Heroische Weltsicht: Hitler und die Musik 9783412217204, 9783412222475

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Heroische Weltsicht: Hitler und die Musik
 9783412217204, 9783412222475

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HEROISCHE WELTSICHT Hitler und die Musik

Sebastian Werr

2014

BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek : Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie ; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http ://dnb.d-nb.de abrufbar.   Umschlagabbildung : Titelblatt des Simplicissimus Ausgabe IV von 1924.   © 2014 by Böhlau Verlag GmbH & Cie , Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1 , D-50668 Köln , www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Korrektorat : Uwe Steffen, München Satz : synpannier. Gestaltung & Wissenschaftskommunikation, Bielefeld Druck und Bindung: Finidr s.r.o., Český Těšín Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in EU ISBN 978-3-412-22247-5

INHALT EINLEITUNG  ............................................................................................. 

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LINZ  .......................................................................................................  Alldeutsche Bewegung  ...........................................................................  Exkurs: Wagners Antisemitismus  ..............................................................  Germanentum und deutsches Mittelalter  . . ................................................  Wagner-Mode  ........................................................................................  Provinztheater  ........................................................................................  Theaterbaumeister  . . ................................................................................  ­Wagner-Bilder  ........................................................................................  Künstleridol  . . .......................................................................................... 

21 21 30 36 43 52 63 69 81

WIEN  . . ....................................................................................................  Gustav Mahler  . . ......................................................................................  Alfred Roller  ...........................................................................................  Oper und Operette  .................................................................................  Felix von Weingartner  .............................................................................  Traumwelten  ..........................................................................................  Wiener Vorbilder  .................................................................................... 

87 87 95 98 106 112 116

MÜNCHEN  . . .............................................................................................  Musenstadt  ............................................................................................  Bruno Walter  . . ........................................................................................  ­Wagner-Orthodoxie  ................................................................................  Räterepublik  . . .........................................................................................  Antisemitischer Agitator  .......................................................................... 

127 127 131 137 141 146

KULTURPOLITIK  .. .......................................................................................  Pragmatik und individuelle Interessen  .......................................................  Populärer Geschmack  .............................................................................  Günstlinge  .............................................................................................  Münchner Oper  . . ....................................................................................  Hitlers Hoftheater  ...................................................................................  Rettung der Bayreuther Festspiele  ............................................................  ­Wagner-Pflege und ­Wagner-Feindschaft im »Dritten Reich«  ....................... 

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|  Inhalt

AUF DER POLITISCHEN BÜHNE  .....................................................................  Ideologie und Gefühl  ..............................................................................  Politik als sinnliches Erlebnis  ....................................................................  Schauspieler  ...........................................................................................  Unterricht  ..............................................................................................  Heroik und Erhabenheit  ..........................................................................  Opernhafte Politik  ..................................................................................  Tote Helden  . . ..........................................................................................  Schluss  .................................................................................................. 

205 205 211 218 224 228 233 238 243

ANMERKUNGEN  .......................................................................................  Einleitung  ..............................................................................................  Linz  .......................................................................................................  Wien  .....................................................................................................  München  ...............................................................................................  Kulturpolitik  ...........................................................................................  Politische Bühne  ..................................................................................... 

249 249 250 259 264 266 274

LITERATURVERZEICHNIS  .............................................................................  281 BILDNACHWEISE  .......................................................................................  291 PERSONENREGISTER  ..................................................................................  293

EINLEITUNG Adolf Hitlers »ausgezeichneter Spürsinn für das Wirkungsvolle«1, wie es Theodor Heuss formulierte, hatte einen Ursprung in seiner intensiven Auseinandersetzung mit der Oper. Diese artikulierte sich unter anderem in der baulichen Konzeption von Opernhäusern, im Entwerfen von Bühnenbildern und dem – freilich hochgradig dilettantischen – Versuch eines eigenen Musikdramas über die von Wagner als Opernstoff in Erwägung gezogene Sage Wieland, der Schmied. Für den Historiker Gerhard Paul entwickelte sich Hitler über die Welt der Oper hinaus auf das Gebiet der Politik. »Das szenische Ritual der Massenaufmärsche und Demonstrationen der Wiener Arbeiter, ihre Fahnen und Symbole begannen Hitler zu faszinieren und in rauschartige Zustände zu versetzen, wie er Jahre später eingestand. Nicht der Politik oder gar dem Programm der Wiener Vorkriegsdemokratie galt sein Interesse, sondern ihrer Propaganda als ästhetischer Inszenierung von Politik.« Propaganda diente ihm »als eine Kunst, über die sich ästhetische Scheinwelten herstellen lassen. Die propagandistische Kunst der politischen Bühnenbildnerei sollte zum Betätigungsfeld des gescheiterten Künstlers und glühenden Opern-Fans werden.«2 Mit »Ästhetisierung der Politik« beschrieb Walter Benjamin 1937 in dem Aufsatz Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit die auf Effekte setzenden Inszenierungen des Faschismus durch öffentliche Reden, Aufmärsche, Sportveranstaltungen und Wochenschauen, die der suggestiven und ideologischen Einflussnahme dienen. Für den Historiker Saul Friedländer lag die »Attraktivität des Nazismus […] keineswegs nur in seiner explizit propagierten Doktrin, sondern mindestens ebenso auch in der Kraft der Emotionen, in den von ihm geweckten Bildern und Emotionen«.3 Die Fixierung auf die inhaltliche Ebene von Hitlers Äußerungen lässt außer Acht, dass er Politik eher stimmungsmäßig als rational erfasste und dass er es meisterlich verstand, sie dergestalt zu inszenieren. Einem Gegner fiel schon 1927 auf: »Rhetorisch schwach, gedanklich null, bleibt an Hitlers Rede als wirksamstes Moment nur seine Fähigkeit, Gefühlsregungen zu übertragen.«4 Hitlers Auseinandersetzung mit der Musik und dem Theater war umfassender, als heute gemeinhin bekannt ist. Im Mittelpunkt stand allerdings unstreitig die Oper, das »Kraftwerk der Gefühle«, wie sie nach einer bekannten Metapher Alexander Kluges oft bezeichnet wird. An Instrumentalmusik und Liedgesang zeigte er nur sporadisches Interesse, wenngleich er kurze Zeit auf Anraten seines Jugendfreunds August Kubizek sogar Klavierunterricht nahm. Der

