. Angesichts der Sanktionen, die das Wormser Edikt den Parteiga¨ngern Luthers androhte, sei es widersinnig zu behaupten, die Fu¨rsten ha¨tten sich von der Protektion Luthers politische Vorteile versprochen.287 Im Gegenteil belege die Liste der Gravamina von 1522 ebenso wie der Reichstag von Speyer 1529 die religio¨sen Interessen der deutschen Fu¨rsten.288 Die Protestation von 1529 steht fu¨r die Entschlossenheit der Fu¨rsten, im Dienste des wahren Glaubens gegebenenfalls auf weltliche Gu¨ter und das eigene Leben zu verzichten.289 Einzig Treuer ra¨umt ein, bei manchen Landesherren, vor allem im europa¨ischen Ausland, ha¨tten politische Motive eine Rolle gespielt,290 ein Verhalten, das er jedoch scharf verurteilt.291 Auf dem Reichstag von Augsburg 1530 hatten die Protestanten erstmals Gelegenheit, ihre theologischen Ansichten ungehindert vorzutragen,292 weshalb die Jubila¨umsschriften die Umsta¨nde, die zur Abfassung und 284 Vgl. Martin Chladenius, De methodo Evangelicorum, S. 47 f. Johann Franz Buddeus, De characteribvs, S. 25 f. Johann Ernst Schaper, Hil. Ev. II, S. 75b (Oratio de Divinatione Pontificiorum). 285 Johann Caspar Haferung, Gedachtnuß der Wunder Gottes, Vorrede S. 2r. ¨ ¨ 286 Johann Ernst Schaper, Hil. Ev. II, S. 77a (Oratio de Divinatione Pontificiorum). Christoph August Heumann, De Luthero Apocalyptico, S. 52 f. 287 Johann Daniel Herrnschmid, Predigt, S. 73 f. 288 Johann Franz Buddeus, De Pontificibvs Romanis, S. 44. 289 Laurent. Joh. Frid. Dihn, Lutherana Religio, S. c1r. Johann Daniel Herrnschmid, Predigt, S. 74. 290 Gottlieb Samuel Treuer nennt als Beispiele die Konige von Schweden, Danemark ¨ ¨ und Frankreich, die sich im Verlauf des 16. Jahrhunderts aus politischen Erwa¨gungen auf die Seite der Protestanten geschlagen ha¨tten. Ders., Die politischen Fehler, S. 183 ff. 291 Gottlieb Samuel Treuer, Die politischen Fehler, S. 191: „Die Hoheit und die Menge derer Exempel rechtfertiget die That im geringsten nicht: es ist nicht gut / daß bey vielen Ho¨fen aus der Religion ein politisches Instrument gemacht wird / das man zu allem interesse und dessen befo¨rderung zu employiren pfleget: inzwischen hat solche interessirte Intention manchmal so viel gutes nach sich gezogen / daß gantze La¨nder der abergla¨ubischen Finsterniß sind entrissen worden.“ 292 Bernhard von Sanden, Predigten, S. 76. Matthias Kortholt, Hil. Ev. II, S. 69b (De Luthero).

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Verlesung der Confessio Augustana fu¨hrten, als einzigartigen BekenntnisAkt der Protestanten schildern.293 Denn wenn der Kaiser auch nach außen hin seinen Willen zur Kirchenreform und zu einer Beilegung der Streitigkeiten gea¨ußert hatte,294 so habe dennoch immer die Gefahr seines Eingreifens zugunsten der ro¨misch-katholischen Gegner bestanden.295 Als geistige Va¨ter dieses ersten lutherischen Bekenntnisses gelten Luther und Melanchthon; ja die meisten Jubila¨umsschriften vertreten die in der lutherischen Orthodoxie verbreitete Auffassung, bei der Confessio Augustana habe es sich um eine Luther zuzuschreibende Zusammenstellung der protestantischen Lehre gehandelt.296 Melanchthons Anteil an der Entstehung der Confessio Augustana ru¨ckt dagegen ebenso in den Hintergrund wie Luthers distanzierte Haltung gegenu¨ber der Endfassung des Augsburger Bekenntnisses.297 Daß Luther auf dem Augsburger Reichstag nicht zugegen war, wird kommentarlos u¨bergangen.298

293 So versteht Bernhard von Sanden das Augsburger Bekenntnis als Antwort auf alle bis dahin von den Gegnern erhobenen Lu¨gen und Geru¨chte u¨ber den Protestantismus, die mit diesem Bekenntnis ad absurdum gefu¨hrt worden seien: „Solche Lu¨gen aber und La¨sterungen wurden bald zu Schanden gemacht / durch das o¨ffentliche Glaubens-Beka¨ndtnu¨ß / welches die Evangelischen auf dem Reichs-Tage zu Augspurg A. 1530. dem Kayser Carolo V. und den Reichssta¨nden u¨bergaben; als welcher Zweg unter anderen dahin gieng / daß die Evangelischen dergleichen grausahme Beschuldigungen von sich ablehneten.“ (Ders., Predigten, S. 76). 294 Justus Christoph Bo ¨ hmer, Fasces academici, S. 102 f. Bernhard von Sanden, Predigten, S. 17. 295 Johann Daniel Herrnschmid, Predigt, S. 74 f: „Ja als 1530 die Evangelische Churund Fu¨rsten und Reichs-Sta¨nde / auf des Kaysers Caroli V. Befehl / zu Augsburg ihre schrifftliche Confession vorlegten / wobey sie in nicht geringer Gefahr waren / Leib und Leben sammt Land und Leuten / zu verlieren / blieben sie dennoch standhafftig bey der einmahl erkannten Wahrheit / und ihr Glaube ward durch die Anfechtung nur mehr befestiget . . .“ Deutlich kritischer wird Karl V. von Dihn beurteilt: „Qvando cum ibi Confessio publice praelegeretur, Imperator invictissimus ipse praesens auscultabat non attente solum, sed & amplexurus videbatur nostram Religionem. Unde enim istae lacrymae? Unde iste suspirium: wolte GOtt / daß man in der gantzen Welt so lehrete! Verum si Consilia, qvae audita Confessione nostra coepit Caesar, consideravimus accurate, voluit Religionem Lutheranam deperditam fractamq.“ ( Laurent. Joh. Frid. Dihn, Religio Lutherana, c1r). 296 Eine eigene Deutung bietet eine in Augsburg gepragte Jubilaums-Medaille, die auf ¨ ¨ der Vorderseite die U¨bergabe der Confessio Augustana an Karl V. darstellt und in der deutenden Inschrift Gott als die eigentlich treibende Kraft in diesem Geschehen ru¨hmt: „CONFESSIO AUGUSTANA Ab / 1530 d. 25. IUNI CAROLO V / EXHIBITA“ und dazu an den Seiten erga¨nzt: „PER DEUM OPT PERACTUM“ (vgl. Hugo Schnell, Martin Luther und die Reformation, Abb. 132). 297 Die Spannungen zwischen Luther und Melanchthon, die wahrend der Verhandlun¨ gen auf dem Reichstag auftraten, spielen in den Jubila¨umsschriften lediglich eine untergeordnete Rolle. Der Reichstag als solcher wird nirgends – wie noch bei Flacius – als Musterbeleg fu¨r den Wankelmut Melanchthons angefu¨hrt. Einzig die mehr als 60 Luther-Briefe aus der Zeit des Augsburger Reichstags, die Buddeus in seiner „Collectio nova epistolarvm Lvtheri“ (S. 99–214) vero¨ffentlichte, lassen die Unstimmigkeiten erahnen; unter ihnen auch Luthers Brief an Melanchthon vom 27. Juni 1530 (jetzt: WA Br. 5, Nr. 1605, S. 399–400), den insbesondere Flacius gegen Melanchthon ins Feld gefu¨hrt hatte (vgl. dazu Eike Wol-

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Als Glaubensheld des Reichstags gilt neben den lutherischen Theologen der kursa¨chsische Kanzler Gregor Bru¨ck, der dem Kaiser das Bekenntnis mit den mutigen Worten u¨berreicht hatte, dieses sei das Bekenntnis, das durch Gottes Gnade selbst den Pforten der Ho¨lle widerstehen werde. Sein Freimut macht Bru¨ck zum Vorbild fu¨r alle christlichen Politiker. Seine Worte verdeutlichen zugleich den Wahrheitsanspruch, mit dem die Confessio Augustana 1717 gelesen wurde:299 Die CA gilt als Zusammenfassung der wahren christlichen Lehre, von der die ro¨misch-katholische Kirche abgefallen war und zu der die Reformation zuru¨ckgefu¨hrt hatte.300 Ihr hoher Rang bemißt sich außerdem daran, daß es die Confessio Augustana war, durch die sich die lutherische Lehre – wie selbst Bellarmin bekennen mußte – in ganz Europa ausbreitete.301 Die Jahrzehnte bis zum Abschluß des Augsburger Religionsfriedens im Jahre 1555 schildern die Jubila¨umsschriften vornehmlich mit Blick auf den Religionskrieg sowie die Bewahrung des Protestantismus durch Gottes gna¨diges Eingreifen. Ihr Interesse richtet sich auf den protestantischkatholischen Gegensatz und dessen Eskalation im Schmalkaldischen gast / Hans Volz, Geschichte der Lutherbriefeditionen, S. 400–407, sowie Heinz Scheible, Melanchthon und Luther wa¨hrend des Augsburger Reichstags 1530, S. 207 f). Vgl. u¨berdies Jacob Carmons spo¨ttische Randbemerkung u¨ber die Einschra¨nkung der bischo¨flichen Gewalt in CA 28: „sicuti in pluribus, ita praeprimis in dicto articulo aliquid remitti posse censebat Melanchthon“ (Jacob Carmon, Oratio in Natalem Serenissimi Principis, S. 150r. 298 Bernhard von Sanden, Unterricht, Frage 44. Matthias Kortholt, Hil. Ev. II, S. 70a (De Luthero): „Tum Elector Saxoniae Iohannes summam doctrinae conscribere jubet Wittebergenses Theologos, quam sedecim articulis complexus est Lutherus. At vero & reliqui Principes atque Civitates Theologis suis praeceperunt, ut scripto comprehenderent, quae in ipsorum Ecclesiis docerentur. Quae omnia Philippus Melanchthon postmodum perlustravit, contulit & inde, sed inprimis e supra memoratis sedecim articulis confessionem composuit, ita tamen, ut priusquam in Comitiis publice praelegeretur, conceptam a Melanchthone formulam censurae Lutheri committeret Elector.“ Daß diese Darstellung des Augsburger Reichstags die opinio communis der lutherischen Orthodoxie bildet, zeigt Volker Gummelt, A¨ußerungen zu Philipp Melanchthon im Werk Johann Friedrich Mayers, S. 97 ff. Zu Luthers eigener Distanz gegenu¨ber dem Augsburger Bekenntnis vgl.: Martin Brecht, Martin Luther Band 2, S. 374 ff. 299 Joachim Justus Breithaupt, Hil. Ev. II, S. 43a (Oratio secvlaris). Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 416. 300 Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 307 f. 301 Als Beleg fur die selbst von romisch-katholischen Gegnern anerkannte Verbreitung ¨ ¨ der CA zitieren die Jubila¨umsschriften Bellarmins bekanntes Urteil aus der Praefatio zum ersten Band seiner Disputationes de controversiis christianae fidei: „Quis enim ignorat, pestem Lutheranam in Saxonia paulo ante exortam, mox Germaniam pene totam occupasse: inde ad Aquilonem, & Orientem profectam: Daniam, Noruegiam, Suetiam, Gotthiam, Panoniam, Hungariam absumpsisse: tum ad Occidentem, & Meridiem pari celeritate delatam, & Galliam, Angliam, Scotiam florentissima quondam regna breui tempore populatam: ad extremum Alpes transcendisse & in Italiam vsque penetrasse.“ Vgl. Johann Christoph Pfaff, Articuli XXI., S. 3 f; Franz Albert Aepin, Reformationis lutheranae opus, S. 22; Albrecht von Krackewitz, De Luthero, S. 48; Matthias Kortholt, Hil. Ev. II, S. 71b (De Luthero), Joachim Justus Breithaupt, Hil. Ev. II, S. 38a (Oratio secvlaris).

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Krieg. In diesem Zusammenhang wird an die perso¨nlichen Opfer erinnert, die protestantische Gla¨ubige fu¨r ihre U¨berzeugungen brachten: von den ersten Ma¨rtyrern der Reformation in den Niederlanden302 bis zu den Verlusten im Schmalkaldischen Krieg und daru¨ber hinaus.303 Die Rettung des Protestantismus in den Jahren zwischen 1552 und 1555 war ein weiteres Wunder Gottes.304 Im Unterschied zu der von May gea¨ußerten Auffassung, die protestantischen Landesherren in ihrer Gesamtheit seien die eigentlichen Helden des Reformationszeitalters, wu¨rdigen andere Verfasser nur wenige Landesherren, so beispielsweise Friedrich den Weisen.305 Hinweise auf den großen Schaden, den Philipp von Hessen und Moritz von Sachsen dem Protestantismus zugefu¨gt haben, fehlen vo¨llig. Der einzige protestantische Fu¨rst, u¨ber den eine Jubila¨umsschrift ausfu¨hrlicher berichtet, ist Johann Friedrich von Sachsen (1532–1547), den Wolffradt als Musterbeispiel fu¨r einen protestantischen Fu¨rsten lobt.306 Von Johann Friedrich heißt es, bei seiner Geburt habe ein gu¨ldenes, kreuzfo¨rmiges Zeichen auf seinem Ru¨cken das ku¨nftige Leid angeku¨ndigt, das ihm beschieden war.307 Als achtja¨hriger Knabe sei seine Demut und Klugheit daran deutlich geworden, daß er zusammen mit den Kindern einfachen Stands im Katechismus unterrichtet werden wollte und im Unterricht mit seinen Kenntnissen gla¨nzte.308 Wa¨hrend seiner Regierungszeit habe er die Ausbreitung und Festigung der reformatorischen Lehre durch Kirchen-Visitationen, durch großzu¨gige Stiftungen zugunsten der Universita¨t Wittenberg309 und durch sein lebendiges Interesse am Lehrbetrieb der Leucorea gefo¨rdert.310 Auch in seinem politischen Wirken bewa¨hrte er sich immer als standhafter Matthias Kortholt, Hil. Ev. II, S. 70b (De Luthero). Laurent. Joh. Frid. Dihn, Religio Lutherana, c2r; Martin Chladenius, De Israelis, S. 20; Johann Caspar Haferung, Geda¨chtnu¨ß der Wunder Gottes, S. 23 f. August Hermann Francke, Der Zuruf Christi, S. 38 f. 304 Johann Daniel Herrnschmid, Predigt, S. 76; Johann Christoph Pfaff, Christliche Predigt, S. 19 f. 305 Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 440: „Inter heroas nostri temporis merito numerauimus eos ex Principibus, qui Reformationis opus duobus abhinc seculis strenue vrserunt, & Luthero, ad hoc ipsum negotium divinitus excitato, fortiter adstiterunt.“ Vgl. Christoph August Heumann, De Luthero Apocalyptico, S. 24 ru¨hmt den Beitrag von Johann Friedrich von Sachsen und Philipps von Hessen mit der Feststellung: „Sub his horumque successoribus per certum tempus, obscure hic indicatum, propagabitur ac tuta erit ecclesia.“ Und u¨ber Johann den Besta¨ndigen (sa¨chsischer Kurfu¨rst von 1525–32) urteilt er, dieser sei „fortissimus Lutheranae causae patronus“ gewesen (ebd., S. 82). 306 Zu den Ursprungen dieser Verehrung von Kurfurst Johann Friedrich: Thomas ¨ ¨ Fuchs, Protestantische Heiligen-memoria, S. 609 ff. 307 Christoph Friedrich Wolffradt, Jubel-Oration, S. 184r. 308 Christoph Friedrich Wolffradt, Jubel-Oration, S. 186r. 309 Christoph Friedrich Wolffradt, Jubel-Oration, S. 188v. 310 Martin Chladenius fuhrt als Beispiel eine Promotionsfeier aus dem Jahr 1535 an, die ¨ der Kurfu¨rst finanziell unterstu¨tzte und an der er perso¨nlich teilnahm (Ders., Solennia doctorvm, b1v) 302 303

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Lutheraner, der durch nichts zum Abfall von der reinen Lehre zu bewegen war: Die Ehe mit der Schwester des Kaisers schlug er aus Bekenntnisgru¨nden aus,311 im Schmalkaldischen Krieg weigerte er sich aus religio¨sen Motiven, die Kampfhandlungen zu beginnen.312 Schließlich fu¨gte er sich in Niederlage und Gefangenschaft, ohne von seinen Glaubensu¨berzeugungen abzuweichen.313 Diese Ausfu¨hrungen bilden aber die Ausnahme. Insgesamt besta¨tigt sich, daß nach Auffassung der meisten Jubila¨umsschriften die wesentlichen Entwicklungsschritte der Reformation bereits in den Jahren bis 1521 vollzogen waren. Detaillierte U¨berlegungen zum Einfluß der Reichspolitik und einzelner Landesherren auf die Reformation spielen lediglich eine untergeordnete Rolle.314 Eine Konstante, die sich allerdings durch die gesamte Darstellung der Jahrzehnte vor und nach 1521 zieht, sind die Hinweise auf das Wirken Gottes im Gesamtgeschehen der Reformation. Nachdem Luther den Grund fu¨r die Reform der Kirche gelegt hatte, war es vor allem dem Wirken Gottes zuzuschreiben, daß die Reformation sich weiter ausbreitete. Dazu bedurfte es vieler gu¨nstiger Umsta¨nde wie beispielsweise der allgemeinen politischen Verha¨ltnisse im Reich, die Karl V. an der Durchfu¨hrung des Wormser Edikts hinderten,315 wa¨hrend sich das Luthertum weiter ausbreitete und die Entschlossenheit der protestantischen Fu¨rsten zum Widerstand gegen den Kaiser zunahm.316 Selbst im Schmalkaldischen Krieg bewahrte Gott den Protestantismus, um ihn einige Jahre spa¨ter neu aufblu¨hen zu lassen. Gott sicherte durch die Friedensvertra¨ge von 1552 und 1555 den dauerhaften Bestand der evangelischen Kirche.317 Der letzte Beleg fu¨r den go¨ttlichen Ursprung der Reformation ist allerdings die weite Verbreitung des Protestantismus, die selbst die ro¨misch-katholischen Gegner nicht zu bestreiten vermo¨gen, sowie die Tatsache, daß das

Christoph Friedrich Wolffradt, Jubel-Oration, S. 187v. Christoph Friedrich Wolffradt, Jubel-Oration, S. 189v. 313 Isaac Weissenborn, Iactantia Romanae Ecclesiae, S. 31 f: „Hanc, in seruanda puriore fidei doctrina, constantiam mirifice probauit invicti animi princeps, Saxoniae elector, ac nostrae academiae fundator, diuus ille JOHANNES FRIDERICUS, cuius memoria aeterna in laude versabitur. Contemsit hic, quod erat in manibus, minas caesaris neglexit, nihil veritus carcerem, neque dolens augustam electoris dignitatem sibi ereptam, doctrinae, opera Lutheri e tenebris productae, & confessione Augustana comprehensae, firmissime inhaesit, animoque infracto DEI fisus est praesidio.“ Christoph Friedrich Wolffradt, JubelOration, S. 191v. 314 Zur Rolle der Reichsfursten wahrend der Reformation, die sehr viel bedeutender ¨ ¨ war, als es irgendeine der Jubila¨umsschriften andeutet: Eike Wolgast, Territorialfu¨rsten, sowie die U¨berblicksdarstellung von Manfred Rudersdorf, Landesva¨ter. 315 Johann Franz Buddeus, Divinae providentiae, S. 63. 316 Laurent. Joh. Frid. Dihn, Religio Lutherana, c1r: „Divinum tamen Numen mirabilem & maxime stupendam Principibus inspiraverat constantiam, ut hoc magno rerum discrimine eo majores alacrioresque sumerent animos, quo magis se impares Imperatori intelligerent.“ 317 Johann Franz Buddeus, Divinae providentiae, S. 63. Johann Daniel Herrnschmid, Predigt, S. 76. 311

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Luthertum trotz vieler Anfeindungen auch 1717 noch existiert. Im Blick auf den Rat des Gamaliel (Act. 534 ff), den schon Luther auf die Reformation und deren go¨ttlichen Ursprung bezogen hatte,318 sind es die Verbreitung und der Erhalt des Protestantismus an sich gegen alle Widersta¨nde, an denen sich die Legitimita¨t der Reformation ablesen la¨ßt.319 Die Befreiung der Kirche durch die Reformation ist – daran besteht auch 1717 kein Zweifel – unter den wunderbaren Wohltaten, mit denen Gott sein Volk seit Anbeginn der Welt beglu¨ckt hat, die gro¨ßte u¨berhaupt.320 Wie sehr die Jubila¨umsschriften um historische Korrektheit bemu¨ht waren, zeigt ein im u¨brigen wenig bedeutsames Detail: die weitgehend positive Wu¨rdigung des Pontifikats Hadrians VI. (1522–23). Als einziger Papst seit vielen Jahrzehnten habe er die herrschenden Mißsta¨nde in der ro¨misch-katholischen Kirche zugegeben, wie sein sogenanntes „Schuldbekenntnis“ bezeugt, das auf dem Nu¨rnberger Reichstag publiziert wurde.321 Daru¨ber hinaus schildert Buddeus ihn als aufrichtigen Theologen, der frei von allen geistlichen Ambitionen sein Leben der Ehre Gottes und der Suche nach der theologischen Wahrheit gewidmet hatte. Als er im Jahre 1522 zum Papst gewa¨hlt wurde, war er der richtige Mann fu¨r die anstehenden Reformen, weil er dieses Amt nicht angestrebt hatte.322

318 So Luthers Votum einerseits wahrend der Verhandlungen auf dem Wormser Reichs¨ tag: WA 7, 854, 8–14 (Verhandlungen mit D. Martin Luther auf dem Reichstage zu Worms. 1521); a¨hnlich: WA 23, 476, 15–25 (Von Herrn Lenhard Keiser in Baiern, um des Euangelii willen verbrannt. 1527) und neun Jahr spa¨ter wa¨hrend des Augsburger Reichstags: WA 30II, 401, 17–402, 31 (Brief an den Kardinal Erzbischof zu Mainz. 1530). 319 Franz Albert Aepin, Reformationis lutheranae opus, S. 23: „Certi tamen de divinitate Reformationis Lutheri ex eo etiam sumus, qvod eadem in hunc usqve diem, quae unius solius DEI gratia, unice divinum opus est, perstat, nullis insidiis fracta, nullis viribus victa, innumerabilium pene martyrum sangvine confirmata. Id videlicet est, qvod Christus verae suae Ecclesiae promisit, nec inferni portas illi praevalituras esse.“ Paul Anton, Predigt, S. 16. 320 Johann Christian Klemm, De servandis augendisqve reformationis fructibus, S. 8: „Quanquam enim inde usque a conditu orbis & Ecclesiae variis iisque mirabilibus, qua est immensa bonitate, beneficiis, coetum suum affecerit indulgentissimus in coelis Pater: nullum tamen tam augustum, nullum tam admirandum imo stupendum unquam fuit, si a partu virgineo discesseris, quod incredibili fere & inenarrabili Ecclesiae Liberationi, quae ante annos bis centum divinis contigit auspiciis, non dicam aequari, sed cum ea vel conferri mereatur.“ A¨hnlich auch Johann Caspar Haferung, Geda¨chtnu¨ß der Wunder Gottes, Vorrede. 321 Zitiert bei Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 351, wo es uber Hadri¨ an VI selbst heißt: „Adrianus VI quo multis seculis Papa melior non fuit, & a quo si ab vllo alio, reformatio aliqua expectari poterat, quia eam A. 1522. in publicis Imperii Comitiis ingenue necessariam esse, & ad eam procurandam se tanto arctius obligatum affirmauit, ac pollicitus est; sed pii conatus in ipsa herba, quod aiunt, suppressi sunt, & ipse paulo post exstinctus est.“ Zum „Schuldbekenntnis“ selbst vgl. Carl Mirbt / Kurt Aland, Quellen, Nr. 791: Papst Hadrians VI. (1522–1523) Instruktionen an den Legaten Franz Chieregati fu¨r den Reichstag zu Nu¨rnberg (1522). 322 Johann Franz Buddeus, De Pontificibvs Romanis, S. 30: „Suffragiis etenim cardinalis huius & asseclarum eiusdem, HADRIANVS, ad culmen dignitatis papalis, quamquam inui-

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Wenn er auch Luthers theologisches Anliegen nicht vo¨llig verstand323 und seinen eigenen theologischen Wurzeln treu blieb,324 so bemu¨hte er sich dennoch aufrichtiger um den Frieden in der Kirche als irgendein anderer Papst. Sein Scheitern erkla¨rt sich aus dem mangelnden Ru¨ckhalt, den er bei seinen Beratern hatte, zugleich aber auch aus seinen perso¨nlichen Schwa¨chen: Auf dem Ho¨hepunkt der Verhandlungen mit den deutschen Reichssta¨nden fehlte ihm der Mut, die notwendigen Reformen gemeinschaftlich mit den Reichsfu¨rsten anzugehen,325 wa¨hrend er sich gegen seine theologischen Berater, die Kardina¨le Soderini, Cajetan und Pucci, nicht durchzusetzen vermochte.326 Aufs ganze betrachtet, ist diese positive Bewertung Hadrians VI. dem gewandelten Geist der Zeit zuzuschreiben: Gegen die weitgehend kritische Beurteilung Hadrians VI. durch ro¨misch-katholische Kirchenhistoriker wie Sarpi oder Pallavicino bemu¨hen sich lutherische Theologen um dessen Ehrenrettung.327 Aber selbstversta¨ndlich werden auch Hadrians VI. Mißerfolg und sein Ungeschick gegen die ro¨misch-katholische Kirche verwendet. Es gibt Hinweise auf das Schuldbekenntnis von 1522, die es, aus seinem historischen Zusammenhang gerissen, vornehmlich als Bankrotterkla¨rung des Papsttums pra¨sentieren, ohne seinen aufrichtigen Wunsch nach Reform der Kirche zu wu¨rdigen;328 Hadrian VI. erscheint als Beispiel fu¨r die ausweglose Lage der ro¨misch-katholischen Kirche, in der selbst ein aufgeschlossener und einsichtiger Papst wie er scheitern mußte.329 Und es gilt als Armutszeugnis fu¨r die ro¨misch-katholische Kir-

tus & recusans, est euectus. Qui omnino talis erat, qualem deperditus christianorum status exspectabat . . . De probitate eius ac ingenuitate, quae solius Numinis laudes, sola proximi commoda, vnicam animae curam suos ante oculos cogitationesque collocat, non est, quod quaereamus. Omnium coaetaneorum confessio, gesta inculpatissima, testes eiusdem sunt, quorum fidem in dubium vocare frustra anniteris.“ 323 Johann Franz Buddeus, De Pontificibvs Romanis, S. 32. 324 Johann Franz Buddeus, De Pontificibvs Romanis, S. 42. 325 Johann Franz Buddeus, De Pontificibvs Romanis, S. 50: „Sigillatim tamen multa ex postulatis congregationis Norimbergicae addiscuntur. Hanc enim consulebat HADRIANVS, vt quicquid haberent consilii ad tranquillitatem in ecclesia reducendam suppeditarent. Propterea nullum restat dubium, quod ea quoque, quae ordines proposuerunt, & ipse immutanda statuerit; licet viribus aut potius firmitate animi, quae ad illud requirebatur, non esset instructus.“ 326 Johann Franz Buddeus, De Pontificibvs Romanis, S. 53 f. Gottlieb Samuel Treuer, Die politischen Fehler, S. 149 f. 327 Daß Hadrian VI. von anderen romisch-katholischen Theologen wie Bellarmin aus¨ dru¨cklich gelobt wurde, u¨bergeht Buddeus im Gegensatz zu seinem Fakulta¨tskollegen Michael Foertsch, Hil. Ev. II, S. 34a (De nervis Justificationis). 328 Gottlieb Wernsdorf, De progressu, S. 8 f. Bernhard von Sanden, Predigten, S. 16 f. Franz Albert Aepin, Reformationis lutheranae opus, S. 3. 329 Johann Franz Buddeus, Ivdicivm, S. 86: „Summa eo redit, non posse tam facile talia emendari, tentasse equidem quosdam pontifices, interque eos cumprimis HadrianumVI. ecclesiae emendationem; sed cum infinita illis se obiecerint obstacula, experiundo eos didicisse, quam difficile istud opus sit; immo fere adunato`n.

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che, daß sie im Jahrhundert der Reformation nur einen einzigen reformwilligen Papst wie Hadrian VI. aufzuweisen hatte. Festzuhalten aber ist: Anla¨ßlich des Reformationsjubila¨ums von 1717 wird immerhin ein Papst des 16. Jahrhunderts – ungeachtet aller Schwa¨chen und Fehler seiner Amtsfu¨hrung – lobend erwa¨hnt. e) Reformatoren neben Luther Martin Luther gilt als die pra¨gende Gestalt des reformatorischen Zeitalters. Die offiziellen Einladungsschriften und Festprogramme zum Reformationsjubila¨um von 1717 weisen in dieser einseitigen Festlegung auf Luther Parallelen zum Reformationsversta¨ndnis der ersten Sa¨kularfeier von 1617 auf: Die Reformation erscheint als das Werk dieses einen, von Gott inspirierten und berufenen Mannes, Martin Luther. Wohl auch bedingt durch die Verwendung von Textvorlagen der ersten Sa¨kularfeier begegnet Luther im Jahre 1717 wiederum als die alles u¨berragende Gestalt des Zeitalters, neben der andere Perso¨nlichkeiten kaum zur Geltung kommen.330 Um so auffa¨lliger sind die in einzelnen Jubila¨umsschriften von 1717 begegnenden Ansa¨tze, die Konzentration auf Luther aufzugeben und neben ihm anderer Reformatoren zu gedenken. Denn, so heißt es ausdru¨cklich bei Breithaupt, auch in der Reformation Luthers hatte sich bewahrheitet, was die in der Heiligen Schrift beschriebenen Reformen deutlich machten, na¨mlich: „quod AEterna Prouidentia destinet tam salutari negotio non unum modo auctorem, sed huic simul assignare soleat testium veritatis circumstantium quandam quasi nubem . . .“331 Ja, selbst wenn man diese Wahrheit anerkennt, bleibt es noch immer erstaunlich, welch große Anzahl von Mitarbeitern und Nachfolgern Luther fu¨r seine Reformation gefunden habe.332 Freilich la¨ßt Breithaupt offen, welche Mitarbeiter er im einzelnen vor Augen hat und worin ihr perso¨nlicher Beitrag zur Reformation bestand. A¨hnlich verfahren andere Verfasser, die allgemein von Luthers Mitarbeitern sprechen, ohne einzelne Personen oder Leistungen hervorzuheben. So gesehen bildet die Liste wichtiger Mitarbeiter Luthers, die von Sanden erstellt hat,333 eine bemerkenswerte Ausnahme, desgleiHans-Ju¨rgen Scho¨nsta¨dt, Das Reformationsjubila¨um 1717, S. 116. Joachim Justus Breithaupt, Lectiones cursorias Henrici Michaelis, 1v. 332 Joachim Justus Breithaupt, Lectiones cursorias Henrici Michaelis, 2r: „Verum enim vero, si cum Israelitica ista Reformatione conferamus superiorum Euangelicam, non sine stupore intueri possumus Euangelicorum multitudinem Doctorum, qui donis tam mirificis partim comitati partim consequuti sunt Megalandrum nostrum . . .“ 333 Bernhard von Sanden, Unterricht, Frage 40: „Welches sind von denen damahls beru¨hmten Lehrern des Herrn D. Lutheri Mitgehu¨lffen in Reinigung und Vertha¨digung der Evangelischen Lehre gewesen? Die ersten waren Andreas Rudolph Bodenstein Carlstadt genandt / und Philippus Melanchthon ein Pfa¨ltzer / beyde Doctores und Professores in 330 331

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chen die Randnotiz Ludewigs, der neben Luther Zwingli, Beza und Calvin als gleichwertige Erben der Reformtheologen des 15. Jahrhunderts nennt.334 Weitere Perso¨nlichkeiten der Reformationsepoche kommen allenfalls dort zur Geltung, wo regionale und lokale Eigenarten der Reformation zu beschreiben sind.335 Die einzige Ausnahme in dieser Hinsicht bildet Philipp Melanchthon, der verschiedentlich als Reformator neben Luther gewu¨rdigt wird. Damit leiten die betreffenden Autoren eine Wende im Melanchthon-Bild ein, das viele Jahrzehnte von der Kritik an Melanchthons vermeintlichem Wankelmut und seinen Abweichungen von Luthers Lehre gepra¨gt gewesen war: Fu¨r die erste Reformationsjubelfeier 1617 verzeichnet Scho¨nsta¨dt keinen einzigen Hinweis auf Melanchthon als eine der treibenden Kra¨fte der Reformation neben Luther;336 anla¨ßlich seines hundertsten Todestages im Jahre 1660 wurde lediglich eine einzige Gedenkfeier abgehalten;337 und im gu¨nstigsten Fall befleißigten sich lutherische Theologen wa¨hrend des ausgehenden 17. Jahrhunderts einer kritischen Melanchthon-Rezeption, wie sie bei Abraham Calov begegnet,338 wa¨hrend Wittenberg / wiewol der erste von ihm hernach abgesetzet / und sich zu den Wiederta¨uffern verfu¨get / der andere aber sich sehr furchtsahm und in seinen Meynungen zweiffelhafftig und unbesta¨ndig bezeuget. Seine treue und besta¨ndige Freunde / mit denen er alles u¨berleget / waren Georgius Spalatinus, des Chur-Fu¨rsten in Sachsen Hof-Prediger / D. Johann Bugenhagen / welcher hernach zu Lu¨beck / Hamburg / in Pommern / Da¨nnemarck und im Herzogthum Braunschweig alles in eine Evangelische Form gebracht / Joh. Brentius, welcher denen Hertzogen in Wu¨rtenberg in Religions-Sachen rathete / Martinus Bucerus, Prediger in Straßburg / Justus Jonas, Prediger in Wittenberg / D. Creutziger / Aurogallus, Ziegler und andere.“ 334 Johann Peter Ludewig, Dica Ivbileorvm, S. 12 f. 335 Matthias Kortholt, Hil. Ev. II, S. 69b (De Luthero) nennt den Beitrag Philipps von Hessen und seine Kooperation mit Melanchthon bei der Einfu¨hrung der Reformation in Hessen; Bernhard von Sanden, Predigten, S. 84 f: Er lobt die Einfu¨hrung der Reformation in Preußen durch Albrecht von Brandenburg 1525, die mit einem Schlag alles pa¨pstische Unwesen ausgerottet habe. Albrecht von Krackewitz, Oratio Secularis, S. 100r: Er lobt die Unterstu¨tzung der reformatorischen Sache durch die Herzo¨ge von Mecklenburg, die abgesehen von einigen Ausnahmen „Duces, Confessores, Defensores Evangelicae veritatis dexterrimi“ gewesen seien. Von Justus Christoph Bo¨hmer ist eine Rede u¨berliefert, die sich ausschließlich mit den Eigenarten der Reformation in Niedersachsen bescha¨ftigt, die eine ganze Reihe wichtiger Gestalten der Epoche erwa¨hnt (Ders, Fasces academici, S. 56–75). Paul Anton, Predigt, S. 15 f erinnert an erste Schwierigkeiten bei der Ausbreitung der Reformation in Halle, die dann jedoch ohne Zutun Luthers durch die in Halle wirkenden Prediger ausgera¨umt werden konnten. 336 Vgl. Hans-Jurgen Scho ¨ nsta¨dt, Antichrist, Weltheilsgeschehen und Gottes Werk¨ zeug, der keinen einzigen Beleg fu¨r eine eigensta¨ndige Erwa¨hnung Melanchthons anla¨ßlich der Jubelfeiern von 1617 anfu¨hrt. Allerdings weist Gustav Adolf Benrath auf die ausfu¨hrliche Wu¨rdigung Melanchthons durch Pareus im Rahmen der Reformationsjubelfeier von 1617 an der Universita¨t Heidelberg hin (Ders., Reformierte Kirchengeschichtsschreibung, S. 41). 337 Wilhelm Hammer, Melanchthonforschung. Band I, Nr. 838a verzeichnet einzig das Einladungsprogramm zu einer am 4. Mai 1660 in Breslau abgehaltenen Geda¨chtnisfeier. 338 Kenneth Appold, Das Melanchthonbild bei Abraham Calov.

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Gottfried Arnold Melanchthon in den Mittelpunkt seiner Kritik am Protestantismus stellte.339 Dieses kritische Bild von Melanchthon – und damit die Konzentration auf Luther als den einzigen erwa¨hnenswerten Reformator – befindet sich bei der zweiten Sa¨kularfeier im Wandel. Die Jubila¨umsschriften erwa¨hnen Melanchthon als wichtigsten Mitarbeiter Luthers und wu¨rdigen seinen Beitrag zur Reformation. Dabei stehen Verdienste bei der Ausbreitung der humanistischen Bildungsideen und der Reform des Bildungswesens an erster Stelle. Melanchthon gilt als der „reductor optimarum artium“,340 dem es zu verdanken ist, daß die Kenntnis der alten Sprachen wieder auflebte, wa¨hrend die scholastische Philosophie mit fortschreitender Ausbreitung der Reformation aus dem Lehrbetrieb verbannt wurde.341 Einzelne Verfasser – darunter May – loben ihn mit dem Epitheton „Praeceptor Germaniae“,342 der mit der Reform des deutschen Bildungswesens das von Reuchlin und Erasmus begonnene Werk zum Ziel gebracht und damit zum Gelingen der Reformation beigetragen hatte.343 Hallbauer stellt ihn gar auf eine Stufe mit Erasmus, weil sie gemeinsam nach dem Zeitalter der Barbarei das Zeitalter der Bildung begru¨ndet haben.344 Ebenso lobt ihn Wernsdorf fu¨r seine Verdienste beim Aufbau der Wittenberger Universita¨t, worunter er explizit Melanchthons Beitrag zur Verbreitung der reinen Lehre versteht.345 Melanchthon gilt als der theologisch kongeniale Mitarbeiter Luthers, dessen theologische U¨berzeugungen er voll geteilt habe,346 so wie er mit ihm von der Notwendigkeit der Reformation u¨berzeugt war.347 Das gro¨ßte Lob allerdings wurde Melanchthon von Christoph August Heumann, dem Johannes Wallmann, Melanchthonbild, S. 16 ff. Justus Christoph Bo¨hmer, Fasces academici, S. 96. 341 Georg Detharding, Hil. Ev. II, S. 96a (Oratio Jubilaea). 342 Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 146; Georg Detharding, Hil. Ev. II, S. 96a (Oratio Jubilaea). Vgl. Theodor Mahlmanns Untersuchung, derzufolge May entscheidenden Anteil daran hatte, daß die Bezeichung (und Wu¨rdigung) Melanchthons als „Praeceptor Germaniae“ sich im ausgehenden 17. Jahrhundert etablierte. (Ders., Die Bezeichnung Melanchthons als Praeceptor Germaniae, S. 142–147. 213 f). 343 Jacob Burgmann, Oratio rectoralis, S. 141r. 344 Friedrich Andreas Hallbauer, Ecclesia Lutherana, S. 21 f: „Idem MELANCHTHONIS atque ERASMI aetate humanioris doctrinae studio, postquam tum profligata barbarie ad eam, quae summa est, rationem, excultum esset, accidit.“ Ebenso nennt Gottlieb Wernsdorf Melanchthon gemeinsam mit Erasmus als die beiden Gelehrten „. . . qui tanquam communes Germaniae praeceptores, barbariem & errores coniunctis animis, viribus & operibus, profligabant.“ (Ders., Hil. Ev. II, S. 24a, Oratio secularis). A¨hnlich lautet das Urteil in einem anla¨ßlich des Jubila¨ums vero¨ffentlichten Programm der Philosophischen Fakulta¨t Tu¨bingen: Wu¨rttembergische Neben-Stunden, S. 142. 345 Gottlieb Wernsdorf, De primordiis, S. 30. 346 Johann Franz Buddeus, Ivdicivm, S. 26: „Eadem de Romana ecclesia sententia fuit PHILIPPI MELANCHTONIS, qui licet longe mitioris ingenii esset, quam Lutherus, non minus tamen cordate, quoties occasio id postulat de grauissimis eius corruptelis loquitur . . .“ 347 Paul Anton, Predigt, S. 17. 339 340

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nachmaligen Go¨ttinger Professor, zuteil: Heumann stellte ihn als Reformator auf eine Stufe mit Luther und schrieb seinen reich frequentierten Vorlesungen in Wittenberg sowie seiner schriftstellerischen Ta¨tigkeit einen ebenso großen Anteil am Erfolg der Reformation zu wie Luther.348 Gleichwohl bleibt Melanchthon weiterhin im Schatten Luthers: Hallbauer behauptet, ungeachtet seines Lobs fu¨r Melanchthon, es sei einzig und allein die Begegnung mit Luther gewesen, die Melanchthon zum Reformator werden ließ.349 Daß auch Luther von der Zusammenarbeit mit Melanchthon profitierte, wie im Falle der von den Jubila¨umsschriften gelobten Bibelu¨bersetzung, wird nur beila¨ufig erwa¨hnt,350 desgleichen die Tatsache, daß Luther selbst voller Hochachtung fu¨r einzelne literarische Werke Melanchthons sowie fu¨r dessen Ta¨tigkeit als akademischer Lehrer gewesen war.351 Positive Zeugnisse dieser Art u¨ber Melanchthon ha¨tten den Autoren bekannt sein ko¨nnen, nachdem Seckendorf sie in seinem „Commentarius“ erschlossen und damit u¨ber das im orthodoxen Luthertum vorherrschende Bild von Melanchthon hinausgewiesen hatte. Tatsa¨chlich loben einzelne Schriften das im Vergleich zu Luther sehr viel gema¨ßigtere Auftreten Melanchthons im Umgang mit den theologischen Gegnern,352 am Ende werfen sie ihm dann aber seinen vermeintlichen Wankelmut vor und konstatieren, er habe sich wa¨hrend der Reformation „. . . sehr furchtsahm und in seinen Meinungen zweiffelhafftig und unbesta¨ndig bezeuget“.353 Selbst im Melanchthon-freundlichen Helmstedt beklagt der Rektor der Universita¨t Melanchthons A¨ngstlichkeit und Unsicherheit: trotz all seiner Begabungen ha¨tte Melanchthon allein niemals 348 Christoph August Heumann, De Luthero Apocalyptico, S. 43: „Caeterum Luthero DEVS amicum & adiutorem adiungebat MELANCHTHONEM . . . Is & ore professorio renatam quasi veritatem sparsit per auditorium numerosissimum, ex quo tanquam ex equo quodam Troiano in omnem orbem emittebantur praecones veri, errorumque impugnatores acerrimi; & scriptis vulgatisque libris, maxime Locis Theologicis . . . doctrinam veriorem disseminauit per omnem Europam.“ 349 Friedrich Andreas Hallbauer, Ecclesia Lutherana, S. 12 f. 350 Gottlieb Wernsdorf, Hil. Ev. II, S. 25a (Oratio Secularis). Hier werden neben Melanchthon noch Bugenhagen, Foerster, Jonas und Aurogallus als Mitarbeiter an der Bibelu¨bersetzung genannt. 351 Vgl. zum Beispiel Luthers Urteil uber Melanchthons „Loci communes“: WA 54, ¨ 1792–7 (Vorrede zum 1. Bande der Gesamtausgabe seiner lateinischen Schriften, Wittenberg 1545). Bleibt also selbst Luthers positives Urteil u¨ber Melanchthons theologisches Hauptwerk unbeachtet, ist es nicht erstaunlich, daß die Bedeutung der Loci communes – geschweige denn einer anderen Melanchthon-Schrift – fu¨r die Ausbreitung der reformatorischen Lehre wa¨hrend des 16. Jahrhunderts vo¨llig unbeachtet bleiben. Zur Bedeutung von Melanchthons „Loci communes“ wa¨hrend des 16. Jahrhunderts: Thomas Kaufmann, Martin Chemnitz, S. 183–191. Daß es fast zwangsla¨ufig um die Kenntnisse von Melanchthons Schriften neben den Loci communes im fru¨hen 18. Jahrhundert so schlecht stehen mußte, zeigen die spa¨rlichen Hinweise auf Melanchthon-Drucke, die Wilhelm Hammer fu¨r diesen Zeitraum zusammentragen konnte; vgl. Wilhelm Hammer, Melanchthonforschung Band I. 352 Justus Christoph Bo ¨ hmer, Fasces academici, S. 100 f. 353 Bernhard von Sanden, Unterricht, Frage 40.

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das große Werk der Reformation zustande gebracht.354 Unter diesen Voraussetzungen fa¨llt um so sta¨rker ins Gewicht, daß Johann Heinrich May wiederholt auf Melanchthons Verteidigungsschrift fu¨r Luther gegen die Pariser Universita¨t aus dem Jahr 1521355 hinweist, und neben dem distinguierten Humanisten an den mutigen Streiter Melanchthon erinnert.356 Insgesamt fa¨llt das Urteil der lutherischen Theologen u¨ber Melanchthon deutlich freundlicher aus als je zuvor, auch wenn die alten Vorurteile gegen einzelne seiner theologischen U¨berzeugungen bestehen bleiben. Weder seine Schriften noch biographische Notizen werden herangezogen, um die Vorwu¨rfe zu belegen, und manche seiner Verdienste um die Reformation werden, wie im Falle der Confessio Augustana, unbesehen Luther zugeschlagen. Insofern markiert das Reformationsjubila¨um von 1717 zwar einen gewissen Fortschritt in Richtung einer angemesseneren Beurteilung Melanchthons, gerecht wurde man aber seiner Bedeutung fu¨r die Reformation keineswegs. Dazu sollte es erst bei den Jubelfeiern der folgenden Jahrzehnte kommen, anla¨ßlich der Zweihundertjahrfeier der Augsburgischen Konfession im Jahre 1730 und drei Jahrzehnte spa¨ter anla¨ßlich des zweihundertsten Todestags Melanchthons.357 Die dominierende Gestalt des Reformationszeitalters war fu¨r die akademischen Jubila¨umsschriften von 1717 allein Martin Luther.

354 Justus Christoph Bo ¨ hmer, Fasces academici, S. 101. Die giftigsten Pfeile gegen Melanchthon wurden freilich aus Greifswald abgeschossen, wo die 1707 verfaßte Schrift Johann Friedrich Mayers „De lenitate Phil. Melanchthonis“ neu aufgelegt wurde (Wilhelm Hammer, Melanchthonforschung, Band I, Nr. 997). Zu Mayers in dieser Schrift vorgetragener Kritik an Melanchthon: Johannes Wallmann, Melanchthonbild, S. 12. 355 Philipp Melanchthon, CR 1, 398–416 (Adversus theologorum Parisinorum decretum pro Luthero apologia. 1521). Zur Bedeutung dieser und anderer Apologien Luthers, mit denen Melanchthon sich bereits in den ersten Jahren der Reformation dezidiert auf Luthers Seite gestellt hatte, vgl. Martin Brecht, Melanchthon und Luther, S. 83–91. 356 Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 411. 442. 357 Gunter Mu ¨ hlpfordt, Wittenberg und die Aufkla¨rung, S. 342. Daß sich die Ressenti¨ ments gegen Melanchthon im Kreise spa¨torthodoxer Theologen selbst in diesem schon von der Aufkla¨rung bestimmten Stadium der Melanchthon-Rezeption noch hielten, zeigt die von Ernst Salomon Cyprian verfaßte „Geschichte der Augsburgischen Konfession“, in der Melanchthon weiterhin als Verfa¨lscher der reformatorischen Lehre gebrandmarkt wurde. (Vgl. Gustav Adolf Benrath, Ernst Salomon Cyprian als Reformationshistoriker, S. 42 f.) Wilhelm Hammer, Melanchthonforschung, Band I, Nr. 1085–1113 verzeichnet aus dem Jahr 1730 zahlreiche Schriften, die Melanchthon mit in den Mittelpunkt des Interesses ru¨kken, wa¨hrend die zahlreichen Vero¨ffentlichungen anla¨ßlich seines zweihundertsten Todestages im Jahre 1760 das unmittelbare Interesse an Leben und Werk Melanchthons verdeutlichen (ebd., Nr. 1276–1299a).

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4. Die Luther-Deutung a) De Luthero ipso: Biographie, Charakter und Fro¨mmigkeit des Reformators In den Jubila¨umsschriften kommt Luther als Perso¨nlichkeit nur bedingt zur Geltung. Abgesehen von einer Luther-Biographie, die fu¨r die Feier im Herzogtum Wu¨rttemberg verfaßt wurde,358 und außer der biographischreformationsgeschichtlichen Jubel-Rede Matthias Kortholts359 entstanden anla¨ßlich des Reformationsjubila¨ums keine ausfu¨hrlichen Schriften zu Luther als historischer Gestalt. Und selbst in diesen zwei Schriften bestimmt Luthers Werk, die Reformation der Kirche, und nicht seine Perso¨nlichkeit die Darstellung. Dieser Befund ist charakteristisch fu¨r die Erwa¨hnung Luthers in den Jubila¨umsschriften: Luther als Person ist nur insoweit von Interesse, als er fu¨r die Reformationsgeschichte und deren Deutung wichtig ist;360 daru¨ber hinausgehende Einzelheiten wie beispielsweise zu Familie und ha¨uslichem Leben Luthers sind rar; selbst seine Ehe wird nur erwa¨hnt, um dem Vorwurf ihrer Illegimita¨t zu widersprechen.361 Wo Biographie und Perso¨nlichkeit Luthers na¨her betrachtet werden, geschieht das, um Luther in seiner Eigenschaft als Reformator der Kirche na¨her zu beschreiben oder seine rechtma¨ßige Berufung aufzuzeigen. Dieses Motiv begegnet zuna¨chst in den Schilderungen von Luthers Kindheit und Jugend.362 Die Familienverha¨ltnisse, aus denen Luther hervorging,

Hil. Ev. I, S. 373–390. Matthias Kortholt, Hil. Ev. II, S. 57–74 (De Luthero). 360 A ¨ hnlich verha¨lt es sich mit der Luther-Schrift „Von den guten Werken“, die Lange neu ediert, kommentiert und in den weiteren Kontext von Luthers Theologie eingeordnet hatte. Der Lebenslauf am Ende der Schrift scheint allein der Vollsta¨ndigkeit halber angefu¨gt zu sein und bildet nur die neuerliche Vero¨ffentlichung einer fu¨r die Jubelfeier von 1617 verfaßten tabellarischen Vita Lutheri. (Joachim Lange, Wohlverdientes Ehren-Geda¨chtniß). 361 Balthasar Tilesius, Resolutio; Gottlieb Samuel Treuer, De caractere animi Lutheri, S. 43 f. Eine Rarita¨t ist in dieser Hinsicht eine Jubila¨ums-Medaille aus Gotha oder Wittenberg. Deren Vorderseite tra¨gt ein Luther-Bildnis, die Ru¨ckseite ziert ein Bild seiner Ehefrau und folgende Inschrift: CatharIna Von bora D. LVthers fraV geMahLIn nup. 1525. Mehr noch als das Chronostichon mit dem Hinweis auf das Jubeljahr 1717 ist an dieser Medaille der Hinweis auf die Ehe Luthers und die Erwa¨hnung des Jahres der Eheschließung bemerkenswert. Die Medaille geho¨rt damit zu den wenigen Quellen, in denen Luther anla¨ßlich des Jubila¨ums zugleich als Theologe und Privatmann in den Blick kommt. (vgl. Hugo Schnell, Martin Luther und die Reformation, Abb. 174). 362 Eine Raritat unter den Jubilaumsschriften ist die von Cyprian in die „Hilaria Evan¨ ¨ gelica“ aufgenommene astrologische Studie u¨ber Geburts- und Sterbedatum Luthers, die Aufschluß u¨ber dessen besondere Berufung geben soll (Hil. Ev. I, S. 931–46). Diese ist als Widerlegung des in der ro¨misch-katholischen Polemik verbreiteten Vorwurfs zu verstehen, „daß der Reformator ein Ertzketzer habe werden mu¨ssen, da ihm nach der Gestirnskonstellation seiner Empfa¨ngnis die Lust zu Lu¨gen eingeboren sei“; vgl. Volkserza¨hlung und Reformation, S. 281. Gottlieb Wernsdorf erinnert außerdem an einen Bericht, demzufolge 358 359

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werden als a¨rmlich geschildert und regelma¨ßig mit dem Hinweis versehen, die a¨rmliche Herkunft entspreche dem Vorgehen Gottes bei der Berufung bedeutender Perso¨nlichkeiten. Zu allen Zeiten hatte Gott seine Diener aus einfachen Verha¨ltnissen berufen und sie dann zu dem von ihm bestimmten Ziel gefu¨hrt, damit seine Allmacht dabei um so deutlicher werde.363 Daß Luther ein von Gott bestimmtes Werkzeug war, zeigte sich fru¨h an seiner hervorragenden Begabung und an der vorzu¨glichen Ausbildung, die ihm trotz seiner unbedeutenden Herkunft durch Gottes Hilfe zuteil wurde.364 Die entscheidende Wende in Luthers Leben, den Eintritt in das Kloster, fu¨hren die Jubila¨umsschriften ebenfalls auf Gottes Wirken zuru¨ck. Genauere U¨berlegungen, wie es zu Luthers Entscheidung kam, stellen sie dagegen nicht an; Luthers Eintritt ins Kloster ist nur eine von vielen Stationen seines Lebens, an denen sich das unmittelbare Wirken Gottes ablesen la¨ßt.365 Ein wesentlicher Faktor, der zu biographischen Notizen u¨ber Luther animierte, waren Geru¨chte und Verleumdungen, die Luther als Person verunglimpften und von ro¨misch-katholischen Theologen bis weit ins 18. Jahrhundert kolportiert wurden. Die meisten dieser Geru¨chte liefen auf die Behauptung hinaus, Luther sei ein Verbu¨ndeter, ja womo¨glich ein Kind des Teufels gewesen, auf keinen Fall jedoch ein rechtma¨ßiger Diener Gottes und seiner Kirche.366 Zu derartigen Vorwu¨rfen nehmen die Jubila¨umsschriften ausfu¨hrlich Stellung: erstens zum Vorwurf der illegiti-

Astronomen am Tag der Geburt Luthers einen großen hellen Stern beobachtet ha¨tten, der weder zuvor, noch jemals danach wieder zu sehen war. (Ders., De primordiis, S. 22). Sehr kritisch a¨ußert sich Georg Detharding u¨ber astrologische Studien zur Person Luthers: „Nec enim me solum judice, sed ex vestro omnium consensu affirmare ausim, fuisse, non ab astris quidem, ab Astrorum tamen moderatore potestatem regiam Luthero concessam . . .“ (Ders., Hil. Ev. II, S. 92b (Oratio Jubilaea); Christoph Langhansen hatte sich im Rahmen seines Promotionsverfahrens in Ko¨nigsberg ebenfalls kritisch mit diesem Aspekt der Geschichtsdeutung befaßt (vgl. Hil. Ev. I, S. 302b; Jubel-Fest zu Ko¨nigsberg). 363 Caspar Posner, De divinitate, S. 13: „Moris est enim sapientissimo Deo, in negotiis maximis, salutemque aeternam attinentibus, hominum non magnorum, sed vilium, ministerio vti; ne successus eorum ac fructus, hominibus magis, quam Deo, acceptus feratur.“ Jacob Carmon, Teutsche Jubel-Rede, S. 113r. Wu¨rttembergische Neben-Stunden, S. 139. 364 Friedrich Andreas Hallbauer urteilt uber die vorzugliche Ausbildung, die Luther ¨ ¨ trotz seiner geringen Herkunft erhalten hat: „diuina autem prouidentia prospectum erat, vt eius adolescentia melioris fidei & eruditionis magistris recte formaretur, cuius virilis aetas vindicandae ecclesiae libertati, caussae tam arduae, destinata fuit.“ (Ders., Lutherus, S. 21). Michael Friedrich Quade, Hil. Ev. II, S. 108a (Oratio Solennis) 365 Vgl. die fur die Jubilaumsschriften charakteristische nuchterne Beschreibung bei ¨ ¨ ¨ Matthias Kortholt, Hil. Ev. II, S. 59a (De Luthero). Caspar Posners Darstellung, die Luthers Lebenswende in Anlehnung an Act. 9 und die Bekehrung des Paulus beschreibt, bildet dagegen die Ausnahme (Ders., De divinitate, S. 16). Jacob Carmon, Teutsche Jubel-Rede, S. 114v-115r. 366 Zu den unterschiedlichen Formen der gegen Luther gerichteten Legendenbildung in der ro¨misch-katholischen Historiographie: Volkserza¨hlung und Reformation, S. 278–294.

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men, ja diabolischen Herkunft Luthers;367 sodann zu der Behauptung, Luthers A¨ußerungen u¨ber das Wesen des Teufels ließen auf seine perso¨nliche Vertrautheit mit dem Teufel schließen,368 und schließlich zu verleumderischen Berichten u¨ber seinen Tod und sein Begra¨bnis, die als Zeugnis fu¨r seinen Unglauben und fu¨r Gottes Mißfallen an Luther herhalten mußten.369 Diese und a¨hnliche Geru¨chte widerlegen die Jubila¨umsschriften mit Korrekturen der historischen U¨berlieferung und mit eigenen Interpretationen der von den Gegnern angefu¨hrten Quellen.370 Sie erbringen Beweise fu¨r Luthers legitime Herkunft und entlarven anhand historischer Berichte von Freunden und Mitarbeitern die Falschmeldungen u¨ber Luthers Tod. Einige Schriftsteller erwa¨hnen die ro¨misch-katholischen Vorwu¨rfe lediglich in summarischen Notizen und weisen sie ohne weitere Widerlegung als unbegru¨ndete Unterstellungen zuru¨ck.371 In der Absicht, Luthers Eignung und legitime Berufung zur Reformation der Kirche zu begru¨nden, wenden sich die Jubila¨umsschriften seinem Charakter und seiner Begabung zu. Dabei nehmen sie einzelne Korrekturen am herrschenden Luther-Bild vor, die in Seckendorfs Luther-Darstellung ein Vorbild hatten und durch die Luther-Kritik in Arnolds Kirchenund Ketzerhistorie notwendig geworden waren, nachdem es fast zwei Jahrhunderte lang eine kritische Bescha¨ftigung mit Luthers Perso¨nlichkeit nicht gegeben hatte.372 367 Dieser Vorwurf wurde bereits zu Luthers Lebzeiten erstmals von Peter Sylvius 1533 gea¨ußert, seine Breitenwirkung verdankt er jedoch Johann Cochla¨us; vgl. Adolf Herte, Die Lutherkommentare, S. 140–145. Wie hartna¨ckig sich diese Geru¨chte hielten, zeigt das Beispiel Maimbourgs. Dessen „Histoire du Lutheranisme“ geho¨rte dank der vollsta¨ndigen Wiedergabe in Seckendorfs „Commentarius historicus et apologeticus“ zu den bekanntesten ro¨misch-katholischen Darstellungen der Reformationsgeschichte im fru¨hen 18. Jahrhundert. Obwohl Maimbourg, der ansonsten ganz in der Tradition der herko¨mmlichen ro¨misch-katholischen Deutung der Reformationsgeschichte stand, keine der Teufelsfabeln u¨ber Luther rezipiert hatte, galten sie den protestantischen Theologen weiterhin als Gemeingut ro¨misch-katholischer Luther-Deutung (vgl. Adolf Herte, Das katholische Lutherbild, S. 174–179). 368 Dieser Vorwurf geht auf Emsers Beschreibung der Leipziger Disputation zuruck; ¨ vgl. Adolf Herte, Lutherkommentare, S. 160 f. 369 Adolf Herte, Lutherkommentare, S. 296 ff. Zu den Luther verunglimpfenden Beschreibungen und Deutungen seines Todes in der ro¨misch-katholischen Historiographie vgl. Rudolf Mohr, Luthers Tod, sowie Volkserza¨hlung und Reformation, S. 293 f. 370 Franz Albert Aepin, Reformationis lutheranae opus, S. 31 f. 371 Gottlieb Samuel Treuer, De caractere animi Lutheri, S. 3 f. 372 Damit soll nicht außer acht gelassen werden, daß es innerhalb des Protestantismus immer Tendenzen zu einer kritischen Bescha¨ftigung mit Luthers Person gab. So zeichnete sich bereits Melanchthons Leichenrede (CR 11, 726–734), genau genommen die erste und viel rezipierte Luther-Biographie, dadurch aus, daß sie perso¨nliche und theologische Schwa¨chen Luthers nicht ausklammerte (vgl. dazu Martin Brecht, Martin Luther. Bd. 3, S. 374). Der große Unterschied zwischen Melanchthons Luther-Kritik und derjenigen Gottfried Arnolds (vgl. Unpartheyische Kirchen- und Ketzerhistorie, XVI, Kap. 527 ff)) besteht in ihrer Wirkung auf das Luther-Bild insgesamt. Fu¨r Melanchthon steht die Autorita¨t Luthers nicht in Frage; er ist im eschatologischen Sinne der letzte der von Gott gesandten

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An erster Stelle werden Luthers herausragende intellektuelle Fa¨higkeiten beleuchtet, durch die er sich bereits wa¨hrend der Schulzeit deutlich von seinen Altersgenossen unterschied373 und die mit seiner fru¨hen Promotion zum Magister der Philosophischen Fakulta¨t der Universita¨t Erfurt o¨ffentlich gewu¨rdigt wurden.374 U¨ber Luther im Kloster heißt es, er habe als der begabteste Mo¨nch seines Ordens u¨berhaupt gegolten, der bald die Aufmerksamkeit des Ordensvikars Staupitz auf sich zog.375 Seine Promotion zum Doktor der Theologie gilt angesichts der hohen Anforderungen an den Promovenden als Ausweis seiner außerordentlichen Fa¨higkeiten und als Lohn fu¨r seinen Fleiß.376 Treuer hebt an Luthers Begabung seine Geistesgegenwart und sein Urteilsvermo¨gen hervor,377 zwei Eigenschaften, die ihn in akademischen Streitigkeiten unbezwingbar gemacht hatten.378 U¨berdies habe sich Luther bei wichtigen Fragen nie zu unu¨berlegten oder u¨berstu¨rzten Urteilen dra¨ngen lassen.379 Sein Urteilsvermo¨gen habe sich bei ihm in schwierigen theologischen und politischen Problemen gleichermaßen bewa¨hrt.380 Zu den Begabungen Luthers za¨hlte schließlich seine rhetorische Virtuosita¨t.381 Treuer erinnert an die Vielfalt von Lu„doctores ecclesiae“, dessen Autorita¨t wie die der Propheten und Aposteln unantastbar ist (vgl. dazu Eike Wolgast, Biographie als Autorita¨tsstiftung, S. 55. 59 f). Arnold bewirkte dagegen die bis dato nicht dagewesene Popularisierung eines kritischen Luther-Bildes, bei dem auch dessen besondere heilsgeschichtliche Deutung und Bedeutung in Frage gestellt wurde. Vgl. die Zusammenstellung der Belege bei Klaus Wetzel, Theologische Kirchengeschichtsschreibung, S. 204 f; zur Luther-Kritik bei Seckendorf: Ernst Walter Zeeden, Martin Luther, Band 1, S. 119 ff. 373 Matthias Kortholt, Hil. Ev. II, S. 58b (De Luthero). 374 Bernhard von Sanden, Predigten, S. 101. 375 Gottfried Meier, De doctoratu, S. 4: „Cum enim in studiis, praecipue sublimioribus scientiis, quibus se assidue applicuerat, ita profecisset, ut tunc pro maxime ingenioso & totius Germania ordinis sui, sc. Augustinianorum, eruditissimo fuerit habitus; Generalis Vicarius, incrementis Academiae Wittebergensis intentus, ad concionandi simulque Philosophiam docendi munus illum evocavit eo . . .“ 376 Gottfried Meier, De doctoratu, S. 7 f. 377 Gottlieb Samuel Treuer, De caractere animi Lutheri, S. 24 f. A ¨ hnlich: Michael Friedrich Quade, Hil. Ev. II, S. 108a (Oratio Solennis). Friedrich Andreas Hallbauer, Lutherus, S. 25. 378 Gottlieb Samuel Treuer, De caractere animi Lutheri, S. 27. 379 Gottlieb Samuel Treuer, De caractere animi Lutheri, S. 26: „Non enim praeceps fuit in judicando, sed tempus sibi sumsit, ad illustranda intellectu suo obiecta, quae videbantur difficultatibus inuoluta. Quum a Caesare in Comitiis Wormatiensis vrgeretur, vt reuocaret sua dogmata, nolebat tam ea Lutherus in re, a qua erat alienissimus, festinante judicio decernere, sed vt attentius posset totam rem peruidere, unius noctis spatium venia Caesaris impetrata tantae rei impendit.“ 380 Gottlieb Samuel Treuer, De caractere animi Lutheri, S. 29 f. Christoph Heinrich Rithmeier, Vorbereitung, S. a4v. 381 Albrecht von Krackewitz, De Luthero, S. 44: „Qvid ergo peccavit Eobanus Hessus , dum ratione facundiae Lutherum praetulit Apostolo Paulo, siqvidem abunde constat, Lutherum singulari eloqventiae dono a` DEO praeditum fuisse.“ Gottlieb Samuel Treuer, De caractere animi Lutheri, S. 12: „Nec minus praestantissimi Lutheri ingenii eximius character fuit grauis et plena dignitatis dicendi facultas. Si quis vmquam bene ornateque dicere, caele-

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thers Sprache, mit der er sich immer wieder auf sein Gegenu¨ber einzustellen wußte: Im Kreis gebildeter Theologen gewann er durch treffsichere Argumentation neue Anha¨nger fu¨r seine Theologie,382 Angriffe seiner Gegner parierte er mit der no¨tigen Scha¨rfe und inhaltlichen Klarheit,383 und als Prediger wußte er selbst ungebildeten Ho¨rern komplizierte theologische Sachverhalte anschaulich zu vermitteln.384 Das Lob Luthers gipfelt in Meiers Feststellung, Freund und Feind ha¨tten ihn gleichermaßen als „miraculum sui aevi“ bestaunt.385 Indessen waren es die negativen Auswu¨chse von Luthers rhetorischer Begabung, das heißt seine bissige Polemik gegen seine Widersacher, mit denen sich die Jubila¨umsschriften auseinandersetzen mußten, weil diese nicht nur das Mißfallen ro¨misch-katholischer, sondern auch protestantischer Kirchenhistoriker erregten.386 Wernsdorf nimmt Luther gegen diesbezu¨gliche Vorwu¨rfe uneingeschra¨nkt in Schutz. Nach seiner Auffassung waren (und sind) gerade polemische Schriften unverzichtbare Mittel bei der Suche nach der theologischen Wahrheit.387 Zu recht habe Luther stis veritatis pondera rationesque ostendere, mores praeferre amabiles, adfectusque pro re nata excitare aut sedare potuit, profecto sine dubio is fuit Thaumasiander noster Martinus Lutherus.“ 382 Gottlieb Samuel Treuer, De caractere animi Lutheri, S. 27 f. 383 Gottlieb Samuel Treuer, De caractere animi Lutheri, S. 21 f. Martin Chladenius, Solennia doctorvm, a4v. 384 Friedrich Andreas Hallbauer, Lutherus, S. 42: „Atque hoc ipsum est, quod exemplo Lvtheri edocemur. illius enim vis ingenii quum acerrima esset & in primis ad eloquentiam idonea; his aliisque oratoriis subsidiis adhibitis: ad eam dicendi facultatem & maiestatem surrexit, vt ipsius Ciceronis aut Demosthenis suadae palmam dubiam redderet.“ Gottlieb Samuel Treuer, De caractere animi Lutheri, S. 21 f. 385 Gottfried Meier, De doctoratu, S. 5 f. Dort heißt es uber die von Freunden und Geg¨ nern gleichermaßen anerkannten Begabungen Luthers: „Incomparabiles sc. ingenii & virtutis, quae in isto conspicuae fuerant dotes, tantae profecto, ut ipsimet ejus adversarii, omnia ceteroquin nefandissimis conspurcantes mendaciis, inficiari non potuerint, quin Lutherus fuit miraculum sui aevi.“ A¨hnlich: Jacob Carmon, Teutsche Jubel-Rede, S. 107v. 386 Große Wirkung zeitigte im Kontext des Jubilaums eine an sich wenig bedeutende ¨ Schrift mit dem Titel „Lutherus ante Lutheranismum“, die Karl Bernhard Peter unter dem Pseudonym Jeremias Heraclitus Christianus erstmals 1702 vero¨ffentlicht hatte, und die in den folgenden Jahren verschiedene Neuauflagen erlebt hatte. Auf reichlich zweihundert Seiten versta¨rkte sie die von Gottfried Arnold angeregte Luther-Kritik und forderte die rechtgla¨ubigen Lutheraner zur Stellungnahme heraus. So wie beispielsweise Albrecht von Krackewitz, dessen eine Jubila¨umsschrift ausschließlich der Widerlegung von Arnold und Christianus gewidmet war. Und Jo. Christian Neu bekennt ausdru¨cklich, er sehe eher Arnold als die Vertreter der ro¨misch-katholischen Kirche als seinen theologischen Gegner an: „Nos interim non tam in Pontificiis, Lutheri hostibus, quam potius in Arnoldo miramur, quod is in Historia Haeresium elogium hoc [die Anerkennung Luthers als tertius Elias] Luthero invidet.“ (Vgl. Wu¨rttembergische Neben-Stunden, S. 196). 387 Gottlieb Wernsdorf, Jubel-Groschen, S. 27: „Er machte es nicht / wie einige seltsame Heiligen / die von keinen Disputationen oder Controversien was ho¨ren wollen . . . Er wuste nehmlich / daß sich reine Lehre eben so wenig ohne Disputiren und Streit-Schrifften / als etwa die gemeine Ruhe ohne Krieg und Waffen / erhalten la¨sset: Daher stritte / predigte / schrieb / und disputirte Er wider alle Feinde der go¨ttlichen Wahrheit . . .“.

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selbst sich mit dem Hinweis auf Jesus und die Apostel verteidigt, die mit heftigen Attacken gegen ihre Gegner vorgegangen seien, wo es no¨tig war.388 Zudem habe Luther die Erfahrung machen mu¨ssen, „daß Glimpff und Bescheidenheit dann und wann die Feinde nur trotziger und u¨bermu¨thiger mache.“389 A¨hnlich bewertet von Krackewitz die rhetorischen Entgleisungen Luthers. Er erkla¨rt, mo¨glicherweise habe Luther bisweilen den falschen Ton angeschlagen, doch habe er das durch seine positiven Gaben und deren Fru¨chte ausgeglichen. Zudem mu¨sse man ihm zugutehalten, daß er die ihm angelasteten Fehler im Dienste der Wahrheit begangen habe.390 So verteidigen ihn zwei Verfasser, die sich selbst der Polemik und der Kontroverstheologie verpflichtet fu¨hlen. Gleichwohl gab es auch Stimmen, die der Kritik an Luther nicht widersprachen, sondern in Rechnung stellten, daß Luther selbst sich seiner Schwa¨che bewußt gewesen sei.391 So erkla¨rt Buddeus, die Kritik an der Art und Weise, wie Luther und seine Mitstreiter bisweilen ihre Ansichten vertreten ha¨tten, sei grundsa¨tzlich berechtigt,392 sie lenke aber zugleich von den eigentlichen Anliegen Luthers und seiner Mitarbeiter ab.393 Perso¨nliche Schwa¨chen Luthers du¨rfen nicht einfach die Verurteilung seiner Lehre nach sich ziehen. Da von keinem Gla¨ubigen Fehler-, geschweige denn Su¨ndlosigkeit verlangt werden kann, muß dieser Maßstab auch bei der Beurteilung Luthers beru¨cksichtigt werden. Perso¨nliche Schwa¨chen erlauben keinen Ru¨ckschluß auf die von Luther vertretenen geistlichen Wahrheiten.394 Im Gegenteil: Gott hatte sich auch in den Zeiten der Reformation, wie zu allen Zeiten, fehlbarer und su¨ndhafter Menschen bedient, um sein Werk durchzusetzen – an Wu¨rde oder Wahrheit bu¨ßte es dadurch nie etwas ein.395 Diese Bereitschaft zur Luther-Kritik ist auf 388 Albrecht von Krackewitz, De Luthero, S. 61. Bernhard von Sanden, Predigten, S. 115 f. 389 Gottlieb Wernsdorf, Jubel-Groschen, S. 33. Mit ganz ahnlichen Argumenten ent¨ schuldigt May Luthers Schrift gegen Heinrich VIII. (Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 243). Justus Christoph Bo¨hmer, Fasces academici, S. 106. 390 Albrecht von Krackewitz, De Luthero, S. 61. Mit der gleichen Selbstverstandlichkeit ¨ weist Chladenius die ro¨misch-katholische Kritik an Luthers Zornesausbru¨chen in schriftlichen und mu¨ndlichen A¨ußerungen zuru¨ck: „Ut irarum plenus esset, causas habuit praegnantissimas, quarum prima & praecipua fuit studium & zelus divini honoris ac veritatis coelestis.“ (Ders., De methodo Evangelicorum, S. 48). 391 Gottlieb Samuel Treuer, De caractere animi Lutheri, S. 31 f. Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 218 f. 392 Johann Franz Buddeus, Collectio nova epistolarvm Lvtheri, c2v: Buddeus erinnert hier an das große Gottvertrauen, mit dem Luther sich in den Kampf gegen die ro¨misch-katholische Kirche begab, und warnt dennoch vor unkritischer Rezeption Luthers. Trotz seines Glaubens sei auch er, gerade auch was den Umgang mit anderen Menschen anging, nicht fehlerlos gewesen. 393 Johann Franz Buddeus, Divinae providentiae, S. 17 f. 394 Johann Franz Buddeus, Divinae providentiae, S. 19. Justus Christoph Bo ¨ hmer, Fasces academici, S. 106. 395 Johann Franz Buddeus, Divinae providentiae, S. 20: „Propterea non est mirandum,

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evangelischer Seite, aufs Ganze betrachtet, gering. Es fehlt an Versta¨ndnis dafu¨r, wie verletzend und ungerecht Luther tatsa¨chlich mit vielen seiner Gegner verfuhr. Die einzigen wirklich kritisch beurteilten Schriften sind diejenigen gegen Heinrich VIII., wa¨hrend andere polemische Schriften ohne Kritik zitiert werden. Zu Luthers bissiger Schrift „Wider das Papsttum zu Rom“ erkla¨rt selbst Buddeus, sie geho¨re zu den besten Schriften Luthers u¨berhaupt.396 Luther hat durch sein frommes Vorbild genauso gewirkt wie durch seine Schriften und Predigten.397 Fu¨r seinen unerschu¨tterlichen Glaubensmut ziehen die Autoren vornehmlich Beispiele aus den ersten Jahren der Reformation heran,398 so zum Beispiel die Begegnung mit Cajetan im Jahre 1518 und sein Auftreten vor dem Wormser Reichstag im Jahre 1521. In beiden Fa¨llen gilt das Hauptaugenmerk dem Mut und der Entschlossenheit Luthers, wa¨hrend die verhandelten theologischen Fragen unbeachtet bleiben. In keiner Schilderung des Verho¨rs durch Cajetan fehlt Luthers trotzige Replik, im Falle seiner Verurteilung und Vertreibung aus Kur-

in organis, quibus ad ecclesiam repurgandam vsus est Deus, animaduerti similia, Lutherum speciatim, illorum temporum superstitione deceptum, naeuos admisisse initio, quos postea damnarit: egisse, dixisse eitam talia nonnunquam, quae temperamento & naturalibus propensionibus nondum plane superatis & coercitis imputanda censeres. Absit autem vt ideo explodamus falsissime Lutheri quaeuis gesta, vel illum diuino instinctu emendasse ecclesiam, & Christi regno amplificando intentum fuisse, negemus.“ Ganz a¨hnlich heißt es bei Johann Wolfgang Iaeger, Wirtembergiae lvtheranae laetae candor, S. 12: „Miramur pontificios non erubescere, tot tantisque convitiis lacerare divinae illius reformationis instrumentum, B. LUTHERUM nostrum, atque a moribus hujus ad ipsius doctrinae & ecclesiae nostrae concludere, non dubitare.“ 396 Johann Franz Buddeus, Ivdicivm, S. 24. Gemeint ist Luthers Schrift „Wider das Papsttum zu Rom, vom Teufel gestiftet“ aus dem Jahr 1545 (WA 54, S. 206–299), die, anders als es ihre Bewertung bei Buddeus vermuten ließe, voll wu¨ster Angriffe gegen das Papsttum ist und auch in der sachlichen Auseinandersetzung mit dem Papsttum nicht die Ho¨he anderer Luther-Schriften erreicht; dazu: Martin Brecht, Martin Luther, Band 3, S. 353 ff. 397 Christoph Heinrich Rithmeier, Vorbereitung, S. b1r: „Wie nun an Ihm solcher gestalt / in Gaben und Erka¨ntniß / in Worten / Leben und Thaten / ein vortrefflich Muster eines Evangelischen Lehrers und wahren Christen sich befunden / also haben daher auch seine Widersacher selbst / der Wahrheit hierunter mu¨ssen Zeugniß geben / und ihm ein warhafftes wolverdientes Zeugnis beygeleget.“ Michael Friedrich Quade, Hil. Ev. II, S. 108a (Oratio Solennis), Valentin Ernst Lo¨scher, Jubel-Predigten, S. 45 f. 398 Martin Chladenius, Das Unschuldige Frolocken, S. 12 f: „Da ists nicht vor eine geringe Glu¨ckseligkeit zu achten / daß der HErr selbst LUTHERO zur Seiten gestanden / wie dort Paulo / und ihm bey o¨ffentlicher Beka¨nntniß des Evangelii einen Muth eingesprochen / daß Er so wohl ihn als andere tapffere Lehrer ausgeru¨stet / welche die Schande der falschen Kirchen entdecket / und die Tru¨gereyen der Menschen-Satzungen ans TagesLicht gebracht haben / und dabey sich nicht gescheuet / Noth und Tod / Ketten und Bande / und alles Ungemach zu erwarten / auch theils wu¨rcklich zu erdulden / und u¨ber sich zu nehmen.“ Johann Franz Buddeus, Collectio Nova Epistolarvm Lvtheri, c2v. Gottlieb Wernsdorf, Jubel-Groschen, S. 33 f. Christoph Heinrich Rithmeier, Prophetische JubelFreude, S. 23 f.

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sachsen, werde er doch weiterhin „unter dem Himmel“ bleiben ko¨nnen.399 Von der Reise zum Reichstag nach Worms wird seine Bemerkung zitiert, er wolle selbst dann nach Worms ziehen, wenn dort so viele Teufel wie Ziegel auf den Da¨chern sein sollten.400 Vom Reichstag selbst werden Luthers Bekenntnis zu seinen Schriften, die Verweigerung des Widerrufs, sowie die Anrufung Gottes angefu¨hrt.401 Neben diesen bekannten Beispielen finden sich als weitere Belege fu¨r Luthers Mut die Verbrennung der pa¨pstlichen Bannandrohungs-Bulle im Dezember 1520,402 die Berufung auf den Rat des Gamaliel wa¨hrend der Verhandlungen auf dem Wormser Reichstag,403 Luthers Brief an Friedrich den Weisen, in dem er am 5. Ma¨rz 1522 seine Ru¨ckkehr nach Wittenberg anku¨ndigte404 oder seine Schriften gegen das Papsttum insgesamt.405 Als besonderes Zeugnis seines Glaubensmuts dient das Lied „Ein feste Burg“, dessen Abfassung in den Kontext des Wormser Reichstags von 1521 datiert wird.406 Als Aufruf

Martin Luther, TR 5, Nr. 5349, S. 79, 12 f und WA 54, 181, 20–30. Zitiert bei Aepin, Reformationis lutheranae opus, S. 12. Laurent. Joh. Frid. Dihn, Lutherana religio, a2v; Christoph Heinrich Rithmeier, Prophetische Jubel-Freude, S. 25. 401 Exemplarisch fur viele andere Belege sei hier genannt: Martin Chladenius, De Israe¨ lis in sua religione constantia, S. 28: „Uti vero Israelitae non solum in vera Religione perstiterunt, sed et publice eam confessi sunt, ita cuilibet Christiano homini non solum incumbit, ut Deum suum recte colat, sed et ut publice Eum, si necessitas exigat, profiteatur, juxta monitum Christi Mat. X. 32.33 et Apostoli Petri I Epist. III15. Praeclarum hac in re exemplum habemus in B[eato] Luthero nostro, qui uti erat animo plane heroico, Spirituque imperterrito praeditus, ita coram Imperatore, Electoribus, Principibus reliquisque imperii statibus, ut et multis Episcopis plus simplice vice doctrinam suam publicae confessus est, et contra intentatam vim minasque Potentum propugnavit. Id quod imprimis in Comitiis Wormatiensibus fecit, ubi cum adversarii eum vehementer urgerent, tamen ne latum unquem cessit a veritate Evangelica, sed eam fortiter ore et calamo defendit, et coram omni Imperialium Procerum consessu suum sermonem his notatu dignissimis verbis finiit: Hier stehe ich / ich kan nicht weiter GOtt helffe mir Amen. Hunc virum, quem in doctrina sequi volumus, ut etiam in vita, fideque imitemur, omnino optandum est.“ 402 Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 330: „Inter heroica Lutheri facta merito refertur combustio Antichristianarum Decretalium, cum Leonis X. bulla adversum ipsum promulgata . . .“. Sehr viel kritischer beurteilt Gottlieb Samuel Treuer, Die Fehler des Pa¨pstlichen Hofes, S. 122 diesen Vorgang: die Verbrennung der pa¨pstlichen Bulle sei keine heroische Tat, sondern Ausdruck fu¨r Luthers cholerische Veranlagung gewesen. 403 Zitiert bei: Franz Albert Aepin, Reformationis lutheranae opus, S. 23. Matthias Kortholt, Hil. Ev. II, S. 68a (De Luthero); die Belege bei Luther vgl. S. 187, Anm. 318. 404 WA Br. 2, 455. Zitiert bei: Laurent. Joh. Frid. Dihn, Lutherana religio, b3r; Johann Daniel Herrnschmid, Predigt, S. 73; Christoph Heinrich Rithmeier, Prophetische JubelFreude, S. 24. 405 Johann Franz Buddeus, Ivdicivm, S. 24 f. 406 Johann Caspar Haferung, Gedachtnuß der Wunder Gottes, S. 40 f.; Martin Chla¨ ¨ denius, Das Unschuldige Frolocken, S. 31 ff; Bernhard von Sanden, Predigten, S. 110; Christoph Heinrich Rithmeier, Prophetische Jubel-Freude, S. 26. Gegen die Datierung in den Zeitraum des Wormser Reichstags spricht sich Wernsdorf aus, nach dessen Auffassung das Lied im Zusammenhang mit dem Augsburger Reichstag 1530 entstanden ist (Gottlieb Wernsdorf, De progressu, S. 47). Daß entgegen der Intention Luthers weniger die Anfechtung des Menschen und statt dessen der heroische Glaubensmut als Skopus des Liedes an399 400

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an das zeitgeno¨ssische Luthertums zu einem standfesten Glauben hat es einen festen Platz sowohl in historischen Darstellungen als auch in den meisten Gottesdienstformularen der Jubelfeier.407 Angesichts dieses mutigen Auftretens ist es keine Frage, ob Luther auch die letzte Probe seines Glaubensmutes, das Martyrium, tapfer erlitten ha¨tte, wenn sie ihm beschieden gewesen wa¨re. Denn wenn es auch nicht dem go¨ttlichen Plan fu¨r sein Werk entsprochen habe, das Martyrium zu erleiden, so hatte er doch in den mannigfachen Anfeindungen in den Jahrzehnten der Reformation alle Eigenschaften eines Ma¨rtyrers gezeigt und dem Tod als Ma¨rtyrer mutig entgegengesehen.408 In der schwierigen Situation, in der sich der Protestantismus 1717 mancherorts befand, ist es versta¨ndlich, daß Chladenius seinen Predigtho¨rern Luthers Bereitschaft zum Martyrium als Vorbild vor Augen stellte.409 Der letzte Wesenszug, an den die Jubila¨umsschriften erinnern, ist Luthers perso¨nliche Fro¨mmigkeit, die ihn bereits als Student ausgezeichnet habe und ihm in allen Anfechtungen bewahrt blieb.410 Ausdru¨cklich nennen sie Luthers Gebetspraxis, die in der Geschichte der Christenheit nicht

gesehen wurden, entspricht wenn auch nicht den Intentionen Luthers, so doch der allgemein verbreiteten Deutung des Liedes im 17. und fru¨hen 18. Jahrhundert; vgl. Ernst Rohmer, Martin Luthers Lieder im 17. Jahrhundert, S. 582 ff. Neben dem gottesdienstlichen Gebrauch des Liedes weist die ha¨ufige Verwendung von Psalm 46, der als Vorlage fu¨r Luthers Lied galt, auf die Bedeutung dieses Motivs im Rahmen der Jubelfeiern. 407 Damit durfte gerade das Reformationsjubilaum von 1717 zu der rezeptions¨ ¨ geschichtlichen Verschiebung des Liedes beigetragen haben, die sich zu Beginn des 18. Jahrhunderts vollzog (Vgl. Reinhart Staats, „Ein feste Burg ist unser Gott“, Sp. 125 f.). Wurde es bis ins ausgehende 17. Jahrhundert als de-tempore-Lied den ersten Sonntagen der Passionszeit (Invocavit, Reminiscere, Oculi) zugeordnet (vgl. Ernst Rohmer, Martin Luthers Lied, S. 68 f), so geho¨rt es 1717 zu den Liedern, die im Zusammenhang der Reformationsjubelfeiern am ha¨ufigsten gesungen wurden. Wie die Untersuchung von Peter Busch „Ausfu¨hrliche Historie und Erkla¨rung des Helden-Liedes Lutheri“ aus dem Jahre 1730 zeigt, entspricht die herausragende Stellung dieses Liedes ebenso dessen zeitgeno¨ssischem Versta¨ndnis, wie die Deutung als Heldenlied und Sinnbild fu¨r Luthers perso¨nlichen Mut als solchen; ebenso ist fu¨r Busch die Zuordnung des Liedes zum Reformationsfest ga¨nzlich unstrittig. 408 Martin Chladenius, in: Justus Schoepffer, Lutherus non combustus, Vorrede a3r: „Martyrem quidem cruentum noluit eum esse divina sapientia, tametsi spineam martyrii coronam cum Christo non defugeret. Fecit tamen, quod martyrem decebat, et, si martyrem non egit sanguinem profundendo, egit tamen spirtitus, virtute, promtitudine moriendi, et constantia consistendi.“ Gottlieb Samuel Treuer, De caractere animi Lutheri, S. 32 f. 409 Martin Chladenius, Unschuldiges Frolocken, S. 44: „Demnach / meine Lieben / folget dem Exempel dieser theuren und seligen Va¨ter / und laßt euch gefallen / auch nach einem solchen Helden-Muth zu trachten!“; Johann Caspar Haferung, Geda¨chtnu¨ß der Wunder Gottes, S. 42. Ganz a¨hnlich lautet der Aufruf Johann Caspar Haferungs: „So laßet uns auch von dem Seeligen Manne lernen / besta¨ndig an GOttes Worte zu kleben / so werden wir auch in solchen Anfechtungen unu¨berwindlich seyn / und das Reich erhalten.“ (Ders., Geda¨chtnu¨ß der Wunder Gottes, S. 54). 410 Friedrich Andreas Hallbauer, Lutherus, S. 24 f.