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Klavierpädagoge Josef Prewatzki, »ein recht sonderlicher Zwerg«, der »in den ärmlichsten Verhältnissen« wohnte,5 erinnerte sich später noch genau an den Tag, als Kubizek, »den ich vom Verein der Musikfreunde in Linz kannte, und [der] mein Klavier-Schüler war, seinen Freund Adolf Hitler mitnahm, um bei mir ebenfalls Unterricht im Klavierspiel zu nehmen«.6 Neben italienischer Oper, bei der er besonders Giuseppe Verdi und Giacomo Puccini schätzte, und Ope­ rette war es bekanntlich vor allem ein Komponist, dessen Leben und Werk für ihn von zentralem Interesse waren: Richard Wagner. Kaum für einen Zufall mag man halten, dass die beiden gravierendsten Zäsuren von Hitlers früher Biografie mit Jubiläen Wagners zusammenfallen: Um den 25. Todestag des Komponisten am 13. Februar 1908 zog er nach Wien; kurz nach dessen 100. Geburtstag übersiedelte er am 22. Mai 1913 nach München. Eine Aufführung von Lohengrin im Landestheater Linz war für den Heranwachsenden ein Schlüsselerlebnis gewesen. Lange war dieses Werk seine »Lieblingsoper«, teilt ein Weggefährte aus der Jugend mit, »ich glaube, er hat ihn in Wien während unseres Zusammenseins gewiss zehnmal gesehen!«.7 Wie ihn die Oper beeindruckt hatte, wusste Hitler noch 1923, als er erstmals Haus Wahnfried besuchte. Damals habe er sogar Opernsänger werden wollen, behauptete er,8 und ein Bekannter erinnerte sich später, »wie er als schwacher Bursche im Zimmer auf und ab ging und ›Du Schwan zieh hin‹ [sic] sang«.9 Es war nicht allein das Ästhetische, das Wagner zu einem Jugendidol Hitlers werden ließ. Der Komponist diente in der von seinem Idol Georg von Schönerer geführten Alldeutschen Bewegung als eine Symbolfigur für den ersehnten Anschluss Deutschösterreichs an das Deutsche Reich. Im Nachruf auf den Komponisten behauptete die Zeitschrift Deutsche Worte, nur der Deutsche vermöge um ­Wagner zu trauern, und »von allen deutschen Stämmen aber gewiss keiner inniger als der österreichische. Denn solange uns mit dem geeinigten deutschen Volke nicht ein gemeinsames Band umschließt, sind es ja unsere großen Genien, die ein ideelles Band knüpfen, das uns so fest zusammenhält, daß äußere Gewalten nichts dagegen vermögen.«10 Wagner hat schon zu Lebzeiten polarisiert, wobei Hitlers Sozialisation durch die verschiedenen Lager vielfache Prägungen erhielt: Einerseits rezipierte er ihn als Leitbild antisemitisch-nationalistischer Bewegungen, andererseits waren Hitlers künstlerische Eindrücke der Musikdramen vielfach durch jüdische Wagnerianer wie Gustav Mahler geprägt. Der Musikkritiker Paul Bekker kennzeichnete 1924 die Literatur über den Komponisten als eine »Kampfliteratur der Wagnerianer und der Anti-Wagnerianer«, »zur mehr oder minder sachlich geführten Polemik gegensätzlicher Auffassungen«. Der Erkenntnis sei weder

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die panegyrische noch die vorsätzlich oppositionelle Betrachtung dienlich, aber möglicherweise sei eine »Einstellung jenseits von Bejahung oder Verneinung« unmöglich.11 Seine Anhänger verwiesen auf seine musikgeschichtliche Bedeutung, der sich kaum ein Komponist des späten 19. Jahrhunderts von Rang entziehen konnte – auch nicht durch bewusste Negation. Dagegen argwöhnten seine Feinde, dass etwas, das Hochstimmung hervorrufe, nicht zwangsläufig hohe Kunst sein müsse; man spottete, er schreibe »Rauschmusik für Unmusikalische«. Kritik rief der sektenähnliche Kult ebenso hervor wie Wagners anmaßende Selbstdarstellung. Da Wagners Leben und Werk im »Dritten Reich« besondere Aufmerksamkeit genoss und sich mit Hitler der führende Exponent des Nationalsozialismus zu dem Komponisten bekannte, lag der Gedanke nicht fern, Verbindungen zu vermuten. Für Hans Rudolf Vaget spielte Wagner in der Inkubationszeit des Nationalsozialismus eine wichtige Rolle; die Forschung werde dem aber kaum gerecht, da sie wenig unternehme, den dumpfen Generalverdacht gegen alles, was mit seinem Namen zu tun hat, aufzuklären. Während eine Seite die Zusammenhänge einfach leugnet, schieben andere, ebenso bequemerweise, ihm die Rolle des Sündenbocks zu; er spricht von einer »neuen Orthodoxie […], die es geradezu gebietet, in Wagner nur noch eine Präfiguration Hitlers zu sehen und seine Opern als Vehikel von Antisemitismus zu brandmarken«.12 Dabei wird Begeisterung für Wagner mitunter in den Geruch des moralisch Fragwürdigen gerückt: 1976 empörte sich Hartmut Zelinsky, einer der vehementesten Gegner Wagners, wie müsse »es um die Kritikfähigkeit und -willigkeit einer sich für christlich haltenden Gesellschaft stehen, die es […] zuläßt, billigt und vielleicht sogar gutheißt, daß Karfreitag in Opernhäusern und im Radio mit schöner Regelmäßigkeit der Parsifal gegeben wird«.13 Und dies, obwohl seiner anfechtbaren Deutung nach »der Wagnersche Gralsgedanke der ›Reinigung‹ […] schließlich in Vertreibung, Verfolgung und Bilder-, Bücher- und Menschenverbrennung« ende.14 Tatsächlich hatte Wagner in seinen letzten Lebensjahren unter dem Einfluss des französischen Rassentheoretikers Joseph Arthur von Gobineau Überlegungen angestellt wie die: »Während wir somit das Blut edelster Racen durch Vermischung sich verderben sehen, dürfte den niedrigsten Racen der Genuss des Blutes Jesu, wie er in dem einzigen echten Sakramente der christlichen Religion symbolisch vor sich geht, zu göttlicher Reinigung gedeihen.«15 Gegen Zelinskys These einer versteckten »arischen Religion« in Wagners Parsifal spricht allerdings, dass die unter Völkischen seit Langem diskutierte Idee eines vom Jüdischen gereinigten Christentums das Steckenpferd des Chefideologen Alfred Rosenberg