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ihresgleichen hatte.411 Nach Auskunft Veit Dietrichs habe er bis zu drei Stunden seines Tages im Gebet verbracht und gerade dadurch einen wesentlichen Beitrag zum Gelingen der Reformation geleistet.412 Gleichzeitig ermunterte er seine Zeitgenossen in Schriften und perso¨nlichen Ermahnungen zum vertrauensvollen Gebet und leistete dadurch mehr fu¨r die Christenheit, als alle in der ro¨misch-katholischen Kirche verehrten Heiligen.413 A¨hnlich intensiv war seine Liebe zur Heiligen Schrift, die er bereits als junger Mo¨nch studiert und aus der er zeitlebens Kraft fu¨r seinen Glauben gescho¨pft habe. Unterstellungen, Luther habe einem zu¨gellosen, schwelgerischen Lebenswandels gefro¨nt, weisen die Jubila¨umsschriften dagegen kategorisch zuru¨ck. Kortholt erkla¨rt, Luther sei stets ein maßvoller Mann gewesen, den keine „vagae libidines“ umgetrieben ha¨tten,414 und von Krackewitz widerspricht der pietistisch-schwa¨rmerischen Abkehr von allen weltlichen Genu¨ssen, zu denen der Genuß des von Gott geschenkten Essens und Trinkens und die Pflege geselliger Versammlungen ebenso geho¨rten wie ko¨rperliche U¨bungen und Spiele zur Leibesertu¨chtigung. U¨ber maßlose Exzesse allerdings habe Luther sich kritisch gea¨ußert und sich allezeit davon ferngehalten.415 Insgesamt pra¨sentieren die Jubila¨umsschriften Luther als den von Gott berufenen Reformator der Kirche, dessen vielfa¨ltige Begabungen und perso¨nliche Eigenschaften von der Legitimita¨t seiner go¨ttlichen Sendung zeugen. Versta¨rkt werden diese Hinweise durch den Aufweis der perso¨nlichen Fro¨mmigkeit und des festen Glaubens, in dem Luther selbst gestanden hat. Es ist gerade dieser Zusammenklang von richtigen theologischen U¨berzeugungen, der perso¨nlichen Fro¨mmigkeit und dem Luther bei seiner Reformation beschiedenen Erfolg, die ihn in als von Gott berufenen Reformator erkennbar machen.416 Als Person, geschweige denn als Perso¨n-

Martin Chladenius, Das Unschuldige Frolocken, S. 16. Vgl. Joachim Justus Breithaupt, Hil. Ev. II, S. 40a. (Oratio secvlaris). Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 335 f. Gottlieb Samuel Treuer, De caractere animi Lutheri, S. 37. Die Bedeutung des Gebets fu¨r Luthers Lehre und dessen Gebetspraxis schildert Martin Brecht, „und willst das Beten von uns han“; ebenso Gerhard Ebeling, Beten, der zudem auf die Rezeption von Luthers Gebetspraxis durch Veit Dietrich eingeht (ebd., S. 154 f). 413 Martin Chladenius, Das Unschuldige Frolocken, S. 16. 414 Matthias Kortholt, Hil. Ev. II, S. 72b (De Luthero). 415 Albrecht von Krackewitz, De Luthero, S. 62–65. Gottlieb Samuel Treuer, De caractere animi Lutheri, S. 38: „At circa corpus Lutheri temperantia ipsius actiones moderabatur. Ita plerumque edebat, ita plerumque, vt cibi condimentum fames esset, potionis vero sitis. Temperantia Lutheri vagis porro libidinibus semper inimica fuit.“ 416 Dieses war bereits die Funktion der ersten Luther-Biographien, uber die Eike Wol¨ gast feststellt: „Wichtig ist nicht das Leben in isolierter Sicht, sondern die Verbindung von Leben und Lehre. Die Richtigkeit der Lehre soll aus der Vorbildlichkeit des Lebens belegt und gestu¨tzt werden; die bedeutendste Funktion der Lebensbeschreibung liegt in dem 411

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lichkeit, kommt Luther dabei nicht zur Geltung; diese tritt hinter sein Werk zuru¨ck, so wie das Werk auf Gott verweist, der Luther dazu berufen hatte.417 b) Die vocatio Lutheri Luthers Legitimita¨t als Reformator wurde nicht nur durch Angriffe gegen seine Person, sondern auch mit theologischen Argumenten bestritten. Dabei verfochten ro¨misch-katholische Theologen die These, Luther habe sich zwar fu¨r seine Verku¨ndigung und Sakramentsverwaltung, nicht aber fu¨r seine Reformation auf eine rechtma¨ßige Berufung durch die Kirche stu¨tzen ko¨nnen. Andere stellten Luthers Legitimita¨t als Lehrer und Reformator in Frage, da er in keines seiner kirchlichen A¨mter in der vorgeschriebenen Form eingefu¨hrt worden sei. Auch die Tatsache, daß Luther nicht von der ro¨misch-katholischen Kirche zu einer Reformation berufen gewesen sein konnte, galt als Argument gegen die Legitimita¨t seines Amtes.418 Weil mit dieser Infragestellung der vocatio Lutheri die Legitimita¨t der gesamten Reformation zur Debatte stand, widmen sich die Jubila¨umsschriften diesem Thema ausfu¨hrlich. Dazu entfalten sie ihr Versta¨ndnis von der „vocatio Lutheri“,419 bei dem im Unterschied zum Jubila¨um von 1617 die Frage einer „vocatio immediata“ Luthers nur am Rande zur Sprache kommt; da Luther selbst eine solche „vocatio immediata“ nie fu¨r sich in Anspruch genommen habe, du¨rfe dieser Aspekt unberu¨cksichtigt

Nachweis, daß das Leben die Lehre legitimiert und umgekehrt.“ (Ders., Biographie als Autorita¨tsstiftung, S. 41). So auch Ernst Walter Zeeden, Martin Luther I, S. 23. 417 Zu den Ursprungen dieses allein auf das Werk Luthers und Gottes Wirken durch ihn ¨ konzentrierte Luther-Bild vgl. Robert Kolb, Umgestaltung und theologische Bedeutung des Lutherbildes, S. 202 ff. Das von Zeeden konstatierte neu aufgekommene Interesse an der Perso¨nlichkeit Luthers, das Seckendorfs „Historia Lutheranismi“ hervorgerufen habe (Ernst Walter Zeeden, Martin Luther, Band 1, S. 117 ff), macht sich trotz der ansonsten großen Bedeutung von Seckendorfs Werk fu¨r das Luther-Bild der Jubila¨umsschriften nur vereinzelt bemerkbar. 418 Eine Zusammenstellung der romisch-katholischen polemischen Argumente gegen die ¨ legitime Berufung Luthers findet sich bei Johann Andreas Quenstedt, Theologia didactico-polemica, Pars quarta, S. 1515–1519. Johann Christoph Pfaff hat die Menge der gegen Luthers legitime Berufung vorgebrachten Argumente mit den Worten zusammengefaßt: „ne Lutherum quidem rite s. per ordinariam potestatem fuisse vocatum, ordinariam enim potestatem ad aliud non vocare, qvam quod ordinarie & continue ante in Ecclesiam doctum fuit.“ (Ders., Articuli XXI, S. 15 f). 419 Bei diesem Begriff handelt es sich um einen Topos, der im fruhen 17. Jahrhundert ¨ zum festen Bestandteil der orthodoxen Luther-Deutung wurde (Heinrich Bornkamm, Luther im Spiegel, S. 14). Zu den am weitesten verbreiteten Ausfu¨hrungen za¨hlte Johann Gerhards Abschnitt „De vocatione beati Lutheri“ (Ders., Loci Theologici, VI, 8); vgl. Walter Mostert, Art. „Luther III“, in: TRE 21, S. 568.

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bleiben.420 Damit grenzen sie sich von Gottfried Arnold ab, demzufolge Luther sich fu¨r seinen reformatorischen Dienst neben der vocatio mediata durch die Kirche auf eine vocatio immediata habe berufen ko¨nnen.421 Dieser Meinung des mystischen Spiritualismus widersprechen die Jubila¨umsschriften, indem sie sich bei ihren Darstellungen auf die legitime, der kirchlichen Ordnung gema¨ße Berufung Luthers durch die dazu legitimierten kirchlichen Institutionen beschra¨nken, da auch Luther selbst immer nur auf diese rekurriert habe.422 Die vocatio mediata kam in den drei kirchlichen Berufungen zum Ausdruck, die Luther in seinem Leben erfahren hat: die Priesterweihe (1507), die Ernennung zum Professor (1508) und die Promotion zum Doktor der Theologie (1512). Wenn die Jubila¨umsschriften auf die vocatio Lutheri zu sprechen kommen, nennen sie diese drei Berufungen nebeneinander, obwohl sie ausfu¨hrlicher nur auf seine Promotion eingehen.423 Die Promoti-

420 Hans-Jurgen Scho ¨ nsta¨dt, Antichrist, Weltheilsgeschehen und Gottes Werkzeug, ¨ S. 293 ff berichtet von den verschiedenen Ansa¨tzen in den Jubila¨umsschriften von 1617, Luthers vocatio immediata zu belegen. Daß es sich bei der Frage nicht allein um ein theologisches, vielmehr auch um ein kirchenrechtliches Problem handelte, dem sich die Juristen des 17. Jahrhunderts immer wieder zugewandt haben, verdeutlicht Martin Heckel, Kirche und Staat, S. 144 f. 421 Gottfried Arnold, Unpartheyische Kirchen- und Ketzerhistorie, Th. II, B. XVI, Kap. 5, Nr. 11: „Jetzund ist zu mercken, daß so wol insgemein denen Reformatoribus, Luthero, Zwinglio und andern ein apostolischer beruff zuerkannt werde: als auch insonderheit Luthero ein unmittelbares eingeben, trieb oder go¨ttliche erinnerung beygeleget werde: darauff er erst durch das wort beruffen worden.“ Eine Auffassung, die Arnold wenig spa¨ter gegen die Vertreter einer ausschließlichen vocatio mediata wiederholt: „Inzwischen ist wol dieses gewiß, daß Lutherus selber im anfang, und ehe es zum widerspruch und disputiren wider Carlstadt und andere kommen ist, das geschriebene wort Gottes zwar hoch geachtet und gebrauchet, aber auch diejenige krafft des Geistes und erleuchtung genossen und geru¨hmet, welche ihm in particular-punckten und sonderbaren fa¨llen eine regel und gewißheit gaben.“ (ebd.). 422 Ausdruckliche Kritik an Arnolds Rede von der vocatio immediata Luthers uben: ¨ ¨ Franz Albert Aepin, Reformationis lutheranae opus, S. 25 und Albrecht von Krackewitz, De Luthero, S. 38. Zu Luthers eigenem Versta¨ndnis seiner Berufung, das sich im Kern auf die kirchlichen Beauftragungen gru¨ndete: Karl Holl, Luthers Urteile u¨ber sich selbst, S. 392 f. 423 Caspar Posner, De divinitate, S. 17: „Ne vero hoc Dei iniussu facere, atque currere, antequam missus est, existimaretur; tria Numinis, partim ad sacerdotium, partim ad professoris theologi functionem, partim etiam ad Doctoris negotia, eum vocantis, imperia accedebant: quibus ad literas & doctrinas diuinas, a seculi sui abusibus vindicandas, obligari se atque impelli, haud immerito colligebat.“ Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 191; Heinrich Lysius, De miraculorum defectu, S. 26; Franz Albert Aepin, Reformationis lutheranae opus, S. 25; Bernhard von Sanden, Unterricht, Frage 31. Die Konzentration auf das Doktorat Luthers erkla¨rt sich zum einen daraus, daß Luther selbst sich vornehmlich auf seine Berufung zum Doktor der Heiligen Schrift bezogen hatte, um seinen Beitrag zur Reformation zu legitimieren oder sich in Zeiten der Anfechtung der Rechtma¨ßigkeit seines Tuns zu vergewissern. Vgl. zum Wandel von Luthers Versta¨ndnis seines Doktorats und die Zusammenstellung der wesentlichen A¨ußerungen Luthers zu seinem Selbstversta¨ndnis als Doktor der Theologie Steinleins Untersuchung, Luthers Doktorat,

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on gilt a¨ußerlich als Wu¨rdigung der Begabung Luthers, die in den Jahren seines Klosterlebens zutage getreten war,424 deren Begleitumsta¨nde jedoch bereits auf das besondere Werk hinwiesen, das Gott mit Luther beabsichtigt habe.425 Zu diesen Begleitumsta¨nden za¨hlt Luthers urspru¨nglich ablehnende Haltung angesichts der ihm angetragenen Wu¨rde; im Gegensatz zu vielen Gelehrten seiner Zeit sei Luther einzig auf Dra¨ngen seiner geistlichen und weltlichen Vorgesetzten und nicht aus eigenem Ehrgeiz promoviert worden.426 Diese Argumente, mit denen ihn Staupitz schließlich zur Annahme des Doktorgrades bewegte, deuteten zugleich das Reformationswerk an, zu dem Gott Luther mittels der Promotion berief: Luthers Einwand, er sei zu jung, hatte Staupitz mit dem Argument zuru¨ckgewiesen, zur gegenwa¨rtigen Zeit beno¨tige Gott gerade junge Theologen; Luthers Hinweis auf seine schwache Gesundheit hatte Staupitz mit der Bemerkung quittiert, Gott bedu¨rfe auch im Himmel guter Doktoren; und Luthers Sorge wegen der anfallenden hohen Kosten war von Staupitz ausgera¨umt worden, indem er Friedrich den Weisen bat, diese zu u¨bernehmen.427 An der Promotion selbst interessieren vornehmlich die a¨ußeren Umsta¨nde: ließ sich na¨mlich fu¨r Luthers Promotion die Einhaltung der in der Kirche u¨blichen Form nachweisen, konnte deren Legitimita¨t nicht bestritten werden.428 So wie die Vorgeschichte der Promotion Luther als wu¨rdigen Kandidat ausweist, der die notwendige Unterstu¨tzung seines Ordens und seines Landesherrn genoß, belegt Meier anhand der Auszu¨ge aus dem Dekanatsbuch der Theologischen Fakulta¨t Wittenberg, daß die von Kaiser und Papst mit dem Promotionsrecht versehene Universita¨t Wittenberg Luther seinen Dr.-Titel verliehen hatte.429 Strittig ist nur die Frage, sowie: Karl Holl, Luthers Urteile u¨ber sich selbst, S. 393. Außerdem gilt den Jubila¨umsschriften Luthers Berufung zum Doktor der Theologie als der umfassende Ausdruck seiner legitimen Berufung zum Dienst am Wort Gottes (Johann Christoph Pfaff, Articuli XXI, S. 16). 424 Gottfried Meier, De doctoratu, S. 7. Martin Chladenius, Solennia doctorvm, a2r. 425 Martin Chladenius, Solennia doctorum, a1v: „Doctoratus MARTINI LUTHERI sicut in oculis superficiem rei spectantibus, parum quod mirentur, ostentat, ita si quis de negotio toto exquisitius atque curatius cogitet, admodum memorabilis est, ac nomine quidem non uno. Namque & tempus , & auspicia , & modus , eventusque ita se habuerunt, ut intuenti aliquam admirationem divinae providentiae, ejusque singularis, conciliare possint.“ 426 Martin Chladenius, Solennia Doctorum, a2r: „His arietibus tandem expulsis Lvtherus resistere non potuit, sed obsequii, quod Deo, Principi & Superioribus debebat, probe memor, ad tantam rem se accinxit . . .“. Gottlieb Samuel Treuer, De caractere animi Lutheri, S. 42: „. . . Lutherus doctor Theologiae publice creatur, verum hoc titulo iussu superiorum onerari se magis quam ornari existimauit.“ Vgl. Johann Christoph Pfaff, Articuli XXI, S. 16. 427 Martin Chladenius, Solennia doctorum, a2r. 428 Johann Christoph Pfaff, Articuli XXI, S. 16: „At ordinarium proprie id est, non quod inveterata consuetudine, qualiscunque ea fit, publice receptum est, sed id potius, quod ordini primitus ac divinitus instituto est consentaneum.“ 429 Gottfried Meier, De doctoratu, S. 7.

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wie der von Luther abgelegte Eid zu verstehen sei, das heißt, ob Luther sich zurecht auf seinen Doktorat berufen hatte, als er seinen Kampf gegen die ro¨misch-katholische Kirche begann. Der Doktoreid enthielt na¨mlich das geforderte Versprechen: „. . . [quod] vanas, peregrinas doctrinas ab ecclesia damnatas et piarum aurium offensivas non dogmatisabo . . .“430 und die Verpflichtung zum Gehorsam gegenu¨ber der ro¨mischen Kirche.431 Lysius konstatiert, Luther sei gerade durch den Eid zur Reformation verpflichtet worden, weil er so erst die Voraussetzungen schaffen konnte, um seinen eigentlichen Auftrag der Wortverku¨ndigung und Sakramentsverwaltung zu erfu¨llen.432 Ebenso habe er sein Versprechen zum Gehorsam gegenu¨ber der Kirche erfu¨llt: Der Doktoreid beziehe sich auf die ehemals unbescholtene ro¨mische Kirche, wie sie vor ihrem Verfall existierte, und nicht auf die durch Irrlehren und a¨ußeren Verfall gescha¨digte ro¨misch-katholischen Kirche.433 Von Sanden erkla¨rt bereits den Promotionseid an sich fu¨r unrechtma¨ßig, weil er als Treueversprechen zur ro¨misch-katholischen Kirche in offensichtlichem Widerspruch zu Gottes Wort stand.434 So widersprechen die Jubila¨umsschriften dem Vorwurf, Luther habe fu¨r seinen kirchlichen und reformatorischen Dienst nicht die legitime Berufung der Kirche erhalten. Seine perso¨nliche Begabung, die Fo¨rderung durch weltliche und geistliche Herren, und schließlich die Promotion durch eine dazu berechtigte Universita¨t zeugen fu¨r die Legitimita¨t seiner Berufung in den Dienst der Kirche. Aufgrund des von ihm abgelegten Doktor-Eides war er geradezu zu seinem Werk als Reformator der Kirche verpflichtet. Neben diese Bestreitung der Legitimita¨t Luthers als Reformator trat als weiterer Aspekt die Forderung der ro¨misch-katholischen Theologen, Luther solle seine go¨ttliche Berufung durch den Aufweis von ihm vollbrach-

430 Zitiert nach: Walter Friedensburg, Urkundenbuch der Universitat Wittenberg, ¨ Bd. 1, Nr. 28, S. 35. 431 Walter Friedensburg, Urkundenbuch der Universitat Wittenberg, Bd. 1, Nr. 28, ¨ S. 36. 432 Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 191. Johann Christoph Pfaff, Christliche Predigt, S. 18. Heinrich Lysius, De miraculorum defectu, S. 26: „Vocatus enim erat Lutherus ad verbum DEI pure praedicandum, imo Doctor creatus juraverat, se vanas doctrinas peregrinas, & ab Ecclesia damnatas, & piarum aurium offensivas non dogmatizaturum. Hoc itaque cum propter errores Pontificios sine reformatione non possibile esset, manifestum est, missionem ejus non modo docendi sed & reformandi potestatem involvisse.“ A¨hnlich: Martin Chladenius, Solennia Doctorum, a3r. 433 Martin Chladenius, Solennia Doctorum, a3r. 434 Bernhard von Sanden, Unterricht, Frage 32: „Kein Eyd ist krafftig und gultig / der ¨ ¨ wieder GOttes Wort und zum Verderb der Kirchen was zusagt; Nun ist der Eyd / darinnen Lutherus der Ro¨mischen Kirchen den Gehorsam angelobet / wieder GOttes Wort und wieder der Kirchen Nutzen / indem er sich verpflichtet / die scha¨ndliche Simonie, so mit dem Ablaß getrieben wurde / gut zu heissen / . . . / auch andere Handgreiffliche Irrthu¨mer passiren zu lassen.“

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ter Wunder beweisen.435 Luther selbst hatte derartige Provokationen zeitlebens ignoriert und verschiedentlich erkla¨rt, er sei froh, daß Gott ihm die Gabe, Wunder zu wirken, nicht verliehen habe. Zu seiner Legitimation verwies er auf seine Berufungen durch die Kirche, zumal sich die Wahrheit der von ihm verku¨ndigten Lehre sicherer am Zeugnis der Schrift pru¨fen lasse, als anhand nicht mit letzter Sicherheit deutbarer Zeichenhandlungen.436 Nachfolgende Generationen gaben sich mit dieser Argumentation Luthers nicht mehr zufrieden, weshalb umfangreiche Sammlungen von Berichten u¨ber von ihm gewirkte Wunder oder u¨ber ihm zugeschriebene, in der Zwischenzeit erfu¨llte Prophezeiungen entstanden,437 die Luther in der Volksfro¨mmigkeit und unter den gebildeten Theologen neben anderen Ehrentiteln die Bezeichnung „Thaumatourgos“ eintrugen. Bellarmin hatte den Nachweis von Wundern zu den notae ecclesiae erkla¨rt und damit der Frage zusa¨tzliche Bedeutung in der kontroverstheologischen Auseinandersetzung verliehen, und noch 1715 hatte der Jesuit Wolfgang Bossuanus diese Thesen wieder in Erinnerung gerufen.438 Die Antwort der Jubila¨umsschriften auf diese Anfrage lautet, Luther habe keine Wunder vollbringen mu¨ssen, um sich als von Gott gesandter

435 Bereits Johann Cochlaus hatte wahrend der Verhandlungen zwischen Luther und ¨ ¨ der reichssta¨ndischen Kommission auf dem Wormser Reichstag 1521 die Forderung erhoben, Luther solle sich durch ein Wunder als von Gott gesandter Prophet ausweisen; vgl. Martin Brecht, Martin Luther Bd 1, S. 444. 436 WA 44, S. 251 ¨ ber 1. Mose 1535–1545): „Igitur in verbum et cor 31–41 (Vorlesungen u fidele non penetrat acies lucis Diabolicae, et eam ob causam ego magis delector verbo et fide, quam somno. Et oravi Dominum, ne mihi daret somnia, quia sunt fallacia. Verbum autem est certum umbraculum et caligo, quam non possunt intueri Spriritus maligni, quantumlibet sublimes. Etsi igitur non sunt contemnendi Propheti et somniantes, si prophetiae et somnia sunt analoga verbo Dei et fidei, tamen hoc maxime urgendum est, ut prius discatur Moses et Prophetae, hoc est, ut ante omnia habeamus purum verbum et verum eius intellectum. Ex eo poterimus interpraetari omnes visiones, omnia somnia et prophetias, quin etiam Angelos bonos pariter et malos iudicare.“ 437 R. W. Scribner, Incombustible Luther, S. 335 f. 438 Die umstrittene These bei Bellarmin lautet: „VNdecima Nota est Gloria miraculorum; sunt autem duo fundamenta praemittenda. Vnum, quod miracula sunt necessaria ad nouam fidem, vel extraordinariam missionem persuadendam. Alterum, quod sint efficacia, & sufficientia, nam ex priore deducemus non esse apud aduersarios veram Ecclesiam: ex posteriore deducemus eam esse apud nos.“ (Robert Bellarmin, Disputationes de controversiis christianae fidei, Tomus 2, Controversia Quarta, Lib. IV, Cap. XIV). Die ausfu¨hrlichste Auseinandersetzung mit dieser These findet sich bei Johann Gerhard, bei dem die Jubila¨umsschriften zahlreiche Anleihen gemacht haben; vgl. Loci Theologici, Locus Vicesimus Secundus, Sectio XI. Zu Bossuanus vergleiche den entsprechenden Hinweis bei Martin Chladenius, De miraculo reformationis opere, a2v. Das Thema der Wunder wird im u¨brigen in den Jubila¨umsschriften ausschließlich als ekklesiologische Fragestellung behandelt, wa¨hrend die von der zeitgeno¨ssischen Philosophie aufgeworfenen Fragen zum Wunderversta¨ndnis keine Rolle spielen. Einzig bei Heinrich Lysius findet sich ein Hinweis auf die zeitgeno¨ssische Diskussion der Wunderhermeneutik. (Ders., De miraculorum defectu, S. 7).

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Reformator auszuweisen.439 Zur Verdeutlichung bestimmen sie das Verha¨ltnis von doctrina und miraculum fu¨r die Offenbarung des Evangeliums, wie es die biblische U¨berlieferung voraussetzt: Als erste Ho¨rer und spa¨ter die Pharisa¨er Jesus no¨tigen wollten, seine Vollmacht durch Wunder und Zeichen auszuweisen (Joh. 448), zeigte er, daß Wunder weniger u¨ber die Wahrheit einer Offenbarung aussagen als das Wort Gottes und die daraus abgeleitete Lehre.440 Darum deutete Jesus die Zeichenforderung der Pharisa¨er als Beleg ihres Unglaubens und ihrer geistlichen Blindheit, die er mit seiner Lehre, geschweige denn durch Wundertaten nicht durchbrechen konnte.441 Dieses neutestamentliche Beispiel verdeutlicht, daß eine Lehre nicht durch dazugeho¨rige Wundertaten legitimiert wird, sondern daß umgekehrt die richtige Lehre ein Wunder besta¨tigt oder erst als solches offenbart (Dtn. 131 ff).442 Darum kann sich derjenige, welcher der Offenbarung als solcher keinen Glauben schenkt, selbst angesichts der gro¨ßten Wunder nicht bekehren (Lk. 1629 ff).443 Diese Verha¨ltnisbestimmung von doctrina und miraculum la¨ßt sich auf Luthers Lehre anwenden: Die Tatsache allein, daß Luther keine Wunder vollbracht hat, reicht nicht aus, die Legitimita¨t seiner Sendung in Frage zu stellen. Spekulationen daru¨ber, ob Luther Wunder vollbracht habe oder nicht, eru¨brigen sich angesichts der Tatsache, daß seine Lehre in allen Teilen schriftgema¨ß war.444 Einige Autoren erinnern u¨berdies an die biblischen Weissagungen u¨ber das Ende der Welt, wenn der Antichrist und seine Pseudoapostel die Gla¨ubigen durch Zeichen und Wunder verwirren werden (Mt. 2424; 2. Thess. 29). Angesichts der Tatsache, daß dieses Ende nicht mehr fern ist, ha¨tte sich Luther durch etwaige Wunder womo¨glich als Diener des Antichrists zu erkennen gegeben; und mo¨glicher439 Heinrich Lysius, De miraculorum defectu, S. 10: „Ob defectum tamen istum miraculorum rubore non suffundimur contra Papaeos disputantes: sed potius miracula illa a Luthero nullo jure exigi posse, invictam veritatem esse putamus: Thesis adeo nostra Anti-Pontificia haec erit: Miracula divina pro dando Luthero Ecclesiam Romanam reformanti assensu per Lutherum facta male exigunt Pontificii.“ Johann Franz Buddeus, De characteribvs, S. 21: „Quamuis enim non negemus, quod plurimi nostratium haud sine fundamento asserunt, fuisse miraculosam quandam circa reformationem b.[eati] Lutheri prouidentiam, iis tamen assentire non possumus, qui vel aperta miracula in reformatore nostro se inuenire, vel ex eorum defectu, falsitatem illius non male inferri posse existumant.“ 440 Johann Franz Buddeus, De characteribvs, S. 21. 441 Johann Franz Buddeus, De characteribvs, S. 22. 442 Franz Albert Aepin, Reformationis lutheranae opus, S. 27. Martin Chladenius, De miraculo reformationis opere, a3r. 443 Heinrich Lysius, De miraculorum defectu, S. 17 f. 444 Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 433: „Opera diuina, quale est opus Reformationis, non egent miraculo, ad probandam authoritatem, sed per se satis lucent. Vbi Scripturarum & rerum adsunt testimonia, quid opus est aliis testimoniis? Christus hic miraculum non edidit, vt facere potuit facile, noluit autem prostituere signorum virtutem ad ostentationem, vel obstinatorum ludibriis exponere, vbi nulla spes profectus erat. A Luthero igitur multo minus miracula flagitari possunt, quibus autoritatem reformationis probet, cum verbum habuerit diuinum.“

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weise muß gerade die hohe Wertscha¨tzung von Wundern in der zeitgeno¨ssischen ro¨misch-katholischen Kirche als Hinweis auf deren Beto¨rung durch den Antichrist verstanden werden.445 Weitere Argumente gegen die Wunderforderung beziehen die evangelischen Verfasser aus ihrem kritischen Versta¨ndnis von Wundern. So definiert Lysius als Wunder solche Ereignisse, die eine einmalige und ungewo¨hnliche Aufhebung der Naturgesetze darstellen und als solche ausschließlich Gott als Urheber haben ko¨nnen.446 Daneben gibt es aber Wundern a¨hnliche Pha¨nomene, die auf das Wirken anderer Ma¨chte zuru¨ckzufu¨hren sind, wie es bei den Magiern des Pharao der Fall war (Ex. 7 f); heidnische Quellen berichten von Heilungen und Totenauferweckungen, die an die Wunder der Evangelien erinnerten; manche Ketzer in der Alten Kirche verfu¨gten u¨ber wundersame Begabungen. Angesichts solcher Pha¨nomene zwischen den Wundern Gottes und teuflischem Blendwerk zu unterscheiden, ist den Menschen nur begrenzt mo¨glich, weshalb Wunder nur bedingt als Wahrheitskriterium herangezogen werden du¨rfen.447 Schließlich warnt Lysius eingedenk stetig zunehmender naturwissenschaftlicher Erkenntnis davor, gegenwa¨rtig noch unerkla¨rbare Pha¨nomene immer als Wunder zu bezeichnen. Angesichts der Schwierigkeiten bei der Unterscheidung zwischen Wundern Gottes und anderen, mo¨glicherweise widergo¨ttlichen oder eben natu¨rlichen, bis dato nicht erkla¨rbaren wunderhaften Pha¨nomenen ko¨nnen Wunder lediglich als unsichere Offenbarung gelten. Wohl lassen sie sich zur Unterscheidung von Wahrheit und Lu¨ge neben anderen Kriterien heranziehen; Gewißheit ko¨nnen sie fu¨r sich allein jedoch nicht schaffen.448 Schließlich weist Chladenius auf die Inkonsistenz der ro¨misch-katholischen Argumentation hin: entweder sind Wunder tatsa¨chlich notae ecclesiae, dann mu¨ßten die Katholiken erkla¨ren, warum es in ihrer Kirche trotz deren Wahrheitsanspruchs so wenig Wunder gibt, oder die Wunderfrage darf bei der Unterscheidung zwischen wahrer und falscher Kirche fortan keine Rolle mehr spielen.449 Obwohl somit die Bedeutung von Wundern fu¨r die Legitimation Luthers aus theologischer Sicht nur gering war, verzichtet keine der Jubila¨umsschriften darauf, dennoch ein Wunder zu nennen, das Luther selbst

445 Bernhard von Sanden, Predigten, S. 132–134. Heinrich Lysius, De miraculorum defectu, S. 17 f. Martin Chladenius, De miraculo reformationis opere, a3v. 446 Heinrich Lysius, De miraculorum defectu, S. 4: „Miraculum adeo in strictiori significatione effectus est inusitatus, in cujus productione ordinariae naturae leges suspenduntur.“ 447 Heinrich Lysius, De miraculorum defectu, S. 12 f. 448 Heinrich Lysius, De miraculorum defectu, S. 16: „Argumentum probabile ex miracula doctrina peti, omnino concedimus, sed certum & demonstrativum illud esse, id est, quod negamus.“ 449 Martin Chladenius, De miraculo reformationis opere, a3v. A ¨ hnlich: Bernhard von Sanden, Predigten, S. 146.

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vollbracht oder an eine Prophezeiung zu erinnern, die sich erfu¨llt haben sollte. Das no¨tige Quellenmaterial dafu¨r bot eine Reihe von popula¨ren Text-Sammlungen, in denen Wunder und Prophezeiungen Luthers verzeichnet waren.450 Zusa¨tzlich angeregt wurden die Verfasser durch gegnerische Berichte u¨ber mißlungene Versuche Luthers, Wunder zu vollbringen. So hieß es bei ro¨misch-katholischen Historikern u¨ber Luther, er habe vergeblich versucht, bei einer jungen Frau einen Exorzismus durchzufu¨hren,451 und ebenso erfolglos habe er sich bemu¨ht, seinen verunglu¨ckten Freund Wilhelm Nesen wieder ins Leben zu rufen.452 Beiden Geru¨chten widersprechen die Jubila¨umsschriften: Luther habe die besessene junge Frau sehr wohl von ihrem Da¨mon befreit; im Falle Nesens habe er gar nicht erst den Versuch unternommen, diesen wieder ins Leben zu rufen.453 Gleichwohl nennen sie ihrerseits Belege fu¨r wirkliche Wundertaten Luthers, zu denen die Heilungen seiner Freunde Philipp Melanchthon454 und Friedrich Myconius455 durch Gebet geho¨ren.456 Außerdem soll Luther verschiedene gegen ihn ausgefu¨hrte Anschla¨ge auf wundersame Weise u¨berlebt haben.457 Zu den erfu¨llten Weissagungen Luthers geho¨rt ein Ausspruch gegenu¨ber Georg von Sachsen, zu seinen Lebzeiten

450 Vgl. die Zusammenstellung der verbreiteten Sammlungen bei Wolfgang Sommer, Luther – Prophet der Deutschen und der Endzeit, S. 160 ff; s. a.: Volkserza¨hlung und Reformation, S. 277. 451 Dies berichtet eine verbreitete Erzahlung, die der romisch-katholische Kirchenhisto¨ ¨ riker Laurentius Surius mitgeteilt hatte: „Nullum quidem vnquam miraculum edidit . . . Conatus est quidem aliquando daemonem expellere, sed frustra . . . Anno 1545 puella quaedam daemoniaca e Misnia adducta est Vuittembergam ad Luterum, ceu tertium Eliam, ea spe, quod Luterus daemonem esset eiecturus. Ille quidem, vtpote male sibi conscius, principio valde se difficilem prebuit, tamen tandem iussit puellam, in sacrarium parochianae Ecclesiae introduci. Ibi suis quibusdam exorcismis adiurat daemonem, sed demon eius exorcismos irridet. Tum vero Luterus mire angi discruciari, & e sacrarij ostio se proripere. At malus daemon adeo obstruxit ostium, vt neq. foris neq. intus reserari potuerit. Ea res etiam in maiores illum miserum angustias adduxit, itamq. per fenestras erumpere conabatur, sed conatus eius cancelli ferrei retardebant. Denique securi ferrea per cancellos immissa ostium perfringi oportuit, vt Lutero pateret exitus. Faxit Dominus noster, vt ad sanitatem redeant, qui eius hominis, nulla vitae sanctimonia, nulla miraculorum efficacia suffulti, infaustum Euangelium magno totius Europae malo complexi sunt.“ (Ders., Commentarius, S. 475 f). 452 Johannes Cochla¨us, Commentaria, S. 74f. 453 Heinrich Lysius, De miraculorum defectu, S. 27 f. Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 339 f. 454 Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 339. Der Bericht geht auf Melanchthon selbst zuru¨ck, der am 1. September 1540 in einem Brief an Camerarius (MBW 2484) und am 2. Sept. 1540 in einem Brief an Mitthof (MBW 2487) davon berichtet hatte, ohne Luthers Hilfe und Beistand wa¨re er an seiner gegenwa¨rtigen Krankheit verstorben. 455 Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 339. Heinrich Lysius, De miraculorum defectu, S. 9. 456 Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 339. Matthias Kortholt, Hil. Ev. II, S. 72b (De Luthero). 457 Heinrich Lysius, De miraculorum defectu, S. 9.

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werde es keinen großen Krieg in Deutschland geben;458 außerdem habe Luther den Tod Zwinglis und Oekolampads vorausgesagt.459 Wie diese Liste von Wundern und Weissagungen Luthers zeigt, vertreten die Jubila¨umsschriften keine einheitliche Auffassung in der Frage, inwiefern Wunder eine Rolle fu¨r die Legitimation einer kirchlichen Lehre und damit fu¨r die reformatorische Lehre spielen. Denn zum einen erkla¨ren sie den Nachweis legitimierender Wunder fu¨r unno¨tig, sofern nur die Lehre richtig ist, wa¨hrend sie zum anderen doch von Luther vollbrachte Wunder zu dessen Legitimation aufza¨hlen. Inwiefern diese Erza¨hlungen den hohen Stellenwert der Heiligenverehrung und des Personengedenkens innerhalb des fru¨hneuzeitlichen Protestantismus belegen, muß offen bleiben.460 Auffa¨llig ist aber, daß die Jubila¨umsschriften im Gespra¨ch mit dem theologischen Gegner die Bedeutung der Wunder fu¨r die Legitimation Luthers bestreiten, aber im Gespra¨ch mit dem eigenen, nicht-akademischen Publikum auf sie zuru¨ckgreifen. c) Biblische Prophezeiungen auf Luthers Person und Werk Bis in die Anfangsjahre der Reformationszeit la¨ßt sich das Bestreben der evangelischen Theologen zuru¨ckverfolgen, Luthers Reformation als die Erfu¨llung biblischer Prophezeiungen darzustellen.461 Schon fru¨he Flugschriften hatten Luther mit biblischen Perso¨nlichkeiten verglichen und sein Auftreten als Erfu¨llung alt- und neutestamentlicher Weissagungen gedeutet. Die von Bugenhagen, Jonas und Melanchthon verfaßten Leichenpredigten machten die biblischen Parallelen und Prophezeiungen zu einem festen Bestandteil der Luther-Deutung.462 Wa¨hrend des 16. Jahrhunderts durch die Luther-Biographien von C. Spangenberg und J. Mathesius463 verbreitet und in den Dogmatiken der lutherischen Orthodoxie464 approbiert bildeten sie auch fu¨r das Reformationsjubila¨um von 1717 ein willkommenes Reservoir von Interpretamenten.465 Die Jubila¨umsschriften Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 342. Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 342. 460 R. W. Scribner, Incombustible Luther, S. 351 ff. 461 Einen guten U ¨ berblick u¨ber die schon zu Luthers Lebzeiten beginnende Luther-Verehrung bietet Helmar Junghans, Der junge Luther und die Humanisten, S. 288–318. 462 Andrea Ko ¨ rsgen-Wiedeburg, Das Bild Martin Luthers, S. 156–158. 463 Zu Luther-Biographie und -Deutung im 16. Jahrhundert: Eike Wolgast, Biographie als Autorita¨tsstiftung; Robert Kolb, Lutherbild, sowie Susan R. Boettcher, Martin Luthers Leben in Predigten. 464 Johann Gerhard, Loci Theologici, Locus Vicesimus Secundus, Sectio XII / 291. 465 Zu dieser Rezeption der traditionellen Motive der orthodoxen Luther-Deutung trug maßgeblich ein Werk C. Junckers bei, das 1706 in lateinischer und 1709 in deutscher Fassung erschienen war. Juncker hat darin 200 Schau-Mu¨nzen und Medaillen des 16. und 17. Jahrhunderts, die an die Reformation erinnerten, erfaßt und beschrieben. Mit seinen u¨ber 700 Seiten Umfang bietet dieses Werk eine einzigartige Zusammenstellung der unterschied458 459

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haben sich daraus zwei Motive besonders zu eigen gemacht: die Bezeichnung Luthers als „tertius Elias“ und seine Identifikation mit einem der beiden in Apk. 146 ff geschilderten Engel. Der Hinweis auf Luther als „tertius Elias“ findet sich in den Jubila¨umsschriften wiederholt;466 ein charakteristisches Beispiel dafu¨r bietet May, der an die allegorische Parallelisierung Elias und Johannes des Ta¨ufers mit Luther anknu¨pft. Hinsichtlich ihrer charakterlichen Eigenschaften gebe es zahlreiche A¨hnlichkeiten: ihr heiliger Eifer467, ihr Glaubensmut,468 ihre Friedfertigkeit469 und nicht zuletzt ihre vollma¨chtigen Gebete470; einzelne von Luther vollbrachte Wunder und Prophezeiungen471 bekra¨ftigten diese U¨bereinstimmungen. Dennoch identifiziert May Luther nur zweimal mit dem dritten Elias, wa¨hrend er u¨berwiegend von A¨hnlichkeiten spricht oder Vergleiche zwischen beiden Personen und ihrem Werk anstellt. Mit dieser zuru¨ckhaltenden Auslegung ist May beispielhaft. Inhaltliche U¨bereinstimmungen und A¨hnlichkeiten zwischen Luther und Elias sind fu¨r ihn und andere Verfasser unbestritten. Daß Luther die einzige, noch dazu im endzeitlichen Kontext zu verstehende Erfu¨llung dieses alttestamentlichen Typus gewesen sei, wird jedoch nicht mehr gesagt. Die Aufnahme der Tradition vom „tertius Elias“ hat an vielen Stellen den Charakter einer bloßen Reminiszenz an a¨ltere Muster der Luther-Deulichsten Interpretamente der orthodoxen Luther-Deutung, die, wie die Zitate belegen, von den Verfassern der Jubila¨umsschriften fleißig konsultiert wurde. (Christian Juncker, Das Guldene und Silberne Ehren-Geda¨chtniß). 466 Johann Caspar Haferung, Gedachtnuß der Wunder Gottes, S. 4. Gottlieb Werns¨ ¨ dorf, De primordiis, S. 3. Brandanus Henricus Gebhardi, Vaticinium Johanneum, S. 8 f. Wu¨rttembergische Neben-Stunden, S. 195. Neben der Erwa¨hnung in den akademischen Jubila¨umsschriften wird die Bedeutung dieses Motivs daran deutlich, daß Apk. 146 ff derjenige Text ist, der ha¨ufiger als andere Texte als Predigttext vorgeschrieben wurde. Die Identifikation Luthers mit dem Propheten Elias geht nach Auskunft von Hans Preuss auf Zwingli 1519 zuru¨ck, verdankte ihre Verbreitung jedoch Melanchthon, der seit 1521 wiederholt von Luther als Elias sprach (Hans Preuss, Martin Luther. Der Prophet, S. 49 f.). Daß Luther selbst dieser Deutung a¨ußerst skeptisch gegenu¨ber stand, a¨nderte nichts an deren breiter Rezeption; vgl. WA 10, 1, 2, 194, 28–195,4 (Adventspostille 1522): „Darumb bleyben wyr auch drauff, das die letzte prediget fur dem iungsten Tag sey das Euangelion, durch wilchs Christus ist ynn alle welt komen, und fur dißer predigt und zukunfft ist Johannes komen, und hatt yhr den weg bereyttet. Auch ßo alle propheten unnd das gesetz biß auff Johannen weyssagen, leydet sichs nicht, das sie yemand uber Johannes strecke auff eynen kunfftigen Elias; ßo muß auch Malachias weyssagung auff Johannes tzeyttung sich reymen, denn weyl er alle propheten auff Johannes tzeytten tzeucht, lesset er keynen furuber gehen. Und also beschließen wyr gewißlich, das keyn Elias mehr komen wirt, ßondernn das Euangelion wirt weren biß an das Ende der wellt.“ A¨hnlich in: WA 10, 1, 1, 148, 14–18 (Adventspostille 1522) und WA 38, 661, 27–30 (Annotationes in aliquot capita Matthaei. 1538). 467 Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 328. 468 Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 329. 469 Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 332 f. 470 Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 337. 471 Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 338 ff.

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tung, deren Stellenwert 1717 nicht mehr dem vergangener Jahrzehnte entspricht. Luther la¨ßt sich sicherlich mit Elias vergleichen. Doch andere Zeiten hatten ebenfalls ihre Elias-Gestalten gehabt, und auch in Zukunft wird es sie wieder geben.472 Das zweite Motiv, das die Jubila¨umsschriften mit Vorliebe aufgreifen, ist Apk. 146 ff.473 Hier ist von drei Engeln die Rede, die durch den Himmel fliegen und die endzeitliche Reform der Kirche einleiten: Der erste Engel verku¨ndet allen Nationen das Evangelium und ruft sie angesichts des bevorstehenden Gerichts zur Buße; der zweite Engel verku¨ndet das Ende der Stadt Babylon und ihrer Hurerei; der dritte Engel warnt vor der Anbetung des Antichrists. Ausgehend davon, daß hier der Himmel als Bild fu¨r die Kirche und die Engel als Bild fu¨r die Prediger und Lehrer des Evangeliums stehen, werden diese Schriftworte als Voraussage der Reformation und auf Luther gedeutet.474 Wichtig ist den Verfassern die Feststellung, die erste Engelsgestalt bedeute die Anku¨ndigung von Luthers reformatorischer Predigt und Lehre.475 Luther hatte demzufolge die Reformation theologisch begru¨ndet, deren Dringlichkeit vor Augen gestellt, und ein Beispiel dafu¨r gegeben, wie die Christen dem Anspruch Gottes auf ihr Leben begegnen ko¨nnten.476 Einige Verfasser erkla¨ren erga¨nzend, welche Gestalten der Reformationsgeschichte in den beiden u¨brigen Engeln angeku¨ndigt sein ko¨nnten. So wird der zweite Engel als Pra¨figuration Martin Chemnitz’ gedeutet, der mit seinem „Examen Concilii Tridentini“ zur Zersto¨rung des ro¨mischen Babylon477 und zum Aufbau der evangelischen Kirchen beigetragen hat.478 Eine da¨nische Jubila¨umsmedaille identifiziert die beiden Engel in 472 Joachim Justus Breithaupt, Hil. Ev. II, S. 44b (Oratio secvlaris): „ Non est, quod cogitetis . . . nil relinquere ad debellandum: Patrem Lutherum sic fuisse tertium Eliam, ut ejus nihil desiderandum fuerit amplius. Non ita in fatis est. Dominus noster, quo magis appropinquat, eo largius offert spiritum Eliae , spiritum Johannis , spiritum Lutheri , &, serio cupientibus, impertit.“ So auch: Caspar Posner, De divinitate, S. 12. 473 Der Ursprung dieses Motivs reicht nach Preuss bis ins Jahr 1521 zuruck, in dem Mi¨ chael Stifel Luther in einem Lied als den Engel bezeichnet, von dem Johannes in seiner Apokalypse geschrieben habe (Hans Preuss, Martin Luther. Der Prophet, S. 38 f). 474 Albrecht von Krackewitz, De Luthero, S. 47 f. 475 Caspar Posner, De divinitate, S. 9: „. . . ecce laudatus . . ., & extra se raptus Ioannes, in quarto ac decimo arcanorum illorum, quae cognouit & vidit, capite, ipsam nobis Lutheri imaginem ac effigiem: tanquam nuncii cuiusdam diuini; sicut distincti a ceteris, ita in sensus omnium incurrentis; nationesque plurimas, doctrina salubri & pura, quae euangelium audit, repudiatis atque explosis erroribus, imbuentis: qui, ob celerem ac mirificum rei huius successum, festinantis atque volantis in modum se gereret: ita exhibet atque depingit; ut tam vere ac certo, nostris id animis, quam Ioannes tunc oculis, videamus.“ Johann Franz Buddeus, De characteribvs, S. 44 f.; Johann Caspar Haferung, Geda¨chtnu¨ß der Wunder Gottes, S. 4. 476 Gottlieb Wernsdorf, Jubel-Groschen, S. 41 f 477 Joachim Justus Breithaupt, Hil. Ev. II, S. 38a (Oratio secvlaris). Gottlieb Wernsdorf, De primordiis, S. 7. 478 Hermann Christoph Engelken, De Dogmate transsubstantiationis, S. 5–7: Engelken

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Apk 146 ff mit Luther, dem Apostel Deutschlands, und Bugenhagen, dem Apostel der Da¨nen.479 Andere Deutungen von Apk. 146 ff wu¨rdigen bedeutende Theologen des 17. Jahrhunderts wie Abraham Calov480 fu¨r ihre Verdienste im Kampf gegen die ro¨misch-katholische Kirche, Synkretismus und Indifferentismus. Eine eigene Variante bieten Breithaupt und Anton, die Vertreter des halleschen Pietimus, welche die beiden Engel auf Johann Arndt und Johann Gerhard beziehen, die fu¨r die Bewahrung der lutherischen Lehre gegen die ro¨mischen Irrlehren gesorgt haben.481 Aufs ganze gesehen wird das popula¨re Motiv aus Apk. 146 ff nicht mit derselben Ausfu¨hrlichkeit und Selbstversta¨ndlichkeit als prophetischer Hinweis auf die Reformation verstanden, wie das noch bei der ersten Sa¨kularfeier der Fall war.482 Zwar u¨bernehmen es einzelne Verfasser unvera¨ndert,483 aber schon Matthias Kortholts Rede „De Luthero, Ecclesiae Angelo“ erweist sich als biographische Skizze, in der die Anwendung von Apk. 146 ff auf Luther und die Reformation oder andere heilsgeschichtliche Deutungsmuster nur untergeordnete Bedeutung haben. Andere Verfasser sind a¨hnlich zuru¨ckhaltend: Selbst Martin Chladenius, ein Vertreter der orthodoxen Luther-Deutung, legt Apk. 146 ff allgemein als Prophezeiung auf Luthers Wirken aus.484 Aepin wirft die grundsa¨tzliche Fra-

ru¨hmt Chemnitz als den „alter Martinus“, durch dessen Geschichte des Tridentinischen Konzils die ro¨mischen Irrlehren so klar und deutlich entlarvt wurden, daß sich zahlreiche Gelehrte dadurch zum U¨bertritt in die protestantischen Kirchen bewegen ließen. A¨hnlich: Gottlieb Wernsdorf, De primordiis, S. 8. Albrecht von Krackewitz, De Luthero, S. 47. 479 Auf dieser Medaille ist die Verhaltnisbestimmung der Engel unklar; sie zeigt neben¨ einander „M. Lutherus Germanorum I. Bugenhagius Danorum Apostoli“, die gemeinsam die Botschaft des Engels aus Apk. 146 f verku¨nden; vgl. Hugo Schnell, Martin Luther und die Reformation, Abb. 97. 480 Albrecht von Krackewitz nennt neben Calov selbst Hieronymus Weller, Johann Hul¨ semann und Coelestin Myslenta (Ders., De Luthero, S. 48). Allgemeiner urteilt Gottlieb Wernsdorf, De primordiis, S. 8: „Per Tertium denique intelligimus, cum Calovio, amabilem fidelium Doctorum coetum, in unitate fidei, & spiritus coniunctum, qui Syncretismo , cum Pontificiis ineundo fortiter se opponunt, eosque omnes de calice irae divinae bibituros pronunciant, qui adoraverint vel bestiam, vel imaginem eius, et characterem eius vel in fronte, vel in manu acceperint, h. e. quoquo modo cum Pontificiis sacram societatem inierint, aut cum iisdem colluserint.“ 481 Joachim Justus Breithaupt, Hil. Ev. II, S. 38a (Oratio secvlaris). Paul Anton, Predigt, S. 7. Dafu¨r daß diese a¨hnlich hohe Wertscha¨tzung fu¨r Luther und Arndt im lutherischen Pietismus ihren Na¨hrboden hatte, zeugt Speners Urteil u¨ber Luther und Arndt: „Daher setze ich / wie schon bekennet / Lutherum billich fornen an / und / nachdem GOtt durch ihn ein gro¨ßer werck / so mehr in die Augen gefallen / ausgerichtet hat / als durch Arndtium, lasse ich auch darinn seinen vorzug / aber dieser streicht ihm nahe / und weiß ich nicht / ob er nicht noch in seinen schrifften zu einem nicht geringern werck als Lutherus, mag von GOtt bestimmt seyn.“ (Philipp Jakob Spener, Theologische Bedenken, Band 3, S. 714). 482 Hans-Jurgen Scho ¨ nsta¨dt, Antichrist, Weltheilsgeschehen und Gottes Werkzeug, ¨ S. 254–259. 483 Caspar Posner, De divinitate, S. 9. 484 Martin Chladenius, Das Unschuldige Frolocken, S. 62: „Denn das ist die Stimme /

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ge auf, ob mithilfe der allegorischen Schriftauslegung u¨berhaupt Gewißheit u¨ber einen Glaubensartikel, geschweige denn u¨ber den Verlauf der Geschichte gewonnen werden ko¨nne.485 Seine U¨berzeugungskraft im Rahmen der Luther-Deutung hat dieses Motiv demnach fu¨r die akademischen Schriften verloren. Dasselbe gilt von den vielen anderen Texten, in denen Luthers Auftreten als endzeitliches Ereignis verstanden worden war. Erhalten hat sich das Motiv von Luther als dem Engel der Apokalypse hingegen in Schriften, die sich an eine breite O¨ffentlichkeit wenden und die weniger von argumentativen Strukturen gepra¨gt sind als die akademischen Jubila¨umsschriften. Dazu za¨hlen die offiziellen Einladungsschriften, deutschsprachige Fest-Gedichte oder bildliche Darstellungen, wie sie sich auf Druckschriften oder auf den Jubila¨ums-Medaillen finden. Je knapper und pra¨gnanter die Darstellung sein mußte, desto eher wurden die vertrauten, symbolhaltigen Motive herangezogen. Hier bildeten die lutherischen Universita¨ten keine Ausnahme, wie die vielerorts verteilten Jubila¨ums-Medaillen belegen, auf denen Luther als Engel der Apokalypse gezeigt ist. Wie sehr die Verwendung oder Auslassung dieser traditionellen Motive vom Adressatenkreis abha¨ngig war, zeigen Wernsdorfs Schriften: Seine in lateinischer Sprache verfaßten akademischen Schriften berichten detailliert u¨ber die Entstehung der Reformation. Sie greifen manchen u¨berkommenen Topos der Luther-Deutung auf, dieses alles aber in einem nu¨chternen, von Pathos und Polemik freien Ton. In seiner deutschen Jubel-Predigt hingegen vergleicht er Luther mit Jesus, um die herausragende Bedeutung Luthers fu¨r den Protestantismus anzudeuten. In seiner unter einem Pseudonym vero¨ffentlichten Schrift „Judas, der Verra¨ter am Evangelischen Jubel-Fest“ schließlich zieht Wernsdorf alle Register der Kontroverstheologie und der anti-ro¨mischen Polemik, um seine Leser vor der ro¨misch-katholischen Kirche und den Gefahren einer Konversion zu warnen. Daß die traditionellen Motive der Luther-Deutung in den akademischen Jubila¨umsschriften an Bedeutung verlieren, du¨rfte seine Ursache darin haben, daß – wie Aepins Diktum deutlich macht – die allegorische Schriftauslegung den Verfassern als zu ungewiß erschien, um daraus verbindliche Interpretationen biblischer Texte zu gewinnen. Im Blick auf die

welche in unser Evangelisch-Lutherischen Kirche erschallet / da wir die Zuho¨rer dahin weisen / wie sie dermahleins selig sterben / und vor den Augen des gerechten Richters wohl bestehen mo¨gen / weil wir sie dahin unterrichten / daß zwar ein heiliger Wandel no¨thig und unumga¨nglich sey / aber vor den Augen des Richters JEsu CHristi nichts mehr bestehen ko¨nne / als der Glaube an sein Verdienst / als wovon bey denen Versammlungen der Irrgla¨ubigen / besonders im Pabstthum / man wenig oder nichts gru¨ndliches ho¨ret.“ In einer seiner Jubila¨umsschriften hat Chladenius die Prophezeiung sehr wohl direkt auf Luther angewandt; Ders., De methodo Evangelicorum, S. 48. 485 Franz Albert Aepin, Reformationis lutheranae opus, S. 14.

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beiden genannten Motive (Parallelen Luthers mit Elias; Identifikation mit dem Engel in Apk. 146 ff) ist außerdem zu beru¨cksichtigen, daß diese mit einem starken Endzeitbewußtsein verbunden waren und die Gleichsetzung des Papsttums mit dem Antichrist implizierten.486 Mit dem Ru¨ckgang dieses endzeitlichen Bewußtseins und der Preisgabe der Gleichsetzung von Papsttum und Antichrist zur Charakterisierung der zeitgeno¨ssischen ro¨misch-katholischen Kirche verloren diese Texte ihre Bedeutung fu¨r das Reformationsjubila¨um. In dieselbe Richtung hatte die Kritik Gottfried Arnolds an Luther und an der Luther-Rezeption im Protestantismus gewiesen. Arnold hatte beklagt, die Lutheraner kultivierten mit ihrer Luther-Interpretation eine eigene Form der Abgo¨tterei. Allzuleicht gerate außer acht, daß Luther ein Mensch wie jeder andere mit Sta¨rken und Schwa¨chen gewesen sei.487 Die Jubila¨umsschriften reagieren auf diese Kritik, indem sie die betreffenden biblischen Texte oder Gestalten nicht mehr als Pra¨figuration von Leben und Werk Luthers bewerten, sondern allenfalls noch im allgemeinen heranziehen. A. von Krackewitz, der sich ausfu¨hrlicher mit Arnolds Kritik auseinandersetzte, betont, es sei nie das Ziel gewesen, Luther in unangemessener Weise zu erho¨hen.488 Am Vergleich zwischen Paulus und Luther veranschaulicht er dieses Vorgehen. Demnach ist es gut mo¨glich, einzelne Begabungen oder Eigenschaften Luthers mit denjenigen des Apostels zu vergleichen, ohne daß Luther damit dem Apostel gleichgesetzt wu¨rde.489 A¨hnlich verha¨lt es sich, wenn Luther mit den u¨brigen Aposteln verglichen oder selbst als Apostel bezeichnet wird. Damit wird Luther lediglich als ein von Gott autorisierter Sendbote beschrieben, ohne Gleichsetzung mit den biblischen Aposteln.490 Unter dieser Voraussetzung ha¨lt von KrackeWolfgang Sommer, Luther – Prophet der Deutschen und der Endzeit, S. 158. Die betreffenden Passagen sind vor allem: Gottfried Arnold, Unpartheyische Kirchen und Ketzerhistorie, Th. II, B. XVI, Kap. 5, Nr. 22 f. 488 Albrecht von Krackewitz, De Luthero, S. 43: „. . . nostra intentio neqvaqvam est, Lutherum ultra humanae conditionis terminos extollere . . .“ 489 Albrecht von Krackewitz, De Luthero, S. 44. Ganz ahnlich hat auch Johann Hein¨ rich May vor dem Mißversta¨ndnis gewarnt, der Vergleich Luthers mit Mose beinhalte eine Identifikation Luthers mit Mose. Mose sei als heilsgeschichtliche Figur einmalig, streng genommen unvergleichlich. Wenn dennoch Vergleiche angestellt werden, dienten sie vor allem der Verdeutlichung: „Quem cum Mose comparare queamus cum generatim, in munere, quod gessit, prorsus singulari, tum speciatim in negotio reformationis, vix reperiemus: licebit tamen, pro instituti ratione, aliquam nobis instituere collationem inter insignem hunc Prophetam, & Lutherum, Megalandrum vulgo, nec male, a nostratibus dictum.“ (Ders., Historia reformationis, S. 187). 490 Albrecht von Krackewitz, De Luthero, S. 45: „Quando Lutherus vocatur Germanorum Apostolus, tunc sciendum, quod vocabulum Apostolus non sumatur in sensu strictissimo, in quo significatu duodecim tantum fuerint Apostoli, sed in sensu latiori, quatenus omnem illum notat, qui peculiariter a Deo mittitur ad insigne aliquod opus perficiendum.“ Auch Gottlieb Samuel Treuer, De caractere animi Lutheri, S. 6 f warnt hier vor vorschnellen Vergleichen: „Etsi enim illud omnino verum sit, quod Philippus Melanchthon de Luthero sibi persuasit, mentem illius diuina luce esse illustratum; longe tamen alia Lutheri ac Pro486 487

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witz es sehr wohl fu¨r mo¨glich, Luther mit biblischen Gestalten wie Mose, Elias und anderen zu vergleichen, ohne ihn ungebu¨hrlich zu erheben.491 Zu dem Kreis biblischer Gestalten, mit denen Luther verglichen wird, geho¨ren unter anderen Mose, der Apostel Paulus und schließlich Jesus Christus selbst.492 Der Vergleich Luthers mit Mose legte sich dort nahe, wo die Reformation mit dem Auszug Israels aus A¨gypten in Parallele gesetzt wird. Vergleichbar sind die ungu¨nstigen Verha¨ltnisse, in denen Mose und Luther aufwuchsen.493 Beide verdankten die fu¨r ihre Sendung notwendige Ausbildung der Fu¨hrung Gottes, und beide wurden ausdru¨cklich von Gott zu ihrem Amt berufen, dessen Legitimita¨t sich nachtra¨glich im Gelingen ihrer Reformen erwies.494 In dieser allgemeinen Hinsicht ist die Gestalt des Mose ein Vorbild Luthers, aber auch aller anderen Reformatoren. An Mose wird, a¨hnlich wie am Propheten Elias, deutlich, wie Gott sich zu allen Zeiten um seine Kirche sorgt und ihr zu Zeiten ihres Verfalls Reformer schickt.495 Der Vergleich Luthers mit dem Apostel Paulus ist durch biographische und theologische A¨hnlichkeiten motiviert. Wie kein anderer Theologe vor ihm hatte Luther die Theologie des Paulus erschlossen, und seine Biographie weist vielfa¨ltige Parallellen mit der des Paulus auf. Dazu geho¨ren fu¨r Posner die Umsta¨nde von Luthers Lebenswende, die den Ausgangspunkt

phetarum et Apostolorum fuit conditio, quandoquidem Lutherus non sine interuentu vllius instar Apostolorum lumen illud internum diuinitus accepit.“ 491 Albrecht von Krackewitz, De Luthero, S. 44 f. Die gleiche Auffassung wie von Krackewitz vertrat Gottlieb Samuel Treuer, De caractere animi Lutheri, S. 6. In diesem Sinne hatte Spener geurteilt, seit der Zeit der Apostel sei „schwerlich einer gewesen, welcher in hellerm Licht die Lehr von der seligmachenden Kraft des Glaubens“ erkannt und besser erkla¨rt habe als Luther (zitiert nach E.W. Zeeden, Martin Luther, Bd. I, S. 153). 492 Die Vergleiche Luthers mit biblischen Gestalten lassen sich ebenfalls bis in die Fruh¨ zeit der Reformation zuru¨ckverfolgen. So bildete sich bei Luther selbst fru¨h ein eigenes Sendungsbewußtsein heraus (dazu: Hans von Campenhausen, Reformatorisches Selbstbewußtsein, sowie Karl Holl, Luthers Urteile u¨ber sich selbst), und die erste Ausgabe von Luthers gesammelten Schriften, die Frobenschen Ausgabe, bezeichnete ihn im Vorwort als neuen Daniel (vgl. Helmar Junghans, Der junge Luther und die Humanisten, S. 299). 493 Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 190. 494 Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 191. 495 Vgl. Cum duplicantur, unfol.: „Was vormahl Israel zum Sprichwort angenommen / Das ist ein trefflicher Nachsinnens werther Satz: Wenn alle Hu¨lffe aus so muß ein MOSES kommen / Der dem bedra¨ngten Volck verschaffe Lufft und Platz. Ohn Zweiffel hat es zu Gemu¨the wollen fu¨hren / Wie wunderbahr und wie gewiß die Rettung sey Des ho¨chsten wann die Noth sich la¨st am meisten spu¨hren / So reisse unverhofft der Drangsahl Strick entzwey.“ Ein weiterer Vergleich Luthers mit einer biblischen Gestalt findet sich bei Johann Christoph Pfaff, der Luther in seiner Jubelpredigt den „anderen Nehemiam“ nennt (Christliche Predigt, S. 4).

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fu¨r sein gesamtes Werk bildete,496 aber auch Luthers Bekennermut sowie die Reichweite seines Werkes.497 Mit gewissem Stolz weist Wernsdorf darauf hin, daß die Universita¨t Wittenberg das Bild des Apostels Paulus in ihrem Siegel tra¨gt.498 Doch verzichten die Verfasser auf die typologische Interpretation der Gestalt des Paulus als Vorbild fu¨r das Auftreten Luthers, wie sie im 17. Jahrhundert u¨blich gewesen war; eine Deutung, die sich sehr wohl auf das apostolische Selbstbewußtsein Luthers ha¨tte stu¨tzen ko¨nnen.499 Der Vergleich Luthers mit Jesus Christus, den Wernsdorf anstellt, beschra¨nkt sich auf den Nachweis, daß Luther selbst am Vorbild Jesu gemessen recht gelehrt habe.500 Der schematischen Vorgehensweise zu folgen, mit der Wernsdorf diesen Nachweis gefu¨hrt hat, du¨rfte den Ho¨rern schwergefallen sein, aber am Ende dieses za¨hen Vergleichs ließ sich dafu¨r doch das Urteil der Ju¨nger u¨ber Jesu Lehre uneingeschra¨nkt auf Luther u¨bertragen: „Wir wissen / daß du wahrhafftig bist / und lehrest den Weg Gottes recht“ (Mt. 2216).501 Gegenu¨ber derart zuru¨ckhaltenden Deutungen nimmt sich die Schrift von Johann Ludwig Boye „De cognomentis Lutheri“ wie ein Relikt aus den vergangenen Tagen des 17. Jahrhunderts aus. Als Replik auf Arnolds Kritik hatte Boye alle wichtigen Wu¨rdetitel und Pra¨dikationen Luthers zusammengestellt, die in den vergangenen zwei Jahrhunderten verwendet 496 Posners Schilderung von Luthers Lebenswende und dessen Eintritt in das Kloster erinnert an die Bekehrung des Paulus. Posner und andere Verfasser sehen die Parallele vor allem in der unmittelbaren Wirkweise Gottes an einem auserwa¨hlten Menschen, sowie in der heilsgeschichtlichen Bedeutung, die beiden Bekehrungen zukommt. (Caspar Posner, De divinitate, S. 16). 497 Eine Jubilaums-Medaille aus Worms zeigt Luther vor dem Reichstag zu Worms und ¨ deutet den Auftritt mit einem Wort aus Ps. 11946 („Ich rede von deinen Zeugnissen vor Ko¨nigen“); vgl. Hil. Ev. III, Tab. XII, Nr. 10. 498 Gottlieb Wernsdorf, Jubel-Groschen, S. 7. 499 Zu Luthers apostolischem Selbstverstandnis, das sich nach dem Wormser Reichstag ¨ ausbildete: Timothy Wengert, Martin Luther’s Movement toward an Apostolic Self-Awareness, sowie Karl Holl, Luthers Urteile u¨ber sich selbst, S. 405 f. 500 Vgl. Gottlieb Wernsdorf, Jubel-Groschen, S. 18 ff heißt es: Jesus lehrte recht a) qua rem (das heißt: a) dogmatice, b) exegetice, c) paraenetice, d) polemice, e) homiletice, f) casuistice) und b) qua modum (das heißt: a) o¨ffentlich, b) eiferig und ernstlich, c) fleißig und unabla¨ßig). Eben dieses ko¨nne auch von Luther behauptet werden. 501 Gottlieb Wernsdorf, Jubel-Groschen, S. 30; aufgenommen ist der Predigtgedanke in einer Wittenberger Jubila¨ums-Medaille. Diese zeigt auf der Vorderseite Luther neben einem Altar stehend, in der rechten Hand eine Kerze, die linke Hand auf eine auf dem Altar liegende Bibel gelegt; zu seinen Fu¨ßen steht ein Schwan mit einem O¨lzweig im Schnabel. Die Inschrift dieser Vorderseite lautet: WIR WISSEN, DAS DU WARHAFFTIG BIST, U. LEHREST DEN WEG GOTTES RECHT, / U. DU FRAGEST NACH NIEMAND DENN DU ACHTEST NICHT DAS ANSEHEN DER MENSCHEN. An dieser Medaille und der Verbindung zwischen einem auf Christus bezogenen Urteil der Ju¨nger und dem Bildnis Luthers wird deutlich, wie in symbolischen Darstellungen Vergleich und Identifikation Luthers mit Christus verschwimmen. Vgl. Hugo Schnell, Martin Luther und die Reformation, Abb. 171.

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worden waren, um dessen herausragende Stellung zu kennzeichnen.502 Ja, Boye warnt die Lutheraner vor einer zaghaften, unzutreffenden Wertung Luthers die daraus folgen mu¨ßte, wenn die lutherische Theologie sich von der Kritik Arnolds beeindrucken lasse.503 Angesichts der drohenden Verwa¨sserung der konfessionellen Unterschiede bedu¨rfe es profilierter Darstellungen, in denen Luthers heilsgeschichtliche Rolle deutlich herausgearbeitet werde.504 Aber Boye steht mit dieser Auffassung allein. Gerade die von ihm geforderte orthodoxe Luther-Deutung ist es, die in den akademischen Jubila¨umsschriften selten begegnet. Selbst die polemischen Spitzen gegen die ro¨misch-katholische Kirche werden nur gelegentlich herausgekehrt. Dagegen belegen die Vergleiche Luthers mit den biblischen Gestalten die U¨bereinstimmung von Luthers Werk mit dem Willen Gottes. Sie weisen ihn als legitimen Lehrer der Kirche aus, ohne daß seine Funktion typologisch u¨berho¨ht werden mu¨ßte. d) Außerbiblische Weissagungen auf Luther Weiter verbreitet als die typologische Deutung biblischer Texte auf Luther sind historische Weissagungen, welche die bevorstehende Reformation Luthers angeku¨ndigt haben sollen. Auch dabei handelt es sich um eine Gattung von Zeugnissen, die bereits im Zeitalter der Reformation verbreitet war und in der lutherischen Orthodoxie große Bedeutung fu¨r den Nachweis der Legitimation von Luthers Reformation hatte.505 In den Jubila¨umsschriften stehen sie unter der theologischen Pra¨misse, daß Gott nichts Entscheidendes in der Welt- und Heilsgeschichte wirkt, das er nicht zuvor durch Zeichen und Weissagungen anku¨ndigt506 oder verant-

502 Johann Ludwig Boye, De cognomentis Lutheri, S. 2 nennt folgende Titel: Angelus Apocalypticus, Evangelist, Apostolos, Vir Apostolicus, Propheta Germaniae, Elias, Tertius Elias, Currus bzw. Auriga Israelis, Megalander, Theander und Divus. Zur Bedeutung dieser Ehrentitel fu¨r das Luther-Bild im 16. und 17. Jahrhundert: Volkserza¨hlung und Reformation, S. 272 ff. 503 Johann Ludwig Boye, De cognomentis Lutheri, S. 4: „Quando cognomenta illa Luthero, ex affectu amico tribuunt Ecclesiae nostrae Doctores, vel alia illius membra, Principes etiam & status Protestantium, hoc quidem eum in finem non fieri, ut elogiis istis adversarios convertant, ipsimet satis intelligunt. Ast ut in gratiam Papistarum, vel forte rectius Novorum Reformatorum Ecclesiae nostrae, aut Indifferentistarum, ab illis abstineamus, & sensim a zelo pio, Lutheri merita in minimis ponentes, remittamus, hoc quidem nullis persuasionibus a nobis obtinere poterunt: praesertim, cum vel in scriptura fundamentum habeant, vel ob analogiam aut rationem quamcunque aliam, Scriptura nihil contradicente, innocenti plane instituto adhiberi queant.“ 504 Johann Ludwig Boye, De cognomentis Lutheri, S. 15. 505 Johann Gerhard, Loci Theologici, Locus Vicesimus Secundus, Sectio XII / 292. 506 Immanuel Weber, De veritate, S. 3: „Quod magnis arduisque rerum mutationibus cunctis proprium fere atque perpetuum est, ut non repentino atque inexpectato euentu cae-

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wortlichen Perso¨nlichkeiten offenbart.507 Dabei verdichten sich diese Anku¨ndigungen fu¨r Gottes Handeln immer mehr, je na¨her das betreffende Ereignis bevorsteht.508 Angesichts der großen Vera¨nderungen, die das Zeitalter der Reformation mit sich brachte, sei die Anzahl der Tra¨ume und Vorzeichen nicht verwunderlich, die Gott der Reformation vorausgeschickt habe.509 Wie aus dem Fehlen solcher Vaticinia geschlossen werden ko¨nnte, daß Luther nicht von Gott gesandt war,510 so beweist ihr Vorhandensein die Legitimita¨t seiner Reformation.511 Allerdings schra¨nkt Wernsdorf ein: Auch unabha¨ngig von go¨ttlicher Offenbarung ist es mo¨glich, durch aufmerksame Beobachtung der Zeitgeschichte bevorstehende Vera¨nderungen im voraus zu erkennen; manche sogenannte Prophezeiung beruht auf bloßem Zufall, und nicht jede vage Hoffnung eines entta¨uschten Theologen auf eine bessere Zukunft darf als go¨ttlich inspirierte Weissagung der lutherischen Reformation verstanden und zu deren theologischer Legitimation herangezogen werden.512 Doch trotz dieser Einschra¨nkungen erinnern die Jubila¨umsschriften weiterhin an eine große Zahl von Vaticinia Lutheri. Diese lassen sich in drei Gruppen unterteilen: allgemeine Weissagungen aus den Jahrhunderten vor Luthers Geburt, sodann Prophezeiungen, die sich unmittelbar auf Luther als Person bezogen, und schließlich besondere Tra¨ume, die einzelnen Personen zur Voranku¨ndigung von Luthers Reformation zuteil wurden.

cas hominum mentes percellant, sed multo ante, quam contingunt, praesignificentur, id in iis etiam animaduertimus, quae diuiniori, quem DEVS immortalis a cetera mortalium turba segregauit, coetui accidere consueuerunt.“ A¨hnlich heißt es bei Franz Albert Aepin, Reformationis lutheranae opus, S. 13: „Neqve praetermittendum videtur, qvod Reformationis opus non fortuito contigisse deprehenditur, sed ante praedictum: ex qvo de divina ejus directione magis confirmamur magisqve.“ Bernhard von Sanden, Predigten, S. 21. 507 Immanuel Weber, De veritate somnii Friderici Sapientis, S. 16 f. Weber spricht in diesem Zusammenhang von dem besonderen commercium Gottes mit den Regierenden und Herrschenden, eine Formulierung, die den absolutistischen Gedanken des Gottesgnadentums zu implizieren scheint. Zugleich behauptet er, es sei dieses besondere commercium ein Verha¨ltnis zu Gott, das den Regierenden um so eher ermo¨glicht werde, je mehr sie sich durch Heiligkeit und Weisheit auszeichneten. 508 Gottlieb Wernsdorf, De primordiis, S. 10. 509 Caspar Posner, De divinitate, S. 8: „Quemadmodum enim omnia, quae ad Dei cognitionem & cultum pertinent, a se vnice ordinari; neque aliquid ab hominibus demi, vel addiici, Numen aeternum voluit, inque literis diuinis edixit; ita quoties immutare, aut corrigere aliqua circa religionem, placeret; toties voluntatis hoc suae propositum, vel ipse denunciauit sapientissimus Deus; vel virorum piorum vaticiniis, aut portentis quibusdam, praesignificari curauit.“ 510 Johann Franz Buddeus zahlt das Vorhandensein derartiger Prophezeiungen zu den ¨ unverzichtbaren Merkmalen einer von Gott legitimierten Reformation. (Ders., De characteribvs, S. 16f). 511 Johann Ernst Schaper, Hil. Ev. II, S. 77b (Oratio de Divinatione Pontificiorum). 512 Gottlieb Wernsdorf, De primordiis, S. 18 ff.

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Darstellung und Beurteilung der Kirchengeschichte

Aus der ersten Gruppe von Vaticinia sind einige weit verbreitet, andere weitgehend unbekannt. Als a¨ltestes Vaticinium dieser Art ist ein Chronostichon513 in den Eingangsworten des ambrosianischen Lobgesangs anzusehen, in dem es heißt: „tIbI CherVbIn, et SeraphIn InCessabILI VoCe proCLamant.“ Dieses Chronostichon, so die Deutung, ku¨ndigte fu¨r 1517 den Jubel u¨ber Luthers Thesenanschlag bei den himmlischen Heerscharen an, wobei Aepin es zu den unsicheren Vorhersagen za¨hlt, denen kein gro¨ßeres Gewicht beizulegen ist.514 In die Reihe der weniger bekannten, gleichfalls unsicheren Prophezeiungen geho¨rt eine Kaiser Friedrich I. Barbarossa zugeschriebene Prophezeiung. Von ihm heißt es, er habe fu¨r den von ihm in Innichen (Su¨dtirol) erbauten Dom die Bu¨ste eines Mo¨nchs anfertigen und mit dem Namen „Lutherus“ beschriften lassen.515 Fu¨r Bernhard von Sanden war der Sinn dieser Bu¨ste eindeutig: „Was solte den Kayser dazu bewogen haben / wenn nicht GOtt dabey seine Hand gehabt ha¨tte / der also des Lutheri Nahmen / wie dort des Cyri, (Es. XLV. 1) ehe er noch gebohren / etliche 100. Jahr vorher hat offenbahren wollen.“516 Weiter verbreitet waren Weissagungen fu¨r das Auftreten Martin Luthers, die Johannes Hus und Hieronymus von Prag zugeschrieben wer-

513 Auf die Unmenge der Chronosticha, die anlaßlich des Jubilaums ersonnen bzw. „ent¨ ¨ deckt“ wurden, wird im folgenden nicht weiter eingegangen. Sie finden sich in den Titeln von Dissertationen und anderen Druckschriften, in den Inschriften von Jubila¨ums-Medaillen und natu¨rlich in ausgewa¨hlten Bibeltexten. So hat Joachim Negelein eigens fu¨r das Jubila¨um 200 Psalm-Verse zusammengestellt, die allesamt auf das Jahr 1717 hinweisen (Ders., Davidisch-Evangelisches Dank- und Jubel-Opffer). Das am weitesten verbreitete Chronostichon steht in enger Beziehung zu Luther: „MartInVs LVtherVs theoLogIae DoCtor“ Abgesehen von seinem Bezug auf Luther beruht die Beliebtheit des Chronostichons auf seiner Variabilita¨t fu¨r andere Jahreszahlen, so daß es sich in leicht abgewandelter Form ebenso auf die Jahre 1517, 1617, 1817, 1917 bis auf das Jahr 10017 anwenden ließ. (Vgl. Johann Georg Liebknecht, Hil. Ev. II, S. 54 f, Anmerkung h). Zugleich wurde auf diese Weise eine weit verbreitete Kritik am Jubila¨um von 1617 beantwortet. Diese lautete, das von den Protestanten fu¨r das Jubila¨um 1617 zitierte Chronostichon im Namen Luthers „MartInVs LVtherVs theoLogIae D.“ habe wohl auf das Jubila¨um hingewiesen, sei aber zugleich Hinweis darauf gewesen, daß es nur dieses eine Jubila¨um, eben das von 1617, geben werde. 514 Gottfried Hoffmann, Examen disputationis, S. 20. Gottlieb Wernsdorf, De primordiis, S. 42. Kritisch a¨ußert sich Franz Albert Aepin, Reformationis lutheranae opus, S. 14: „Hujusmodi namqve inventis, qvibus forte & alia addi possent, parum probandi virium inesse lubenter largimur.“ 515 So berichtet es Paracelsus in seiner Geschichte Karntens. Dort heißt es uber Bar¨ ¨ barossa: „Und damit ich euch eines Wunderwerks unterricht, hat derselbig Barbarossa Der Gross den Stift Ingingen mit etlichen Bildern geziert, in Stein gehauen auf mancherlei Gestalt, unter welchen Bildern ein Bild gehauen ist worden in Gestalt eines Mo¨nchs mit einer gegu¨rtelten Gu¨rtel und bloßem Kopf, wie die Mo¨nch pflegent, und ob desselbigen Haupt mit großen Buchstaben auf die Weis Lvterus geschrieben, welches wohl etlichs Teils vom Wetter und Alter nicht leicht erkenntlich, man sehe es dann wohl an. Was solchen vor ein praesagium sei, mag ein jeder bei ihm wohl ermessen.“ (Zitiert nach: Theophrast von Hohenheim genannt Paracelsus, Die Ka¨rtner Schriften, S. 21 f.) 516 Bernhard von Sanden, Predigten, S. 105.

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den. An erster Stelle steht ein Ausspruch, den Johannes Hus kurz vor seiner Verbrennung getan haben soll, in dem es hieß: „Heute bratet ihr eine Gantz / . . . u¨ber hundert Jahr wird kommen ein Schwan / den werdet ihr wohl ungebraten lassen.“517 Luther selbst hatte diese ihm bekannte Weissagung auf sein Auftreten bezogen,518 und sie geho¨rte seit dem Zeitalter der Reformation zum festen Bestandteil der orthodoxen Luther-Deutung. Eine zweite Weissagung wird Hieronymus zugeschrieben, der vor seinem Tod angeku¨ndigt haben soll, er werde seine Richter nach einhundert Jahren fu¨r ihr Tun zur Rechenschaft ziehen.519 Beide Weissagungen galten als erfu¨llt, weshalb einige Jubila¨umsschriften Luthers reformatorische Anfa¨nge nicht erst auf den Zeitpunkt des Thesenanschlags im Jahre 1517, sondern schon auf seine A¨ußerungen in den Jahren 1515 und 1516, also exakt 100 Jahre nach dem Tod der beiden bo¨hmischen Theologen, datierten.520 Die Frage nach der Echtheit dieser Prophezeiungen stellte sich nur insofern, als bei der zweiten Prophezeiung umstritten war, ob sie Hus oder Hieronymus zuzuschreiben war: An ihrem Wahrheitsgehalt gab es keinen Zweifel.

517 Zitiert nach: Bernhard von Sanden, Predigten, S. 20. Ebenfalls erwahnt wird diese ¨ Weissagung bei: Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 366; Gottlieb Wernsdorf, De primordiis, S. 13. Von Sanden, Unterricht, Frage 35. Matthias Kortholt, Hil. Ev. II, S. 58a (De Luthero); Ders., Illuminare, S. 7. Zur Traditionsgeschichte dieser und der nachfolgend geschilderten Prophezeiungen der bo¨hmischen Theologen Hus und Hieronymus von Prag vgl. den grundlegenden Aufsatz von Adolf Hauffen, Husz eine Gans – Luther ein Schwan, sowie unter den neueren Darstellungen Volkmar Joestel, Die Gans und der Schwan, sowie Siegfried Hoyer, Luther, Hus und „die Bo¨hmen“. Die breite Akzeptanz des Motivs zeigt sich in dessen ha¨ufiger Verwendung in ikonographischen Darstellungen, die anla¨ßlich des Jubila¨ums angefertigt wurden. Als ein Beispiel von vielen fu¨r die Verwendung der Symbole von Gans und Schwan als Sinnbildern fu¨r die Verbindung von Hus und Luther kann eine Medaille aus Hamburg dienen. Diese zeigt auf der Vorderseite eine aufgespießte Gans, die u¨ber einem Feuer verbrannt wird. U¨ber diesem Bild steht: POST CENTUM, und im Abschnitt unter dem Bild: IOH. HUS. REF. / MCDXII VII. IUN. / CREM. MCDXV. VI. IUL.’/ V.H. Auf der Ru¨ckseite ist ein schwimmender Schwan abgebildet, u¨ber dem die Inschrift zu lesen ist: NON ASSANDUS. Und im Abschnitt darunter ist eingepra¨gt: D. MART. LVTHERVS. REF. / MDXVII. XXXI. OCTOB. / PLAC. MDXLVI. / XVIII. FEB. / H. W. (vgl. Hugo Schnell, Martin Luther und die Reformation, Abb. 144). 518 WA 30, 3, 387 6–10 (Glosse auf das vermeinte kaiserliche Edict. 1531): „S. Johannes Hus hat von mir geweissagt, da er aus dem gefengnis ynn behemerland schreib, Sie werden itzt eine gans braten (denn Hus heisst eine gans) Aber uber hundert iaren, werden sie einen schwanen singen horen, Den sollen sie leiden, Da solls auch bey bleiben, ob Gott wil.“ Zu weiteren Bezugnahmen Luthers auf diese Weissagungen: Volker Joestel, Die Gans und der Schwan, S. 10. 519 Gottlieb Wernsdorf, De primordiis, S. 14. Caspar Posner, De divinitate, S. 11; Bernhard von Sanden, Predigten, S. 20. 520 Caspar Posner legte so großen Wert auf die Einhaltung der Differenz von genau 100 Jahren, daß er stillschweigend den Tod Hus auf das Jahr 1416 und den Beginn von Luthers o¨ffentlicher Wirksamkeit vor den Ablaßstreit datierte. (De divinitate, S. 10).

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Darstellung und Beurteilung der Kirchengeschichte

An ein drittes Vaticinium der bo¨hmischen Theologen erinnert Wernsdorf. Es handelt sich um ein Traumbild, das Hus wenige Tage vor seinem Tod hatte und das seine Freunde als Symbol dafu¨r gedeutet hatten, daß Gott ihre Reformideen zu seiner Zeit vollenden werde, selbst wenn sie in der Gegenwart ausschließlich auf Widerstand stießen.521 In einer verku¨rzten und auf die Gestalt Luthers gedeuteten Version nimmt Wernsdorf dieses Traumbild auf: Eines Nachts habe Hus sich in seiner Prager Kirche gesehen und sich dabei zugesehen, wie er, dem Brauch der Zeit entsprechend, Bilder an Wa¨nde und Fenster der Kirche malte. Diese seien, ohne daß Hus es verhindern konnte, von den Priestern und Mo¨nchen der Kirche sofort wieder u¨bertu¨ncht worden. Bald darauf sei eine zweite Gestalt erschienen, um die von Hus gefertigten und zwischenzeitlich u¨bermalten Bilder zu erneuern. Diese zweite Gestalt habe die Bilder mit solcher Leuchtkraft versehen, daß alle weiteren Versuche, sie erneut zu u¨bertu¨nchen, scheiterten. Diese zweite Gestalt, so Wernsdorf, kann als Hinweis auf das Werk Luthers gedeutet werden, der wesentliche Anliegen der bo¨hmischen Reformer aufnahm und zu dauerhafter Geltung brachte.522 Angesichts der mehrfachen Bezugnahme auf Hus und Hieronymus von Prag, sowie ihrer Nennung in der Reihe der mittelalterlichen Vorreformatoren523 fa¨llt auf, daß ihre perso¨nliche Wu¨rdigung im einzelnen und die Aufnahme ihrer theologischen Anliegen durch die Reformatoren nahezu unbeachtet bleibt.524 Wernsdorf erinnert wenigstens daran, daß Luther im Verlauf der Leipziger Disputation erstmals die Verwandtschaft seiner theologischen Anliegen mit denjenigen von Hus bewußt wurde,525 aber worin diese Verwandtschaft bestand, erla¨utert er nicht. Hus und Hieronymus von Prag waren fu¨r Wernsdorf allein in ihrer auf Luther hinweisenden Funktion wichtig, theologisches oder historisches Eigengewicht billigte er ihnen nicht zu, schon gar nicht im Sinne einer theologischen Vorbereitung der Reformation Luthers. Mit dem Mo¨nch Johann Hilten aus Eisenach (ca. 1425–1500) nennen die Jubila¨umsschriften einen weiteren, im Luthertum bekannten Propheten der Reformation, auf den zwei Vorhersagen der bevorstehenden Re-

521 Die vollstandige Fassung des Traums und seiner Deutung vgl. bei Franciscus Palac¨ ky, Documenta Mag. Joannis Hus, S. 93 f (Briefe Nr. 52 und 53). 522 Gottlieb Wernsdorf, De primordiis, S. 24. Die Abweichungen bei der Darstellung des Traums durch Wernsdorf von der auf Hus zuru¨ckgehenden Fassung du¨rfte in Wernsdorfs Interesse begru¨ndet sein, die Prophezeiung auf die Person Luthers beziehen zu ko¨nnen und sie nicht als unspezifische Anku¨ndigung des Kommens eines zuku¨nftigen Reformators stehenlassen zu mu¨ssen. Auch in anderen Einzelheiten weicht seine Darstellung von der Fassung des Traums ab, wie Hus ihn geschildert hatte. An den Vera¨nderungen wird das eigentliche Interesse Wernsdorfs deutlich: ihm geht es um den Nachweis der historischen und heilsgeschichtlichen Beziehung zwischen Hus und Luther. 523 Vgl. Kapitel 4.1. 524 U ¨ ber Luthers Verha¨ltnis zu Hus: Walter Delius, Luther und Huß. 525 Gottlieb Wernsdorf, De progressu, S. 31 f.