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war – und genau dessen Kreis lehnte das Bühnenweihfestspiel scharf ab. 1942 fragte die Münchner Ortsgruppe des »Richard-Wagner-Verbands Deutscher Frauen« beim bayerischen Innenminister an, ob es »nicht mehr ›gewünscht‹« sei. Der Grund für die Anfrage war, dass der Wunsch der Vorsitzenden, ein Referat über das Werk zu halten, »von einigen Herren abgelehnt [worden war,] mit der Begründung, daß über Parsifal zu sprechen von seiten der Partei nicht erwünscht sei, weil er ihr weltanschaulich nicht entspräche«.16 Ähnlich empfand es Joseph Goebbels, der notierte: Die »Handlung ist für unseren Geschmack kaum erträglich. Aber diese Musik!«17 Zwar teilte Hitler diese Vorbehalte nicht; ihn sprachen besonders die liturgisch-rituellen Momente an, wenn er postulierte: »Aus Parsifal baue ich mir meine Religion, Gottesdienst in feierlicher Form ohne theologisches Parteiengezänk.«18 Wenn er an anderer Stelle behauptete, dass der Nationalsozialismus »nicht eine Bewegung, sondern eine Religion« darstelle,19 dann meinte er aber nicht den Ersatz der bestehenden Kirche – dass dies politischer Selbstmord bedeutet, hatten ihm die in Mein Kampf geschilderten Erfahrungen der Alldeutschen Bewegung Georg von Schönerers gezeigt20 –, sondern die Ausbeutung religiöser Bedürfnisse durch den Nationalsozialismus, deren Angebote an Mythen, Riten und Symbolen ebenso Gefühls- und Erlebnisqualität boten wie eine »echte« Religion.21 Rosenberg hatte vor allem in den 20er-Jahren erheblichen Einfluss auf Hitler. Dennoch machte er sich in kleinem Kreis über ihn lustig und befand: »Rosenbergs Träumereien einer arischen ­Kirche sind lächerlich. Eine Partei als eine neue Religion gründen zu wollen!« Wie könne »ein Ortsgruppenleiter eine Ehe weihen, wenn er in der Bevölkerung als großer Säufer bekannt ist, oder als einer der Weibergeschichten hat«.22 Hitler war zuversichtlich, dass die bestehende Kirche sich anpassen würde, »sie habe das in der Geschichte weiß Gott immer getan. Eine neue Parteireligion würde nur einen Rückfall in den Mystizismus des Mittelalters bringen. Das zeige der SS-Mythos und Rosenbergs unlesbarer Mythus des 20. Jahrhunderts.«23 An Wagners grundsätzlicher Feindschaft gegenüber dem Judentum kann trotz gelegentlicher versöhnlicher Äußerungen kein Zweifel bestehen und auch nicht daran, dass er in seiner Zeit zur Verschärfung des Antisemitismus beigetragen hat. Daran ist nichts zu beschönigen. Dennoch ist zu fragen, inwieweit unterkomplexe Erklärungen wie die Begründung eines Genozids mit dem vermeintlichen oder tatsächlichen Subtext einer Opernhandlung, der Hitler zu bestimmten Handlungen motiviert habe, tatsächlich dazu beitragen, den ­Holocaust zu verstehen. Entgegen dem von den Nazis inszenierten Bild einer perfekten ­Ein-Personen-Herrschaft hat es sich durchgesetzt, die nationalsozialistische Herrschaft nicht als das alleinige Produkt individueller Führungsentscheidungen, sondern als eine komplexe

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Folge bestimmter historischer Strukturen, sozialer Impulse und unterschiedlicher Interessen­lagen zu erklären. Derartige Simpli­fizierungen entlasten zudem in unzulässiger Weise die zahllosen an den Verbrechen Beteiligten, die zu Marionetten Hitlers (oder bei Zelinsky und anderen: Wagners) reduziert und so aus ihrer Eigenverantwortung entlassen werden. Verkompliziert wird die Ursachenforschung noch durch die Erkenntnisse sozialpsychologischer Erhebungen, die darauf hinzuweisen scheinen, dass Einstellungen und Verhalten nicht immer in einem linearen Zusammenhang stehen, sondern dass eine Vielzahl von Faktoren vorwiegend gruppendynamischer Natur beteiligt ist. Für Martin Geck stellt es »eine charakteristisch deutsche Überschätzung des Geistes und der Geistesarbeit dar, Kunstheroen wie Wagner als federführend im Auf und Ab des gesellschaftlichen Prozesses hinzustellen. Seine ›Gesamtkunst‹ ist nicht mehr und nicht weniger als ein Ferment dieses Prozesses.«24 Will man Hitlers Beziehung zu Wagner verstehen, ist es offensichtlich nicht ausreichend, Wagners Texte und Werke zu deuten und darauf zu vertrauen, dass der Diktator sie ebenso verstanden habe – aber genau dies geschieht häufig. So spekuliert Zelinsky angesichts des Fehlens von Belegen für seine These, mit »der besonderen Leitrolle des Parsifal für sich scheint Hitler so umgegangen zu sein, wie Wagner mit seinen ›Losungen‹ oder seinem ›Geheimnis‹: Er hat sie verschwiegen und verdeckt, oder den ›Ahnungsvollen‹ als sein ›Geheimnis‹ nur angedeutet.«25 Die Verbindungen zwischen Wagner, dem Bayreuther Kreis, der völkischen Bewegung, Wagners Angehörigen und Hitler waren vielfältig, aber sie waren nicht ohne Widersprüche. Joachim Fest konstatiert in der ­Wagner-Forschung ein geradezu »grotesk anmutendes Missverhältnis zwischen Werkdeutung und gesellschaftlicher Wirkungsgeschichte«. Zwar gebe es viele anregende Essays, aber »jeder Schreibende weiß, wie einfach es ist, klug und geistvoll zu sein, wenn keine Fakten stören«. Was weitgehend fehle, sei Grundlagenforschung, die »das schwer durchschaubare Geflecht der sozialpsycholo­ gischen Auswucherungen« untersucht. Die Wissenschaft ziehe es stattdessen vor, »noch eine Parsifal-Interpretation zu verfassen, das Entsagungspathos des Hans Sachs ein weiteres Mal zu begründen oder eine Ehrenrettung des Frühwerks zu unternehmen, mit einem Wort: die Kunst und nur die Kunst hier einmal mehr gelten zu lassen und von allem weiteren freundlichst abzusehen«.26 Eine Untersuchung der Beziehung Hitlers zu Wagner wirft methodische Fragen auf. Hans Rudolf Vaget kritisiert das gängige Modell des »intellektuellen Einflusses«; statt der Vorstellung vom »Lehrmeister« und »Musterschüler« nachzugehen, schlägt er ein diskursanalytisches Modell vor, das nach der Funktion des Wagner-Diskurses fragt.27

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Hitlers Äußerungen über Wagner sind zahlreich, aber meist wenig aussage­ kräftig. Wie er die Schriften und Werke tatsächlich sah, ist nur punktuell überliefert. Wolfgang Wagner erinnerte sich, dass Hitler gerne über die Werke Wagners und über ihre Deutungsmöglichkeiten sprach. »Manchmal erläuterte er auch seine eigenen Ideen dazu.«28 Meist scheinen ihn dabei besonders Fragen der Regie beschäftigt zu haben. Der Versuch, die Pose des Kenners einzunehmen, wird deutlich, wenn der kaum des Notenlesens kundige Hitler behauptete, sich im Feld mit der hochkomplexen Musik von Tristan und Isolde befasst zu haben. »Als Soldat – ich war damals Meldegänger – hat mir der Klavierauszug des Tristan, den ich in großen Zügen im Kopf hatte, treue Dienste geleistet […] Bei jedem Takt hatte ich eine Vorstellung von der betreffenden Aktion auf der Bühne. So vertrieb ich mir am besten auf Posten die Zeit.«29 Oft sind seine Äußerungen über Wagner nicht mehr als pauschale Würdigungen seiner Größe, wenn er ihn 1923 neben Martin Luther und Friedrich dem Großen als einen der größten deutschen Männer feierte: »Auch er kämpfte als Titan, nicht gestützt auf irgendeine Gefolgschaft, sondern er kämpfte und stützte die, die an ihn glaubten. Und so sehen wir die Helden, den Reformator, den großen Tonkünstler in das Reich der Unsterblichkeit einziehen. Denn weil sie sich auf nichts anderes als auf ihre große Erkenntnis stützten, wurden sie alle drei Wegbereiter und damit zu Helden ihres Volkes.«30 Derartige Äußerungen müssen mit Detlef Grieswelle im Kontext der Halbbildung vieler Anhänger Hitlers gesehen werden, für die die nur fragmentarisch vorhandenen Bildungselemente vor allem als Prestigesymbole dienten.31 Die nur prätendierte Bildung seines vorwiegend kleinbürgerlichen Publikums eröffnete Hitler die Möglichkeit, »aus allen Bereichen Beispiele und Vergleiche anzuführen, ohne jede Rücksicht auf ihre spezifischen Bedeutungen, auf Zeit- und Situationsgebundenheit«. Dabei berief er sich auf alle möglichen Autoritäten, deren austauschbare Slogans nur zeigen sollten, »dass die besten Geister schon immer Hitlers Thesen verfochten« hätten.32 So zog Hitler in seiner Rede zur Eröffnung des Hauses der Deutschen Kunst Wagner als Gegenentwurf zur modernen Kunst heran. »Längst, ehe die Kritiker dem Genius eines Richard Wagner gerecht wurden, hatte er das Volk auf seiner Seite.« Dagegen habe das Volk mit »der ihm vorgesetzten sogenannten modernen Kunst überhaupt nichts mehr zu tun gehabt«.33 Die Symbolsprache des Nationalsozialismus bediente sich auch deshalb bei Wagner, weil so eine Kontinuität zur völkisch-antisemitischen Bewegung des Kaiserreichs suggeriert werden konnte. So sollte im Jahr 1933 der mit einer Festaufführung der Meistersinger von Nürnberg beschlossene »Tag von Potsdam«, ein sorgfältig inszeniertes Zusammentreffen der alten und der neuen Führung, »demonstrieren, daß das