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formation zuru¨ckgehen. Zum einen habe Hilten wa¨hrend seiner Kerkerhaft in Luthers Geburtsjahr eine Reformation der Kirche als solche und das Jahr 1516 als Zeitpunkt fu¨r deren Beginn vorhergesagt.526 Zudem habe Hilten in einer zweiten Prophezeiung das Papsttum als Ziel der Reformation und einen Mo¨nch als deren treibende Kraft angeku¨ndigt.527 Dieses zweite Vaticinium erfreute sich im Luthertum großer Beliebtheit, da es durch die Autorita¨t Melanchthons verbu¨rgt war, der es durch die Erwa¨hnung in der Apologie der Augsburgischen Konfession bekannt gemacht hatte.528 Unsicher war die zweite Tradition, derzufolge die Inschrift hinter einem Altar-Bild des Heiligen Sebastian im Eisenacher AugustinerKloster auf Hilten zuru¨ckzufu¨hren sei, die auf eine Reformation im Jahr 1520 hinwies.529 Getreu der Pra¨misse, daß die Menge der Vaticinia sich mit zeitlicher Na¨he des von Gott angeku¨ndigten Ereignisses mehre, hat Wernsdorf einen ganzen Reigen von derartigen Weissagungen aus dem ausgehenden 15. Jahrhundert zusammengetragen. Von Wessel Gansfort berichtet er, dieser habe J. Ostendorp verheißen, er werde nicht sterben, bevor die Lehren des Thomas von Aquin, Bonaventuras und anderer Irrlehrer aus der Kirche verbannt seien.530 Geiler von Keisersberg soll, Wernsdorf zufolge, seine Kritik am Verfall der kirchlichen Sitten und dem Bedeutungsverlust der Bibel mit der Weissagung abgeschlossen haben, es werde durch Gottes Gabe zu einer Erneuerung der Kirche kommen.531 Sebastian Brant habe vorhergesagt, die Erneuerung der Kirche werde in na¨chster Zukunft aus einer Hinwendung zur Heiligen Schrift erwachsen,532 und Andreas Proles, unter dessen Kanzel Luther bereits gesessen haben soll, habe die Notwendigkeit der Reformation betont und deren baldigen Beginn angeku¨ndigt.533 Savonarola wird die Prophezeiung zugeschrieben, bald nach seinem Tod werde ein Doktor auftreten, um die Mißsta¨nde in der ro¨mischen Kirche zu beheben. Diesem werde niemand widerstehen, er werde die Bibel wieder ans Licht bringen und die Menschen zur Wahrheit des Evangeliums bekehren. Diese Weissagung habe sich, so die Auf526 Matthias Kortholt, Hil. Ev. II, S. 62b (De Luthero); Caspar Posner, De divinitate, S. 11; Franz Albert Aepin, Reformationis lutheranae opus, S. 16. 527 Gottlieb Wernsdorf, De primordiis, S. 16; Bernhard von Sanden, Predigten, S. 105. 528 BSLK, S. 377, 1 ff. A ¨ hnliche Belege finden sich auch bei Luther selbst, der verschiedentlich auf Hilten rekurriert hat (vgl. Bernhard Lohse, Luthers Theologie, S. 44). Zu den Hilten zugeschriebenen Vaticinia vgl. Volker Leppin, Antichrist und ju¨ngster Tag, S. 145 f. 529 Bernhard von Sanden, Predigten, S. 21. 530 Gottlieb Wernsdorf, De primordiis, S. 15. Matthias Kortholt, Hil. Ev. II, S. 62b (De Luthero); Friedrich Andreas Hallbauer, Ecclesia Lutherana, S. 1. 531 Gottlieb Wernsdorf, De primordiis, S. 16. Friedrich Andreas Hallbauer, Ecclesia Lutherana, S. 1. 532 Gottlieb Wernsdorf, De primordiis, S. 16. Friedrich Andreas Hallbauer, Ecclesia Lutherana, S. 1. 533 Gottlieb Wernsdorf, De primordiis, S. 17. Bernhard von Sanden, Predigten, S. 21. Friedrich Andreas Hallbauer, Ecclesia Lutherana, S. 1.

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Darstellung und Beurteilung der Kirchengeschichte

fassung der Jubila¨umsschriften, im Werk Luthers erfu¨llt.534 Als besonderer Hinweis auf Luther galt die (historisch falsche) Behauptung, Savonarola sei in eben dem Jahr gestorben, in dem Luther geboren wurde.535 Die zweite Gruppe von Vaticinia beinhaltet Vorhersagen, in denen die geweissagte Reformation unmittelbar mit Luther als Person in Verbindung gebracht wurde. Das a¨lteste derartige Vaticinium berichtet von einem alten Mo¨nch, der Luther wa¨hrend seines Studiums auf dessen Krankenlager mit den Worten getro¨stet hatte: „Mein Baccularie / seyd getrost / ihr werdet dis Lagers nicht sterben / unser GOtt wird noch einen grossen Mann aus euch machen / der viel Leut wieder tro¨sten wird.“536 Bekannter und wiederum durch Melanchthon verbu¨rgt sind die auf Martin Mellerstadt, den ersten Rektor der Universita¨t Wittenberg, zuru¨ckgehenden Vaticinia: u¨ber Luther hatte er geurteilt, dieser sei so reich an Geist und Begabung, daß er das ganze Schul- und Kirchenwesen reformieren werde.537 Zudem hatte Mellerstadt das Jahr 1510 als Anfangsjahr der Reformation vorhergesehen.538 Erga¨nzend werden verschiedene Ausspru¨che, die Luthers Mentor Staupitz wa¨hrend dessen Klosterzeit und im Vorfeld der Promotion zum Doktor der Theologie getan hatte, als Weissagungen der kommenden Reformation bezeichnet.539 Die dritte Gruppe von Voraussagen bilden Traumbilder, in denen Gott ausgewa¨hlten Menschen die bevorstehende Reformation angeku¨ndigt haben soll. Ein derartiges Traumbild hatte Friedrich Myconius nach seinem

534 Ausfuhrlich erwahnt wird diese Weissagung nur bei Johann Heinrich Majus, Histo¨ ¨ ria reformationis, S. 390 f. Savonarola als Propheten der Reformation nennen außerdem Matthias Kortholt, Hil. Ev. II, S. 62b (De Luthero). Franz Albert Aepin, Reformationis lutheranae opus, S. 14. Gottlieb Wernsdorf jedoch, der eine ansonsten beachtliche Liste von Prophezeiungen fu¨r die Reformation Luthers zusammengestellt hat, za¨hlt Savonarola ausdru¨cklich nicht in diese Reihe: seine Weissagung sei falsch u¨berliefert und ko¨nne mit den Vera¨nderungen, wie Luthers Reformation sie bewirkt habe, nicht in Verbindung gebracht werden. (Ders., De primordiis, S. 17 f). 535 Vgl. Hans-Jurgen Scho ¨ nsta¨dt, Antichrist, Weltheilsgeschehen und Gottes Werk¨ zeug, S. 299. Auch bei Johann Gerhard findet sich noch diese Datierung von Savonarolas Todesjahr (Ders., Loci Theologici, Locus Vicesimus Secundus, Sectio XII / 292). Bei Johann Heinrich May ist das Todesjahr stillschweigend korrigiert, freilich ohne die Aussage der Prophezeiung als solche in Frage zu stellen. 536 Zitiert nach: Franz Albert Aepin, Reformationis lutheranae opus, S. 17. Matthias Kortholt, Hil. Ev. II, S. 62b (De Luthero). 537 Gottlieb Wernsdorf, De primordiis, S. 21. Caspar Posner, De divinitate, S. 12. Bernhard von Sanden, Unterricht, Frage 11. Franz Albert Aepin, Reformationis lutheranae opus, S. 17. Johann Ernst Schaper, Hil. Ev. II, S. 77b (Oratio de Divinatione Pontificiorum); Friedrich Andreas Hallbauer, Lutherus, S. 17. Das Zitat bei Melanchthon vgl. CR 6, S. 160. 538 Matthias Kortholt, Hil. Ev. II, S. 62b (De Luthero); Albrecht von Krackewitz, Oratio Secularis, S. 92v. 539 Gottfried Meier, De doctoratu, S. 5. Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 416. Franz Albert Aepin, Reformationis lutheranae opus, S. 17 f. Bernhard von Sanden, Predigten, S. 102 f; Caspar Posner, De divinitate, S. 12

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Eintritt in das Kloster Annaberg, in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 1512. Dabei habe er ein gewaltiges Weizenfeld vor sich gesehen, das abgeerntet werden sollte. Eine Gestalt vom Aussehen des Apostels Paulus habe ihn zur Erntearbeit herangezogen und zu einem bereits ta¨tigen Erntearbeiter am Anfang des Feldes gefu¨hrt. Dieser zweite Erntearbeiter habe dem Apostel so sehr gea¨hnelt, daß beide Gestalten kaum auseinanderzuhalten waren. Voll Freude habe die zweite Gestalt Myconius angelernt und mit ihm gemeinschaftlich die Erntearbeit fortgesetzt. Myconius selbst berichtete, er habe sich schnell an die Arbeit gewo¨hnt und bald seien weitere Erntearbeiter auf das Feld gekommen.540 Zwei weitere Traumbilder werden Friedrich dem Weisen zugeschrieben. Das erste, nur wenig verbreitet, berichtet von einer Himmelserscheinung, die Friedrich der Weise in der Heiligen Nacht 1517 mit seinem Bruder Johann und seinem Neffen Johann Friedrich beobachtet haben soll: Auf einem Feld stehend, ha¨tten sie am hellen Nachthimmel ein großes, purpurstrahlendes Kreuz gesehen; nach kurzem Erschrecken und U¨berlegen sei ihnen klar geworden, daß dieses Zeichen auf bevorstehende Religionska¨mpfe hinweise, in denen das Haus Sachsen eine besondere Rolle spielen werde.541 Weiter verbreitet ist die Voranku¨ndigung von Luthers Auftreten, wie sie im sogenannten „Traum Friedrichs des Weisen“ zum Ausdruck kam. Der Bericht vom „Traum Friedrichs des Weisen“ ist erstmals im ausgehenden 16. Jahrhundert belegt;542 er gewann im Zuge der ersten Sa¨kularfeier des Thesenanschlags im Luthertum große Popularita¨t.543 In den Jubila¨umsschriften von 1717 geho¨rt dieser Traum zu den am ha¨ufigsten zitierten Prophezeiungen u¨berhaupt.544 Dabei handelt es sich urspru¨nglich um drei aufeinander aufbauende Traumbilder, die der Kurfu¨rst auf seinem Schloß Schweinitz in der Nacht vor dem Thesenanschlag gehabt haben soll.545 Das erste Traumbild erza¨hlt von einem dem Apostel Paulus a¨hnlichen

Gottlieb Wernsdorf, De primordiis, S. 24; Ders., Jubel-Groschen, S. 7. Matthias Kortholt, Hil. Ev. II, S. 63a (De Luthero); knapper bei: Gottlieb Wernsdorf, De primordiis, S. 22. 542 Hans Volz, Der Traum Kurfurst Friedrichs des Weisen, S. 203. ¨ 543 Ernst Benz, Der Traum Kurfurst Friedrichs des Weisen, S. 135. ¨ 544 Auf das Traumbild rekurrieren u. a.: Immanuel Weber, De veritate somnii Friderici Sapientis; Gottlieb Wernsdorf, De primordiis, S. 25 f; Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 392 f; Matthias Kortholt, Hil. Ev. II, S. 63a (De Luthero); Joachim Justus Breithaupt, Hil. Ev. II, S. 38a (Oratio secvlaris); Johann Joachim Weidner, Designatio, S. 73; Joachim Lange, Wohl-verdientes Ehren-Geda¨chtniß, S. 44–48; Jacob Carmon, Teutsche Jubel-Rede, 123v. R. W. Scribner beurteilt den Traum und seine weite Verbreitung als „the end product of a process of myth-building around Luther’s person, which began almost as soon as he became a public figure.“ (Ders., Luther Myth, S. 303). 545 Zum Motiv und seiner Verbreitung vgl. Hans Volz, Der Traum Kurfurst Friedrichs ¨ des Weisen; eine ausfu¨hrliche Deutung der Traumbilder bietet Ernst Benz, Der Traum Kurfu¨rst Friedrichs des Weisen. 540 541

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Mo¨nch, der in Begleitung aller Heiligen den Kurfu¨rsten um die Erlaubnis bat, etwas an die Schloßkirche in Wittenberg schreiben zu du¨rfen. Nach erteilter Erlaubnis habe der Mo¨nch dort so deutlich geschrieben, daß die Schrift im Schloß Schweinitz zu lesen war. Der Kiel seiner Feder habe bis nach Rom gereicht und beim Schreiben dem Papst nahezu die Tiara vom Kopf gestoßen. Im zweiten Traumbild habe der von der Feder vexierte Papst die Gestalt eines Lo¨wen angenommen (gemeint ist Papst Leo X.) und mit seinem Gebru¨ll die Stadt Rom, das ganze Reich und die Reichssta¨nde zusammengerufen, sie mo¨chten den Mo¨nch am Schreiben hindern. Das dritte Traumbild zeigte die vergeblichen Versuche der Sta¨nde, die Feder des Mo¨nchs zu zerbrechen; dieser erkla¨rte, er habe die besondere Feder von einer bo¨hmischen Gans (Hus) bekommen, sie verliere niemals an Kraft, auch wenn sie lange Zeit nicht benutzt worden sei. Bald danach, so endet das dritte Traumbild, seien in Wittenberg aus der einen Feder viele weitere Federn erwachsen. In ihrer urspru¨nglichen Fassung sind die Traumbilder mit einer Rahmenerza¨hlung versehen, die fu¨r ihre Historizita¨t bu¨rgen soll; eine Deutung der Traumbilder unterbleibt.546 Nur wenige Jubila¨umsschriften geben den Traum ausfu¨hrlich wieder. Gleichwohl zeigt die ha¨ufige Erwa¨hnung und zumal die Verwendung des Motivs auf den Jubila¨umsmedaillen, welche Bedeutung man ihm zuerkannte.547 Mit den Zweifeln an der Echtheit der Traum-U¨berlieferung bescha¨ftigt sich die Rede „De veritate somnii Friderici Sapientis“ des Wittenberger Studenten Immanuel Weber. Darin verteidigt Weber die Zuverla¨ssigkeit der U¨berlieferung unter Verweis auf M. Ho¨e und J. Olearius.548 Die U¨berlieferung sei echt und alt, aber erst viel spa¨ter bekannt geworden, weil angesichts der schwa¨rmerischen Umtriebe in den ersten Jahren der Reformation ein von Luther approbiertes Traumbild die Verwirrung unno¨tig vergro¨ßert ha¨tte, ohne der Reformation zu dienen.549 Zu einem gegenteiligen Ergebnis kommt Heumann, der die U¨berlieferungsgeschichte der „Fabula de somnio Friderici Electoris“ akribisch nachzeichnet und sie – allein der historischen Wahrheit verpflichtet550 – als Erfindung des fru¨hen 17. Jahrhunderts entlarvt. Die Kritik Heumanns ist aber keinesfalls als Bruch mit der Tradition zu verstehen, biblische und außerbiblische Prophezeiungen auf Luthers als Beleg fu¨r die Legitimita¨t seines Werkes zu

546 Die vollstandige Fassung der ursprunglichen Traumerzahlung ist wiedergegeben bei ¨ ¨ ¨ Hans Volz, Der Traum Kurfu¨rst Friedrichs des Weisen, S. 177–181. 547 Fur die Verwendung des Motivs auf den Jubilaumsmedaillen spricht auch, daß sich ¨ ¨ dieses Motiv sehr viel besser fu¨r eine bildliche Darstellung als fu¨r eine ausfu¨hrliche Erza¨hlung eignete. 548 Immanuel Weber, De veritate somnii Friderici Sapientis, S. 11 f. 549 Immanuel Weber, De veritate somnii Friderici Sapientis, S. 20 f. 550 Christoph August Heumann, De Luthero apocalyptico, S. 104: „Nolim igitur hoc arroganter a me factum quisquam existimet, quod magnorum virorum crudelitatem pro mea simplicitate noto. Valeat illud Aristotelis: Amicus Plato, sed magis amica veritas.“

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deuten. Ganz im Gegenteil: Heumann sichert auf diese Weise die Glaubwu¨rdigkeit der vielen anderen Belege fu¨r Luthers Legitimita¨t, die nicht durch einzelne, offensichtlich erfundene Belege diskreditiert werden sollen.551 e) Ergebnis Insgesamt zeichnen die Jubila¨umsschriften ein differenziertes Bild von Leben und Werk Martin Luthers. Auffa¨llig ist, daß biographische Elemente nahezu ausschließlich in Auseinandersetzung mit der polemischen Luther-Darstellung erscheinen, die im ro¨misch-katholischen Bereich ihren Sitz hatte und seit dem Erscheinen von Arnolds „Unpartheyischer Kirchen- und Ketzerhistorie“ innerhalb der protestantischen Luther-Deutung an Einfluß gewann. Die Jubila¨umsschriften nehmen diese Kritik auf, indem sie einerseits Unwahrheiten des ro¨misch-katholischen Luther-Bildes korrigieren und andererseits an Arnolds kritischer Revision des im Protestantismus rezipierten Luther-Bildes anknu¨pfen, wo es no¨tig ist. Auf diese Weise wuchs die Bereitschaft zur Kritik an perso¨nlichen Schwa¨chen Luthers und zur Relativierung seiner Autorita¨t als maßgebender Lehrer des Protestantismus. Daß das Jubila¨um von 1717 zu dieser Vera¨nderung des Luther-Bildes beigetragen hat, zeigt die Studie von Albrecht von Krackewitz. In ihr werden eine ganze Reihe von Kritikpunkten an Luther beru¨cksichtigt und kategorisch zuru¨ckgewiesen, bisweilen aber auch zur Korrektur des vorherrschenden Luther-Bildes benutzt. Ein wesentlicher Beitrag dieser Schrift besteht in der strengeren Trennung zwischen Person und Werk Luthers, die es von Krackewitz ermo¨glicht, trotz notwendiger Kritik an der Person Luthers an der unbestrittenen Autorita¨t seines theologischen Werkes festzuhalten.552 U¨berdies verzichtet er auf eine theologische und heilsgeschichtliche U¨berho¨hung der Person Luthers, von der die LutherDeutung der ersten Sa¨kularfeier bestimmt war. Dadurch wird es von Krackewitz ebenso wie anderen Verfassern mo¨glich, Schwa¨chen in Luthers Theologie und seinem perso¨nlichen Auftreten zu benennen, ohne seine herausragende Bedeutung ga¨nzlich in Frage zu stellen. Als zweites fa¨llt an den Jubila¨umsschriften auf, welch große Rolle der Frage nach Luthers Legitimita¨t als Reformator der Kirche und damit nach der Legitimita¨t der auf seine Reformation zuru¨ckgehenden lutherischen Kirche beigemessen wird. Die Menge biblischer, vor allem aber historischer Prophezeiungen, die von den Jubila¨umsschriften herangezogen wer-

551 Christoph August Heumann, De Luthero Apocalyptico, S. 115 f. A ¨ hnlich: R.W. Scribner, Luther myth, S. 312. 552 Albrecht von Krackewitz, De Luthero.

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den, haben ja den gleichen Zweck wie die Ausfu¨hrungen zur Rechtma¨ßigkeit von Luthers kirchlicher Berufung oder zur Wunderfrage. Wie mit dem Nachweis von Luthers legitimer Berufung durch die Kirche sein theologisches Lebenswerk und damit die Entstehung der lutherischen Kirche legitimiert wird, so weisen die Prophezeiungen auf den go¨ttlichen Ursprung der von Luther maßgeblich beeinflußten historischen und theologischen Entwicklung hin. Indem die lutherische Kirche fu¨r die Legitimita¨t ihres Begru¨nders streitet, ka¨mpft sie um ihr eigenes Existenzrecht, das sich daraus ableitet. Ihr Anspruch, Teil der ecclesia vera zu sein, wa¨hrend die ro¨misch-katholische Kirche der ecclesia falsa zugerechnet werden muß, steht und fa¨llt mit dem Nachweis von Luthers Zugeho¨rigkeit zu dieser ecclesia vera und der Legitimita¨t seiner go¨ttlichen Berufung. Eigene Erwa¨hnung verdient der im Nachklang des Jubila¨ums erhobene Vorwurf, Luther sei anla¨ßlich der Jubelfeier von 1717 mehr verehrt worden, als alle Heiligen der ro¨misch-katholischen Kirche zusammen.553 Tatsa¨chlich la¨ßt sich na¨mlich in Einzelfa¨llen der Vorwurf erheben, die Verehrung des protestantischen Heiligen Luther habe den Blick fu¨r das Wirken Gottes in der Reformation verstellt, hieß es doch zum Beispiel in der Einladung zur Jubila¨umsfeier an der Universita¨t Helmstedt: „Sancte in primis a nobis colendus est acerrimus doctrinae sincerae adsertor, ac propugnator, Martinus Lutherus, ille contra sentientium terror, ac fuga, cuius nomen omnia respuit praeconia, quia eminet super omnia“554 Auch die u¨berma¨ßige Reverenz fu¨r das Exemplar eines von Luther perso¨nlich benutzten Katechismus im Zusammenhang der Rostocker Feierlichkeiten geho¨rt zu den Auswu¨chsen der Luther-Verehrung des Jahres 1717. Und selbst Albrecht von Krackewitz in Rostock, der an anderer Stelle vor einer Heiligen-Verehrung Luthers gewarnt hatte, erkla¨rte die Wendung „Sanctus Lutherus“ oder „Divinus Lutherus“ fu¨r angemessen.555 Von einer kri-

553 Johann Bernhard Ju ¨ ngling, Argumenta idonea, S. 3 f: „Plurimi enim in eo satisfactum Jubilaeo aestimant, si vel in templis Lutheri laudem ad coelum usque efferri audiunt, vel quod longe pejus, commessationibus ludisque tempus illud optime celebratum putant, quo ardentissimae grates pro tantis beneficiis fundendae essent, ut de illo taceam, quod inconsideratus saepe concionatorum loquendi modus, tantam de Luthero plebi opinionem faciat, ut eum majoris quam Romanenses omnes suos sanctos faciant, quum tamen nil nisi divinum tanti operis instrumentum fuerit.“ Neuerdings hat R. W. Scribner fu¨r die Fro¨mmigkeitspraxis im fru¨hneuzeitlichen Protestantismus die Na¨he zur Heiligenverehrung im Bereich der ro¨misch-katholischen Kirche postuliert und diese mit zahlreichen Beispielen, u. a. einer von Martin Chladenius herausgegebenen Jubila¨umsschrift aus dem Jahr 1717, verdeutlicht (Ders., Incombustible Luther, S. 323–353). 554 Justus Christoph Bo ¨ hmer, Fasces academici, S. 105: „Ingratissimae forent litterae, nisi venerandae istius lucis reductores, ac defensores, eorumque merita monumentis consecrarent numquam intermorituris. Sancte in primis a nobis colendus est acerrimus doctrinae sincerae adsertor, ac propugnator, Martinus Lutherus, ille contra sentientium terror, ac fuga, cuius nomen omnia respuit praeconia, quia eminet super omnia.“ 555 Albrecht von Krackewitz, De Luthero, S. 46 f. Damit knupft er an eine breite Tradi¨ tion des Heiligen-Gedenkens an, die sich seit dem 16. Jahrhundert im Protestantismus aus-

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tiklosen U¨bersteigerung des Ansehens Luthers im Sinne einer protestantischen Heiligenverehrung kann hinsichtlich der akademischen Jubila¨umsschriften aber keine Rede sein. Tatsa¨chlich bilden diese Beispiele lediglich Ausnahmen in der Menge der akademischen Jubila¨umsschriften, weshalb mit Recht nicht von einem im Rahmen der Jubila¨umsfeiern geu¨bten Luther-Kult gesprochen werden kann. Dieses gilt auch fu¨r die von Justus Schoepffer verfaßte Schrift „Lutherus non combustus“, die Martin Chladenius anla¨ßlich des Jubila¨ums von 1717 mit einem Vorwort versehen und neu ediert hatte. Scribner zieht die Schrift als Beleg fu¨r die von ihm behauptete Heiligenverehrung im Protestantismus des fru¨hen 18. Jahrhunderts heran, der um so ho¨heres Gewicht beizulegen sei, als sie von einem der fu¨hrenden Theologen des zeitgeno¨ssischen Luthertums herausgegeben worden sei.556 Jedoch wollte Schoepffer, wie er in seiner Vorrede betonte, das Wirken der go¨ttlichen Providenz in der Geschichte des Protestantismus zeigen und gerade keinem protestantischen Heiligen-Kult das Wort reden.557 Auch Chladenius warnt in seiner Vorrede vor einem protestantischen Heiligenkult. Die zahlreichen unverbrannten Luther-Reliquien und -sta¨tten, von denen Schoepffer berichtet, bilden lediglich den Anstoß zu der Frage, warum Luther – im Unterschied zu Hus – dem Tod auf dem Scheiterhaufen entgehen konnte; eine Frage, die erneut in das Lob der Vorsehung Gottes fu¨r die besondere Bewahrung Luthers mu¨ndet.558 Diese Unterscheidung zwischen der historischen Gestalt Luthers, die eine ihr aufgetragene Aufgabe ausgefu¨hrt hatte, und Gott, dem Urheber und der bewirkenden Kraft der Reformation, dem die ausschließliche Verehrung gebu¨hrt, ist fu¨r das Jubila¨um von 1717 charakteristisch.559

gebreitet, mit dem ausgehenden 17. Jahrhundert aber wieder verloren hat (Vgl. dazu: Martin H. Jung, Evangelisches Historien- und Heiligengedenken). 556 R. W. Scribner, Incombustible Luther, S. 351–353. 557 Justus Schoepffer, Lutherus non combustus, Praefatio, )()( 2r: „Mearum in praesens partium est, historici sustinere vices, atque Summi Numinis singularem curam & providentiam peculiarem, vel sic demonstrare. Quicunque enim mecum altius considerat egregiam & vere divinam D. Lutheri, ejusque famae & sanioris doctrinae, per integra duo secula, conservationem, quicunque veritatis triumphum, in tam exiguo & infirmo Protestantium coetu, apud animum perpendit, ille omnes providentiae divinae actus facile animadvertet. Non autem hac ratione Lutherum in numerum referimus Sanctorum, non imagines ipsius adoramus, aut idolatriae vitium committimus, neque . . . imagines ex locis divinis exterminamus, sed in illarum tantum mira & divina, in ipso igni, conservatione, solertem coelestis providentiae oculum contemplamur.“ 558 Martin Chladenius, in: Justus Schoepffer, Lutherus non combustus, Vorrede, a3r: „Horum etiam intuitu solo confessores omnium temporum, sigillatim D. Lutherum, veritatem defendisse Evangelicam, nullum est dubium. Martyrem quidem cruentum noluit eum esse divina sapientia, tametsi spineam martyrii coronam cum Christo non defugeret.“ 559 August Hermann Francke, De reformatione academiarum, S. 9. Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 107 f. Johann Conrad Arnold, Monumentum gratiae, S. 23.

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Freilich geht mit dieser Unterscheidung die Hochachtung fu¨r Luther nicht verloren, und seine herausragende Rolle bleibt unbestritten. Wie die zahlreichen Voraussagen fu¨r sein Auftreten und die Vergleiche Luthers mit großen biblischen Gestalten deutlich machen, hat die U¨berzeugung Bestand, Gott selbst habe Luther mit seiner reichen Begabung versehen und mit dem Werk der Reformation beauftragt. Luthers Legitimita¨t als Reformator der Kirche und damit die Legitimita¨t der lutherischen Kirche bleiben von der neuen Akzentuierung unberu¨hrt. Was sich a¨ndert, ist die Funktion, die der Person Luthers im Rahmen dieser Erinnerungskultur zukommt, und die als Wandel von einer Heiligen-Verehrung Luthers, wie Scribner sie fu¨r die zeitgeno¨ssische Volksfro¨mmigkeit560 und Scho¨nsta¨dt fu¨r die offiziellen Verordnungen von 1717561 konstatierten, zum LutherGeda¨chtnis beschrieben werden kann. Gema¨ß dem humanistischen Prinzip „non cultus, sed memoriae gratia“ bemu¨hen sich die Jubila¨umsschriften um Formen des Luther- und Reformationsgeda¨chtnisses, die dem Ereignis der Reformation und der außerordentlichen Bedeutung seiner Person gerecht werden wollen und zugleich Gott als dem eigentlichen Urheber der Reformation die ihm zustehende Ehre geben. In diesem Sinne warnte J. P. Ludewig vor dem Mißbrauch des Jubila¨ums u¨berhaupt,562 und C. H. Rithmeier, Rektor der Universita¨t Helmstedt, verwahrte sich in seiner ersten Anku¨ndigung des Jubila¨ums vor der Unterstellung, die Protestanten wollten Luther mit den Propheten und Aposteln gleichstellen oder ihn zum Haupt einer kirchlichen Partei erkla¨ren.563 Sinn des Jubila¨ums war es nicht, „des Lutheri Lob-Spru¨che zu ha¨uffen“. Luthers Werk weist auf die wunderbare Fu¨hrung Gottes, die ihn zum Reformator werden ließ und andere Menschen in den Dienst seiner Reformation stellte.564 Deutlicher als die u¨brigen akademischen Jubila¨umsschriften hat August Hermann Francke diese Auffassung in seiner Predigt am 7. November in Ober-Sontheim in der Grafschaft Limburg vertreten: Eindringlich stellt er seinen Ho¨rern Jesus Christus als den einzigen Lehrer des Evangeliums vor Augen und ermahnt sie, ihren Blick weg von allen anderen Lehrern allein auf diesen einen Lehrer zu richten.565 Dieser ist es,

Vgl. dazu R. W. Scribner, Incombustible Luther. Vgl. Hans-Ju¨rgen Scho¨nsta¨dt, Reformationsjubila¨um 1717. 562 Johann Peter Ludewig, Dica Ivbileorvm, S. 31: „Qui enim causas secularium feriarum in solius Lutheri nomine ponunt & diuinum opus illius tantummodo meritis, operis ac litteris metiuntur, illi tribuunt optimo uiro, quod ipse sibi non sumpsit. Ab iniuria non absunt eius collegarum & synergorum atque limites iusto angustiores statuunt EVANGELICO iubileo. Deus nobis haec otia fecit. Eius omnia danda sunt prouidentiae ac bonitati; non Paulo, non Apollini aliquid tribuendum, abhorrent uiri diuini a sectis Paulinorum & Apollinistarum.“ 563 Christoph Heinrich Rithmeier, Vorbereitung, S. a3v. 564 Christoph Heinrich Rithmeier, Vorbereitung, S. a4v. 565 August Herrmann Francke, Sonn- und Festtagspredigten, S. 1624. 560 561

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auf den die biblischen Propheten hingewiesen haben,566 alle u¨brigen Lehrer der Kirche sind lediglich dazu bestellt, diesen Christus zu bezeugen und fu¨r die Erhaltung der rechten Glaubens-Lehre zu streiten.567 Beachtenswert ist, daß sich die Jubila¨umsschriften fu¨r ihre Luther-Deutung auf den Reformator selbst berufen: Luther hatte sich bereits zu Lebzeiten gegen die ihm oder anderen Reformatoren zuteilwerdende Hochachtung gewehrt, auch die Tatsache, daß die lutherische Kirche nach ihm genannt wurde, verstieß gegen Luthers Selbstversta¨ndnis, weil dieses die Ehre Gottes schma¨lerte.568 Wesentlich ist die Feststellung, daß die akademischen Jubila¨umsschriften Ansa¨tze zu einer differenzierten LutherDeutung aufweisen. Luther ist fu¨r sie unbestritten die bestimmende Gestalt des reformatorischen Zeitalters. Seine go¨ttliche Sendung wird nicht in Frage gestellt. Doch das Lob, das anla¨ßlich des Jubila¨ums erklingt, ist nicht ein Lob Luthers, sondern das Lob Gottes, der sich eben unter anderem dieses Martin Luthers bedient hatte, um das Licht seines Evangeliums neu zum Leuchten zu bringen: „Theandrum interim, ac Reformatorem a Deo datum, vocatum, donisque diuinis ad hoc opus instructum, & appellamus, & veneramur merito, licet ipsi ac authoritati ipsius nos nequaquam subiiciamus, sed soli Deo eiusque verbo obsequium debitum praestare nouerimus ac didicerimus.“569 August Herrmann Francke, Sonn- und Festtagspredigten, S. 1626. August Herrmann Francke, Sonn- und Festtagspredigten, S. 1627: „Diejenigen, die er [Jesus Christus] zu Unterhirten und Unter-Lehrern hier auf Erden bestellet hat, rufen niemand zu sich selbst; sie wissen wohl, daß sie keines Menschen Heyland seyn ko¨nnen, sie sind Wa¨chter, bestellet auf den Mauren Zions, und rufen; aber keineswegs, daß sie die Menschen zu sich kommen hiessen, nein, sondern sie sind nur Freunde des Bra¨utigams, und rufen die Seelen der Menschen zu dem einigen Bra¨utigam JEsu Christo.“ 568 Fur Luthers personliche Auffassung vgl. WA 8, 685, 4–16 (Eine treue Vermahnung ¨ ¨ zu allen Christen sich zu hu¨ten vor Aufruhr und Empo¨rung. 1522): „Tzum ersten bitt ich, man wolt meynes namen geschweygen und sich nit lutherisch sondern Christen heyssen. Was ist Luther? ist doch die lehre nitt meyn. Szo byn ich auch fur niemant gecreutzigt. S. Paulus I. Corin. iii wolt nit leyden, das die Christen sich solten heyssen Paulisch oder Petersch, sondernn Christen. Wie keme denn ich armer stinckender madensack datzu, das man die kynder Christi solt mit meynem heyloszen namen nennen. Nitt alszo, lieben freund, last uns tilgenn die parteysche namen unnd Christen heyssen, des lere wir haben. Die Papisten habenn billich eynen parteyschen namen, die weyl sie nit benuget an Christus lere unnd namen, wollenn auch Bepstisch seyn, szo last sie Bepstisch seynn, der yhr meyster ist. Ich byn unnd wyll keynisz meyster seyn. Ich habe mitt der gemeyne die eynige gemeyne lere Christi, der alleyn unszer meyster ist.“ Gleichwohl nehmen auch einige Jubila¨umsschriften diese Auffassung Luthers zur Kenntnis: Gottlieb Samuel Treuer, De caractere animi Lutheri, S. 5; Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 107 f; Paul Anton, Predigt, S. 19; Johann Peter Ludewig, Dica Ivbileorvm, S. 31 f; Johann Wolfgang Iaeger, Wirtembergiae lvtheranae laetae candor, S. 12. 569 Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 112; ahnlich: Heinrich Lysius, ¨ De Incrementis, S. 37v. In diesem Sinne deutet eine Nu¨rnberger Jubelmedaille den Beitrag Luthers zur Reformation. Sie zeigt auf der Vorderseite ein Bildnis Luthers und auf der Ru¨ckseite das Bild eines Sa¨manns, der u¨ber ein Feld geht. Die Inschrift der Ru¨ckseite lautet in Anlehnung an 1. Kor. 37: „EGO PLANTAVI DEVS INCREMENTVM DEDIT“. Von 566 567

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5. Die Errungenschaften der Reformation Sta¨rker noch als bei den historischen Betrachtungen kommt der mit der Reformation begru¨ndete Gegensatz zur ro¨misch-katholischen Kirche dort zum Ausdruck, wo die Jubila¨umsschriften u¨ber die Errungenschaften der Reformation berichten. Exemplarisch zeigt sich dieses an zwei biblischen Motiven, mit denen sie die Wirkung der Reformation vielfach umschreiben: als Befreiung aus der Gefangenschaft bzw. als Verdra¨ngung der Finsternis durch das wahre Licht, – Metaphern, mit denen bereits die Reformatoren die Wirkung der Reformation charakterisiert hatten und die anla¨ßlich des Jubila¨ums von 1617 breit rezipiert worden waren. Am ha¨ufigsten wird die Reformation als Befreiung der wahren Christenheit aus der a¨gyptischen bzw. babylonischen Gefangenschaft570 und den dazugeho¨rigen Motiven wie der Rede von der Gefangenschaft und Sklaverei der wahren Kirche,571 der jahrzehntelangen Tyrannei und der Unterjochung beschrieben.572 Diese Bildworte umschreiben allgemein die Zusta¨nde innerhalb der Kirche vor der Reformation, wa¨hrend die Jubila¨umsschriften auf den Nachweis verzichten, inwieweit die biblischen Texte ausdru¨cklich als Prophezeiungen auf das Zeitalter der Reformation verstanden werden ko¨nnen. Der aus der biblischen Tradition bekannte Gegensatz von Versklavung und Freiheit, von Gefangenschaft und Befreieiner U¨berho¨hung Luthers kann auch hier keine Rede sein; sein Beitrag zur Reformation bestand in der Aussaat der ihm anvertrauten Saat, wa¨hrend Gott allein fu¨r Wachstum und Gedeihen der Saat gelobt werden kann. (Vgl. Hugo Schnell, Martin Luther und die Reformation, Abb. 157). 570 Das bekannteste Vorbild dieser vor der Reformation wenig gebrauchlichen Meta¨ pher (Vgl. Gerhard Sauter, ,Exodus‘ und ,Befreiung‘ als theologische Metaphern, S. 539) war Luthers Schrift „De captivitate Babylonica ecclesiae praeludium“ von 1520 (WA 6, 497–573). Doch erst die folgende Theologengeneration hat das Motiv ausgestaltet und auf die Reformation bezogen. Weit verbreitet war beispielsweise die 6. Predigt von Johann Mathesius u¨ber das Leben Luthers, in deren Eingangsteil Mathesius das alttestamentliche Motiv von Gefangenschaft und Befreiung des Volkes Israel in aller Ausfu¨hrlichkeit auf das Zeitalter der Reformation u¨bertrug. Christian Scho¨ttgen, Conspectus Lectionum, A 2r: „DUcenti jam anni sunt, qvum ductu atq. auspicio post summum Numen Divi Lutheri ex captivitate Babylonica h. e. tenebris plus qvam Cimmeriis erepti sumus.“ 571 Im Wittenberger Festprogramm lautet die Klage, das Joch des Papsttum sei so schwer gewesen, „ut nihilo tum mitius ageretur cum Christianis, quam olim in Aegypto cum Israelitis“; Hil. Ev. II, S. 19b (Epistola Invitatoria), und Luther wird mit Mose verglichen, der einst das Volk Gottes aus der Gefangenschaft in die Freiheit gefu¨hrt hatte (ebd., S. 20a). 572 Valentin Ernst Lo ¨ scher, Jubel-Predigten, S. 11 bemerkt: „Wie GOtt vor diesem Israel aus dem leiblichen Egypten mit ma¨chtiger Hand und ausgestrecktem Arm heraus gefu¨hret; So hat er auch seine gla¨ubige Bekenner aus dem Mystischen Egypten durch den Dienst seines treuen Knechtes Lutheri, und durch ma¨chtige Wunder-Hand errettet.“ Gottfried Hoffmann verfaßt seine Arbeit nach eigener Auskunft „ad laudem Dei, qui lucem Evangelii Ecclesiae suae in tenebris sedenti Lutheri opera clementer restituit; pro fidei vere Catholicae & quam omnes omni tempore fideles amplecti tenentur, defensione, obque sanctae doctrinae Apostolicae honorem.“ (Ders., Examen disputationis, S. 8).

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ung der wahren Kirche dient vielmehr als grundsa¨tzliche Charakterisierung der mittelalterlichen Kirche und deren Reformation durch Luther.573 A¨hnlich unbestimmt wird die Metapher des im Zeitalter der Reformation aufleuchtenden Lichtes Gottes verwendet, das den Gegensatz zu der im Mittelalter herrschenden Finsternis symbolisiert. Die Finsternis gilt gema¨ß der biblischen U¨berlieferung als Symbol der kollektiven Gottesferne574 oder der Unkenntnis des Wortes Gottes575. Wieder ist es der symbolische Gegensatz von Licht und Finsternis, den die Jubila¨umsschriften herausarbeiten, wa¨hrend der Kontext der biblischen Texte außer Betracht bleibt.576 Ausdru¨cklich fu¨hren sie Texte wie Jes. 602 oder Sach. 147 an, in denen die Verdra¨ngung der geistlichen Finsternis durch das Licht Gottes als Merkmal der Endzeit erscheint. Die Reformation gilt in diesen Zusammenha¨ngen als heilsgeschichtliches Ereignis, das dem Ende der Zeiten zuzurechnen ist. In einer Reihe von Schriften wird das Gegensatzpaar von Licht und Finsternis allerdings als Symbol fu¨r das in der Reformation neu aufleuchtende Licht des Evangeliums ohne jede endzeitliche Konnotation verwendet. Hier ist die Bußpredigt und die Erlo¨sungstat Jesu Christi das eine, wahre Licht Gottes, das in der Welt aufleuchtete577, u¨ber Jahrhun-

573 In diesem Sinne deutete Buddeus die Reformation in seiner Rede, die er am 29. Oktober zur Vorbereitung auf das Jubila¨um gehalten hat; vgl. Hil. Ev. I, S. 222 (Jenaische Jubel-Freude). 574 Gottlieb Wernsdorf, Jubel-Groschen, S. 4: „Sehen wir in die alten Zeiten zurucke / ¨ und bedencken / wie schlecht es mit der Religion aller Orthen in der Christenheit / auch in diesen Landen / ja in dieser Stadt / und bey dieser Kirchen / ausgesehen / so mu¨ssen wir daru¨ber seuffzen / und sagen: O HERRE GOTT! O HERRE GOTT! dein Go¨ttlich Wort ist lang verdunckelt blieben. Es stunde ja mit unsern Vorfahren / vor zwey / und mehr / hundert Jahren / nicht besser / als mit den armen Ju¨den bey der Ankunfft des Sohnes Gottes im Fleisch / von welchem Jesaias schreibet: Finsternis bedecket das Erdreich und Dunckel die Vo¨lcker.“ 575 Im Herzogtum Wurttemberg dankten die Festgemeinden Gott, daß „du das Licht ¨ deines seligmachenden Worts aus der Finsterniß lassen hervor leuchten, und auch in unserm geliebten Vaterland deinem Volck, welches vorhero gesessen ist im Dunckel und Schatten der Unwissenheit und des Unglaubens ausgebreitet, auch solches theure Kleinod nicht ohne Segen bishero bey uns erhalten hast.“ Vgl. Hil. Ev. I, S. 371. 576 Joachim Justus Breithaupt, Hil. Ev. II, S. 38a (Oratio secvlaris): „At negotium Reformationis Evangelicae ab initio fuit tam divinum, ut celebratissimae Theses de Indulgentiis . . . ab orbe Christiano acciperentur, non modo veluti controversiae initiamenta, sed tanquam tubae potius decretoriae: non secus, ac clangores jubilaei, quorum auditu collapsa est Jericho. Lux videlicet integra, haud diu impugnat tenebras: ipsa praesentia has sua dispellit, earumque occupat locum. Quo major tot aevorum antecesserat caligo, eo clariorem auroram Evangelium explendescens repente afferebat.“. 577 Christian Scho ¨ ttgen, De statu scholarum, S. 8: „Tenebrae sane, si cum nostra, qua fruimur, luce comparentur, plus quam Cimmeriae vel AEgypticae.“ Paul Anton betonte in seiner Fest-Predigt u¨ber Mt. 251–13 den endzeitlichen Charakter der vom Papsttum verursachten geistlichen Finsternis und ihrer Vertreibung durch den mit der Reformation wieder in die Kirche einziehenden Bra¨utigam Christus.

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Darstellung und Beurteilung der Kirchengeschichte

derte durch die Finsternis des Papsttums verdunkelt578 und mit der Reformation neu zum Leuchten gebracht worden war.579 a) Die Heilige Schrift als Fundament von Glauben und Kirche Die Wiedergewinnung der Heiligen Schrift als Fundament der christlichen Kirche und des perso¨nlichen Glaubens geho¨rt zu den maßgeblichen theologischen Erkenntnissen der Reformatoren.580 Im Gegensatz zur mittelalterlichen Kirche erwies sich die Heilige Schrift im Zeitalter der Reformation als causa efficiens der Vera¨nderungen.581 Seit dieser Zeit bildete 578 Johann Conrad Arnold, Monumentum gratiae, S. 22: „Tandem cum spissae rursus & Aegyptiis crassiores tenebrae Ecclesiam Christi obruissent Esa LX, 2 lumenque veritatis noctem traditionum Papalium ac figmentorum monachalium vix penetrare potuisset . . .“ 579 In der Strophe eines Singspiels, das in Wittenberg wahrend eines kirchlichen Festgot¨ tesdienstes aufgefu¨hrt wurde, heißt es: „Vor sassen wir in Finsternis und Nacht, Als unsrer Feinde Liest und Macht Die Kirche Christi dru¨ckte, Und als der Irrthums-Geist Der Su¨nden Ablaß und die Seligkeit Sehr weit und breit Ums Geld zu Kauffe schickte: Gott aber hat uns aus den Finsternissen Heraus gerissen.“; (Hil. Ev. I, S. 146a; Das Evangelische Wittenberg) Die Metapher von Licht und Finsternis za¨hlt zu denjenigen, die auf den Jubila¨ums-Medaillen ha¨ufig verwandt wurde, um die Bedeutung der Reformation zu beschreiben. 580 Vgl. Valentin Ernst Lo ¨ scher, Jubel-Predigten, S. 24 f: „Da ho¨ren wir die hohen Wohlthaten, darum GOtt an diesem Fest zu preisen ist, nehmlich erste Wohlthat ist nach unserm Text die Gegenwart und Besitzung des Wortes GOttes, die andere die Dauer und Erhaltung desselbigen biß auff diesen Tag.“ Sinnfa¨llig wird diese Tatsache bei den Jubila¨ums-Medaillen, die an die Heilige Schrift als die allein gu¨ltige Offenbarung Gottes erinnern, auf die sich Luther gestu¨tzt hat. Ob es sich dabei um Darstellungen Luthers mit der Heiligen Schrift in der Hand, Abbildungen von einer geo¨ffnet auf einem Altar liegenden Bibel, den Schriftzug „Verbum Domini manet in Aeternum“ oder das Bekenntnis „Gottes Wort und Luthers Lehr vergehen nun und nimmermehr“ handelt – sie alle weisen auf den hohen Stellenwert der Heiligen Schrift fu¨r die Entstehung der Reformation hin. Vgl. als exemplarischen Beleg: Hugo Schnell, Martin Luther und die Reformation, Abb. 108. Die dort abgebildete Jubila¨ums-Medaille aus Kursachsen zeigt auf der Vorderseite Kurfu¨rst Friedrich den Weisen und Luther, die an der Seite eines Altars stehen. Auf dem Altar liegt eine aufgeschlagene Bibel, die eine von Luther gehaltene brennende Kerze bescheint. Die Inschrift lautet hier: „VERBUM DOMINI MANET IN AETERNUM“. Auf der Ru¨ckseite der Medaille ist der Anlaß des Jubila¨ums ausfu¨hrlicher mit diesen Worten beschrieben: DAS SICH DES WORTES LICHT / DVRCH LVTHERS TREUE HAND / NACH LANGER FINSTERNVS / ZVR CHRISTENHEIT GEWANDT. / PREIST GOTT DIE CHRISTEN SCHAAR / NVN ZWEYMAL HVNDERT IAHR. 581 Johannes Christian Klemm, De servandis augendisqve reformationis fructibus, S. 15: „Dici non potest, quantum hanc rem juverit divini Codicis, qui plerisque incognitus, quin prohibitus, e conspectu submotus, atque surreptus erat, opportuna prorsus ac utilissima evulgatio.“ Johann Franz Buddeus, Collectio nova Epistalorvm Lvtheri, Vorrede, S. c1v: „·

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sie wieder das einzige Fundament, dessen Autorita¨t in der evangelischen Kirche nicht durch andere Autorita¨ten eingeschra¨nkt wurde. Den Ursprung fu¨r diese Entwicklung sehen die Jubila¨umsschriften in der theologischen Entwicklung Luthers, die auf dessen intensivem Studium der Heiligen Schrift gru¨ndete. Luther hatte in der Vernachla¨ssigung der Heiligen Schrift die Ursache fu¨r den Verfall der mittelalterlichen Kirche entdeckt.582 Allma¨hlich wurde ihm deutlich, daß die Heilige Schrift als die einzige Norm und Quelle theologischer Erkenntnis gelten mu¨sse, zumal sich dieses Vertrauen auf die Heilige Schrift fu¨r ihn perso¨nlich in den entscheidenden Situationen seines Lebens bewa¨hrte.583 Luther ist es zu verdanken, daß die Heilige Schrift in der Kirche ihre Bedeutung wiedergewonnen hat.584 Seit nunmehr zweihundert Jahren kann das Wort Gottes wieder in seiner urspru¨nglichen Gestalt, befreit von den Zusa¨tzen heidnischer Philosophie und den Spitzfindigkeiten scholastischer Theologie, verku¨ndigt werden.585 A¨hnlich ru¨hmen die Jubila¨umsschriften Luthers Verdienst um die deutsche Bibelu¨bersetzung, deren Folge die Verbreitung der Heiligen Schrift unter den Laien war.586 Erst die deutsche Bibelu¨bersetzung ero¨ffnete ih-

certus sum, magnis & excellentibus virtutibus Lutherum eminuisse, adeo vt pauci forte per omnia secula inveniendi sint, qui cum eo comparari queant. Intrepidum animi robur, fiducia singularis, animus praestantissimus, judicium acerrimum, haec sunt, quae nemo non in Luthero admiratione digna censebit. Sed quod maximum est, in his omnibus ita se gerit, vt facile videas, solo verbo Dei, non humanis consiliis eumque vbique niti.“; Johann Caspar Haferung, Geda¨chtnu¨ß der Wunder Gottes, S. 13 f. 582 Gottlieb Wernsdorf, Jubel-Groschen, S. 24 f. Bernhard von Sanden skizziert die neue, von Luther eingefu¨hrte „Lehr-Art“ wie folgt: „Er ließ die unnu¨tzen Schul-Fragen der Pa¨pstischen Lehrer und Canonischen Streitigkeiten in Glaubens-Sachen guten theils fahren / und blieb bey der H[eiligen] Schrifft.“ (Ders.,Unterricht, Frage 14). 583 Joachim Justus Breithaupt, Hil. Ev. II, S. 41a (Oratio secvlaris). 584 Martin Chladenius, Das Unschuldige Frolocken, S. 25: „Das rechte und eintzige Buch / welches ihn selbst zur Erka¨ntniß gebracht / war ja das Wort der Wahrheit im Evangelio / das ließ GOtt in seine Ha¨nde kommen / das laß er / und betrachtete es fleißig / funde auch / daß die bißher eingefu¨hrten Lehren und Pauli Episteln / wie Himmel und Erden von einander unterschieden waren. Wie ha¨tte er denn schweigen ko¨nnen / da einmahl das Wort des HErrn in ihm fruchtbar worden war / und er erkannt hatte die Gnade GOttes in der Wahrheit? Wie ha¨tte er andere arme Seelen vor geistlichen Mangel / vor Hunger und Durst gleichsam ko¨nnen brennen sehen / und ha¨tte selbst nicht brennen sollen? Daher geschahe es ja / daß das Wort anfieng zu lauffen und zu wachsen / biß es endlich dahin kommen / wie es allenthalben / dem HErrn sey Danck! am Tage ist / und ietzo noch stehet!“. 585 Johann Caspar Haferung, Gedachtnuß der Wunder Gottes, S. 13. ¨ ¨ 586 Justus Christoph Bo ¨ hmer, De bonis litteris, ):( 4r: „Si nihil vmquam aliud Germaniae praestitisset Luther, vel sola hac sacri codicis interpretatione egregia sempiternam nominis famam esset promeritus. Sint in ea quaedam, quae emendationem admittant: quae ad Christianae fidei, ac morum doctrinam pertinent, tam plene, perfecteque cuncta expressit, vt nec fidelius ea quisquam, aut felicius vertere posset: immo vix vlla erit diuini verbi in linguam aliam translatio, quae elegantia, ac perspicuitate istam exsuperet.“ Johann Christoph Pfaff, Christliche Predigt, S. 18 f. In einem der 1717 neu vero¨ffentlichten Programme der

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Darstellung und Beurteilung der Kirchengeschichte

nen die Mo¨glichkeit, sich perso¨nlich u¨ber die Grundlagen ihres Heils Rechenschaft zu geben.587 Mit der Wu¨rdigung von Luthers Bibelu¨bersetzung verbinden die Verfasser den Appell an die Gla¨ubigen, sie mo¨gen regen Gebrauch von der Mo¨glichkeit machen, die Heilige Schrift perso¨nlich zu studieren und sich an ihr zu orientieren. Chladenius’ Urteil, Luthers Bibelu¨bersetzung sei vom Heiligen Geist inspiriert,588 bildet eine Ausnahme. Auf die Akzeptanz des biblischen Anspruchs, alleinige Quelle der go¨ttlichen Offenbarung zu sein, gru¨ndet sich die Eigenart des Protestantismus,589 insbesondere im Gegensatz zur ro¨misch-katholischen Kirche, in der menschlichen Autorita¨ten ein wesentlicher Beitrag zur Entstehung und Auslegung der Heiligen Schrift beigemessen wird. Seinen Ursprung hat das evangelische Schriftprinzip in der besonderen Wu¨rde der biblischen Offenbarung, die zwar von der ro¨misch-katholischen Kirche nicht in Abrede gestellt, aber anders bewertet wird.590 Die besondere Wu¨rde der Heiligen Schrift leitet sich nach Auffassung einzelner Jubila¨umsschriften daraus ab, daß bei ihrer Abfassung Gott allein am Werk war. Gott bediente sich der Verfasser der biblischen Schriften als seiner Werkzeuge, ohne daß sie Einfluß auf Inhalt und Form der von ihnen verfaßten Schriften ha¨tten nehmen ko¨nnen.591 Aber auch die Jubila¨umsschriften, die nicht

Universita¨t Leipzig heißt es, die Bibelu¨bersetzung Luthers allein sei Anlaß genug fu¨r ein großes Jubelfest. (Georg Lehmann, in: Academiae lipsiensis pietas, S. 295 f). David Richter, Ausfu¨hrliche Historie, S. 153. 587 Ein Sinnspruch von den Jubelfeiern in Frankfurt / Oder jubiliert: „EIn IeDer kan nVn In Der BIbeL Lesen / So kan Der LaI zVr SelIgkeIt genesen.“ (H. Ungnade, Das Evangelische Franckfurt an der Oder, S. 67). 588 So geschehen bei Martin Chladenius, der uber Luthers Bibelubersetzung urteilt, sie ¨ ¨ sei so gelungen, daß sie in den wesentlichen Passagen den Sinn des Heiligen Geistes wiedergebe: „talis tantaque est, ut mentem Spiritus S. exacte referat, in rebus fidei cumprimis . . .“ (De methodo Evangelicorum, S. 45). 589 Martin Chladenius, De methodo Evangelicorum, S. 4: „Ita Ecclesiae nostrae proprium est, vel ipsis adversariis, magno agmine confitentibus, solius Scripturae dictamen in rebus fidei agnoscere ac venerari, nihilque admittere, quin cum illa accurate consentiat, tametsi a viro in speciem sanctissimo proditum fit.“ Johann Conrad Arnold, Monumentum gratiae, S. 23. Zu Luthers Schriftversta¨ndnis vgl. Bernhard Lohse, Luthers Theologie, S. 204–213. 590 Christoph Langhansen, De miraculorum defectu, S. 19: „Nec opus est, ut in hac probatione prolixi sumus, cum ipsi Pontificii . . . nobis non adversentur, qui autoritati Scripturae quidem adjunctas ei traditiones non scriptas pari pietatis affectu colentes, multum detrahunt, divinam tamen ejus originem, & veritatem certissimam in dubium vocare non audent.“ 591 U ¨ ber die vom Geist Gottes inspirierten Verfasser der biblischen Bu¨cher heißt es bei Martin Chladenius, De methodo Evangelicorum, S. 9: „. . . ipsorum non fuerunt verba, quae dicerent aut scriberent, sed ipsius Numinis dictantis & revelantis, adeoque non profecta ex voluntate & scrinio pectoris humani . . . Unde infallibilitas ipsis competit concessa, secundum quid sic dicta & determinata, ad illum nimirum scribendi & loquendi actum, ubi impulsu & singulari prorsus dictandi modo a Spiritu S. adhibito consignarunt, quicquid consignatum in Scriptura legimus. Sicut igitur illa diakonı´a fuit temporaria, suis intervallis loquendi & scribendi gaudens, ad certa subjecta alligata, ita, postquam Scripturae gaudens

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von einer Verbalinspiration der Heiligen Schrift ausgehen, betonen, die Offenbarung der Heiligen Schrift sei allein Gottes Werk, das er durch den Heiligen Geist vollbringt.592 Als erster Theologe habe sich Luther außerdem zu dem Verfahren bekannt, die Heilige Schrift aus sich selbst auszulegen. Damit machte er die Heilige Schrift zum alleinigen Fundament der Theologie, ohne damit den Anspruch zu verbinden, die ganze Heilige Schrift auslegen zu ko¨nnen.593 Nach Luthers Auffassung entha¨lt die Heilige Schrift auch Worte und Sachverhalte, die unversta¨ndlich bleiben ko¨nnten. Doch fallen diese Unklarheiten nicht ins Gewicht, insofern die Schrift die heilsnotwendigen Glaubenstatsachen in versta¨ndlicher Weise offenbart. Von den versta¨ndlichen Bibelstellen ausgehend lassen sich auch dunklere, unversta¨ndliche Passagen entschlu¨sseln. Gerade dabei erweist die Heilige Schrift sich als ihr bester Ausleger.594 Die Hilfe, derer es zum wahren Versta¨ndnis der Heiligen Schrift bedarf, ist der Heilige Geist, der durch die Heilige Schrift zu den Gla¨ubigen spricht.595 Neben dieser „perspicuitas scripturae“ ru¨hmen die Jubila¨umsschriften die, der Sache nach ebenfalls auf Luther zuru¨ckzufu¨hrende, Rede von der „sufficientia scripturae“. Tatsa¨chlich habe Luther nachgewiesen, daß alle heilsnotwendigen Glaubenssa¨tze und ethischen Richtlinien aus der Schrift selbst erhoben werden ko¨nnen596 und daß jede Irrlehre und ethische Verplane absolutus & perfectus est, cum Apostolis prorsus cessavit existentia talium virorum, qui immediate a Deo collustrati sint, ut divina eloquia eo modo exponant.“ Johann Joachim Weidner, Designatio, S. 5 spricht mit der gleichen Selbstversta¨ndlichkeit von der go¨ttlichen Inspiration der Heiligen Schrift „ad ultimum apicem“. Vgl. auch Joachim Justus Breithaupt, Hil. Ev. II, S. 40b (Oratio secvlaris): „Dici propterea non potest, . . . quantum sit donum, restituta nobis Scriptura Sacra; mens Dei in litteris relata, eaque Ipsius Spiritu dictata, atque adeo pure Canonica.“ 592 Christoph Langhansen, De miraculorum defectu, S. 19. 593 Joachim Justus Breithaupt, Hil. Ev. II, S. 42a (Oratio secvlaris): „Unum adhuc de ea . . . communico, quod didici e scriptis Theologorum spectatissimorum: nempe, Lutherum factum esse Reformatorem constanter bonum ideo, quod nunquam se suosque abduxerit a Scripturis Sacris, neque ad superstitionem, neque ad rationem, quippe nimis corruptam; sed, ab utraque hac unumquemque avocans, deduxerit in ipsum Bibliorum Canonem , in quo semper immotus perstiterit.“ Auch Gottlieb Wernsdorf, Jubel-Groschen, S. 25 erinnert an Luthers exegetische Schriften, in denen dieser sein Schriftprinzip angewandt habe. 594 Christoph Langhansen, De defectu miraculorum, S. 20: „Nec opus habebat Lutherus in explicanda Scriptura ad sensum ejus juxta Ecclesiae mentem respicere, sed eundem per media hermenevtica, ex ipsa Scriptura discere potuit, quemadmodum epistolam aliquam ab amico scripto legentes, eandem ex ipsa epistola intelligimus.“ Martin Chladenius, De methodo Evangelicorum, S. 19. 595 Martin Chladenius, De methodo Evangelicorum, S. 18 f. 596 Christoph Langhansen, De miraculorum defectu, S. 20: „Excipiunt quidem Pontificii, scripturam adeo esse obscuram, ut ex ea ipsa sensus ejus erui nequeat, sed respondetur sensum ejus saltem in istis locis, quae fidem & mores concernunt aut si non in hoc tamen in alio ita clarum esse & perspicuum, ut nulla vel traditionum non scripturarum, vel alicujus Ecclesiae testimonii accessione ad eum inveniendum opus sit . . .“ Martin Chladenius, De methodo Evangelicorum, S. 9.

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irrung aus ihrem Widerspruch zur Heiligen Schrift als solche entlarvt werden kann. Eine Erga¨nzung der Heiligen Schrift durch andere Offenbarungsquellen ist darum fu¨r die Existenz der christlichen Kirche u¨berflu¨ssig. Wohl aber ergibt sich daraus die Notwendigkeit, die Heilige Schrift den Gla¨ubigen so leicht wie mo¨glich zuga¨nglich und klar versta¨ndlich zu machen.597 Die Verfasser betonen, daß die Reformation mit diesem Schriftversta¨ndnis einer wesentlichen urchristlichen Lehre wieder zu ihrem Recht verholfen habe. In den ersten Jahrhunderten der Christenheit habe das Bekenntnis zu den Lehren der Heiligen Schrift als Maßstab fu¨r die Zugeho¨rigkeit zur christlichen Kirche gegolten.598 Lediglich am Rande begegnet Luthers christologische Zuspitzung seines Schriftversta¨ndnisses, die es ihm ermo¨glichte, den einzelnen biblischen Schriften unterschiedliches Gewicht fu¨r die Erkenntnis des Heils zuzuschreiben. Daß Luther einzelnen Schriften des biblischen Kanons sehr kritisch gegenu¨berstand, u¨bergehen die Jubila¨umsschriften ebenso wie die Tatsache, daß Luther diejenigen Schriften und Texte besonders scha¨tzte, in denen das von Christus gewirkte Heil deutlich zum Ausdruck kam.599 Nach ihrer Darstellung war es ohne Abstriche die gesamte Heilige Schrift, die Luther neu entdeckt und zuga¨nglich gemacht hatte. Aus dem uneingeschra¨nkten Bekenntnis zur Heiligen Schrift folgt, daß die Jubila¨umsschriften den lutherischen Bekenntnisschriften geringere Bedeutung beimessen. Wohl verstehen einzelne Verfasser das Bekenntnis zur CA von 1530 als Voraussetzung fu¨r die Zugeho¨rigkeit zum Luthertum,600 und andere Verfasser zitieren die lutherischen Bekenntnisschriften a¨hnlich ha¨ufig wie die Heilige Schrift; von einer exklusiven Autorita¨t der Bekenntnisschriften ist aber an keiner Stelle die Rede. Sie erkla¨ren, daß die lutherischen Bekenntnisschriften, ebenso wie die Schriften Luthers ausschließlich als norma normata neben der einen norma normans, der Heiligen Schrift, anzusehen seien.601 Gleichwohl erinnern sie an die 597 Johann Heinrich Michaelis, De rege Ezechia, S. 35: „Quemadmodum nulla datur corruptela Christianae religionis, aut doctrinae, quae non pugnet cum Scriptura S. eiusque vera sententia: ita ad praecauendos omnis generis errores nihil magis conducit aut necessarium est, quam vt genuinus Scripturae S. sensus omnibus, quantum fieri potest, innotescat. Secus quam doctrina & praxis est Pontificiorum.“ 598 Martin Chladenius, De methodo Evangelicorum, S. 16: „Fuit illa semper sufficientissima apud Doctores & auditores tum in via, tum in postremo mortis articulo, ubi infallibile solatium nunquam aliunde, si animabus debebat consuli, peti potuit, quam ex Scripturae dictis & promissionibus, longe abjectis humanarum traditionum sarcinulis, quibus in Papatu homines misere premuntur.“ Johannes Cyprian, Fundamentum Ecclesiae, S. 40; Valentin Ernst Lo¨scher, Jubel-Predigten, S. 30 f. 599 Vgl. Bernhard Lohse, Luthers Theologie, S. 207–209. 600 Martin Chladenius, De methodo Evangelicorum, S. 6: „Quando de Evangelicis loquimur, de Protestantibus sermo nobis est, invariatae A.C. addictis.“ Vgl. die in Augsburg gepra¨gte Jubelmedaille, die von der „ECCL. AVG. IVBILANS 1717“ zeugt, bei Hugo Schnell, Martin Luther und die Reformation, Abb. 131. 601 Johann Christoph Pfaff konstatiert fur den Stellenwert der Confessio Augustana im ¨

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Bedeutung der Bekenntnisschriften, insbesondere der Confessio Augustana, fu¨r die Ausbreitung des Luthertums und einer einheitlichen lutherischen Lehre.602 Die relativierende Verwendung der Bekenntnisschriften a¨ndert allerdings nichts an dem Bestreben der Jubila¨umsschriften, das lutherische Bekenntnis als solches zu sta¨rken. Sie treten dabei aber fu¨r ein Bekenntnis ein, das sich auf die Heilige Schrift und deren Auslegung nach den von den Reformatoren entwickelten Prinzipien orientierte. b) Die Rechtfertigung des Su¨nders und seine Heiligung Fast alle Jubila¨umsschriften za¨hlen, wie die Reformatoren selbst, die reformatorische Lehre von der Rechtfertigung des Su¨nders allein aus Gnaden zu den wichtigsten Errungenschaften der Reformation. Luthers Konflikt mit Rom hatte sich an den Mißbra¨uchen des Ablaßhandels und dem ihm zugrunde liegenden verkehrten Rechtfertigungsversta¨ndnis entfacht, und zeitlebens hatte er die Rechtfertigungslehre als den Kernpunkt seiner Theologie verstanden;603 bei der Ausbildung der evangelischen Bekenntnisse hatte sie die zentrale Rolle gespielt,604 und das Tridentinische Konzil hatte bei seinen Verwerfungen der Rechtfertigungslehre ho¨chste Priorita¨t zuerkannt.605 Luthertum: „Neque nos enim docemus, quod illa sit Norma universalis & principium ipsius fidei, solas enim sacras literas pro unica regula ac fidei norma agnoscimus . . ., sed hoc tantum asseveramus A. Confessionem esse normam sanioris tantum doctrinae, eo sensu, quo symbola & apud veteres normae nomine veniunt.“ (Articuli XXI, S. 4). Albrecht von Krakkewitz, De Luthero, S. 49 f. Ebenso deutet er die Rostocker Prozession anla¨ßlich der Jubelfeiern von 1717, bei denen Teile der Bekenntnisschriften durch die Stadt getragen wurden, als Bekenntnis der Protestanten zu den Bekenntnisschriften als „norma normata“. (Ders., Oratio secularis, S. 102v). 602 Bernhard von Sanden, Unterricht, Frage 44. 603 Vgl. dazu Luthers programmatische Formulierung in den Schmalkaldischen Artikeln: „Von diesem Artikel kann man nichts weichen oder nachgeben, es falle Himmel und Erden oder was nicht bleiben will; . . . Und auf diesem Artikel stehet alles, das wir wider den Bapst, Teufel und Welt lehren und leben. Darum mussen wir nicht des gar gewiß sein und nicht zweifeln. Sonst ist’s alles verlorn, und beha¨lt Bapst und Teufel und alles wider uns den Sieg und Recht.“ (BSLK, S. 415, 20–416, 6). A¨hnlich: WA 39, 1, 205, 2–5: „Articulus iustificationis est magister et princeps, dominus, rector et iudex super omnia genera doctrinarum, qui conservat et gubernat omnem doctrinam ecclesiasticam et erigit conscientiam nostram coram Deo. Sine hoc articulo mundus est plane mors et tenebrae.“ August Hermann Francke, Der Zuruf Christi, S. 11 f. Vgl. auch: Reinhard Schwarz, Luthers Rechtfertigungslehre. 604 Die grundlegende Bedeutung der Rechtfertigungslehre in den lutherischen Bekenntnisschriften verdeutlicht Thomas Kaufmann, Rechtfertigungslehre, S. 47–64. 605 Zur Bedeutung der Rechtfertigungslehre fur die Verhandlungen des Tridentinischen ¨ Konzils: Hubert Jedin, Geschichte Band II, S. 144. Eine theologische Bewertung des Tridentinischen Dekrets u¨ber die Rechtfertigung hat Hans Jorissen, Einig in der Rechtfertigungslehre?, vorgelegt, in der er deren sachliche U¨bereinstimmung mit der Position Luthers nachweist, die allein durch sprachliche Differenzen bei der Formulierung dieser u¨ber-

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Beispielhaft sind die Arbeiten von Michael Foertsch und Johannes Cyprian, in denen sie die Rechtfertigungslehre als Zentrallehre der evangelischen Lehre herausarbeiten. Sie vertreten die Auffassung, bedingt durch Mißsta¨nde in der Rechtfertigungslehre sei der gesamte ordo der theologischen Lehre in Unordnung geraten. Diese Entwicklung habe spa¨testens im 12. Jahrhundert eingesetzt.606 Infolge dieser Mißversta¨ndnisse sei die Rechtfertigungslehre allma¨hlich ins theologische Abseits geraten, wa¨hrend weniger wichtige Fragen des Ritus und der Lehre immer ho¨heren Stellenwert erlangten.607 Die erho¨hte Bedeutung der Messe und der Marien- und Heiligenverehrung im ro¨misch-katholischen Ritus beruhte einzig auf der Abwertung der Rechtfertigungslehre, woraus das U¨bergewicht der Lehre von Buße und Ablaß entstand. Die Irrlehren und die Mißsta¨nde in der ro¨misch-katholischen Kirche multiplizierten sich, weil die fundamentale Lehre von der Rechtfertigung des Su¨nders allein aus Gnaden in Vergessenheit geraten und an ihre Stelle Lehren und Riten getreten waren, die im Gegensatz zur biblischen Lehre von der Rechtfertigung des Su¨nders standen. Luthers Leistung hatte darin bestanden, daß er die u¨ber Jahrhunderte wenig beachtete Rechtfertigungslehre wieder ins Zentrum der theologischen Lehre ru¨ckte und die u¨brigen Bereiche der Theologie und Fro¨mmigkeit von diesem Zentrum her korrigierte. Ausschlaggebend dafu¨r war seine Wiederentdeckung der Gnade Christi als des wahren Fundaments der Kirche.608 Charakteristisch fu¨r die Darstellung der reformatorischen Rechtfertigungslehre bei Foertsch und Cyprian ist die Orientierung an den tridentinischen Dekreten u¨ber die Rechtfertigungslehre. Anstatt die reformatorische Rechtfertigungslehre mithilfe reformatorischer Quellen zu entfalten, beschreiben die Jubila¨umsschriften die reformatorische Posi-

einstimmenden Lehren verwischt werde. Zur gegenteiligen Auffassung, derzufolge das Tridentinum ausdru¨cklich die Abgrenzung von der reformatorischen Rechtfertigungslehre betrieb und dazu auch innerkatholische Positionen ausgrenzte, die zu große U¨bereinstimmungen mit den reformatorischen Auffassungen andeuteten, kommt Klaus Ganzer, Das Konzil von Trient, S. 54–68. 606 Nach Auffassung von Michael Foertsch lassen sich diese Mißstande bis in die Zeiten ¨ von Petrus Lombardus zuru¨ckverfolgen und breiteten sich von dort an immer weiter aus: „Non repetemur eas, quae Martinus Chemnitius in Examine Concilii Tridentini tum e Scriptoribus Scholasticis, tum e monumentis & praxi publica, Ecclesiarum sequentiis , ut vocant, hymnis, Breviariis & Horariis Marialibus Pontificia authoritate confirmatis excerpsit, ex quibus manifesto patet: inde jam Lombardi aetate, ab hoc ipso doctore praecipuos articulos, de fide nempe & justificatione, admodum jejune esse tractatos ac deinceps magis magisque obscuratos & in foedissimam illam formulam & errores degenerasse, de quibus questus est Lutherus noster, aliiq. plures ante ipsum.“ (Ders., Hil. Ev. II, S. 33b (De nervis Justificationis). 607 Johannes Cyprian, De Apostasia a Christo, S. 36 f. 608 Michael Foertsch, Hil. Ev. II, S. 32b (De nervis Justificationis). Bei Johannes Cyprian kommt dieses in dem programmatischen in Anlehnung an Gal. 58 f formulierten Titel seiner Schrift deutlich zum Ausdruck: De Apostasia a Christo eiusdemque gratia.

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tion im Gegensatz zur ro¨misch-katholischen Position. Dabei erstaunt es, daß weder die mangelhaften Kenntnisse der Konzilstheologen in der reformatorischen Rechtfertigungslehre zur Sprache kommen,609 noch der einseitige Charakter der Tridentinischen Beschlu¨sse kritisiert wird, der die Widerlegung der reformatorischen Position bezweckt hatte.610 Foertsch leiteten bei seiner Darstellung zwei Motive: Erstens bemu¨ht er sich, in kritischer Distanz zu den Beschlu¨ssen des Tridentinums, die Alleinwirksamkeit Gottes bei der Rechtfertigung des Su¨nders herauszuarbeiten und jeglichen Beitrag des Menschen zu seiner Rechtfertigung zu bestreiten; zweitens widerspricht er der verbreiteten Auffassung, der geheiligte Lebenswandel des Menschen sei eine Folge der Rechtfertigung und die Heiligung sei von dem Rechtfertigungsgeschehen nicht zu trennen. Dabei mustert er verschiedene Aspekte des Rechtfertigungsgeschehens, was ihn, abgesehen von der Bescha¨ftigung mit der ro¨misch-katholischen Lehre, zur Auseinandersetzung mit zeitgeno¨ssischen theologischen Stro¨mungen fu¨hrt, die den Beitrag des Menschen zur Erlangung seines Heils ebenfalls ho¨her einscha¨tzen als die Reformatoren.611 Grundsa¨tzlich betont Foertsch, er wolle nicht einzelne Aspekte des Rechtfertigungsgeschehens in eine zeitliche Reihenfolge bringen; ihm gehe es vielmehr darum, deren Verha¨ltnis zueinander theologisch korrekt zu bestimmen, ohne daß Teilaspekte gegeneinander ausgespielt werden du¨rften.612 Dazu beschreibt er den Glauben an die Rechtfertigung des Su¨nders aus Gnaden als die Bedingung jeglicher Gottesbeziehung.613

609 Dazu: Hubert Jedin, Geschichte Band II, S. 140–142; Otto Hermann Pesch, Einfu¨hrung, S. 174 f. 610 Otto Hermann Pesch, Einfuhrung, S. 173. ¨ 611 Foertsch hat neben den romisch-katholischen Lehren die Verzerrungen der reforma¨ torischen Rechtfertigungslehre in den Kreisen des zeitgeno¨ssischen Pietismus vor Augen, in denen die Heiligung des wiedergeborenen Christen zum Pru¨fstein fu¨r die Wiedergeburt des Christen geworden war und auf diese Weise die Lehre von der Rechtfertigung des Su¨nders allein aus Gnaden zu gefa¨hrden drohte. Wiederholt nennt er Papisten und Spiritualisten in einem Atemzug als Zersetzer der reformatorischen Lehre; vgl. Michael Foertsch, De ordine sanctificationis, S. 10. Paul Anton, Predigt, S. 28. 612 Michael Foertsch, De ordine sanctificationis, S. 36 f. Isaak Weissenborn, Iactantia, S. 13. Johannes Cyprian, De Apostasia a Christo, S. 38: „Nos quidem non discindimus ab actu justico B[onorum] O[perum] ratione temporis & adessentiae; sed distinguimus cum Sc.[riptura] ratione valoris & efficientiae.“ 613 Michael Foertsch, De ordine sanctificationis, S. 56 f: „Neque sine ratione S[criptura] S[acra] fidem ponit pro fide prae caritate, nam cuncta illa beneficia huc respiciunt primario, vt fides per ista concipiatur, confirmetur & conseruetur, in fide vero caritas continetur, . . . quemadmodum fructus in arbore, hinc vocatur fructus spiritus, per fidem nempe productus, Gal. VI, 22. Neque solum caritas, sed & omnes aliae virtutes Christianae fructus sunt fidei . . . Ad hanc fidem ergo referenda omnia beneficia Dei, tanquam ad supremum in hac vita finem, vt pote qui felicitatem veram, omnem in virtute sua continet.“ Mit diesem Versta¨ndnis des ordo als einer ausfu¨hrlichen Entfaltung des Rechtfertigungsgeschehens befindet sich Foertsch im Einklang mit dem Versta¨ndnis des ordo salutis in der lutherischen Orthodoxie; vgl. Johann Anselm Steiger, Art. „Ordo salutis“, in: TRE 25, S. 373.

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Sodann postuliert er unter Bezugnahme auf Schrift und Bekenntnis die Abha¨ngigkeit der Heiligung von der ihr zeitlich und sachlich vorgeordneten Erleuchtung. Erst wenn durch die Erleuchtung der seligmachende Glauben im Herzen des Menschen eingepflanzt ist (Kol. 19 f; Eph. 58), kann der Mensch einen geheiligten Lebenswandel nach dem Willen Gottes fu¨hren.614 Die zeitliche oder sachliche Vorordnung der Heiligung vor die Erleuchtung, leistet dem Indifferentismus und Synkretismus Vorschub, da dann nicht mehr der Glaube, sondern die Werke die Gottesbeziehung eines Menschen konstituieren. Zur Praxis eines geheiligten Lebens bedarf es dann keines inhaltlich bestimmten Glaubens, vielmehr kann dann selbst ein Mohammedaner gottgefa¨llig leben.615 Daß auch Ungla¨ubige gute Werke vollbringen ko¨nnen, soll damit nicht in Abrede gestellt werden, wie Cyprian in Aufnahme der Unterscheidung zwischen iustitia civilis und iustitia coram Deo andeutet.616 Nur stehen diese Werke in keinerlei Zusammenhang mit der Rechtfertigung des Menschen und ko¨nnen als Vorbereitung oder Beitrag zur Rechtfertigung nicht gelten.617 Fu¨r einen geheiligten Lebenswandel bedarf es im u¨brigen immer wieder der erneuten Erleuchtung des Menschen. Erleuchtung und Heiligung stehen in einer niemals abgeschlossenen, unaufhebbaren Wechselwirkung, in der, auch fu¨r den gerechtfertigten Su¨nder, die Erleuchtung die Voraussetzung des geheiligten Lebens bleibt.618 Ebenso wie die Erleuchtung ordnet Foertsch den Glauben der Heiligung vor. Erst der Glaube bewirkt die perso¨nliche Annahme der Rechtfertigung des Su¨nders, und erst aus dem Glauben heraus erwa¨chst die Fa¨higkeit des gerechtfertigten Su¨nders, dem Willen Gottes gema¨ß zu leben. In beiden Vorga¨ngen, Rechtfertigung und Erneuerung, ist der Glaube der Heiligung des Menschen unbedingt vorgeordnet. Daraus ergibt sich die Nachordnung der guten Werke.619 Erst wenn der Mensch im Glauben sein Heil empfangen hat, kann er ein geheiligtes Leben fu¨hren.620 Selbst von einer Vorbereitung des Menschen auf den Empfang dieses Heils, die

614 Michael Foertsch, De ordine sanctificationis, S. 7: „Antecedit illuminatio per impletionem agnitionis voluntatis Domini in omni sapientia spirituali, sequitur deinde sanctificatio per ambulationem in Domino . . .“ Ebd., S. 8 f: „. . . sanctificationem s[ive] B[ona] O[pera] ex fide oriri debere, fides autem in natura sua includit notitiam rerum credendarum & agendarum cum assensu, quae adeo praecedere debent sanctificationem.“ 615 Michael Foertsch, De ordine sanctificationis, S. 9 f. 616 BSLK, S. 312, 75. 617 Johannes Cyprian, De Apostasia, S. 17. 618 Michael Foertsch, De ordine sanctificationis, S. 7: „Antecedit itaque illuminatio sanctificationem, quanquam non absoluatur ante illam, nam & postquam sanctificamur pergit Spiritus S. illuminare corda.“ 619 Michael Foertsch, De ordine sanctificationis, S. 30. Vgl. Johann Heinrich Michaelis, De rege Ezechia, S. 36: Vnicum instrumentum, quo salutem adprehendimus, est fides: ideoque tantopere eam oppugnat Satanas, quod fide erepta salus etiam nobis erepta sit.“ 620 Michael Foertsch, De ordine sanctificationis, S. 29 f.

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in dessen freien Willen begru¨ndet sein mu¨ßte, kann vom Zeugnis der Schrift her keine Rede sein.621 Gerade diese pelagianischen und semipelagianischen Akzentuierungen, die das Tridentinum noch versta¨rkte,622 hatte die Reformation verworfen und demgegenu¨ber die Alleinwirksamkeit der gratia Dei betont. Wo immer der Anschein einer Mitwirkung des Menschen am Empfang seines Heils besteht, bleibt außer acht, daß selbst die vermeintliche Beteiligung des Menschen von Gott initiiert und ermo¨glicht ist. Eine Mitwirkung des Menschen an der Erlangung des Heils ist vo¨llig ausgeschlossen,623 die Rede davon schma¨lert Gottes Ehre.624 In diesem Zusammenhang unterstreicht Foertsch einen fu¨r ihn wesentlichen Unterschied zwischen reformatorischer und tridentinischer Rechtfertigungslehre: Mit dem Su¨ndenfall ist nicht allein die Mo¨glichkeit des Menschen verloren gegangen, einen eigenen Beitrag zur Erlangung seines Heils zu leisten, gleichzeitig hat sich die Bestimmung des menschlichen Lebens als solche gewandelt. Seit dem Su¨ndenfall besteht das Ziel der Rechtfertigung einzig in der Verso¨hnung des Menschen mit Gott. Selbst wenn der Verso¨hnung die Wiederherstellung der imago Dei folgt, du¨rfen das eigentliche Ziel der Rechtfertigung und die daraus folgenden Wirkungen nicht miteinander verwechselt werden.625 Darum kann nicht behauptet werden, amor Dei und caritas des gerechtfertigten Su¨nders seien dem Glauben u¨bergeordnete Ziele des Rechtfertigungsgeschehens. Im Gegenteil: Allein durch den Glauben erlangt der Mensch uneingeschra¨nkten Zugang zu dem von Gott gewa¨hrten Heil.626 Aus diesem Grund, so Fo-

Michael Foertsch, De ordine sanctificationis, S. 16 f. Vgl. zu dieser Frage: Heiko Oberman, Das tridentinische Rechtfertigungsdekret. 623 Michael Foertsch, De ordine sanctificationis, S. 19: „Sicut Paulus inquit: qui Spiritu Dei aguntur, sunt filii Dei Rom. VIII, 14. Gratia Dei itaque incipit, & non natura, gratia quoque continuat quoque operando, natura admittit & recipit per illius efficaciam. Gratia movet, adiuuat de proprio, natura cooperatur de alieno, per vires nempe datas. Intellectus sapit spiritualia, sed diuina prius luce collustratus, voluntas & affectus quaerunt, desiderant, perque vires suas & membra corporis operantur spiritualia bona Deo placentia, sed excitati & adiuti per Spiritum S. vt passim gratia praecedat, sequatur & compleat, quod incoepit.“ 624 Michael Foertsch, De ordine sanctificationis, S. 22 f. Als Beispiel fur diese Reihen¨ folge fu¨hrt Foertsch die Deutung der Abraham-Geschichte im Ro¨merbrief an, und aus der reformatorischen U¨berlieferung zitiert er Luthers Ro¨merbrief-Vorrede (ebd., S. 33). 625 Michael Foertsch, De ordine sanctificationis, S. 58 f: „. . . distinguendum est inter fines principales, primarios et secundarios, restitutio imaginis Dei non est finis principalis aduentus Christi in carnem, sed redemptio & liberatio a poenis aeternis, & reconciliatio cum Deo . . . Nam pretio sanguinis & mortis Christi prius liberari debebat homo & Deo satisfieri & tum demum imago Dei in eo restitui poterat.“ 626 Michael Foertsch, De ordine sanctificationis, S. 37 f. Vgl. die inhaltliche Nahe zu ¨ Luthers Definition des Gegenstandes der Theologie: „Cognitio dei et hominis est sapientia divina et proprie theologica, Et ita cognitio dei et hominis, ut referatur tandem ad deum iustificantem et hominem peccatorem, ut proprie sit subiectum Theologiae homo reus et perditus et deus iustificans vel salvator. quicquid extra istud argumentum vel subiectum quaeritur, hoc plane est error et vanitas in Theologia, quia non expectamus in sacris literis posses621

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ertsch, hebt der Apostel Paulus hinsichtlich des Verha¨ltnisses des einzelnen Christen zu Gott die Bedeutung von caritas und amor Dei hervor, aber eben immer nur in Abha¨ngigkeit von dem ihnen vorgeordneten Glauben. Selbst fu¨r 1. Kor. 13 kann nur insofern von einem Primat der caritas vor der fides geredet werden, als vom Gebrauch der Charismen die Rede ist; die caritas ist Ausdruck und Wirkung des bereits vorhandenen heilswirksamen Glaubens.627 In den Erla¨uterungen zur Rechtfertigungslehre macht sich der unterschiedliche Glaubensbegriff im evangelischen und ro¨misch-katholischen Sprachgebrauch bemerkbar, auf den Luther schon fru¨h hingewiesen hatte. Im Mittelpunkt des evangelischen Glaubensbegriffs steht der perso¨nliche Glaube des Menschen an Christus als den Heiland, der durch seinen Tod fu¨r die Schuld der Menschen gesu¨hnt und ihnen den Zugang zu Gott wieder ero¨ffnet hat.628 Allein der Glaube an Christus als den Verso¨hner zwischen Gott und Mensch bildet das Fundament fu¨r die Beziehung zwischen Gott und Mensch; ohne diesen perso¨nlichen Glauben ist eine Beziehung zwischen Gott und Mensch unmo¨glich. Nicht die Anerkennung einer allgemeinen Glaubenswahrheit bewirkt das perso¨nliche Heil, ihr muß unbedingt das Vertrauen als perso¨nliche Aneignung dieser Glaubenswahrheit folgen.629 Erst wenn der Christ diese Wahrheit fu¨r sich und sein Leben anerkennt, entfaltet der Glaube die ihm eigene Kraft: das Vertrauen vergewissert den Christen seines in Christus begru¨ndeten Heils, sowie die aus dem Glauben erwachsende Hoffnung ihn getrost in die Zukunft blikken la¨ßt.630 Hingegen unterscheidet sich der Glaubensbegriff des Tridentinums, so der protestantische Vorwurf, nicht wesentlich von dem Glauben der Da¨monen (Jak. 218 f),631 wa¨hrend sich die kritischen Ausfu¨hrungen des Tri-

siones, sanitates corporum vel politicarum rerum, quae omnia tradita sunt in manus nostras et creata.“; WA 40 / II, 327, 11–328, 5 (Enarratio Psalmi LI. 1532). 627 Michael Foertsch, De ordine sanctificationis, S. 50. Paul Anton, Predigt, S. 30. Diesen wesentlichen Unterschied zwischen reformatorischer und tridentinischer Theologie betont auch Michael Basse, Certitudo Spei, S. 219 ff. 628 Isaak Weissenborn, Iactantia, S. 18: „. . . promissionum gratiae vniuersalium vim infringunt, ne homo, iram DEI adversus peccata expauescens, adsensu suo in eas sic feratur, vt firme credat, DEVM velle sibi etiam propitium esse, propter Christi satisfactionem, pro suis & omnium hominum peccatis praestitam.“ Erstmals thematisierte Luther diese Frage in der Disputatio de fide infusa et acquisita von 1520 (vgl. WA 6, S. 84–98); welche Bedeutung sie jedoch fortan fu¨r ihn hatte, zeigen nicht allein die vielfa¨ltigen Belege in seinen Schriften, sondern auch die neuerliche Ero¨rterung in den Promotionsthesen fu¨r Hieronymus Weller und Nikolaus Medler (WA 39, 1, S. 44–53), die im Rahmen der Erneuerung des Disputationswesens an der Leucorea am 11. September 1535 vorgetragen wurden. 629 Isaak Weissenborn, Iactantia, S. 18 f. 630 Isaak Weissenborn, Iactantia, S. 19 f. 631 Isaak Weissenborn, Iactantia, S. 18. Zur Kontroverse uber die Heilsgewißheit auf ¨ dem Tridentinum in Auseinandersetzung mit der protestantischen Rechtfertigungslehre vgl.

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dentinums gegen das von den Reformatoren hoch gescha¨tzte Vertrauen wenden.632 Durch die im Tridentinum erneuerte Lehre von der fides implicita ist die eigentliche Bedeutung des individuellen Glaubens vo¨llig ausgeho¨hlt worden.633 Fu¨r die perso¨nliche Aneignung des Heils ist die a¨ußerliche Zugeho¨rigkeit zur Kirche und die nur indirekte Teilhabe an deren Glaubenslehren aber nicht ausreichend: der Gla¨ubige muß perso¨nlich in seinem Glauben verwurzelt sein und seinen Glauben bekennen.634 Die perso¨nliche Aneignung des Rechtfertigungsglaubens, die den Reformatoren so wichtig war, spielt in der ro¨misch-katholischen Kirche jedoch nur eine untergeordnete Rolle. Ein Irrtum, der alleine Grund genug ist, sich von der ro¨mischen Kirche zu trennen, sowie seine Korrektur eine der wichtigsten Erkenntnisse der Reformation darstellt.635 An den A¨ußerungen zur Rechtfertigungslehre fa¨llt auf, daß sie sich vornehmlich gegen das Tridentinische Konzil und dessen Rezeption bei Bellarmin und einigen anderen ro¨misch-katholischen Theologen konzentrieren.636 Eine ausfu¨hrliche Darstellung der reformatorischen Rechtfertigungslehre fehlt ebenso wie der Rekurs auf zeitgeno¨ssische Entwicklungen in der ro¨misch-katholischen Theologie637 und im lutherischen

Michael Basse, Certitudo Spei, S. 208–218 sowie Bengt Ha¨gglund, Art. „Heilsgewißheit“, in: TRE 14, S. 761 f. 632 Tridentinisches Konzil, Sessio VI, Decretum de iustificatione, Cap. IX. Contra inanem haereticorum fiduciam, in: COD, S. 674, 22–40. 633 Isaak Weissenborn beklagt diesen Sachverhalt im Blick auf die konvertierenden Fur¨ sten: „. . . dolenda sane principum, ab ecclesia nostra deficientium, sors est, vtpote quibus etiam fidem eripi, aditumque ad eam plane praecludi intelligimus, dum actus fidei ita mutilant Pontificii, vt quid ex fide ipsis restet, neutiquam adpareat. Fidem enim, quae absque adprehensione rerum credendarum haud datur, in meram ignorantiam conuertunt, ac fidem fingunt implicitam, a cognitione articulorum fidei necessariorum plane alienam.“ (Iactantia Romanae Ecclesiae, S. 16). 634 Martin Chladenius, De Israelis in sua religione constantia, S. 21: „Ad fidem Salvificam non sufficit in vera Ecclesia vivere & cum illa cultum Div. exercere, sed quilibet etiam pro se debet nosse, quid credat faciatve, debet quoque esse certus de veritate credendorum dogmatum. Etiam haec Thesis directa est contra Pontificios, statuentes, sufficere homini salvando si in vera Ecclesia vivat, & cum illa idem sentiat, credatque, licet quid Ecclesia credat, ipse nesciat, nec etiam certus sit, an Dogmata suae Ecclesiae sint vera, quae fides ipsis vocatur implicita.“ Isaak Weissenborn, Iactantia Romanae Ecclesiae, S. 18. 635 Isaak Weissenborn, Iactantia Romanae Ecclesiae, S. 19–25. Weissenborn nimmt dazu Bezug auf eine A¨ußerung Luthers in seinem Genesis-Kommentar, die – wie die Ausfu¨hrungen Bayers zeigen, der Auffassung Luthers in den fru¨hen Jahren der Reformation entspricht (vgl. Oswald Bayer, Promissio, S. 194). So auch Joachim Justus Breithaupt, Hil. Ev. II, S. 39b (Oratio secvlaris). 636 Der am haufigsten zitierte romisch-katholische Theologe ist freilich Bellarmin. Die¨ ¨ ses Faktum du¨rfte darauf zuru¨ckzufu¨hren sein, daß Bellarmin derjenige war, mit dem sich Johann Gerhard in seinen „Loci Theologici“ sowie in seiner „Confessio Catholicorum“ am intensivsten auseinandergesetzt hatte. Daß Bellarmin so ha¨ufig zitiert wird, spricht fu¨r den Einfluß, den Gerhard immer noch bei den lutherischen Theologen hatte, zeugt zugleich aber auch von ihren eigenen Kenntnissen der ro¨misch-katholischen Gegner. 637 So kanzelt Cyprian beispielsweise die von Bossuet ausgehende Neuinterpretation des

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Pietismus.638 Weiter fa¨llt auf, daß keine Jubila¨umsschrift auf die Frage der Willensfreiheit na¨her eingeht, obwohl sie sich von der Sache her nahegelegt ha¨tte und die Frage fu¨r die Verha¨ltnisbestimmung Luthers und der reformatorischen Position zum humanistischen und zum ro¨misch-katholischen Denken gleichermaßen von Bedeutung war.639 Ebensowenig werden in den akademischen Jubila¨umsschriften biblische Texte in den Mittelpunkt geru¨ckt, die fu¨r die Entstehung der reformatorischen Rechtfertigungslehre von Bedeutung waren, wie zum Beispiel Ro¨m. 116 f oder Ro¨m. 323 ff.640 c) Das Sakramentsversta¨ndnis Schon Luthers erste Schriften gegen den Ablaß kritisierten die mißbra¨uchliche Sakramentspraxis in der ro¨misch-katholischen Kirche.641 Die Abendmahlsstreitigkeiten seit 1524 offenbarten wesentliche Differenzen innerhalb des protestantischen Lagers. Die Confessio Augustana erkla¨rte neben der lauteren Wort-Verku¨ndigung die ihrer biblischen Stiftung gema¨ße Verwaltung der Sakramente zum Wesensmerkmal der wahren Kirche, und Martin Chemnitz widmete sich in seinem „Examen Concilii Tridentini“ ausfu¨hrlich den Tridentinischen Dekreten zur Lehre von den Sakramenten.642 Dies alles trug dazu bei, daß die Jubila¨umsschriften von 1717 – a¨hnlich wie die Schriften des Jubila¨ums von 1617643 – das gereinigte Versta¨ndnis der Sakramente als wesentlichen Ertrag der Reformation nannten.644 tridentinischen Rechtfertigungsdekrets als Verschleierung der tatsa¨chlichen dogmatischen Differenzen zwischen ro¨misch-katholischer und protestantischer Lehre ab. (Johannes Cyprian, De Apostasia, S. 37 f.) 638 Ausfuhrlich kommen diese allerdings dort zu Wort, wo das Thema der Heiligung ¨ und des geheiligten Lebenswandel zur Sprache kommt. 639 Wilhelm Dantine, Das Dogma im Tridentinischen Katholizismus, S. 442 sowie Otto Hermann Pesch, Einfu¨hrung, S. 177–9. August Buck, Renaissance – Reformation, S. 4. Zu den Auswirkungen der reformatorischen Rechtfertigungslehre auf die Anthropologie vgl. Wilfried Joest, Ontologie der Person bei Luther, S. 232 ff. 640 Eine Ausnahme bildet die von Buddeus gehaltene Festpredigt uber Rom. 3 ¨ ¨ 23–26, in der er ausdru¨cklich die Rechtfertigungslehre als Zentrum der reformatorischen Theologie entfaltete; vgl. Hil. Ev. I. S. 235ab (Sachsen-Eisenach B). 641 Vgl. Bernhard Lohse, Luthers Theologie, S. 143–154. 642 Vgl. dazu: Concilium Tridentinum Sessiones VII, XIII, XIV, XXI. In Chemnitz’ „Examen Concilii Tridentini“ nimmt die Darstellung der Konzilsbeschlu¨sse von Trient zu den Sakramenten ein Viertel des Gesamtwerks ein. 643 Hans-Jurgen Scho ¨ nsta¨dt, Antichrist, Weltheilsgeschehen und Gottes Werkzeug, ¨ S. 212 ff. 644 Davon zeugen diverse Jubilaumsmedaillen, die an die gereinigte Abendmahlslehre ¨ sowie die Darreichung von Brot und Wein an die Gemeinde als Errungenschaft der Reformation erinnern; vgl. dazu die Leipziger Jubel-Medaille bei Hugo Schnell, Martin Luther und die Reformation, Abb. 149.

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Doch ausfu¨hrlich behandelt kaum ein Verfasser dieses Thema. Paul Antons Anhang zu seiner Jubila¨ums-Predigt geho¨rt zu den wenigen Ausnahmen. Darin kritisiert er einzelne Lehrentscheidungen des Tridentinums zur Buße, zum Meßopfer und zum Abendmahl, ohne daß er na¨her auf die Einzelfragen eingeht.645 Einzig Hermann Christoph Engelken, der sich mit der Transsubstantiationslehre als einer der großen Irrlehren der ro¨misch-katholischen Kirche bescha¨ftigt,646 bietet eine detaillierte Analyse der ro¨misch-katholischen Abendmahlstheologie. Die lutherische Abendmahlstheologie als solche streift Engelken nur am Rande, von einer Anwendung seiner Einsichten auf die zeitgeno¨ssische Kirche ganz zu schweigen.647 Daß die Sakramente dennoch große Bedeutung fu¨r die Fro¨mmigkeitspraxis hatten, zeigt sich an den Buß- und Abendmahlsgottesdiensten, die an allen Orten zum festen Bestandteil der Feierlichkeiten za¨hlten.648 Warum dieser Aspekt der reformatorischen Lehre ausgeblendet wird, ist nicht eindeutig zu ermitteln. Immerhin legt sich die Vermutung nahe, daß die Abendmahlslehre deswegen nicht eigens thematisiert wurde, weil diese nicht allein in die Kontroverse mit der ro¨misch-katholischen Kirche, sondern auch mit der reformierten Kirche gefu¨hrt ha¨tte. Gerade die bestehenden Trennungen innerhalb des protestantischen Lagers wollte man aber anla¨ßlich des Reformationsjubila¨ums nicht thematisieren. Darum enthielt man sich einer detaillierten Analyse zum Abendmahls- und Sakramentsversta¨ndnis und beschra¨nkte sich auf den fu¨r Lutheraner wie Reformierte gleich gu¨ltigen Allgemeinplatz: daß die Reformation die Sakramente von den wa¨hrend des Mittelalters und in der ro¨misch-katholischen Kirche u¨blichen Mißbra¨uchen gereinigt hatte.

Paul Anton, Predigt, S. 28 ff. Hermann Christoph Engelken, De dogmate transsubstantiationis. A¨hnlich knapp sind die Ausfu¨hrungen zu den Sakramenten in Paul Antons U¨bersicht u¨ber die von ihm kritisierten Lehren des Tridentinums; vgl. Ders., Predigt, S. 27 ff. 647 Gleiches gilt fur Johann Christoph Pfaffs Schrift „Articuli XXI“. Im Blick auf die ¨ Taufe stellt Pfaff hier klar, in welchem Sinne die CA von der Heilsnotwendigkeit der Taufe spreche (ebd., S. 12), hinsichtlich der Abendmahlstheologie erla¨utert er das Versta¨ndnis der Pra¨senz Christi im Abendmahl (ebd., S. 13), und schließlich erla¨utert er, welche Bedeutung die Beichte im Protestantismus nunmehr habe (ebd., S. 14). Repra¨sentativ fu¨r die Jubila¨umsschriften sind diese Ausfu¨hrungen zur Sakramententheologie allerdings nicht. 648 Exemplarisch hierfur ist die Vorbereitungs-Predigt von Johann Caspar Haferung, ¨ die zur Feier von Beichte und Abendmahl anla¨ßlich des Jubila¨ums einla¨dt. Deren Sinn besteht fu¨r ihn neben der perso¨nlichen Fro¨mmigkeitspraxis darin, daß mit Beichte und Abendmahl wesentliche Erkenntnisse der Reformation im praktischen Vollzug erinnert und gefeiert werden konnten. 645 646

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d) Verbesserungen im o¨ffentlichen Leben Zu den Errungenschaften der Reformation za¨hlte die Verbesserung des Bildungswesens, insbesondere in den deutschsprachigen Gebieten.649 Einige Jubila¨umsschriften erblicken in der auf Luther und Melanchthon zuru¨ckgehenden Neuordnung des Schulwesens in Deutschland, das im Verlauf des Mittelalters vo¨llig verfallen war, den wichtigsten Ertrag der Reformation.650 Dieser Erfolg lasse sich rein a¨ußerlich an der großen Zahl seit der Reformation neu eingerichteter Schulen,651 an der auf Luther zuru¨ckgehenden Gleichstellung privater und o¨ffentlicher Schulen652 sowie an der Gru¨ndung neuer und an der Reformation seit dem Mittelalter bestehender Universita¨ten festmachen.653 Ein Vergleich vornehmlich protestantisch gepra¨gter mit ro¨misch-katholischen Gebieten zeigt daru¨ber hinaus, daß die Verbesserungen im Bildungswesen vieler Gebiete in un-

649 Christian Scho ¨ ttgen, De statu scholarum, S. 31: „Deo interim bonorum omnium largitori clementissimo, grates debitas persolvimus, quod istas barbariei tenebras benignissime removere, nosq. in clara puriorisque doctrinae bonarumq. litterarum luce versari voluit.“ Daß die Universita¨ten die Reformation als Beitrag zu ihrem Wachstum verstanden, belegen die von den Universita¨ten Jena und Leipzig gepra¨gten Jubila¨ums-Medaillen, die den Nutzen der Reformation fu¨r das gesamte Wissenschaftswesen zeigen. Die Jubila¨umsMedaille der Universita¨t Jena zeigt auf der einen Seite den Parnaß mit den neun Musen mit der U¨berschrift: MUSAE SALANAE FELICIA SCEPTRA CAPESSE (vgl. Hugo Schnell, Martin Luther und die Reformation, Abb. 146); eine Variante dieser Jubila¨ums-Medaille trug nach Auskunft Schlegels die Inschrift „De papae InterItV sIC IVbILat aLMa IenensIs“ (Hil. Ev. III, Tab. 3, Nr. 10). Die Jubila¨ums-Medaille der Universita¨t Leipzig zeigt auf der Vorderseite eine Ansicht der Stadt mit der Inschrift: „IN MVRIS ET PALATIIS TVIS SIT / PAX ET PROSPERITAS“ und auf der Ru¨ckseite die unter einer Linde sitzenden neun Musen; hier lautet die Umschrift: „SUB UMBRA DULCI“. (vgl. Hugo Schnell, Martin Luther und die Reformation, Abb. 147). Eine a¨hnliche Funktion hatte die von Universita¨t Kiel auf dem Kieler Marktplatz errichtete Ehren-Pforte, die von der Befreiung der vier Fakulta¨ten aus den Fa¨ngen des von Rom bestimmten Wissenschaftsbetriebs zeugte. (Kurtze Vorstellung, S. 5–10). Justus Christoph Bo¨hmer, De bonis litteris, ):(3r. 650 Eine Ausnahme stellt fur diesen Themenkomplex die Rede August Hermann ¨ Franckes dar, die explizit die These vertritt, gerade die Reformation des Schul- und Universita¨tswesens sei Luther trotz aller Bemu¨hungen auch nicht anna¨hernd gelungen. Vielmehr sei sie von mehreren Schu¨ler-Generationen mit Eifer betrieben worden, doch selbst jetzt, 1717, ko¨nne noch nicht davon die Rede sein, die von Luther gewu¨nschte Reform der Akademien sei vollbracht (Ders., De reformatione academiarum, S. 9 f). Vgl. dazu S. 298 f. 651 Jacob Burgmann, Oratio rectoralis, S. 141r. Gottlieb Wernsdorf, Hil. Ev. II, S. 26b (Oratio secularis). 652 Georg Detharding, Hil. Ev. II, S. 95b (Oratio Jubilaea): „Vel eo magis tamen consilium istud Lutheri aestimandum & nulla laude satis extollendum esse, vos omnes mecum confitebimini, quando vir ille doctissimus cogitando praerogativas, quibus publicae scholae privatis antecellunt, istas prae his instituendas, dotandas ac fovendas esse, ex paterno, quo in salutem publicam ferebatur, animo multo studio commendavit.“ 653 Friedrich Andreas Hallbauer, Ecclesia Lutherana, S. 66 f. Bernhard von Sanden nennt als Rahmendaten fu¨r die Reformation in Preußen den U¨bertritt Albrechts von Brandenburg zur Reformation als Anfang (1525) und die Gru¨ndung der Universita¨t Ko¨nigsberg im Jahre 1544 als Schlußpunkt (Ders., Unterricht, Frage 39).

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mittelbarem Zusammenhang mit der Ausbreitung der Reformation standen, wa¨hrend aus vorwiegend ro¨misch-katholischen Gebieten viele Beispiele fu¨r die mangelhafte Bildung der Bevo¨lkerung, insbesondere der Geistlichen, anzufu¨hren seien.654 Zu den wichtigsten Vera¨nderungen im Bildungswesen geho¨rte nach Meinung einiger Verfasser die Abkehr Luthers von dem durch Vorgaben scholastischer Theologie und Philosophie gepra¨gten Welt- und Wissenschaftsversta¨ndnis und damit die Ermo¨glichung vorurteilsfreier, von a¨ußeren Vorgaben unabha¨ngiger Wissenschaft.655 Ein erster Erfolg dieser vom Humanismus u¨bernommenen Methode war Luthers neue Interpretation der paulinischen Theologie, der Vera¨nderungen in den unterschiedlichsten Wissensgebieten folgten.656 Ebenso begru¨ndete Luther mit der Leipziger Disputation die Unabha¨ngigkeit der Wissenschaften von den Vorgaben einer vermeintlichen pa¨pstlichen Lehr-Autorita¨t.657 Schließlich lo¨ste sich die reformatorische Kirche mit dem Eintreten fu¨r vorurteilsfreie, unabha¨ngige Wissenschaft von der Ignoranz und Arroganz ro¨misch-katholischer Wissenschaftler, die mißliebige fremde Ansichten durch Indizierung zu eliminieren suchten.658 Hallbauer za¨hlt auch die

654 Die von Hallbauer zusammengetragenen Anekdoten, mit denen er die mangelhafte Bildung im ro¨misch-katholischen Bereich belegen will, mindern den Wert seiner sonst kenntnisreichen Darstellung. Denn abgesehen von der unsachgema¨ßen Argumentation u¨bergeht er stillschweigend den wichtigen Beitrag des Jesuitenordens fu¨r die Ausbildung des fru¨hneuzeitlichen Bildungswesens (Friedrich Andreas Hallbauer, Ecclesia Lutherana, S. 33 ff). 655 Gottlieb Samuel Treuer, De caractere animi Lutheri, S. 28 f: „Judicium, porro Megalandri nostri se quoque exserebat in rebus sententiis, libris, studiis &c. diiudicandis et discernendis . . . Theologiam et Philosophiam multo studio separauit, quas alii mira confusione miscuerant. In philosophicis nugas et subtilitates reiecit, scientiam, opinionem et fidem egregia sagacitate mentis segregans. Quae certa et incerta erant, solide demonstrauit, traditiones, fabulas, nugas a` veritate historica remouit, humana et divina instituta discreuit, et quantum distent aera lupinis, per omnes reformationis suae labores multis modis explanauit.“; vgl. Friedrich Andreas Hallbauer, Ecclesia Lutherana, S. 41. 656 Johann Christian Klemm, De servandis augendisqve reformationis fructibus, S. 23 f. 657 So heißt es bei Hallbauer uber die Abhangigkeit der romisch-katholischen Theo¨ ¨ ¨ logen: „habent suos doctores seraphicos, angelicos, irrefragabiles, inuicibiles, illuminatissimos, profundissimos, gloriosissimos, eminentissimos, viscerosissimos, cordialissimos; hos colunt, horum sententias velut ex tripode dictas amplectuntur, licet hi ipsi fuerint, qui barbarie introducta, litteras profligarunt. nonnulli patres, immo & pontifices de litteris indignius senserint, quidam eas plane ex ecclesia eiiciendas voluerunt; quorum si valet auctoritas, de illis actum erit.“ Luther aber habe dieser unkritischen Verherrlichung menschlicher Autorita¨ten ein Ende gesetzt: „Lutherana autem ecclesia per magnum illum antibarbarum Lvthervm ab ista tyrannide liberata, nec multorum coniunctim, nec vnius sigillatim auctoritatem pro norma habet: nil quidem docet pro explorato accipiendum, nisi cuius veritas scripturae & sanae rationis testimonio constet.“ (Friedrich Andreas Hallbauer, Ecclesia Lutherana, S. 38). 658 Friedrich Andreas Hallbauer, Ecclesia Lutherana, S. 40: „Nos autem edocti sumus, sapientiam atque eruditionem in quovis hoste laudare; licet omnibus eorum libros consulere & ex iis, quae vsu praestant & sua se commendant veritate addiscere.“ A¨hnlich Johann

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U¨berwindung des verbreiteten Aberglaubens659 und die Reduktion der großen Anzahl von Fest- und Ruhetagen zu den Errungenschaften der Reformation.660 Bo¨hmer spricht in diesem Zusammenhang von der besonderen Fu¨gung Gottes, die der an den Universita¨ten begonnenen Reformbewegung die Unterstu¨tzung von Ko¨nigen und Fu¨rsten eintrug und damit weitreichende Wirkung verschaffte.661 Als Kern der Bildungsreform galt die Erneuerung der alten Sprachen, mit deren Verfall der Untergang der abendla¨ndischen Bildung begonnen und mit deren Restauration die Reformation von Kirche und Bildung eingesetzt hatte. Luther selbst hatte eine umfassende humanistische Ausbildung genossen und durch sein Vorbild deren praktischen Nutzen bewiesen.662 Unterstu¨tzt von Melanchthon setzte er sich zeitlebens fu¨r die Verbesserung des Schulwesens ein. Neben seinen Mahnungen an die weltliche Obrigkeit, sich der Reform des Schulwesens anzunehmen, erwa¨hnen die Jubila¨umsschriften Luthers Beschaffung von Geldmitteln fu¨r neu einzurichtende Schulen, seine Hilfe bei der Einrichtung neuer Bibliotheken und seine Vorschla¨ge fu¨r eine Vera¨nderung des Curriculums der verschiedenen Schulformen.663 Gelegentlich erwa¨hnen die Jubila¨umsschriften die Abgrenzung der reformatorischen Bildungsreform gegenu¨ber ihren spiritualistischen Kritikern.664 So verteidigt Meier die Einfu¨hrung akademischer Titel durch die Reformatoren, die auf Ablehnung im „linken Flu¨gel“ der Reformation und bei reformierten Theologen gestoßen waren. Nach Meiers Auffassung dienen akademische Titel einzig der Wu¨rdigung besonderer intellektueller Begabung, ohne daß ihre Inhaber dadurch von anderen Menschen hinsichtlich ihrer Menschenwu¨rde unterschieden werden sollten.665 Doch Franz Buddeus, De characteribvs, S. 46: „Sentiunt eadem eruditionis tam sacrae, quam reliquae, studentes, cum non amplius teneantur, agnitas vel ex rationis vel reuelationis lumine veritates Romanae sedis autoritati submittere, sed citra vllum periculum cum aliis communicare integrum nunc ipsis, imo mandatum sit.“ 659 Friedrich Andreas Hallbauer, Ecclesia Lutherana, S. 35 f. 660 Friedrich Andreas Hallbauer, Ecclesia Lutherana, S. 43 f. 661 Justus Christoph Bo ¨ hmer, Fasces academici, S. 97: „Non sine singulari Dei nutu, prouisuque factum credo, vt saeculo decimo sexto, tres summi principes, penes quos rerum arbitrium erat, CAROLVS V imperator, HENRICVS VIII Angliae, et FRANCISCVS I Galliae reges, eodem viuerent tempore, qui pari in litteras, in litteratos amore ferebantur: quae aemulatio honesta facem praetulit, vt meliores litterae, et humaniora studia refulgere inciperent.“ Ders., De bonis litteris, ):( 3v. 662 Justus Christoph Bo ¨ hmer, Fasces academici, S. 96; Friedrich Andreas Hallbauer, Ecclesia Lutherana, S. 12 f; Johann Franz Buddeus, De characteribvs, S. 46; Georg Detharding, Hil. Ev. II, S. 95b (Oratio Jubilaea). 663 Friedrich Andreas Hallbauer, Lutherus, S. 68–70. 664 Gottfried Meier, De doctoratu, S. 19. Friedrich Andreas Hallbauer, Lutherus, S. 11 f. Besonders erwa¨hnt wird Andreas Karlstadt. 665 Gottfried Meier, De doctoratu, S. 20 f: Meier unterscheidet zwischen der existimatio simplex und der existimatio intensiva; akademische Wu¨rdentitel beziehen sich lediglich auf letztere.

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fo¨rdert die Verleihung dieser und a¨hnlicher Wu¨rdetitel eine Hierarchiebildung innerhalb der menschlichen Gesellschaft, die allerdings im Einklang mit dem Willen Gottes steht.666 Denn dabei handelt es sich um ein Mittel, das Zusammenleben der Menschen und Christen zu verbessern, ohne daß dadurch ein Widerspruch zu Mt. 238 entsteht. Dieses Wort Jesu richtet sich gerade gegen den Hochmut der Pharisa¨er und Schriftgelehrten, ist demnach also Ermahnung an alle Doktoren und Herren zu Bescheidenheit und Demut bei der Ausu¨bung ihrer A¨mter. Von einer Verwerfung akademischer Titel durch das Wort Gottes kann jedoch keine Rede sei.667 Weitaus wichtiger als diese und andere – in der Regel oberfla¨chliche – Auflistungen von Fortschritten, die das Bildungswesen durch die Reformation erfuhr,668 ist der durchgehende Hinweis auf Luther als den Urheber dieser Reformen. Selbst Hallbauer, der a¨ußerst positiv u¨ber Melanchthon urteilt, rechnet den wesentlichen Beitrag zur Reform des Bildungswesens Luther zu. Luther gilt ihm als alleiniger „litterarum pariter ac religionis reductor“.669 Auch die Auswahl der von Hallbauer und anderen Autoren herangezogenen Quellenschriften verdeutlicht die Fixierung auf Luther. Luthers grundlegende Schriften zur Reform des Schul- und Universita¨tswesens in Deutschland, die „Adelsschrift“ sowie die Schrift „An die Ratsherren deutscher Sta¨dte“, fu¨hren sie regelma¨ßig als Belegstellen an,670 wa¨hrend sie auf Melanchthons umfangreiches Schrifttum kaum rekurrieren. Ebenso lassen sie dessen Verbesserungsvorschla¨ge fu¨r Lehrbu¨cher oder Lehrpla¨ne sowie dessen Wittenberger Lehrta¨tigkeit außer acht, die Luther selbst in ho¨chsten To¨nen gelobt hat.671 Melanchthons Wittenberger Universita¨tsreform bleibt genauso unerwa¨hnt wie sein Bei-

Gottfried Meier, De doctoratu, S. 25 f. Gottfried Meier, De doctoratu, S. 29 f. 668 So fehlt jeglicher Hinweis auf die Menge neuer Lehrbucher, die Melanchthon im Zu¨ ge der Bildungsreform verfaßt hat; die strukturelle Reform der Universita¨t als solcher mit dem Paradebeispiel Wittenberg wird ebenso u¨bergangen wie die wegweisende Erweiterung des Fa¨cherkanons im Zuge der Bildungsreform. Melanchthons Beitrag zur inhaltlichen Reform des akademischen Unterrichts verdeutlicht jetzt: Heinz Scheible, Melanchthon als akademischer Lehrer. 669 Friedrich Andreas Hallbauer, Lutherus, S. 10, 670 WA 6, S. 404–469. (An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung. 1520). WA 15, S. 27–53. (An die Ratsherren aller Sta¨dte deutschen Lands, daß sie christliche Schulen aufrichten und halten sollen. 1524). 671 Zu Melanchthons Beitrag zur Universitatsreform des Schul- und Bildungswesen: ¨ Heinz Scheible, Art. „Melanchthon“, in: TRE 22, S. 372–375, sowie Ders., Melanchthon, S. 27 ff. Zum Verha¨ltnis zwischen Luther und Melanchthon vergleiche ebenfalls: Heinz Scheible, Art. „Melanchthon“, in: TRE 22, S. 380 f und Ders., Melanchthon, S. 143 ff. 666 667

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trag zur Reform des deutschen Schulwesens in den spa¨teren Jahren der Reformation.672 In den Kontext der wissenschaftsgeschichtlichen Wu¨rdigungen reiht sich Dethardings Abhandlung u¨ber den Nutzen der Reformation fu¨r die medizinische Wissenschaft ein.673 Deren wichtigster Effekt bestand fu¨r Detharding darin, daß dank der erneuerten Kenntnisse in den alten Sprachen Latein und Griechisch die Quellen der antiken abendla¨ndischen Medizin, allen voran des Hippokrates, wieder herangezogen werden konnten.674 Demzufolge war es Luther zu verdanken, wenn die – von Detharding kritisch beurteilte – Vorherrschaft der arabischen Medizin gebrochen wurde675 und die medizinischen Kenntnisse abendla¨ndischer Mediziner nicht mehr stu¨mperhaften U¨bersetzungen oder der mangelhaften Interpretation – insbesondere durch scholastische Autoren – ausgeliefert waren.676 Zugleich lobt Detharding die Hebung des Selbstversta¨ndnisses der medizinischen Wissenschaft. Indem die Reformation Gott als Scho¨pfer und Bewahrer des menschlichen Lebens zu achten lehrte, brachte sie die geistliche Dimension menschlicher Heilkunst wieder zur Geltung.677 Zwar sollen und du¨rfen Menschen lernen, die Zusammenha¨nge der von Gott geschaffenen Naturordnung zu verstehen und ihre Kenntnis zum Wohl des Na¨chsten einzusetzen. Doch macht gerade die reformatorische Lehre deutlich, daß Menschen trotz aller Erkenntnis fehlbar bleiben und daß ungeachtet aller menschlichen Kunst Leben und Sterben eines Patienten

672 Einen diesbezuglich markanten Beleg fuhrt Friedrich Loofs an: Er berichtet von ei¨ ¨ nem sechsseitigen Programm, das vom Rektor des Wittenberger Gymnasiums, Gottfried Wagener, anla¨ßlich des Jubila¨ums verfaßt wurde. Dieses Programm wu¨rdigt auf sechs Seiten Luthers Verdienste um das Schulwesen, wa¨hrend es Melanchthon nur einmal, u¨berdies wenig treffend, erwa¨hnt. (Friedrich Loofs, Jahrhundertfeier, S. 37). 673 Georg Detharding, Hil. Ev. II, S. 95b (Oratio Jubilaea): „Hoc unicum si probavero, sacram Lutheri reformationem matrem fuisse, quae reformationem Medicinae excluserit, satis me dixisse arbitror.“ 674 Georg Detharding, Hil. Ev. II, S. 93a (Oratio Jubilaea). 675 Georg Detharding, Hil. Ev. II, S. 96b (Oratio Jubilaea): „Manet itaque Luthero hoc laudis, sibi tribuendum esse, quod Ars Medica jugum Doctrinae Arabicae tam scabiosum quam sordidum excusserat, & quod ab illius Reformatione barbariei in illa vale – tandem – dictum.“ 676 Georg Detharding, Hil. Ev. II, S. 93b (Oratio Jubilaea). Dethardings ausnehmend kritische Wertung der arabischen Medizin, die zudem von Vorurteilen und Antiarabismen durchzogen ist, stu¨tzt sich auf die implizite Vermutung, die arabischen Mediziner des Mittelalters seien fu¨r die Entstellung der Tradition antiker abendla¨ndischer Medizin verantwortlich gewesen. Daß sie vielmehr das Gegenteil bewirkt hat, na¨mlich die U¨berlieferung der im Abendland in Vergessenheit geratenen alten Quellen, ignoriert Detharding dabei ebenso, wie die Leistungen arabischer Mediziner wie Avicenna etc. 677 Georg Detharding, Hil. Ev. II, S. 97a (Oratio Jubilaea). In diesem Sinne wurde auch im Rahmen der Promotionen an der Medizinischen Fakulta¨t Ko¨nigsberg die Frage traktiert „An quis nulla arte medica imbutus, possit curare morbos?“ (Hil. Ev. I, S. 303b und ThStAGo, Oberkonsistorium Gotha, Generalia, Loc. 26 Nr. 12, Bll. 98 f).

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allein in Gottes Macht steht.678 Die christliche Hochachtung vor dem Scho¨pfer waren im Verlauf des Mittelalters mit der zunehmenden Anrufung der Heiligen im Krankheitsfalle verloren gegangen.679 Luthers Widerspruch gegen diesen Aberglauben fu¨hrte Patienten wie A¨rzte zu neuer Gottesfurcht:680 Detharding war gar der Meinung, die Erziehung in der Gottesfurcht sollte zum festen Bestandteil der medizinischen Ausbildung werden.681 e) Staat und Kirche Auch die weltlichen Obrigkeiten zogen Gewinn aus der Reformation. So erwa¨hnen die Jubila¨umsschriften die Korrektur des Verha¨ltnisses zwischen weltlichen und geistlichen Fu¨rsten, das u¨ber Jahrhunderte zu Ungunsten der weltlichen Herren verschoben war. Die Minderung der Macht der ro¨misch-katholischen Kirche, die zum Vorteil der weltlichen Fu¨rsten ausschlug, gilt als wichtigste Folgeerscheinung der Reformation außerhalb des kirchlichen Lebens.682 Allen voran hat Jahn seine Schilderung vom mittelalterlichen Aufstieg der Pa¨pste zur Weltherrschaft683 durch eine ausfu¨hrliche Schilderung ihres Abstiegs im Gefolge der Reformation erga¨nzt. Anlaß fu¨r ihren Machtverfall, den Jahn an den Konflikten der Pa¨pste von Leo X. bis zu Clemens XI. mit den europa¨ischen Herrschern ihrer Zeit nachzeichnet,684 seien allein geistlich-theologische Motive gewesen. Luther entlarvte die Lu¨gen und Anmaßungen, mit denen sich die Pa¨pste zu geistlichen Herren u¨ber die Gla¨ubigen der Welt aufgeschwungen hatten, und zwang sie zur Ma¨ßigung ihres weltlichen HerrGeorg Detharding, Hil. Ev. II, S. 97b (Oratio Jubilaea). Georg Detharding, Hil. Ev. II, S. 97b + 98a (Oratio Jubilaea). Welche Ausmaße diese abergla¨ubischen Riten wa¨hrend des Mittelalters angenommen hatten und sich in der ro¨misch-katholischen Kirche erhalten haben, hat in extenso Heinrich von Sanden in einer seiner Jubila¨umsreden vorgestellt (Ders., De Superstitiosis Pontificiorum curationibus). 680 Georg Detharding, Hil. Ev. II, S. 98a+b (Oratio Jubilaea). 681 Georg Detharding, Hil. Ev. II, S. 97b (Oratio Jubilaea): „Placere nemini non poterit consilium Medici eruditissimi, qui sub ficto Sempronii Gracchi titulo latitare voluit, pium enim est & salutare, quando jam sub initio studii Medici ceu sacri attendendum monet, ut ipsi DEO, ceu vero & unico principio, gratias agamus, quod medicinam in usum omnium nostrum nasci voluerit, nobisque ejus utilitatem & fructum concesserit; in ipso vero studio commendat supplici vultu DEUM adorandum, quo qualescunque labores in sui honoris gloriam & tot afflictorum utilitatem dirigere velit.“ 682 Johann Franz Buddeus, De characteribvs, S. 46: „Longe plura autem . . . nobis ex hac reformatione orta sunt commoda. Sentiunt haec praecipue summi rerumpublicarum nostris sacris addicti rectores; quippe qui pleno maiestatis, sacrarum aeque ac rerum politicarum, iure gaudent, neminem in his terris quoad vtrumque superiorem agnoscentes.“ Johann Caspar Haferung, Geda¨chtnu¨ß der Wunder Gottes, S. 15 f. David Richter, Ausfu¨hrliche Historie, S. 123. 683 Vgl. Kap. IV.2. 684 Johann Wilhelm Ianus, De Dominatu, S. 45–92. 678 679

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schaftsanspruchs.685 Die Frage, wie das mit der Reformation entstandene Machtvakuum gefu¨llt wurde, u¨bergeht Jahn in seiner Darstellung jedoch ebenso wie die machtpolitischen Zielsetzungen einzelner Fu¨rsten, die die Ausbreitung des Protestantismus gefo¨rdert hatten. Die Befreiung der europa¨ischen Staaten aus den Fa¨ngen der ro¨mischen Kirche als solche ist Grund genug, Gott dafu¨r zu loben. Die rechtlichen Konsequenzen dieses Vorgangs hat der Rostocker Jurist Johann Christian Petersen zusammengefaßt, womit er seiner Deutung der Reformation einen eigenen Akzent verlieh. Nach seiner Auffassung war Luthers Reformation in die Tradition der juristischen Reformbemu¨hungen des Mittelalters einzuordnen, die das u¨ber Jahrhunderte hinweg bedeutungslose Corpus Iuris Civilis neu zur Geltung brachten, wa¨hrend das Corpus Iuris Canonici, dessen sich die ro¨misch-katholische Kirche wa¨hrend des Mittelalters zur Unterjochung der europa¨ischen Staaten bedient hatte, an Einfluß verlor.686 Die Besonderheit der Reformation im Zusammenhang dieser Reformbemu¨hungen lag fu¨r Petersen darin, daß Luthers Konfrontation mit der ro¨mischen Jurisdiktion zu seiner Zeit die Umsetzung der vielerorts gehegten Reformwu¨nsche begu¨nstigte.687 Luthers reformatorische Tat bestand nach Petersen in der Abkehr von der pa¨pstlichen Jurisdiktion, die mit der Verbrennung des kanonischen Rechts im Jahr 1520 sinnfa¨llig wurde und deren Berechtigung er zeitlebens verteidigt habe.688 Freilich idealisiert Petersen um der Klarheit der Trennlinie zwischen ro¨misch-katholischer und lutherischer Kirche willen die historische Wirklichkeit, kam es doch auch zu einer partiellen protestantischen Rezeption des Corpus Iuris Canonici durch die Reformatoren, unter anderem in wesentlichen Passagen der Confessio Augustana.689 Den Ertrag dieser von Luther initiierten Entwicklung erblickt Petersen auf dem Gebiet des Staatsrechts.690 Die wesentlichen Etappen der Reformen im Staatsrecht, deren Ergebnis die rechtliche Gleichstellung der ProJohann Wilhelm Ianus, De Dominatu, S. 94. Johann Christian Petersen, Hil. Ev. II, S. 83a (Oratio secularis). 687 Johann Christian Petersen, Hil. Ev. II, S. 85a (Oratio secularis). 688 Johann Christian Petersen, Hil. Ev. II, S. 83a (Oratio secularis). A ¨ hnlich bewertet Justus Christoph Bo¨hmer die Verbrennung des kanonischen Rechts, wenngleich Bo¨hmer daru¨ber hinaus hinreichend auf die theologischen Forderungen und Motive von Luthers reformatorischem Handeln eingeht; so drastisch und einseitig wie Petersen hat Bo¨hmer die Verbrennung des kanonischen Rechts nicht gesehen; (Ders., Fasces academici, S. 92). 689 Martin Heckel, Veranderungen, S. 363–367. ¨ 690 Als Meilenstein in dieser Reform des Ius Publicum nennt Petersen den Kurverein zu Rense (1338) und die entsprechende Konstitution aus dem Jahr 1339 (Ders., Hil. Ev. II, S. 84a); die von zeitgeno¨ssischen Reichspublizisten sehr viel mehr beachtete, zu den Fundamentalgesetzen des Reichs za¨hlende Goldene Bulle von 1356 erwa¨hnt er dagegen nur am Rande (ebd., S. 88b). U¨berdies erinnert Petersen an zahlreiche theoretische Ansa¨tze zur Reform des Ius Publicum wa¨hrend des Mittelalters wie die von Marsilius von Padua, Wilhelm von Occam (ebd., S. 83b) aus dem 14. oder Martin Mager und Jakob Wimpfeling aus dem 15. Jahrhundert (ebd., S. 84b). 685 686

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testanten als Religionspartei und die Ausschaltung der pa¨pstlichen Jurisdiktion im protestantischen Bereich war, bildeten die auf dem Nu¨rnberger Reichstag 1522 publizierten Gravamina der deutschen Reichsfu¨rsten, die Confessio Augustana von 1530 sowie der 1555 geschlossene Religionsfrieden.691 Den eigentlichen Schlußpunkt markierte der Westfa¨lische Friede, der allen Protestanten die vollsta¨ndige Rechtssicherheit zubilligte.692 Dessen Bestimmungen, die Petersen in aller Ausfu¨hrlichkeit wiedergibt, bilden aus rechtshistorischer Perspektive den Ertrag der von Luther in die Wege geleiteten Reform.693 Charakteristisch fu¨r Petersens Ausfu¨hrungen ist die starke Betonung der reichspolitischen Auswirkungen des Friedens, wa¨hrend er dessen kirchenpolitische Implikationen nur kurz aufza¨hlt.694 Er kennzeichnet die territorialen Vera¨nderungen, die der Westfa¨lische Frieden mit sich brachte,695 die vera¨nderte Rechtsstellung des Reichsoberhaupts gegenu¨ber dem Papst und den Reichssta¨nden696 sowie das neu geordnete Zusammenspiel der drei Reichstagskollegien und deren Verha¨ltnis zum Reichsoberhaupt.697 Die kirchlich relevanten Bestimmungen u¨ber die vera¨nderten Rechte und Pflichten der Landesherren fu¨r die freie Religionsausu¨bung in ihren Territorien streift er dagegen nur.698 Mit ihrer Konzentration auf die juristische Dimension der Reformation bildet Petersens Arbeit eine wichtige Ausnahme. Diese Konzentration ermo¨glichte es ihm, die Entstehung der protestantischen Kirchen als Teil eines komplexen historischen Geschehens darzustellen, in dem juristischen und machtpolitischen Fragen deutlich gro¨ßere Bedeutung zukam, als die Theologen und Kirchenhistoriker seiner Zeit wahrhaben wollten. Die epochale Bedeutung des Westfa¨lischen Friedens fu¨r Kirche und Staat hat Petersen deutlich herausgearbeitet, und fu¨r ihn bedeutet die Gleichberechtigung der reformierten Protestanten einen Fortschritt in der Ge-

Johann Christian Petersen, Hil. Ev. II, S. 84b-85a. (Oratio secularis). Johann Christian Petersen, Hil. Ev. II, S. 85b. (Oratio secularis). Vgl auch Jacob Carmon, Oratio in Natalem Serenissimi Principi, S. 150r. 693 Johann Christian Petersen, Hil. Ev. II, S. 90b (Oratio Secularis): „Omnem istam Juris publici tam in Ecclesiasticis quam Politicis in Imperio factam mutationem, Reformationis nobis hodie Secularis tempora non transcendere, ad oculum patet, & certa ratione dici poterat, illam huic primas quasi debere origines. Adeste itaque A. O. O. H. & grata in hoc Seculari Sacro mecum mente recolite, quanta haec sint beneficia, quae benignissimus DEUS, a tempore salutiferae Reformationis Lutheri, nobis tanto cumulo exhibuit.“ 694 Johann Christian Petersen, Hil. Ev. II, S. 86a (Oratio secularis). 695 Johann Christian Petersen, Hil. Ev. II, S. 86b (Oratio secularis). 696 Johann Christian Petersen, Hil. Ev. II, S. 87a-b (Oratio secularis). 697 Johann Christian Petersen, Hil. Ev. II, S. 87b-90a (Oratio secularis). 698 Johann Christian Petersen, Hil. Ev. II, S. 85b (Oratio secularis): „. . . ita ante omnia religioni nostrae, a B[eato] Luthero tam exquisita & indefessa sollicitudine repurgatae plenissima in Imperio parta est securitas, Reformatae seu Calviniae religionis asseclis reliquis Protestantibus hoc in passu per omnia exaequatis.“ Johann Christoph Pfaff, Christliche Predigt, S. 19 f. 691

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schichte des Reichsrechts.699 Daß Petersen sich mit dem Lob Gottes und Hinweisen auf das Wirken der go¨ttlichen Providenz eher zuru¨ckha¨lt und statt dessen die historischen Faktoren der Entwicklung aufzeigt, entspricht seiner nu¨chternen Analyse. In den weiteren Rahmen dieser von der Reformation bewirkten juristischen Vera¨nderungen geho¨rt die Aufrichtung des landesherrlichen Kirchenregiments.700 Damit – so heißt es bei Carmon – sei den Landesherren ein von jeher bei Christen und Heiden zustehendes Recht zuru¨ckgegeben worden,701 das die Pa¨pste ihnen entrissen hatten.702 Doch habe sich diese Vera¨nderung erst im Vollzug der Reformation abgezeichnet, nachdem die geistliche Gewalt in den Anfangsjahren der Reformation noch bei den Bischo¨fen gelegen hatte. So habe Friedrich der Weise Luther lange Zeit nur zo¨gernd unterstu¨tzt, weil er sich nicht fu¨r befugt hielt, in kirchliche Streitigkeiten einzugreifen, und aus demselben Grunde seien die ersten Visitationen den Bischo¨fen u¨bertragen worden.703 Erst in der Confessio 699 Johann Christian Petersen, Hil. Ev. II, S. 85b. (Oratio secularis). Bei Jacob Carmon klingt sogar Kritik am Westfa¨lischen Frieden an, weil dieser den Eindruck vermittle, die ro¨misch-katholische Kirche sei eine den Protestanten gleichberechtigte Kirche mit dem gleichen Wahrheitsanspruch, obwohl die Reformation doch deutlich gemacht habe, daß Rom diesen Anspruch, gemessen an der theologischen Wahrheit, zu Unrecht erhebt. (Jacob Carmon, Oratio in Natalem Serenissimi Principis, S. 153r). 700 Daß die Reformatoren selbst einer solchen Einrichtung skeptisch gegenuberstanden, ¨ geht in Carmons Darstellung dagegen unter; vgl. dazu: Martin Heckel, Rechtstheologie Luthers, S. 330 f. 334. sowie Ders., Luther und das Recht, S. 2523. 701 Jacob Carmon, Oratio in Natalem Serenissimi Principis, S. 147r+v: „Quod Germanorum imperator CAROLUS M[agnus] accurate perpendens, gladium sibi vagina nudatum semper praeferri curavit, inscriptis literis initialibus; sane Explicationem sustinentibus. Decem praeceptorum Custos Carolus A DEO coronatus. Quod etiam agnoverunt Ipsi Gentiles: Sic Persarum neminem ad Imperii fastigium evehi potuisse referunt, nisi antea Magorum disciplinam Scientiam percepisset, eo fine, ut eo melius Sacrorum jura a Summa Majestate administraretur.“ Diese dem Naturrecht entnommene Argumentation geho¨rt zu den Besonderheiten der kirchenrechtlichen Darstellungen des 17. Jahrhunderts, die sich einerseits nicht mehr allein auf biblische Texte beziehen, sich andererseits aber noch nicht auf die rein rationale Argumentation verlegt haben, in der historische und theologische Belege nicht mehr die ausschlaggebende Rolle spielen; vgl. dazu: Martin Heckel, Staat und Kirche, 110 f. Ebenso zeitbedingt ist die Ableitung des Landesherrlichen Kirchenregiments aus den allgemeinen Herrschaftsaufgaben des Territorialherren (vgl. Carmon, ebd., S. 147r) und nicht aus seiner Funktion als summus episcopus der Kirche; zum Verha¨ltnis von Episkopalismus und Territorialismus: Martin Heckel, ebd., S. 122–127. Ausdru¨cklich gegen die Ableitung des landesherrlichen Kirchenregiments aus heidnischen Vorbildern, ansonsten aber a¨hnlich: Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 241–243. 702 Jacob Carmon, Oratio in Natalem Serenissimi Principis, S. 150v-151r. Johannes Samuel Hering, Hil. Ev. II, S. 112a (Oratio secularis): „Sed adhuc majus & longe sublimius meritum Lutheri extat in Jurisprudentiam ecclesiasticam, scilicet quod ope pariter & occasione Reformationis Lutheri, Principibus Augustanae Confessioni addictis, restitutum plenissime fuerit Jus supremum circa sacra in territorio, omnisque Pontificis Romani Jurisdictio in sacris, quantum ad terras Protestantium attinet, fuerit suspensa.“ Johann Heinrich Michaelis, De rege Ezechia, S. 32. 703 Jacob Carmon, Oratio in Natalem Serenissimi Principis, S. 149r+v.

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Augustana wurde deren Amtsvollmacht auf die Predigt des Evangeliums, die Versehung des Schlu¨sselamtes und die Verwaltung der Sakramente beschra¨nkt (CA 28).704 Ungeachtet der Proteste von ro¨misch-katholischer Seite setzte der Augsburger Religionsfrieden der Jurisdiktion der Bischo¨fe in den protestantischen Territorien ein Ende und sprach das ius circa sacra wieder den Fu¨rsten zu. Zu diesen geho¨rten: das 1) Jus ordinandi Liturgiam 2) Jus constituendi Ministros Ecclesiae 3) Jus indicendi Synodos Provinciales 4) Jus habendi visitationes 5) Jus erigendi Consistoria et Senatum Ecclesiasticum 6) Jus circa adiaphora sowie 7) die Verpflichtung, die rechte Glaubenslehre und -praxis des Landes zu gewa¨hrleisten.705 Von Krackewitz hebt hervor, daß mit diesen Bestimmungen eine Sta¨rkung des Pfarrerstandes und der geistlichen Dimension des Bischofsamtes einherging,706 wa¨hrend Carmon das Ende der von Rom geforderten und dann veruntreuten Annatenzahlungen sowie der widerrechtlich erhobenen Palliengeldern als wichtige Begleiterscheinung hervorhob.707 Fu¨r alle Ausfu¨hrungen, in denen von dem Nutzen die Rede ist, den die weltliche Obrigkeit aus der Reformation zog, ist ihr appellativer Ton kennzeichnend:708 Neben dem historischen Interesse sind es die unsicheren politischen Verha¨ltnisse des fru¨hen 18. Jahrhunderts, die die Autoren der Jubila¨umsschriften zur Bescha¨ftigung mit diesem Thema veranlaßten. Seien es die biblischen Beispiele von gottesfu¨rchtigen Herrschern, die Hinweise auf vorbildliche protestantische Landesherren der ersten Gene-

Vgl. BSLK 121, 5. Jacob Carmon, Oratio in Natalem Serenissimi Principis, S. 150r. Jacob Carmon, Oratio in Natalem Serenissimi Principis, S. 150r. 706 Albrecht von Krackewitz, Vorbereitungsrede, S. 99r: „Nunc novit, quod aeq. ut Status Ecclesiasticus Deo sit gratus et acceptus; imo longe gratior et acceptior, quam omnis Monachorum et Monialium vivendi ratio; cui tamen sub Papatu multum necesse habuit cedere. Perpendite ulterius, quod Status Ecclesiasticus olim sub dominatu Pontificio ingeminaverit, sibi impositum esse jugum manendi in solo Pontificio obsequio, nihilq. aliud docendi, quam quod in Concilio Pontificis autoritate formato et confirmato sancitam, ut taceam onus illud, quo coelibatus leges vitam Clericorum effecerunt aut difficillimam aut foedissimis peccatorum generibus contaminatam. Nunc vero sacer Deo ministrantium ordo, soli divino eidemq. saluberrimo adstrictus verbo, veritatem doctrinae coelestis liberrime indagare, eandem puram et ab omni humano inquinamento defaecatam, proponere potest, nullisque constringitur coelibatus vinculis, sed sua utitur libertate, prouti naturae et temperamenti ratio vitam conjugalem vel appetit vel sanctam ab illa abstinentiam suadet.“ Vgl. dazu: Martin Heckel, Kirche und Staat, S. 139 ff. 707 Jacob Carmon, Oratio in Natalem Serenissimi Principis, S. 154 ff. Beachtlich ist die Einschra¨nkung, die Carmon hinsichtlich der Annatenzahlungen macht. Diese sind na¨mlich nach seiner Auffassung auch fu¨r einen protestantischen Landesherrn eine legitime Form, zusa¨tzliche Gelder fu¨r kirchliche Zwecke zu akquirieren. Illegitim sei lediglich die Zweckentfremdung oder Veruntreuung der eingezahlten Gelder, wofu¨r er in der ro¨misch-katholischen Kirche zahllose Beispiele anzufu¨hren weiß (ebd., S. 158v). 708 Johann Heinrich Michaelis, De rege Ezechia, S. 30: „Vt communi bono nihil salutarius contingere potest, quam Princeps bonus ac pius, ita e contrario maximum in Christiana ciuitate malum est Princeps malus & impius, qui peccatis suis non solum reipublicae, sed etiam plus exemplo suo ecclesiae nocet.“ 704 705

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ration oder die mahnende Erinnerung an ihre Verantwortung fu¨r die Kirche: Angesichts der Anfeindungen durch die ro¨misch-katholische Kirche erinnern die Jubila¨umsschriften die Fu¨rsten an ihre geistliche Pflicht, die freie Religionsausu¨bung zu sichern und sie vor Irrlehren oder der Verfolgung durch Andersgla¨ubige zu schu¨tzen.709 Dabei halten sie ihnen ihre Verantwortung fu¨r das Seelenheil ihrer Untertanen und ihre Vorbildfunktion vor Augen,710 hatten doch die Vorfa¨lle in Kursachsen im Vorfeld des Jubila¨ums711 die Abha¨ngigkeit einzelner Landeskirchen vom Wohlwollen ihrer Landesherren erneut offenkundig gemacht. Gleichsam als Antwort auf die Bekanntgabe der Konversion des sa¨chsischen Kurprinzen ließ Martin Chladenius, mutig genug, wa¨hrend des Jubila¨ums u¨ber Josua 2415 f disputieren und erinnerte damit das sa¨chsische Fu¨rstenhaus an seine ihm von Gott aufgetragene religio¨se Fu¨rsorgepflicht.712 Hinweise in dieser Richtung du¨rften auch die zahlreichen Predigten gegeben haben, die u¨ber das fu¨r den 23. Sonntag nach Trinitatis vorgesehene Evangelium (Mt. 2215–22) gehalten wurden, von denen lediglich Gottlieb Wernsdorfs Predigt erhalten ist. Predigten oder Reden u¨ber Ro¨m. 13, den locus classicus der lutherischen Zwei-Reiche-Lehre,

709 Johann Heinrich Michaelis, De rege Ezechia, S. 32: „Princeps Christianus, ad Hiskiae exemplum, de iure diuino etiam pro aeterna ciuium salute sollicitus esse tenetur.“ Sowie ebd., S. 33: „Sicut regii officii pars est, efficere, vt DEO dicata recte administrentur; ita eiusdem curae est, in honorem Dei & verbi diuini propagationem, partem sumtuum de reditibus suis impendere, & exemplo non minus, quam verbo, haec populum iubere . . .“ 710 Am eindringlichsten hat Johann Christian Klemm diese Bitte formuliert: „Itaque id egerunt, aguntque hodienum Principes Evangelici, ut sacris quoque suis ipsimet prospiciant, bonis legibus, constitutionibus, & ordinationibus rebus Ecclesiarum suarum consulant, neque coeco assensu obsequioque, quicquid ambitiosa nonnullorum superbia in rebus etiam fidei somniat, amplectantur. Atque haec proxima optimaque res Evangelicorum servandi augendique est ratio, si de suis sibi juribus nihil quicquam sinant detrahi, si rempublicam in republica non ferant, si omni studio, diligentia atque contentione satagant, ne humana figmenta divinis supponantur oraculis, ne litibus haud necessariis Ecclesiae porro distrahantur, sed quae tanto earum malo hactenus fuerunt agitatae, publica auctoritatae componantur, si id operam dent, ut fundamenta fidei Christianae adversus hominum profanorum & fanaticorum insultus sarta tecta conserventur, si nec tyrannidem in conscientias, ne sophisticen scholarum tolerent, sed contra sentiendi libertatem & veritatem libere indagandi copiam circa res vel perspicue non revelatas vel a fulcris fidei longius remotas scholis indulgeant, si denique de arctius consociandis suis Ecclesiis, ne discordia tandem plane diffluant, junctis omnino consiliis animos inducant.“ (Ders., De servandis augendisqve reformationis fructibus, S. 20). 711 Vgl. Kap. III. 1. 712 Martin Chladenius formulierte die allgemeine These: „Quilibet Princeps in suo Territorio, quilibet Paterfamilias in sua domo curam habere debet, ut verus Dei cultus inter suos restauretur & conservetur . . .“ (Ders., De Israelis, S. 17) und erla¨uterte sie dann wie folgt: „Atque haec Sanctorum exempla ut Principes nostri ac Patresfamilias imitentur, & quo DEVS recte a suis colatur, hoc inprimis tempore curam suscipiant, quo restitutae per B. Lutherum Religionis purioris memoria in Ecclesiis nostris colitur, votis quidem omnibus est expetendum.“

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fehlen so gut wie ganz.713 Wichtiger war der Appell an die Fu¨rsten, die Sicherung und Erhaltung des Protestantismus als Teil ihrer perso¨nlichen Verantwortung wahrzunehmen.714 f) Lehre und Leben Bildete die Kritik am spa¨tmittelalterlichen Sittenverfall im Klerus und bei den Gla¨ubigen einen Aspekt der Jubila¨umsschriften, war es folgerichtig, daß sie die Reformation des geistlichen Lebens und der perso¨nlichen Fro¨mmigkeit als Errungenschaft und Frucht der reformatorischen Lehre lobten. Damit knu¨pfen sie an ein wichtiges Anliegen der Reformation715 und zugleich ein wichtiges zeitgeno¨ssisches theologisches Anliegen an: die Fortsetzung und Vollendung der reformatio doctrinae durch die reformatio morum.716 In diesem Bemu¨hen traf sich das reformgesinnte orthodoxe Luthertum mit dem lutherischen Pietismus.717 Es ist nicht verwunderlich, daß dem lutherischen Pietismus zuzurechnende Theologen gerade zu die713 Einer der wenigen Hinweise auf Rom. 13 findet sich bei Johann Heinrich Michaelis, ¨ der jedoch im gleichen Atemzug auf Act. 529 hinweist und damit die Gewalt der Regenten, sowie die Gefolgschaftspflicht ihrer Untertanen dem Wort Gottes unterstellt (Ders., De rege Ezechia, S. 30). 714 Mit dieser idealisierten Deutung des landesherrlichen Kirchenregiments, das trotz seines weltlichen Charakters als legitime Leitung der Kirche angesehen wird, repra¨sentieren die Jubila¨umsschriften das Rechtsversta¨ndnis ihrer Zeit; vgl. Martin Heckel, Religionsbann und Kirchenregiment, S. 269 ff. 715 Die Jubilaumsschriften tragen hier ein Anliegen in ihre Luther-Deutung ein, das zu ¨ den wesentlichen Merkmalen von Seckendorfs Luther-Interpretation geho¨rt, die neben der von Luther ho¨her bewerteten theologischen Lehre dessen Leben und Glaubenspraxis zum Gegenstand macht (Ernst Walter Zeeden, Martin Luther Bd. 1, S. 127 ff). Zur Verbindung von Lehre und Leben in Theologie und Biographie Luthers: Gerhard Ebeling, Lehre und Leben in Luthers Theologie. Daß die enge Verbindung von perso¨nlicher Fro¨mmigkeit und Theologie die zentrale Kategorie auch in Melanchthons Theologie und Lehre bildete, zeigt Martin H. Jung, Fro¨mmigkeit und Theologie bei Melanchthon. 716 Die Arbeiten von Johann Heinrich Michaelis und Gottlieb Wernsdorf belegen, daß dieses Anliegen von pietistisch gepra¨gten Theologen ebenso wie von orthodox lutherischen Theologen vertreten wurde. Michaelis leitet seine Deutung der von Ko¨nig Hiskia durchgefu¨hrten Reformation mit dem Hinweis ein, sie solle auf Leben und Lehre gleichermaßen gedeutet werden: „. . . breuiter nunc ostendamus, quomodo, quae dicta illic sunt, ad vsum cum in vita Christiana, tum in doctrina euangelica, adplicari possint: quamuis subinde quoque in praecedentibus nonnulla de his innuimus.“ (Ders., De rege Ezechia, S. 28). Und bei Wernsdorf heißt es: „Ach! es schickt sich u¨bel / zu Lutheri Lehre sich bekennen / und hingegen Lutheri Zucht hassen / sich des Lichts des Evangelii ru¨hmen / und dennoch Wercke der Finsterniß treiben.“ (Ders., Jubel-Groschen, S. 42). A¨hnlich: Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, Praefatio; Martin Chladenius, Das Unschuldige Frolokken, S. 60: „Wo nun vor GOtt und Menschen heilige Lehre und Beka¨ntniß ist / da will solche auch durch einen wahrhafftigen heiligen Wandel an den Tag geleget seyn.“ 717 Vgl. dazu Hans Leube, Reformideen, sowie Martin Brecht, Das Aufkommen der neuen Fro¨mmigkeitsbewegung in Deutschland. Daß es sich bei den a¨hnlichen Reformbestrebungen in Orthodoxie und Pietismus nicht um identische Anliegen handelt, haben

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sem Themenkomplex Stellung bezogen – sofern sie sich denn u¨berhaupt anla¨ßlich des Jubila¨ums gea¨ußert haben.718 Fu¨r sie verband sich damit ein doppeltes Ziel: Zum einen konnten sie ihrer Deutung der Reformation Luthers als einer Einheit von reformatio doctrinae et morum weitere Aufmerksamkeit verschaffen, zum anderen bekra¨ftigten sie damit, gegen alle Widersta¨nde strenger Lutheraner, ihren Anspruch auf Anerkennung als legitime Erben des Luthertums. Ein wichtiges Motiv war die Bestimmung des Verha¨ltnisses von a¨ußerem und innerem Gottesdienst, das Ludewig im Vorfeld der Feierlichkeiten mit der Anfrage beru¨hrt hatte, ob es einer großen Reformationsjubelfeier bedu¨rfe oder ob nicht aus biblischer Sicht die stille Andacht dem Anlaß des Jubila¨ums eher angemessen sei. Andere Jubila¨umsschriften nahmen diese Frage auf und beschrieben die Innerlichkeit als Merkmal protestantischer Fro¨mmigkeit, freilich ohne sich dem Verdacht der Schwa¨rmerei aussetzen zu wollen, indem sie die innere Dimension von Glauben und Fro¨mmigkeit als die einzig wichtige darstellten.719 Sie wollten die Zusammengeho¨rigkeit von Glauben und Fro¨mmigkeit herausstellen, ohne sie gegeneinander auszuspielen. So bestand fu¨r May der Fehler der christlichen Kirchen, insbesondere der ro¨misch-katholischen Kirche, im Verharren bei A¨ußerlichkeiten des Glaubens, sowohl bei der Einhaltung religio¨ser Praktiken als auch durch bloßes Fu¨rwahrhalten christlicher Lehrsa¨tze. Zum lebendigen Glauben und Gottesdienst geho¨rte aber die innerliche O¨ffnung des Menschen fu¨r

ju¨ngst Johannes Wallmann, Pietas contra Pietismus, sowie Sabine Holtz, Lutherische Orthodoxie versus Pietismus gezeigt. 718 So heißt es bei Joachim Lange, einem Vertreter des halleschen Pietismus: „O wie not¨ hig haben wir auff unserer Hut zu seyn / daß nicht durch Verkehrung / oder Verdunckelung und Mißbrauch / so mancher von LUTHERO geretteten Krafft-Lehre / und durch ein unevangelisches Leben / GOttes gerechte Gerichte / deren Anbruch sich bereits hie und da mercklich genug gea¨ussert hat / u¨ber die Evangelische Kirche geha¨uffet werden mo¨gen.“ (Ders., Wohl-verdientes Ehren-Geda¨chtniß, a4v). 719 Friedrich Andreas Hallbauer, Ecclesia Lutherana, S. 37: „non quidem inficias ibo, inueniri & inter Lutheranos, qui superstitionis vitio correpti sint, quique externis actibus, quam decet, plus tribuant; sed illi a genuina nostrae ecclesiae sententia alieni sunt. sufficit mihi, superstitionem non ex principiis religionis nostrae produci posse, eam non doceri, defendique, vt fieri cernimus in pontificia.“ August Hermann Francke, Der Hertzliche Wunsch, S. 36: „Demnach wird uns hier . . . zu erkennen gegeben, daß es nicht nur was a¨usserliches oder bloß sinnliches mit unserm Christenthum seyn mu¨sse; sondern daß der Heilige Geist unser gantzes Hertz und das allerinnerste unserer Seele mit seiner Gnade erfu¨llen und in der Liebe JEsu Christi erwa¨rmen solle.“ Auch wenn diese Unterscheidung vornehmlich von pietistischen Theologen in Aufnahme eines Gedankens Philipp Jakob Speners (vgl. Ders.,Pia Desideria, S. 7933- 8030) herausgearbeitet wird, darf nicht u¨bersehen werden, daß die Verha¨ltnisbestimmung von innerem und a¨ußerem Menschen bereits in Luthers Theologie, zum Beispiel in der Freiheitsschrift von 1520, eine wichtige Rolle gespielt hatte und die Jubila¨umsschriften demnach einen Aspekt reformatorischer Theologie zur Geltung bringen, der zwischenzeitlich in den Hintergrund geru¨ckt war.

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Gott.720 Rein a¨ußerlich vollzogene Gottesdienste widerspra¨chen dem biblischen Vorbild.721 Die Aufgabe bestehe darin, den innerlichen Glauben mit seiner a¨ußeren Gestaltung in ein lebendiges Verha¨ltnis zu bringen: Der Gla¨ubige, der allein auf seine Fa¨higkeit zur Heiligung vertraut, verharmlost die Ernsthaftigkeit seiner Su¨nde ebenso wie der Gla¨ubige, der sich auf seine Kenntnis der wahren Lehre verla¨ßt, ohne perso¨nlich betroffen zu sein.722 Wie dieses Zusammenspiel von innerer und a¨ußerer Glaubenspraxis zu denken war, veranschaulicht Michaelis an der Kultusreform des Ko¨nigs Hiskia. Trotz der von Hiskia a¨ußerlich vollzogenen Kultusreform (2. Ko¨n. 181 ff) war der Zorn Gottes gegen das Volk Israel entbrannt, weil die Israeliten insgeheim bei ihrer Gottlosigkeit, ihrer Undankbarkeit und ihrem Hochmut verharrten. Zur wirksamen Reform wurde diese Kultusreform erst, als sie das Denken und den Wandel der Gla¨ubigen erfaßte. So war seiner Meinung nach auch die Reformation Luthers im Kern gegen die allgemein verbreitete Gottlosigkeit der Gesinnung und nicht so sehr gegen den a¨ußerlich verfallenen Zustand der ro¨misch-katholischen Kirche gerichtet gewesen.723 Zu den Vollzu¨gen der rechten Glaubenspraxis geho¨rt die Buße, in der sich a¨ußerer Wandel und innere Gesinnung eng verbinden. Ihre mißbra¨uchliche Praxis gibt den Anstoß zur Reformation. An allen Orten bildeten Beicht- und Bußgottesdienste einen Teil der Festvorbereitung, und die Neu-Editionen und Erla¨uterungen zu Luthers Ablaßthesen belegen die theologische Bedeutung, die dem Thema beigemessen wurde. Im Gegensatz zur ro¨misch-katholischen Bußtheologie betonten die Verfasser, daß die durch Christus bewirkte Rechtfertigung des Su¨nders es jedem 720 Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 364: „In hoc tamen genere cauenda est omnis superstitio, quae sequioribus temporibus, praesertim sub Papatu, irrepsit, quando omnis cultus in externo splendore & ornatu positus fuit, neglecto prorsus interiore; cum tamen Christiani ipsi Templa Dei esse debeant, in quibus Deus habitare vult.“ U¨ber den aufgeschobenen Tempelbau zur Zeit Ko¨nig Davids heißt es weiter bei May: „Quae omnia cum fidelissime ex ore Dei Nathan Dauidi significasset, amplissimas Benefactori Optimo Maximo gratias egit, ac illuminante Spiritu intellexit, gratius Deo nullum Templum esse, quam cor purum, & hominem reformatum.“ (ebd., S. 257). 721 Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 128 f. 722 Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 364. Johann Franz Buddeus, De characteribvs, S. 33 f erinnert an die Reformation, die Jesus selbst durchgefu¨hrt hatte, von der innerliche und a¨ußerliche Aspekte gleichermaßen betroffen waren. 723 Johann Heinrich Michaelis, De rege Ezechia, S. 37: „Quemadomodum DEVS olim, regnante Hiskia, populum non ob deiectum serpentem aeneum & amota excelsa, bello Assyrio adflixit; verum ob peccata alia, impoenitentiam, ingratam mentem, & securitatem, positamque in Aegyptiis fiduciam . . . sic etiam Euangelicis ecclesiis DEVS non ob desertum Papam & profligatam superstitionem, sed ob alia scelera, inprimis securitatem & impietatem irascitur . . . Non est hic verus reformationis vsus, qui in sacrorum emendatione subsistit; sed radix ipsa malorum, incredulitas & inobedientia cordis, indeque pullulans securitas, hypocrisis, iniustitia, & pertinax superbia, expurganda sunt.“ (Die ausfu¨hrlichen Darstellungen zur Reform des Hiskia vgl. ebd., S. 10 ff)

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Menschen freistellt, seine Su¨nden vor Gott zu bekennen und von seinem su¨ndigen Lebenswandel umzukehren, ohne auferlegte Bußleistungen zu erbringen.724 Unter Bezugnahme auf Luther beschreiben sie die Buße als Umkehr zu Gott, die aufgrund der bleibenden Su¨ndhaftigkeit des Menschen immer neu vollzogen werden muß. Gerade in der Mo¨glichkeit, diese Umkehr zu wiederholten, liegt die Wirkung der Erlo¨sung in Jesus Christus. Das Annehmen des bedingungslosen Zuspruchs der Gnade Gottes, die zugleich den ganzheitlichen Anspruch Gottes auf das Leben des Christen markiert, bildet daher fu¨r einige Autoren den Kern der reformatorischen Lehre.725 Sie warnen vor einem doppelten Mißversta¨ndnis der lutherischen Bußlehre: Weder gilt es, den Su¨nder angesichts der fu¨r den Menschen offensichtlich unu¨berwindbaren Su¨nde in totale Verzweiflung zu stu¨rzen, noch du¨rfen Gla¨ubige aufgrund ihrer Buße und der damit vermeintlich u¨berwundenen Su¨nde in geistlichen Hochmut verfallen.726 In diese zweite Richtung tendieren Schriften, die von der Buße im Sinne einer Bekehrung als perso¨nlicher Annahme des von Gott offenbarten Heils sprechen, mit deren Vollzug die Gottesbeziehung auf eine neue Stufe gestellt werde. Diese Auffassung findet sich bei Verfassern, die dem lutherischen Pietismus zuzurechnen sind, wie Herrnschmid und Francke, die beide die Notwendigkeit dieser individuellen, perso¨nlichen Aneignung des Heils hervorheben. So erkla¨rt Herrnschmid, im Mittelpunkt der in der Reformation neu entdeckten Heilslehre stehe der einzelne Mensch, der das Heil perso¨nlich ergreifen mu¨sse. Nur durch Verinnerlichung des Heilsgeschehens werde er Teil der Kirche Gottes, und umgekehrt ko¨nne nur diejenige Kirche dauerhaft existieren, in der Menschen lebten, die das Heil Christi perso¨nlich angenommen ha¨tten.727 Aus a¨hnlichen Beweg-

Johann Conrad Arnold, Monumentum gratiae, S. 12 f. Paul Anton, Predigt, S. 17. 726 Johann Conrad Arnold, Monumentum gratiae, S. 19. 727 Johann Daniel Herrnschmid, Predigt, S. 79: „. . . allein / wenn das alles nur insgemein ein Geschenck fu¨r die Evangelische Kirche bleibet, und nicht einem jeden in sein eigen Hertz hinein kommt / und darinnen gute Fru¨chte wircket / so ist der rechte Gebrauch und Nutzen solcher Gnade weder ins besondere / noch insgemein fu¨r die Kirche vorhanden / sondern viele verdorbene Reben machen nach und nach den Weinstock unfruchtbar und verwerfflich.“ In seiner Auslegung des Gleichnisses von den zehn Jungfrauen stellt Anton die Verantwortung des Einzelnen im Angesicht Gottes und in Erwartung des kommenden Reichs heraus. Paul Anton, Predigt, S. 11: „Ja es ist die Meldung unsers Textes in die Apologie der Augspurgischen Confession gar beweglich mit eingeflossen / nicht allein im Puncte von Anrufung der Heiligen / und von Gelu¨bden / sondern auch im Artickel von der Christlichen Kirche / wieviel daran gelegen sey / daß sich nicht einer auf den andern in geistlichen Sachen verlasse.“ Auch Breithaupt warnt vor falscher Sicherheit im Glauben, die sich ausschließlich auf A¨ußerlichkeiten gru¨ndet: „Neque enim desunt religionis corruptores tam nefarii, Lutheranam fidem qui jactitent in eo, ut, vel licenter securi esse velint de vita aeterna, acquisita & sibi merito Christi; vel, praeter honestatem, ac ritus sacrorum exteriores, nihil de mutatione animi, humanis viribus potiore, admittant.“ (Hil. Ev. II, S. 40a; Oratio secvlaris). 724 725

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gru¨nden beklagt Francke das Gewicht, das dem bloßen „historischen Glauben“ in der zeitgeno¨ssischen Theologie beigemessen werde, wa¨hrend die perso¨nliche Aneignung des allein seligmachenden Glaubens in den Hintergrund gerate. Dabei muß jegliche Verku¨ndigung darauf zielen, daß die Ho¨rer „. . . das Evangelium von JESU CHristo nicht bloß als eine a¨usserliche Historie anho¨ren, sondern dasselbe vielmehr als ein neues und ko¨stliches Feyer-Kleid dergestalt anziehen sollen, daß unser Hertz und Seele gleichsam darein gekleidet, und der gantze inwendige Mensch damit geschmu¨cket sey.“728 Folglich spielen in den Festtagspredigten, die Francke in Ingelfingen gehalten hat, historische Fakten aus dem Zeitalter der Reformation oder zur Person Luthers keine Rolle, und den Ertrag der Reformation formuliert er in fu¨r den zeitgeno¨ssischen Ho¨rer versta¨ndlichen Worten; sollten seine Predigten doch „zur Erbauung der Seelen“ und nicht zur Vermittlung historischer und theologischer Richtigkeiten dienen.729 Angesichts der Bedeutung, die der Reformationsgeschichte im Rahmen der Jubelfeiern beigemessen wurde, sind Franckes abfa¨llige Bemerkungen u¨ber den historischen Glauben als deutliche Kritik an der bloßen Historisierung des Jubila¨ums zu verstehen. In der am 7. November 1717 in OberSontheim gehaltenen Predigt heißt es: „Es folget denn daraus, daß wir aus allen den evangelischen Texten, in welchen uns die Zeichen des HErrn JESU beschrieben sind, diesen Nutzen vornemlich suchen sollen, daß wir zum Glauben kommen; und zwar nicht zu einem blossen historischen Glauben, sondern zu einem solchen Glauben, durch welchen wir das Leben haben in dem Namen unsers HErrn JEsu Christi.“730 Der bloße historische Glaube birgt die Gefahr in sich, daß der Gla¨ubige „auch bey seinem rohen und unbekehrten Hertzen ein Zuversicht auf Christi Verdienst setzet, ob man gleich weder an Busse, noch an Nachfolge JEsu CHristi jemals gedacht.“731 Gerade die Bereitschaft zur Buße und die August Hermann Francke, Die Freude im Herrn, S. 37 f. August Hermann Francke, Der Zuruf Christi, S. 4 f. Diese an der Erbauung des frommen Individuums interessierte Luther-Deutung hat Francke auch sonst betrieben (vgl. Erhard Peschke, Das Lutherversta¨ndnis August Hermann Franckes, Sp. 83). Damit hat er anla¨ßlich des Reformationsjubila¨ums ein wichtiges Anliegen pietistischer Kirchengeschichtsschreibung vorgebracht (vgl. Klaus Wetzel, Theologische Kirchengeschichtsschreibung, S. 159. 163) 730 August Hermann Francke, Sonn- und Festtagspredigten, S. 1624. 731 August Hermann Francke, Sonn- und Festtagspredigten, S. 1632. A ¨ hnlich konstatieren auch Paul Anton und Johann Daniel Herrnschmid: „Immassen GOttes Wort kla¨rlich bezeuget, (welches auch der selige Lutherus, und die ietzt angezogene Theologi mit grossem Nachdruck eingescha¨rffet haben), daß ohne Wiedergeburth und lebendigen Glauben kein Erka¨nntniß (in Biblischem Verstand) seyn ko¨nne, und daß bey eynem Christen, noch vielmehr aber bey einem Theologo, das Haupt-Werck sey / den Glauben im guten Gewissen haben . . . und in solcher Ordnung u¨ber der Reinigkeit der Lehre halten. Wannenhero ja die Professores Theologiae billich bemu¨ht seyn sollen, ihre Auditores nicht nur gelehrt, sondern auch fromm zu machen.“ (Dies., O¨ffentliches Jubel-Zeugniß, Vorrede X.) Auch 728 729

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aufrichtige Reue u¨ber die eigenen Su¨nden sind jedoch die Merkmale des seligmachenden, von Gott gewirkten Glaubens, wie Luther immer betont habe. Sta¨rker als andere Verfasser bringt Francke damit die existentielle Dimension der reformatorischen Rechtfertigungslehre zum Ausdruck. Doch selbst hierbei verzichtet er auf entsprechende Belege aus Luthers Schriften: Francke geht es einzig um die aktuelle Predigt des Evangeliums an seine Zeitgenossen, die solcher historischer Reminiszenzen und Belege nicht bedurfte.732 Neben der Verwandlung des inneren Menschen bewirkt die perso¨nliche Annahme des Heils im Blick auf Lebenswandel und Glaubenspraxis die Verwandlung des a¨ußeren Menschen – die Praxis oder, wie Luther sie nennt, die „U¨bung“ des Glaubens.733 Sie gilt vielen Jubila¨umsschriften als Folge der Rechtfertigung, insofern sich darin die Verwandlung des inneren Menschen a¨ußerlich manifestiert,734 der mit seinen Werken der Na¨chsten- und Gottesliebe seinen Dank fu¨r das ihm geschenkte Heil zum Ausdruck bringt, ohne daß die Zueignung des Heils an dieses „tha¨tige Christentum“, wie Francke es nennt, gebunden wa¨re.735 Welche Bedeutung einzelne Jubila¨umsschriften dem geheiligten Lebenswandel des Christen beimessen, verdeutlicht Joachim Langes Bescha¨ftigung mit Luthers Schrift „Von den guten Werken“.736 Lange vero¨ffentlichte sie gegen Ende des Jahres 1716 im Vorgriff auf das Jubila¨um unter dem Titel „D. MARTINI LUTHERI reine Apostolische Lehre Von der

Joachim Lange erinnert in einem Abschnitt mit dem Titel „Vom unterscheid des waren und falschen Glaubens“ an ein Diktum Luthers gegen den allein historisch begru¨ndeten Glauben, in dem es heißt: „Wir nennen das nicht Glauben / daß man die schlechte Historie wisse von Christo / welche auch in Teufeln ist / sondern das neue Licht und die Kraft / welche der heilige Geist in dem Hertzen wircket / durch welche wird das Schrecken des Todes und der Su¨nde u¨berwinden“ zitiert nach: VI. Jen. fol. 406 (Ders., Wohl-verdientes EhrenGeda¨chtniß, S. 52). 732 Auf die inhaltliche Nahe zwischen diesem Aspekt von Luthers Glaubensbegriff und ¨ demjenigen im Pietismus verweist Albrecht Peters, in: Otto Hermann Pesch, Einfu¨hrung, S. 148 f. 733 So heißt es schon in der Vorrede: „Dann auf diszmal hab ich antzeigen wollenn, wie wir den glauben sollen in allen guten wercken uben, brauchen und das furnehmist werck sein lassen.“ (WA 6, 204, 1–3), und Luther greift in der Schrift wiederholt auf diese Formulierung zuru¨ck. Zu der bei Luther positiv verstandenen Formel von der „U¨bung des Glaubens“: Albrecht Peters, Rechtfertigung, S. 51 f. 734 Johann Heinrich Michaelis, De rege Ezechia, S. 30. Johann Wolfgang Iaeger, Wirtembergiae Lvtheranae laetae candor, S. 7. 735 Bernhard von Sanden, Predigten, S. 46: „Dieser Danck aber muß nicht allein mit dem Munde / sondern auch in denen Wercken GOtt gebracht werden. Wir mu¨ssen ja nicht wie der Schalcks-Knecht undanckbar uns erweisen / gegen so grosse Wohlthat / sondern uns wie treue Knechte / die den Willen des Herrn wissen und thun / / in unserem gantzen Leben bezeugen.“ Johann Conrad Arnold, Monumentum gratiae, S. 20. Zum Begriff des „tha¨tigen Christenthums“ bei Francke, vgl. Johannes Wallmann, Pietas contra Pietismus, S. 10. 736 WA 6, 204–276 (Von den guten Werken. 1520).

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U¨bung Des Glaubens in guten Wercken . . .“ und erla¨uterte sie in einer eigenen Vorlesungsreihe an der Universita¨t Halle.737 Kennzeichnend ist sein Bemu¨hen, den Lesern Luthers Schrift als „den eigentlichen Kern“ von dessen Theologie vorzustellen.738 Wie u¨berzeugt Lange von der Richtigkeit seiner Luther-Interpretation war, zeigt die spa¨rliche Kommentierung des Luther-Textes, sowie seine Zusammenstellung von Luther-Zitaten, die die Zusammengeho¨rigkeit von Glaube und Werken aus Luthers Sicht verdeutlichen sollen.739 A¨hnlich wie Lange verweist May auf die nach seinem Versta¨ndnis fu¨r die reformatorische Theologie exemplarische Verbindung von Glauben und Werken in Apol. XII,740 und Anton und Herrnschmid klagen u¨ber jene Interpreten reformatorischer Theologie, die „unter dem Schein Evangelischer Freiheit“ die gesamte „Lehre von der wahren Gottseligkeit selbst in Verdacht“ bringen.741 Alle genannten Schriften weisen die fu¨r den lutherischen Pietismus charakteristische Akzentuierung der Luther-Interpretation auf, die den Zusammenhang von rechtfertigendem Glauben und daraus folgenden Werken des Glaubens ins Zentrum von Luthers Theologie ru¨cken. Daß Luther selbst die Lehre von der Rechtfertigung des Su¨nders allein aus Gnaden als das Zentrum seiner Lehre verstand, geriet bei dieser pietistischen LutherDeutung aus dem Blick.742 So ta¨uscht Langes Zusammenstellung von Lu737 Joachim Lange, Wohl-verdientes Ehren-Gedachtniß, S. 58. Zu Langes wochentli¨ ¨ chen Vorlesungen u¨ber diese Schrift und deren kommentierte Vero¨ffentlichung anla¨ßlich des Jubila¨ums s. oben (Kap. III. 11). Die Formulierung Luthers, die Werke seien die U¨bung des Glaubens, nimmt auch Francke in einem ganz a¨hnlichen Kontext wie hier Lange auf. (August Hermann Francke, Der Hertzliche Wunsch, S. 56.) 738 „Da es nun bey der Evangelischen Lehre / sonderlich was derselben rechte application und praxin betrift / vornehmlich auf den wahren Glauben anko¨mt; und zwar wie derselbe theils das Erlo¨sungs-Werck und hohe Verdienst Christi sich zur Seligkeit zueignet; theils aber auch im gantzen Lauffe der Erneuerung sich durch die ungefa¨rbte Liebe tha¨tig erweiset / und das gantze menschliche Leben in allen seinen Verrichtungen heiliget / und gleichsam zu lauter Gottesdienst machet: so hat eben hierinnen der Lehr-Vortrag des sel. LUTHERI sich dergestalt characterisiert / daß man mit Wahrheit sagen kan / es sey dieses sein rechtes Werck gewesen / und sey fu¨r den eigenlichen Kern aller seiner Schriften zu achten.“ (Joachim Lange, Wohl-verdientes Ehren-Geda¨chtniß, Vorrede, a3r). 739 Joachim Lange, Wohl-verdientes Ehren-Gedachtniß, S. 50–58. 144–148. ¨ 740 Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 414 f. May bezieht sich auf BSLK 279, 131 f. 741 Paul Anton / Johann Daniel Herrnschmid, Vorrede XIII: „Ubrigens bleibt man gemeiniglich, aus vorgegebener Furcht fu¨r dem Extremo securitatis vel hypocriseos, oder auch dessen Gra¨ntzen, stehen, und mercket bey diesem allem nicht den Betrug des Satans, der auf diese Art getrachtet hat den Dienst solcher Lehrer gar unfruchtbar zu machen, und durch ihren Widerspruch gegen treue Nachfolger Lutheri, zugleich derselben Amt, und die wahre Frucht des Evangelii, zu hemmen, anbey die Lehre von der Gottseligkeit selbst in Verdacht zu bringen, die Gottlosen, unter dem Schein Evangelischer Freiheit, in ihrer fleischlichen Sicherheit und Eitelkeit zu sta¨rcken, die Heuchler aber in falschen Eifer zu jagen, und also von allen Seiten in der Kirchen GOttes Schaden und Unruh anzustifften: Welches ihm auch in vielen Stu¨cken leyder! ziemlich gelungen ist.“ 742 Vgl. Bernhard Lohse, Luthers Theologie, S. 274–277. Daß es sich aber dennoch um

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ther-Zitaten zum Verha¨ltnis von Glauben und Werken u¨ber die Tatsache hinweg, daß Luther die Frage nach den Werken aus dem rechtfertigenden Glauben nur vereinzelt thematisiert hatte. Ganz abgesehen davon, daß Lange den „Sermon von den guten Werken“ u¨berbewertet, wenn er ihn als Kompendium von Luthers Theologie pra¨sentiert.743 Als weitere Elemente des christlichen Lebenswandels, fu¨r die Biographie und Theologie Luthers Anknu¨pfungspunkte boten, nennen die Verfasser das perso¨nliche Gebet (oratio), das Studium der Heiligen Schrift (meditatio) und die Bewa¨hrung des Christen in Anfechtungen (tentatio).744 Sie bewerten Luthers Gebetspraxis als wesentlichen Bestandteil seiner Fro¨mmigkeit und ermuntern die Leser und Ho¨rer, sich an diesem Vorbild zu orientieren. Das perso¨nliche Gebet dient der perso¨nlichen Heiligung und Reinigung von den Begierden der Welt,745 – immer vorausgesetzt, es bleibt nicht bei einem a¨ußerlichen „blossen Kirchen-gehen, Morgen- und Abend-Segen beten“, sondern wird zum Schritt auf dem Weg zur inneren Heiligung.746 Das aufrichtige Gebet, in dem der Gla¨ubige sein Leben und seine Su¨nden vor Gott bedenkt, bewahrt ihn vor falscher Sicherheit, ermuntert ihn zur stetigen Selbstpru¨fung und befa¨higt

eine fu¨r den Pietismus charakteristische Entwicklung der reformatorischen Rechtfertigungslehre handelt, zeigt der U¨berblick von Martin Schmidt, Der Pietismus als theologische Erscheinung, S. 14–20. 743 Wie selbstkritisch Luther den „Sermon von den guten Werken“ beurteilte, zeigen die Belege bei Karl Holl, Luthers Urteile u¨ber sich selbst, S. 398 f. Zudem ist daran zu erinnern, daß mit der Freiheitsschrift eine Schrift aus dem historischen Umfeld des „Sermon von den Guten Werken“ existierte, die Luther selbst als „die ganze Summa eines christlichen Lebens“ bezeichnet hatte (Sendbrief an Papst Leo X.) und in ihr seine klassische Verha¨ltnisbestimmung von innerem und a¨ußerem Menschen, von Glaube und Werke lieferte. Daß Lange ihr, obwohl sie ihm bekannt war, den „Sermon von den Guten Werken“ vorzog, deutet an, worauf Lange das Hauptaugenmerk seiner Luther-Interpretion richten wollte: auf die guten Werke, die aus dem Glauben erwachsen sollten. 744 Bisweilen werden diese drei Aspekte, in Anlehnung an Luthers Trias von oratio, meditatio und tentatio, als Einheit behandelt. (WA 50, 65829-6594. Vorrede zum ersten Band der Wittenberger Ausgabe seiner deutschen Schriften 1539). Sie bot Justus Breithaupt das Geru¨st fu¨r seine Jubel-Rede; Christoph Heinrich Rithmeier begru¨ndete die Notwendigkeit eines geordneten geistlichen Lebens mit einem ausfu¨hrlichen Zitat der entsprechenden Luther-Passage und schloß daran sein Stoßgebet an: „O! daß man dieses sich genung gesaget seyn liesse! und beyzeiten anfinge / diese von Luthero vorgeschriebene Methode einzugehen / und sich darnach geho¨rig zu richten.“ (Ders., Fernere Nachricht, S. 13); Francke gliederte in seiner am 7. November in Ober-Sontheim gehaltenen Predigt seine Ausfu¨hrungen u¨ber die ta¨gliche Fro¨mmigkeitspraxis des Christen nach diesem Schema (Ders., Sonnund Festtagspredigten, S. 1636–41). 745 Joachim Justus Breithaupt, Hil. Ev. II, S. 39a (Oratio secvlaris): „Precatio ad Deum, Christi nomine & spiritu ardens, assidua est fidei exercitatio, ex unione cum Deo purgans cor ipsum intime.“ 746 August Hermann Francke, Der Zuruf Christi, S. 31. Francke erganzt in seiner Ober¨ Sontheimer Predigt vom 7. November 1717, der Mensch ko¨nne „nimmermehr zur rechten Kraft des Glaubens kommen, wenn er sich nicht im Gebet zu GOTT nahet.“ (Ders., Sonnund Festtagspredigten, S. 1639.)