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neue Regime gewillt war, an die glorreiche Tradition Preußens und Richard Wagners anzuknüpfen«.34 Das unaufgelöste Nebeneinander des Unvereinbaren, die Gleichzeitigkeit etwa von archaisierender Blut-und-Boden-Rhetorik und Technikverherrlichung, gehörte zum Wesen des Nationalsozialismus. Hitler war für die Sozialpsychologin Gudrun Brockhaus der markanteste Vertreter der »Melange von Haß auf und Verherrlichung der Moderne und ihrer industriellen Technik«.35 Wie es der wegen seiner jüdischen Herkunft verfolgte Romanist Victor Klemperer pointiert zuspitzte, stand der Nationalsozialismus dem logischen Denken »feindlich als seinem tödlichsten Feind gegenüber«.36 Nie löst Hitler etwa den Widerspruch auf, wenn es einerseits heißt, nur die Besten fallen, die mit dem Opfertod ihren Heroismus unter Beweis stellen, und sich andererseits im Naturgesetz immer der Starke gegen den Schwächeren durchsetze, da in der Härte des Kampfes alles Schwache untergehen müsse.37 Auch das Musikleben im »Dritten Reich« war nicht frei von Brüchen, wenn etwa der von Hitler geschätzte Franz Lehár einerseits höchste Ehrungen erhielt und seine Operetten andererseits wegen ihrer jüdischen Librettisten von NSKulturfunktionären beargwöhnt wurden. Entgegen dem verbreiteten Bild des NS -Staatskomponisten Wagner war selbst dessen Position nicht unumstritten; es gab vereinzelt gegen Wagner gerichtete Tendenzen, die wegen Hitlers Begeisterung für den Komponisten jedoch nur selten den Weg in die offiziellen Medien fanden. Wenn auch dies hier behandelt wird, dann sei vorab klargestellt, dass eine wie auch immer geartete Ablehnung Wagner in keiner Weise vergleichbar war mit der gegenüber Musikern, die verboten und verfolgt wurden. Die nationalsozialistische Publizistik behauptete gerne eine Kontinuität von Wagner zum »Dritten Reich«, wenn es etwa am Rande der Festspiele 1933 über die »Bedeutung des Wagnerschen Werks« hieß: »Der von dem Seher Richard Wagner geschaute Held sei gekommen in Adolf Hitler, der den finsteren Mächten den Speer entwunden habe. Der Bayreuther Gedanke sei im Grunde die Erneuerung der Nation, Wiedergesundung deutschen Wesens und die Auferstehung deutschen Geistes.«38 Dennoch stand allen Beschwörungen Wagners zum Trotz ein großer Teil der Parteigenossen kulturellen Dingen desinteressiert bis abweisend gegenüber. Gerade Wagner wurde in manchen Kreisen der NSDAP sogar explizit abgelehnt, weil Person und Werk als nicht ausreichend »nordisch« und im Falle von Parsifal auch als »zu christlich« erschienen. Dies hoffte Hitler, wie er Winifred Wagner erklärte, »durch entsprechende Aufklärung und Hinführung« nach und nach abmildern zu können.39 Die Jugendmusikbewegung, an die die Hitlerjugend anknüpfte, lehnte gerade Wagner ab, wie der Philosoph

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Christian von Ehrenfels 1931 beobachtete, und zwar vor allem wegen seiner Erotik, die »nicht germanisch, sondern südländisch inspiriert und verweich­ lichend [sei]. Am allerwenigsten sei es die Erotik der nordischen Götter.« Man verwahrte sich dagegen, »den Wagnerschen Wotan mit dem nordischen Odin zu identifizieren«.40 Bei den ästhetischen Codes der NS-Zeit standen Schlichtheit, Zweckmäßigkeit, Echtheit und Sauberkeit im Vordergrund; sie waren an eine moralisierende Charakterologie gebunden, die hygienischen Kriterien verpflichtet war: Das Schöne ist zugleich das Gesunde und damit moralisch Wertvolle.41 Aus dieser Perspektive musste Wagner als fragwürdig erscheinen, der nicht allein für Nietzsche der Inbegriff des »décadent« war: »Die Probleme, die er auf die Bühne bringt – lauter Hysteriker-Probleme –, das Konvulsivische seines Affekts, seine überreizte Sensibilität, sein Geschmack, der nach immer schärferen Würzen verlangt, seine Instabilität, die er zu Prinzipien verkleidete, nicht am wenigsten die Wahl seiner Helden und Heldinnen, diese als physiologische Typen betrachtet (– eine Kranken-Galerie –): alles zusammen stellt ein Krankheitsbild dar, das keinen Zweifel läßt. Wagner est une névrose.«42 Anknüpfend an Goebbels’ Forderung, es möge zwar gut sein, »Macht zu besitzen, die auf Gewehren ruht, besser und beglückender aber ist es, das Herz eines Volkes zu gewinnen und es auch zu behalten«, wird in dieser ­Monografie der Forderung des Musikwissenschaftlers Bernd Sponheuer nachgegangen, dass vor allem »die nicht-gewaltförmige, mentale Fesselung durch ästhetische Inszenierung, dasjenige ist, was allgemein kunsttheoretisch wie speziell musikgeschichtlich von zentralem Interesse sein muß«, wenn das Verhältnis von Kunst und Politik im nationalsozialistischen Deutschland behandelt werde. Dabei liege das spezifisch Nationalsozialistische nicht in den einzelnen Ausdrucksmitteln und ideologischen Elementen, die fast immer auf andere Quellen zurückzuführen sind, sondern in deren spezifischer Anordnung und rezeptiver E ­ inbettung – was in der einen geschichtlich-gesellschaftlichen Konstellation eher harmlos sei, könne unter anderen Rahmenbedingungen beträchtliche ideologische Potenzen entfalten.43 Der Aufführungsstil des Nationalsozialismus hatte viele Quellen, und Hitler bekannte, er habe als Sängerknabe in der B ­ enediktinerabtei L ­ ambach oft Gelegenheit gehabt, sich »am feierlichen Prunke der äußerst glanzvollen kirchlichen Feste zu berauschen«.44 Als Albert Speer 1931 bei seinem ersten NSDAP-Bauauftrag Bauhaus-Tapeten vorschlug, stieß dies auf Zustimmung: »Wir nehmen das Beste von allem, auch von den Kommunisten.« Dies brachte zum Ausdruck, »was Hitler und sein Stab schon seit Jahren betrieben: ohne Rücksicht auf Ideologie von überall her das Erfolgversprechendste zusammenzusuchen«.45 Dem Erziehungswissenschaftler Hans-Jochen Gamm, der bereits 1962