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ihn zum Dienst an Gottes Reich und am Na¨chsten. Es ist eine grundlegende U¨bung des Glaubens, in der unabha¨ngig von Formen und Zeiten die Sehnsucht des Gla¨ubigen nach der Na¨he Gottes zum Ausdruck kommt.747 Nichts ist schlimmer, als Christen, die diese Dimension des Gebets und den nie endenden Anspruch Gottes auf die Heiligung ihres Lebens u¨bersehen.748 Ha¨ufiger als das Gebet nennen die Verfasser die perso¨nliche Lektu¨re der Heiligen Schrift als Teil der individuellen Glaubenspraxis. Dieses erkla¨rt sich zum einen aus der Hochscha¨tzung der Heiligen Schrift durch die Reformation, zum anderen aus der mit Luthers deutscher Bibelu¨bersetzung fu¨r alle Christen ero¨ffneten Mo¨glichkeit zum selbsta¨ndigen Studium der Heiligen Schrift.749 Lutherisch-orthodoxe und pietistische Theologen loben diese perso¨nliche Bibellektu¨re gleichermaßen als Gewinn der Reformation und regen Leser und Ho¨rer zur kontinuierlichen Schriftlesung an. Unter ihnen ragt das Beispiel Christoph Heinrich Rithmeiers heraus, der wa¨hrend des Jubila¨umsjahres eine wo¨chentliche BetStunde in der Helmstedter Kollegiats-Kirche einrichtete.750 Sie bezweckte die gemeinschaftliche Einu¨bung des perso¨nlichen Studiums der Heiligen Schrift. Indem Rithmeier sich auf die fu¨r das Text-Versta¨ndnis unentbehrlichen Erkla¨rungen beschra¨nkte, Kommentare zu alten oder aktuellen konfessionellen Streitigkeiten unterließ und die Teilnehmer zu eigener Lektu¨re animierte, setzte er in die Tat um, was Luther intendiert hatte: den perso¨nlichen Zugang zur Heiligen Schrift als der Quelle aller geistlichen Erkenntnis.751 Auch Breithaupt in Halle warnte vor u¨berma¨ßiger August Hermann Francke, Sonn- und Festtagspredigten, S. 1639. Joachim Justus Breithaupt, Hil. Ev. II, S. 40a (Oratio secvlaris). 749 August Hermann Francke, Der Zuruf Christi, S. 45: „Es ist bekant, daß durch den Dienst Lutheri die Heilige Schrift gleichsam unter der Banck hervorgezogen und uns in die Ha¨nde gegeben worden, so, daß wir nun selbst, wenn wir anders wollen, zu unserm Nutzen und Trost lesen und betrachten ko¨nnen, was uns die Propheten und Apostel von Christo verku¨ndiget haben.“ Johann Heinrich Michaelis, De rege Ezechia, S. 35; Johann Caspar Haferung erkla¨rt, es reiche nicht, eine Bibel zu besitzen, „. . . Sondern wir mu¨ssen die H. Schrifft lieben / fleissig lesen / verstehen lernen / und darnach unser gantzes Thun einrichten.“ (Ders., Geda¨chtnu¨ß der Wunder Gottes, S. 18). Gottlieb Wernsdorf, Hil. Ev. II, S. 25a (Oratio secularis). 750 Vgl. dazu auch S. 111 f. 751 Eine Bemerkung Loschers zeigt, wie einig sich orthodoxe und pietistische Theologen ¨ in diesem Anliegen waren: „Gla¨ubige Christen graben in der Bibel nach den Scha¨tzen der Weisheit und Erka¨nntniß GOttes, nicht aber gru¨beln sie in derselbigen. Sie suchen was ihnen Noth thut, nichts aber, was ihrem Vorwitz beliebt. Wahre Bekenner ho¨ren GOttes Wort als eine Stimme JEsu Christi, nicht aber als ein Wort des Zancks und Streits“ (Ders., Predigten, S. 27). Mit a¨hnlichen Worten ermunterte Francke seine Ho¨rer zur perso¨nlichen Schriftmeditation, die sie in ihrem gesamten Tagesablauf begleiten und bei der Verwandlung des inneren und a¨usseren Menschen begleiten solle: „Wollen wir nun wissen, wie wir es machen sollen, daß wir zur rechten Freude im HErrn gelangen: so ist der beste Rath, daß wir nur in den Propheten und Psalmen und, noch na¨her, im Neuen Testament diejenigen Oerter mit Fleiß erwegen und betrachten, in welchen uns das Evangelium von CHristo 747 748

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Verwendung zusa¨tzlicher Literatur beim Studium der Heiligen Schrift: Nicht die menschliche ratio, sondern der Heilige Geist sei die Kraft, durch die sich das Wort Gottes seinem Leser o¨ffne. Luther selbst habe sich bei seiner Meditation auf die Heilige Schrift konzentriert, nachdem ihm deutlich geworden war, daß die Scholastiker trotz ihres gelehrten Wissens die der Schrift innewohnende Wahrheit nicht erkannt hatten.752 Schließlich wird die Anfechtung als drittes Element der christlichen Fro¨mmigkeit angesprochen. In a¨hnlichem Sinne ist vom „Kreuz Christi“ die Rede, das zur Reformation geho¨rt habe wie zum gegenwa¨rtigen Christenleben.753 Die Verfasser verdeutlichen, daß ein Christenleben ohne Anfechtungen nicht denkbar ist,754 und identifizieren die Anfechtungen mit den a¨ußeren Feinden des Evangeliums.755 Die Anfechtung gilt den Verfassern der Jubila¨umsschriften als Probe des Glaubens, bisweilen erscheint sie ihnen gar als Demutsu¨bung mit vornehmlich pa¨dagogischem Nutzen,756 wa¨hrend Luthers Auffassung, derzufolge sich in der Anfechtung die rettende Kraft des Wortes Gottes bewa¨hrt, in den Hintergrund ru¨ckt.757 Deutlich wird dies bei Francke. Er nennt neben den a¨ußeren inJESU theils kurtz, theils weitla¨uftiger beschrieben ist. . . . Denn es ist keine andere Ursach, warum die Menschen so wenig von dieser go¨ttlichen, innigen und vo¨lligen Freude bey allem a¨usserlichen Ruhm des Christenthums schmecken und erfahren, als weil sie so wenig mit dem Evangelio umgehen. Damit solten wir ta¨glich und stu¨ndlich umgehen. Das solte unser Element seyn, darin wir lebeten . . . Wenn wir das Evangelium also in unsere Seele einna¨hmen, und alle Kra¨fte derselben durchdringen liessen, Tag und Nacht damit umgingen . . . : So wa¨ren wir rechte Evangelische Christen. Da wu¨rde dann auch dasselbe seine rechte Kraft an uns beweisen, und gantz andere Menschen, nicht nur nach der a¨usserlichen Beschaffenheit, sondern auch nach dem inwendigen Leben des Glaubens, aus uns machen.“ (August Hermann Francke, Die Freude im Herrn, S. 35 f). Ganz a¨hnlich in der Predigt vom 7. November in Ober-Sontheim (Sonn- und Festtagspredigten, S. 1638). Die inhaltliche Verwandtschaft dieser Ansa¨tze mit Luthers Versta¨ndnis der Meditiation zeigt: Ralf Stolina, Gebet – Meditation – Anfechtung, S. 85–88. 752 Joachim Justus Breithaupt, Hil. Ev. II, S. 40b (Oratio secvlaris). 753 So bei Johann Daniel Herrnschmid, Predigt, S. 70 ff. 754 Martin Chladenius, Das Unschuldige Frolocken, S. 44: „Demnach / meine Lieben / folget dem Exempel dieser theuren und seligen Va¨ter / und laßt euch gefallen / auch nach einem solchen Helden-Muth zu trachten! Meynet doch ja nicht / daß ihr in einem solchen Stande immer leben werdet / worinn ihr nirgends einige Noth habet.“ Ebd., S. 45: „Das ist der rechte Glaube / nicht der alles voll auf hat / und keine Noth siehet / sondern der sich a¨ussert in den großen No¨then / die uns troffen haben.“ Johann Heinrich Michaelis, De rege Ezechia, S. 35: „Non est, ut quisquam putet, qui Christi fidem sequitur, se sine tentationibus victurum esse.“ August Hermann Francke, Sonn- und Festtagspredigten, S. 1640. 755 Oswald Bayer, Theologie, S. 96 f. 756 So heißt es bei Bernhard von Sanden uber reiche und machtige Menschen, die nicht ¨ ¨ vom Kreuz verschont bleiben: „. . . es wil GOtt auch solche durchs Creutz dahin bewegen / daß sie lernen sich demu¨thigen unter die gewaltige Hand GOttes.“ (Ders., Predigten, S. 4). 757 Johann Heinrich Michaelis, De rege Ezechia, S. 38: „Quemadmodum igitur Hiskias in istis angustiis, ad preces, tanquam ad tutissima praesidia, & ad domum Dei, tanquam ad asylum se recipit: ita nos etiam in omnibus aerumnis & molestiis semper precibus ad Christum tanquam certissimum auxilium, confugiamus . . .“ Zur theologischen Bedeutung der Anfechtung bei Luther: Oswald Bayer,Theologie, S. 101.

Die Errungenschaften der Reformation

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nere Anfechtungen, insbesondere bo¨se Gedanken und Begierden, und stuft diese inneren Anfechtungen ho¨her ein als die a¨ußeren.758 Im Erleiden und in der U¨berwindung seiner inneren Anfechtungen schreitet der Christ im Prozeß der Heiligung voran; diese Erfahrung befa¨higt ihn, auch in a¨ußeren Leiden das Kreuz Christi auf sich zu nehmen und seinem Herrn nachzufolgen.759 Insgesamt bot die Verquickung von reformatio doctrinae und reformatio morum solchen Autoren, die dem lutherischen Pietismus nahestanden, die Mo¨glichkeit, ihre eigenen, pietistischen Anliegen zu verbreiten und sich zugleich als Vertreter des Luthertums zu pra¨sentieren. Es ist daher wenig verwunderlich, daß der dem Pietismus nahestehende Johann Heinrich May in Gießen die umfangreichste Schrift u¨ber Luthers Theologie verfaßt hat, und Paul Anton betonte in den Berichten u¨ber die Jubila¨umsfeier in Halle die lutherische Tradition der Universita¨t, wa¨hrend Francke an entlegenen Orten des Reichs seine Kritik am Jubila¨um vortrug und sich bei offiziellen Anla¨ssen kritischer A¨ußerungen enthielt.760 Die Passagen jedoch, in denen pietistisch gepra¨gte Theologen ihre eigene, u¨ber die lutherische Orthodoxie hinausgehende Luther-Deutung einbrachten, stellen einen neuen Aspekt im Luther-Versta¨ndnis der Zeit dar. Wo die pietistischen Theologen Mißversta¨ndnisse ihrer theologischen Position voraussahen, bauten sie ausdru¨cklich dem Vorwurf vor, sie fo¨rderten den Enthusiasmus und Separatismus.761 Dem Kompromiß zwischen lutherischem Pietismus und orthodoxen Lutheranern stimmten auch die Vertreter der lutherischen Orthodoxie weitgehend zu, war ihnen doch daran gelegen, wie das Beispiel der „Hilaria Evangelica“ eindru¨cklich belegt, anla¨ßlich des Jubila¨ums die a¨ußere Einheit des Luthertums zu demonstrieren. Der Verfasser der „Hilaria Evangelica“, der strenge Hu¨ter des orthodoxen Luthertums und Kritiker des Pietismus Ernst Salomon Cyprian, hat die Festberichte und -reden von den als pietistisch geltenden Universita¨ten Halle und Gießen kommentarlos in seine Dokumentation des

758 „Denn das ist das Haupt-Creutz, daß man sein Sunden-Elend recht fuhle, daß die ¨ ¨ Su¨nde einem recht bitter werde, und daß es einem recht wehe thue, daß man sich von bo¨sen Gedancken und Begierden muß anfechten lassen, denen man doch von Hertzen feind ist. Sehet, das muß erst die Haupt-Sache seyn; denn alles a¨ußere Creutz wu¨rde dem Menschen nichts helfen, wenn er gleich gantze Centner zu tragen ha¨tte, wenn ihm die Su¨nde nicht erst recht ein bitter Creutz ist.“ (August Hermann Francke, Sonn- und Festtagspredigten, S. 1640). 759 August Hermann Francke, Sonn- und Festtagspredigten, S. 1641. 760 Vgl. zu Franckes Auftreten in Tubingen: S. 81, Anm. 186. ¨ 761 Johann Conrad Arnold, Monumentum gratiae, S. 23: „Nostrum sane in Ecclesia, a Lutheri, non auctoritate aut dignitate, sed solo ipsius ministerio dicta Lutherana, solatium erit restituta haec verbi divini veritas, ex Scriptura S. monstrata & libris Symbolicis asserta, extra quam nullis amplius revelationibus, nec Enthusiasmis, nec novellorum Inspiratorum prophetarumq. agitationibus aut concussionibus fidem habemus, sed omnibus, praeter & extra scripturam, assertionibus cum Paulo repulsam scribimus, Gal. I, 7. 8.“

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Darstellung und Beurteilung der Kirchengeschichte

Jubila¨ums aufgenommen.762 Im Falle der Universita¨t Gießen nahm er die bei der Einsendung entstandenen Verzo¨gerungen in Kauf, um auf diese Berichte zuru¨ckgreifen zu ko¨nnen.763

762 Selbstverstandlich gibt es in den Jubilaumsschriften auch pietismuskritische Anmer¨ ¨ kungen. Diese halten sich aber in Grenzen und beziehen sich vor allem auf den separatistischen Pietismus. Am deutlichsten a¨ußerte sich Michael Friedrich Quade in seiner Aufza¨hlung der abgefallenen Schu¨ler der Reformation: „Propius denique ad nostram accedunt aetatem famosissimi isti Pseudo-Reformatores, a nostra proh! Ecclesia egressi; Jac. Boehmius, Sutor Go¨rlizensis ultra crepidam sapiens: Elias Praetorius , seu, quod genuinum ipsi nomen est, Christianus Hohburgius , Jo. Brecklingius, Godofredus Arnoldus , aliique hujus furfuris Fanatici, quique horum vestigiis presse insistunt, & specioso ementitae pietatis habitu incedunt, Impostores, hodierni inquam Novatores.“ (Ders., Hil. Ev. II, S. 109a, Oratio Solennis). 763 Vgl. Kap. III. 10.

V. Die Kirche im Jubila¨umsjahr

1. Die ro¨misch-katholische Kirche U¨ber den Ru¨ckblick auf die lutherische Reformation und u¨ber die im 16. Jahrhundert vollzogene Trennung der evangelischen von der ro¨misch-katholischen Kirche hinaus beleuchten die Jubila¨umsschriften das aktuelle Verha¨ltnis zwischen Katholizismus und Protestantismus, wie es sich im Lauf der beiden Jahrhunderte seit der Reformation vera¨ndert hat. Die manchen Orts gehegten Hoffnungen auf eine Union von Protestanten und Katholiken erforderten eine theologische Analyse des aktuellen Verha¨ltnisses von Protestantismus und ro¨misch-katholischer Kirche, so wie die im Vorfeld des Jubila¨ums erschienenen ro¨misch-katholischen Streitschriften einzelne evangelische Verfasser zur Gegenwehr veranlaßten.1 Nur wenige Jubila¨umsschriften attestieren der ro¨misch-katholischen Kirche, sie habe seit der Reformation spu¨rbare Reformen durchgefu¨hrt,2 1 Vgl. Johannes Cyprians Vorrede zu einer seiner Jubilaumsschriften: „Cum secundum ¨ Jubilaeum Reformationis instaret, sparsae chartae aut libelli, Luthero, Ministris & Doctoribus, Ecclesiaeque Evangelicae contumeliosissime maledicentes, ut Magnates in odium nostri pertraherent, suis ludibrio nos exponerent, gaudiaque nostra, quae in DEO habituri eramus, quantum possent, invidi conturbarent. Qui vero libelli contra Leges publicas scripti, impressi, & divenditi, auctoritate Magistratus suppressi, per nos sepulti maneant. Meliora nunc agamus.“ (Ders., Fundamentum Ecclesiae, S. 4.) 2 Zu den Vertretern dieser Auffassung gehort Gottfried Hoffmann, der uber den Nut¨ ¨ zen der Reformation fu¨r die ro¨misch-katholische Kirche feststellt: „Neque enim dubium est, quin ex hoc divino plane opere quamplurimi non in nostram solum Lutheranam Ecclesiam, sed in ipsam quoque Curiam Romanam fructus redundarint, quippe in qua . . . multa hactenus correcta sunt, vel certe cautius & majori cum specie tractantur, dum in ipso Clero Romano non pauci reperiuntur, qui de religione hodie longe melius sentiant, quam ii qui Lutheri tempore vixerunt, adeo quidem, ut alicubi imperitis ex plebe, vel de religione ab externa facie judicantibus, opinio nascatur, majoribus nostris non satis graves causas fuisse, ad immanem illam rupturam perveniendi. Quod falsum sit, ex hactenus dictis cuilibet manifestum esse arbitror.“ (Ders., Examen disputationis, S. 20.) Von einzelnen Reformen in der ro¨misch-katholischen Kirche ist ebenfalls bei Buddeus die Rede (Ders., Divinae providentiae, S. 12–15; De characteribvs, S. 18), ohne daß dieser seine grundsa¨tzliche Kritik an der ro¨misch-katholischen Kirche abschwa¨cht. Denn, so urteilt Buddeus, unter Aufza¨hlung einiger vordergru¨ndigen Reformen: „Quae enim salua Romani episcopi auctoritate emendari vtcunque poterant, & ceteroquin non adeo magni ponderis erant, aut quae sine maxima omnium offensione retineri ac defendi amplius non poterant, ea vt meliorem acciperent faciem, haud difficulter tandem passi sunt.“ (Ivdicivm, S. 58). A¨hnlich urteilt Heinrich Lyisus, nach dessen Auffassung die ro¨misch-katholische Kirche wesentlich schlechter dastehen wu¨rde,

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Die Kirche im Jubila¨umsjahr

meistens fa¨llt ihr Urteil u¨ber die ro¨misch-katholische Kirche im 17. und fru¨hen 18. Jahrhundert negativ aus. Gelegentlich wiederholen sie sogar den alten, beim Jubila¨um von 1617 allgegenwa¨rtigen Vorwurf, die ro¨misch-katholische Kirche sei vom Antichrist beherrscht. Er bildet in den offiziellen Verordnungen zum Jubila¨um einen wiederholt zitierten Topos.3 Die Bitte um Bewahrung vor dem Unwesen des Antichrists begegnet in Gebetsformularen, und manche Predigten weisen in diese Richtung. Zu den bestimmenden Interpretamenten geho¨rt der Antichrist-Vorwurf jedoch nicht.4 Eingedenk der kaiserlichen Friedensgebote suchen die meisten Verfasser eine kritische Auseinandersetzung mit Rom, ohne sich dabei unsachlicher Polemik zu bedienen. Grundlage ihrer theologischen Reflexion sind die Beschlu¨sse des Tridentinischen Konzils. Die ro¨misch-katholische Kirche, von der sich die Jubila¨umsschriften 1717 abgrenzen, ist die Kirche des Tridentinischen Konzils;5 theologische Entwicklungen nach dem Tridentinischen Konzil bleiben weitgehend unberu¨cksichtigt. Dementsprechend große Bedeutung haben die 1717 noch immer verha¨tten die von Luther angeregten Reformen dort nicht ihre Folgen gezeitigt: „Videtis ergo Evangelii auroram per omnes Ecclesiae Pontificiae ditiones, Romae, in scrinio pectoris papalis ipso sed et hoc cogitate, quid Papatus fuerit ante Lutherum? Ignorantia crassa, superstitio horrida, imperium in conscientias, tyrannis non in voluntatem solum, sed et ipsum intellectum humanum, repentina dissentium damnatio, inhonesta auri argentiq. pictura.“ (Heinrich Lysius, De incrementis, S. 42r). 3 Die deutlichste Sprache spricht hier das Einladungsprogramm der Universitat Leipzig, ¨ das als Anlaß der Feiern den zweihundertsten Jahrestag nach Offenbarwerdung des Antichrists nennt: Hil. Ev. II, S. 16b: „. . . LIPSIAE, die XXIV. Octobris, Dominica post Trinit. XXII. Anno a CHRISTO nato MDCCXVII. Antichristo manifestato CC. (Rector Academiae Lipsiensis SECULARE SACRUM . . . celebrandum indicit).“ 4 Ein Verfasser, der die Warnung vor dem romischen Antichrist in aller Ausfuhrlichkeit ¨ ¨ entwickelt hat, ist Bernhard von Sanden: „So ist der vornehmste und letzte unter solchen der Babst zu Rom mit seinen falschen Propheten worden / welchen nicht unrecht und zu viel geschiehet / wenn man ihn als einen Wider-Christ / wie ihn Johannes nennet / ansiehet.“ (Ders, Predigten, S. 131); noch deutlicher a¨ußert er sich wenig spa¨ter: „So lange das Babstthum bey seinen Irrthu¨mern / welche sie noch zuletzt auf dem Concilio zu Trident mit lauter anathematibus vernotelt bleiben / ko¨nnen wir mit ihnen nicht zusammen treten / wo wir nicht Christum und seine Warheit verlassen / und dem Anti-Christ und seinen Lu¨gen anhangen wolllen.“ (ebd., S. 142 f); Laurent. Joh. Frid. Dihn, Lutherana Religio, b1v. Martin Chladenius, De methodo Pontificiorum, S. 16. Johann Franz Buddeus, Ivdicivm, S. 11 ff zitiert wohlwollend lange Passagen aus Luthers Schrift „Wider das Papsttum zu Rom, vom Teufel gestifftet. 1545“ (WA 54, S. 206–299), in denen der Vorwurf, der ro¨mische Papst sei der Antichrist, erhoben wird, dies freilich ohne sich ausdru¨cklich den heftigen Angriffen Luthers anzuschließen. 5 Programmatisch formuliert Paul Anton diese Auffassung: „Es ist nemlich zu wissen / daß die heutige Ro¨mische Kirche diejenige / welche sich zu ihr wenden und begeben / an ihr Concilium Tridentinum / das sie nach unser Confession gehalten / hart verbinde / also und dergestalt / daß jene zu gleich der vorigen Bekentnis abschwo¨ren oder absagen mu¨ssen.“ (Ders. Predigt, S. 25). Mit dieser Orientierung am Tridentinischen Konzil tragen die Jubila¨umsschriften dem Stellenwert Rechnung, der dem Konzil in der ro¨misch-katholischen Kirche u¨ber mehrere Jahrhunderte zukam; vgl. Gottfried Maron, Die nachtridentinische Kodifikationsarbeit, S. 114.

Die ro¨misch-katholische Kirche

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wandten U¨berblicksdarstellungen des Konzils durch Pallavicino und Sarpi von ro¨misch-katholischer6 respektive durch Chemnitz von protestantischer Seite.7 Angesichts des geringen Ansehens des Tridentinums fa¨llt das Urteil bei den protestantischen Theologen entsprechend negativ aus.8 Einen ersten Angriffspunkt bot die in der ro¨misch-katholischen Kirche auch nach der Reformation landla¨ufig gepflegte, vom Aberglauben gepra¨gte Fro¨mmigkeitspraxis.9 Deren sinnfa¨lligen Ausdruck erblicken die Jubila¨umsschriften in der Heiligenverehrung, die einen ungebrochen hohen Stellenwert innerhalb der Volksfro¨mmigkeit einnahm.10 Bei deren

6 Fur ihre kritische Sicht des Tridentinischen Konzils machen sich die Jubilaumsschrif¨ ¨ ten Paul Sarpis kritische Geschichte des Tridentinischen Konzils zunutze. Daß in der offiziellen ro¨mischen Sicht Sarpis Sicht nicht anerkannt war und man sich auf dessen Kontrahenten Pallavicino stu¨tzte, verschweigen die Jubelschrifen; wenn sie auf die unterschiedlichen Deutungen zu sprechen kommen, geben sie Sarpi kommentarlos den Vorzug; vgl. dazu: Remigius Ba¨umer, Erforschung der Konzilsgeschichte, S. 25–27. 7 Zu der uber Jahrhunderte das protestantische Bild des Tridentinums pragenden Dar¨ ¨ stellung durch Martin Chemnitz: Theodor Mahlmann, Martin Chemnitz, S. 319 f; a¨hnlich Remigius Ba¨umer, Erforschung der Konzilsgeschichte, S. 24. Eine weitere, nicht ganz so ha¨ufig zitierte Apologie aus dem Arsenal der lutherischen Orthodoxie gegen die Lehren des Tridentinums ist Johann Gerhards „Confessio Catholica“; vgl dazu: Martin Honecker, Art. „Gerhard, Johann“, in: TRE 12, S. 449. 8 Die Jubilaumsschriften vertreten einhellig die Auffassung, das Tridentinische Konzil ¨ habe trotz des eigenen Reformanspruchs die ro¨mische Kirche nicht reformiert, sondern zu einer Verfestigung ihrer von Luther aufgedeckten Mißsta¨nde und Irrlehren gefu¨hrt. So spielt Johann Franz Buddeus auf die „Professio Concilii Tridentini“ und deren Verbindlichkeit fu¨r die ro¨misch-katholischen Geistlichen an, wenn er feststellt: „Falsum est, quod obtendunt, neminem nec a concilio Tridentino ad abominationes istas imitandas cogi. Nam ad externam adprobationem & professionem eorundem vi compelli omnes, qui pontifici sua dederunt nomina, tristis experientiae satis, renitentium item ac contradicentium exemplo comprobatur.“ (Ders., De Pontificibvs Romanis, S. 8). Daß tatsa¨chlich die Lehre des Tridentinischen Konzils in ihren wesentlichen Punkten derjenigen der Reformatoren widersprach, verdeutlicht Paul Anton im Anhang zu seiner Jubel-Predigt (Ders., Jubel-Predigt, 26 ff; a¨hnlich verfa¨hrt Isaak Weissenborn, Iactantia, S. 10 ff). Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 244, reiht das Tridentinum in die Reihe der vielen am Machtstreben der Kurie gescheiterten Reformkonzilien ein. Charakteristisch fu¨r das vernichtende Urteil der Jubila¨umsschriften u¨ber die zeitgeno¨ssische ro¨misch-katholische Kirche ist Justus Christoph Bo¨hmers Diktum: „. . . iubilaeum alterum . . .ecclesia Lutherana celebrabitur, quum interim nihilo melius se habeant res Romanensium, nihilo deterius nostrae.“ (Ders., Fasces academici, S. 103). 9 Friedrich Andreas Hallbauer, Lutherus Patrona, S. 35 faßt diese Verirrungen unter dem Oberbegriff„superstitio“ zusammen und erkla¨rt dazu: „Haec autem superstitio in romana ecclesia velut Diana colitur. tollas ex ea superstitionem & tolles pontificis potestatem, episcoporum auctoritatem, monachorum diuitias, ipsius religionis fulcrum.“ 10 Martin Chladenius, De Israelis, S. 23: „Pontificii non solum Angelis, B. Virgini Mariae, aliisque Sanctis innumeris, sed & ipsis ligneis, lapideisque Imaginibus cultum exhibent Religiosum. Videant autem, quodmodo se aliquando coram supremo Judice Deo, qui soli sibi hunc honorem vindicat, excusare, seque ab idolatriae crimine liberare velint . . .“ Daß der Heiligendienst so hervorgehoben wird, du¨rfte mit daran liegen, daß er zu den Bestandteilen der Volksfro¨mmigkeit geho¨rte, die vom Tridentinischen Konzil ausdru¨cklich besta¨tigt worden war (Sessio XXV.). So fa¨hrt Chladenius mit seiner Kritik im Blick auf die Ka-

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Die Kirche im Jubila¨umsjahr

Verurteilung stoßen sich die Verfasser vor allem daran, daß die Gla¨ubigen die Heiligen an Gottes statt anbeten und von ihnen Hilfe erbitten, die allein Gott gewa¨hren kann.11 Zudem lasse sich hinsichtlich der Verehrung, die den Reliquien oder Heiligenbildern zukommt, kein Unterschied zwischen der ro¨misch-katholischen Idolatrie und heidnischen Kultformen feststellen; von einer Sa¨uberung der ro¨misch-katholischen Kirche vom Heiligendienst kann keine Rede sein.12 Im Gegenteil: der Heiligenkult geho¨rt noch immer noch zum Ritus der ro¨misch-katholischen Kirche.13 Weitere Punkte der Kritik an der ro¨misch-katholischen Kirche betreffen den weiterhin gebra¨uchlichen Ablaßhandel,14 die Abendmahlspraxis,15 das Unwesen der Meßstiftungen16 und die unter den Geistlichen nones von Trient zur Heiligenverehrung fort: „Quicquid autem sit, Deus nullo modo mediatum vult cultum. Et quis quaeso miserae, et summe ignarae in Papatu plebeculae, cui hic Deum colendi modus imprimis injungitur, . . . dicit, quomodo hunc cultum tractare debeant, ne etiam secundum ipsosmet Pontificios in crimen idolatriae incidant, si ipsa ligna, ipsosque lapides divino dignos esse cultu putent. Videantur itaque Doctores Praesidesque Romanae Ecclesiae, ne sua culpa fiat, ut inter Suos nil nisi merus Gentilismus ac impiae superstitiones regnent.“ (ebd., S. 24). 11 Johann Franz Buddeus, De Pontificibvs Romanis, S. 3. Bernhard von Sanden, Predigten, S. 133. Valentin Ernst Lo¨scher, Jubel-Predigten, S. 44 f. 12 Johann Franz Buddeus, De Pontificibvs Romanis, S. 4; Ders., Ivdicivm Martini Lutheri, S. 73f; Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 96: dieser fu¨hrt ein 1717 neu verfaßtes und mit obrigkeitlicher Genehmigung in Heidelberg vero¨ffentlichtes Marienlied an und stellt dazu fest: „Hoc sane non est reformare idolatricam superstitionem, sed Christianam & purissimam religionem deformare, & CHRISTO expiationis gloriam sacrilege denegare ac auferre.“ 13 Johann Franz Buddeus, Ivdicivm, S. 55: „Bene quidem facit auctor, dum haud obscure concedit, in Romana ecclesia fuisse & adhuc esse, homines idolatriae ac superstitioni deditos, variisque erroribus imbutos; sed rectius fecisset, si ingenue fassus esset, horum tantum esse numerum, vt ipsam ecclesiam papalem constituant, immo horum sententias & placita vbique in ecclesia Romana regnare, triumphare, doceri, inculcari, & non tantum scriptis publicis, sed ipsa praxi quotidiana defendi & adprobari.“ Buddeus verscha¨rft diese Kritik, indem er nachweist, daß selbst ro¨misch-katholische Theologen die Heiligenverehrung und den Gnadenbilderkult als besorgniserregenden Mißstand kritisieren. Hauptbeleg fu¨r seine These ist Georg Christoph Ferdinand von Ra¨sewitz’ Schrift „Auffrichtiger Abriß der wahren und ganzen catholischen Kirche“, u¨ber dessen Auskunft Buddeus zusammenfassend urteilt: „Fatentem itaque habemus auctorem, & cum eo cordatissimos quosvis inter ipsos Romanenses, eiusmodi in Romana ecclesia regnare superstitionem & idolatriam, quae non modo vere ethnica sit, sed qua inter ipsos ethnicos nunquam crassior fuerit, & ita regnare, vt qui talia reprehendit, in periculum incurrat, vt non modo a plebe, sed a clericis etiam, virisque, qui docti videri volunt, immo episcopis ac ipso pontifice, ceu haereticus damnetur.“ (Ebd., S. 81). 14 Hier weist Weidner auf die Reformvorschlage des Tridentinischen Konzils bezuglich ¨ ¨ der Ablaßpraxis hin, die in der Praxis der ro¨misch-katholischen Kirche nie Relevanz gewonnen haben: „Concedemus ergo, quot etiam sint in scriptis Pontificiorum & ipsius Concilii Tridentini in contrarium praesumptiones & argumenta, Papaeos Christi satisfactionem asserere consummatissimam; Hujus autem theseos malesanam applicationem praeterea vidimus eamque sequentem.“ (Joh. Joachim Weidner, Designatio, S. 22). 15 Johann Franz Buddeus, Ivdicivm, S. 70. Isaac Weissenborn, Iactantia, S. 14 f. 16 Johann Franz Buddeus, Ivdicivm, S. 61 ff.

Die ro¨misch-katholische Kirche

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herrschenden Mißsta¨nde in Leben und Lehre.17 Auch wenn keiner dieser Kritikpunkte detailliert entfaltet wird, ist die Schlußfolgerung, die aus den Mißbra¨uchen in Gottesdienst und Fro¨mmigkeitspraxis zu ziehen ist, eindeutig: Sie allein weisen die ro¨misch-katholische Kirche bereits als ecclesia falsa aus, von der die Christen sich trennen mu¨ssen, weil sie in ihr das Heil nicht finden werden: „Vt autem primum praecipuumque legis diuinae praeceptum est, vt vnum eundemque verum rite colamus Deum, ita, vbi hocce destinato consilio violatur, ibi non potest vera esse religio, nec fides vera locum inuehit, multo minus aeternam sibi polliceri, qui hoc crimine se obstringit, idque pro crimine non reputat, salutem potest.“18 Das Hauptgewicht der Kritik richtet sich indessen auf die theologische Lehre, in der die eigentlich trennenden Gegensa¨tze markiert werden.19 Den Kern der Irrlehren bilden die Angriffe der ro¨misch-katholischen Kirche gegen das lutherische Schriftprinzip und die damit verbundenen Folgerungen fu¨r das Kirchenversta¨ndnis.20 Die Anfragen der Jubila¨umsschriften beziehen sich auf die Beschlu¨sse des Tridentinischen Konzils zu Versta¨ndnis und Gebrauch der Heiligen Schrift,21 die durch neuere Arbeiten ro¨misch-katholischer Theologen zur Schriftauslegung22 und durch die Lehrverurteilungen der Konstitution „Unigenitus Dei Filius“ vom 8. September 171323 zusa¨tzliche Brisanz bekommen hatten. Sie waren im Protestantismus auf Unversta¨ndnis gestoßen und boten reichlich Anlaß zur Kritik.24 Die Kritik der Jubila¨umsschriften konzentriert sich auf die

Johann Franz Buddeus, De Pontificibvs Romanis, S. 5–7. Johann Franz Buddeus, Ivdicivm, S. 70. 19 Johann Franz Buddeus, Ivdicivm, S. 64: „Non enim de ritibus aut ceremoniis, aut aliis leuioris momenti rebus, sed de grauissimis doctrinae christianae capitibus, partim ad ipsum modum consequendi salutem , partim ad media gratiae spectantibus, nobis cum Romanensibus controuersia intercedit.“ 20 Martin Honecker, Art. „Gerhard, Johann“, in: TRE 12, S. 451. 21 Vgl. die Dokumente zur Sessio IV: Decretum de canonicis scripturis: COD, S. 663, 13–664, 19; Decretum de editione et usu sacrorum librorum: COD 664, 20–665, 26. 22 Die Jubilaumsschriften zitieren als prominente Vertreter dieser neuen Ansatze Ri¨ ¨ chard Simon und Jacques-Be´nigne Bossuet; zu den allgemeinen Entwicklungen im ro¨mischkatholischen Schriftversta¨ndnis im Zeitalter der Gegenreformation: Henning Graf Reventlow, Epochen der Bibelauslegung, Band III, S. 201–211 sowie Ulrich Muhlack, Geschichtswissenschaft, S. 364–366. 23 Carl Mirbt, Quellen, Nr. 542. Auffallig ist, daß aus der gegen die Irrlehren Quesnels ¨ gerichteten Konstitution vornehmlich die Passagen rezipiert werden, die die Verurteilung seines Schriftversta¨ndnisses (Nr. 80 ff) betreffen. Ansonsten wird die Konstitution „Unigenitus“ als Beispiel fu¨r den Kampf der ro¨misch-katholischen Kirche gegen die Lehre Quesnels und ihre Anha¨nger zitiert. 24 Christoph August Heumann, De Luthero Apocalyptico, Praefatio. Johann Franz Buddeus, Ivdicivm, S. 69. Zur Situation des zeitgeno¨ssischen Katholizismus vgl. die U¨berblicksdarstellungen im Handbuch der Kirchengeschichte, Band V. Von dem großen Unversta¨ndnis, auf das die pa¨pstliche Konstitution gestoßen war, zeugt eine im Jubila¨umsjahr von Martin Chladenius abgehaltene Disputation u¨ber die darin enthaltenen Lehrverurteilungen (Martin Chladenius, Examen doctrinae Qvesnellianae). 17 18

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Die Kirche im Jubila¨umsjahr

Frage, ob es neben der Heiligen Schrift verbindliche Autorita¨ten und Offenbarungen des Heils gebe, wem die verbindliche Auslegung der Heiligen Schrift obliege und welchen Zugang die Laien zur Schrift haben sollten. Hinsichtlich der Suffizienz der Heiligen Schrift treten Fragen nach dem Umfang des biblischen Kanons, nach der Zugeho¨rigkeit der Apokryphen zum Kanon25 sowie nach der Vulgata als authentischer Fassung der Heiligen Schrift auf.26 Das Hauptaugenmerk gilt der Infragestellung der Suffizienz und Klarheit der Schrift durch die ro¨misch-katholische Kirche. Als Ursache fu¨r die Mißachtung der Schriftautorita¨t nennen die Verfasser die normative Bedeutung, die das Tridentinum der kirchlichen Tradition als Offenbarungsquelle zugebilligt hatte, sowie die seit dem Mittelalter u¨bliche Unterordnung der Heiligen Schrift unter die Autorita¨t der Kirche.27 Mit der Bedeutung des Traditionsprinzips im ro¨mischen Katholizismus bescha¨ftigen sich von Mosheim und Chladenius eingehend, wobei von Mosheim bemu¨ht ist, die Verwendung der kirchlichen Tradition als Offenbarung des Glaubens aus der Tradition selbst ad absurdum zu fu¨hren.28 Dazu konzediert er, daß die Heilige Schrift die Existenz bestimmter Traditionen voraussetzt, die in Teilen sogar von der protestantischen Kirche rezipiert wurden.29 Seine Kritik richtet sich gegen die Erga¨nzung der Heiligen Schrift durch die kirchliche Tradition und den darin impli25 Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 58. Die entsprechende Passage aus den Beschlu¨ssen des Tridentinischen Konzils, Sessio IV: COD 663, 31- 664, 16. 26 Johann Lorenz von Mosheim zahlt die Approbation der Vulgata durch das Tridenti¨ nische Konzil zu einem der vielen Vergehen der ro¨misch-katholischen Kirche „contra sanctissimam maiestatem Dei in verbo suo loquentis“ (Ders., Pontificii salis Apostolici expertes, S. 27). Die entsprechende Passage aus den Beschlu¨ssen des Tridentinischen Konzils, Sessio IV: COD 664, 22–29. 27 Martin Chladenius charakterisiert das romisch-katholische Schriftverstandnis wie ¨ ¨ folgt: Die ro¨misch-katholische Kirche lehre, „. . . quod Scriptura sit canon Veritatis , verum non unus , sed saltem primus : dare, quod ibi contineantur fundamenta doctrinae, verum non omnia , sed praecipua : esse rationis humanae subsidium , non dominum : intellectum per illam proficere , verum non unice , sed mirum saltem in modum : credi vult, quae in Scripturis habentur , verum non ea, quae modocunque, sed saltem ea, quae ibi habentur evidenter , rejicienda, quae repugnant , verum ea saltem, quae repugnant evidenter , hoc est clarissimis verbis, non per consequentiam spontaneam & promtam . . . Nihil minus tamen in mentem venit, quam eam solam regulam fidei & vitae admittere velle.“ (Ders., De methodo Pontificiorum, S. 6 f.). Johannes Cyprian, Fundamentum Ecclesiae, S. 7 f. Bernhard von Sanden, Predigten, S. 138. Valentin Ernst Lo¨scher, Jubel-Predigten, S. 25 f. 28 Johann Lorenz von Mosheim, Pontificii salis Apostolici expertes, S. 58: „Sed ero liberalis, & traditioni interim suum locum pretiumque relinquam, ita tamen, ut vel ex illa ostendam, contra omnem traditionem esse, quod traditio sit principium fidei.“ 29 Johann Lorenz von Mosheim, Pontificios, salis apostolici expertes, S. 61; Martin Chladenius, De methodo Evangelicorum, S. 23 f: „Quid enim gloriosius esse potest Christianum nomen gerentibus, quam soli revelatae doctrinae adhaerere, & reliqua omnia, si cum ea non conveniant, repudiare? Non itaque reprobamus traditiones omnes, sed eas quae Apostolicae non sunt, quae dogmaticae sunt extra & praeter scripturam, quae superstitiosae sunt, & paulatim dormientibus operariis in ecclesiam invectae.“

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zierten Widerspruch zu der von den Reformatoren erkannten Suffizienz und Klarheit der Heiligen Schrift.30 Dabei la¨ßt es sich nach Mosheims Auffassung bereits fu¨r die ersten Jahrhunderte der Christenheit schwer belegen, daß die apostolischen Traditionen als gleichwertige Offenbarungsquelle neben den kanonischen Schriften anerkannt waren.31 Vielmehr wurden die Traditionen bereits in der fru¨hen Zeit dort, wo sie bekannt waren, dem Zeugnis der Heiligen Schriften untergeordnet. Deshalb bezieht sich von Mosheim zufolge Polykarp in seinem Brief an die Philipper ausdru¨cklich auf den PhilipperBrief des Paulus als gu¨ltige Offenbarung des Heils und erhebt nicht den Anspruch, die Autorita¨t des Paulus erga¨nzen oder pra¨zisieren zu ko¨nnen. In diesem wie in anderen Fa¨llen bezeugt die Tradition selbst die uneingeschra¨nkte und hinreichende Autorita¨t der Heiligen Schrift und widerspricht dem ro¨misch-katholischen Traditionsprinzip.32 U¨berdies herrschte bereits unter Lehrern der fru¨hen Christenheit wie Irena¨us und Tertullian Uneinigkeit daru¨ber, worin die apostolische Tradition genau besteht,33 und der Streit u¨ber den Ostertermin hatte exemplarisch gezeigt,

30 Johann Lorenz von Mosheim, Pontificios, salis apostolici expertes, S. 52: „Et esse ritus quosdam ab Apostolis institutos, abrogatum esse Sabbati cultum & in diem Dominicam translatum, & alia hisce gemina, non diffitemur, sed & pariter credimus, ea sancta instituta, quae universa ab origine Ecclesia observavit, licet de eorum auctore non constet, Apostolis recte adtribui. Sed hac de re nulla est controversia, cum de doctrina fidei, de necessariis ad salutem capitibus, quaestio sit; quemadmodum nostri constanter monuerunt.“ Isaac Weissenborn, Iactantia, S. 11. 31 Martin Chladenius, De methodo Pontificiorum, S. 23: „Atqui hic Rhodus est, & campus, in quo elaborandum est Pontificiis, ut probent, non modo Scripturam omnia ad salutem necessariam non continere , verum etiam Apostolos , vel alios, a quibus Traditio dependeat, aliquam doctrinam salutarem oretenus propositam reliquisse posteris , quae in verbo Dei non sufficienter jam sit tradita.“ 32 Johann Lorenz von Mosheim, Pontificios, salis apostolici expertes, S. 61 zitiert Polykarps Brief an die Philipper und folgert daraus: „Omnes Philippenses sine ullo discrimine, sine ullo traditionis auxilio instrui eo modo poterant, per solas Pauli literas, & quidem per solas ad Philippenses scriptas. Nescio quid clarius pro sufficientia & perfectione Scripturae dici potuerit: qua stante traditionum nullum erit pretium.“ Als weiteren Zeugen fu¨hrt von Mosheim Clemens Alexandrinus an: „Clemens Alexandrinus Petro egregium illud dictum tribuit: . . . nihil sine Scriptura. Id scriptum non esse, sed traditum agnoscent Pontificii, simulque fatebuntur, si haec vera sunt, non posse quidquam defendi, nisi praevia Scripturae autoritate, eaque adeo omnia capita, quae sine Scriptura invehunt, aliena esse a doctrina Christi & Apostolorum.“ (ebd., S. 62). 33 Johann Lorenz von Mosheim, Pontificios, salis apostolici expertes, S. 66: „Traditionis vocem vidimus admodum ambiguam esse; & Irenaeum speciatim per illam intelligere doctrinam Apostolicam ea aetate constanter servatam. Tertullianus magis laxam notionem in animo habuit; intelligit enim quamcunque consuetudinem Ecclesiasticam, a quocunque illa tradita & in usum deducta fuerit.“ Zudem beschuldigt von Mosheim Baronius, dieser habe Irena¨us fa¨lschlich als Zeugen fu¨r das apostolische Traditionsprinzip herangezogen, wo doch gerade Irena¨us diesem sehr kritisch gegenu¨ber gestanden habe. (ebd., S. 59). Martin Chladenius, De methodo Pontificiorum, S. 25 f.

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daß die Tradition in sich widerspru¨chlich und damit als Autorita¨t bei der Wahrheitsfindung fu¨r die Kirche nicht brauchbar ist.34 Gleichwohl sprechen die Jubila¨umsschriften der Tradition nicht kategorisch ihren Nutzen fu¨r die Kirche ab. Sie dient den lebenden Christen als Glaubenszeugnis vergangener Epochen, als Korrektiv und Hilfe in ihrem Glauben, so wie sie fu¨r die Schriftauslegung Hilfestellung bei der Interpretation bieten kann; keinesfalls jedoch handelt es sich dabei um eine der Schrift u¨bergeordnete35 oder die Schrift erga¨nzende Autorita¨t.36 Die apostolische und kirchliche Tradition hat fu¨r die Kirche einen hohen informativen Wert, solange sie an dem einen Pru¨fstein der Heiligen Schrift gepru¨ft und dementsprechend rezipiert oder verworfen wird.37 Diesem Kriterium will sich die ro¨misch-katholische Kirche jedoch nicht unterwerfen. Ein Großteil ihrer Macht beruht geradezu darauf, daß sie die Heilige Schrift durch die Tradition erga¨nzt und die christliche Lehre als ganze dem Urteil der Kirche unterordnet.38 Zu den Instanzen, in denen sich die Autorita¨tsanspru¨che der Kirche u¨ber die Schrift ebenfalls manifestieren, za¨hlen die Konzilien, der Anspruch Roms auf den Primat u¨ber die u¨brigen Kirchen, und der Anspruch der Unfehlbarkeit pa¨pstlicher Lehre. Letztlich dienen diese Instanzen der Befriedigung partikularer, ro¨misch-katholischer Machtinteressen.39 Zwar betonen die Verfasser der Jubila¨umsschriften, daß die Beschlu¨sse einzelner Konzilien auch im Protestantismus anerkannt sind und die Verfasser Johann Lorenz von Mosheim, Pontificios, salis apostolici expertes, S. 68. Johann Lorenz von Mosheim, Pontificios, salis apostolici expertes, S. 53: „Nimirum traditio usum suum habet in explicanda, confirmanda & eruenda veritate in Scriptura tradita. Non est itaque principium, sed subsidium eo melius interpretandi principium.“ 36 Johannes Cyprian, Fundamentum Ecclesiae, S. 8: „Insufficientiam & Imperfectionem Scripturae S. asserunt [Pontificii] sitam in omissione dogmatum ad fidem & mores, adeoque ad salutem necessariorum, quae per Traditiones Divinas & Apostolicas h.e. dogmata oretenus a Christo vel Apostolis tradita, & ita ad alios propagata supplenda sunt, ut ex Scriptura una partiali norma, & ex Traditionibus altera partiali, una totalis norma componatur.“ 37 Vgl. Johann Franz Buddeus, Ivdicivm, S. 54: „Legimus sane & nos eiusmodi scriptores . . ., sed vt cuncta in iis ad scripturam sacram, ceu lapidem lydium, exigamus, quaeue eidem consona deprehendimus, adprobemus, reiiciamus autem, & ceu spuria ac erronea procul facessere iubeamus reliqua.“ Martin Chladenius, De methodo Pontificiorum, S. 9; Johann Caspar Haferung, Geda¨chtnu¨ß der Wunder Gottes, S. 13. 38 Bernhard von Sanden, Predigten, S. 139: „Es suchen weiter die Papisten ihre Irrthu¨mer zu bema¨ntelen durch den ansehnlichen Vorwand der Kirchen. Sie tragen kein Bedencken zu sagen / Ihre / die Ro¨mische Kirche sey die einige / heilige / Catholische oder Allgemeine Apostolische Kirche / welche alle die Christen heissen in dem dritten Artickel des Christlichen Glaubens bekennen.“ 39 Martin Chladenius, De methodo Pontificiorum, S. 29: „Adjungunt itaque Pontificii Scripturae, & decreta Paparum, & Conciliorum, tanquam veritatis comprincipia, imo Scripturae haud obscure praeferunt , quando non aliter eam intellectam volunt, quam prout jubent illa decreta, Paparum nempe & Conciliorum, horumque talium, qualia Papae celebrarunt ad firmandam suam sedem.“ Johann Lorenz von Mosheim, Pontificios, salis apostolici expertes, S. 37 f. Friedrich Andreas Hallbauer, Lutherus, S. 37 f. 34 35

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der Confessio Augustana sich ausdru¨cklich auf die o¨kumenischen Bekenntnisse der Alten Kirche verpflichtet hatten.40 Im Sinne des Vincenz von Lerinum lehren sie „quod ubique, quod semper, quod ab omnibus creditum est . . .“, und ko¨nnen damit als die in der gesamten christlichen Kirche anerkannten Lehr- und Glaubenssa¨tze gelten.41 Aber es sind eben nur diese von der allgemeinen Kirche auf den o¨kumenischen Synoden formulierten Lehren, die Anspruch auf die allgemeine Gu¨ltigkeit haben, wa¨hrend die ro¨misch-katholische Kirche sich u¨berdies auf Konzilien beruft, die nach protestantischem Versta¨ndnis keine allgemeinen Konzilen waren. In jedem Fall ist aber die Unfehlbarkeit der im Konzil versammelten allgemeinen Kirche und ihrer Lehrbeschlu¨sse nur eine mittelbare, aus der Schrift abgeleitete.42 In diesem Zusammenhang beklagen die Jubila¨umsschriften, daß die ro¨misch-katholische Kirche fu¨r sich den Anspruch erhebt, die allgemeine Kirche zu repra¨sentieren, wa¨hrend sie doch lediglich ein Teil der weltweiten allgemeinen Kirche ist. Eine Folge dieses Mißversta¨ndnisses besteht darin, daß Rom fu¨r sich den der allgemeinen Kirche zukommenden Anspruch auf Unfehlbarkeit der kirchlichen Lehre erhebt43 und die Beschlu¨sse ro¨mischer Provinzialsynoden als gu¨ltige kirchliche Lehre bezeichnet, ohne daß die Kirche in ihrer Gesamtheit auf diesen Synoden repra¨sentiert gewesen wa¨re.44 Als prominentes Beispiel nennen die Jubila¨umsschriften das Tridentinische Konzil, auf dessen Lehren sich die ro¨misch-katholischen Theologen bei ihrem Kampf gegen die protestantischen Kirchen regelma¨ßig zuru¨ckziehen. Dabei waren auf dem Tridentinum nur eine begrenzte Anzahl verschiedener Kirchen und deren Vertreter repra¨sentiert gewesen, ganz zu schweigen davon, daß das Tridenti40 Johann Christoph Pfaff, Articuli XXI, S. 3 f; Martin Chladenius, De methodo Evangelicorum, S. 11 f. Die zitierte Passage des Vincenz von Lerinum ist wiedergegeben bei Carl Mirbt / Kurt Aland, Quellen, Nr. 432. 41 Martin Chladenius, De methodo Evangelicorum, S. 11 f. 42 Martin Chladenius, De methodo Evangelicorum, S. 10: „Mediata haec [infallibilitas] dicitur, quia mediante Scriptura, cujus sensum indubitatum habet & tenet, obtinetur; Diaconica nihilominus est, quia Scriptura S[acra] & Spiritus S[anctus] in ea loquens, admittit Ecclesiam, tanquam famulam & custodem, non dominam, non ducem, non principem, tanquam promulgatricem, non rectricem & dictatricem, tanquam judicem discernentem, non decernentem, & si quid decernat, non proprio ex arbitrio, sed dictamine solius Scripturae dijudicantem.“ Johann Lorenz von Mosheim, Pontificios, salis apostolici expertes, S. 36 f. 43 Martin Chladenius, De methodo Evangelicorum, S. 12: „Ita infallibilis est & manet ecclesia universalis: fallibilis coetus Romanensis cum capite suo, quamdiu cum illa communione unius fidei non connectitur.“ Johann Lorenz von Mosheim, Pontificios, salis apostolici expertes, S. 47 f. Auch die wachsende Bedeutung der Lehre von einer Infallibilita¨t des Papstes ist eine Folge der tridentinischen Beschlu¨sse; vgl. Wilhelm Dantine, Das Dogma im tridentinischen Katholizismus, S. 415 ff. 44 Martin Chladenius, De methodo Evangelicorum, S. 25 f: „Ecclesiam universalem vero admittimus tanquam testem, unde concilia oecumenica non spernimus, sed cum decretis illorum docemus, in Augustana Confessione. Oecumenica vero non agnoscimus, quae sunt particularia a Papa Romano ad stabiliendam suam autoritatem instituta.“

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Die Kirche im Jubila¨umsjahr

nische Konzil und seine Beschlu¨sse in der ro¨misch-katholischen Kirche selbst umstritten waren.45 U¨berdies hatte das Tridentinische Konzil gezeigt, daß es reformwilligen Theologen selbst auf vorgeblich repra¨sentativen Versammlungen der allgemeinen Kirche nicht mo¨glich ist, ihre Reformvorschla¨ge durchzusetzen, solange sie nicht die Billigung des Papstes finden.46 Damit wenden sich die Jubila¨umsschriften dem Amt des ro¨mischen Bischofs zu, das die Spitze der widergo¨ttlichen Hierarchie in der ro¨mischkatholischen Kirche bildet. Der pa¨pstliche Primat basiert auf der These, die verbindliche Auslegung der Heiligen Schrift obliege der Kirche, an deren Spitze der Papst steht, der dazu den Anspruch auf Unfehlbarkeit erhebt.47 Doch ist weder in der Heiligen Schrift vom Vorrang eines einzelnen Bischofs vor den u¨brigen Bischo¨fen und partikularen Kirchen die Rede,48 noch besteht angesichts der Suffizienz der Heiligen Schrift u¨berhaupt die Notwendigkeit, die in der Heiligen Schrift offenbarte Wahrheit durch weitere, menschliche Autorita¨ten abzusichern.49 Die seit der Reformation vermehrt ins Feld gefu¨hrte Behauptung, der Papst sei in seinen Lehrentscheidungen unfehlbar, la¨ßt sich als kirchliche Lehre nicht einmal bis ins Mittelalter zuru¨ckverfolgen, geschweige denn aus der Heiligen Schrift herleiten.50 Im Gegenteil ist offensichtlich, wie alle bisherigen Versuche zu einer Kirchenreform an der Institution des Papstamts und an der Fehlbarkeit seiner Amtsinhaber gescheitert sind.51 Trotzdem verdeutlichen das pa¨pstliche Vorgehen gegen den Jansenismus und die Auseinandersetzungen zwischen Rom und der franzo¨sischen 45 Martin Chladenius, De methodo Evangelicorum, S. 26: „Atqui dudum evicerunt nostrates, concilium illud conventum non fuisse, sed conciliabulum aliquod, mala fide in damnum Protestantium institutum & formatum, nullis requisitis veri concilii praeditum . . .“ 46 Bei Johann Franz Buddeus, Ivdicivm, S. 59 heißt es uber die Unterdruckung vorhan¨ ¨ dener Reformvorschla¨ge auf dem Tridentinischen Konzil durch den Papst: „Quantumuis enim in eo concilio non defuerint viri cordati, qui ecclesiae in quibusdam emendationem serio vrgebant, nihil tamen obtinuerunt, cunctis per callidas Romanorum pontificum machinationes ita dispositis, vt nihil prorsus, nisi quod e re illorum esset, decerneretur.“ 47 Bernhard von Sanden, Predigten, S. 139 f: „. . . wenn man diese Papistische Provocation auf die Kirche durchforschet / so resolviren sie die Kirche in die Clerisey / die Clerisey ziehen sie auf den Babst / als in welchem der gantzen Kirchen Autorita¨t und Infallibilitaet concentriret / und treiben also mit der Kirchen ein Gespo¨tt / denn bey ihnen macht der Babst die gantze Kirche.“ Martin Chladenius, Methodus Evangelicorum, S. 17. 48 Lorenz von Mosheim, Pontificios, salis apostolici expertes, S. 70 f. 49 Martin Chladenius, De methodo Evangelicorum, S. 7 f. 50 Johannes Cyprian hat den Großteil seiner Jubelschrift „Fundamentum Ecclesiae“ dem Nachweis gewidmet, daß der Anspruch auf die Unfehlbarkeit des Papstes bei Lehrentscheidungen sich nicht aus der Heiligen Schrift begru¨nden lasse. Außerdem fu¨hrt er den Anspruch der Unfehlbarkeit mit Beispielen aus der Kirchengeschichte ad absurdum. Er zeigt, wie Pa¨pste unter Berufung auf ihre Unfehlbarkeit, Lehrentscheidungen getroffen hatten, die in diametralem Gegensatz zu den Lehrentscheidungen eines vorherigen, in seinen Lehrentscheidungen ebenso unfehlbaren Papstes standen. 51 Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 244.

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Nationalkirche u¨ber die Rezeption der Bulle „Unigenitus Dei filius“,52 mit welcher Selbstversta¨ndlichkeit der ro¨mische Bischof fu¨r sich die Stellung als Oberhaupt der Kirchen und die Unfehlbarkeit in theologischen Entscheidungen beansprucht. Bemerkenswert ist das Votum von Chladenius, die Protestanten wollten nicht den ro¨mischen Bischof als solchen in Frage stellen. Solange er das Wort Gottes wahrheitsgema¨ß verku¨ndige und die Sakramente stiftungsgema¨ß verwalte, ko¨nnte man ihn sogar als legitimen Bekenner des christlichen Glaubens anerkennen. An diesem Unterschied aber scheitert nach Chladenius jede Anna¨herung zwischen den Lutheranern und Rom,53 sowie umgekehrt mit der Akzeptanz der einzigen Autorita¨t der Heiligen Schrift durch die ro¨misch-katholische Kirche der Weg fu¨r die Anna¨herung der ro¨misch-katholischen und der lutherischen Kirche auf Grundlage des Zeugnisses der Heiligen Schrift mo¨glich wa¨re.54 Den besonderen Zorn der Jubila¨umsschriften erregten diejenigen Passagen der Konstitution „Unigenitus Dei filius“, die den Laien das Recht oder die Befa¨higung zur selbsta¨ndigen Lektu¨re der Heiligen Schrift absprachen – noch dazu unter dem Vorwand, nur so ko¨nnten sie vor Irrtu¨mern bewahrt werden, die ihren Glauben scha¨digen.55 Derartige Aussagen widersprachen dem Kern des protestantischen Schriftversta¨ndnisses, insofern sie die Freiheit eines jeden Christenmenschen beschnitten, sich dem Wort Gottes zu unterstellen und ohne Vermittlung einer irdi-

52 Neben den Vorfallen in Kur-Sachsen durften die 1716/1717 auf einem ersten Hohe¨ ¨ ¨ punkt angelangten Streitigkeiten zwischen Rom und Paris zu den wichtigsten tagespolitischen Ereignissen za¨hlen, die sich auf die allgemeine Stimmung unter den Protestanten niederschlugen. (Vgl. Louis Cognet, in: Handbuch der Kirchengeschichte V, S. 409–421). 53 Martin Chladenius, De methodo Evangelicorum, S. 28 f: „Quamdiu Episcopus Romanus ex instituto Christi verbum Dei pure docet, & Sacramenta pure administrat, tamdiu eum pro vero confessore habemus: pro tali non amplius agnoscimus, ubi aliena curat, episcopos subjugat, secularia tractat, veram religionem persequitur.“ A¨hnlich urteilt Johannes Samuel Hering, der im Papstamt den eigentlichen wahren Grund fu¨r die bleibende Trennung zwischen der protestantischen und der ro¨misch-katholischen Kirche sieht, wa¨hrend alle u¨brigen Streitfragen nach seiner Auffassung einer gu¨tlichen Einigung zugefu¨hrt werden ko¨nnten (Ders., Hil. Ev. II, S. 112a, Oratio Secularis). Vgl. das a¨hnlich lautende Votum Luthers in der Nachschrift seiner Vorlesung zum Galaterbrief: „. . . hoc quaerimus, ut simus non salvi et ipsi, ut gloria dei stet et iustitia fidei erhalten. Si hoc, Sanctissimum dicerem Papam, non solum osculari pedes, sed portare in manibus. Si impetrare possumus, quod deus solus iustificet per gratiam.“ WA 40 I, 180, 10- 181, 3 (In epistolam S. Pauli ad Galatas commentarius, (1531) 1535. Nachschrift). 54 Martin Chladenius, De methodo Evangelicorum, S. 11: „Ecclesia universalis coetus est fidelium in toto terrarum orbe dispersus, istud credens candide, &, si opus est, profitens, quod in Scriptura S[acra] habetur & docetur, unde Catholicismus ejus potius internus quam externus, & visibilis est.“; Johannes Cyprian, Fundamentum Ecclesiae, S. 40. 55 Johannes Cyprian, Fundamentum Ecclesiae, S. 11: „Ne igitur Laici haereses aut noxias vitae Christianae opiniones imbibant, Lectio Scripturae S[acrae] iisdem interdicta est, & infallibilis interpretandi facultas Ecclesiae Romanae, aut potius ejus capiti, Romano Pontifici commissa.“ Isaac Weissenborn, Iactantia, S. 12.

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schen Instanz in Beziehung zu Gott zu treten.56 In einzelnen Urteilen der Jubila¨umsschriften heißt es sogar, keine andere Verlautbarung oder Maßnahme der ro¨mischen Bischo¨fe habe deren widergo¨ttlichen Charakter sta¨rker zum Ausdruck gebracht, als die besta¨ndigen Versuche, den Laien die Heilige Schrift zu entziehen und deren Lektu¨re und Auslegung dem theologisch gebildeten Klerus vorzubehalten.57 Auf diese Weise dru¨cke die ro¨misch-katholische Kirche sogar die christlichen Fu¨rsten unter das Joch der kirchlichen Lehre, ohne daß ein vom Heiligen Geist gewirkter Glaube entstehen kann.58 Damit erheben die Autoren die Anerkennung der Autorita¨t der Heiligen Schrift und deren rechten Gebrauch zum articulus stantis et cadentis ecclesiae wa¨hrend die u¨brigen Exklusivpartikel (sola gratia, sola fide, solus Christus) der reformatorischen Lehre fu¨r die Beurteilung der zeitgeno¨ssischen ro¨misch-katholischen Kirche nur eine untergeordnete Rolle spielen. Sie betonen die Autorita¨t der Heiligen Schrift als von Gott inspirierter Offenbarung und als Fundament des Glaubens, an dem sich wahre und falsche Kirche scheiden. Gerade die vielerlei Instanzen, die sich nach ro¨misch-katholischem Versta¨ndnis zwischen die eine Offenbarung des Heils und deren Adressaten schieben, entlarven die ro¨misch-katholische Kirche als die vom Teufel besetzte Kirche.59 Damit erneuern die Autoren den von Luther erhobenen Vorwurf, die ro¨misch-katholische Kirche sei vom Antichrist beherrscht.60 In diesem 56 Paul Anton, Predigt, S. 34: „Die gute und wohl erklarte Biblische Lehre unserer Va¨ ¨ ter von der Salbung wahrer Christen zum geistlichen Priestertum . . . wird . . . hin und wieder scheel angesehen, als ihrer Kirchen-Hierarchie nachtheilig / ohne rechte Ursache . . .“ 57 Besonderes Augenmerk ruhte auf den Thesen Nr. 79 ff. So heißt es bei Johann Christian Heumann: „Illud ad extremum rogatos volo pontificios . . . an Muhamedus, imo an ipse diabolus, legem vllam possit Christianis ferre hostiliorem, quam est mandatum illud Clementis XI. de non legenda sacra scriptura , & cuiusnam sit habendus vicarius, qui Edictum scribit eiusmodi, vt diabolikw´teron ne ipse quidem excogitare queat diabolus.“ (Ders., De Luthero apocalyptico, Praefatio, S. b8r). Isaak Weissenborn, Iactantia, S. 12 weist darauf hin, daß auch diese Lehre bereits im Tridentinum formuliert sei. Auch Christoph Heinrich Rithmeier zitiert die Sa¨tze 2; 18; 69; 73; 79–82 der Konstitution „Unigenitus“ und urteilt u¨ber sie: „Wer siehet aber daraus nicht / die Gottlosigkeit / Blindheit und Blo¨sse des Papstthums? Gewiß es ist wol niemahlen etwas ans Licht getreten / worin der Ro¨mische Stuhl weniger Ehre und autorita¨t behalten / ja vor der ehrbaren Welt sich mehr prostituiret hat / als eben hierin / da man sich nicht entsehen / dem Wort GOttes schnurstracks zuwider / dergleichen theses recht Anti-Christischer Weise zu verdammen . . .“ (Vorbereitung, S. b4r). 58 Isaak Weissenborn, Iactantia, S. 12. 59 Johannes Cyprian, Fundamentum Ecclesiae, S. 6: „Assertio igitur nostra esto: Romanam Ecclesiam nullum habere principium indubitatum, aut normam vel regulam fidei infallibilem; Ergo pari ratione concluditur: Romanam Ecclesiam non esse veram Christi Ecclesiam. Majorem posuit Adversarius: Minor nobis probanda incumbit.“ Johann Franz Buddeus, Ivdicivm, S. 55. 60 Isaac Weissenborn, Iactantia, S. 26: „Quotquot ergo e discessione ista gloriationis sumunt materiem, nihil aliud, nisi crudelem illam iactant ereptionem, qua ecclesiae suae falsitatis stigma inurunt. Nisi forte veram dixeris ecclesiam, quae suos a scripturae sacrae lectio-

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Sinne verurteilen auch Jubila¨umsschriften von 1717 die ro¨misch-katholische Kirche als antichristlich, zu der man um des ewigen Heils willen keinesfalls u¨bertreten, die man gegebenenfalls vielmehr verlassen sollte.61 Diesem eindeutigen Urteil widerspricht es nicht, daß es selbst in der ecclesia falsa Menschen gibt, die dem rechten, seligmachenden Glauben anha¨ngen, so wie es in ihr mo¨glich ist, die Sakramente Taufe und Abendmahl stiftungsgema¨ß und zum eigenen Heil zu empfangen.62 Dies ist aber nicht der Fall, weil die ro¨misch-katholische Kirche selbst Teil der ecclesia vera wa¨re, sondern weil durch Gottes Gnade zu allen Zeiten in der ecclesia falsa ein heiliger Rest der ecclesia vera bewahrt wird, wa¨hrend der Antichrist die Zersto¨rung der Kirche betreibt.63 Die ecclesia vera aber – soviel steht fu¨r die Jubila¨umsschriften fest – ist in der lutherischen Kirche gegenwa¨rtig.64

2. Die lutherische Kirche „O Land, o Land! dein bo¨ses Leben, Dein sich’rer Zug zur Eitelkeit, Dein tra¨ger Kampf, die schwere Zeit, Macht alle deine Wa¨chter beben. Was kann man dir fu¨r frohe Lust, Und deiner su¨ndenvollen Brust Fu¨r angenehme Hoffnung geben? – Erschallet nicht die Klag’: O furchtbarer Tag! ...

ne, sensuque euoluendo arcet; quae Christi iustitiam, per fidem nobis imputandam, exponit ludibrio, aliamque in eius locum temere substituit; quae sanguinuem saluatoris sacrilego subducit; quae validissima ipsius merita deprimit; quae fidem, cui optima quaeque tribuit spiritus sanctus, ac fiduciam, illius animam, destruit; quae item certam tollit spem salutis.“ 61 Diesem Nachweis dient die gesamte Untersuchung „Ivdicivm Martini Lvtheri de ecclesia romana“ von Johann Franz Buddeus. Den Zweck seiner Argumentation faßt dieser wie folgt zusammen: „Haec si in aprico posita fuerint, sua sponte inde consequetur, a nobis exigi non posse, vt ad Romanam redeamus ecclesiam; si quis vero hoc faciat, aeternae salutis eum iacturam facere, Romanenses contra suae aliter saluti consulere non posse, quam vt agnitis erroribus, veritati doctrinae euangelicae, quam nostra tenet ecclesia, se submittant.“ (ebd., S. 50). 62 Michael Foertsch, Hil. Ev. II, S. 34a (De nervis Justificationis). 63 Diese Beschreibung des Wesens des Antichrists entspricht der Vorstellung vom Kampf der wahren mit der falschen Kirche, wie sie sich schon bei Luther findet; vgl. Ulrich Asendorf, Eschatologie, S. 142 ff. 64 Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 307: „A vera, pura & Catholica Ecclesia non defecimus, sed ad eam, rediimus; Pontificii autem ab eo defecerunt.“

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Du zu¨ndest eitel helle Kerzen In deinen Friedenstempeln an; Doch um die Andacht ist’s gethan; Der Herr wird deine Lichter schwa¨rzen! Sein Wort, das schon zweihundert Jahr’ Die Leuchte deiner Fu¨ße war, Verlischt; – ach nimm es wohl zu Herzen, Eh’ dich die Nacht ereilen mag! – O finsterer Tag! Wie hast du Gottes Wort verachtet, Du ungerath’nes Sachsenland! Du hast viel mehr nach eitlem Tand, Als nach der Weisheit Licht getrachtet. Du hast Pala¨ste aufgethu¨rmt, Die Wind und Hagel niederstu¨rmt, Das Ewige hast du verachtet; Drum bleibt es bei der alten Klag’: O trauriger Tag!“ Mit diesen Worten beschreibt der 17ja¨hrige Nikolaus Ludwig von Zinzendorf den Zustand des deutschen Protestantismus, wa¨hrend auf den Straßen und in den Kirchen von Wittenberg die Feierlichkeiten zum Reformationsjubila¨um 1717 ablaufen.65 Beeindruckt von den schleppenden Vorbereitungen der Jubelfeiern in Kursachsen, u¨ber die sich der Schatten der Konversion des Kurprinzen gelegt hatte, deutet er das Jubila¨um als Anlaß zu Buße und Umkehr, und nicht zu ausgelassenen Feiern. Zwar sind die Segnungen von Luthers Reformation unbestritten, aber er nimmt doch die Krise wahr, in die das Luthertum in den letzten Jahrzehnten geraten ist. Das Reformationsjubila¨um bietet dem Luthertum immerhin die Gelegenheit zur Besinnung auf seine historischen Wurzeln – dies ist aber auch dringend no¨tig, will das Luthertum in das dritte Jahrhundert seines Bestehens gehen. Mit dieser Auffassung steht Zinzendorf beispielhaft fu¨r die Stimmung, wie sie in manchen akademischen Jubelschriften zum Ausdruck kommt. Denn nicht allein in Kursachsen, sondern im gesamten Heiligen Ro¨mischen Reich nehmen protestantische Theologen die von Zinzendorf geschilderte Krise wahr, zu deren U¨berwindung das Jubila¨um beitragen konnte. Die reichsrechtliche Anerkennung der reformierten Kirchen im Westfa¨lischen Frieden hatte, wie sich im Vorfeld des Jubila¨ums zeigte, die innere Einheit des Protestantismus aufgeweicht, die Gegenreformation 65 Das Gedicht blieb zu Zinzendorfs Lebzeiten ungedruckt und wurde erst veroffent¨ licht durch Albert Knapp, Geistliche Gedichte des Grafen von Zinzendorf, Stuttgart und Tu¨bingen 1845, S. 316 f; vgl. Erich Beyreuther, Der junge Zinzendorf, S. 143.

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hatte sich als gleichwertiger, wenn nicht u¨berma¨chtiger Gegner der reformatorischen Lehre erwiesen, und der Ru¨ckhalt des Luthertums bei den Fu¨rsten in Deutschland und Europa hatte sich verringert.66 Abgesehen von der Zuru¨ckdra¨ngung des Protestantismus in verschiedenen europa¨ischen La¨ndern beklagen einige Verfasser dessen geistlichen Verfall, der im krassen Gegensatz zur geistlichen Blu¨te der Urchristenheit und deren Wiederbelebung im Zeitalter der Reformation steht.67 Das Luthertum hat es sich zum Teil selbst zuzuschreiben, wenn allerorten Anzeichen fu¨r einen neuerlichen Verfall der evangelischen Kirche zutage treten.68 Mit welcher Sorge die Verfasser die Lage des zeitgeno¨ssischen Protestantismus beurteilen, zeigen ihre Seitenblicke auf das Ergehen der lutherischen Kirchen im u¨brigen Europa. Hinsichtlich Frankreichs erinnern sie an die Ka¨mpfe zwischen Hugenotten und Katholiken im ausgehenden 16. Jahrhundert, vor allem aber weisen sie auf die Repressalien, gegen die sich die Protestanten, insbesondere die Anha¨nger des Jansenismus im fru¨hen 18. Jahrhundert zur Wehr zu setzen hatten.69 Weiter rufen sie die 66 Bewegend ist die Klage Gottlieb Wernsdorfs uber den Zustand des zeitgenossischen ¨ ¨ Protestantismus: „Wie viel Ko¨nigreiche und Lande / wie viel ma¨chtige Republiquen und Sta¨dte waren vor 100. Jahren nicht gut Evangelisch? Ungarn / Bo¨hmen / Ma¨hren / Ka¨rndten / Steuermarck / und so mehr / waren / entweder vo¨llig / oder doch meistentheils / unserer Religion zugethan. Wie stehts ietzo? Vor 100. und etwas mehr Jahren waren 3. ChurFu¨rsten im Ro¨mischen Reiche der ungea¨nderten Augspurgischen Confession zugethan? Wo sind Sie? das Ro¨mische Babel rafft sich nach und nach wieder auf / und seine to¨dtliche Wunde wird wieder heil. Ja / es zieht einen grossen Herrn / ein Reich / ein Land nach dem andern wieder zu sich / und steigt immer ho¨her. Unser Ha¨uffgen hingegen wird immer kleiner. Viele von Lvtheri vormahligen Ju¨ngern verlassen ihn / und wandeln fort nicht mehr mit ihm.“ (Ders., Jubel-Groschen, S. 49). Johann Christoph Pfaff, Christliche Predigt, S. 20. 67 Johann Franz Buddeus, De characteribvs, S. 34. August Hermann Francke, Die Freude im Herrn, S. 10: „Wem ist nicht offenbar, daß der Zustand unserer Evangelischen Kirche von innen und von aussen also beschaffen sey, daß man Ursach habe sich zu fu¨rchten, ja daß diejenigen, welche ihre Leibes- und Seelen-Kra¨fte zum Dienst derselben gewidmet haben, wol mo¨chten ihre Ha¨nde lassen laß werden.“ Johann Christoph Pfaff, Christliche Predigt, S. 20. 68 In diesem Sinne bringt Herrnschmid seine Sorge zum Ausdruck, „. . . daß unsere Kirche / wegen solcher Undanckbarkeit und Unfruchtbarkeit des grossen Hauffens wohl werth ist / aus GOttes Verha¨ngniß zerrissen / und ihres Zaunes beraubt zu werden / ja es scheinet / daß sie fast reif und zeitig sei zu einer grossen Versuchung . . .“ (Johann Daniel Herrnschmid, Predigt, S. 77) 69 Johann Wilhelm Ianus, De Dominatu, S. 85–92. Johann Peter Ludewig urteilt schlicht u¨ber die Situation des franzo¨sischen Protestantismus: „In Gallia quidem euangelicorum sacrorum facies tristissima.“ (Ders., Dica Ivbileorvm, S. 28); a¨hnlich: Valentin Ernst Lo¨scher, Jubel-Predigten, S. 12. Weniger dramatisch schildert Heinrich Lysius die Situation des franzo¨sischen Protestantismus, nach dessen Auffassung Repressalien und einzelne Siege u¨ber die Protestanten nicht den gesamten Protestantismus aus Frankreich vertrieben ha¨tten: „Nec Galliam recte meditatur, qui in eadem per hocce seculum occidisse evangelii splendorem exsistimat. Non cum Rapella expugnata veritas est. Non cum exulibus exulat quoq. evangelium.“ (Ders., De Incrementis, S. 39r.); Bernhard von Sanden, Predigten, S. 78 f.

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Verluste in Erinnerung, die der Protestantismus wa¨hrend des 17. Jahrhunderts erlitten hatte: Große Teile Europas, die sich der Reformation zugewandt hatten, sind durch die Kra¨fte der Gegenreformation, allen voran durch die Jesuiten, fu¨r die ro¨misch-katholische Kirche zuru¨ckgewonnen. Zu den Opfern der Gegenreformation za¨hlen die Protestanten in O¨sterreich und Bo¨hmen, die, sofern u¨berhaupt, einzig durch die Vorsehung Gottes vor den Nachstellungen ihrer ro¨misch-katholischen Gegner bewahrt wurden.70 Zu den umka¨mpften Territorien za¨hlt außerdem England, das nach den Jahren der Revolution und seiner katholischen Herrscher erst seit einigen Jahren wieder dem Protestantismus zugerechnet werden kann.71 U¨berdies wird das christliche Europa weiterhin durch den vordra¨ngenden Islam bedroht.72 Ganz zu schweigen von den Ru¨ckschla¨gen, die das Luthertum innerhalb des Heiligen Ro¨mischen Reichs deutscher Nation erfahren hatte. Zu u¨berschwa¨nglichem Jubel bietet diese insgesamt traurige Situation des europa¨ischen Luthertums wenig Anlaß, eher schon zu Dankbarkeit gegenu¨ber Gott, „daß Er demnach in den Thoren unseres Zions den Leuchter seines Evangelii schon in die 200 Jahr bey so grosser Sicherheit und Undanck der Unfertigen gleichwol auffrecht erhalten / den er so zeitlich hingegen in Griechenland / Italien / Franckreich und anderswo weggestossen.“73 Freilich wissen die Verfasser auch Gutes aus Deutschland zu berichten. Ludewig erkla¨rt, Preußen habe von den aus Frankreich vertriebenen Protestanten profitiert;74 und Lysius tro¨stet seine Ho¨rer u¨ber die mißliche Situation des europa¨ischen Luthertums hinweg, indem er auf Erfolge der protestantischen Missionen in Amerika und Asien verweist.75 Ein eigenes Problem stellen fu¨r die Jubila¨umsschriften die Konversionen protestantischer Gla¨ubiger zum Katholizismus dar. Dieses Pha¨nomen, das sich durch alle Bevo¨lkerungsschichten zog, greifen sie am Beispiel der europa¨ischen Herrscherha¨user auf.76 Denn neben Konversionen 70 Johann Peter Ludewig, Dica Ivbileorvm, S. 28; Heinrich Lysius, De Incrementis, S. 38r. Bernhard von Sanden, Predigten, S. 77 f. 71 Johann Peter Ludewig, Dica Ivbileorvm, S. 27. Heinrich Lysius, De Incrementis, S. 39v. Johann Wilhelm Ianus, De Dominatu, S. 84 f. 72 Justus Christoph Bo ¨ hmer, Fasces academici, S. 108. 73 Johann Christoph Pfaff, Christliche Predigt, S. 15 f; Johann Peter Ludewig, Dica Ivbileorvm, S. 26: „Ingrati tamen in numinis aeterni prouidentiam, nisi etiam casuum uiueremus memores, quos deus ab euangelicis coetibus benignissime auertit, subringente Romano pontificatu.“ 74 Johann Peter Ludewig, Dica Ivbileorvm, S. 28: „Inde accesserunt nostrae Germaniae praesertim, non sine ingenti nostrae reipublicae incremento. Cum sit testatissimum, in hoc exilio litteras, artes, uirtutes, dotes insignes e Gallia in Germaniam, felici sidere, transmigrauisse atque a Germanis tot rerum genera suscepta & culta esse, ut iam nunc in ipsis Germanis nata esse uideantur.“ 75 Heinrich Lysius, De Incrementis, S. 40r. 76 Volker Press spricht in diesem Zusammenhang gar vom „Zeitalter der Konvertiten.“ (Kriege und Krisen, S. 303). Ein von Pu¨tter erstelltes Verzeichnis „der in reichssta¨ndischen

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beru¨hmter Gelehrter und Ku¨nstler waren es die Konversionen von Fu¨rsten, wie die der Ko¨nigin Christine von Schweden (1654), die von der ro¨misch-katholischen Propaganda als Triumph u¨ber die protestantische Irrlehre gefeiert wurden.77 Bei der protestantischen Bevo¨lkerung trugen diese Konversionen zur Verunsicherung bei: Ungeachtet der im Westfa¨lischen Frieden garantierten Religionsfreiheit befu¨rchteten sie in den betroffenen Territorien die Einschra¨nkung ihrer religio¨sen Freiheiten; mit jeder Konversion eines Reichsfu¨rsten ging eine Verschiebung der Machtverha¨ltnisse auf Reichsebene einher.78 Manchen Gla¨ubigen fochten diese U¨bertritte perso¨nlich an. Denn die ro¨misch-katholische Propaganda pra¨sentierte die Konvertiten als Vorbild,79 Konversionen einflußreicher Perso¨nlichkeiten setzten die protestantische Kirche dem Spott aus,80 und nicht zuletzt erwuchsen ihr aus den Konvertierten die gro¨ßten Feinde.81 So bemu¨hten sich die Autoren, die Bedeutung, die diesen Konversionen beigemessen wurde, zu relativieren. Dabei legen sie dar, welche Rolle bei den betreffenden Fu¨rsten weltliche Motive gespielt hatten. Hier bieten sich die Konversionen Heinrichs IV. und Augusts des Starken ebenso an,82 wie das Gegenbeispiel Kurfu¨rst Johann Friedrichs von Sachsen, der

Ha¨usern im XVII. und XVIII. Jahrhundert vorgegangenen Religionsvera¨nderungen“ nennt fu¨r den Zeitraum von 1614 bis 1717 u¨ber 40 Konversionen; in: Johann Stephan Pu¨tter, Historische Entwicklung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs, Band II, S. 334–356. Weitere Literatur: Ute Mennecke-Haustein, Konversionen, und Gu¨nter Christ, Fu¨rst, Dynastie, Territorium und Konfession· 77 Johann Wilhelm Ianus, De Dominatu, Praefatio: „Nihil proximis hisce annis Pontificii insolentius iactarunt, aut maiori cum insultatione nobis obiecerunt, quam exempla Principum, qui, desertis Euangelicorum sacris, ipsorum partibus se adiunxerunt. In his nimirum, pariter ac in calamitatibus, quas ipsi, ubi rerum potiti sunt, hoc seculo nostratibus intulerunt, haud obscura crescentis potentiae suae, nostrae autem Ecclesiae labentis indicia cernere, atque adeo satis causae habere sibi videntur, cum sacris nostris secularibus, tum vaticinio D. Lutheri, quo se pestem ac mortem Papatui allaturum, praedixit illudendi.“ 78 Dieter Breuer, Konversionen im konfessionellen Zeitalter, S. 59 f. 79 Johann Franz Buddeus, De characteribvs, S. 27: „Magni certe maximique ponderis argumentum se nobis obiicere putant aduersarii, si catalogum non exiguum, summorumque Principum exemplis illustrem, nostratibus exhibent, eos referentem, qui e nostra ecclesia ad suam defecerunt, vt nimirum falsitatem reformationis ecclesiaeque, cuius veritatem merito contra ipsos defendimus, inde colligant.“ 80 Johann Wilhelm Ianus, De Dominatu, Praefatio: „Nihil proximis hisce annis Pontificii insolentius iactarunt, aut maiori cum insultatione nobis obiecerunt, quam exempla Principum, qui, desertis Euangelicorum sacris, ipsorum partibus se adiunxerunt. In his nimirum pariter, ac in calamitatibus, quas ipsi, ubi rerum potiti sunt, hoc seculo nostratibus intulerunt, haud obscura crescentis potentiae suae, nostrae autem Ecclesiae labentis indicia cernere, atque adeo satis causae habere sibi uidentur, cum sacris nostris secularibus, tum uaticinio D. Lutheri, quo se pestem ac mortem Papatui allaturum, praedixit, illudendi.“ 81 Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 380: „Sic & hodie videmus illos, qui a doctrina Euangelica defecerunt, multo acerbius odisse ac premere Lutheranos, quam Pontificios.“ 82 Isaak Weissenborn, Iactantia, S. 29 f. Johann Franz Buddeus, De characteribvs, S. 28. Bernhard von Sanden, Predigten, S. 153 f.

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sich von Kaiser Karl V. selbst durch das Versprechen politischer Vorteile nicht zur Konversion hatte u¨berreden lassen.83 Weissenborn stellt die Beweiskraft der Konversionen als solche in Frage. So sei die Zugeho¨rigkeit einer ecclesia particularis zur ecclesia vera nicht daran abzulesen, wieviele Gla¨ubige zu dieser Kirche za¨hlten oder zu ihr konvertierten. Schon in der Exilsgemeinde des Volkes Israel hatte sich der wahre Glaube in kleinen Kreisen bewahrt, die sich dem allgegenwa¨rtigen Go¨tzendienst widersetzten.84 Ebenso hatte der Apostel Paulus betont, daß Gott gerade die von der Welt gering gescha¨tzten Menschen zu seinem Volk erwa¨hlt habe, weshalb die Konversionen weltlicher Herrscher zu einer bestimmten Kirche kein Indiz fu¨r ihre Zugeho¨rigkeit zur wahren Kirche sein mu¨ssen.85 Andererseits versa¨umt Weissenborn es nicht, auf Konversionen von ro¨mischkatholischen Fu¨rsten und Gelehrten hinzuweisen, die sich dem Protestantismus angeschlossen hatten.86 Wie ernst die Verfasser das Werben der ro¨misch-katholischen Theologen und Prediger um die Anha¨nger des Luthertums nahmen, zeigt eine ganze Reihe von Jubila¨umsschriften, die fu¨r die breite O¨ffentlichkeit verfaßt waren. Sie suchten die Argumente der Katholiken zu entkra¨ften und die notwendigen Glaubensu¨berzeugungen und Gegenargumente fu¨r die angefochtenen Laien darzulegen. Prominentes Beispiel dieser Art waren sowohl Gottlieb Wernsdorfs Widerlegung der fu¨nfzig Argumente eines 83 Christian Wolffradt, Jubel-Rede, S. 187v: „Undt diese sehen wir als in einem hellen Spiegel klar und deutlich an ofterwehnten FRIDERICO, den obgleich der Kayser Carolous Vtus es auff aller Ahrt und Weise versuchete diesen theuren Lutheraner wieder zum Papstthum zu bringen, und da Er Ihm hierzu nicht eher, als entweder mit Geld oder eine ansehnliche Heyrath anreitzen zu ko¨nnen muthmaßte, es erstlich versuchet, durch eine große Summa Geldes, die Er Ihm durch die Gesandten offerieren ließ, welche Er dennoch mit bewunderswu¨rdiger Großmu¨thigkeit ausschlug, endlich aber, da man Ihm auch die aus intriguen versprochene Mariage mit des Kaysers Caroli Schwester, weil er von seinem wahren Glauben nicht abstehen wollen, versagte, hat Er freymu¨thig geantwortet: Er wolle lieber die Braudt als die Religion fahren lassen.“ 84 Isaak Weissenborn, Iactantia, S. 9: „Sane nec penuria magnorum principum falsam; nec maiestas confessorum veram efficit doctrinam atque ecclesiam, cuius integritatem ex adplaudentium orbis procerum praesidio DEVS numquam censeri voluit.“ 85 Isaak Weissenborn, Iactantia, S. 10: „Iam si ex principum ac doctorum celebriorum auctoritate, in ecclesia & doctrina eius diiudicanda, pendeas, facile adduci posses, vt cum Iudaeis istis, vel nefandam idolatriam adprobes, vel ipsam Christi doctrinam turpiter reiicias.“ 86 Isaak Weissenborn, Iactantia, konzentriert sich auf drei prominente Beispiele: Er behauptet erstens, Karl V. sei im Bekenntnis zur lutherischen Lehre gestorben (ebd., S. 34 f; ebenso Matthias Kortholt, Hil. Ev. II, 73b; De Luthero), sodann habe Ferdinand I. sich so weit der protestantischen Lehre angena¨hert,daß Paul IV. ihm die Anrede als eines ro¨mischen Kaisers verweigerte (ebd., S. 36 f) und schließlich habe auch Maximilian II. sich gegenu¨ber Kurfu¨rst August von Sachsen ausdru¨cklich als Anha¨nger der Augsburgischen Konfession zu erkennen gegeben. (ebd., S. 38 f). Herrmann Christoph Engelken, De dogmate transsubstantiationis, S. 5–7 nennt diverse Beispiele von Gelehrten, die durch die Bescha¨ftigung mit der reformatorischen Lehre zur Konversion zum Protestantismus bewegt worden seien. Johann Christoph Pfaff, Christliche Predigt, S. 19.

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ro¨misch-katholischen Theologen fu¨r die Konversion87 als auch Franciscus Clings neu aufgelegte „Treuhertzige Warnung fu¨r Abfall von der Lutherischen zur Papistischen Lehre“. Valentin Ernst Lo¨scher und Johann Christoph Pfaff schlossen ihre Predigten mit der eindringlichen Mahnung an ihre Zuho¨rer, sich vor dem Abfall von der wahren Lehre oder der Vermischung mit fremden Religionen zu hu¨ten.88 In Halle vero¨ffentlichte Paul Anton die Dankesschrift eines von der ro¨misch-katholischen Irrlehre in die wahre, die lutherische Kirche konvertierten Ordensgeistlichen.89 Die Selbstvergewisserung der lutherischen Kirche in ihrer Zugeho¨rigkeit zur wahren Kirche bildet ein wesentliches Motiv fu¨r ihre Standortbestimmung in Abgrenzung von der in der ro¨misch-katholischen Kirche manifestierten falschen Kirche. Ein Argument zur Begru¨ndung dieses Anspruchs bestand darin, die Identita¨t der reformatorischen mit der apostolischen Lehre nachzuweisen und dem Vorwurf entgegenzutreten, Luther habe eine ga¨nzlich neue, bis dahin nicht bekannte Lehre aufgebracht.90 Vielmehr habe Luther mit seiner Theologie zu keinem Zeitpunkt etwas gelehrt, was nicht schon die Va¨ter der alten Kirche bis ins Zeitalter Gregors des Großen geglaubt hatten;91 und in ihrem Bekenntnis und ihrer Glaubenspraxis hat die lutherische Kirche sich als Teil dieser wahren Kir-

Gottlieb Wernsdorf, Judas, der Verra¨ther, S. 364–384. Valentin Ernst Lo¨scher, Jubel-Predigten, S. 73. Johann Christoph Pfaff, Christliche Predigt, S. 20 f. 89 Paul Anton, Tecmirion gratitudinis. 90 Johann Wolfgang Iaeger, Wirtembergiae lutheranae laetae candor, S. 12: „Reformatio autem non fuit novae doctrinae productio, sed Evangelii tantum, ab ipso Numine in paradiso, a prophetis, Filio Dei, Apostolisque ac primorum a Christo seculorum patribus, testibus item Veritatis, per omnes mundi aetates praedicati, publica repetitio atque solicita ad pristinam simplicitatem puritatemque reductio.“ Heinrich Lysius, De miraculorum defectu, S. 24: „Quod enim Papaei uno ore clamant, Lutherum novam quae piae antiquitati contradicat doctrinam excogitasse, falsissimum est, quia Megalander noster in omnibus controversiis Scripturam sacram normam agnovit, adeoque nihil proposuit, quod antiquissimae V. & N. T. Scripturae miraculis dudum confirmatae conforme non esset . . . Sensim nimirum ab orthodoxa antiquitate defecerat Ecclesia Romana, postquam cultum imaginum, invocationem sanctorum, & angelorum, usum linguae incognitae in cultu publico, coelibatum Clericorum, communionem sub una &c[etera] defendere coepit, quae omnia in prima antiquitate omni fundamento destituuntur . . . Lutherus itaque, cum aliter, quam reliqui Pastores, doceret, non novam proponebat doctrinam, sed novam Papaeorum reformans, antiquam Prophetarum, Christi & Apostolorum praedicabat. Lutheri doctrina nova videbatur, revera antiqua erat, ex sordibus saltem Papalium errorum eruta, & in claram lucem collocata.“ Bernhard von Sanden, Predigten, S. 145. Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, Praefatio. 91 Johann Wolfgang Iaeger, Wirtembergiae lvtheranae laetae candor, S. 12: „Reformatio autem non fuit novae doctrinae productio, sed Euangelii tantum, ab ipso Numine in paradiso, a prophetis, Filio DEI, Apostolisque ac primorum a Christo seculorum patribus, testibus item Veritatis, per omnes mundi aetates praedicati, publica repetitio atque solicita ad pristinam simplicitatem puritatemque reductio.“ Johann Franz Buddeus, Ivdicivm, S. 32 f; Justus Christoph Bo¨hmer, Fasces academici, S. 98 f. Heinrich Lysius, De incrementis, S. 37r. 87 88

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che erwiesen. Bis auf den heutigen Tag bilden der Glaube an Jesus Christus, die rechte Lehre des Wortes Gottes und die stiftungsgema¨ße Verwaltung der Sakramente ihr Fundament – Kriterien, an denen zu allen Zeiten die wahre Kirche zu erkennen war.92 In diesem Glauben weiß sich die lutherische Kirche mit zahlreichen anderen Kirchen weltweit verbunden, jedoch nicht mit der ro¨misch-katholischen.93 Darum gilt nicht allein die Konversion des einzelnen Gla¨ubigen zum Katholizismus als Unding. Auch die von protestantischen und ro¨misch-katholischen Theologen betriebenen Bemu¨hungen um eine Union der Kirchen sind keine Option fu¨r die ku¨nftige Entwicklung der lutherischen Kirche. Denn eben diejenigen theologischen Einsichten aufgrund deren die lutherische Kirche sich als Teil der wahren Kirche versteht, sind es, gegen die sich die ro¨misch-katholische Kirche im Tridentinischen Konzil gewandt hatte.94 Jeder Gedanke an eine Konversion oder Kirchenunion ignoriert die gravierenden Unterschiede in zentralen Fragen des christlichen Glaubens. Verfassern von unionstheologischen Schriften wie dem Freiherrn von Ra¨sewitz attestieren die Jubila¨umsschriften demzufolge zwar einen Friedenswillen, aber eben keine hinreichende Kenntnis der Gegensa¨tze zwischen wahrer und falscher, zwischen lutherischer und ro¨misch-katholischer Kirche.95 Vor diesem Hintergrund ermutigen die Jubila¨umsschriften die lutherischen Theologen und Gla¨ubigen fu¨r die Zukunft zum unbeirrten Festhalten am lutherischen Bekenntnis. Wider den a¨ußeren Anschein einer zahlenma¨ßig dezimierten Kirche, wider alle Anfeindungen und wider alle Anbiederungsversuche beharren sie auf der U¨berzeugung, daß die lutherische Lehre die wahre, heilbringende Lehre ist. Weil es zu allen Zeiten ein

Johann Franz Buddeus, Ivdicivm, S. 88. Bernhard von Sanden, Predigten, S. 140 f. 94 Anton urteilt uber die vorgeblichen Reformansatze des Tridentinischen Konzils: ¨ ¨ „Aber an statt dessen / hat es unserer Lehre eine gantz andere Gestalt gegeben / als sie wahrhafftig hat / und hingegen sind ihrer Seits solche Irrthu¨mer bey behalten und unterbauet worden / derer wir uns mit gutem Gewissen nicht ko¨nnen theilhaftig machen / bey dem geschenckten Gnaden-Lichte des Evangelii. Wie wir doch thun mu¨sten / wo wir zu ihnen treten / und zuru¨cke kehren wollten.“ (Paul Anton, Predigt, S. 26). Bernhard von Sanden, Unterricht, Frage 49; Ders, Predigten, S. 142. 95 Johann Franz Buddeus, Ivdicivm, S. 84 f: „. . . superest tamen semper quaestio: an sine salutis periculo eiusmodi nos iungere ecclesiae queamus, in qua cum erroribus grauissimis, idolatria ethnica regnat, & ita regnat, vt probetur, commendetur, defendatur ab iis, qui vel maxime Romanam ecclesiam constituunt? Hoc enim est, quod negamus & pernegamus . . . Frustra hic exempla cordatiorum inter Romanenses, talia improbantium, frustra scriptores controuersiarum, ad fallendos incautos sua instruentium, frustra emolitiones & excusationes variae, & quae alia sunt eiusdem generis, nobis opponuntur; quamdiu talia laudantur, probantur, defendentur a monachis, nec ab episcopis aut Romano pontifice prohibentur, tamdiu ipsi Romanae ecclesiae omnia ista recte imputantur, tamdiu grauissimorum errorum, superstitionis ac idolatriae immunis pronuntiari nequit.“ Johannes Cyprian, De Apostasia a Christo, S. 37 f. 92 93

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Signum der wahren Kirche war, daß sie klein und verfolgt war, sollen die Lutheraner trotz aller Widersta¨nde bei ihrem Glauben beharren.96 Drohenden Verfolgungen und Anfeindungen sollen sie sich nicht durch Verleugnung ihres Glaubens entziehen. Unter derartigen Verfolgungen hatten Christen zu allen Zeiten zu leben, auch die Reformatoren und ihre Nachfolger, weshalb auch die wahre Kirche in der Gegenwart von solchen Nachstellungen nicht verschont bleiben kann.97 Ebenso fest steht aber, daß Gott die wahre Kirche und ihre Anha¨nger in allen Zeiten der Gefahren und Anfechtungen bewahrt hat und bewahren wird, solange sie ihren festen, in Christus gelegten Grund nicht verlassen.98 Denn auf dem standhaften Bekenntnis zu Christus ruht das Vertrauen der evangelischen Kirche auf ihre zuku¨nftige Bewahrung. Die evangelischen Christen sind

96 Johann Caspar Haferung stellt seine Horer vor die Frage, ob denn allein „Ansehn / ¨ Alter / Macht / Reichthum / Herrlichkeit“ (Ders., Geda¨chtnu¨ß der Wunder Gottes, S. 48) die Legitimita¨t einer Kirche auszeichnen, stellt dann aber fest, daß wer die Kirche nur nach ihrem a¨ußeren Erscheinen, aber nicht nach ihrem geistlichen Leben beurteilt, „der weiset die Menschen dahin / daß sie dem Teuffel / Welt / und Su¨nde folgen sollen.“ Gerade die kleine, verlassene Herde wird es dann aber sein, u¨ber die der Herr sich am Ende der Zeit erbarmt: „Das bleibet denn u¨brig / daß wir alleine die kleine Heerde vor die wahre Kirche halten mu¨ssen / welche durch das Wort und die H. Sacramente sich sta¨rcket und tro¨stet / und unterdessen mit ihrem JEsu Armuth / Verachtung und Schmach ausstehet . . .“ (ebd., S. 51). 97 Martin Chladenius, Das Unschuldige Frolocken, S. 34 f: „Nun diese Worte gehen uns auch noch heute zu Tage an / so wohl Lehrer / als Zuho¨rer / die wir in die Fußstapffen so vieler treuer Bekenner getreten sind / und darinnen biß an unser seeliges Ende allerseits verharren wollen. Es ist nicht zu leugnen / daß auch erleuchtete Augen gewahr werden / wie vor uns das rothe Meer mancherley Anfechtungen und tru¨bseligen Zeiten vor Augen schwebet / hinter uns aber mancherley Art Feinde / ja der Ho¨llische Pharao mit seinem gantzen wu¨tenden Heer dringen wollen / da will mancher Evangelischer fu¨r Furcht und Warten der Dinge / die noch kommen sollen auff Erden / fast verschmachten / und kleinmu¨thig werden / mancher gera¨th daru¨ber auf allerhand sichere Gedancken / und Epicurische Einfa¨lle! Aber nein! Fu¨rchtet euch nicht / stehet fest / und sehet zu / was fu¨r ein Heyl der HErr heute an euch thun wird! Er wird unsere Seelen durch sein Wort befestigen / auch im Glauben und Hoffnung auf ihn gru¨nden / diese Hoffnung aber soll uns nimmermehr zu schanden werden lassen.“ 98 Johann Heinrich Michaelis, De rege Ezechia, S. 31 f: „Exemplo est Hiskia, eos, qui suam DEO operam navant, etiam in periculis & negotiis maximis mirabiliter conservari & corroborari; eaque de caussa nulla tam magna sunt pericula, nec ulli tanti labores, quorum horrore & metu nos ab iis rebus suscipiendi seu avocari patiamur, ad quas divinitus vocatos nos esse sentimus. Quin potius Hiskiae exemplum omnes homines, inprimis principes viri, sibi ad imitationem propositum meminerint: quo & ipsi, licet periculosa & difficilia sint tempora, a pietatis tamen & verae religionis tramite ne latum quidem unguem deduci patiantur.“ Johann Christoph Pfaff, Christliche Predigt, S. 23 f. Bernhard von Sanden, Unterricht, Frage 50. Ders., Predigten, S. 148 f. August Hermann Francke, Der Zuruf Christi, S. 37 ff. In diese Richtung deutet auch die Verwendung von Mt. 1618 ff als Predigttext in den Festgottesdiensten (vorgeschlagen in Sachsen-Weimar, vgl. Hil. Ev. I, S. 210; Sachsen-Weimar B) sowie als Motiv auf den Jubila¨ums-Medaillen (vgl. die Medaille aus BrandenburgOnolzbach, Hil. Ev. III., Tab. IV, Nr. 3)

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aufgefordert, einzeln und in Gemeinschaft, ihren Glauben gegen alle Widersta¨nde zu bekennen und fu¨r seine Ausbreitung einzutreten.99 Als biblisches Beispiel fu¨r solche Standhaftigkeit erinnert Chladenius an den Landtag zu Sichem (Jos. 24) und stellt seinen Lesern das Reformationsjubila¨um als Gelegenheit vor Augen, den einst geschlossenen Bund mit Gott und das alte Bekenntnis zu erneuern.100 In der Ru¨ckbesinnung auf ihre Wurzeln und in der Erneuerung des mit Gott geschlossenen Bundes besteht die Gelegenheit, die es als solche zu nutzen gilt.101 Die Mahnung „Halte, was Du hast, daß niemand Deine Krone nehme“ (Apk. 310 f), die Haferung in Wittenberg und Francke in Ingelfingen ihren Predigten zugrundelegten, ist paradigmatisch fu¨r die vielfa¨ltigen Ermutigungen zu steter Glaubenstreue, die den lutherischen Gemeinden durch ihre Prediger zuteil wurden.102 Zum Aufruf zur Standhaftigkeit geho¨rt die Besinnung auf die Heilige Schrift als Fundament der lutherischen Kirche. So wie die Jubila¨umsschriften die Treue zur Heiligen Schrift als Wirkursache der Reformation hervorheben, so schwo¨ren sie Ho¨rer und Leser fu¨r die Zukunft auf eine mo¨glichst enge Bindung an das Zeugnis der Heiligen Schrift ein.103 Dazu rekurrieren sie auf das von Bernhard von Sanden geradezu als Glaubensbekenntnis der Lutheraner bezeichnete biblische Motto „Verbum domini manet in aeternum“,104 das am Beginn der Reformation zuerst die evangelischen Theologen und wenig spa¨ter die evangelischen Fu¨rsten zu ihrem

99 Johann Daniel Herrnschmid, Predigt, S. 79: „Darum lasset uns den lieben GOtt eyfrig bitten, daß er auf einen ieglichen unter uns sehen / einem jeden seine Fehler und Gebrechen zu erkennen geben / und ihn davon befreyn / dargegen die lebendige Kraft des Evangelii zu vielen Fru¨chten in den inwendigen segnen wolle: so wird eine neue Gnaden-Heimsuchung / wie der Hertzen, also unserer gantzen Kirche erfolgen.“ 100 Martin Chladenius, De Israelis, S. 28: „Atque hac in fidei constantia Josua nobis exemplo esse et incitamento potest, qui si vel maxime defecturi essent reliqui Israelitae omnes, se tamen firmavit contra omnem defectionem animique imbecillitatem, et ad constantem fidei suae confessionem animum induxit suum.“ 101 Johann Daniel Herrnschmid, Predigt, S. 81. 102 Johann Caspar Haferung, Gedachtnuß der Wunder Gottes, S. 1 ff; August Hermann ¨ ¨ Francke, Der Zuruf Christi. 103 Bei Johann Caspar Haferung tragt diese Erinnerung durchaus selbstkritische Zuge, ¨ ¨ ihr Tenor ist aber dennoch die Besinnung auf das Wort Gottes als dem Grundstein der evangelischen Kirche: „So lasset uns denn nur zu unser Bescha¨mung bekennen / daß wir bißhero allzukaltsinnige Hertzen gehabt gegen solchen Schatz! . . . Also / wenn GOtt uns geruffen / mit seinem Worte unsere Seelen zu speisen / so haben wir ihm den Ru¨cken zugekehret / und die Gnade verachtet. Darum lasset uns doch zum wenigsten diese drey JubelTage hindurch vernehmen / mit was fu¨r unglaublicher Freudigkeit unser Glaubens-Vater Lutherus das Wort angenommen / und mit welchem Helden-Muthe er solches gehalten? Lasset uns auch wohl mercken / wie kra¨fftig er durch GOtt und dessen Engel sey geschu¨tzet worden?“ (Ders., Geda¨chtnu¨ß der Wunder Gottes, S. 24 f) 104 Bernhard von Sanden, De symbolo lutheranorum. Der Schriftzug „Verbum domini manet in aeternum“ und Abbildung der Heiligen Schrift geho¨ren auch zu den am ha¨ufigsten verwandten Motiven auf den Jubila¨ums-Medaillen.

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Leitsatz erhoben hatten.105 Auch beim Jubila¨um von 1617 gab dieser Leitsatz wichtige Impulse fu¨r die Zukunft.106 So war es nur folgerichtig, wenn Bernhard von Sanden anhand der biblischen Belege die Relevanz des Wortes Gottes fu¨r die Zukunft der Kirche neu hervorhebt.107 Mit dem ewig wa¨hrenden Wort Gottes bietet sich der protestantischen Kirche das Fundament, auf das sich die Kirche zu allen Zeiten gegru¨ndet hatte;108 mit dem ewigen Wort Gottes ist ihr der Maßstab fu¨r den zuku¨nftigen Weg an die Hand gegeben109 und ihr ewiger Bestand verheißen.110 Das orthodox-lutherische Diktum „Gottes Wort und Luthers Lehr vergehen nun und nimmermehr“, setzt vereinzelt dem Wort Gottes die Autorita¨t Luthers gleich; aber na¨her erla¨utert wird dieser a¨ltere Spitzensatz orthodoxer Luther-Verehrung nicht.111 Wichtiger erscheinen hingegen Erwa¨gungen der Frage, in welchem Verha¨ltnis die Heilige Schrift und die menschliche Vernunft zueinander stehen. Einzelne Autoren warnen unter Bezugnahme auf Luther davor, die Auslegung der Heiligen Schrift dem 105 Bernhard von Sanden, De symbolo lutheranorum, S. 2: „Autor hujus Symboli est Fridericus Dux Saxoniae, Sacrique Romani Imperii Elector. Hic uti salutaris operis Reformationis maximus erat patronus ac promotor; ita potissimum ob divinum verbum e tenebris Papatus ac Traditionum humanarum erutum gaudebat. Ejus autem quo jugem haberet recordationem, Verbique divini prae istis assumentis Papaeis excellentiam ac stabilitatem commendaret, praeceperat quondam Georgio Spalatino, Concionatori suo Aulico ac Secretario, inde primo Evangelico Superintendenti Altenburgensi ac Consiliario Ecclesiastico, Viro ut in rebus prudenter gerendis exercitatissimo, ita operi Reformationis maxime faventi, illudque promoventi, ut ex quamplurimis quae collegerat dictis aliquot eaque praecipua seligeret. Id ergo cum praestitisset Spalatinus Electori maxime nostrum hoc placuit, quod proinde pro Symbolo sibi elegit.“ Hermann Christoph Engelken erinnert an den Reichstag zu Speyer 1529, auf dem die protestantischen Reichsfu¨rsten sich eben mit dem Bekenntnis VDMIA zur Heiligen Schrift und deren Auslegung durch die Reformatoren bekannt hatten (Ders., De dogmate transsubstantiationis, Praefamen). Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 108. 106 Bernhard von Sanden, De symbolo lutheranorum, S. 4–9; Hermann Christoph Engelken, De dogmate transsubstantiationis, Praefamen. 107 Bernhard von Sanden, De symbolo lutheranorum, S. 10 f. 108 Bernhard von Sanden, De symbolo lutheranorum, S. 22 f. 109 Bernhard von Sanden, De symbolo lutheranorum, S. 24 f: „Sed & hoc inde intelligitur, solam Scripturam sacram adaequatum esse medium reformandi Ecclesiam, quodsi haec a fidei aut vitae rectitudine recesserit. Concidere potest Ecclesiae puritas per irrepentes haereses moresque dissolutos, amittere potest fidei simplicitatem relinquendo Scripturam S[acram] & credendo mendacio. Ast Scriptura S[acra] manet inconcussa, est enim DEi Verbum quod permanet in aeternum.“ 110 Rector Universitatis Tubingensis, Hil. Ev. II, S. 53a: „Imo, post alteram hanc solennitatem secularem, non modo tertiam quoque ac quartam addivinare sustinemus . . . sed &, divina benignitate atque cura, quae in alterum usque seculum tam potenter nos nostramque Ecclesiam tutata fuit, freti, nostrumque facientes illud Friderici & Joannis Saxoniae Electorum, nec non Philippi Hassiae Landgraviae, Verbum Domini manet in aeternum , non dubitamus fore, quin veritas caelestis, a Luthero tam strenue adserta, & in hunc usque diem inter nos conservata, deinceps quoque ad fidem usque hujus universi persistat atque perduret.“ Bernhard von Sanden, De symbolo lutheranorum, S. 26 f. 111 Martin Chladenius, Das Unschuldige Frolocken, S. 46.

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Primat der menschlichen Vernunft unterzuordnen112 oder erkla¨ren ausdru¨cklich, daß die wahre Kirche „nicht auf Menschen-Gehirn und Klugheit / sondern auf einem weit bessern Grunde stehe.“113 Die Autorita¨t der Heiligen Schrift wird durch das Vertrauen auf die menschliche Vernunft relativiert und die christliche Wahrheit verdunkelt.114 Selbst Buddeus ka¨mpft mit diesem Argument gegen die Aufweichung der Schriftautorita¨t, wie sie vornehmlich von ro¨misch-katholischen Theologen betrieben wird: „Non enim in hominum positum est arbitrio, an scripturae sacrae se submitterre velint; Deus hoc iubet, Deus mandat; Dei autem repugnare mandatis, crimine non caret.“115 Zur Standortbestimmung des Luthertums geho¨rt fu¨r einzelne Verfasser die Frage, in welchen Lebensbereichen die Reformationen womo¨glich keine Spuren hinterlassen hat oder wo diese schon wieder verwischt sind.116 Sie knu¨pfen an die von Spener gepra¨gte Auffassung an, die Reformation sei weder von Luther noch von dessen Schu¨lern vollendet worden, woraus die Frage erwa¨chst, in welchen Bereichen eine Vertiefung und Ausweitung der Reformation no¨tig sein ko¨nnte.117 Es sind vornehmlich pietistisch gesinnte Theologen, die anla¨ßlich des Reformationsjubila¨ums zusa¨tzliche

Joachim Justus Breithaupt, Hil. Ev. II, S. 40b (Oratio secvlaris). Martin Chladenius, Das Unschuldige Frolocken, S. 11. 114 Martin Chladenius, De methodo Pontificiorum, S. 33; Valentin Ernst Lo ¨ scher, Jubel-Predigten, S. 31: „Ach darum HErr mein GOtt erhalte uns dein Wort, dem du durch die Reformation die Thu¨re wieder geo¨ffnet hast. Es ist ja nichts sicherers, nichts festerers als solches. Was der Mensch aus seiner Vernunfft und Erfahrung fasset, ist zuweilen auch gewiß, aber nichts gegen der U¨berzeugung aus GOttes Wort . . . Sind unsere Gedancken und Vernunfft-Schlu¨sse vera¨nderlich, so ist GOttes Wort hingegen gantz unvera¨nderlich zu allen Zeiten . . .“ 115 Johann Franz Buddeus, Ivdicivm, S. 57. In diesem Sinne außert sich auch Johannes ¨ Christian Klemm u¨ber die Prinzipien, auf die sich die lutherische Kirche in Zukunft gru¨nden soll: „Id vero jure quodam vestro abs me postulare posse videmini, ut cum de servandis augendisque Reformationis fructibus dicere instituerim, quid ad sacrum hic ordinem redeat? redire enim plura ad eum videntur . . . Neque vero eam in rem fraudibus, dolis ac artibus, quibus Roma utitur, opus esse arbitror, sed mediis simplicibus, candidis & ab omni vafritie alienis, videlicet, si Praecones verbi doctrinae & principiis majorum, Ecclesiam reformantium, tenacissime inhaereant, si nihil sibi sinant esse potius, nihil antiquius divino Codice, si quicquid vel ab eo alienum vel ei prorsus contrarium est, animose reiiciant, si in dijudicandis rebus Religionis omnia seponant praejudicia, neque ullius hominis, praestantissimi licet, auctoritate nitantur, neque temere & praecipitanter agans, si vitia voluntatis & affectus in propulsandis intellectus erroribus studiose caveant, neque quicquam committant, quod a regulis honestatis, ab humanitate omnibus debita, maxime vero a doctrina & disciplina sanctissima Optimi Salvatoris latum unguem discedat.“ (Ders., De servandis augendisqve reformationis fructibus, S. 24). 116 August Hermann Francke, Die Freude im Herrn, S. 10 f: „Wem ist nicht offenbar, daß der Zustand unserer Evangelischen Kirche von innen und von aussen also beschaffen sey, daß man Ursach habe sich zu fu¨rchten, ja daß diejenigen, welche ihre Leibes- und Seelen-Kra¨fte zum Dienst derselben gewidmet haben, wol mo¨chten ihre Ha¨nde lassen laß werden.“ 117 Philipp Jakob Spener, Theologische Bedencken, T. 3, S. 180–183. 112 113

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Reformen der christlichen Kirche im Sinne Luthers einzufordern, anstatt lediglich die Vollkommenheit der Reformation Luthers zu preisen.118 Charakteristisch an ihren Ermahnungen ist es, neben der a¨ußeren Vermittlung der reformatorischen Lehren, die Ho¨rer zur inneren Annahme dieser Glaubensu¨berzeugungen zu animieren: „Vita igitur christiana perpetua quaedam debet esse emendatio, reformatio & mortificatio . . . Continuanda etiam semper in praxi est Ecclesiae reformatio ob continuo repullulantem humanam corruptionem, quae tanta est, vt nunquam vel in nobis ipsis, vel in Ecclesiae coetibus prorsus expurgata sit.“119 Das wird auch in den Fest-Predigten deutlich, die Francke in Ingelfingen gehalten hat. Nur vereinzelt wendet er sich der Reformation als historischer Epoche zu, von Luther spricht er kaum. Seine Zitate aus Luthers Schriften untermalen lediglich die eindringlichen Appelle an seine Ho¨rer.120 Die Ho¨rer sollen anla¨ßlich des Jubila¨ums ihr eigenes Leben be-

118 Wie wichtig dieser Bezug auf Luther auch fur die Forderung nach einer Fortsetzung ¨ der Reformation ist, zeigt eine Notiz Paul Antons und Johann Daniel Herrnschmids, die ausdru¨cklich dem Vorwurf widerspricht, die Pietisten wollten damit eine neue, aus der Tradition und Luthers und der Reformation herausfu¨hrende Reform; genau das Gegenteil sei der Fall ( Dies., Vorrede XVI); und in seiner Jubel-Predigt bezieht Paul Anton sich ausdru¨cklich auf Luther selbst, der die Fortsetzung der begonnenen Reformen gefordert habe: „Nie ist ihm [Luther] oder den Seynigen in Sinn gekommen / jemanden auf sich und seinen Nahmen so hin zu weisen / ob sey nun alles hiermit zu Ende . . . sondern er hat wohl erkandt / was noch dazu geho¨re / daß das Angefangene bewahret und vollendet werde; hat auch gar wohl bemercket / was noch kunftig bevorstehe zu u¨berwinden.“ (Paul Anton, Predigt, S. 19). So auch: Johann Heinrich Majus, Historia reformationis, S. 6. 201; Albrecht von Krackewitz, De Luthero, S. 21 f. Diese Eigenheit der Jubila¨umspredigten hat auch Eberhard Winkler herausgestellt, Reformationsfestpredigt, S. 21. 119 Johann Heinrich Michaelis, De rege Ezechia, S. 40. Ein weiteres Beispiel sind die vielfa¨ltigen Reformen, von denen Johann Heinrich May berichtet. Keine von ihnen war so umfassend, keine so dauerhaft, daß nicht eine neue Reform notwendig geworden wa¨re. Paradigmatisch faßt er diese Erkenntnis in seinen Ausfu¨hrungen u¨ber die Reformen im Zeitalter der Richter zusammen: „Quia vero etiam in renatis & sanctis manent tenebrae ignorationis & dubitationis in mente, multae vitiosae inclinationes ad securitatem, negligentiam, voluptatem, superbiam, & similes affectus, qui pertinacissime inhaerent, nec penitus excuti possunt, imperfecta omnino poenitentia, adeoque quotidiana reformatione siue renovatione opus est, toto vitae tempore . . .“ (Ders., Historia reformationis, S. 204). Programmatisch hat Joachim Justus Breithaupt diese Einsicht formuliert: „Sed, nondum hic finis est. Nostra & gratiarum actio, & precatio, abusu periret facile; nisi & impensius firmaretur novum studium, quo nos, cum novo seculo, pro ecclesia devovemus. Magna profecto res, curriculum Reformationis novum ingredi: cujus migrationis gravitatem qui monitus haud ponderat, pro nihilo aestimat salutem publicam & suam. Revolutorum initia temporum, Ecclesiastica praesertim, fatalia sunt quam maxime. Sunt aurorae similia: vehentia secum novum rorem & vigorem, novum caeli favorem, novum ardorem animorum, nova Spiritus S[ancti] dona; conjuncta cum incitamentis ad propagandam Evangelii doctrinam, cujus disciplina renovanda semper est . . . Jubilaei vox acclamet nobis adhuc: Reformandum est! Crea in nobis, o Deus! cor mundum, & spiritum rectum innova in visceribus nostris.“ (Ders., Hil. Ev. II, S. 44a; Oratio secvlaris) 120 Gleichwohl haben sie bei anderen Autoren auch legitimatorische Funktion, insofern sie der Unterstellung entgegenwirken, die Pietisten wollten eine neue Reformation, anstatt

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trachten und neu auf Gott ausrichten. In ihrem perso¨nlichen Glauben mu¨ssen die Einsichten der Reformatoren ihren Ertrag bringen und die perso¨nliche Umkehr bewirken.121 Das Geda¨chtnis der Reformation hat fu¨r Francke seinen Wert darin, daß es zur Umkehr und Heiligung einla¨dt und einen neuen Anfang ihres perso¨nlichen Glaubens setzt.122 Francke ermutigt seine Ho¨rer, ihre eigene Situation im Glauben zu reflektieren und sich fu¨r die Zukunft neu zu orientieren und auszuru¨sten.123 Auch in anderen Lebensbereichen sieht Francke die Notwendigkeit, die Reformation fortzusetzen, wie seine Rektoratsrede zeigt, die von der ausstehenden Reformation des Schul- und Universita¨tswesens handelt.124 Luther selbst hatte wohl deren Notwendigkeit erkannt, aber die Lo¨sung diean die Reformation Luthers anzuknu¨pfen. (Paul Anton / Johann Daniel Herrnschmid, Vorrede, XVI). 121 August Hermann Francke, Der Hertzliche Wunsch, S. 7 f: „Es ist das . . . Jubel-Fest, so wegen der wiedergebrachten lautern Lehre des Evangelii in der gantzen Evangelischen Kirche gefeyert wird, einer solchen Beschaffenheit, daß billig ein ieder Evangelischer Prediger, mithin auch ein ieder Evangelischer Christ und Zuho¨rer daraus eine neue Erweckung nimmt, sich also zu beweisen, daß er den Namen eines Evangelischen Lehrers oder Zuho¨rers mit Recht besitzen, und demselben in der That und Wahrheit ein Gnu¨gen leisten mo¨ge.“ Ganz a¨hnlich heißt es bei Christoph Heinrich Rithmeier, Prophetische Jubel-Freude, S. 17 f: „Wir ru¨hmen uns der Reformation, und zwar thun wir solches mit Recht / so viele die gereinigte wahre Evangelische Lehre anbetrifft; aber o! wie sehr fehlets an einem derselben gema¨ssen / Evangelisch-christlich-verbesserten Leben und Wandel? Wie wa¨ren doch heute zu Tage / Reformatores morum u¨berall so hoch no¨thig? Wenn unser lieber Sel. Lutherus aufwachen / und unsern heutigen Lutheranismum, ansehen solte / wie hohe Ursache wu¨rde er haben / neben dem Credite Evangelio . . . das Agite poenitentiam ! . . . eiffrig fortzusetzen / und gewaltig zu treiben . . .“ 122 August Hermann Francke, Der Hertzliche Wunsch, S. 59 f: „O machet doch mit diesem Jubel-Fest in eurem Christenthum einen recht neuen Anfang! Werdet doch hinfort eurer Lehrer Freude und Wonne, welches geschehen wird, wenn ihr das Wort gern von ihnen annehmet, demselben von Hertzen gehorsam werdet, und von nun an euch JESU CHristo zum Eigenthum ergebet . . . Und darum haben wir wohl Ursach, daß wir mit diesem JubelFest anfangen, uns als rechte Evangelische Christen zu erweisen. Das wird aber geschehen, wenn wir nach diesem Wunsch Pauli ku¨nftig auch unsern Wunsch ta¨glich zu GOtt schikken.“ 123 August Hermann Francke, Der Hertzliche Wunsch, S. 39 f: „Genug versaumet in der ¨ bisherigen Zeit! Nun nicht la¨nger geharret! . . . Gewiß, wer unter uns dieses zu Hertzen nimmt, und an diesem Jubel-Fest sich noch erwecken la¨sst, nun mit allem Ernst darnach zu trachten, daß er seine u¨brigen Tage des Lebens mit so viel bru¨nstigerm Fleiß zur Ehre GOttes und Christi anwenden mo¨ge, den wird GOtt in Gnaden ansehen und ihn seines Wunsches theilhaftig machen.“ A¨hnlich bestimmen Paul Anton und Johann Daniel Herrnschmid, den Sinn des Jubila¨ums dahingehend, „. . . daß nicht nur das Wort Gottes lauter und rein gelehret werde / sondern wir auch heilig, als die Kinder GOttes darnach leben mo¨gen . . . so sind ja alle treue Lehrer im Gewiszen verbunden, nicht allein zu wu¨nschen, sondern auch, so viel an ihnen ist, dahin zu arbeiten, daß durch die Krafft der Evangelischen Warheit, ta¨glich mehrere Seelen recht geistlich formirt, bekehret, gerecht, heilig und selig werden mo¨gen.“ (Dies., Vorrede XVI.). 124 Daß diese kurzen Andeutungen Franckes seinen allgemeinen Bemuhungen um eine ¨ Reform des Theologiestudiums entspringen, zeigt Chi Won Kang, Fro¨mmigkeit und Gelehrsamkeit, S. 330–424. Eine Besonderheit seiner Jubila¨umsrede von 1717 ist freilich, daß

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ser Aufgabe erreichte er nicht.125 Auch den nachfolgenden TheologenGenerationen ist eine abschließende Reform des Bildungswesens noch nicht gelungen.126 Franckes Reformvorstellungen zeigen enge Verwandtschaft mit den Vorschla¨gen, die Spener in den Pia Desideria unterbreitet hatte:127 Grundsa¨tzlich fordert er von den Lehrern neben der fachlichen Qualifikation die no¨tige geistliche und perso¨nliche Reife, aufgrund deren sie in Wissenschaft und perso¨nlichem Leben als Vorbild fu¨r ihre Schu¨ler fungieren ko¨nnen.128 Desgleichen soll die Auswahl der Schu¨ler und Studenten nicht allein ihre fachliche Leistungen, sondern auch ihre geistliche und perso¨nliche Entwicklung beru¨cksichtigen, wie sich auch die Ausbildung u¨ber den eigentlichen Unterricht hinaus auf die ganzheitliche Erziehung der Schu¨ler und Studenten erstrecken soll. Nach Franckes Meinung muß erstens das gesamte Schul- und Unterrichtswesen, so wie es Luther bereits gefordert hatte, am Wort Gottes ausgerichtet werden.129 Zweitens mu¨ssen die Streitereien zwischen den einzelnen Universita¨ten ein Ende haben, und diese mu¨ssen sich wieder als verschiedene Glieder an einem Leib achten und respektieren.130 Drittens sollte die Antriebskraft fu¨r alle Lehre und Forschung die Liebe zu Christus sein, aus der zugleich die Kraft zur fleißigen Arbeit und die Bereitschaft zum Einsatz fu¨r Staat und Kirche erwa¨chst, so daß die Verfolgung von Partikularinteressen entfa¨llt. Mit diesen Reformforderungen wenden einzelne Verfasser ihren Blick in die Zukunft des Luthertums, der sie ungeachtet der aktuellen Schwierigkeiten zuversichtlich entgegensehen. Sie sind von der Hoffnung getragen, daß Gott seine lutherische Kirche in eben der Weise gegen die Anfeindungen des Satans bewahren werde, wie er sie seit den Tagen ihres

Francke seine Vorschla¨ge nicht auf die Theologische Fakulta¨t beschra¨nkt, sondern deren grundsa¨tzliche Bedeutung fu¨r die Studierenden aller Fakulta¨ten herausstreicht. 125 August Hermann Francke., De reformatione academiarum, S. 10. Weniger scharf fordert auch Christian Scho¨ttgen eine Fortsetzung der begonnenen Reformation des Schulwesens, indem er erkla¨rt: „Prodeat post duo secula Propheta Germaniae nostrae divinitus excitatus, qui scholarum non minorem, qvam Ecclesiae, curam habuit. Is suo jam seculo quaedam monuit, qvae ne nostro quidem emendata videmus . . .“ (Christian Scho¨ttgen., De statu scholarum, S. 32). 126 Die Liste der von Francke genannten Reformer des Schul- und Universitatswesens ¨ umfaßt von Luther bis Spener, von Arndt bis Andreae Theologen unterschiedlichster Provenienz, dient aber letztlich nur dem Nachweis, daß die eigentlich notwendigen Reformen noch ausstehen. 127 Zu Speners Reformvorschlagen: Martin Brecht, Philipp Jakob Spener und die Re¨ form des Theologiestudiums sowie jetzt: Chi-Won Kang, Fro¨mmigkeit und Gelehrsamkeit, S. 205–329. 128 August Hermann Francke, De reformatione academiarum, S. 17. A ¨ hnlich Ansa¨tze zu einer theologia regenitorum finden sich auch bei Joachim Justus Breithaupt, Hil. Ev. II, S. 39a (Oratio secvlaris). 129 August Hermann Francke, De reformatione academiarum, S. 24. 130 August Hermann Francke, De reformatione academiarum, S. 24.

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Entstehens bewahrt hatte;131 sie setzen ihre Hoffnung auf den ewigen Bestand der in der Reformation neu offenbar gewordenen ewigen Wahrheit.132 Die Christen sind anla¨ßlich des Jubila¨ums dazu angehalten, sich durch Buße und Umkehr neu auf Gott auszurichten, um ihm in Zukunft so zu dienen, wie er es von ihnen verlangt.133 So sieht das Luthertum im Jahr 1717 mit Selbstbewußtsein auf das Jahrhundert der Reformation zuru¨ck. Es registriert die Siege der Gegenreformation und sorgt sich um seinen zuku¨nftigen Bestand. Doch ungeachtet aller Sorge ist die ecclesia vera voller Hoffnung, daß Gott ihr auch in Zukunft zur Seite stehen wird.134

131 Johann Christoph Pfaff, Christliche Predigt, S. 15. Paul Anton, Predigt, S. 25. Martin Chladenius, Das Unschuldige Frolocken, S. 46. 132 Caspar Posner, De divinitate, S. 5: „De quo & nobis gaudemus, & toti Lutheranorum reipublicae gratulamur! nouum, ac vere secundum hoc seculum, religioni diuinae, a Pontificiorum erroribus atque vitiis depurgatae, nudius quartus accessit: cuius commoda & solatia, non in vnum, aut duo tantum; sed in omnia, si quae in posterum erunt, secula transmittentur.“ 133 Paul Anton, Predigt, S. 24: „Einem jeden auch / der gern wissen wolte / was er zu thun und zu lassen habe / kan gewißlich zu einer guten Regul dienen / daß er sich immer selber frage: Kan auch dabey meine Seele eine Braut CHrisi seyn oder bleiben / als wozu ich in der H. Tauffe abgewaschen und gesalbet bin. Kan ich dabey der Zukunft meines HErrn getrost erwarten / oder nicht? Ach! auf eine blosse oder eingebildete Hoffnung / liebe Seele / kanst du es je nicht ankommen lassen / es betrifft zu viel / du mußt der Sache aus GOttes Wort gewiß werden / und zweifle dann nicht daran / daß die Buß-Stimme und die Stimme deines Bra¨utigams gar wohl zusammen stimmen . . .“ 134 Martin Chladenius, Das Unschuldige Frolocken, S. 70:„An seiner Treue haben wir auch bey vorstossendem Creutz im geringsten nicht zu zweiffeln / sein Bund bleibt unverbru¨chlich . . . Trotz dem Teuffel / und was sonst uns ein Mißtrauen gegen ihm beybringen will! Er will bey uns stehen in unserm Ka¨mpffen / er will ja ein treuer Zeuge bey unserm Bekennen / er will ein treuer Belohner seyn bey unser Arbeit / Gedult und Besta¨ndigkeit. Wer mich bekennet vor den Menschen / den will ich auch bekennen fu¨r meinem Himmlischen Vater / heißt seine theure und treue Verheissung / Matth. X, 32 daran wir ja im geringsten nicht zu zweiffeln haben. Sein Wort ist da / daran ko¨nnen wir uns genu¨gen lassen: Es sollen wohl Berge weichen / und Hu¨gel hinfallen / aber meine Gnade soll nicht von dir weichen / und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen / spricht der HErr / dein Erbarmer / Jes. LIV, 10.“

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Am Anfang des Reformationsjubila¨ums von 1717 standen zwei der letzten Vertreter des orthodoxen Luthertums: Ernst Ludwig, Landgraf von Hessen-Darmstadt, und Ernst Salomon Cyprian, Konsistorialrat am Hof Herzog Friedrichs II. von Sachsen-Gotha. Ungeachtet der Bemu¨hungen, die andere Fu¨rsten, Theologen und Privatleute unternahmen, ist diesen beiden Ma¨nnern die breite Akzeptanz zu verdanken, die der Gedanke an eine Feier zum 200. Jahrestag des Thesenanschlags im deutschen Luthertum fand. Ernst Ludwig von Hessen-Darmstadt kommt das Verdienst zu, die Feier des Reformationsjubila¨ums im Kreis der protestantischen Fu¨rsten angeregt und trotz auftretender Widersta¨nde beharrlich verfolgt zu haben, bis sich die Idee bei der Mehrzahl der lutherischen Fu¨rsten durchgesetzt hatte. Cyprian war es, der, wirksamer als jeder andere, die lutherischen Theologen auf das bevorstehende Fest aufmerksam machte, und, seine Position am gothaischen Hof nutzend, theologische, liturgische und historische Hilfestellung zu den Vorbereitungen leistete. Auf seine Bemu¨hungen geht auch die Dokumentation des Reformationsjubila¨ums in den „Hilaria Evangelica“ zuru¨ck, durch die das Jubila¨um weit u¨ber die Festtage hinaus als Demonstration der Vitalita¨t und Geschlossenheit des Luthertums nachwirken sollte. Daß sich die reformierten Kirchen dem Werben fu¨r eine gemeinsame Jubila¨umsfeier nahezu vollsta¨ndig entziehen konnten, zeigt, wie tief die innerhalb des Protestantismus verlaufenden Gra¨ben zu diesem Zeitpunkt geworden waren. Was 1617 noch und 1817 wieder mo¨glich war, die Besinnung von Lutheranern und Reformierten auf die gemeinsamen theologischen und historischen Wurzeln, war im ausgehenden Zeitalter des Konfessionalismus undenkbar. A¨hnlich wie in den lutherischen Territorien insgesamt, stießen diese Bemu¨hungen an den lutherischen Universita¨ten auf gute Resonanz: abgesehen von Altdorf beteiligten sich alle lutherischen Universita¨ten im deutschsprachigen Raum an den Feierlichkeiten. Dieses zeugt ebenso von der grundsa¨tzlichen Einigkeit, die hinsichtlich der Feiern bestand, wie deren Gestaltung die Vielfalt innerhalb des geeinten Luthertums zu erkennen gibt. Bereits die Voraussetzungen fu¨r die Feierlichkeiten waren, bedingt durch die o¨rtlichen Verha¨ltnisse, sehr unterschiedlich: In Greifswald und Kiel wirkten die Belastungen der zuru¨ckliegenden Kriegsjahre und die anhaltende da¨nische Besatzung nach; in Wittenberg und Leipzig wurde das Jubila¨um mit dem fu¨r orthodoxe Lutheraner u¨blichen Pomp begangen; die pietistisch ausgerichteten Universita¨ten suchten vorsichtig

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Zusammenfassung

Wege und Formen, das Jubila¨um der Reformation in den Dienst der Erbauung des frommen Individuums zu stellen. Hinsichtlich der Durchfu¨hrung ist festzuhalten, daß es an denjenigen Universita¨ten zu gelungenen Feierlichkeiten kam, wo einzelne Professoren die Vorbereitungen in die Hand genommen hatten. Im positiven Sinne wird dies an den Feiern in Rostock deutlich, deren Federfu¨hrung von der ersten Planung bis zur abschließenden Dokumentation bei dem Theologen und mecklenburgischen Superintendenten Albrecht von Krackewitz lag. Umgekehrt sind die bescheidenen Feiern in Halle auf die Zuru¨ckhaltung der im Jubila¨umsjahr amtierenden Rektoren der Universita¨t Johann Peter Ludewig und August Hermann Francke zuru¨ckzufu¨hren, so wie der Verzicht auf die Feiern in Altdorf dem Desinteresse der dortigen Professoren anzulasten ist, wa¨hrend die Nu¨rnberger Stadtgeistlichkeit eine respektable Feier in Gang setzte. Die Abha¨ngigkeit von den lokalen Gegebenheiten war auch bei der Verbindung akademischer Feierlichkeiten mit den Feierlichkeiten der o¨rtlichen Kirchengemeinden zu bemerken. Gemeinsame Feierlichkeiten ergaben sich vornehmlich dort, wo unabha¨ngig von den Jubila¨umsfeiern das Miteinander von Universita¨t und Gemeinden gepflegt wurde oder der Predigtdienst in den o¨rtlichen Kirchen zum Lehrauftrag der Universita¨tsprofessoren geho¨rte, wie beispielsweise in Wittenberg und Leipzig. Wo aber, wie in Halle, der Gespra¨chsfaden zwischen Stadtgeistlichkeit und Universita¨t abgerissen war, wurde er auch anla¨ßlich des Jubila¨ums nicht aufgenommen. Im Gegenteil bot das Jubila¨um dort sogar Anlaß zur gegenseitigen Kritik, was die in ihrer theologischen Ausrichtung grundverschiedenen, unabha¨ngig voneinander vero¨ffentlichten Beitra¨ge der halleschen Stadtgeistlichkeit und der Universita¨tsangeho¨rigen zeigen. Auch ist manche Eigenheit der Feierlichkeiten nicht repra¨sentativ fu¨r die jeweilige Universita¨t, geschweige denn fu¨r den Zustand des zeitgeno¨ssischen Luthertums. Sie deuten vielmehr die Bandbreite dessen an, was die Universita¨tsangeho¨rigen als angemessenen Beitrag zum Reformationsjubila¨um ansahen: dazu za¨hlte die Entstehung eines collegium pietatis in Helmstedt genauso wie das Aufflammen antikatholischer Unruhen unter den Leipziger Studenten oder die Beteiligung nahezu aller ordentlichen Professoren einer Universita¨t wie in Rostock. So vermitteln die Dokumentation des Jubila¨ums durch zeitgeno¨ssische Chronisten und die akademischen Jubila¨umsschriften in ihrer Gesamtheit ein vielseitiges Bild vom Verlauf und von der Gestaltung der Feiern. Auffa¨llig ist das Bemu¨hen einzelner Universita¨ten, an das Reformationsgedenken angelehnte Stoffe in den Lehrplan zu u¨bernehmen. Daraus entwickelten sich Disputationsreihen, es gab Vorlesungen und U¨bungen zu reformationsgeschichtlichen Themen, und manche Neu-Edition einer Luther-Schrift entstammt diesem akademischen Kontext. In ihren Jubila¨umsschriften entwickelten die Verfasser bisweilen ein differenziertes Bild von Entstehung und Verlauf der Reformation, das u¨ber die her-

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ko¨mmliche Darstellung der lutherischen Orthodoxie hinauswies. In einer gewissen Spannung zu ihren Lehrveranstaltungen und den akademischen Jubelreden standen ihre Festpredigten. Obwohl nur wenige dieser Predigten u¨berliefert sind, zeigen sie, wie die Prediger gegenu¨ber dem nichtakademischen Publikum dazu neigten, u¨berkommene Topoi der Reformationsgeschichtsschreibung und Luther-Deutung zu wiederholen. Ungeachtet der Unterschiede zwischen der inhaltlichen Ausgestaltung der akademischen Jubila¨umsfeiern und der fu¨r die Allgemeinheit gedachten Gottesdienste demonstrierten die Universita¨ten und deren Professoren die enge Verbundenheit von akademischer Theologie und gemeindlicher Glaubenspraxis. Der mit der Aufkla¨rung aufkeimende Gegensatz von akademischer Theologen-Gelehrsamkeit und gemeindlicher Glaubenspraxis, der bei den akademischen Jubila¨umsfeiern spa¨terer Jahrzehnte und Jahrhunderte zutagetrat, ist 1717 noch nicht gegeben. Er ku¨ndigt sich allenfalls dort an, wo namhafte Vertreter der deutschen Fru¨haufkla¨rung wie Thomasius oder Wolff sich der Beteiligung an den Jubila¨umsfeiern entzogen; ohne allerdings großes Aufheben davon zu machen. Bei der Gestaltung der Feiern fa¨llt deren Distanz zur aktuellen politischen und kirchlichen Lage ins Auge. Bedingt durch die Mahnung zur Zuru¨ckhaltung im Umgang mit dem konfessionellen Gegner unterlassen die Prediger und Redner selbst an den Universita¨ten Wittenberg und Leipzig ausfu¨hrliche Angriffe gegen die ro¨misch-katholische Kirche oder gegen den zum Katholizismus konvertierten Kurfu¨rsten und Kurprinzen. Statt dessen konzentrieren sie sich auf die positiven Vorbilder protestantischer Fu¨rsten oder, wie im Falle Kursachsens, der sa¨chsischen Kurfu¨rstin. Auch die bedru¨ckende politische Situation, wie im Falle von Greifswald und Kiel, wird nicht thematisiert; hier erscheinen die spa¨rlichen Beitra¨ge zum Fest als Lebensa¨ußerungen des Luthertums im Gegensatz zu dessen territorialer und theologischer Bedra¨ngnis. Die einzige Gattung theologischer Rede, die auf aktuelle Geschehnisse Bezug nimmt, sind die Fu¨rbittGebete, die da und dort am Ende akademischer Jubelfeiern oder -reden, u¨blicherweise aber in den Gottesdiensten gesprochen wurden; und die einzige an die Fu¨rsten gerichtete Forderung, die in den Jubila¨umsschriften laut wird, besteht in der Ermahnung, sie mo¨gen ihrer geistlichen Verpflichtung zum Schutz des reinen Luthertums nachkommen. Den Schwerpunkt der Jubila¨umsschriften bilden theologische und geistliche, und in Teilbereichen auch historische Fragestellungen. Von den historischen Bemu¨hungen um das Zeitalter der Reformation und dessen Vorgeschichte zeugen die Neu-Editionen einzelner Luther-Schriften, Quellenba¨nde zur mittelalterlichen Kirchengeschichte und zur Reformationsgeschichte sowie die Ansa¨tze zu einer Deutung der Reformationsgeschichte im weiteren historischen Kontext der Fru¨hen Neuzeit. Bemerkenswert sind die Verbindungslinien zwischen Humanismus und Reformation und zwischen Reichsreformbewegung und Reformation, die verschiedentlich gezogen werden. Neben das Bemu¨hen um historische

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Pra¨zisierung tritt hier der zusehends kritischere Umgang mit den u¨berlieferten Quellen. Allerdings tragen diese Ansa¨tze fu¨r das Reformationsjubila¨um selbst nur bescheidene Fru¨chte: Sowohl die Deutung der Reformationsgeschichte als auch die Deutung der Person Luthers knu¨pft noch wesentlich an den u¨berlieferten Interpretamenten der lutherischen Orthodoxie an. Zu Korrekturen oder Erga¨nzungen der historischen Darstellung kommt es nur in Einzelfragen, beispielsweise dort, wo sie sich in der Rezeption von Gottfried Arnolds Kritik am Geschichtsbild des Protestantismus nahelegte. Bemerkenswert sind auch Themenbereiche, die nur mittelbar mit der Theologie der Reformation verbunden sind: Beitra¨ge der Juristen, Mediziner und Angeho¨rigen der Philosophischen Fakulta¨t sind es, in denen historische Aspekte des reformatorischen Zeitalters sta¨rker als bisher u¨blich ins Blickfeld geraten; sie bringen die Auswirkungen der Reformation auf alle Lebensbereiche zur Geltung. Hier ist insbesondere an von der Hardts Beitra¨ge zu erinnern. Die Ansa¨tze zu einer immanenten Geschichtsdeutung haben zur Folge, daß die in der orthodox-lutherischen Historiographie gebra¨uchlichen Schemata der Geschichtsdeutung in den Jubila¨umsschriften keine ungebrochene Verwendung mehr finden. Die Aufnahme der Verfalls- und Traditionstheorie in die Interpretation der mittelalterlichen Kirchengeschichte bildet die einzige Ausnahme, wa¨hrend andere, auf das Ende der Zeit und die Wiederkunft Christi gerichtete, Periodisierungen der Heils- und Weltgeschichte an Gewicht verlieren und die eschatologische Deutung der Reformation und des reformatorischen Zeitalters zuru¨ckgeht. Die heilsgeschichtliche Dimension der Historiographie gera¨t damit freilich noch nicht vollsta¨ndig aus dem Blick: Die Vorsehung Gottes gilt als die bestimmende und lenkende Kraft im Zeitalter der Reformation, Luther war das auserwa¨hlte Werkzeug Gottes, und die Bewahrung der lutherischen Kirche in den vergangenen zwei Jahrhunderten wird allein der providentia Dei zugeschrieben. Indessen verbindet sich mit dem Wissen um das Handeln Gottes in der Geschichte nicht mehr die Erwartung des nahen Weltendes oder der Wiederkunft Christi, wie dies bei Luther selbst der Fall gewesen war. Auf dem Weg zu einer immanenten Deutung der Geschichte, wie sie das Zeitalter der Aufkla¨rung herauffu¨hren wird, gera¨t der eschatologische Horizont der Geschichte aus dem Blick, wa¨hrend das Bekenntnis zu Gott als dem Lenker und Herrn der Geschichte vorerst weiter besteht. Allen Ansa¨tzen zu einer historischen Betrachtung des reformatorischen Zeitalters zum Trotz verdeutlicht die Wahl des Termins fu¨r die zweite Sa¨kularfeier, wie eng die Epoche der Reformation mit der Gestalt Luthers in Verbindung gebracht wird. Wohl gibt es in einzelnen Universita¨ten Lehrveranstaltungen, die das ganze Jahr u¨ber reformationsgeschichtliche und theologische Fragestellungen behandeln, der eigentliche Termin des Jubila¨ums ist aber unbestritten der 31. Oktober. Daran zeigt sich die sym-

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bolische Bedeutung, die dem Thesenanschlag als Auftakt fu¨r die Reformation beigemessen wurde. Diese Konzentration verknu¨pft außerdem Ursprung und Fortschritt der Reformation so eng mit der Person Luthers, daß die Grenzen zwischen Reformationsgeda¨chtnis und Luther-Geda¨chtnis verschwimmen. Diese Tendenz versta¨rkt sich dadurch, daß die reformierte Kirche auf die Beteiligung an den Jubila¨umsfeiern verzichtete und daß in den akademischen Jubila¨umsfeiern nur vereinzelt auf Reformatoren neben Luther hingewiesen wird. Hier kommt die begrenzte Kenntnis der reformationsgeschichtlichen Quellen ebenso zum Tragen, wie der bleibende Einfluß der orthodoxen Historiographie, die Melanchthon und andere Mitarbeiter Luthers u¨bergangen oder nur eingeschra¨nkt als Reformatoren gewu¨rdigt hatte. Die gleiche Tendenz zeigt sich bei der ereignisgeschichtlichen Beschreibung der Reformation. Die entscheidenden Ereignisse der Reformation werden fast ausschließlich mit der Person Luthers in Verbindung gebracht: sei es, indem Ereignisse in Luthers Leben als wesentliche Schritte auf dem Weg zu Reformation geschildert werden, wie der Wormser Reichstag 1521, sei es, indem wichtige Fortschritte der reformatorischen Bewegung, wie die Entstehung der Confessio Augustana, Luther zugeschrieben werden. Dadurch geraten theologische Differenzierungen innerhalb der protestantischen Bewegung weitgehend aus dem Blick: Von reformierten Theologen wie Zwingli und Calvin ist an keiner Stelle die Rede, geschweige denn von den Spaltungen innerhalb des Protestantismus, die bereits zu Luthers Lebzeiten eingesetzt hatten. So erweist sich das Reformationsjubila¨um in der Praxis als Jubila¨um der lutherischen Kirche, die ihre ureigenen lutherischen, nicht die gemeinprotestantischen Wurzeln und Traditionen feiert. Weil die zwei Faktoren, Reformation und Person Luthers, so eng miteinander verwoben sind, ergibt sich die Konzentration der gesamten Darstellung auf die Jahrzehnte, in denen Luther gewirkt hatte. Die Jahrhunderte des Mittelalters sind ebenso als Vorgeschichte der Reformation Luthers verstanden, wie die rund 150 Jahre nach Luthers Tod als Wirkungsgeschichte seiner Theologie gelten. Die Ansa¨tze zur historischen Beschreibung und Deutung der Reformation kommen dort an ihre Grenzen, wo sie auf die Person des Reformators stoßen. Am Ende ist es nicht das rein historische Interesse und nicht der historische Vorgang der Reformation an sich, sondern die Reformation Luthers, deren Jubila¨um 1717 gefeiert wird. Im Blick auf die Luther-Darstellung als solche fa¨llt auf, daß sie von dem Bestreben bestimmt ist, die Legitimita¨t Luthers als Reformator zu verteidigen. Das gilt ebenso fu¨r die Verteidigung Luthers gegen die Verleumdungen durch ro¨misch-katholische Theologen, wie auch die Konzentration auf einzelne Aspekte seiner Theologie oder seiner Biographie. Einzig die perso¨nliche Fro¨mmigkeit Luthers, die den Ho¨rern und Lesern als Vorbild vor Augen gestellt wird, hat eigenes Gewicht. Wirkliche Neue-

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rungen gegenu¨ber den in der lutherischen Orthodoxie gebra¨uchlichen Stereotypen der Luther-Deutung finden sich nicht; schon gar nicht solche, die auf eine Anwendung von Grundsa¨tzen der theologischen Aufkla¨rung auf Person und Theologie Luthers hinweisen wu¨rden. Aus dieser an Luther orientierten Deutung der Reformationsgeschichte resultiert die Auswahl derjenigen theologischen Themen, die als Fru¨chte der Reformation geschildert werden. Das Schwergewicht hat dabei das protestantische Schriftprinzip als Ursprung und Maßstab der reformatorischen Lehre, wa¨hrend die Inspirationslehre der lutherischen Orthodoxie nebst der typologischen Schriftauslegung an Bedeutung verliert. Denn wohl bedienen sich zahlreiche Verfasser der typologischen Schriftauslegung, um die Reformation und Luther als deren maßgebliche Gestalt hervorzuheben. Dabei greifen sie aber nur auf ein begrenztes Reservoir an Schriftstellen zuru¨ck, die sie sehr allgemein auf die Reformation anwenden. An die Stelle der typologischen Schriftauslegung tritt die Verwendung der Heiligen Schrift als allgemein gu¨ltiger Beurteilungsmaßstab, der auch auf das Zeitalter der Reformation anzuwenden ist. Die Autorita¨t der Heiligen Schrift bleibt unbestritten und bedarf auch keiner Erga¨nzung oder Besta¨tigung durch die lutherischen Bekenntnisschriften. Typisch fu¨r die akademischen Jubila¨umsschriften ist schließlich, daß keiner der fru¨haufkla¨rerischen kritischen Ansa¨tze zur Schriftauslegung, sei es ablehnend oder zustimmend, rezipiert wird. Unter den behandelten theologischen Einzel-Themen kommt der Rechtfertigungslehre große Bedeutung zu, sicherlich angeregt durch deren Rezeption und Transformation im zeitgeno¨ssischen Pietismus. Weitere wichtige Themen der reformatorischen Theologie, die 1617 noch ausfu¨hrlich ero¨rtert wurden, wie beispielsweise das Gottesdienstversta¨ndnis oder die Sakramentenlehre, erscheinen nur am Rande. Wie sehr das Jubila¨um auf das Zeitalter der Reformation und die Gestalt Luthers konzentriert ist, zeigt die Auseinandersetzung mit der ro¨misch-katholischen Kirche. Diese findet vornehmlich vor dem Hintergrund der mittelalterlichen Verfallszusta¨nde, der Reformansa¨tze Luthers und der Beschreibung der gegenreformatorischen Positionen im Tridentinischen Konzil statt. Spa¨testens bei Bellarmin endet die Linie der ro¨misch-katholischen Positionen, mit denen sich die Verfasser ausfu¨hrlich auseinandersetzen. Die Erfolge der Gegenreformation im 17. Jahrhundert werden nahezu vo¨llig u¨bergangen, und die Jesuiten als treibende Kraft der Gegenreformation erfahren ebenfalls keine Beru¨cksichtigung. Die Kritik an der gegen Paschasius Quesnel gerichteten Konstitution „Unigenitus Dei filius“ bildet nahezu die einzige zeitgeno¨ssische Ausnahme, wa¨hrend sich die Kritik ansonsten auf die Verlautbarungen des Tridentinischen Konzils beschra¨nkt. Schon dessen weitere Rezeption in der ro¨misch-katholischen Kirche ist nicht mehr von Interesse, wie auch die Amtsfu¨hrung der Pa¨pste, die nach den Jahrzehnten der Reformation die ro¨misch-katholische Kirche leiteten, unbeachtet bleibt. Dabei sind es ge-

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rade die aktuellen Bezu¨ge, an denen die Legitimita¨t der einst vollzogenen Trennung von Rom ha¨tte exemplifiziert werden mu¨ssen, um dem Protestantismus fu¨r die Zukunft Wegweisung zu geben. Doch anstatt die Gelegenheit zu einer aktuellen, fu¨r die Zukunft tragfa¨higen Fundierung des eigenen Standpunkts wahrzunehmen, begnu¨gen sich die akademischen Jubila¨umsschriften mit der Wiederholung alter Urteile und Vorurteile gegen die ro¨misch-katholische Kirche. Infolge dieser Beschra¨nkung in der theologischen Auseinandersetzung gelingt es den Verfassern auf weiter Linie, die kaiserlichen Friedensbestimmungen einzuhalten. Abgesehen von dem pauschalen Vorwurf, die ro¨misch-katholische Kirche sei die Kirche des Antichrists, und abgesehen von der Auflistung lange bekannter Vorwu¨rfe u¨ber die Untaten und Anmaßungen der mittelalterlichen Kirche, fehlen polemische Spitzen in der Abgrenzung von der ro¨misch-katholischen Kirche. Dabei ha¨tte es gerade in der Auseinandersetzung mit dem lutherischen Pietismus sowie mit den Unionsbestrebungen einer klaren Bestimmung der eigenen, lutherischen Positionen in Abgrenzung vom konfessionellen Gegner oder im Bekenntnis zu offensichtlichen U¨bereinstimmungen in Lehre und Leben bedurft. Diese eingeschra¨nkte Fa¨higkeit zu einer gegenwarts- und zukunftsrelevanten Auseinandersetzung mit dem konfessionellen Gegenu¨ber sowie die geringe Bereitschaft, die eigenen theologischen Positionen neu abzustekken und als Kraftquelle fu¨r den Protestantismus des 18. Jahrhunderts zu erschließen, erscheint symptomatisch fu¨r den Zustand der lutherischen Orthodoxie im Jahr 1717: Sie greift auf einen großen Schatz an protestantischen Glaubensu¨berzeugungen zuru¨ck, sie grenzt sich deutlich von der ro¨misch-katholischen Kirche ab und reklamiert fu¨r sich aus ihrer Geschichte heraus den Anspruch, Teil der wahren Kirche zu sein. Bezeichnenderweise gelingt es ihren Vertretern nicht, diesen Anspruch fu¨r die Gegenwart so neu zu formulieren, daß er mehr ist als eine bloße historische Erinnerung und Vergegenwa¨rtigung gemeinsamer Glaubenserfahrung. Die zweite kirchlich-theologische Stro¨mung, die neben der lutherischen Orthodoxie in Erscheinung tritt, ist der lutherische Pietismus. Die pietistischen Theologen nutzen das Jubila¨um, um ihre Zugeho¨rigkeit zum Protestantismus zu demonstrieren und eigene Akzente in der LutherDeutung zur Geltung zu bringen. Ein wirklicher Gegensatz zwischen lutherischem Pietismus und lutherischer Orthodoxie tritt in den Beitra¨gen pietistischer Theologen zum Jubila¨um nicht zutage. Wenn die zwischen Pietismus und lutherischer Orthodoxie bestehenden Gegensa¨tze u¨berhaupt angesprochen werden, dann durch die Vertreter des orthodoxen Luthertums. Dazu geho¨rte, daß die pietistischen Theologen die perso¨nliche Annahme der Rechtfertigungsbotschaft als Kriterium der Zugeho¨rigkeit zur wahren Kirche bezeichnen. Sie fordern ihre Ho¨rer und Leser zur perso¨nlichen Buße auf, sie betonen die perso¨nliche Wiedergeburt als Vorausset-

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zung fu¨r den Dienst des Theologen (theologia regenitorum), sie regen die Fortsetzung der unvollendet gebliebenen Reformation an und treten allenfalls fu¨r eine Relativierung der Autorita¨t Luthers in der Kirche ein. Allerdings tragen sie diese Aspekte als urspru¨ngliche lutherische Lehre und ohne kritische Spitzen gegen den zeitgeno¨ssischen Protestantismus vor. Mit diesen Schwerpunkten sind es die pietistischen Prediger, denen es am ehesten gelungen ist, die Gegenwarts- und Zukunftsbedeutung der Reformation zu veranschaulichen. Beispiele dafu¨r sind die Kritik Ludewigs an den bloßen A¨ußerlichkeiten der Feier sowie Franckes Kritik an der reinen Historisierung der Reformation. Mit dem Ringen um Vermittlung und Applikation der reformatorischen Lehre in der Gegenwart suchten die pietistischen Theologen zu einer Neuorientierung der lutherischen Christen und Theologen fu¨r die Zukunft beizutragen. Und um der Konzilianz gegenu¨ber dem orthodoxen Luthertum willen bringen sie ein anderes Element der pietistischen Theologie nicht zur Geltung: die Offenheit fu¨r eine die konfessionellen Grenzen u¨berwindende Union der Gla¨ubigen auf der Grundlage der gleichen, allein am Zeugnis der Heiligen Schrift orientierten Glaubensu¨berzeugungen und -praxis. Niemand hat den Unionsbemu¨hungen zwischen ro¨misch-katholischer und lutherischer Kirche eine klarere Absage erteilt als Johann Franz Buddeus, der von seiner theologischen Pra¨gung durchaus fu¨r diese Bestrebungen offen war; auch die u¨brigen pietistischen Prediger und Redner hielten sich mit diesbezu¨glichen Stellungnahmen zuru¨ck. Denn von dem Anspruch der lutherischen Kirche, sie allein sei Teil der wahren Kirche, von der die ro¨misch-katholische Kirche abgefallen war, wollten auch die pietistischen Verfasser nicht abgehen. Alles in allem zeugen die Feierlichkeiten zum Reformationsjubila¨um von 1717 an den deutschen lutherischen Universita¨ten von der Vorherrschaft der lutherischen Orthodoxie, neben der nur vereinzelt der lutherische Pietismus als zeitgeno¨ssische Reformbewegung hervortritt. Trotz dieser einheitlichen theologischen Grundstro¨mung weist die inhaltliche und formale Gestaltung des Festes eine Anzahl von Varianten auf. Zwar gibt es einen festen Kanon von Themen, wie beispielsweise die Konzentration auf Luther, die heilsgeschichtliche Deutung der Reformation, die Besinnung auf den Ertrag der Reformation sowie die eindeutige Abgrenzung von der ro¨misch-katholischen Kirche. Doch im einzelnen ist Raum fu¨r erste Kritik am Reformator, und die Reformation wird auch als historisches und nicht allein als kirchliches Ereignis wahrgenommen. Auch gema¨ßigte Vertreter des lutherischen Pietismus trugen ihr Teil zum Gelingen der Feier bei. Damit steht fest, daß das von Ernst Salomon Cyprian in den „Hilaria Evangelica“ gezeichnete und u¨ber drei Jahrhunderte rezipierte Bild des Reformationsjubila¨ums von 1717 nur eine eingeschra¨nkte, pointierte Sicht vermittelt. Denn mit seiner Deutung hat Cyprian den Blick fu¨r die Vielfalt des Jubila¨ums verstellt, wie er offensichtliche Verfallserscheinungen in-

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nerhalb des Luthertums und das Aufkeimen neuer theologischer Konzepte lediglich am Rande erwa¨hnt. Dagegen bietet sich dem unvoreingenommenen Betrachter eine bemerkenswert vielschichtige Jubila¨umsfeier, die ebenso von der Vitalita¨t des deutschen Luthertums zum Zeitpunkt des Jubila¨ums zeugt, wie an ihr die unterschiedlichen Auspra¨gungen des Luthertums in den Territorien des Reichs und an den deutschen lutherischen Universita¨ten deutlich werden. Neben den Gralshu¨tern der lutherischen Orthodoxie, wie sie insbesondere in Wittenberg noch die theologische Lehre pra¨gen, verschaffen pietistische Theologen ihrer Deutung der Reformation Geho¨r und es gibt Ansa¨tze zu einer differenzierteren, bisweilen kritischen Deutung des Zeitalters der Reformation und der Person Martin Luthers, und mit Johann Peter Ludewig verschafften sich auch die Vertreter der fru¨hen Aufkla¨rung anla¨ßlich des Jubila¨ums Geho¨r. Und so sehr sich die Initiatoren des Reformationsjubila¨ums von 1717, allen voran Ernst Salomon Cyprian, eine echte Einheit unter den Lutheranern gewu¨nscht ha¨tten, verleihen gerade diese vielfa¨ltigen, von lutherischen Theologen vertretenen Ansa¨tze zur Beschreibung und Deutung der Reformation der Zweihundertfeier des Thesenanschlags ihr besonderes Gepra¨ge.