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eine erste Aufarbeitung der pseudoreligiösen Dimension des »Dritten Reiches« vorlegte, erscheint daher eine geistesgeschichtliche Analyse des Nationalsozialismus im Gegensatz zu der des Sozialismus als wenig ergiebig. Alles wirke »wie eine Theateraufführung, für die man Kostüme und Requisiten verschiedensten Zeiten, Gruppen und Systemen abborgt, um ein nie dagewesenes Schauspiel zu bieten. Es haftet viel Moder und Schimmel an dieser Bühnenapparatur, aber sie funktionierte, und die Meister der Regie wußten die Kulissen wirksam zu stellen und Perspektive zu erzeugen.«46 Die unüberschaubare Vielfalt an Literatur über Hitler steht in keinem Verhältnis zu dem, was man sicher über ihn weiß. Auch wenn die äußeren Lebensumstände durch zahllose Einzelstudien wie die von Brigitte Hamann und die großen Biografien von Konrad Heiden, Alan Bullock, Joachim Fest,Ian Kershaw und Volker Ulrich als weitgehend rekonstruiert gelten können, werden verschiedene Aspekte seines Tuns und Denkens immer Gegenstand von Spekulation bleiben müssen. Fest erkennt als eine von Hitlers Grundanstrengungen das Bestreben, die eigene Person zu verhüllen und zu verklären; kaum eine Erscheinung der Geschichte habe »sich so gewaltsam, mit so pedantisch anmutender Konsequenz stilisiert und im Persönlichen unauffindbar gemacht«.47 Den größten Teil seiner privaten Korrespondenz verbarg Hitler in den Panzerschränken der Berliner Reichskanzlei, seiner Münchner Privatwohnung und des Berghofs. Ein unschätzbarer Verlust für die Forschung war es, dass der Diktator unmittelbar vor Kriegsende seinen Adjutanten Julius Schaub mit der Vernichtung sämtlicher Dokumente beauftragte. Mit Ausnahme geringfügiger Fragmente wie eines Bündels Skizzen, das Hitlers Sekretärin unbemerkt an sich nehmen konnte, hat Schaub die Unterlagen vollständig verbrannt. »Weite Strecken von Hitlers Leben werden von der historischen Forschung nie mehr aufgehellt werden können, da es alle diese Dokumente nicht mehr gibt«, resümierte der Adjutant später.48 Dass fast jeder, dessen Lebensweg sich auch nur kurz mit dem Hitlers kreuzte, Memoiren niedergelegt hat, trägt angesichts der zahlreichen dabei zutage tretenden Widersprüche eher zur Verwirrung als zur Erhellung bei. Die überlieferten Äußerungen Hitlers sind schon deshalb so widersprüchlich, weil sein »Talent gerade darin bestand, allen Leuten nur das zu sagen und zu versprechen, was sie gerade hören wollten«.49 Erinnerungsschriften können im besten Fall das Erleben des Berichtenden wiedergeben. »Erinnerungen halten fest, wie wir Ereignisse erlebt haben, sie sind keine Kopien dieser Ereignisse.«50 So hat Hitlers Generalität die für Militärhistoriker interessante Frage, ob er sich mit Carl von Clausewitz’ Standardwerk Vom Kriege auseinandergesetzt habe, ganz

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unterschiedlich beantwortet. Die Einschätzungen reichen von »sorgfältig studiert« (Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel) über »gelesen«, jedoch »nicht studiert und durchdacht« (General Günther Blumentritt), »etwas gelesen« (Generaloberst Franz Halder), möglicherweise gelesen, da er »fraglos bestrebt war, sich militärhistorisch zu bilden« (Generalfeldmarschall Erich von ­Manstein), »nicht ausgeschlossen« (General Walter Warlimont) bis hin zu »nicht gelesen« (Generalmajor Ulrich Liß).51 Vielfach wurden und werden einzelne Äußerungen Hitlers überbewertet, wie er selbst erkannte: Es sei sein Pech, »daß ich nie sagen kann, dies oder jenes gefällt mir, ohne daß ich dann ausschließlich gerade diese Musik hören oder diese Oper sehen muß. Ich habe einmal gesagt, Meistersinger ist wirklich eine der schönsten Opern von Richard Wagner, seitdem ist das meine Lieblingsoper, und ich bekomme nichts anderes zu sehen.«52 Mitunter gestaltete die Partei das Bild Hitlers im Detail eigenständig: Als eine NS-Frauenorganisation im Propagandaministerium seine Lieblingsblume erfragte, stellte sich heraus, dass der Diktator keine hatte; daraufhin wurde einfach das Edelweiß zur »Blume des Führers« erklärt, da es aus den bayerischen Bergen komme.53 Als besonders dramatisch erweist sich die Quellenlage für Hitlers Jugend. Es gibt nur etwa 50 eigenhändige Schriftdokumente aus seinen ersten 30 Lebensjahren, wobei es sich zum großen Teil um wenig aussagekräftige Grußkarten oder Briefe von der Front handelt. Erst als Hitler als Politiker bekannt wurde, begannen Anhänger und Gegner mit dem Sammeln von Material, das freilich schon unter bestimmten Gesichtspunkten gefiltert wurde. Ab 1938 ließ das NS-Parteiarchiv von Zeitzeugen aus Hitlers Jugend Erinnerungen anfertigen; Kritisches fehlt hier naturgemäß. Hitler selbst duldete als einzige Quelle für diese Zeit sein Buch Mein Kampf, in dem er seinen Werdegang in Hinblick auf seine politischen Ziele schönfärbte; zu vieles hätte sein Bild in der Öffentlichkeit beschädigen können, denn bekanntlich konnte er nicht mit Sicherheit wissen, wer sein Großvater war. Die enge Verwandtschaft der Eltern, die für ihre Eheschließung eigens einen Dispens aus Rom hatten einholen müssen, und die Herkunft aus der Sphäre dumpfer Bäuerlichkeit des hinterwäldler­ischen Waldviertels waren gleichfalls nichts, was die Welt wissen sollte. Als wichtigste Quelle für die Jugend Hitlers wie für seine Wagner-Leidenschaft müssen die Erinnerungen seines gleichaltrigen Jugendfreunds August K ­ ubizek gelten. Erst Jahrzehnte nach den geschilderten Ereignissen verfasst, geben sie die subjektiven Ein­drücke eines Musikstudenten an die gemeinsame Zeit von 1904 bis 1908 ­wieder. Nach 1919 werden die Quellen erheblich umfangreicher, wobei hier nur Titel genannt werden können, die für das Buch von besonderem Interesse sind. Einblicke in Hitlers Gedankenwelt um 1930 liefern die Gesprächsmitschriften Otto Wageners,