Quellen- und Literaturverzeichnis

Die Abku¨rzungen folgen dem von Siegfried Schwertner zusammengestellten Abku¨rzungsverzeichnis der Theologischen Realenzyklopa¨die (TRE, Berlin / New York 19942). Außerdem werden folgende Abku¨rzungen verwandt: BSB FLB HAB HLHB LBMV SLB. DD SUB. B SUB. GO¨ SUB. HH SUB. Mu¨ UB. TU¨ UB. Rostock ULB. Halle WLB

Bayerische Staatsbibliothek Mu¨nchen Forschungs- und Landesbibliothek Gotha Herzog August Bibliothek Wolfenbu¨ttel Hessische Landes- und Hochschulbibliothek Darmstadt Landesbibliothek Mecklenburg-Vorpommern Schwerin Sa¨chsische Landesbibliothek Dresden Staats- und Universita¨tsbibliothek Berlin Staats- und Universita¨tsbibliothek Go¨ttingen Staats- und Universita¨tsbibliothek Hamburg Staats- und Universita¨tsbibliothek Mu¨nchen Universita¨tsbibliothek Tu¨bingen Universita¨tsbibliothek Rostock Universita¨ts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt Halle / Saale Wu¨rttembergische Landesbibliothek Stuttgart

I. Quellen 1. Archivalische Quellen Geheimes Staatsarchiv, Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Berlin I. HA Rep. 10, Nr. 79 I. HA Rep. 13, Nr. 29 I. HA Rep. 47, Nr. 20 Hessisches Staatsarchiv Darmstadt E 1 B Nr. 32/1 E 5 A 1 Nr. 37 Sa¨chsisches Hauptstaatsarchiv Dresden ( Sa¨chsisches HStA) Geheimes Archiv Loc. 1891 Geheimes Archiv, Loc. 7436/19 Geheimes Archiv, Loc. 10280, Vol. I–III Geheimes Consilium, Loc. 4611 Sekundogenitur Sachsen-Weißenfels, Loc. 11790 Universita¨tsarchiv Gießen Allg. Nr. 805

Quellen- und Literaturverzeichnis

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Thu¨ringisches Staatsarchiv Gotha (ThStAGo) Geheimes Archiv Gotha, XX I Nr. 28 Oberkonsistorium Gotha, Generalia, Loc. 26 Universita¨tsarchiv Greifswald (UAG) Altes Rektorat, Hbg. 62 Universita¨tsarchiv Leipzig (UAL) GA Sect. IV Nr. 59. Rep. II / V Nr. 21 Rep. II / V Nr. 22 Universita¨tsarchiv Rostock RI B 29/3 Hauptstaatsarchiv Stuttgart A 39 Bu¨ 22 A 63 Bu¨ 119 Thu¨ringisches Hauptstaatsarchiv Weimar (ThHStA Weimar) A 5609 Niedersa¨chsisches Staatsarchiv Wolfenbu¨ttel (StA WF) 37 Alt, Helmstedt Nr. 353

2. Gedruckte Quellensammlung Ern. Sal. Cypriani 5 Hilaria 5 Evangelica, 5 Oder 5 Theologisch-Historischer Bericht 5 Vom 5 Andern Evangelischen 5 Jubel-Fest, 5 Nebst III. Bu¨chern darzu geho¨riger Acten und Materien, 5 Deren das Erste, 5 Die Obrigkeitlichen Verordnungen, und viele 5 Historische Nachrichten, 5 Das Andere, 5 Orationes und Programmata 5 Jvbilaea, 5 Das Dritte 5 Eine vollsta¨ndige Beschreibung der Jubel-Medaillen 5 begreiffet. Mit Kupffern, Summarien und einem nu¨tzlichen Register 5 . . . 5 Gotha 1719. (Als Microfiche vorhanden: Jantz Collection, German Baroque Lit. No. 795, Research Publications, Inc., Reel 149); benutztes Exemplar: Stadtbibliothek Mainz: Sign.: VIe 2b / 817 Nach den „Hilaria Evangelica“ zitierte Quellenschriften: 2.1 Zitiert nach: Hilaria Evangelica. Das Erste Buch, Darinnen so wohl die Obrigkeitliche Anordnungen des Evangelischen Jubel-Festes, als viele Historische Erzehlungen von dessen Begehung enthalten sind. zitiert: Hil. Ev. I Das I. Capitel: Da¨nnemarck B. Ihrer Ko¨nigl. Majesta¨t zu Da¨nnemarck / Norwegen / . . . / ho¨chst.-lo¨bliche allergna¨digste Verordnung zu Celebrirung des in diesem 1717. Jahr auf den 31. Octobr. & folgende Tage einfallenden Lutherischen JUBILAEI, welches in Dero Ko¨nigreichen-Fu¨rstenthu¨mern, und gesammten Landen, nachgesetzter massen durchgehends in denen Kirchen, Universita¨ten, Gymnasiis und Schulen, feyerlichst gehalten werden soll; sammt dazu geho¨rigen Gebeth, Texten, Collecte & Gesa¨ngen [S. 23–28]. zitiert: Da¨nnemarck B

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Quellen- und Literaturverzeichnis

E. Anweisung / welchergestalt in dem von Ihr. Ko¨nigl. Majesta¨t Allergna¨digst angeordneten Jubel-Fest vom 31 Octobr. a.c. bis den 7 Novembr. incl. der o¨ffentliche GOttesDienst in denen Kirchen des Herzogthums Vor-Pommern und des Fu¨rstenthums Ru¨gen anzustellen, und auf der Ko¨nigl. Universita¨t zu Greyffswalde sowohl, als in denen Stadt-Schulen, die Orationes Jubilaeae zu halten seynd [S. 34–35] zitiert: Da¨nnemarck E G. Schreiben des da¨nischen Ko¨nigs an das General-Gouvernement im Herzogtum Ru¨gen und im Fu¨rstentum Ru¨gen vom 14. Oktober 1717 [S. 36–37] zitiert: Da¨nnemarck G Das III. Capitel: Chur-Sachsen A. Anordnung / wie es bey dem instehenden Evangelischen Jubilaeo und Danck-Feste 1717 im Chur-Fu¨rstenthum Sachsen, auch incorporirten und andern Landen, beym o¨ffentlichen Gottesdienste gehalten werden soll [S. 93–94] zitiert: Chur-Sachsen A B. Formula, wie auf den 22. Sonntag nach Trinitatis das instehende Evangelische Jubel-und Danck-Fest dieses Jahres nach geendigten Predigten, und geschehener Ablesung derer Gebethe, von allen Cantzeln soll intimiret und verku¨ndiget werden [S. 94] zitiert: Chur-Sachsen B D. Texte, die in denen Predigten an dem instehenden Evangelischen Jubel- und Danck Feste 1717 im Churfu¨rstenthum Sachsen, auch denen incorporirten und andern Landen, sollen abgehandelt werden. [S. 96–97] zitiert: Chur-Sachsen D M. Von der nunmehr gehaltenen Reformations-Jubel-Feyer zu Dresden, zu Leipzig und zu Wittenberg [S. 106–115] zitiert: Chur-Sachsen M N. Der Universita¨t Leipzig Reformations-Jubel [S. 115–139] zitiert: Chur-Sachsen N O. Das Evangelische Wittenberg / wie es das Zweyte Jubel-Fest der Reformation Lutheri in diesem 1717 Jahre begangen [S. 139–150] zitiert: Chur-Sachsen O Das IIX. Capitel. Sachsen-Weymar B. Information, welcher gestalt auf Hoch-Fu¨rstlichen gna¨digsten Befehl . . . es mit Singen, Predigen und andern Christlichen Ceremonien, bey dem angeordneten Evangelischen Jubel-Fest gehalten werden soll. [S. 209–210] zitiert: Sachsen-Weymar B Das IX. Capitel: Sachsen-Eisenach A. Instruction und Ordnung / nach welcher in Unsern von GOttes Gnaden Johann Wilhelms . . . Fu¨rstenthum und Landen . . . das instehende andere Evangelisch-Lutherische Jubel-Fest, so auf den 31. Octob. und darauf folgenden 1 und 2ten Tag des Monats Novemb. 1717 Jahres, GOtt zu Ehren, zu celebriren ist, soll gehalten werden. [S. 213–218] zitiert: Sachsen-Eisenach A B. Jenaische Jubel-Freude oder ausfu¨hrliche Nachricht, wie das zweyte Lutherische JubelFestin bey der Jenaischen Kirche und Universita¨t 1717, von 31. Octobr. an, ho¨chst-feyerlich begangen worden, darinnen alle Predigten, Orationes, Disputationes, Programmata, und andere Schrifften zula¨nglich recensiret, die Inscriptiones aber, Illuminationes, und was nur sonst vor Solennita¨ten vorgangen, vo¨llig inserirt und beschrieben, auch was noch ku¨nfftig heraus kommen soll, gemeldet wird, dargestellet von M. Friedrich Andreas Hallbauer. [S. 218–265] zitiert: Sachsen-Eisenach B

Quellen- und Literaturverzeichnis

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Das XI. Capitel: Sachsen-Gotha D. An die Universita¨t Jena [S. 275–276] zitiert: Sachsen-Gotha D I. Vorla¨uffiger Bericht / welcher Gestalt das Evangelische Jubel-Fest Anno 1717 in denen Fu¨rstlichen Gothaischen Landen mit Go¨ttlicher Hu¨lffe soll gefeyret werden. [S. 278–280] zitiert: Sachsen-Gotha I Das XIII. Capitel: Chur-Brandenburg A. Formulare, wie das allergna¨digst-anbefohlene Evangelisch-Lutherische Kirchen-Jubilaeum, so auf den 31. Octobr. oder XXIII. post Trin. dieses 1717 Jahrs einfa¨llt, Sonntags vorher den 24. Octobr. oder XXII. post Trin. in allen Evangelisch-Lutherischen Kirchen zuvor abzuku¨ndigen. [S. 298–299] zitiert: Chur-Brandenburg A. B. Auf dem / den 31. Octobr. 1717 / oder Sonntags den XXIII. post Trin. feyerlich zu begehenden Evangelisch-Lutherischen Jubel-Fest, ist folgendes Formular in dem ordinairen Kirchen-Gebeth mit zu gebrauchen. [S. 299–300] zitiert: Chur-Brandenburg B. D. Nachricht / wie das Jubel-Fest zu Ko¨nigsberg in Preussen gefeyret worden [S. 301–304] zitiert: Chur-Brandenburg D E. Vortrab einer Historischen Nachricht, welchergestalt des zweyte Jubel-Fest der Evangelisch-Lutherischen, so den XXXI. Octobr. Anno MDCCXVII. einfiel, bey hiesiger weitberu¨hmten Friedrichs-Universita¨t, in allen Christ-Lutherischen Kirchen der Stadt Halle, und denen zugeho¨rigen zweyen Vorsta¨dten Glauche und Neumarckt, im Gymnasio Illustri und andern lo¨blichen Anstalten gefeyret worden, was vor Praeparatoria vor dem Feste gemachet, wie es wu¨rcklich gefeyret und was vor Solennia nach demselben bey der Universita¨t, in einer jedweden Kirche a parte im Gymnasio Illustri und u¨brigen lo¨blichen Anstalten vorgegangen und angestellet worden. Sub censura Academica wohlmeinend communiciret durch Sincerum. [S. 304–309] zitiert: Chur-Brandenburg E Das XVII. Capitel: Das Fu¨rstliche Haus Braunschweig-Lu¨neburg A. Verordnung / wie das instehende Evangelische Jubel- und Danck-Fest im Herzogthum Braunschweig-Wolffenbu¨ttel gefeyert werden soll [S. 352–353] zitiert: Braunschweig-Lu¨neburg A C. Verku¨ndigung des den 31 Octobr. An. 1717 bevorstehenden Jubilaei, welche Dom. 22 post Trinit. aller Orten im Herzogthum Braunschweig und Lu¨neburg, Wolffenbu¨ttelschen Theils, von den Cantzeln zu verlesen [S. 354–355] zitiert: Braunschweig-Lu¨neburg C F. Nachricht / wie das andere hundertja¨hrige Jubilaeum Evangelicum in der Julius-Universita¨t zu Helmstedt gefeyret worden: im Jahr 1717, den 30, 31 Oct. und 1 Nov. [S. 359–360] zitiert: Braunschweig-Lu¨neburg F Das XXI. Capitel: Wu¨rtemberg B. Instruction fu¨r die sa¨mmtliche Ministros Ecclesiae in dem Herzogthum Wu¨rtemberg, wie sie sich auf das zweyte Jubel-Fest der Evangelischen Kirchen den 31. Octobr. 1717 angestellt, in ihren Predigten und u¨brigem Vortrag zu verhalten. [S. 368–370] zitiert: Wu¨rtemberg B D. Das Leben des seligen Manns GOttes, D. Martin Luthers / welches nach seiner innerlichen und a¨usserlichen Beschaffenheit betrachtet, aus Hoch-Fu¨rstlichem Gna¨digsten Befehl, damit es auf den 28. Octob. so da ist der Wiedergeda¨chtniß-Tag der beeden heil. Apostel, Simonis und Juda¨, von allen Cantzeln des Herzogthums Wu¨rtemberg, zu gru¨ndlicherem Unterricht und Vorbereitung auf das den 31. Octob. 1717 angeordnete

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Jubel-Fest der Evangelischen Kirche, abgelesen werde, zusammen getragen, und in den Druck gegeben worden. [S. 372–390] zitiert: Wu¨rtemberg D Das XXII. Capitel: Hessen-Darmstadt A. Extract aus der Reichs-Tags-Relation de dato Regenspurg den 11.ten Feb. 1717 [S. 392] zitiert: Hessen-Darmstadt A B. Untertha¨nigstes Schreiben der Universita¨t zu Giessen an Serenissimum [vom 17. Aug. 1717] [S. 392] zitiert: Hessen-Darmstadt B C. Antwort des Landgrafen vom 30. August [S. 393–394] zitiert: Hessen-Darmstadt C D. Schreiben der Universita¨t an den Landgrafen vom 13. Sept. 1717 [S. 394] zitiert: Hessen-Darmstadt D E. Schreiben des Landgrafen an die Universita¨t Gießen vom 29. Okt. 1717 [S. 394] zitiert: Hessen-Darmstadt E F. Schreiben des Landgrafen an die Universita¨t Gießen vom 27. Sept. 1717 [S. 393] zitiert: Hessen-Darmstadt F G. Schreiben des Landgrafen an die Universita¨t vom 15. Oktober 1717 [S. 395] zitiert: Hessen-Darmstadt G I. Erzehlung, welcher Gestalt das zweyte Evangelisch-Lutherische Jubel-Fest zu Giessen celebriret worden, sammt kurtzem Bericht, was desfalls, in diesem Jahr, daselbst vorgefallen, [S. 397–400] zitiert: Hessen-Darmstadt I Das XXIV. Capitel: Mecklenburg-Schwerin A. Vollsta¨ndige Historische Nachricht / von dem zweyten Jubel-Fest der Evangel. Lutherischen Kirchen, in denen Mecklenburgischen Herzogthu¨mern, Schwerin, Gu¨strau, wie selbiges, auf hohe Verordnung des Durchlauchtigsten Fu¨rsten und Herrn, Herrn Carl Leopold . . . so wohl im gantzen Lande, als insonderheit, in der Mecklenburgischen Residence, Festung und Universita¨t Rostock gefeyret worden. Zum Lobe des Dreyeinigen GOTTes, und zur Erweckung der Posterita¨t, das reine von GOtt durch Lutherum uns wieder geschenckte Evangelium, lauter und unverfa¨lscht in Lehr und Leben beyzubehalten, ex concluso Reverendi Concilii Univers. Rostoch. aufgesetzet und entworffen, durch Albrecht Joachim von Krakewitz . . . [S. 406–418]. zitiert: Mecklenburg-Schwerin A B. Schreiben Karl Leopolds vom 27. September [S. 418] zitiert: Mecklenburg-Schwerin B. C. Texte, so Se. Hochfu¨rstl. Durchl. bey dem, in den Mecklenburgischen Landen, auf den 31. Octobris, und 1 Novembr. 1717 angesetzten Evangel. Jubel-Feste zu erkla¨ren verordnet haben. [S. 418–419] zitiert: Mecklenburg-Schwerin C. G. Schreiben Karl Leopolds vom 1. Oktober 1717 [S. 421–422] zitiert: Mecklenburg-Schwerin G Das XXVI. Capitel: Hollstein-Schleswig A. Verordnung nebst den Texten [S. 427] zitiert: Hollstein-Schleswig A B. Collecte auf das im 1717 Jahr / den 31. October zu haltenden Jubel-Fest, den 23.Trinitatis zitiert: Hollstein-Schleswig B [S. 427–429]

Quellen- und Literaturverzeichnis

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Das LXIX. Capitel: Nu¨rnberg C. Zuverla¨ßiger Bericht / wie das zweyte Evangelische Danck-Fest in des heiligen Ro¨mis. Reichs-freyer Stadt Nu¨rnberg und dero Gebieth auf dem Land anda¨chtig gefeyert worden. [S. 681–682] zitiert: Nu¨rnberg C. Das CXIV. Capitel. Nachricht von denen Professoribus, welche zur Zeit des andern JubelFestes auf denen mehresten Evangelischen Academien dociret [S. 926–931] zitiert: Nachricht von denen Professoribus Das CXXVI. Capitel. Verzeichniß / Aller so wohl gedruckten als in Manuscripto eingesendeten Jubel-Schrifften, abgefasset von Hrn Christoph. Jussatz, Gothano [S. 1045–1094] zitiert: Verzeichniß 2.2 Zitiert nach: Hilaria Evangelica. Das Andere Buch, welches Orationes und Programmata Ivbilea mittheilet zitiert: Hil. Ev. II Auspicatissimam Lucem 5 Emendatoria Christi sacra colentibus 5 hoc est, 5 Unum & Trigesimum Mensis Octobris Diem, quando ex eo, 5 Suis auspiciis & Auctoritate, 5 Serenissimus ac Potentissimus Princeps ac Dominus, 5 DOMINUS FRIDERICUS IV. 5 . . . 5 Initia impugnatae, 5 Anno supra Millesimum quinquagesimum septimo & decimo 5 per beatum MARTINVM LVTHERVM, Babylonis, 5 Festivo & Octiduano apparatu, instaurari voluit, jussit 5 Rite ac devote, cum ceteris, obeundum, omnibus pietatis & bonarum Literarum existima- 5 toribus, qua Hospitibus, qua Civibus, Musarum hanc sacram sedem, 5 & vota factum, & auditum, adituris indicunt 5 Rector & Concilium Universitatis Gryphiswaldensis [S. 11–13]; zitiert: Auspicatissimam Lucem Rector Academiae Lipsiensis SECVLARE SACRVM in honorem DEI T.O.M. ob Ecclesiam diui Lutheri ministerio in Saxonia nostra instauratam, positis ante hos ducentos annos auspicatissimi operis initiis benIgneqVe aDhVC nobIs ConserVatVM salutarem doctrinam d. XXXI. Octobris & seqq. diebus solemni ritu celebrandum indicit [S. 13–16] zitiert: Rector Academiae Lipsiensis Intimatio Jubilaei Evangelici Secundi In toto Electoratu Saxonico & vicinis provinciis bono cum Deo proximis diebus celebrandi, publicata ab Academia Wittebergensi. [S. 16–18] zitiert: Intimatio Ordinis Theologorum in Academia Wittebergensi Epistola Invitatoria ad Universos Dominos Theologos, & Ecclesiarum Evangelicarum Ministros, tum in incluta Germania, tum aliis quoque in Regnis et Provinciis, de Jubilaeo Lutherano sub finem Octobris & initium Novembris solenniter celebrando, amice scripta. Psalm C. Jubilate Deo omnis Terra! [S. 19–21] zitiert: Epistola Invitatoria Wernsdorf, Gottlieb, Oratio secularis, quam de Utilitatibus & Commodis ex repurgatione sacrorum per Lutherum ad Ecclesiam & Rempublicam redundantibus, Wittembergae Saxonum in Aede OO.SS. [Omnium Sanctorum] quae Arci contigua est, . . . die 3 Novembr. panegyri recitavit Gottl. Wernsdorfivs. [S. 21–28] zitiert: Oratio secularis Programma in sacris & solemnibus Seculi a Reformata Religione secundi P. P. in Academia Jenensi [S. 28–30] zitiert: PROGRAMMA in sacris & solemnibus Seculi in . . . Academia Jenensi Foertsch, Michael, Oratio de nervis Justificationis coram DEO, sub Papatu turbatis, & ruptis, sed a Luthero detectis & restitutis, ceu principali reformationis scopo: habita a Mich. Fo¨rtschio . . . in alterum Jubilaeum Lutheranum. d. 4. Nov. 1717. [S. 30–37] zitiert: De nervis Justificationis

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Breithaupt, Johann Justus, ORATIO SECVLARIS in Regia Fridericiana Nomine publico habita Ad d. 1. Nov. A. MDCCXVII, de Reformationis Evangelicae Impedimentis [S. 37–47] zitiert: Oratio secvlaris Programma de Invictis Lutheri ad Emendandam Religionem Argumentis Jubilaeo II. Reformationis Evangelicae in Academia Julia indicendo d. XXIX. Octobr. MDCCXVII P. P. Helmstadii [S. 47–52] zitiert: Programma de Invictis Lutheri Rector Universitatis Tubingensis [S. 52–53] zitiert: Rector Universitatis Tubingensis Festivam Reformationis Evangelicae memoriam secularem, & quidem secundam, Rector Academiae Giessenae, Jo. Georg Liebknecht . . . una cum reliquis Academiae Proceribus indicit, & ad solennem orationem de Lvthero divina poenitentiae & suavissima Evangelii voce orbem Christianum ad meliora vocante Illustriss. Illustresque Generos. Nobiliss. cujuscunque ordinis ac dignitatis Auditores ac Cives peramanter ac debite invitat. [S. 53–57] zitiert: Festivam Reformationis Evangelicae memoriam secularem . . . Jo. Georg Liebknecht indicit Kortholt, Matthias, Oratio secularis de Luthero, Ecclesiae Angelo, aeternum Domini Verbum annuntiante, atque sic divina poenitentiae & suavissima Evangelii voce orbem Christianum ad Christum feliciter vocante: habita d. I. Nov. ao 1717. [S. 57–74] zitiert: De Luthero Schaper, Joh. Ernst, Oratio de Divinatione Pontificiorum contra promulgatam per jam Lutherum verbi divini veritatem fallaci [S. 74–78] zitiert: Oratio de Divinatione Pontificiorum Petersen, Johann Christian, Oratio secularis de juris, inprimis publici, prudentia, a tempore reformationis Lutheri, in imperio nostro, insigniter reformata, in majorem festivitatem secundi Jubilaei Lutherani, in Academia Rostochiensi solenniter concelebrati, d. VIII. Novembr. MDCCXVII in Auditorio majori habitu a` Johanne Christiano Petersen , . . . [S. 82–90] zitiert: Oratio secularis Doctoris & Professoris Medicinae, Georgii Dethardingii, Oratio Jubilaea, habita Anno 1717, d. 3. Novembr. in Auditorio maximo [91–100] zitiert: Oratio Jubilaea Pro-Rector & Senatus Academia Kiloniensis ad memoriam anni saecularis secundi, ob caelestem purioremque doctrinam per MARTINUM LUTHERUM, anno MDXVII. die 31 Mensis Octobris, proscriptis Johannis Tezelii nundinationibus, felicissimo auspicio instauratam, inter publica vota & gratulationes jussu decretoque supremi Magistratus die 31 Octobris & sequentibus, agendis DEO pro praestito immortali hoc beneficio gratiis, pio solemnique ritu celebrandam, cujuscunque ordinis ac dignitatis viros, purae emendataeque religionis Fautores, Cultores, Amatores, civesque Academicos, ea qua par est observantia, studio ac humanitate invitant. [S. 100–103] zitiert: Pro-Rector & Senatus Academiae Kiloniensis Quade, Michael Friedrich, Oratio Solennis Secularis, qua de Reformatione ante Lutherum frustra tentata, & post Lutherum Ecclesiae temere intentata, in splendida Panegyri disseruit, simul & Publico Regii, quod Sedini est, Athenaei Nomine, auspicatissimum laetissimumque Ecclesiae Evangelico-Lutheranae Jubilaeum Secundum d. 1. Nov. An. 1717. Superiorum jussu & auctoritate celebravit, Michael Frid. Quadius . . . [S. 104–109] zitiert: Oratio solennis Programm der Universita¨t Altdorf [S. 113–115] zitiert: Rector Universitatis Altorphinae Schwarz, Christian Gottlieb, Hymnus secularis Deo O. M. dictus, cum religionis ante haec duo saecula emendari coeptae memoria celebrata, interprete Christ. Gottl. Schwarzio P. P. zu Altdorf [S. 115] zitiert: Hymnus secularis

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2.3 zitiert nach: Hilaria Evangelica. Das Dritte Buch, Darinnen Die Jubel-Mu¨ntzen ausfu¨hrlich beschrieben werden. Der GOtt zu schuldigsten Ehren, und denen Nachkommen zu danckbaren Andencken, errichtete Ebenezer, Das ist, Die von Ihro Ko¨nigl. Majesta¨t in Da¨nnemarck, Reichs-Fu¨rsten, auch andern Reichs- und der Augspurgischen Confession verwandten Sta¨ndten und Sta¨dten, auf das andere Evangelis. Jubilaeum und dessen unauslo¨schliches Andencken, in Gold und Silber ausgefertigte Medailles und andere Mu¨ntzen / in beho¨rigem Kupffer-Stich dargestellet, und mit einer Erkla¨rung versehen von Christian Schlegeln, Fu¨rstl. Sa¨chs. gesambtem Historiographo, auch Secretario und Antiquario zu Gotha. zitiert: Hil. Ev. III mit Angabe der Tafel (Tab.), auf der die jeweilige Medaille abgebildet ist

3. Gedruckte und handschriftliche Quellen außerhalb der Hilaria Evangelica: Academiae Lipsiensis 5 Pietas 5 In Sacrosanctam 5 Reformationis 5 Divi Lvtheri 5 Memoriam 5 Exhibita 5 Quinquaginta 5 Dissertationibvs 5 Ab Ordinis Theologici 5 Decanis 5 Separatis Temporibvs 5 Pvblico Nomine Conscriptis 5 Et Nvnc Ivnctim Editis 5 Cura 5 Christiani Frid. Boerneri 5 . . . 5 Lipsiae apud Joh. Frid. Gleditischii B. Filium 1717 Exemplar: WLB – Kirch.G.oct. 873 Actorum 5 Eruditorum, 5 Quae 5 Lipsiae Publicantur, 5 Supplementa 5 Tomus VII. 5 . . . 5 Lipsiae, 5 Prostant apud Johan. Grossii Haeredes, 5 Joh. Frid. Gleditschii B. Fil. 5 & 5 Thomam Fritschium 5 Typis Bernhardi Christoph Breitkopfii 5 A. MDCCXXI. Exemplar: SUB. B. – Zsn 43 356 Aepin, Franciscus Albert, Q. D. B. V. 5 Ecclesia Evangelico-Lutherana 5 secundum jubilaeum celebrante, 5 Reformationis5 Lutheranae5 Opus, 5 Opus Divinum Fuisse 5 Dissertatione Historico-Theologica, 5 demonstratur. 5 Idque 5 Consensu Summe Rev. Facultatis Theol. 5 D[ie] . . . Novembr. 5 In Academiae Varniacae Acroaterio, 5 Praeside 5 Franc. Alb. Aepino 5 Theol. Et Phil. D. Log. Prof. 5 Duc. Publ. 5 In gloriam Dei, & B. Lutheri 5 memoriam, 5 publice defensurus est 5 Balthas. Frider. Wittenburg 5 NeoBrandenburg. Meckl. 5 S. S. Th. & Ph. Stud. 5 Rostochii, 5 . . . 5 Anno MDCCXVII. Exemplar: BSB – 4 Diss. 11, Beiband 14 Amseln, Johann, Discursus Juris in Solenni Jubilaei Lutheranorum secundi festivitate Discursus Juris Secundi Festivitate in Regiomontana Universitate in arcis Regiae templo Die II. Novemb. Anno 1717 a` Johanne Amseln . . . solenniter conferente habitus occasione Dispositionis a` B. Martino Luthero post fata relictae in Tomo octavo Lutheri oper. Altenb. f. 846 et in Jcti Sam. Stryckii Tractatu de Cautelis Testamentorum in appendice illustrium Testamentorum N. XIII. exhibitae. Exemplar: ThStAGo, Oberkonsistorium Gotha, Generalia Loc. 26, Nr. 12, Bll. 59–80 Anton, Paul, Tecmirion 5 Gratitudinis 5 pro 5 Praemio 5 Iubilaeo, 5 Oder 5 Zeichen der 5 Danckbarkeit 5 Fu¨r das sogenandte 5 Geistliche Jubel-Geschenck 5 Victorini Sadoletani 5 Welches unter diesem Namen / ein ge- 5 wisser / vor einigen Jahren 5 von der Evange5 lischen / zu der Ro¨misch-Catholischen Kirchen 5 u¨bergetretener Gelehrter / 5 am Zweyten 5 Jubilaeo Reformation. Lutheri 5 In Ober-Schwaben ausgestreuet. 5 Zu gru¨ndlichem Unterricht / und Vermeidung alles 5 Irrthums / in einer soliden Widerlegung 5 aufgerichtet von 5 Sincero Evangelico 5 Leipzig / Gedruckt in diesem zu End eilenden 5 1717. Jahr. Exemplar: WLB – Theol. oct. 16688 –, Vormittags-Predigt u¨ber Mt. 251–13, gehalten am 31.10.1717 in Halle, in: Herrnschmid, Johann Daniel und Anton, Paul, O¨ffentliches Jubel-Zeugnis . . ., Halle 1717 Exemplar: WLB – Kirch.G.qt. 1782–1 Arnold, Jo. Conrad, MNVMOSUNON TVS CARITOS KAI EUCARISTIAS 5 Sive 5 Monumentum Gratiae & Gratiarum Actionis 5 Quod in 5 Liberationi 5 Ex Potestate Tenebrarum 5 a S. Paulo Coloss. I. v. 12. 13. 14. positum, 5 Deo T. O. M. Auxiliante 5

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Summe Reverenda Facultate Theologica Suffragante 5 Praeside 5 Dn. Ioh. Henrico Maio 5 SS. Theol. Doctore Et Profess. Celeberrimo 5 . . . 5 In Memoriam 5 Jubilaei Secundi 5 Reformationis Lutherano-Evangelicae, 5 Loco 5 Disputationis Inauguralis 5 Pro Rite Obtinendis Juribus Ac Privilegiis 5 Doctoratus Theologici, 5 Repetiit, Et Benevolo Solennique Examini 5 Excellentiss. Dnn. Professorum ac Collegarum 5 Submittit, 5 M. Ioh. Conradus Arnold 5 Log. Et Metaphys. Professor P. Ordin. 5 D. II. Decembr. A. S. R. MDCCXVII. Exemplar: SUB. B. – Bd 8603–115 Arpe, Peter Friedrich, Programma 5 Quo 5 Anno Seculari Secundo 5 Veritatis Postliminio 5 Restitutae 5 Consensu Inclyti Ictorum Ordinis 5 Ad 5 Lectiones Publicas 5 De 5 Iure Pontifi- 5 Cali Romae 5 Veteris Et Novae 5 Ad Diem Xv. Novembris 5 Instituendas. 5 Bonarum Literarum Studiosos 5 Ea Qua Par Est Humanitate 5 Invitat.5 Petr. Frid. Arpe, 5 Kiliae, 5 Typis Bartholdi Reutheri, Acad. Typogr. Ao. Mdccxvii. Exemplar: SUB.HH – 7 an A/ 302 584 Baer, Joh. Gottl., Daß Lutherum die wahre Religion wiederum hervorgebracht, Halle 1717 Exemplar: ThStAGo – Oberkonsist. Gen. Loc. 26/17 Baier, Joh. Wilh., D. Martini LVtheri 5 Theses 5 Indvlgentiarvm Papalivm 5 Nvndinationi Qvondam Oppositae 5 Nvnc 5 Piae Memoriae Et Exercitationis Causa 5 In Vicem Dissertationis Circularis 5 Iterato Exhibitae 5 D. III. Novembr. A. R. S. . . . 5 Praeside 5 Iohanne Guilielmo Baiero 5 . . . 5 Respondente 5 M. Mathia Asp 5 . . . 5 Altorfi Noric. 5 Excudit Iod. Gvil. Kohlesivs Acad. Typogr. 5 Exemplar: SLB. DD – Hist. Eccl. E 278, 8 Beck, Achatius, De 5 Iurisprudentia 5 Per Emendationem 5 Religionis 5 Reformata 5 . . . 5 Praeside 5 C. Achatio Beckio 5 In Memoriam Iubilaei 5 Ab Reformata Religione II 5 Pvblico Ervditorvm Examini Subiicit 5 Georg Gabriel Slevogtius 5 . . . Ad Diem . . . Dec. A. R.aS. 1717 Exemplar: HAB – Rb 44 Behm, Joh., Brevis resolutio Quaestionis Doctoralis propositae in actu promotionis a Joh. Henrico Lysio . . . Anno 1717 d. 2. Novembr. Altero Ecclesia Evangelicae Jubilaeo Exemplar: ThStAGo – Oberkonsistorium Gotha, Generalia Loc. 26, Nr. 12, Bll. 50–54 Bey 5 Dem Andern 5 Evangelisch-Lutherischen 5 Jubel-Feste / 5 Welches Anno 1717 d. 31. Octobris 5 Auff diesem weitberu¨hmten Varn-Athen 5 solenniter gefeyret wurde / 5 Wolten sich 5 Zu Bezeugung hertzlicher Freude 5 u¨ber sothaner hohen Glu¨ckseligkeit 5 so schuldig als willige einfinden / 5 Ihro Magnificence des Herrn Prof. Arndii 5 Gesampte Tisch-Compagnie. 5 Rostock 5 Gedruckt bey Niclas Schwiegerau / E. E. Raths Buchdrucker. Exemplar: LBMV – Mklbg g 896/10 [Bo¨hmer, Justus Christoph ] Ivsti Christophori Bo¨hmer, D. 5 Theol. Et Eloqv. Prof. Ordin. 5 Fasces Academici 5 Ter Svscepti Positiqve . 5 Accedit Oratio Secvlaris 5 in Ivbilaevm Secvndvm. 5 Helmstadii 5 Typis Herman. Dan. Hammii Acad. Typogr. 5 MDCCXVIII. Exemplar: WLB – Philos. Diss. 127 Ders., Programma 5 Quo Orationem 5 De Bonis Litteris 5 Per Reformationem Lutheri 5 Magis Efflorescentibus 5 A Praestantissimo Ivvene 5 Io. Gerardo Sprengel . . . 5 Sanctioris Doctrinae Studioso 5 A. D. XI. Novembris 1717 5 In Iuleo Maiori 5 Memoriter Habendam Indicit 5 Justus Christopherus Bo¨hmer, D. 5 . . . 5 Helmstadii 5 Typis Herman. Daniel. Hammii Acad. Typograph. [1717] Exemplar: SUB. GO¨ – BIBL II 2857 Boye, Jo. Ludwig, Dissertatio 5 De Cognomentis 5 B. D. Martino Luthero, 5 ob 5 Reformationem & merita 5 A Piis Majoribus Inditis, 5 Quam, 5 SECVNDO LVTHERANORVM IOBILAEO, 5 praemittit 5 Orationi Seculari 5 Jo. Ludovicus Boye 5 Illustr. Gymnasii Durlacensi Rector, 5 & S. S. Theol. ac. Philosoph. Professor. 5 Durlaci . . . 1717 Exemplar: SLB. DD – Biogr. erud. D. 1614, 14 Breithaupt, Johann Justus, 5 Ad 5 Lectiones Cvrsorias, 5 easque Saecvlares, 5 Et 5 Dispvtat. Inavgvralem 5 Dignissimi Doctorandi, 5 Dn. Ioannis Henrici 5 Michaelis,

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5 S. Theol. Et Lingvarvm Orientalivm Professoris Ordinarii, 5 . . . 5 Invitat 5 D. Ioach. Ivstvs Breithavpt 5 Halae Magdeburgicae, Typis Christiani Henckelii 5 Exemplar: WLB – Theol. Diss. 1578 –, Q. D. O. M. B. V. 5 Ad 5 Lectiones Cvrsorias, 5 easque Saecvlares, 5 Dispvtationem Inavgvralem 5 Dignissimi Doctorandi, 5 Dn. Ioach. Langii, 5 S. Theologiae in Academia Regia 5 Fridericiana Professoris 5 Ordinarii, 5 Ex Decreto 5 ordinis Theologici, 5 Sacrarvm Litterarvm Favtores 5 Atqve Cvltores 5 Invitat 5 D. Ioach. Ivstvs Breithavpt 5 . . . 5 Halae Magdebvrgicae, 5 . . . 5 . Exemplar: SUB. B – At 1006 Buddeus, Jo. Franciscus, Collectio Nova 5 Epistolarvm 5 Martini LVtheri, 5 Occasione Ivbilaei 5 Evangelici In 5 Lvcem Data, 5 Cvm Dissertatione Praeliminari 5 De 5 Avcta Insigniter, Per Recentissimas Qvas- 5 Dam Epistolarvm Collectiones, Re Litte- 5 raria Et Ecclesiastica, 5 Nec Non 5 Nova Praefatione Apologetica 5 Io. Francisci Buddei, 5 . . . 5 Halae. Magdeburgicae, 5 Typis Et Impensis Orphanotrophii, 5 MDCCXVII Exemplar: WLB – Kirch. G. qt. 1337 –, Dissertationem Theologicam 5 De 5 Characteribus 5 Verae Reformationis 5 Ad5 B. Lvtheri Reformationem 5 Ante Dvo Secvla Svsceptam 5 Applicatis 5 In Memoriam Secvndi Ecclesiae Evangelico-Lvtheranae 5 Ivbilaei 5 . . . 5 In Alma Salana 5 Praeside 5 Ioanne Francisco Bvddeo 5 . . . 5 Die . . . Novemb. Mdccxvii 5 Solenni Ervditorvm Examini Svbmittet 5 Avtor 5 Ioannes Leonhardvs Froereisen, 5 . . . 5 Ienae, 5 Prelo Mulleriano. Exemplar: WLB – Theol. Diss. 11 –, Divinae Providentia 5 Circa 5 Ecclesiae Reformationem 5 A. B. Martino Lvthero 5 Svsceptam 5 Assertio 5 Qvam 5 In Memoriam Secvndi Ecclesiae Lvtheranae Ivbilaei 5 . . . 5 Praeside, 5 Ioanne Francisco Buddeo 5 Dissertatione Theologico Historica 5 Die XXVI. Ivnii Anni Mdccxvii 5 Benevolis Ervditorvm Ocvlis Modestoqve Examini 5 Svbiicit 5 Respondens Et Avctor 5 M. Georg Oldekop . . . 5 Ienae Litteris Mvllerianis Exemplar: WLB – Theol. Diss. 11 –, Ivdicivm 5 B. Martini Lvtheri 5 Ecclesia Romana 5 Expensvm Et Vindicatvm 5 Dissertatione Theologica 5 Qvam 5 Inter Ipsa Secvndi Ecclesiae Lvtheranae 5 Ivbilaei in Academia Ienensi 5 Solennia 5 . . . 5 Praeside 5 Ioanne Francisco Bvddeo 5 . . . 5 Proseqvendo 5 D. V. Novemb. Mdccxvii 5 Pvblico Ervditorvm Examini Svbiicit 5 M. Andreas Langhansen 5 . . . 5 Ienae 5 Typis Mvllerianis. Exemplar: WLB – Theol. Diss. 11 –, Dissertatio Historica Theologica 5 De 5 Pontificibvs Romanis 5 Qvi 5 Reformationem Ecclesiae 5 Frvstra Tentarvnt 5 Qvam Memoriam Secvndi Evangelicae Ivbilaei 5 . . . 5 Praeside 5 Ioanne Francisco Bvddeo 5 . . . 5 Menso Febrvarii Mdccxvii 5 Modestae Ervditorvm Disqvisitioni Svbiicit 5 Avctor Et Respondens 5 Ioannes Chilianvs Eccard 5 Hannoveranvs 5 Ienae 5 Aere Mvlleriano. Exemplar: WLB – Theol. Diss. 11 Burgmann, Jacob, Oratio Rectoralis Introductoria in Ipsa Jubilaei Lutherano Evangelici Secundi festivitate habita 1717 d. 4. Nov. a Jacobo Burgmanno, Graec. lit. P. P. O. Facult. Philosoph. Seniore et h. t. Decano, Ecclesiae Nicolaitanae Pastore 5 cum abs Viro illustr. atq. Excellentissimo, Joh. Ernst Schapero . . . Universitatis seniore, Rectore Universitatis hactenus Magnifico Academiae Sceptra ipsi tradentur. Exemplar: ThStAGo – Sign.: Oberkonsistorium Generalia Loc. 26, Nr. 11, Bll. 134–143 –, M. Jacob. Burgmannus 5 . . . 5 Ad 5 Jubilaeum, 5 Qvod Hactenus Devote Celebravimus, 5 Lutherano-Evangelicum, Idqve Se- 5 cundum Rite Deoqve Placenter 5 Concludendum, 5 Et Ideo Benevole Audiendam 5 Orationem Gaudii Hujus 5 Secularis Ultimam, 5 Qvam 5 . . . 5 David Henricus 5 Koepkenius. 5 . . . 5 De Inaestumabili Utilitate, Ex Arduo Reformationis Opere, Ad Omnes Me- 5 klenburgicae Regionis In- 5 colas Derivata, 5 . . . 5 Invitat. 5 Rostochii 5 Exemplar: LBMV – Mkl h 2395

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Carmon, Jacob, Ad 5 Continuandum Magnum Seculi Lutherani 5 Jubilaeum, 5 Ac 5 Audiendam Orationem publicam Academicam 5 De 5 Religione Lutherana 5 Sub imagine 5 Petrae Ab Alto Eminentis, 5 cum lemmate: 5 Fluctibus Tacta: Non Fracta. 5 Qvam 5 . . . 5 Die XI. Novembri. Ao. MDCCXVII. Hor. X Matut. 5 In Auditorio Majori habebit 5 Nobilissimus & clare Doctus Dn. Laur. Joh. Friedr. Dihn, 5 . . . 5 submisse & officiose invitat Jacobus Carmon / . . . 5 Rostochii 5 Exemplar: LBMV – Mkl h 2395 –, Cantata 5 Welche 5 Als das 5 Grosse Lutherische Jubel-Fest 5 So 5 Unter der glu¨cklichen Regierung / 5 Des Durchlauchtigsten 5 Fu¨rsten und Herrn / 5 Herrn Carol 5 Leopolds / 5 . . . 5 Der Academie zu Rostock Patroni und Cancel- 5 larii Magnificentissimi, 5 Unsers gna¨digsten Fu¨rsten und Herrn / 5 Und Sr. Hoch-Fu¨rstl. Durchl. Gna¨digster Verordnung / 5 Wie in den Hochfu¨rstl. Mecklenb. gesammten Landen / also auch in Dero untertha¨- 5 nigster Universita¨t zu Rostock ho¨chst-feyerlich 5 den 2. Nov. A. 1717 begangen worden / 5 Bey der / im gro¨ssesten Auditorio gehaltenen Oration, in / zwischen und unter 5 derselben musiciret und dazu entworffen ward 5 Von 5 Jacobo Carmon / . . . 5 Rostock. Exemplar: LBMV – Mkl h 2395 –, Oratio in natalem Serenissimi Principi regnantis Mecklenb. Caroli Leopoldi, inter gaudia secularia Lutherana, d. 26. Nov. 1717, in Auditorio maximo Universit. Rostoch. habita a J. Carmon &c. Exemplar:ThStAGo – Sign.: Oberkonsistorium Generalia Loc. 26, Nr. 11, Bll. 144–165 –, Teutsche Jubel-Rede von Luthero &c bey dem zum andern mal in den Lutherischen Kirchen celebrirten 100ja¨hrigen Jubilaeo, auf der Universita¨t zu Rostock in dem gro¨ßten Auditorio gehalten von Jacob Carmon &c. Exemplar:ThStAGo – Oberkonsistorium Generalia Loc. 26, Nr. 11, Bll. 106–133 –, Zur Ferneren Continuation 5 Des grossen 5 Lutherischen Jubel-Festes 5 Und 5 Anho¨rung einer in dem gro¨sten Auditorio den 16. Nov. 5 Anno 1717 zu haltender 5 Rede 5 Von denen sonderlichen Merckwu¨rdigkeiten des Lebens 5 Johannis Fri- 5 Derici I. 5 Churfu¨rsten zu Sachsen glorwu¨rd. und Herrn / 5 Welche unter ho¨chster Vergo¨nstigung 5 Des 5 Durchlauchtigsten Fu¨rsten und Herrn / 5 . . . 5 halten wird 5 Herr Christoph. Fried. Wolffrath / 5 . . . 5 Solte 5 Magn. D. Rectorem, die Hochfu¨rstl. Herrn Ra¨the aller Collegiorum, der Academie 5 und Stadt-Obrigkeit / aller Faculta¨ten Professores, Doctores, die Herrn Prediger / 5 und deren sa¨mtl. Glieder und Bu¨rger gehorsamst einladen. 5 J. Carmon . . . 5 Rostock . . . 5 Exemplar: LBMV – Mkl h 2395 Chladenius, Martin, Collegii Theologici 5 In Academia VVittenbergensi 5 Hoc tempore 5 Decanvs 5 et 5 Procancellarivs 5 Martinvs 5 Chladenivs 5 SS. Theol. Doct. Ejvsd. Prof. Pvbl. Ord. 5 Et Alvmnorvm Regio-Electoral. 5 Ephorvs 5 Sollennia 5 Doctorvm 5 hoc Ipso Die V. Novembris 5 In Templo Academico 5 Pvblice Creandorvm 5 Lectoribvs Benevolis 5 Indicat 5 Omnesqve Ac Singvlos 5 Ad Ea Frequentanda 5 Qva Par Est Observantia et Hvmanitate 5 Inivitat (zitiert: Solennia Doctorum) Exemplar: SLB. DD – Biogr. erud. D. 1613, 46 –, Dissertatio Theologica Inavgvralis 5 Eaqve Prior 5 Adversvs 5 Lamindvm 5 Pritanivm 5 Vindicans 5 Methodvm 5 Evangelicorvm 5 In 5 Inquirenda Veritate Coelesti 5 Qvam 5 Rectore Academiae Magnificentissimo 5 Serenissimo Prinicipe Ac Domino 5 Dn. Friderico Avgvsto 5 principe Regio Et Electoratvs Saxonici 5 Herede, Etc. 5 Praeside 5 Martino Chladenio 5 SS. Theol. Doct. Ejvsdemqve Prof. Pvbl. 5 Alvmnorvm Regio-Electoralivm Ephoro 5 Et Ord. Theol. H. T. Decano 5 Pro Licentia 5 Svmmos In Theologia Honores Conseqvendi 5 Die IV. Novembr. Anni Secvlaris MDCCXVII 5 Horis Ante Et Post Meridiem Statis 5 Defendet 5 M. Albertvs Bo¨ttichervs 5 Ecclesiae Kirchhaynensis Pastor Primarivs Et Circvmjacentivm Svb Circvlo Dobrilvccensi 5 Svperintendens 5 VVittenbergae. Stanno Gerdesiano. Exemplar: BSB – 4o Diss. 2530

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–, Dispvtatio Theologica 5 Posterior 5 Adversvs 5 Lamindvm Pritanivm 5 Excvtiens Ac Refellens 5 Methodvm 5 Pontificiorvm 5 in 5 Veritate Coelesti 5 5 Qvam 5 Rectore Academiae Magnificentissimo 5 Serenissimo Principe Ac Domino 5 Dn. Friderico Avgvsto 5 principe Regio Et Electoratvs Saxonici 5 Herede, Etc. 5 Praeside 5 Martino Chladenio 5 SS. Theol. Doct. Ejvsdemqve Prof. Pvbl. 5 Alvmnorvm RegioElectoralivm Ephoro 5 Et Ord. Theol. H. T. Decano 5 Pvblicae Ventilationi 5 Svbmittet 5 Atqve Defendet 5 M. Jo. Georgivs VVernervs 5 Koenigsteinensis Misnicvs 5 In Avditorio Majori 5 Die XVI. Novembris 5 Anni Secvlaris Mdccxvii 5 VVittenbergae, Stanno Gerdesiano. Exemplar: BSB – 4b Diss. 3095. 3 –, Dissertatio Theologica 5 De 5 Israelis 5 in 5 Sva Religione 5 Constantia 5 Ex Josua cap. XXIV., v. 15 & 16. 5 Qvam 5 Rectore Academiae Magnificentissimo 5 Serenissimo principe Ac Domino 5 Dn. Friderico Avgvsto 5 Prinicipe Regio et Electoratvs Saxonici 5 Herede, Etc. 5 Praeside 5 Martino Chladenio 5 SS. Theol. Doct. Ejvsdemqve Prof. Pvb. 5 Alvmnorvm Regio-Electoralivm Ephoro 5 In Festi Secvlaris Memoriam 5 Die IX. Novembr. Anno MDCCXVII 5 Pvblicae Disqvisitioni 5 In Cathedra D. Lvtheri 5 Svbjiciet 5 Avtor Et Respondens 5 Jacobvs FridericVs Jvngivs 5 Tvbinganvs 5 Philos. Magister Et Poeta Lavr. 5 VVittenbergae, Stanno Gerdesiano. Exemplar: BSB. Mu¨nchen – 4b Diss. 3317, 15 –, Dissertatio Theologica II 5 Sistens 5 Examen Doctrinae 5 Quesnelli- 5 Anae 5 De Ecclesia 5 Eivsqve 5 Membris et Capite 5 Bvlla Papali Condemnatae 5 Qvam 5 Rectore Acadedmiae magnificentissimo 5 Serenissimo Principe Regio 5 Dn. Friderico Avugvsto 5 Electoratvs Saxonici Herede 5 Praeside 5 Martino Chladenio 5 SS. Theol. Doct. Eivsdemq. Prof. Pvbl. Ord. 5 et alvmn. Regio-elect. Ephoro 5 Die XXIII. Mart. A. O. R. MDCCXVII. 5 Defendet 5 M. Joach. Melchior Wernervs 5 Vfhofio-Thvringvs. 5 Vitembergae . . . 5 Exemplar: WLB – Theol. Diss. 1839 –, Facvltatis Theologicae 5 In Academia Wittebergensi 5 Decanvs 5 Martinvs Chladenivs 5 . . . 5 Lectoribvs Benevolis 5 Quicquid Favstvm Est Ac Voto Concipi Potest 5 Ex Animo 5 Precatvr 5. (zitiert: De miraculo reformationis opere) Exemplar: UB Leipzig – Kirch. G. 1000 –, Lectoribvs Benevolis 5 Jvbilaea 5 Pie Riteqve Transacta 5 Gratvlatvr 5 Martinvs 5 Chladenivs 5 SS. Theol. D. Ejvsdemqve P. P. 5 Regio-Electoralivm Alvmnorvm Ephorvs 5 Et h. t. Ordin. Theolog. Decanvs 5 Dicamqve 5 illis scriptam 5 idoneis Rervm Argvmenti 5 dilvit. Exemplar: SUB. GO¨ – 8 BIBL II, 2857 –, Theses 5 D. Martini Lutheri 5 Adversus 5 Indulgentias 5 Prid. Cal. Nov. 5 A. O. R. MDXVII. 5 Wittebergae 5 Valvis Templi Ad Arcem 5 Affixae. 5 Recusae Sunt 5 A. O. R. MDCCXVII. 5 Mantissam 5 Adjecit 5 Martinus Chladenius D. 5 . . . 5 Vitembergae 5 Praelo Viduae Gerdesianae Exemplar: SUB. GO¨ – Bibl. II 2857 –, Im Nahmen JESU! 5 Das 5 Unschuldige Frolocken 5 in den Hu¨tten der Gerechten 5 Das ist: 5 Drey Evangelische 5 Jubel-Predigten 5 Welche 5 An dem durch GOttes Gnade begangenen Drey-Ta¨gigen 5 Jubel-Fest 5 Anno 1717. 5 in der o¨ffentlichen Gemeinde des HErrn 5 zu WITTENBERG 5 gehalten 5 Und zu Gottseliger Christen Erbauung 5 auf Begehren durch den Druck mitgetheilet worden 5 von 5 MARTINO CHLADENIO 5 . . . 5 WITTENBERG, Druckts und verlegts die Gerdesische Witwe. Exemplar: Bibliothek der Franckeschen-Stiftungen Halle/Saale – Sign: 181 C 1 [11] Cling, Franciscus, Die 5 Bey dem ietzo herannahenden zweyten 5 Evangelisch-Lutherischen 5 Jubel-Fest 5 Treuhertzige Warnung 5 Fu¨r 5 Abfall 5 Von 5 Der Lutherischen 5 Zur 5 Papistischen Lehre, 5 Und 5 Ernstliche Vermahnung an die Ab- 5 gefallene zur Wiederkehre 5 . . . 5 Benebenst einer Vorrede D. Immanuel Horns . . . 5 Zum drittenmahl gedruckt. 5 Halle, 1717. Exemplar: HAB – Tm 266

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[Coler, Joa. Christoph] Joh. Christoph Coleri 5 Der Philosophischen Faculta¨t in Wittenberg 5 Assessoris, 5 Kurtze und bescheidene 5 Anmerckungen 5 U¨ber Tit. 5 Herrn Johann Peter Ludwig 5 Beru¨hmten Prof. und JC. zu Halle 5 so genannte 5 Dicam 5 Jvbileorvm 5 Darin Er die gemeinen Jubel-Feste u¨berhaupt / 5 und die Solennien eines Lutherischen Jvbilei insond- 5 derheit / zu mißbilligen / und dafu¨r zu warnen / sich Mu¨he gegeben. 5 Wittenberg, 5 Bey Christian Gottlieb Ludwigen / 5 1718. Exemplar: WLB – Kirch.G.qt. 1111 Conspectvs 5 Lectionvm, 5 Qvas Collegivm Theolo- 5 gorvm 5 Instanti Semestri 5 Aestivo, 5 Volente Deo Pvblice Et Privatim 5 Habebit, In Gratiam Stvdiosae 5 Ivventvtis Pavlo Vberivs 5 Propositvs: 5 Anno Ecclesiae Evangelicae 5 Secvlari 5 1717 5 Halae Magdebvrgicae 5 . . . 5 Exemplar: HAB – Pd 370 (1) Cum Duplicantur Late – 5 res, Venit Moses 5 Das ist /5 Den 5 Hoch-Ehrwu¨rdigen / und Hoch- 5 gelahrten Herrn /5 Herrn Martinum 5 Lutherum, 5 Weyland Hochberu¨hmten Doct. S.S. Theol. und 5 Prof. Publ. zu Wittenberg / 5 Als 5 Den Mosen unserer Zeit /5 Will 5 An dem frohen Geda¨chtniß-Tage der heilsamen 5 Reformation 5 Anno 1717. den 31. Octobr. 5 Dem 5 Grossen GOTT zu Ehren 5 Aus ho¨chst-erfreutem Gemu¨the praesentiren 5 Die auff der Rostockischen Universita¨t studirende 5 Hamburg- und Lu¨beckische Nation. 5 Rostock . . .5 Exemplar: LBMV – Mkl h 2395 Cyprian, Ernst Salomon, Hilaria Evangelica, 5 Oder 5 Historische 5 Beschreibung 5 des Andern 5 Evangel. Jubel-Festes, 5 Mit beygefu¨gten 5 Instructionen, Directoriis, Ver- 5 ordnungen und andern Anstalten der 5 Evangelischen Ko¨nige, Churfu¨rsten, Fu¨rsten, 5 Grafen, Sta¨dten und andern Obrigkeiten, 5 Auch 5 Denen Programmatibus der Universita¨- 5 ten, auserlesenen Predigten vornehmer Theo- 5 logorum, Kunst-Platten der Geda¨chtniß-Mu¨ntzen, so 5 viele man derer habhaft werden ko¨nnen, zur Ehre GOttes 5 und Ermunterung der Posterita¨t 5 abgefasset 5 von 5 Ernst Salomon Cyprian 5 der h. Schrift Doctor, Consistorial-Rath zu Gotha 5 Leipzig, im Verlag M. G. Weidmanns, 1718. Exemplar: HAB – M: Tp 97 Cyprian, Johannes, ApostasIa 5 a 5 ChrIsto & eIVsDeM 5 gratIa, InstItVta 5 per opera LegaLIa, 5 Ex Emphatico Loco Paulino 5 Gal. V. vers. 4 5 Demonstrata, 5 Qvam 5 in Academia Lipsiensi, 5 Triuno Jehova Juvante 5 et 5 Auctoritate Facultatis Theologiae Indulgente, 5 Sub Moderamine 5 Dn. Johannis Cypriani, 5 SS. Theologiae Doctori et Professoris Publici 5 Ordinarii, Canonci Misenensis et Alumnorum 5 Regio Elcectoralium Ephori, 5 Patroni Et Studiorum Suorum Promotoris Omni Pie- 5 tatis Cultu Venerandi, 5 Solenni theologorum Disquisitioni 5 Anno Magno IVbILaeo LVtherano seCVndDo, 5 D. XXX. Novembris. 5 In Auditorio Paulino 5 Submittet 5 Auctor 5 M. Traugott Immanuel Jerichovius, 5 Loebavia-Lusatus. 5 Lispsiae, Literis Schedianis. Exemplar: SUB. B – Bd 8603–112 –, Cum Deo 5 Fundamentum 5 Ecclesiae Evan- 5 gelicae Unicum, Cla- 5 rum, Infallibile, 5 In Disputatione Theologica 5 Ad 5 Solennissimam Celebrationem 5 Anni Secundi Secularis 5 A 5 Refrmata Per B. Lutherum 5 Ecclesia 5 Arguitive Assertum, 5 in 5 Academia Lipsiensi 5 Praeses 5 Dn. Johannes Cyprianus, 5 Theologiae Professor Ordinarius 5 & 5 Respondens 5 M. Benedictus Gottlob Clauswitz 5 S. Th. Baccal. Et Ad Aed. S. Petri Catech. 5 In Auditorio Inferiore Major. Princip. Collegii 5 Horis 5 Matutinis 5 Die V. Novembr. Anno Christiano MDCXVII. 5 Defendent 5 Lipsiae 5 Literis Andreae Martini Schedii. Exemplar: WLB – Theol. Diss. 2001 Damm, Von schuldiger Danckbarkeit gegen Gott wegen der Reformation, Halle Exemplar: ThStAGo- Sign.: Oberkonsist. Gen. Loc. 26/17 Das 5 Christ-erfreuliche / und Ho¨chst-ru¨hm- 5 liche Danck- und Ehrengeda¨chtnis 5 Der 5 Evangelisch-Lutherischen Kirche / 5 Welches 5 Unter Allma¨chtigen und Gna¨digen Schutze 5 Des Glorwu¨rdigsten und Majesta¨tischen 5 Ehren-Ko¨niges JEsu / 5 Nach verflossenem Andern Jahr-Hundert / 5 Der ho¨chst-seeligen 5 Reformation, 5 Zum andern-

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mahl 5 Herrlich und beglu¨ckt celebriret ward / 5 Wolten 5 Zur Bezeugung ihrer innigsten Hertzens-Danckbarkeit 5 gegen dem 5 Dreyeinigen Gott / 5 Aus schuldigster HochAchtung 5 Des theuren Mannes Gottes Lutheri, 5 Bey vielen tausend Lob- und DanckStimmen / 5 Aller rechtschaffenen Glaubens-Genossen 5 Mittelst diesen demu¨thigen 5 Zeilen / 5 Am 2. Novembr: dieses frohen Jubel-Jahres 1717. 5 In tieffster Devotion 5 Erneuren helffen / 5 Die in Rostock Studirende sa¨mtliche Mecklenburger 5 Rostock . . . 5 Exemplar: LBMV – Mkl h 2395 Danz, Joh. Andr., 5 Sinceritas Scripturae V. T. 5 Suspicione Erroris 5 in Decade Exemplorum, Abbraneli, 5 ac asseclis incusatorum abstersa, 5 Eluctans. 5 Quam 5 divina aspirante clementia, 5 Sub Auspiciis 5 Serenissimorvm Saxoniae Dvcvm, 5 Speciminis Loco, 5 ad 5 Paradoxon Papatus Judaicum 5 de corruptis Scripturae locis per Masoram emendatis, 5 Enervandum, 5 in Festo memoriae Reformationis, 5 per B. Martinum Lutherum, ante duo abhinc Secula 5 susceptae, consecrato, 5 placidae Eruditorum disquisitioni 5 submittit 5 Joh. Andr. Danz, SS. Th. D. 5 ejusque & Sacr. ac Orient. Lingv. P. P. 5 de Exemplo primo vice iterata 5 Respondente 5 M. Johanne Henrico Olpio 5 Aggeripont. Thuring. 5 D. VI. Novembr. A. C. MDCCXVII. 5 Jenae, Litteris Nisianis excudebat Jo. Volkm. Marckgraf. Exemplar: WLB – Theol. Diss. 2041 Detharding, Georg, Programma, 5 Qvo 5 Decanus Facultatis Medicae 5 Georgius Detharding, 5 . . . 5 Ad 5 Orationem Panegyricam, 5 De Meritis Lutheri 5 In 5 Artem Medicam, 5 In Memoriam Et Festivitatem 5 Secundi Jubilaei 5 Lutherani, 5 a se 5 Ad diem 3. Novembr. Anno MDCCXVII. 5 hora decima matutina 5 habendam, 5 . . . 5 Omni studio & officio 5 invitat. 5 Rostochi, 5 . . . 5 Exemplar: LBMV – Mkl h 2395. Dihn, Laurent. Joh. Frid., Lutherana 5 Religio 5 Sub Imagine 5 Petrae Ab Alto 5 Eminentis 5 Cum Lemmate 5 Fluctibus Tacta: Non Fracta 5 Oratione descripta, atqve in Secundo 5 Lutheranorum Festo Jubilaeo 5 In Academiae Rostochiensis Auditorio Majori 5 Anno MDCCXVII d. XI. Novembr. 5 publice recitata 5 a 5 Laurent. Joh. Frid. Dihn, 5 . . . 5 Rostochii, Typis Joh. Wepplingi, Seren. Princ. 5 & Univ. Typogr. Exemplar: LBMV – Schmidt 16, Nr. 10 Dithmar, Just. Chr., Justi Christoph. Dithmari, 5 . . . 5 Entwurff 5 Der 5 Reformations- 5 Historie / 5 Biß auf den Augsburgischen 5 Religions-Frieden 5 Zu mehrer Erkla¨rung in seinen pu- 5 bliquen Lectionen 5 Aus Gelegenheit 5 Des ku¨nftigen 31. Octob. dieses Jahres 1717. 5 Einfallenden 5 Zweyten Jubilaei-Reformationis. 5 Franckfurt an der Oder / 5 Zu finden bey Johann Gottfried Conradi. SLB. DD – Hist. Brand. 219, misc. 2 Do¨ring, Johann Philipp Die 5 Denckwu¨rdigsten 5 Verdienste 5 derer 5 Durchlauchtigsten 5 Churfu¨rstinnen zu Sachsen, 5 gegen die wahre Evangelische Religion / 5 Wie auch 5 Was wegen derselben in der Stadt Torgau nach der Reformation D. Martini Lutheri vorgegangen, in einer kur- 5 tzen Rede am Fest des andern Evangelisch-Lutherischen Jubilaei entworffen, 5 auch mit alleruntertha¨nigster Zuschrift an Ihre Ko¨nigl. Maj. 5 u¨bergeben 5 von 5 Lic. Johann Philipp Do¨ringen, 5 zu Torgau 5 Auff grosses Verlangen zum Druck gebracht / 5 Durch Kosten guter Freunde. 5 Anno 1718 5 Exemplar: HAB – Ts 67 (1) Engelken, Hermann Christoph, Dissertatio Jubilaeo-Academica 5 De 5 Dogmate 5 Transsub- 5 Stantiationis, 5 Non Articulo Fidei, 5 Sed Errore Enormi 5 Contra Pontificios Etiam Recentissi- 5 mos Syncretistas, 5 Qvam 5 Adjuvante Patre Coelesti, 5 Consentiente Rev. Fcte. Theologica, 5 Praeside 5 Hermanno Christo- 5 phoro Engelken / 5 S.S. Theol. Doct. Ejusdemqve Profess. Publ. 5 Ordinario, Ac Facultatis Suae h. t. Decano, 5 Nec Non Ad Aedem Johannis Pastore, 5 Ipso laeto secundi Jubilaei Evangelici tempore, 5 In Alma Rostochiensi, 5 Ejusqve 5 Acroaterio Maximo horis Consvetis, 5 Anno Christi MDCCXVII. Die XV. Novembr. 5 Solenni Eruditorum censurae submittit 5 Johannes Casparus Lindeman / 5 Rostoc. S. S. Theol. Studiosus. 5 Rostochii, Typis Joh. Wepplingi, Sereniss. Princ. 5 & Univ. Typogr. Exemplar: WLB – Theol. Diss. 2236

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Faschius, Joh. Aug., Das wahre reine 5 Lutherthum 5 Der Welt-beru¨hmten Vniversita¨t 5 J E N A 5 Wolte 5 Bey 5 Celebrirung 5 Des Andern Evangelischen 5 Jvbilaei 5 und 5 DanckFestes 5 Aus tieffster Ehrerbietung 5 Gegen den Allerheiligsten Dreyeinigen Gott 5 und gehorsamster Observance 5 Gegen den sa¨mbtl. Hochlo¨bl. Senatvm Academ- 5 micvm Ho¨chstgedachter Vniversita¨t 5 schuldigster massen vorstellen 5 Io. Avgvstinvs Faschivs, 5 Medicus & Poeta. 5 Ienae, d. XXXI. Octobr. MDCCXVII 5 Gedruckt mit Wertherischen Schrifften. Exemplar: SAA 3 – Yc 469 (19) Die durch Lutherum 5 Vertriebene Finsternis 5 In 5 Vernunfft- und Glaubens-Sachen / 5 Wolten / 5 Als das 5 Luthersche 5 Jubel-Fest 5 Zum Andernmahl 5 Auff der Universitaet zu Rostock / 5 Anno 1717. den 3. Novemb. solenniter celebri- 5 ret wurde / 5 In vergnu¨gten Andencken 5 erwegen / 5 Und ihre Freude u¨ber dem 5 Auffgegangenen Licht der Wahrheit 5 am Tage legen / 5 Die hieselbst studirende / 5 Strelitz-Mecklenburger. 5 Rostock 5 . . . 5 Exemplar: LBMV – Mkl h 2395 Foertsch, Michael, Dissertatio Theologica 5 De 5 Ordine 5 Sanctificationis 5 Eivsqve 5 Tvrbamentis, 5 De 5 Qva 5 Instante Altero Ivbileo Lvtherano, 5 Praemissa A Praeside Oratione 5 Solenni D. IV. Nov. MDCCXVII. 5 De Nervis Jvstificationis 5 Coram Deo 5 Svb Papatv Tvrbatis, et Rvptis 5 Sed 5 A Lvthero Detectis et Restitvtis, 5 Cev 5 Principali Reformationis Scopo: 5 Praeside 5 Michaele Foertischio, 5 SS. Theol. Doctore, et Prof. Prim. Seniore 5 Facultatis Et Decano H. T. 5 D. XI. Nov. MDCXVII 5 Respondebit 5 Philippvs Conradvs Satler, 5 Oldendorpo-Hannoveranvs. 5 Ienae, 5 In Officinia Wertheriana Exemplar: WLB – Theol. Diss. 2489 Francke, August Herrmann, Oratio Jubilaea de reformatione academiarum evangelio digna per D. Mart. Lutherum coepta et posteris commendata, quam ipso anno ecclesiae evangelicae jubilaeo, nimirum MDCCXVII, die XII. Iul., cum annuum academiae Fridericianae regimen successori esset traditurus, in solenni panegyri habuit Augustus Herm. Franckius, Halle 1721. Exemplar: ULB. Halle – Ib 2935 –, Predigt u¨ber Mattha¨us 9, 18–26, in: Sonn- und Fest-Tags-Predigten, 5 Welche 5 Theils in Halle / theils an verschiedenen auswa¨rtigen Oertern von wichtigen und auserlesenen Materien gehalten worden 5 . . . 5 Halle 1728, S. 1623–1645 –, Die 5 Freude 5 im Herrn / 5 In einer 5 Zum Beschluß des andern Jubel- 5 Fests der Evangelischen Kirche 5 den 4ten Nov. 1717 5 Zu 5 Halle in Schwaben 5 Auf gu¨tiges Ersuchen 5 E. Hoch-Edlen Magistrats 5 Bey damaliger Durchreise 5 Gehaltenen Predigt / 5 aus Es. LXVI, 10. 11 vorgestellet 5 . . . 5 Der Jugend in den Schulen des Waysen-Hauses nach gehaltenem 5 Examine ausgetheilet den 19. Aug. 1724. 5 Halle, in Verlegung des Waysenhauses 1724. Exemplar: ULB. Halle – AC 153 663 (11) –, Der 5 Hertzliche Wunsch 5 Und 5 die selige 5 Hoffnung 5 rechtschaffener Evangelischer 5 Prediger und Zuho¨rer, 5 In einer 5 Am andern Jubel-Fest der Evange- 5 lischen Kirche, den 1. Novembr. 1717 5 zu Ingelfingen 5 in der Graffschaft Hohenloh, 5 Auf hohes Verlangen der dasigen 5 Hochgra¨fflichen Herrschaft, 5 Bey damaliger Durchreise 5 Gehaltenen Predigt 5 aus 1. Thessal. V, 23.24 vorgestellet 5 von 5 August Hermann Francken / 5 . . . 5 Der Jugend in den Schulen des Waysen-Hauses nach gehaltenem 5 Examine ausgetheilet den 19. Aug. 1724. 5 Halle, in Verlegung des Waysenhauses 1724. Exemplar: ULB. Halle – AC 153 663 (15) –, Der 5 Zuruf Christi 5 An seine jubilirende 5 Evangelische Gemeine, 5 An dem 5 Auf den 23ten Sonntag nach Trin. 5 gefa¨lligen andern 5 Jubel-Fest der Evangelischen Kirchen / 5 oder den 31. Octobr. 1717 5 In einer 5 zu Ingelfingen 5 in der Graffschaft Hohenloh / 5 Auf hohes Verlangen 5 der dasigen Hochgra¨fl. Herrschaft / 5 Bey damaliger Durchreise 5 Gehaltenen Predigt 5 aus Offenb. Joh. III, 10. 11 vorgestellet 5 Von 5 August Hermann Francken / 5 . . . 5 Halle, in Verlegung des Waysenh. 1723. Exemplar: ULB. Halle – AC 153 663 (26)

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Die Freude des 5 Anderen Christ-Lutherischen 5 Jubilaei, 5 Als Selbiges 5 Unter dem 5 Allwaltenden Gnaden-Schutze 5 Des Herrschers Himmels 5 und der Erden / 5 Zur allgemeinen Erquickung 5 Des Evangelischen Zions / 5 Anno MDCCXVII. D. II. Novembr. 5 Auff der Universita¨t Rostock / 5 Mit Wonne und Lust der Hertzen / 5 Von Hohen und Niedrigen / Reichen und 5 Armen / Jungen und Alten 5 Feyerlichst celebriret ward / 5 Suchten durch Ihr frommes Beystimmen 5 Christ-schuldig zu verherrlichen 5 Die daselbst gesampte studirende Rostocker. 5 Rostock . . . 5 Exemplar: LMBV – Mkl h 2395 Gebhardi, Brandanus Heinrich, Vaticinium Johanneum 5 Apoc. XI. 5 De Martini Lutheri 5 Reformatione 5 una cum brevi paraphrasi 5 Matth. V a vers. 3 ad 10 5 & 5 Amos IX.11.12. 5 Amico examini exponent 5 Brandanvs Henricus 5 Gebhardi 5 S. Theol. D., P. P., Facult. h. t. Decanus, Consist. 5 Reg. Assess., Pastor Jac. & Vice-Superint. 5 Generalis, 5 & 5 Albertus Bracht 5 Rudolfshagio-Pomeranus 5 Die X. Novembr. Anno MDCCXVII. 5 Gryphiswaldiae 5 Litteris Danielis Benjaminis Starckii, 5 Reg. Acad. Typogr. Exemplar: SUB. Berlin – 4 in Bd 8603–130 –, Decanus 5 Facultatis Theologicae 5 D. Brandanus Henricus 5 Gebhardi 5 . . . 5 Ad 5 Lectiones & Disputationem 5 Viri 5 Dn. Godofredi Alberti Pauli 5 . . . 5 D. 8. 9. 10 &c. Novembr. habendas, 5 Qvosvis mysteriorum sacrorum amantes 5 quam officiosissime, 5 invitat. 5 Gryphiswaldiae, 5 Litteris Danielis Benjaminis Starckii, 5 Reg. Acad. Typogr. Exemplar: SLB. DD – Biogr. erud. D. 1639, 70 Gentzke, Frider., In His Sacris Secularibus 5 Ad 5 Praelectiones Publicas 5 De 5 Vita Et Scriptis 5 D. Lutheri 5 Audiendas 5 Cives Academicos 5 Officiose Ac Peramanter 5 Invitat. 5 Kiliae . . . Exemplar: SLB. DD – Hist. Holsat. 115, 15 Georgi, Christian Sigismund, Annales Academiae Vitembergensis in quibus nomina rectorum inscriptorum numerus dissertationes inaugurales promotiones academiae professorum receptiones atque obitus solemnitates publicae inscriptiones aliaque notatu digna quae ab anno 1650 usque ad annum 1755 in hac alma musarum sede per singula acciderunt semestria breviter enarrantur post placidum B. auctoris discessum usque ad annum 1772 continuati ab Ernesto Godofredo Christiano Schroeder, Vitembergae 1775 Exemplar: SUB. GO¨ – H. Lit. part. V 456/20 Haferung, Johann Georg, Geda¨chtnu¨ß der Wunder Gottes 5 Darbey das 5 u¨ber die Wiederherstellung der reinen Lehre 5 Zum Andern mal 5 Jubilirende 5 Evangelische Zion 5 So wohl seines Heylandes hertzliche Vorsorge erkennet 5 als auch dessen Gnaden-volle Gegenwart 5 ru¨hmet 5 In Zwo unterschiedenen Jubelpredigten 5 Aus Apoc. III, 11 ingleichen Luc. XII, 23 5 den 30. Octobr. und 1. Novembr. 1717 5 erneuert / und in der 5 Wittenbergischen Stadt-Kirche 5 zur Ermunterunge inniglichen Lebens und Danckens 5 der Gemeine GOttes 5 vorgetragen 5 von 5 Johann Caspar Haferung / D. 5 SS. Theol. Prof. Publ. Extra-Ordin. & ad D. Mariae Archi-Diacono. 5 Wittenberg 5 Bey Gottfried Zimmermann. 1718. Exemplar: WLB – Kirch. G. qt. 1782–1 Hallbauer, Frid. And., Ecclesia 5 Lutherana 5 Politioris Litteraturae 5 Patrona 5 Qvam 5 Inter Ipsos Festos Dies, 5 Qvibvs Sacrvm Eivsdem Secvlare II. 5 1717 5 In Academia Ienensi 5 Solemni Ceremonia Observabatvr 5 Ad Adversariorvm Criminationes Refellendas 5 Rectore Magnificentissimo, 5 Serenissimo Principe Ac Domino, 5 Domino 5 Gvilielmo Henrico 5 Duce Saxoniae, Ivliaci, Cliviae, Montivm, 5 Angariae et Gvestphaliae, Cetera, 5 Consentiente Amplissimo Philosoporvm Ordine 5 Dissertatione Academica Delineatam 5 Exhibet 5 M. Frider. Andreas Hallbaver 5 Alstadiensis Saxo Palatinvs, 5 Et Respondens 5 Fridericvs Horstmann 5 Riga-Livonvs. 5 Ienae 5 Typis Wertherianis. Exemplar: FLB – 61 an Th 3012 –, Lvthervs 5 Politioris Litteratvrae 5 Cvltor Et Aestimator, 5 Qvem 5 In Gratam Memoriam 5 Repvrgatae Per Evm Doctrinae 5 Ipso Ivbilaei II Mense, 5 A. D. VI. Non. Octobr. 1717. 5 Rectore Magnificentissimo, 5 Serenissimo Principe Ac Domino, 5 Domino 5 Gvilielmo Henrico 5 Duce Saxoniae, Ivliaci, Cliviae, Montivm, 5 Anga-

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riae et Gvestphaliae, Cetera, 5 Ad Dilvendas Adversariorvm Accusationes 5 Pvblica Dissertatione Sistent 5 Praeses 5 M. Fridericvs Andreas 5 Hallbaver 5 Alstadiensis Saxo Palatinvs, 5 Et Respondens 5 Io. Christianvs Hermann, 5 Nevsasia Thvringvs. S. S. TH. Et PH. Cvlt. 5 Ienae 5 Typis Wertherianis Exemplar: FLB – 60 an Th 3012 Hardt, Herrmann von der, Harmonia 5 Reuchlini 5 Et 5 Lutheri 5 A. MDXVII. Seculo Reuchlini tertio 5 A. MDCCXVII. inchoato, 5 Septem symbolis hebraicis 5 illustrata, 5 recensente Hermanno von der Hardt/ 5 . . . 5 Helmstadii 5 . . . 5 A. Mdccxvii. Exemplar: HAB – Sign.: Mischband 584 Helmst. Dr. (8) –, Historia literaria Reformationis in honorem Jubilaei 1717, Halle. Exemplar: HAB – Tp 4b 14 –, Monumentum 5 Jubilaei 5 Humanitatis & Fontium sacrorum; 5 Quae Dei providentia, 5 Reuchlini & Erasmi beneficio, 5 ante haec duo secula 5 circa annum 1517. 5 post longam barbariem resuscitata. 5 In cujus lucis in Europa quondam ortae me-5 moriam 5 Pentateuchum in fontibus 5 hebraeis 5 ex nativa linguae indole, remota antiqui-5 tate, historia & geographia veteri, 5 In Academia Julia 5 A. 1717 curata recensione publice illustravit 5 totumque volumen A. 1718. die 2. Junii absolvit 5 Hermann. von der Hardt / 5 . . . 5 Helmstadi, Typis Salom. Schnorii. 1718 Exemplar: SUB. B – Ak 810, 1 Henckel, Joh. Chr. Cantata, 5 Auf das den 31. Octobr. 1717. zum zweyten mahl 5 fro¨lich erscheinende 5 Jubilaeum 5 der heilsamen 5 Reformation 5 D. M. Lutheri. 5 GOTT zu Lob / Preiß und Ehren / allen 5 Evangel. Lutherischen aber zu hertzlicher Erweckung 5 schuldiger Danckbarkeit fu¨r solche hohe Gnade 5 und Wohlthat 5 HALLE 5 Druckts Christian Henckel, Univ. Buchdr. Exemplar: Bibliothek der Franckeschen Stiftungen Halle/Saale – 62 C 9 (20) Herrnschmid, Johann Daniel, Predigt am 31.10.1717 u¨ber Ps. 8015 f, gehalten in Halle, in: Ders. O¨ffentliches Jubel-Zeugniß Exemplar: WLB – Sign.: Kirch.G.qt. 1782–1 Herrnschmid, Johann Daniel und Anton, Paul, Oeffentliches 5 Jubel- 5 Zeugniß 5 Von der 5 Evangelischen 5 Reformation, 5 d. 31. Oct. als Dom. XXIII. post Trin. 1717. 5 in der Schul-Kirche zu Halle, 5 Vor der versammleten Universita¨t abgeleget 5 von Paulo Antonio, SS. TH. D. et P. P. Ord. . . . 5 und Joh. Dan. Herrnschmid, SS. Th. D. & P. Ord. 5 Nebst einigen Historischen Anmerckungen, 5 Darzu kommt eine zweyfache Zugabe 5 Von der Vest-Beharrung bey der Beka¨nntniß des Evangelii, 5 Insonderheit Wolffgang Vogels, 1526. gedrucktes Sendschreiben, 5 Und eine wohlgemeinte Vorrede 5 Von dem wahren Frieden der Evangelischen Kirche. 5 Halle, In Verlegung des Waysenhauses MDCC XVII. 5 Exemplar: WLB – Kirch.G.qt. 1782–1 Heumann, Christoph Aug., Lutherus 5 Apocalypticus 5 Hoc Est 5 Historiae Ecclesiae 5 Christianae 5 Ad Nostra Usque Tempora, 5 Adeoque Et 5 Historia Reformationis 5 Lutheri, 5 Ex 5 Ioannea Apocalypsi 5 Eruta 5 A 5 Christophoro Augusto 5 Heumanno 5 . . . 5 Adiectae Sunt 5 Quinque Aliae Dissertationes 5 Historiam Illius Reformationis 5 Illustrantes. 5 Hannoverae 5 Apud Nicolaum Foersterum 5 1717. Exemplar: SUB. GO¨ – 8 H E Eccl. 488/51 Hoffmann, Gottfried, Q. D. B. V. 5 Examen 5 Disputationis Primae 5 Joh. Tezelii, 5 Thesibus D. Lutheri De Indulgentiis 5 oppositae 5 Quod 5 Juvante Deo 5 Praeside 5 Godofredo Hofmanno, 5 SS. Theol. D. & Prof. Publ. Ordin. 5 Illustris Stipendii Superattendente & Ecclesiae 5 Inter solennia Jubilaei Evangelici secundi 5 Publice defendet 5 die Novembr. MDCCXVII. M. Georg Friedrich Knoebel 5 Kircho-Teccensis, SS. Th. Stud. in Ill. Stip. 5 Psalm. LXVI1 5 Deo VnItrIno In CoeLIs IVbILate oMnIs terra! 5 Tubingae, 5 literis Josephi Sigmundi. Exemplar: WLB – Kirch.G.qt.1782–5 Hundertja¨hriges 5 Denckmahl der Reformation 5 bestehend 5 in denen von einem gesammten 5 Ehrwu¨rdigen Ministerio der Stadt Halle 5 bey dem 5 Zweyten Iubileo Reformationis 5 gehaltenen 5 Predigten / 5 Wie auch einigen dahin geho¨rigen 5 Orationibus 5 und

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andern Schrifften. 5 Nebst einer Historischen Vorrede 5 von dem 5 Anfang und Fortgang der hiesigen Reformation. 5 Zur Ehre des Dreyeinigen Gottes und Erbauung des Na¨chsten zum Druck befo¨rdert 5 durch D. Jo. Michaelem Heineccium, 5 . . . 5 Halle im Magdeburgischen / 1718. 5 In Verlegung der Neuen Buchhandlung. Exemplar: WLB – Kirch.G.qt. 954 Jaeger, Johann Wolfgang, Deo optVMo Ivbente aC benIgne CVrante! 5 VVIrteMbergIae 5 LVtheranae Laetae CanDor 5 In ChrIstI atqVe In prophetarVM 5 DoCtrInIs aeternIs 5 anno MDCCXVII. 5 IVbiLaeo aLtero LVtherano 5 Laetae Demonstratvs: 5 repetIta DefensIone LoCorVM pII & beatI 5 LVtheri nostri, 5 praesIDe 5 Ioanne VVoLfgango Iaegero, 5 LyCeo nostro DoCtore CelebrI ac theologo principi 5 ResponsVro 5 MagIstro Ioanne gothofreDo haLLVVaChso. 5 tVbIngae DIe IVbILaeI prIMa 5 horIs & LoCo noto 5 Huic dissertationi adjectum est in fine ipsum Univers. Programma Exemplar: WLB – Kirch. G. qt. 1782–2 [Ianus, Joh. Wilh.] Q. D. B. V. 5 Rectore Magnificentissimo 5 Serenissimo Principe Regio 5 Friderico Avgvsto 5 Electoratvs Saxonici Herede 5 De Dominatv Pontificio 5 In Reges Et Principes 5 Post Reformationem 5 Diminvto 5 Praeside 5 Iohanne Gvilielmo Iano 5 Histor. Prof. Pvbl. 5 Ipso Die D. Martini LVtheri 5 Qvi est X Novembris 5 A. MDCCXVII 5 In Honorem Et Memoriam 5 Secvndi Ivbilaei Lvtherani 5 Ex Cathedra Lvtheri 5 Pvblice Dispvtabit 5 M. Christophorvs Fridericvs Stein/ 5 SS. Theol. Et Histor. Cvlt. 5 Vitembergae, Typis Samvelis Crevsigil. Exemplar: WLB – Jur. Diss. 7613 Iena Bis Iubilans Sive Iubilaeum Duplex Primum Anno Mdccxvii Celebratum; Secundum Secundante Deo Ter. Opt. Max. Hoc Ipso Currente Anno Mdccxvii In Athenae Salano Die XXXI. Otobris Pie Inchoatum Optato Continuatum Et II. Novembr., Feliciter Consummatum, Succinctum, Accurata Tamen Et Curiosa Et Omnium Quae Per Triduum Omnesque Ad Ipsumque D. M. Lutheri Natalem Sequentes, Dies Ienae Tractata Sunt, Relatione Adornatum, Anno 1717 Exmplar: HAB – Li 155 Als Ihr 5 Demu¨thigstes und freudiges Jubel-Opfer 5 Zu 5 Lobe und Ehren des 5 Dreyeinigen und Maje- 5 sta¨tischen Beschirmers 5 Seines verherligten Evangelischen- 5 Christ-Lutherischen Zions / 5 Aus hertzligster Danckbarkeit / unter anda¨chti- 5 gem Seufftzen / daß der Allma¨chtige Jesus / 5 als der eintzige Fels Seiner recht gla¨ubigen Lutherischen Kirchen / 5 Dieselbe 5 Biß ans Ende der Welt / wieder allen Anlauff 5 der Ho¨llen-Pforten kra¨fftiglich schu¨tzen und bleiben 5 wolle / 5 Am 3. Novembr. des andern erfreueten 5 Jubel-Jahres 1717 / 5 o¨ffentlich / und mit willigem Hertzen / 5 Die Sa¨mptlich zu Rostock Studirende 5 vor Gott brachten / 5 Wurd diese 5 Ihre Solenne Freude / und Oration 5 Mit folgender Cantata in aller tieffster 5 Devotion begleitet. 5 Rostock / 5 . Exemplar: LBMV – Mkl. h 2395 Jubilaeum 5 Humanitatis & fontium sa- 5 crorum, hebraeorum & grae- 5 corum, 5 Qui A. 1516 & 1517. per Erasmum &5 Ximenium Christianitatis primum 5 exhibiti, 5 Illustri viro Hieronymo Buslidio primi 5 . . . Celebratum in Academia Julia 5 praeliminari feria 5 A. MDCCXVII. d. XXIX. Octob. 5 Helmstadii 5 . . . 5 MDCCXVII. Exemplar: HAB – Mischband 584 Helmst. Dr. 1 [Ju¨ngling, Joh. Philip. Bernhard] Argvmenta Idonea, 5 Argvmentis 5 Vt Vocantvr 5 Idoneis Wittebergensibvs, 5 Qvibvs 5 Dica Jubileorum 5 Halensis 5 Refvtari Debvit, 5 Opposita 5 A 5 M. Joh. Philip. Bernhardo Jvngling 5 Anno MDCCXVIII. Exemplar: WLB – Kirch.G.qt.K.1111 –, Oeffentliches und freudiges 5 Glaubens 5 Beka¨nntnu¨ß 5 Eines 5 Von dem Papstthum 5 Zur unvera¨nderten Augspurgischen Confes- 5 sion bekehrten 5 Lutheraners, 5 Welches 5 Zu Bezeugung seiner Besta¨ndigkeit 5 Bey der einmal erkannten 5 Evangelischen Wahrheit 5 In einer ARIE 5 Nach der bekandten Melodie: 5 Wer nur den lieben GOtt la¨ßt walten / 5 Darinnen alle Artikel 5 der unvera¨nderten 5 Augspurgischen Confession 5 enthalten / 5 In dem Evangelischen 5 Jubel-Jahr 5 in o¨ffentlichen Druck gegeben 5 M. Johann

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Philipp Bernard Ju¨ngling 5 gewesener Hoch-Fu¨rstl. Wu¨rtzburgischer Pfarr 5 Prediger und Beicht-Vater 5 Gedruckt im Jubel-Jahr 1717. Exemplar: SUB. B – Cn 20 421 Jung, Jakob. Friedr., Tubinga Jubilans 5 In suo puriori Theologiae Artiumque Libera- 5 lium omnium Vigore, 5 sub Alis Tutelaribus 5 Serenissimi ac Potentissimi Principis ac Domini 5 Domini 5 Eberhardi 5 Ludovici, 5 Ducis Wu¨rtembergiae & Tecciae, 5 Comitis Montispeligardi, Dynastae Heidenheimii, Cae- 5 sareae Majestatis, S. Romano-Germanici Imperii, ut & Circuli Suevici 5 Generalis Campi-Mareschalli, duarum Legionum Caesarearum, 5 ut & unius Legionis Circuli Suevici Chiliarchae, 5 Domini ac Principis Sui Clementissimi, 5 Ipso Anno 5 Reformationis Lutheranae 5 Jubilaeo Secundo 5Versu Heroico celebrata 5 a 5 Jacobo Friderico Jungio, 5 Philos. Mag. & S. Theol. Stud. 5 Tubingae, Typis Josephi Sigmundi. Exemplar: WLB – Kirch.G.qt. 1782–2 Johannis Christiani Klemmii, 5 Oratio Inauguralis 5 De 5 Servandis Augen- 5 disque 5 Reformati- 5 onis Fructibus 5 sive. 5 Evangelicorum Rebus 5 dicta habitaque in Auditorio publico, 5 inter plausus & jubila ob memoriam Secularem resti- 5 tutae Libertatis Evangelicae excitata 5 atque 5 ex superiorum mandato & Amicorum desiderio 5 publici nunc Juris facta. 5 Tubingae, 5 Typis Josephi Sigmundi. 5 1718. Exemplar: UB. TU¨ – LXV 114 Koch, Cornelius Dietrich, Evangelische Reformations-Fest-Predigt, den 1. Novembr. 1717 in der Universita¨ts-Collegien-Kirche zu Helmsta¨dt gehalten, vorstellend aus Eph. 415 den Wachsthum an Christo Exemplar: ThStAGo – Oberkonsistorium Generalia Locatio 26, Nr. 21 Ko¨nig, Joh. Alb., Vortrab, daß die Papistische Religion nicht die wahre seligmachende sey, Halle 1717 Exemplar: ThStAGo – Oberkonsist. Generalia Loc. 26, Nr. 17 Kortholt, Matthias Nic., Illvminare, 5 Sive 5 Dispvtatio Solemnis, 5 Qvam 5 Deo Favente, 5 In Alma Lvdoviciana, 5 Ex Decreto 5 Amplissimi Philosoph. Ordinis. 5 Praeside 5 Matthia Nicolao 5 Kortholto, 5 Eloqv. Vtriusqve Prof. Ordinario, 5 Promotore Rite Designato, 5 Pvblico Acad. Patrvm Examini, 5 VII. Dignissimi Philosoph. Candidati, 5 Ordine Per Sortem, Et Citra Vllvm Dignitatis 5 Praeivdicivm Collocati, 5 Pro Conseqvendis Legitime 5 Svmmis in Philosophia Honoribvs 5 Decenter Svbmittent 5 Die XXX. Decembr. Anno 5 eVangeLICIs InsIgnI reforMatIone LVtherI notanDo. 5 Giessae-Hassorvm. 5 Typis Vidvae Ioh. Reinhardi Vvlpii, Acad. Typ. Exemplar: WLB – Theol. Diss. 3957 Krackewitz, Albrecht Joachim von, Demu¨thigstes 5 Freuden- und Danck-Opffer 5 dem Glor-Wu¨rdigsten und Drey- 5 Einigen GOTT 5 Vater Sohn 5 Und 5 Heiligem Geist / 5 Zu Bezeugung wahrer Hertzlichen Danckbarkeit 5 Fu¨r die allerheylsahmste Wieder Schenckung 5 Des Evangelischen Gnaden-Lichtes / 5 Am 29. Oct. des Andern Evangelisch-Lutherischen 5 Jubel-Jahres 5 Zur Erweckung der Rostockischen Academischen 5 Andacht vor und nach der Oratione ad Jubilaeum 5 Praeparatoria in einer 5 Cantata 5 Nach Anleitung des LXXIX. Ps. V. 16.17.18.19. 5 Psalm LVII. V. 8.9.10.11.12. und des Lobgesanges /5 Nun lobe meine Seele den Herren etc. 5 Dargebracht 5 Von 5 Albrecht Joachim von Krackewitz 5 Rostock 5 Exemplar: LBMV – Mkl h 2395 –, Examen 5 Novae Hypotheseos 5 De 5 Luthero 5 Ante Lutheranismum 5 I. E. 5 De Luthero, prioribus tantum Refor- 5 mationis temporibus, antiquissimae 5 veritatis Evangelicae assertore 5 Jeremiae Heraclito Christiano Gotho- 5 fredo Arnoldo, 5 Olim In Lectionibus Academicis Oppositum, Nunc Autem 5 In Secundo Ecclesiarum Lutherano-Ev- 5 angelicarum Jubilaeo Seculari, 5 Typis expressum 5 Ut Pietatem suam erga Deum Religionis Lutheranae Auctorem, 5 hujusque; ministrum B. B. Martinum Lutherum, antiquissimae veritatis Ev- 5 angelicae non priori tantum, sed posteribus qvoq; temporibus 5 assertorem maxime strenuum 5 In Academia Meclenburgica D. 12. Nov. Anno MDCCXVII. 5 praeses 5 ALB. JOACH. de Krackewitz / 5 Equ. Meckl. S. S. Th.

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D. atque prof. Senior & Prim. Con- 5 sist. Ducal. Consil. & per Distr. Meckl.Superint. 5 Et Respondens 5 August. Fridericus Fersen, 5 Jesend: Megapol. Phil. & S. S. Theol. Stud. 5 Rostochii, typis Joh. Wepplingi, Sereniss. Princ. 5 & Acad. Typogr. Exemplar: SUB. B – 9 in 4011 Bd. 1 –, Oratio Secularis ad Jubileum Evangelico-Lutheranum idq. ex divina gratia Secundum condigne celebrandum Praeparatoria in Academia Mecklenburgica d. 29. Octobr. Anno MDCCXVII in Auditorio maximo recitata abs Alberto Joachimo de Krackevitz Equ. Meckl. S. S. Th. Doct. Fac. Theol. Prof. Prim. absq. Seniore, Consist. Ducal. Consiliario et Distr. Meck. Superintendente. Exemplar: ThStAGo- Oberkonsistorium Generalia Loc. 26, Nr. 11 Kurtze Vorstellung 5 Einer o¨ffentl. Jubel-Freude / 5 welche 5 Unter dem Prorectorat Sr. Magnificence 5 Des Hochwu¨rdigen / und Hochgelahrten Herrn 5 Herrn Henrici Mvhlii, 5 . . . 5 Bey ho¨chst-erfreulicher Begehung des 5 Zweyten Evangelisch-Lutherischen 5 Jubel-Jahres 5 im Jahr 1717. den 3. November / 5 als 5 an welchem Tage itzt gedachte Seine Magnificence 5 Zum ho¨cher verdienten Andencken 5 Des seel. D. Martin Luthers 5 auff Befehl 5 einer Hohen Landes-Obrigkeit 5 sein ho¨chst-feyerliche Jubel-Rede gehalten / 5 Die daselbst sa¨mtlich Studirende 5 Mit Musique 5 des Abends 5 Zur schuldigsten Pflicht bezeuget / 5 und auf Begehren dem o¨ffentlichen Druck u¨bergeben. 5 Kiel / gedruckt und / zu bekommen bey Barthold Reuther / Univ. Buchdr. Exemplar: Exemplar: SUB. HH – A / 302 584 Lange, Joachim, Disputatio Secularis 5 & simul 5 Inavgvralis 5 De 5Indvlgentiis, 5 Qva 5 B. D. Martini Lvtheri, 5 Germanorum Euangelistae, 5 Theses XCV. 5 tanquam prima certaminum & totius negotii 5 Reformationis Tvba, 5 Nundinationi veniarum prid. Cal. Nov. MDXVII. oppositae, 5 Monitis isagogicis notisque illustrantur: 5 . . . Ex sententia Ven. Colleg. Theol. 5 Ad secundi Ivbilaei Evangelici solennia, 5 & simul 5 Ad Doctoris Theologi Gradvm 5 ritu Academico capessendum, 5 die XXX. Oct. huius anni MDCCXVII. 5 horis ante & post meridem consuetis, 5 publicae 5 o´o˜ı´e`a˚ı¨e¨ı¨a˜a˚ı´e`u`ı´ disquisitioni exhibita 5 a 5 Joachimo Langio, 5 . . . 5 Halle 1717. Exemplar: SUB. HH – A / 111 483 –, Wohl-verdientes 5 Ehren-Geda¨chtniß 5 des theuren Mannes GOTTes 5 D. MARTINI LUTHERI, 5 und der Evangelischen REFORMATION, 5 in Wiederhohlung der von demselben gereinigten und fleißigst 5 getriebenen Apostolischen Lehre 5 Vom 5 Glauben und guten Wercken: 5 Nebst einem ausfu¨hrlichen Vorbericht 5 Von dem vor hundert Jahren gehaltenen 5 ersten Jubel-Feste / 5 Und den damals deßhalb inn- und ausserhalb der Evangelischen 5 Universita¨ten edirten vielen Schriften: 5 Als eine Vorbereitung zu dem instehenden andern Iubilaeo; 5 Auß schuldiger Danckbarkeit gegen GOTT fu¨r die unscha¨tzbare 5 Wohlthat der REFORMATION, 5 Und zur gemeinen Erbauung, sonderlich der studirenden Jugend 5 auf der Ko¨nigl. Preuß. Friedrichs-Universita¨t / gestiftet 5 von IOACHIMO Langen 5 . . . 5 HALLE / verlegt in der Rengerischen Buchhandlung. 1717. Exemplar: Bibliothek der Franckeschen Stiftungen Halle/Saale – 149 L 1a (4) [Langhansen, Christophorus] Dissertatio Theologica, 5 Argumentum Exhibens 5 Jubilaeo 5 Quod Instat 5 Lutherano 5 Accomodatum, 5 De Miraculorum 5 Defectu, 5 B. Luthero Male Exprobrato, 5 Quam 5 Deo O. M. Juvante, 5 Consensu Venerandae Facultatis Theologicae 5 Praeside 5 Summe Reverendo, Amplissimo & Excellentissimo 5 Dn. Henrico Lysio, 5 S. Theol. Doct. & Prof. Secund. p. t. Facult. suae Decano, 5 S. R. M. in Borussia Concionatore Aulico, Consistorii Sambiensis, 5 Consiliario, Collegiique Fridericiani Directore, 5 Pro Gradu Doctoratus, 5 Publico Eruditorum Examini 5 Subjicit 5 Christophorus Langhannsen / 5 Mathem. P. P. Extraord. 5 In Auditorio Maximo 5 Anno 1717 d. 22. Octobris. 5 Regiomonti. Literis Reusnerianis. Exemplar: WLB – Kirch.G.qt. K. 1126 Lehmann, Jo. Jakob, Oratio Auspicalis 5 De 5 Scylla Morali. 5 Accessit Eivsdem 5 Dissertatio 5 De 5 Frvctibvs 5 Ex Repvrgata 5 Per Lvthervm Vera Religione 5 Ad 5 Doctrinas Morales 5 Redvndantibvs, 5 Qva 5 Tam Orationem Illam 5 Qvam Pvblicas Indixit Praelectiones. 5 Ienae 5 Litteris Wertherianis 5 MDCCXVII. Exemplar: FLB – Diss. Phil. Vol. 76. No. 19

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Quellen- und Literaturverzeichnis

–, I. N. I. 5 Dissertatio Auspicalis 5 Recensendis 5 Fructibus 5 Ex Repurgata 5 Per Lutherum Vera Religione 5 Ad 5 Doctrinas Morales 5 Redundantibus 5 Gratam Illius Hoc Anno Seculari 5 Excitans Memoriam, 5 Qua 5 Munus Philosophiae Moralis 5 Publice Docendae 5 A 5 Serenissimis Academiae Jenensis 5 Nutritoribus 5 Clementissime sibi Demandatum 5 omni Suscipit Animi Submissione 5 Simulque Ad praelectiones Publicas 5 in Iam Dictam Disciplinam 5 Habendas et 5 Orationem 5 De Scylla Morali 5 Illis More Consueto Praemittendam 5 Patronos, Fautores, Futurosque Commili- 5 tones Lectissimos 5 Ea, Qua Par Est, Obseruantia Et Humanitate 5 Inuitat 5 Io. Iac. Lehmann 5 Phil. Moral. Prof. Publ. Ord. 5 Jenae, Typis Wertherianis Exemplar: FLB. – Phil. Vol. 76. No. 20 Liebknecht, Jo. Georg, Praelectiones Academicas 5 Publicas Ac Privatas 5 Per instans semestre autumno-hiemale 5 Deo benedicente habendas 5 Almae Lvdovicianae 5 Rector 5 Ioannes Georgius 5 Liebknecht, 5 . . . 5 indicit, & ad eas sedulo invisendas Ge- 5 nerosos ac Nobilissimos omnium Fa- 5 cultatum Studiosos peramanter 5 invitat 5 GiessaeHassorum 5 Anno MDCCXVII Exemplar: SLB. DD – H Suev. 295, 52 Lo¨scher, Valentin Ernst, Vollsta¨ndige 5 Reformations-Acta 5 und 5 Documenta 5 umsta¨ndliche Vorstellung des Evangelischen 5 Reformations-Wercks,5 mit Einru¨ckung der darzu dienlichen, theils noch nie ge- 5 druckten, Nachrichten, 5 So daß dieses Werck zugleich vor 5 Theologische Annales 5 dienen kann, 5 ausgefertiget von 5 Valentin Ernst Lo¨schern, D. 5 Ober-Conistorialn und Superintendenten 5 in Dresden. 5 Der erste Tomus fu¨r das Jahr 1517. 5 Nebst angefu¨gten 5 Jubel-Predigten. 5 Leipzig, 5 In Verlegung Johann Großens Erben. 5 1720. Exemplar: HAB -Tp 384–1 –, Ro¨misch-Catholische 5 Discurse, 5 vom Evangel. Lutherischen 5 Jubel-Jahr / 5 Zur 5 Christlichen Anleitung / 5 Wie man 5 Bey diesen bo¨sen Zeiten 5 Geu¨bte Sinnen 5 zum Unterscheid des Bo¨sen und Guten 5 erlangen solle, 5 Vorgestellet 5 Von 5 Valentin Ernst Lo¨schern, D. 5 Leipzig / 5 Verlegts Johann Friedrich Braun. 5 Druckts Jacob Harpeter. 5 1717. Exemplar: SB.Berlin – Cn 20 310 Ludewig, Johann Peter, Dica 5 Ivbilaeorum 5 Qvam 5 Bonis Mentibvs, 5 Civibvs Praesertim Fridericianae, 5 Ad Cavendas 5 In 5 Secundo Ivbileo Evangelico 5 Die XXXI. Mensis Octobr. 1717 5 Ceremonias Et Ritvs 5 Svo Institvto Et Calamo 5 Commendat 5 Io. Petrvs Ludewig, Jct 5 . . . 5 Halae Magdeburgicae, 5 Svmptv Bibliopoli Novi. Exemplar: WLB – Kirch. G. qt. 1111 Luhn, Johann Bernhard, I. N. J. 5 Dissertatio Theologica Inavgvralis 5 De 5 Formvlarvm 5 Fidei 5 Necessitate 5 Qvam 5 . . . 5 Praeside 5 Casparo Loeschero 5 . . . 5 Pro Licentia 5 Svmmos In Theolog. Honores Conseqvendi 5 Ad Diem XXX. Avgvsti A. O. R. MDCCXVII. 5 . . . 5 Defendet Io. Bernhardvs Lvhn 5 . . . 5 Vitembergae, Literis Gerdesianis Exemplar: HAB – Li 202 (3) –, Oratio 5 Inauguralis 5 De 5 Indifferente Credendi 5 Ratione 5 D. XXIII. Avgvsti A. S. MDCCXVII. In Alma Wittembergensi 5 Habita 5 A Serenissimi 5 Brvnsvicensivm Ac Lvneburgensivm 5 Dvcis Regentis 5 Concionatore Avlico 5 Iohanne Bernhardo Lvhn 5 Literis Gerdesianis Exemplar: HAB – Li 202 (2) Lysius, Henricus, Oratio praeparatoria, Ko¨nigsberg 1717. Exemplar: ThStAGo: Oberkonsistorium Generalia Loc. 26, Nr. 12, Bll. 35–36. –, Oratio de incrementis Ecclesiae Evangelicae per elapsum seculum secundum, Ko¨nigsberg 1717 Exemplar: ThStAGo – Oberkonsistorium Generalia Locatio 26, Nr. 12, Bll. 37–44. Majus, Johann Heinrich, Historia 5 Reformationis 5 Per 5 Veteris Noviqve 5 Testamenti Libros 5 Secundum seriem Saeculorum 5 digesta & ad Reformationem D. Lvtheri adplicata, 5 In Memoriam 5 Secvndi Saecvlaris Anni 5 Eivsdem. 5 Cvm Indicibvs Necessariis, 5 Auctore 5 Io. Henrico Maio, 5 SS. Theo. D. & Prof. P. O. in Academia 5 Ludoui-

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ciana, Consiliario Princ. Eccles. Superintend. 5 Alsfeldensis & Marburg. Dioeces. Darmstad. 5 Partis, & Alumnorum Hass. 5 Ephoro. 5 Giessae & Francofvrti, 5 Apud Vid. Io. Reinh. Vulpii. & Eberh. Henr. Lammers. Exemplar: WLB – Kirch.G.qt. 1360 Mayer, Jo. Fried., Q. B. V. 5 DE 5 JOH. TEZELIO 5 DISSERET 5 D. JOH. FRID. MAYER, P. P. 5 ET 5 PETRUS SCHo¨PPICH . . . 5 DIE REFORMAT. 5 ANNIV. 31. OCTOB. A. MDCCXVII, Wittenberg 1717. Exemplar: HAB – 330d 4 Helmst. (14) Meier, Joh. Gottfr., Disputatio Philosophica 5 De 5 Doctoratu 5 Lutheri, 5 Quam 5 In Auditorio Philosophico 5 Die XXV. Octobris, 5 Anno, quo 5 ernestVs LVDoVICVs 5 hassIae prInCeps, 5 VnIVersItatIs gIessenae 5 & 5 eCCLesIae sVae 5 IVbIlaea 5 faVstVs Vno DeCennIo agIt, 5 Praeside 5 Joanne Gothofredo 5 Meiern/ 5 J. U. Doctore, Philosophiae Practicae Professore 5 Publ. Ordinario, 5 Placide Eruditorum disquisitioni sistet 5 Joan. Georgius Mackenrod, 5 Lichensis. 5 Giessae, Literis Johannis Mu¨lleri. Exemplar: HLHB – Gu¨ 9387 Michaelis, Joa. Henr., Q. B. V. D. O. M. 5 Dissertatio Theologica Inavguralis 5 De 5 Rege Ezechia, 5 Ecclesiae Israeli- 5 ticae Sive Ivdaicae Re- 5 formatore, 5 Qvam 5 Rectore Academiae Magnificentissimo, 5 Serenissimo Principe Ac Domino, 5 Domino Carolo, 5 Principe Porvssiae, Marchione Bran- 5 denbvrgico, Ac Reliqva, 5 Ex decreto Venerandae Facvltatis Theologicae 5 In Regia Fridericiana, 5 Pro Gradv Doctoris 5 theologi, 5 More Maiorum legitime capessendo, 5 A. d. XXVII. Octobr. anni secundi secularis Euangelici MDCCXVII 5 In Avditorio Maiori, 5 Horis ante & post meridiem consuetis, Placidae Eruditorum disquisitioni submisit 5 Io. Henricvs Michaelis, 5 S. S. Theol. & sacrarum linguarum P. P. Ord. 5 Recvsa Halae Magdebvrgicae, 5 Typis Christiani henckelii, Acad. Typ. 1718. Exemplar: WLB – Kirch.G.qt.K 1191 Muhlius, Henricus, Martini Lutheri 5 Proposi- 5 tiones 5 Pro Declaratione Virtu- 5 tis Indulgentiarum, 5 Prid. Cal. Nov. A. O. R. M. D. XVII. 5 Wittebergae 5 Valvis templi ad arcem affixae; 5 Ejusdemque 5 Resolutiones 5 Disputationum de In- 5 Dulgentiarum Virtute, 5 insequenti dein Anno M. D. XVIII. editae. 5 In memoriam, 5 Festi Secularis Secundi, 5 Praelectionumque publicarum usum ex Au- 5 tographis recusae sunt 5 A. O. R. M. DCC. XVII. 5 curante 5 D. Henrico Muhlio, 5 . . . 5 Praemissa est ejusdem Disquisitio, eaq; prolusoria: 5 Quantum & Reipublicae & Ecclesiae Indulgentiae nocue5 rint, quamque vere ac merito cum Reformationi Evangelicae, 5 tum Schismati in Occidente enato causam ac 5 occasionem suppeditarint. 5 Hamburgi Exemplar: SUB. Go¨ttingen – HEE 450 51 Nachricht von dem ersten Evangelisch-Lutherischen Jubilaeo, nebst einem Anhang derer bey ietzigen zweyten Jubilaeo in denen Chur-und Fu¨rstlichen Sa¨chs. Landen gna¨digst verordneten Texte, mit derselben vollsta¨ndigen Dispositionibus, Weimar und Jena 1717 Exemplar: WLB – Kirch.G.qt. 5089 Negelein, Joachim, Davidisch-Evangelisches 5 Danck- und Jubel- 5 Opffer / 5 Das ist: 5 zwey hundert Spru¨che / 5 deren jeder die Jahr-Zahl MDCCXVII. 5 in sich begreifft / 5 aus den Psalmen Davids erwehlet / 5 in Form eines Gebets 5 verabfasset / 5 und 5 zur Ehre des Allma¨chtigen Gottes / 5 wie auch / 5 zur Erweckung Christlicher Andacht / 5 auf das instehende 5 zweyte Evangelische 5 Jubel-Fest / 5 ans Licht gegeben. 5 1717 Kopie: Jantz Collection, German Baroque Lit., No. 1846 Neo-annalium – Periodos IV, Das Neueste von Leipzig, anlangend die Reformations-Jubel-Feyer des 1717ten Jahres, wie solche vornehmlich bey E. Lo¨bl. Universita¨t daselbst celebriert worden, nebst einigen Akten, welches bey der Gelegenheit, zu mehrerer Erla¨uterung derer bey aufgefu¨hrtem Jubel-Gepra¨nge in der Pauliner-Kirche angebrachten Inventionen aus der Historie und Chronologie beygefu¨get und beschrieben ein Liebhaber der Leipziger Historie Exemplar: SUB.GO¨ – H. Sax. Reg. II 4970

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Neue Zeitungen von Gelehrten Sachen auf das Jahr MDCCXVII. Ersther Theil . . . Nebst beygefu¨gtem dreyfachen Register, Leipzig 1717. Niehenck, Georg Friedrich, Hilaria Evangelica Rostochiensia, Rostock 1756 Exemplar: UB. Rostock – Mk 11 471 [Ode] Als 5 Das ho¨chst-erfreuliche Fest 5 Des 5 Anderen Lutherischen 5 Jubilaei, 5 Welches biß daher 5 Auff der Rostockischen Universita¨t 5 Feyerlichst begangen war / 5 nunmehro mittelst einer 5 Oeffentlichen Oration, 5 Von dem 5 Unscha¨tzbahren Nutzen / welchen das grosse 5 Reformations-Werck in Mecklenburg 5 gestifftet hat / 5 Den XXIII. Novembr. Anno MDCCXVII. 5 Solte beschlossen werden / 5 Ward nachfolgende 5 Ode 5 Dabey abgesungen. 5 Rostock 5 Exemplar: LBMV – Mkl h 2395 Olearius, Johann Christoph, Jubilirende 5 Lieder-Freude / 5 Bestehend in erster Aufflage 5 derer allerersten A.C. 1524 und 5 1525 in Druck gegangenen 5 Lutherischen Gesa¨ngen 5 zur Vermehrung schuldigster Devoti- 5 on und Danckbarkeit/ 5 bey dem Andern von GOtt verliehenen Lutherischen Reformations- 5 Jubilaeo, 5 nebst einer Vorrede/ 5 mitgetheilet 5 von 5 Johan. Christoph. Oleario, 5 . . . 5 Arnstadt / . . . / 1717. Exemplar: HAB – Ti 358. [Petersen, Johannes Christian] Programma, 5 Qvo 5 Johannes Christianus 5 Petersen, 5 . . . 5 Ad 5 Orationem Panegyricam, 5 De 5 Juris, Inprimis Publici, 5 Prudentia, A Tempore Reforma- 5 tionis Lutheri, In Imperio Nostro, 5 Insigniter Reformata, 5 In Majorem Festivitatem 5 Secundi Jubilaei 5 Lutherani, 5 d. 8. Novembr. Anno MDCCXVII. 5 Hora Decima Matutina, 5 a se 5 In Auditorio Majori 5 habendam, 5 . . . 5 invitat. 5 Rostochi, 5 . . . 5 Exemplar: LBMV – Mkl h 2395. –, Festiva Jubila 5 Secundi 5 Jubilaei Luthe- 5 Rani, 5 Qvibus 5 Johannes Christianus 5 Petersen, 5 . . . 5 Ad solennia festae hujus lucis 5 In Academia Rostochiensi 5 majori veneratione concelebranda 5 Orationem Solemnem 5 d. 8. Novembr. Anno MDCCXVII. 5 In Auditorio Majori 5 a se habitam, 5 Adaugendi gaudii ergo 5 inter Concentus Musicos 5 distinxit 5 Rostochii 5 . . . 5 Exemplar: LBMV – Mkl h 2395 Pfaff, Johann Christoph, Articuli XXI. 5 Confessionis 5 Augustanae 5 Vindicati, 5 ´ o˜ı´ E`a˚u` 5 & 5 Praeside, 5 Joh. ChriQuos, 5 In Jubilaeum Reformationis Secundum 5 O stophoro 5 Pfaffio 5 SS. Theol. Doctore & Prof. Publ. ordin. Ec- 5 clesiae Tubingensis ut & p. t. Suae quoque Facultatis 5 Decano, ac Illustr. Stipendii Superattendente, 5 Publice defendendos suscepit 5 M. Carl Lembke, Marchico-Durlac. 5 SS. Theol. Stud. & Ser. Stipendiarius Ad diem . . . Octobr. MDCCXVII 5 H. L. Q. C. 5 Tubingae, 5 Litteris Johannis Cunradi Reisii. Exemplar: WLB – Theol. Diss. 5254 –, Christliche Predigt/ 5 Am 5 Zweyten 5 Jubel-Fest 5 Der 5 Evangelischen Kirchen / 5 gehalten 5 Zu 5 Tu¨bingen / 5 DOM. XXIII. Trinit. Anno MCCXVII. [sic!] 5 Von 5 Johann Christoph Pfaffen / 5 S. Theol. Doct. P. P.aO. dasiger Kirchen 5 Decano, und deß Theologischen Stipen- 5 dii Superattendenten 5 Gedruckt und verlegt von Georg Heinrich Reisen / seel. Wittib. Exemplar: WLB – Theol. qt. 5454 –, Diss. de fidelibus confessoribus, juxta Rom 1010 Pra¨s. J. C. Pfaff Resp. Georg Ignati, Tubingae 1717 Exemplar: WLB Theol. Diss. 5251 Posner, Joa. Christoph, Ioa. Casparis Posneri 5 Eloqventiae Professoris 5 Oratio 5 De 5 Emendationis 5 Sacrorvm 5 A 5 Lvthero Svsceptae 5 Divinitate 5 in 5 Secvli 5 A Reformata religione 5 Secvndi 5 Sollemnibvs 5 Academiae Ienensis nomine 5 in Templo Collegii 5 Dicta 5 Nec Non 5 Programma Secvlare 5 De 5 Thvringorvm Religione 5 Ab Avctore Eodem 5 Conscriptvm. 5 Ienae 5 Typis Wertherianis Exemplar: HLHB – Gu¨ 9387 Pregitzer, Georg Conrad, Das 5 Mit heiligen Betrachtungen gekro¨nte 5 Zweyte Evangelische 5 Jubel-Jahr 5 Oder 5 Gott-geheiligte 5 POESIE 5 In sich haltend 5 Einen Lehr-

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Trost- und Tugend- 5 Spiegel vor alle Sta¨nde und auff alle Jahrs- 5 Zeiten, ernstliche, Betrachtungen des Todes 5 und der Ewigkeit, 5 Seraphinische Himmels-Gedancken und 5 ta¨gliches Lob des grossen GOttes, auch erbauli- 5 che Anmerckungen u¨ber alle SonnFest- und Feyrta¨gliche 5 Evangelien; So dann kurtz- gefaßte Erzehlung der vornehmsten 5 Umsta¨nde durch den Dienst des seeligen 5 D. Martini Lutheri 5 angefangenen heilsamen 5 Reformation, 5 Samt einem kleinen historischen Anhang, was in 5 diesem Evangelischen Jubel-Jahr 1717. zu Tu¨bingen merckwu¨rdiges 5 geschehen, zu gemeiner Erbauung geschrieben 5 Von 5 Georg Conrad Pregitzern . . . Zweyte Aufflag, 5 Tu¨bingen, Verlegtens die Gebru¨dere Cotta. Exemplar: UB. TU¨ – LXV 23. 1 Programma De 5 Veris Et Fictis 5 Christianorum 5 Iubilaeis 5 Ad Artic. Smalcaldic. 5 Cap. III. De poenit. 5 Festo Pentecostes 5 In Academia Julia 5 Anno MDCCXVII 5 P. P. Helmstadii Exemplar: HAB – 31 Helmst. Dr. 42 Quaestio proposita „An quis nulla arte medicina imbutus, possit curare morbos“, Ko¨nigsberg 1717. Exemplar: ThStAGo: Oberkonsistorium Generalia Loc. 26, Nr. 12, Bll. 98–99. Rempe, Johann, Die zur fro¨hlichen Jubel-Zeit der frolockenden Evangelischen Kirchen zu Gottes Ehren, in der Schloß-Kirchen zu Wolffenbu¨ttel vorgetragene Predigt von der Wissenschaft des Glaubens an Christum aus Galat. 216 anno 1717 Helmstedt Exemplar: HAB – M. QUN 179 (5) Richter, David, Ausfu¨hrliche 5 Historie und Recht 5 eines Evangelisch-Lutherischen 5 Jvbilaei, 5 Nebst einer Vorrede / 5 Worinnen unter andern beschei- 5 dentlich untersuchet wird / warum R. P. 5 Krause, als ein Jesuite, solch ein mi- 5 serabler Controversien-Pre- 5 diger sey? 5 aufgesetzt von M. Gotthold Praetorio. Veneto 5 anno IobILaeo LVtherano- 5 rVM seCVnDo. 5 Bey Johann Bernhard Hartung / Buchha¨ndl. in Jena 1717. Exemplar: LBMV – Bc V 3b 1042 Rithmeier, Christoph Heinr., Fernere 5 Nachricht 5 wegen vorhabender 5 Biblischen Arbeit 5 und welcher Gestalt 5 bey noch wa¨hrender heil. Fasten-Zeit 5 Die Abschieds-Reden 5 Christi 5 Aus des heil. Evangelisten Joh. XIV. und folgenden Cap. 5 In hiesiger Collegien-Kirche 5 Bey gewo¨hnlicher o¨ffentlicher Bet-Stunde 5 Am Sonnabend nach Dom. Judica, den XX. Mart. vorzunehmen gewillet 5 Christoph Heinrich Rithmeier 5 Th. D. und Prof. Ord. 5 Helmsta¨dt/ 5 Gedruckt bey Hermann Daniel Hammen / Univ. Buchdr. 5 1717 Exemplar: WLB – Kirch. G. qt 1782–5 –, 5 . . . 5 Vorbereitung 5 zu dem instehenden 5 Evangelischen 5 Jubel-Jahre 5 Mit Anzeige dessen 5 Was er hinku¨nfftig in die Collegien-Kirche 5 zu u¨bernehmen gewillet. 5 Welchem beygefu¨get 5 Monita Chemnitiana 5 Oder 5 Heilsame Erinnerungen 5 ehmals von dem sehl. hochverdienten 5 D. Martino Chemnitio 5 bey solenner Einfu¨hrung der Julius- Universita¨t 5 allhier o¨ffentlich gegeben / 5 Betreffend die hohen Schulen / und insonderheit die 5 Theologischen Studia und Ubungen. 5 Helmsta¨dt / 5 Gedruckt bey Hermann Daniel Hammen / Univ. Buchdr. 1716 5 wieder aufgelegt im Jahre 1717. Exemplar: WLB – Kirch.G.qt. 1785–5 –, Ivbilvm Propheticvm, 5 Die Prophetische Jubel-Freude / 5 Aus des H. Propheten HABAC. cap. IV. v. 18.19 5 Bey dem grossen 5 Evangelischen 5 Jubel- 5 und 5 Danck-Fest 5 Am 31. Octobr. als an dem XXIII. Sonntage 5 nach dem Fest der heiligen Drey-Einigkeit/ 5 dieses 1717ten Jahres / 5 In hiesiger Vniversita¨ts-Collegien Kirche 5 zu heilsamer Erbauung 5 vorgestellet 5 von Christoph Heinrich Rithmeiern 5 . . . 5 Druckts Hermann Daniel Hamm / Univ. Buchdr. 1717 Exemplar: WLB – Kirch.G.qt. 1782–5 Sanden, Bernhard von, Disputatio Theologica Inauguralis 5 De 5 Symbolo Lutheranorum 5 Seculari 5 Verbum Domi- 5 ni Manet In 5 Aeternum, 5 Quam 5 Deo Adjuvante 5 Ex Decreto 5 Venerandae Facultatis Theologicae 5 In Academia Regiomontana 5 Sub Praesidio 5 Domini 5 Bernhardi Von Sanden, 5 S. S. Theol. Doct. Et Prof. Primar. Facultatis Suae 5 Senioris, Concionat. Aul. Primar. Et Consist. 5 Samb. Con-

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sil. 5 Pro Gradu Doctroratus 5 Sive 5 Consequendis Summis in Theologia Honoribus 5 Habebit 5 M. Iohannes Behm, 5 S. Theol. Prof. Extraord. Designatus, Nec Non 5 Graec. Lingv. Prof. Extraordin. 5 In Auditorio Maximo 5 Horis ante Et Pomeridianis A. MDCCXVII. D. XXVI. Octobr. 5 Regiomonti, Litteris Reusnerianis. Exemplar: SUB. GO¨ – 8 BIBL II 2857: Angeb. 14 –, Fu¨nff Predigten 5 Von der / vor zwey hundert Jahren / 5 durch den Dienst des seel. Herrn 5 D. MARTINI LUTHERI 5 Von GOTT in seiner Christlichen Kirchen 5 wunderbahr vorgenommenen und herrlich 5 ausgefu¨hrten 5 REFORMATION, 5 Welche umb die Zeit des anderen 5 Evangelisch Lutherschen Kirchen-Jubilaei 5 Oder 5 hundert ja¨hrigen Reformations Fest / 5 So auf den 31. Octobr. den XXIII. Sonntag nach Trinitatis 5 ANNO MDCCXVII. 5 eingefallen / 5 nehmlich den XXI. und XXII. Sonntag nach Trinit. vorher / an dem 5 Jubel-Tage selbst / den XXIII. nach Trinit. und nach demselben / am XXIV. und 5 XXV. nach Trinit. 5 Aus denen ordentlichen Sonntags-Evangeliis in der Ko¨nigl. Residentz- 5 Kirchen zu Ko¨nigsberg in Preussen gehalten / 5 Und zum danckbahren Andencken / solcher erlebten Freude und Glu¨ck- 5 seeligkeit zum Druck befordert 5 Bernhard von Sanden / 5 . . . 5 Ko¨nigsberg / gedruckt bei Johann David Za¨nckern. Exemplar: Bibliothek der Franckeschen Stiftungen Halle/Saale – Sign.: 181 C1 (9) –, Unterricht 5 Vor die 5 Jungen und Einfa¨ltige 5 in der Gemeine / 5 Von dem 5 Evangelisch-Lutherschen 5 Anderem 5 Kirchen-JUBILAEO, 5 Oder 5 Zweyhundert-ja¨hrigem 5 Reformations-Fest / 5 So auff den 31. October oder XXIII. 5 Sonntag nach Trinitatis dieses 1717. 5 Jahres einfa¨lt / 5 In kurtze Frage und deutliche Antwort 5 Auff Catechetische Arth / 5 Verfasset von D. Bernhard von Sanden . . . 5 Ko¨nigsberg / gedruckt mit Reußnerischen Schrifften. Exemplar: SUB. B – Dh 10555 Sanden, Heinrich von, Oratio de Superstitiosis Pontificiorum curationibus, Secundo Ecclesiae Evangelicae Seculo finito In Templo Arcis Regiae d. XI. Novembr. 1717 Ab Henrico von Sanden, . . . habita. Exemplar: ThStAGo: Oberkonsistorium Generalia Loc. 26, Nr. 12, Bll. 101–113 Schaper, Joh. Ernst, Johannes Ernestus 5 Schaper 5 . . . 5 Instans post Quatriduum 5 Jubilaeum Evan- 5 Gelico – Luthe- 5 Ranum idque Se- 5 cundum 5 Simul Et 5 Orationem Ad Id Ipsum Praeparatoriam 5 Theologi, de Genuina Jesu Christi 5 Ecclesia Excellentissima Meriti, 5 Dn. Alberti Joachimi 5 De Krakevitz, 5 . . . 5 Programmate hoc Academico publice solemniterq. indicit 5 Nec Non Ad Eandem 5 D. XXIX. Octobr. In Auditorio Maximo Audiendam 5 Illustrium Collegiorum Ducalium Pro- 5 ceres, Utriusque Magistratus Primores, Omnium Fa- 5 cultatum Doctores, Verbi Divini Ministros, Philo- 5 Sophiae Magistros, 5 Una cum Lectissima 5 Studiosorum Corona 5 Ea, Qua Fas Est, Humanitate, Mutuorumqve Studiorum 5 Dicata Officiositate, Convocat Pariter Invitat. 5 Rostochi . . . 5 Exemplar: LBMV – Mkl h 2395 –, Ad 5 Jvbilvm Jubilantis Coronae Acade- 5 micae Rostochiensis: Jvbilaei 5 Lutherani 5 Ac 5 Audiendam Orationem, 5 De 5 Perennitate Doctrinae 5 Lutheranae, 5 Secundum vulgatum illud: 5 GOttes Wort und Luthers Lehr vergehet nie und nimmermehr. 5 Sub Augustissimis Auspiciis Serenissimi 5 Principis Ac Domini, 5 Domini Caroli 5 Leopoldi, 5 . . . 5 Rectore Magnifico 5 Dn. Joh. Ernesto Schapero 5 . . . 5 Die 2. Novembr. Ao. MDCCXVII. 5 In Auditorio Maximo Hora VI. Vespertina 5 Inter Concentus Musicos & flammigerentes Faces habendam 5 Abs 5 Dno. Nicolao Jacobo Marck . . . 5 . . . invitat 5 Jacobus Carmon / . . . 5 Rostochii, . . . 5 Exemplar: LBMV – Mkl h 2395 –, Johannes Ernestus 5 Schaper, 5 . . . 5 Hodie 5 Academiae Rostochiensis Rector, 5 Ad Jubilaeum, Qvod 5 Nunc Adest, Evangeli- 5 Co-Lutheranum, 5 Idqve Secundum, 5 Rite Recteqve Celebrandum, 5 Nec Non Ad 5 Audiendam Benevole atq. Conjunctim 5 Orationem Academicam eamq. Secularem 5 . . . 5 Dn. Jacobi Carmon, 5 . . . 5 De 5 Luthero Vitro Nec Vitro 5 D. II. Novembr. In Auditorio Maximo 5 Publice Habendam 5 . . . 5 invitat 5 Rostochii . . . 5 Exemplar: LBMV – Mkl h 2395

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Schmidt, Joh., De 5 Iubilaeis, 5 maxime 5 Evangelico- 5 Lutheranis 5 Sub umbone 5 Dn. Iohannis Schmidii, 5 SS. Theologiae Doctoris & Prof. Publ. 5 hagio-Synedrii Electoris & Ducalis Assessoris, Alumno- 5 rum Electoralium Ephori, Collegii B. Mariae Uirginis Praepositi, 5 Academiae Decemuiri & h. T. Facult. Philos. 5 Decani, 5 Dn. Praeceptoris ac Hospitis ad urnam usque colendi, 5 Commentationem 5 Theologicam-Historicam 5 In Alma Lipsiensi 5 Anno IobIleo LVtheranorVM seCVnDo 5 Ad diem X. Decembr. 5 Publico Eruditorum suzvtv´sei 5 In Auditorio Theologorum 5 proponet 5 Auctor 5 Iohannes Gottfried Crausius, 5 Ecclesiae Weissenfelsis Sub-Diaconus. 5 Literis Ioannis Andreae Zschau. Exemplar: FLB – Th 2780 Schoepffer, Justus, Lutherus Non Combustus 5 Sive 5 Historica Ennaratio 5 De 5 D. M. Luthero 5 Ejusque 5 Imagine 5 Singulari Providentia Dei T. O. M. duplici 5 vice ab igne miraculose conservata, in laudem 5 Summi Numinis, Repurgatae Religionis 5 & Genuinae Ecclesiae utilitatem 5 Atque 5 Secundi Jubilaei Evangelici 5 Memoriam 5 Cum Praefatione 5 Dn. D. Martini Chladenii 5 . . . 5 Ex 5 Historicis Probatae Fidei Monumentis 5 delineavit 5 et Figuris AEneis illustravit 5 M. Justus Schoepffer 5 . . . 5 Wittembergae 5 Apud Godofredum Zimmermannum 1717. Exemplar: SUB. B. – Cn 5842 Scho¨ttgen, Christian, Conspectus 5 Lectionum 5 Historico-Ecclesiasticarum 5 ad 5 Reformationem 5 Lutheri 5 spectantium, 5 quas 5 praeparationis loco 5 ad 5 Jubilaeum Reformationis 5 hoc anno celebrandum 5 in usum 5 Auditorium suorum 5 habebit 5 Christianus Schoettgenius. 5 Francofurti ad Viadrum, 5 . . . 5 1717. Exemplar: SLB. DD – Coll. diss. A 218, 27 –, Diatribe Historico-Litteraria 5 de 5 Statu Scho- 5 larum Ante 5 Reformationem, 5 qua ad celebrandum in Schola 5 nostra 5 Reformationis 5 Lutheranae 5 Jubilaeum, 5 Omnes Scholae nostrae ac bonarum lit- 5 terarum Patronos ac Fautores 5 invitat 5 Christianus Schoettgenius. 5 Francofurti Ad Viadrum, 5 Apud Johann. Godofredum Conradi, 5 MDCCXVII. Exemplar: FLB – Diss. Hist. V. 53. N. 24 Schroer, Georg, Friedrich, Collegii Theologorvm 5 in 5 Academia Vitembergensi 5 h. t. 5 Decanvs, 5 Georg. Frieder. 5 Schroeer, 5 S. S. Theol. Doctor, Ejusdemque Prof. Publ. 5 & Alumn. Reg. Ephorus, 5 Lectvris Salvtem Plvrimam 5 Dicit. Sicul, Ernst, Neo-Annalium Lipsiensum Continuatio III. Oder Des mit dem 1715ten Jahre Neu-angefangenen Leipziger Jahr-Buchs Vierte Probe Auf das 1718te Jahr ausgefertigt, und mit einem dreyfachen Register statt seines Leipziger Titular-Buchs und zu anderer Adresse versehen von Christoph Ernst Sicul, Leipzig Exemplar: SUB.GO¨ H. Sac. Reg. II 4970 Sprengel, Johann Gerhard, Oratio de bonis litteris per reformationem Lutheri magis efflorescentibus in natalem beatae viri memoriae . . . die X. Nov. in . . . Julia habita a Joanne Gerardo Sprengel, Helmstadii 1717. Exemplar: HAB – Li 5709 Stein, Joachim Ernst, Vorbereitungs-Rede 5 Zu dem Evangelischen 5 Jubel-Fest 5 Nach Anleitung der Worte Davids 5 Ps. 1031–5 5 gehalten am 30. Octobr. dieses 1717ten Jahres in hiesiger Collegien-Kirche 5 Porta Coeli 5 genandt 5 Von Joachim Ernst Stein / 5 . . . 5 Helmsta¨dt / 5 Gedruckt bey Hermann Daniel Hammen / Univ. Buchdr. 5 1717 Exemplar: WLB – Kirch.G.qt. 1782–5 Stock, Christian, Oratio inauguralis de Ignorantia, quae ante et sub Reformationis tempus in Christiano fuit orbe, in memoriam Jubilaei secularis in auditorio Theol. habita, cui accessit dissertatio praeliminaris de Palliggenesia, sub idem tempus etc. Ienae. M. Nov. 1717 Exemplar: FLB – Diss Phil. 77 n. 39 [Tentzel, Wilhelm Ernst] Wilhelm Ernst Tentzels, 5 HISTORIOGRAPHI SAXONICI, 5 Historischer 5 Bericht 5 vom Anfang und ersten Fortgang 5 der 5 REFORMATION 5 LVTHERI 5 Zur Erla¨uterung des Hn. v. Seckendorff 5 HISTORIE des Lutherthums, 5 mit grossem Fleiß erstattet, 5 und nunmehro in diesem andern 5 Evangelischen Jubel-

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Jahr, 5 Nebst einer 5besondern Vorrede, auch nu¨tzlichen 5 noch niemahls publicirten Uhrkunden, 5 und no¨thigen Registern mitgetheilet 5 von D. Ernst Salomon CYPRIAN, 5 . . . 5 GOTHA 5 Gedruckt bey Johann Andreas Reyhern, 5 F. S. Hof-Buchdr. 1717. Exemplar: WLB – Kirch. G. oct. 7159 [Ders.] Wilhelm Ernst Tentzels, 5 HISTORIOGRAPHI SAXONICI, 5 Historischer 5 Bericht 5 vom Anfang und ersten Fortgang 5 der 5 REFORMATION 5 LVTHERI 5 Zur Erla¨uterung des Hn. v. Seckendorff 5 HISTORIE des Lutherthums, 5 mit grossem Fleiß erstattet, 5 und nunmehro in diesem andern 5 Evangelischen Jubel-Jahr, 5 Nebst einer 5besondern Vorrede, auch nu¨tzlichen 5 noch niemahls publicirten Uhrkunden, 5 und no¨thigen Registern mitgetheilet 5 von D. Ernst Salomon CYPRIAN, 5 . . . 5 Der dritte Druck 5 Leipzig, zu finden bey Joh. Ludwig Gleditsch 5 und Moritz Georg Weidmann, 1718. Exemplar: SUB. B. – Cm 2833 Thegen, Georg, Oratio jubilaea, Ko¨nigsberg 1717 Exemplar: ThStAGo: Oberkonsistorium Generalia Loc. 26, Nr. 12, Bll. 116–123. [Thiele, Joh. Petr.] AVf MeIn Hertz! 5 AVf Lobe Den HERRN! 5 HaLLeLVIa! 5 Als 5 Auf allerna¨digsten Befehl 5 Des AllerDurchlauchtigsten Fu¨rsten 5 und HERRN 5 Hn. Friderich 5 Wilhelms/ 5 Ko¨nigs in Preussen / und Chur- 5 Fu¨rsten zu Brandenburg 5 . . . 5 Das zweyte Jubilaeum 5 Wegen der von dem seel. Luthero durch GOttes 5 Gnaden vorgenommenen Reformation 5 Zu Franckfurth an der Oder den 31. Octobris 1717. 5 Solenniter gefeyret wurde, 5 Wolte 5 Zu GOttes Ehren und der Gla¨ubigen Aufmunterung 5 Seine Jubel-Freude 5 Hertzlich und demu¨thig bezeugen 5 Joh. Petr. Thiele / J. U. D. P. P. Extraord. 5 und Burgermeister daselbst. 5 Franckfurth an der Oder / bey Johann Gottfried Conrad. Exemplar: WLB – Kirch.G.qt 1782–4 Tilesius, Balthasar, Balthasar Tilesii, J. V. L. et Prof. Publ. Extraord. in Regiomont. Univ. resolutio quaestionis a Joa. Gothofr. Amsel, Fil. Joa. Amsel, J. V. D. et Prof ord. secundi propositae de Luthero an e monasterio egressus monitaem Cathar. de Bora in uxorem duxit, peccaverit Exemplar: ThStAGo: Oberkonsistorium Generalia Locatio 26, Nr. 12, Bll. 84–93 Treuer, Gottlieb Samuel, Dispvtatio moralis 5 De 5 Caractere Animi 5 D. Mart. Lvtheri, 5 Qvam 5 Praeside 5 Gottlieb Samvele Trever 5 Polit. Et Moral. Prof. 5 Pvbl. Ord. 5 Patrono Ac Praeceptore Svo Plv- 5 rimvm Devenerando 5 A. D. XXII. Decembr. MDCCXVII. 5 In Ivleo Maiori 5 Pvblicae Disqvisitioni Exponit 5 Avctor 5 Iohann Ivstvs Pollemann. 5 Goslariensis 5 Helmstadii 5 Typis Hermanni Danielis Hammii, Acad. Typrogr. Exemplar: SUB. GO¨ – 8 J VAR 93 / i: 10 –, Q. D. B. V. 5 De 5 Svperstitio- 5 nis Conditoribvs 5 Et 5 Propagatoribvs 5 Praeside 5 Gottlieb Samvel Trever 5 . . . 5 Dispvtatione Pvblica 5 In Ivleo Majori 5 Disqviret 5 Responsvrvs Avctor 5 Georgivs Dietericvs Thies 5 Cellensis 5 D. Xvii. April Mdccxvii. 5 Helmstadii, 5 . . . Exemplar: HAB – T 330 d. 4b Helmst. 10 –, Die 5 Politischen Fehler 5 Des 5 Pa¨pstlichen 5 Hofes/ 5 Welche die 5 Reformation Lutheri 5 sollen befo¨rdert haben 5 Werden allhier umsta¨ndlich untersuchet 5 Von 5 G. S. T. 5 . . . 5 Leipzig und Wolffenbu¨ttel/ 5 Verlegt von Gottfried Freytagen. 5 Gedruckt bey Salomon Schnor. 1718. Exemplar: SUB. B. – Ce 2770 –, Dissertatio Prima 5 De 5 Impostvris 5 Sanctitatis 5 Titvlo Factis 5 Qvam 5 Praeside 5 Gottlieb Samvel Trever 5 . . . 5 Die III. Febrvar A. R. S. MDCCXVII 5 . . . 5 Pvblice Proponet 5 Respondens 5 Christianvs Henricvs Schilling 5 . . . 5 Helmstadii Exemplar: SUB. GO¨ – J VAR 93/ i: 8 Ungnade, H., Das 5 Evangelische 5 Franckfurt 5 an der Oder / 5 Wie es mit 5 Loben und Dancken 5 Das 5 Zweyte Jubel-Fest 5 der Reformation Lutheri 5 in diesem MDCCXVII. Jahre 5 begangen. 5 Gottgeheiligtes Denck-Mahl 5 Der Evangelischen 5 Fest- und JubelFreude / 5 so 5 Auf allergna¨digste Verordnung 5 Ihr. Ko¨nigl. Maj. in Preussen 5 Bey dem 200.ja¨hrigen Jubel-Fest 5 Anno 1717 d. 31. Octobr. 5 war Domin. XXIII. p. Trin. 5 Die

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Evangelisch-Lutherische Gemeine 5 Zu Franckfurt an der Oder bezeuget hat/ 5 Bestehend 5 I.) In zween Jubel-Predigten / deren die erste gehalten am Sonntage 5 aus der ordentlichen lection Phil. III. 17 sq. Die andere Montags drauf 5 aus den Worten 1. Joh. II, 8. Denn die Finsterniß ist vergangen / 5 und das wahre Licht scheinet itzt. 5 II.) In einer kurtzen Nachricht / wie es mit dem GOttesdienst gehalten / wie 5 auch von einigen dabey fu¨rgefallenen Solennita¨ten und Freuden-Be- 5 zeugungen / 5 Gott zu Ehren und denen lieben Nachkommen 5 zur Nachricht 5 Auf Begehren aufgerichtet und zum Druck 5 u¨bergeben 5 Von M. H. Ungnaden, Archi Diac. 5 Apoc. XIV, 75 MVLta esto soLI gLorIa LaVsqVe Deo! 5 FVerchtet GOtt / nVr IhM gebet aLLen PreIß VnD Ehre! 5 5 Franckfurt an der Oder / bey Johann Gottfried Conradi. Exemplar: WLB – Kirch.G.qt. 1782–4 Unschuldige Nachrichten 5 Von 5 Alten und Neuen 5 Theologischen Sachen, 5 Bu¨chern / Uhrkunden / Controversien / 5 Vera¨nderungen, Anmerckungen, 5 Vorschla¨gen, u. d. g. 5 Zur geheiligten Ubung 5 in gewissen Ordnungen 5 verfertiget 5 Von 5 Einigen Dienern des Go¨ttlichen 5 Wortes. 5 Auff das Jahr 1719. 5 Nebst no¨thigen Registern und Summarien. 5 . . . 5 LEIPZIG, 5 Verlegts Johann Friedrich Braun 5 Druckts Jacob Harpeter. Valentin, Christian Bernhard, Disputatio Inauguralis Medica 5 De 5 Ceraunia 5 vulgo 5 von der Donner-Axt 5 Ut Et De 5 Fulmine Tactis, 5 Quam 5 Divina Assistente Gratia, 5 Anno Seculari 5 seu 5 IVbILaeo orthoLogorVM seCVnDo, 5 Pro Licentia 5 Impetrandi Jura Doctoratus, 5 Magnifico Et Excellentissimo 5 Dnn. Procerum Academico- 5 rum Ordini 5 Ad diem H. L. Q. C. 5 ventilandam sistit 5 Christoph. Bernhardus Valentini, 5 Gissensis. 5 Gissae Hassorum, 5 Typis Vidvae & Haeredum Vulpianorum, Acad. Typogr. Exemplar: WLB – Med. Diss. 6101 Verae Ecclesiae 5 Monumentum 5 verum monumentum, 5 ut 5 rei maximi momenti, 5 Tempore Jubili 5 Pleno, 5 qvo Lutherani 5 Ovantes, triumphantes, 5 serena Caeli gratia, & fronte serena, 5 Varniaco-Atheneo, 5 praeterlapsis ducentis a Reformatione Lutheri annis, 5 Jubilaeum Suum 5 animo jubilante, & corde triumphante, 5 secunda nunc vice celebrabant, 5 in 5 immortalis Dei laudem immortalem, 5 Ecclesia gloriam vere gloriosam, 5 Papae & Regni Papalis turpidinem vere turpem, 5 erectum, a puri verbi amatore, veraeque doctrinae indigatore, 5 & Studii Theologici Sectatore. 5 Christiano Henrico Pauli, 5 Parchimensi. 5 Rostochi, 5 Typis Nicolai Schiegerovii, 5 Ampliss. Senat. Typographi. 5 Anno MDCCXVII. Exemplar: LBMV – Mklbg g 896/10 Walter, Bernhard Benedikt / Hahn, Johann Bernhard, De Anno Hebraeorum Jubilaeo, Ko¨nigsberg 1717 Exemplar: ThStAGo: Oberkonsistorium Generalia Loc. 26, Nr. 12, Bll. 125–130. Weber, Immanuel, Oratio Solennis 5 Qvam 5 De 5 Veritate Somnii 5 Fridericii 5 Sax. Septemviri 5 Cognomine 5 Sapientis 5 Civivm Svorvm Nomine 5 Habvit Pvblice 5 In 5 Templo Academico 5 Vittembergae 5 M. Immanvel VVebervs 5 Vittembergensi Sax. 5 VII. Idvs Novembris 5 Anni Secvlaris 1717 5 Ex Officina Gerdesiana. Exemplar: WLB – Kirch.G.qt.K. 1875 Weidner, Joh. Joach., Delineatio 5 Curiae Papalis 5 Qvae Megalandrum 5 Nostrum 5 Ditionibus Suis Exterminavit 5 Qvam 5 in Festiva Solennitate 5 Jubilaei Secundi Lutherani 5 Anno MDCCXVII. D. X. Novembris 5 Sub Auspiciis Divinis 5 In Florentissima Ad Varnum Academia 5 Consensu Reverend. Facult. Theologicae, 5 praeside 5 Viro Magnifico, Summe Reverendo, Amplissimo 5 Atque Excellentissimo, 5 Dn. Joh. Joach. 5 Weidnero, 5 S. S. Theol. Doct. Ejusdemque Prof. Publ. Ord. 5 Celeberrimo, Et Pastore Ad Aedem D. Virgi- 5 nis Dudum Merentissimo, 5 Dno Patrono, Praeceptore, Studiorum 5 Promotore ac hospite suo ad bustum usqve devenerando, 5 Horis consvetis exhibuit, & publicae Discussioni commisit, 5 Ern. Joh. Frid. Manzel, Mekl. 5 Rostochii, Typis. Joh. Wepplingi, Sereniss. Princ. 5 & Univ. Typogr. Exemplar: WLB – Kirch.G.qt. K. 1888 –, Designatio 5 Dogmatum 5 Divinorum 5 Quae Propter 5 Curia Papalis 5 Megalandrum Nostrum Ditionibus Suis 5 Exterminavit, 5 Quam 5 Jubilaei Secundi Lutherani

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Occasione, 5 Anno MDCCXVII D. VIII. Jan. 5 Sub Auspiciis Divinis 5 Et Consensu Reverend. Facult. Theol. 5 Praeside 5 . . . 5 Dn. Joh. Joachim. 5 Weidnero 5 . . . 5 . . . exhibet: 5 Bartholdus Ku¨hn / Reinsberg. March. 5 . . . 5 Rostochii 5. Exemplar: LBMV – Bd VI, 3 177 Weissenborn, Jesaja Friedrich, I. N. J. 5 Iactantia Romanae 5 Ecclesiae, In Praecipvo Spe- 5 cimine Perspecta 5 Atqve 5 in Academia Ienensi 5 Rectore Magnificentissimo 5 Serenissimo Principe Ac Domino 5 Domino 5 Gvilielmo Henrico 5 Duce Saxoniae, Ivliaci, Cliviae, Montivm, Angariae 5 Itemqve Westphaliae, Cetera 5 Praeside 5 Iesaia Friderico Weis- 5 senbornio 5 Consiliario Saxo-Isenacensi Ecclesiastico Et consisto- 5 riali, Theologiae Doctore Eivsqve Professore 5 Pvblico, Ac Ienensis Ecclesiae 5 pastore 5 patrono Ac Praeceptore Svo 5 Omni Observantiae Cvltv Proseqvendo 5 In Reformationis Lvtheri Memoriam 5 Anno Menseqve 5 Ivbilaei Lvtheranorvm Secvndi 5 H. L. C. Pvblice Examinata 5 Ab 5 Avctore 5 Christ. Henr. Storchio 5 Gvstroa. Megapol. 5 Ienae, Litteris Mvllerianis. Exemplar: WLB – Theol. Diss. 7001 Weller, Hieronymus, Epistolicvm 5 De 5 Stvdio Theologico 5 Atqve 5 Homiletico 5 Recte Institvendo Et Feliciter Con- 5 tinvando Consilivm 5 Ex Mente Et Dvctv D. Lvtheri 5 A Genvino Eivsdem Discipvlo 5 D. Hieronymo Wellero 5 Perscriptvm. 5 Secvndo Ecclesiae Evangelicae 5 Anno Jvbilaeo Exevnte 5 In Lvcem Revocatvm 5 Ex Bibliotheca 5 Et Cvm Praefatione 5 Christoph Henr. Rithmeieri 5 Helmstadii 5 Exemplar: HAB – Mischbd. 525 Helmst. Dr. (31) Wernsdorf, Gottlieb, Q. D. B. V. 5 Positiones Theologicas 5 De 5 Fvndamento 5 Confessionis 5 Et 5 Absolvtionis 5 Privatae 5 Rectoris Academiae Magnificentissimi 5 Serenissimi Prinicipis Atqve Domini 5 Dn. Friderici Avgvsti 5 Rectoratvs Saconici Heredes 5 Praeside 5 Viro Svmme Venerabili 5 Dn. Gottlieb Wernsdorfio 5 SS. Theol. Doct. Ejvsdemqve Prof. Pvbl. 5 Aedis O. O. S. S. Praeposito et Senatvs Eccles. Assessore 5 H. T. Ordinis Svi Decano 5 Domino patrono Ac Praeceptore svo 5 Sancte Observando 5 D. VIII. Octobr. A. O. R. MDCCXVII. 5 Qvi est JubilaeVs Evngelicorvm Secvndvs 5 Ob Domestica Ecclesiae Mala Accvrativs Expensas 5 Pvblice Defendet 5 Avctor 5 Joh. Christophorvs Schvsler 5 H. L. Q. C. Exemplar: SUB. B – 13 in Bd 8603–152 –, PERI 5 TON KRITON 5 DIKAIOU, OUK ADIKOS 5 KRINONTOS 5 Sev, De 5 Ivdice 5 Ivste, Non Inivste 5 Ivdicante, 5 Ad Vindicandvm Oracvlum 1. Petr. II, 23 5 Contra Statores Infallibilitatis 5 Pontificis-Romani, 5 Praeside 5 Dn. Gottlieb Wernsdorfio 5 SS. Theol. Doct. Eivsdemqve Prof. Pvbl. Aedis OO. SS. 5 Praeposito, Et Senatvs Ecclesiastici Assessore5 Stvdiorvm Fortvnarvmqve Svarvm Amplificatore, omni Ob- 5 sequii Atqve Honoris Cvltv Aetatem Devenerando, 5 Die XII. Nov. Anni Secvlaris, 5 Emendatae Per Lvthervm, Religionis, Secvndi, 5 E Cathedra Ipsivs, 5 Avctor Respondens 5 Io. Fridericvs, Georgi F. Michaelis, 5 VVittembergensis SS. Theol. Cvltor, 5 Horis, Ante Meridiem, Svetis, Dispvtabit. 5 VVittembergae, stanno crevsigiano. Exemplar: SUB. B – Bd 8603–123 –, Judas der Verra¨ther, 5 Am Lutherischen 5 Jubel-Jahre / 5 Anno M DCC XVII. 5 Bey einer 5 Evangelischen 5 Widerlegung 5 Der Baghmegyeyschen sechs 5 Motiven, so Ihn bewogen ein 5 Papist zu werden. 5 Denen Verkehrten zu ihrer Be- 5 kehrung, den Su¨ndern zur Besserung, 5 den Schwachen zur Sta¨rckung, den Recht- 5 gla¨ubigen zur Befestigung, 5 den Hals- 5 starrigen zum Schrecken; 5 Vorgestellet, 5 Durch einen Evangelischen 5 Christen, 5 Theophilus Warmund. 5 Gedruckt mit Lutherischen Schrifften, 5 in diesem Jahr. Exemplar: SUB. B – Dh 11 385 –, I. N. J! 5 D. Mart. Lutheri wahre Beschaffenheit 5 Und 5 Aller rechtschaffenen Lutheraner Schuldigkeit 5 Wurde vermittelst einer 5 Evangelischen 5 Jubel-Mu¨ntze 5 mit ihrem 5 Bild und U¨berschrift 5 Am Ersten Feyer-Tage des Andern Christ-Lutherischen 5 JubelFestes 5 War eben der XXIII. Sonntag nach Trinitatis 1717 5 In der Schloß-Kirchen zu Aller-Heiligen in Wittenberg 5 aus dem sonst gewo¨hnlichen Sonntags-Evangelio Mt. XXII.15–22. 5 Der anwesenden sehr grossen Versammlung 5 Schrifftma¨ßig gewiesen 5

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Von 5 Gottlieb Wernsdorffen 5 . . . 5 Wittenberg, druckts und verlegts die Gerdesische Witwe. 1719. Exemplar: FLB – Th 4b 923–924 –, Nvm 5 Bona Opera 5 In Jvstificatione 5 Fidei 5 Sint Praesentia 5 Praeside 5 . . . 5 Gottlieb Wernsdorfio 5 . . . 5 Ad D. Xix. Octob. Mdccxvii 5 Dispexit 5 Georg Fridericvs Schmidt 5 . . . 5 Editio Secvnda 5 Vitembergae 5 . . . 5 1730 Exemplar: SUB. B – 11 in Bd 8603–148 –, Qvod Felix, Favstvmqve Sit! 5 De 5 Primordiis 5 EmendataE 5 Per Lvtherum 5 Religionis, 5 Rectore Adademiae Magnificentissimo 5 Serenissimo Principe Ac Domino 5 Dn. Friderico Avgvsto, 5 Electoratvs Saxonici Haerede Etc. 5 Praeside 5 Gottlieb VVernsdorfio. 5 Saxon. Ephoro, et Academiae h. t. 5 Pro-Rectore 5pridie Anniversarii Sacri 5 II. Cal. Novembr. MDCCXVII 5 ex ipsius Divi Lutheri Cathedra, 5 publica Dissertatione exponet 5 M. Godofredvs Victor Moehring, 5 S. Theol. Cand. h. Ord. Phil. in Acad. Vitemb. Assessor, 5 nunc design. Illustris. et Provincialis Scholae 5 Iveranae Rector. 5 Vitembergae, Typis Ioannis Hakii. Exemplar: WLB – Kirch.G.qt.K.1932 –, Q. D. B. V. 5 De 5 Progressv 5 Emendatae 5 Per Lvthervm 5 Religionis 5 Praeside 5 Gottlieb Wernsdorfio 5 SS. Theol. Doct. et Prof. Pvbl. 5 Aedis OO. SS. Praeposito Et Senatvs 5 Ecclesiastici Assessore 5 Ad Diem XVII. Novembr. 5 Anni Secvlaris MDCCXVII. 5 Ex Ipsivs Lvtheri Cathedra 5 Pvblica Dissertatione Exposvit 5 Gerhardvs Lu¨ders 5 Hambvrgensis. 5 Editio Secvnda. 5 Vitembergae 5 Literis Vidvae Gerdesiae. 5 1735. Exemplar: SUB. B – 2 in Cn 4011–1 [Wolffradt, Christ. Frid.] Als / 5 Bey annoch fort wa¨hrenden 5 Ho¨chst-erfreulichen Feste / 5 Des 5 Andern Lutherischen 5 Jubilaei, 5 zu dessen mehrerer Feyer / 5 Christophorus Frideri- 5 cus Wolffradt, 5 . . . 5 Auff der Rostockischen Universita¨t / 5 Den 16. November Anno 1717. 5 Im großen Auditorio 5 Eine 5 Solenne Oration 5 hielte; 5 Wurde 5 Zur Bezeugung desto gro¨sserer Freude / 5 Nachfolgende 5 Arie 5 Vor / zwischen / und nach gehaltener Rede / 5 abgesungen. 5 Rostock. Exemplar: LBMV – Mkl h 2395 –, Jubel-Oration 5 von 5 dem Leben und Thaten 5 Johannes Friderici I. 5 Churfu¨rsten zu Sachsen, 5 Als standhafften Verfechter der 5 Lutherischen Lehre, 5 in dem 5 Andern Lutherischen 5 Jubilaeo 5 Auff der Rostockischen Universita¨t 5 d. 16. November Anno 1717 5 Unter Musicalischen Concert 5 gehalten, 5 von 5 Christophoro Friderico Wolffradt. 5 Rostock. L. L. Stud. Exemplar: ThStAGo: Oberkonsistorium Generalia Locatio 26, Nr. 11 Wu¨rtembergische Neben-Stunden, Oder 5 Allerhand nu¨tzliche 5 Nachrichten und An- 5 merckungen/ 5 Denen Liebhabern der Gela¨hrsamkeit und gela¨hrten Geschichten zum verhoffenden Ver- 5 gnu¨gen / in mu¨ßigen Stunden zusammen 5 getragen. 5 Zweyter Theil 5 STUTTGART / Bey Johann Benedict Metzlern. 1718 Exemplar: UB.TU¨ – Kb 181. Th. 1–4 Wu¨rtembergische Neben-Stunden, Oder 5 Allerhand nu¨tzliche 5 Nachrichten und An- 5 merckungen/ 5 Denen Liebhabern der Gela¨hrsamkeit und gela¨hrten Geschichten zum verhoffenden Ver- 5 gnu¨gen / in mu¨ßigen Stunden zusammen 5 getragen. 5 Dritter Theil 5 STUTTGART / Bey Johann Benedict Metzlern. 1718 Exemplar: UB.TU¨ – Kb 181. Th. 1–4 Die 5 Wunder GOttes 5 Wurden 5 An dem 5 Andern Jubel-Jahre 5 Der Lutherischen Kirchen / 5 Welches 5 Anno 1717 am Ende des Monaths Octobris 5 Zur ungemeinen Freude aller 5 Rechtschaffenen Lutheranern 5 einbrach / 5 In tieffester Demuth und hertzlicher Erhebung 5 Der Go¨ttlichen Gu¨te 5 Betrachtet 5 Von 5 Denen in Rostock der Zeit studierenden 5 Pommern. 5 Rostock . . . 5 Exemplar: LBMV – Mkl h 2395 Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von, Am zweiten Jubelfeste der Reformation, in: KNAPP, Albert, Geistliche Gedicht des Grafen von Zinzendorf, Stuttgart und Tu¨bingen 1845, S. 316–317

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Zum Felde, Albert, Pontificios, 5 Salis Apostolici 5 Expertes, In Re 5 Fidei Flvctvare 5 Ad Matth. V. 13 5 In Memoriam 5 Festi Secularis Evangelici II. 5 Demonstrabvnt 5 Albertvs zum Felde / 5 S. Theol. Art. Ration. Et Philos. Svbli- 5 mioris Prof. Ordin. Eccles. Kilon. 5 Pastor Primar. 5 Et 5 Joannes Lavrentivs 5 Mosheim, Lvbecensis. 5 Ad D. VIII. Novembr. A. 1717 5 Kiliae, 5 Literis Bart. Revtheri, Acad. Typogr. Exemplar: WLB – Theol. Diss. 7316

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Personenregister (Der Name „Luther“ ist nicht aufgenommen). Aepin, Franz Albert 39 f, 83, 87, 135, 154 f, 172, 180, 184, 187 f, 196, 201, 205, 209, 215 f, 221 f, 225 f Agricola, Johann 166 Albert, Michael 122 Albrecht II., Kardinal und Kurfu¨rst von Mainz 174 Alexander III., Papst 149 Alexander VI., Papst 151 f Amseln, Johann 102, 105 Andrea¨, Johann Valentin 299 Anton, Paul 121–124, 126, 181, 187, 190 f, 215, 233, 235, 243, 246, 249, 264 f, 267, 271, 274 f, 284, 291 f, 297 f, 300 Arndt, Carol 83 f Arndt, Johann 215, 299 Arnold, Gottfried 17, 86, 142, 191, 196–198, 205, 217, 219 f, 229, 304 Arnold, Johann Conrad 114 f, 118, 231, 236, 238, 264, 266, 271 Arpe, Petrus Friedrich 99 August Wilhelm, Herzog von Braunschweig und Lu¨neburg 108 Augustinus 160, 170 Baier, Jo. Jacob 128 Baier, Johann Wilhelm 128 f Baronius, Caesar 279 Bastineller, Gebhard Christian Becker, Petrus 83 Behm, Johannes 46, 104 Bellarmin, Robert 135, 184, 188, 208, 247, 306 Berger, Johann Gottfried 57 Berger, Johann Wilhelm 57 Bernhard von Clairvaux 162 Beza, Theodor 190 Bilefeld, Johann Christoph 114, 116 Blaesing, David 102 Bo¨hmer, Justus Christoph 107–110, 155, 157, 159, 163, 166, 169, 174, 176–178, 183, 190, 191–193, 199, 230, 237, 250, 252, 256, 275, 288, 291 Bo¨hmer, Justus Henning 122 Bohn, Johannes 64

Bonaventura 225 Bonifatius III, Papst 146, Bonifatius VIII., Papst 41, 46, 150, 157 Bo¨rner, Christian Friedrich, 63, 65 f Bo¨rries, Caspar 90 Bossuet, Jacques-Be´nigne 81, 247 f, 277 Bossuanus, Wolfgang 208 Boye, Johann Ludwig 219 f Brant, Sebastian 225 Breithaupt, Joachim Justus 121, 125 f, 136, 184, 189, 203, 214 f, 227, 235, 237, 239, 247, 264, 268–270, 296 f, 299 Brendel, Adam 57 Bru¨ck, Gregor 184 Bruckner, Wilhelm Hieronymus 71 Buddeus, Johann Franz 19, 70 f, 73 f, 134–139, 141 f, 146, 153, 156 f, 161 f, 164, 166 f, 169, 178–180, 182 f, 186–188, 191, 199–201, 209, 214, 221, 235–237, 248, 251 f, 255, 263, 273–277, 280, 282, 284 f, 287, 289, 291 f, 296, 308 Bu¨nau, Heinrich von 24 Bugenhagen, Johannes 212, 215 Burchardi, Christoph Martin 83 Burgmann, Jakob 83, 86, 158 f, 166, 191, 250 Cajetan, Thomas 174 f, 200 Calixt II., Papst 149 Calov, Abraham 190, 215 Calvin, Johannes 190, 305 Cammerer, Elias 78 Cammerer, Rudolph Jakob 78 Carmon, Jakob 83, 85–87, 149, 151, 180, 184, 195, 198, 227, 257–259 Chemnitz, Martin 109, 112, 214 f, 248, 275 Chladenius, Martin, 44–47, 56, 58–61, 79, 135, 137, 139, 141, 144, 161 f, 179, 182, 185, 198–203, 206–210, 215 f, 230 f, 237–240, 247, 260 f, 270, 274–283, 293–296, 300 Christian, Herzog von Sachsen-Weißenfels 24 f, 27, 33 Christian-August von Sachsen-Zeitz 15, 38–40

Quellen- und Literaturverzeichnis Christine, Ko¨nigin von Schweden 289 Clemens V., Papst 149 f, 156 Clemens XI., Papst 255 Cling, Franciscus 291 Cochla¨us, Johann 172, 182, 208, 211 Coelestin III., Papst 149 Coler, Joh. Christoph 40, 45, 61 Crausius, Rudolf Wilhelm, 71 Creiling, Johann Conrad 78 Crell, Ludwig Christian 64, 66 Cyprian, Ernst Salomon 11 f, 18–21, 23, 25 f, 29–32, 47, 55, 72, 78, 98 f, 104 f, 116, 118 f, 129, 147, 193 f, 271 f, 193, 301, 308 f Cyprian, Johannes 63, 65, 67, 240, 242–244, 247 f, 273, 278, 280, 282–284, 292 D’Arbemont, Karl Heinrich 96 Damiani, Petrus 162 Daniel, bibl. Prophet 218 Danz, Johann Andreas 70, 75 Detharding, Georg 83, 86, 165, 191, 195, 250, 252, 254 f Dietrich, Veit 203 Dihn, Laurent. Joh. Frid. 86, 170, 175, 177, 182 f, 185 f, 201, 274 Dithmar, Justus Christoph 165 Eck, Johannes 175 Eckart, Heinrich 66 f Elias, bibl. Prophet 161, 213 f, 218 Emmerich, Georg 102 Engelbrecht, Johann Wilhelm 108 Engelken, Hermann Christoph 83, 87, 155 f, 214 f, 249, 295 Erasmus von Rotterdam 167–169, 181, 191 Erlemann, Andreas 65 Ernesti, Joh. Heinrich 64 Ernst Ludwig, Landgraf von HessenDarmstadt 14, 25, 27 f, 36, 115 f, 301 Faschius, Jo. Augustus 75 Feuerlein, Jacob Wilhelm 128 Fichtner, Jo. Georg 128 Fierer, Christophorus 80 Fischer, Christian Gabriel 102 Fischer, Erdmann Rudolf 12 Flacius, Matthias 139, 161, 183 Foertsch, Michael 70 f, 73 f, 76, 188, 242–246, 285 Francke, August Hermann 42, 44 f, 70, 81, 120 f, 124, 127 f, 185, 231–233, 241, 250, 262, 264–271, 287, 293 f, 296–299, 302, 308

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Francke, Christoph Johannes 98 Friedrich I. Barbarossa, deutscher Kaiser 149, 222 Friedrich II., deutscher Kaiser 149 Friedrich II., Herzog von Sachsen-Gotha 25 f, 29 f, 301 Friedrich III., der Weise, Kurfu¨rst von Sachsen 168 f, 172, 176–178, 180, 185, 201, 206, 227 f, 258 Friedrich IV., da¨n. Ko¨nig 90 f, 96 Friedrich August I., genannt August der Starke, Ko¨nig von Polen und Kurfu¨rst von Sachsen 24, 31–34, 37, 51–54, 289 Friedrich August II., Kurprinz von Sachsen 32 Friedrich Wilhelm I., Ko¨nig von Preußen 23, 28, 102, 105 Friese, Johannes Bernhard 71 Frommann, Johann Andreas 78 Gansfort, Wessel 225 Gaul, Daniel Friedrich 97 Gebhardi, Heinrich Brandanus 90 f, 131–134, 143, 161, 213 Gehrke, Michael 102 Geiler, Johannes 225 Gentzke, Friedrich 98, 142 Georg, Herzog von Sachsen 178, 211 Georgi, Chr. Sigismund 55 Gerdessen, Henning Christoph 90 Gerdessen, Philipp Balthasar 90 f Gerhard, Ephraim 128 Gerhard, Johann 204, 208, 212, 215, 220, 226, 247, 275 Gerson, Jean 157 Go¨bel, Joh. Wilhelm 108 Goltz, Johann Georg 102 Goltz, Johann Fabian 104 Grammond, Gabriel Bartholoma¨us 39, 42 Grass, Michael 78, 80 f Gregor I., Papst 146 f, 152, 291 Gregor VII., Papst 148 f Gregor IX., Papst 149 Griebner, Michael Heinrich 57 Grolmann, Melchior Dethmar 115 Gundling, Nikolaus Hieronymus 122 Hadrian II., Papst 148 Hadrian III., Papst 149 Hadrian VI., Papst 187–189 Haferung, Johann Caspar 56–59, 145, 170, 179, 182, 185, 187, 201 f, 213 f, 214, 237, 249, 255, 269, 280, 293 f Hagen, Heinrich von 25 f, 33 Hagmajer, Christian 78

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Hahn, Johann Bernhard 102, 105 Hahn, Sim. Friedrich 108 Hallbauer, Friedrich Andreas 46, 72 f, 145, 165 f, 169, 171 f, 174, 181, 191 f, 195, 197 f, 202, 225 f, 250–253, 262, 275, 280 Hallwachs, Johann Gottfried 79 Hardt, Hermann von der 108, 110 f, 142, 150–152, 155, 157, 164, 167 f, 304 Hassen, Martin 57, 59 Hecht, Gottfried 173 Heineccius, Joh. Gottl. 122 Heineccius, Joh. Michael 122 f Heinrich IV., deutscher Kaiser 148 f Heinrich IV., franz. Ko¨nig 289 Heinrich V., deutscher Kaiser 149 Heinrich VI., deutscher Kaiser 149 Heinrich VIII., Ko¨nig von England 199 f Heister, Lorenz 128 Hering, Johannes Samuel 92, 258, 283 Herrnschmid, Johann Daniel 121–124, 126, 146 f, 155–157, 159, 165 f, 171, 176, 180–183, 185 f, 201, 264 f, 267, 270, 287, 294, 297 f Hert, Johann Casimir 115 Hert, Johann Christoph 115 Heumann, Christoph August 131–134, 147, 149, 153 f, 161 f, 166–168, 180, 182, 185, 191 f, 228 f, 277, 284 Hieronymus von Prag 157, 163, 172, 222–224 Hildebrand, Heinrich 128 Hilliger, Siegismund Gottlieb 64 Hilten, Johann 172, 224 f Ho¨e von Ho¨negg, Matthias 228 Hoffmann, Friedrich 122 Hoffmann, Gottfried 78 f, 81, 173–175, 222, 234, 273 Horn, Caspar Heinrich 57 Horn, Theodor 90 f Hu¨lsemann, Johann 215 Hus, Johannes 157, 163, 172, 222–224, 228, 231 Innocenz III., Papst 154 f Innocenz IV., Papst 149 Ja¨ger, Johann Wolfgang 78 f, 81, 139 f, 162, 174, 200, 233, 266, 291 Jahn, Johann Wilhelm 46, 57, 60 f, 143, 148, 149–151, 177, 255 f, 287–289 Jantke, Jo. Jacob 128 Jenichen, Gottlob Friedrich 64 Jesus Christus 219 Johann der Besta¨ndige, Kurfu¨rst von Sachsen 185, 227

Johann Friedrich I., Kurfu¨rst von Sachsen 87, 185 f, 227, 289 f Jonas, Justus 212 Ju¨ngling, Joh. Philip. Bernhard 44, 230 Julius II., Papst 151 Juncker, Christian 212 f Jung, Jacob Friedr. 59 f Junius, Ulrich 64 Kapp, Johann Ernst 10–12 Karl der Große, deutscher Kaiser 148, 158 Karl der Kahle, deutscher Kaiser 148 Karl IV., deutscher Kaiser 150 Karl V., deutscher Kaiser 177 f, 183, 186, 290 Karl Friedrich, Herzog von SchleswigHolstein-Gottorf 96 Karl Leopold, Herzog von MecklenburgSchwerin 83–85, 87 Karlstadt, Andreas 181, 252 Kirchmajer, Georg Wilhelm 57 Klausing, Heinrich 57 Klein, Johann von 83 Klemm, Johann Christian 81, 127 f, 145, 148, 167, 187, 236, 251, 260, 296 Koch, Cornelius Dieter 108 f Koeler, Jo. David 128 Ko¨pken, David Heinrich 83, 87 Kortholt, Matthias Nikolaus 115–119, 167, 169 f, 173–175, 177–180, 182, 184 f, 190, 194 f, 197, 201, 203, 211, 215, 223, 225–227 Kortholt, Sebastian 96, 98 Krackewitz, Albrecht Joachim von 43–45, 83 f, 86, 143, 172–174, 179, 184, 190, 197–199, 203, 205, 214 f, 217 f, 226, 229 f, 241, 259, 297, 302 Kraus, Johann 40 Kress, Jo. Paul 108 Kromayer, Hieronymus 145, 148 Lange, Joachim 43 f, 121, 125 f, 141, 150, 155, 162, 173, 194, 227, 262, 266–268 Langhansen, Christoph 104, 195, 238 f Lehmann, Georg 238 Lehmann, Joh. Christian 64 Lehmann, Johann Jakob 71, 75 Lembke, Johannes 90 f Leo X., Papst 176, 228, 255 Leyser, Augustinus 108 Liebknecht, Johann Georg 40, 115–118, 222 Linck, Wenzeslaus 176 Lombardus, Petrus 242

Quellen- und Literaturverzeichnis Lo¨scher, Caspar, 55 f, 58 Lo¨scher, Martin Gotthelf 57, 59 Lo¨scher, Valentin Ernst 18, 25, 29 f, 32, 34 f, 37, 45, 55, 121, 123, 134, 153, 200, 234, 236, 240, 269 f, 276, 278, 287, 291, 296 Lucas, Franz 115 Ludewig, Johann Peter 14 f, 19, 40–47, 56, 79, 121 f, 124–127, 150, 162, 190, 232 f, 262, 287 f, 302, 308 f Ludovici, Jacob Friedrich 64, 122 Ludwig der Bayer, deutscher Kaiser 150 Lysius, Heinrich 101–104, 205, 207–211, 233, 273, 287 f, 291 Mai, Johann Burkhard 96 f Maier, Ernst Gottlieb 78 Maimbourg, Louis 196 Martini, Johann Christian 10–12 Mascov, Christian 102 f Mascov, Petrus von 90 Mathesius, Johann 142 f, 170, 212, 234 Maximilian I., deutscher Kaiser 168, 172 May, Johann Heinrich 113–115, 117, 135– 138, 146, 150 f, 157, 162, 167–169, 177, 179–181, 184 f, 187, 191, 193, 199, 201, 203, 205, 207, 209, 211–213, 217 f, 223, 226 f, 231, 233, 258, 261–263, 267, 271, 275 f, 278, 282, 285, 289, 291, 295, 297 Mayer, Johann Friedrich 193 Meibohm, Brandanus 108 Meier, Gottfried 115, 117, 197 f, 206, 226, 252 f Melanchthon, Philipp 109, 147, 161, 167 f, 170, 183 f, 190–193, 196, 211–213, 225 f, 250, 252–254, 261, 305 Mellerstadt, Martin 226 Mencken, Gottfried Ludwig 57, 59 Mencke, Jo. Burkhard 64, 67 Mencke, Lu¨der 64, 67 Michaelis, Christian Benedikt 122 Michaelis, Johann Heinrich 121, 126, 137, 240, 244, 258–261, 263, 266, 266, 269 f, 293, 297 Mo¨gling, Jakob David 78, 81 Mo¨ller, Nikolaus 96, 99 Mollenbeck, Bernhard Ludwig 115 Mollenbeck, Johann Heinrich 115 Moritz, Kurfu¨rst von Sachsen 185 Mose 217 f, 234 Mosheim, Johann Lorenz von 98 f, 151, 155 f, 158, 278–282 Muhle, Heinrich 95–97, 99, 146, 148, 154, 160, 163, 173 f, 177 Mu¨ller, Johann Georg 71

359

Mu¨ller, Jo. Heinrich 128 Mu¨ntzer, Thomas 181 Myconius, Friedrich 211, 226 f Myslenta, Coelestin 215 Negelein, Joachim 222 Nehemia, bibl. Prophet 218 Nesen, Wilhelm 211 Neu, Johann Christian 78, 80, 198 Neumann, W. P. 39 Niehenck, Georg Friedrich 83, 85–87 Oekolampad, Johannes 212 Oldermann, Johannes 108 Olearius, Georg Philipp 64 Olearius, Joh. Christoph 141 Olearius, Joh. Friedrich 64 Olearius, Johannes 228 Opitz, Paul Friedrich 99 Osiander, Johann Rudolf 78 Ostendorp, Johann 225 Pallavicino, Pietro Sforza 188, 275 Papke, Jeremias 90 Paracelsus (Theophrast von Hohenheim) 222 Pareus, David 190 Pauli, Johann Wilhelm 64 Paulus, Apostel 217–219, 227 Pelagius II., Papst 146 Peter, Karl Bernhard 198 Petersen, Johann Christian 83, 86 150, 256–258 Pfaff, Christoph Mattha¨us 80 Pfaff, Johann Christoph 78, 80 f, 155, 184 f, 204, 206, 218, 237, 240 f, 249, 257, 281, 287 f, 290 f, 293, 300 Philipp, Landgraf von Hessen 185 Phokas I., Kaiser 147 Pipping, Heinrich 31 f, 34 f, 37 Posner, Caspar 71, 74, 170, 173, 180, 195, 205, 214 f, 218 f, 221, 223, 225 f, 300 Pregitzer, Johann Christoph 78–81 Proles, Andreas 225 Quade, Michael Friedrich 92, 144, 146, 148, 152, 154, 157, 162 f, 181, 195, 197, 200, 272 Quenstedt, Johann Andreas 204 Quesnel, Pasquier 61, 277, 306 Ra¨sewitz, Georg Christoph Ferdinand von 276, 292 Rechenberg, Adam 35, 63 Rechenberg, Carl Otto 64

360

Quellen- und Literaturverzeichnis

Reime, Heinrich Gottlieb 75 Reuchlin, Johann 166–169, 191 Richter, David 37, 40, 45–47, 150, 155, 238, 255 Rinck, Eucharius 128 Rithmeier, Christoph Heinrich 108–112, 154 f, 172, 197, 200 f, 232, 268 f, 284, 298 Rivinus, Augustus Quirinius 64 Ro¨sler, Eberhard 78, 80 Ru¨diger, Johann Bartholoma¨us 115 Russius, Jo. Reinhard 71 Sabinianus, Papst 147 Salhausen, Johann von 173 Sanden, Bernhard von 36, 46, 102 f, 135, 137, 145 f, 149 f, 154 f, 162–164, 171–175, 179–184, 188–190, 192, 197, 199, 201, 205, 207, 210, 221–223, 225 f, 237, 241, 250, 266, 270, 274, 276, 278, 280, 282, 287–289, 291–295 Sanden, Heinrich von 102, 105, 255 Sarpi, Paul 188, 275 Savonarola, Hieronymus 225 f Schacher, Johann Christoph 64 Schacher, Polykarp Gottlieb 64 Schaper, Johann Ernst 83, 86, 182, 221, 226 Scherzer, Joh. Adam 147, 150 Schmidt, Joh. Andreas 107 Schmidt, Johannes 44–46, 64 f Schneider, Joh. Fridemann 122 Schnell, Hugo 15, 58, 162, 183, 194, 215, 219, 223, 234, 236, 240, 248, 250 Scho¨nsta¨dt, Hans-Ju¨rgen 14 f, 23, 31, 130 f, 140, 165, 190, 232 Scho¨pfer, Johann Joachim 83 Scho¨pffer, Justus 202, 231 Scho¨ttgen, Christian 37, 139, 155, 158 f, 234 f, 250, 299 Schroeder, Ernst Christian 57 Schroeder, Philipp Richard 104 Schroer, Georg Friedrich 56, 58 f Schroeter, Johannes Christian 71 Schreiter, Christoph 64 Schwarz, Christian Gottlieb 128 Schwarzenau, Christoph Ludwig 115 Schweder, Gabriel 78 Schwenckfeld, Kaspar von 181 Seckendorf, Veit Ludwig von 17, 141–143, 169 f, 178, 192, 196, 204, 261 Segers, Jo. Ernst 102 Siber, Urban Gottfried 64 Sibrand, Joachim Heinrich 83 Sicul, Christoph Ernst 64–66

Sigismund, Ko¨nig 157 Simon, Richard 277 Sixtus IV., Papst 151 Slevogt, Johannes Hadrian 71 Slevogt, Johannes Philipp 71 Sonntag, Christophorus 128 Spangenberg, Cyriakus 212 Spener, Jakob Karl 122 Spener, Philipp Jakob 17 f, 50, 76 f, 83, 94, 101, 113, 120 f, 167, 215, 218, 262, 296, 299 Sperlette, Joh. 122 Sprengel, Johann Gerhard 109 f, 167 Stahl, Georg Ernst 122 Staupitz, Johann von 170 f, 179, 197, 206, 226 Steigerthal, Jo. Georg 108 Stein, Joachim Ernst 111 f Stein, Johannes 102 Stein, Matthias 83 Stifel, Michael 214 Stolle, Gottlieb 71, 75 Stracke, Joh. Friedrich 102 Stravinski, David 102 Strimesius, Joh. Samuel 102 Strunz, Friedrich 57, 59 Struve, Burkhard Gotthelf 71, 75 Surius, Laurentius 211 Sylvius, Peter 196 Syrbius, Joh. Jacobus 71 Teichmeyer, Herrmann Friedrich 71, 75 Teller, Romanus 65 Tentzel, Wilhelm Ernst 29, 143 Tetzel, Johann 81, 172–174 Thegen, Georg 102, 105 Theuner, Johann 30 f, 71 f Thomas von Aquin 225 Thomasius, Christian 19, 62 f, 122, 303 Thumm, Gottfried 80 Tilesius, Balthasar 104, 194 Treuer, Gottlieb Samuel 108, 110, 140, 151–153, 166, 175 f, 180, 182, 188, 194, 196–199, 201–203, 206, 217 f, 233, 251 Ungnade, H. 238 Valentini, Michael Bernhard 115 Vater, Christian 57 Verdries, Johann Melchior 115 Vincenz von Lerinum 281 Vogt, Franz Ernst 96, 99 Wagner, Rudolph Christian 108 Waldes, Petrus 162

Personenregister Waldschmidt, Wilhelm Huldrich 96, 99 Weber, Immanuel (Prof. in Gießen) 115 Weber, Immanuel (Student in Wittenberg) 60, 177, 220 f, 227 f Wedel, Georg Wolfgang 71 Wedel, Johann Adolf 71 Weidmann, Moritz 11 Weidner, Johann Joachim 83, 85–87, 145, 150–152, 155, 159, 171–173, 227, 239, 276 Weidner, Johann Friedrich 57 Weise, Friedrich 107 Weissenborn, Isaac Friedrich 70, 73, 75, 186, 243, 246 f, 275 f, 279, 283 f, 289 f Weller, Hieronymus 215 Wermuth, Christian 73 Wernher, Johann Balthasar 57 Wernsdorf, Gottlieb 14, 55 f, 58–61, 136, 138, 146, 148 f, 152–155, 157, 163 f,

361

166 f, 170–178, 180 f, 188, 191 f, 194 f, 198–201, 213–216, 219, 221–227, 235, 237, 239, 250, 260 f, 269, 287, 290 f Wichmannshausen, Johann Christoph 57 Wildvogel, Christian, 71 Wimpina, Konrad 174 Wolff, Christian 19, 122, 303 Wolffradt, Christoph Friedrich 87, 185 f, 290 Wucherer, Johann Friedrich 71, 75 Wu¨rffel, Johannes Ludovicus 90 Wyclif, John 162 f Zeller, Johann 78 Zeltner, Gustav Georg 128 Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von 17, 52, 285 f Zum Felde, Albert 96 Zwingli, Huldrych 171 f, 190, 212 f, 305

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Hans Medick / Peer Schmidt (Hg.) /XWKHU ]ZLVFKHQ GHQ .XOWXUHQ Zeitgenossenschaft – Weltwirkung Die Einflüsse Luthers und des Luthertums blieben nicht auf die politischen und religiösen Binnenwelten des mitteleuropäischen Protestantismus beschränkt. Im Gegenteil: Luthers Theologie fand weltweit, vor allem in den USA, aber auch in Afrika, Australien, Asien und Teilen Lateinamerikas Verbreitung. Umso erstaunlicher ist es, dass der Einfluss und die Wirkung des Luthertums in den vielfältigen Regionen und Kulturen außerhalb Europas bislang nur wenig erforscht ist. Der Band schließt diese Lücke und fragt nach der Wirkung von Luthers Theologie in den außereuropäischen Kulturen – vor allem unter dem Aspekt der Wechselseitigkeit und Fremderfahrung kulturell-religiöser Wahrnehmungen. Die Beiträge stellen nicht nur die weit reichenden Einflüsse des Luthertums in den USA dar, sondern auch die Begrenztheit seiner Wirkung in Australien oder China und die lange herrschende Ablehnung in Lateinamerika. Der historische Bogen spannt sich dabei von der zeitgenössischen Wahrnehmung in den konfessionellen Welten des 16. Jahrhunderts bis in die säkularisierte Welt der Moderne. Aus dem Inhalt Gregory Baum (Montreal), Lutherische Theologie des Widerstandes heute Hartmut Bobzin (Erlangen), Gedanken Martin Luthers zum Islam Peter Burschel (München/Freiburg), Das Monster. Katholische Luther-Imagination im 16. Jahrhundert Gregory L. Freeze (Waltham, MA), Lutheranism in Russia Jacqueline van Gent (Perth), Encounters with Lutheran Missionaries in Central Australia René E. Gertz (Porto Alegre), Die Lutheraner in der Gesellschaft und Kultur Brasiliens Thomas Kaufmann (Göttingen), Ernst Troeltschs Lutherdeutung in der englischsprachigen Welt und in Deutschland Hartmut Lehmann (Göttingen), Das marxistische Lutherbild von Engels bis Honecker Jan Slomp (Leusden), Christianity and Lutheranism from the Perspective of Modern Islam.

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Max J. Suda 'LH (WKLN 0DUWLQ /XWKHUV Jeder Mensch ist an einen Platz in der Gesellschaft gestellt. Luther spricht davon, dass Gott uns in einen bestimmten Stand (Ehe, politischen Stand, kirchlichen Stand) beruft. Der Beruf steht dabei weniger unter der Perspektive einer geistlichen Berufung als der des weltlichen Standes. Im Beruf sollen wir, aus Nächstenliebe handelnd, dem Mitmenschen nützlich sein. Handeln aber benötigt Richtlinien, an denen wir uns ethisch orientieren können. Luther gewinnt seine ethischen Aussagen aus der Meditation in der Bibel und dialektischem Denken, die in diesem Band gemäß den Spannungsfeldern von Gesetz und Evangelium, politischem und theologischem Gebrauch des Gesetzes und Welt- und Christusreich vorgestellt werden. Die Zentralität des Glaubensbegriffes in Luthers Berufsgedanken zieht sich dabei durch das gesamte Werk.

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Claus Schwambach 5HFKWIHUWLJXQJVJHVFKHKHQ XQG %HIUHLXQJVSUR]HVV Die Eschatologien von Martin Luther und Leonardo Boff im kritischen Gespräch Kann die evangelisch-lutherische Kirche die weitgehend römisch-katholisch geprägte lateinamerikanische Befreiungstheologie mittragen oder sogar mitgestalten? Vor dieser Herausforderung stehen die lateinamerikanischen lutherischen Diasporakirchen. Aber auch in Europa muss man darüber nachdenken, inwieweit die biblische Botschaft inkulturiert und kontextualisiert vermittelt werden muss. Am Beispiel der Eschatologie Martin Luthers und des brasilianischen Befreiungstheologen Leonardo Boff geht der Autor erstmals dieser Frage nach.

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Helmar Junghans (Hg.) /XWKHUMDKUEXFK  -DKUJDQJ  Organ der internationalen Lutherforschung Inhalt Scott H. Hendrix: In memoriam Robert H. Fischer / Gottfried Maron: In memoriam Jörg Haustein / Volker Stolle: »Von der Freiheit eines Christenmenschen« (1520) / Martin Brecht und Robert Peters: Theodor Smedeckens niederdeutsche Übertragung von Luthers Neuem Testament / Andreas Gößner: Paul Luther in Leipzig / Klaas Zwanepol: Realpräsenz im frühen niederländischen Luthertum / Albrecht Beutel: Das Lutherbild Friedrich Nietzsches / Juhani Forsberg: Die finnische Lutherforschung seit 1979 / Helmar Junghans: Martin Luther und die Welt der Reformation / Buchbesprechungen Lutherbibliographie 2005.

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2001. 406 Seiten mit 12 Abbildungen, gebunden ISBN 3-525-55188-6

Zeitschrift LUTHER /87+(5 =HLWVFKULIW GHU /XWKHU*HVHOOVFKDIW +HUDXVJHEHU -RKDQQHV 6FKLOOLQJ XQG 5HLQKDUG %UDQGW 5HGDNWLRQ +HOOPXWK =VFKRFK

Die Luther-Gesellschaft wurde am 26. September 1918 in Wittenberg gegründet. Sie verfolgt den Zweck, Luthers Gestalt und Werk der Gegenwart zu erschließen und nahezubringen sowie aus reformatorischer Perspektive am wissenschaftlichen, gesellschaftlichen und kirchlichen Diskurs teilzunehmen.

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Für Mitglieder der Luther-Gesellschaft ist der Bezugspreis im Mitgliederbeitrag enthalten.

Die Zeitschrift LUTHER bietet allgemeinverständliche Beiträge auswiesener Autoren zur Reformation Luthers und ihren Auswirkungen auf das evangelische Christentum. Inhalt von Heft 1/2006 Athina Lexutt (Bearb.): Luther – für heute neu entdeckt. Die Frage nach Gottes Gerechtigkeit Ulrich Löffler: Das Erdbeben von Lissabon 1755 Walter Sparn: „Trug für Gott“? Zur Frage, ob es im Theodizeeproblem um Gott oder um den Menschen geht Thomas Reinhuber: „Deus absconditus“. Luthers Bearbeitung des Theodizeeproblems Michael Lapp: Warum? Das Erdbeben von Lissabon und die Theodizee-Frage bis heute. Ein Seminarbericht