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der zu dieser Zeit zum engsten Umfeld des Politikers zählte und der dann in Ungnade fiel. Die Erinnerungen des großbürgerlichen Deutsch-Amerikaners Ernst Hanfstaengl, der mit dem späteren amerikanischen Präsidenten Theodore Roosevelt in Harvard studiert hatte, sind wegen seiner musikalischen Vorbildung von Belang. Von besonderem Interesse sind auch die Erinnerungen, mit denen André François-Poncet auf sein Wirken in Deutschland von 1931 bis 1938 zurückblickte. Zeitgenossen erlebten den hochgebildeten französischen Botschafter, der ein Germanistikstudium mit einer viel beachteten Arbeit über Goethe abgeschlossen hatte, als den scharfsinnigsten Vertreter des diploma­ tischen Korps in Berlin.54 Hitler selbst äußerte sich befriedigt darüber, den »im Erfassen der Zusammenhänge sonst durch nichts zu bluffende[n]« Botschafter gelegentlich getäuscht zu haben.55 Friedelind Wagner, das zweitälteste Kind von Siegfried und Winifred, ging 1939 ins Exil und veröffentlichte 1945 in den USA ihre Erinnerungen, die bei einer detaillierten Nachprüfung allerdings manche Unstimmigkeit offenbaren. Der gleichfalls im Ausland lebende Wagner-Enkel Franz Wilhelm Beidler, ein ­linker Intellektueller, spottete dann auch, dass das Buch von einer amerikanischen Journalistin formuliert worden war, weil seine Cousine »selbst es offenbar nicht konnte«, und er mokierte sich, dass jemand »sich so wichtig nimmt und über alles aburteilt, nur wegen der Tatsache der Abstammung von Wagner, die an sich lediglich eine biologische Tatsache ist«.56 Aus dem Zweiten Weltkrieg haben sich in Form der Gesprächsprotokolle von Heinrich Heim und Henry Picker umfassende Ausschnitte aus der privaten Redeflut Hitlers erhalten. Kein Weg führt an der Zumutung vorbei, Erinnerungs­ schriften nationalsozialistischer Verbrecher wie Joseph Goebbels oder Hans Frank heranzuziehen, die der Selbstdarstellung ihrer Verfasser dienten. Hitler besprach seine künstlerischen Pläne bevorzugt mit diesem Personenkreis, deren Erinnerungsschriften vor allem in Hinblick auf die jeweils eigene Rolle hoch problematisch sind, die aber im Falle der Wiedergabe beiläufiger Bemerkungen des Diktators zu Fragen wie der Oper durchaus herangezogen werden können. Albert Speer gelang es, sich der Öffentlichkeit als ein unpolitischer Organisator zu präsentieren, sodass seine Mitschuld an den NS-Verbrechen erst nach seinem Tode aufgedeckt werden konnte. Der mit Speer um Hitlers Gunst konkurrierende Hermann Giesler – die beiden Architekten setzten ihren Zwist in ihren Memoiren fort – zeigte sich dagegen auch nach Kriegsende als uneinsichtig; er schließt seine Erinnerungen mit einem Zitat des als Kriegsverbrecher hingerichteten Generalobersts Alfred Jodl, der sich noch vor dem Nürnberger Tribunal zu Hitler bekannt hatte: »Gehandelt hat er, wie alle Heroen in der Geschichte gehandelt haben und immer handeln werden. Er hat sich auf den Trümmern

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seines Reiches und seiner Hoffnungen begraben lassen. Möge ihn deswegen verurteilen wer will – ich kann es nicht.«57 In die Kategorie der Uneinsichtigen gehört auch der Weimarer Intendant Hans Severus Ziegler, der noch 1964 gegen »Negermusik« polemisierte, deren Verunglimpfung bereits die von ihm 1938 organisierte Ausstellung »Entartete Musik« gedient hatte. Fast alle Schreibkräfte, Adjutanten, Fahrer, Piloten, Funker haben Erinnerungen über ihre Tätigkeit bei Hitler hinterlassen. Überwiegend zeichnen sie ein verstörend positives Bild des Diktators, obwohl das Gefolge vom Völkermord wissen musste; die Mitarbeiter der Nachrichtenzentrale erfuhren davon bereits 1942, als Heinrich Himmler sich gegenüber Martin Bormann bei der telefonischen Übermittlung der »erfreulichen Nachricht aus Auschwitz« versprach, wieder seien 20 000 Juden »liquidiert, äh, evakuiert« worden.58 Nur wenige waren später bereit, dies in Einklang zu bringen mit der gelebten Erfahrung des verständnisvollen Chefs, der seine Sekretärinnen als »wahre Königinnen auf der Schreibmaschine«59 lobte. Für Reichspressechef Otto Dietrich zeigte sich Hitlers Österreichertum »in der unverbindlich-liebenswürdigen, jovialen Art, die seine im Grundsätzlichen unerbittliche politische Härte im privaten Leben fast bis zur Unkenntlichkeit übertünchte und mit der er sich insbesondere Künstlern und Frauen gegenüber in fast übertriebener Höflichkeit zu geben wusste«.60 Wenn diese Erinnerungsschriften zugleich oft unangemessen banalisierend wirken, dann beruhte dies auch darauf, dass Hitler im privaten Kreis unpoli­ tische Themen favorisierte. Bei den häufigen Mittagessen in seinem Münchner Stammlokal »Osteria« sprach Hitler nie von Politik, »am häufigsten drehten sich die Themen um Kunst, Bauprojekte in München und damit zusammenhängende kommunale Fragen«.61 Bis Kriegsbeginn wurden in der Abendgesellschaft die zuvor vorgeführten Unterhaltungsfilme besprochen, »wobei die weiblichen Darsteller vorwiegend von Hitler, die männlichen von Eva Braun beurteilt wurden. Niemand gab sich die Mühe, das Gespräch über das Bagatellniveau hinaus anzuheben.«62 Bei den Tischgesprächen im Führerhauptquartier ließ er zwar Äußerungen fallen, die seinem menschenverachtenden Charakter entsprachen, wenn er etwa über das den Ostvölkern zugedachte Helotendasein fantasierte. Aber auch hier liebte er es, über Belangloses zu monologisieren: Mal gab es »eine längere Erörterung des Stammwürze- und Alkoholgehalts im Bier«, ein andermal drehte sich die Unterhaltung »längere Zeit um das so genannte ›Kölnisch Wasser‹ und um den Schutz dieser und ähnlicher Bezeichnungen«.63 Nicht frei von Fragwürdigem ist auch die Literatur der Gegner Hitlers. Das wachsende Interesse an dem Politiker rief schon in den 30er-Jahren Autoren auf den Plan, die von seiner Bekanntheit profitieren wollten und die entweder

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die Zielgruppe seiner Anhänger oder die seiner Gegner bedienen wollten. Wie Hamann gezeigt hat, gelang dem zwielichtigen Josef Greiner sogar beides: ­Greiner, der gleichzeitig mit Hitler im Wiener Männerheim gelebt hatte, ihn aber offenbar kaum kannte, veröffentlichte 1947 sein als Sensation angelegtes Buch Das Ende des Hitler-Mythos, das eine Fülle abstruser Anekdoten enthält wie die, Hitler habe seine Malermodelle vergewaltigen wollen oder er habe im Theater »Dann geh’ ich ins Maxim« vorgesungen, sei aber wegen seiner schäbigen Kleidung abgelehnt worden. Seine Glaubwürdigkeit wird zudem dadurch erschüttert, dass Greiner bereits 1938 die Jubelschrift Sein Kampf und Sieg. Eine Erinnerung an Adolf Hitler veröffentlicht hatte. Dort hatte er den »Führer« überschwänglich als Messias gepriesen und unter anderem sein angebliches reli­giöses Wissen gefeiert, »nicht nur um Abraham, Moses, Jesus, sondern auch um Konfuzius, Rama, Krishna, Buddha usw.«.64 Lange galten die 1939 veröffentlichten Gespräche mit Hitler des ehemaligen Danziger Ratspräsidenten Hermann Rauschning als eine Standardquelle, die die politischen Ziele des Diktators in den Jahren 1932 bis 1934 zu belegen schien. Heute hat sich in der Geschichtswissenschaft die Erkenntnis durchgesetzt, es handele sich um »ein Werk, dem man heute so wenig Authentizität zumisst, daß man es besser ganz außer acht läßt«.65 Der mittellos im Exil lebende Rauschning präsentierte ein spektakuläres Enthüllungswerk, für das er nach eigenen Angaben auf Äußerungen Hitlers aus mehr als 100 Gesprächen zurückgreifen konnte, obwohl er ihn tatsächlich nur von wenigen oberflächlichen Treffen kannte; man geht davon aus, dass weite Teile des Buches lediglich Gerüchte aufgreifen, aus verschiedenen Quellen abgeschrieben wurden oder stellenweise sogar frei erfunden sind. Durch die angeblichen Tagebücher Hitlers, deren Veröffent­ lichung in der Illustrierten Stern im Jahr 1983 einen der größten Presseskandale der Bundesrepublik auslöste, wurde Konrad Kujau allgemein bekannt. Weniger Aufsehen erregten seine zahlreichen weiteren Fälschungen, von denen einige sogar Aufnahme in die von dem renommierten Historiker Eberhard Jäckel herausgegebene Ausgabe früher Schriften Hitlers fanden. Darunter befindet sich auch ein »Kostümentwurf für Wagners Siegfried von Adolf Hitler 1912« mit dem Zusatz: »Jung Siegfried, gut bekannt aus den Tagen der Linzer Oper. Wagners Stück zeigte mir erstmals, was Blutmythos ist.«66

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Linz habe in seiner Jugend »ein verhältnismäßig nicht schlechtes Theater« besessen, erinnerte sich Hitler in Mein Kampf. »Gespielt wurde so ziemlich alles. Mit zwölf Jahren sah ich da zum ersten Male Wilhelm Tell, wenige Monate darauf als erste Oper meines Lebens Lohengrin. Mit einem Schlage war ich gefesselt. Die jugendliche Begeisterung für den Bayreuther Meister kannte keine Grenzen.«1 Für seine ersten Theaterbesuche gibt es keinen anderen Beleg als diese Textstelle aus einer bekanntermaßen unzuverlässigen politischen Schrift. Eine Überprüfung gestaltet sich jedoch nicht weiter schwierig, da das Linzer Volksblatt und die Tages-Post ausführlich über das lokale Theatergeschehen berichteten. Letzteres Blatt hatten die Hitlers abonniert, wie sich August Kubizek erinnerte: »Frau Klara hat damals die Linzer Tagespost gehalten, bei welcher Lektüre ich sie mehrmals angetroffen habe.«2 Eine mit Hitlers zwölftem Geburtstag beginnende Durchsicht der täglichen Veranstaltungsankündigungen führt zu dem überraschenden Ergebnis, dass in dem betreffenden Zeitraum kein Hinweis auf eine Aufführung von Friedrich Schillers Wilhelm Tell zu finden ist (und auch nicht von Gioacchino Rossinis gleichnamiger Oper). Das Theater spielte zwar im Oktober 1901 Kabale und Liebe, im November im Rahmen des Schillerfestes Maria Stuart und später Don Carlos und Die Räuber, Wilhelm Tell gab es aber erst nach Hitlers nächstem Geburtstag im Oktober 1902 zu sehen. Dagegen stand Lohengrin regelmäßig auf dem Spielplan und war am 3. Oktober und 3. November 1901, am 7. Februar und 21. Oktober 1902 und am 9. Januar 1903 zu sehen. Ein Besuch von letzterer Vorstellung kann allerdings ausgeschlossen werden, da Hitlers Vater am 3. Januar 1903 überraschend starb; dieses Ereignis markiert eine deutliche Zäsur in Mein Kampf, vor der die Theaterbesuche stattgefunden haben müssen. Sofern die von Hitler behauptete Reihenfolge der Stücke stimmt, kann er sie also erst mit 13½ Jahren gesehen haben, wobei zwischen den Aufführungen nicht wenige Monate, sondern nur einige Tage lagen. Möglich ist, dass er mit zwölf Jahren ein anderes Stück Schillers gesehen hat oder aber dass er zuerst eine Aufführung von Lohengrin besucht hat, Wilhelm Tell aber erst zu einem späteren Zeitpunkt. Wie auch immer – die Angaben können nicht stimmen. Natürlich ist es möglich, dass sich Hitler einfach irrte; wahrscheinlicher aber ist, dass er eine Absicht damit verfolgte, gerade diese Werke als entscheidende Bildungserlebnisse zu reklamieren. Beide Autoren waren im

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deutschnationalen Rahmen politisch besetzt, und für Georg von Schönerer, den Führer der Alldeutschen Bewegung in Österreich, gab es »nur drei deutsche Nationalheilige: Friedrich Schiller, Richard Wagner und Bismarck«.3 Dass diese Bewegung Hitler nachhaltig beeinflusst hat, ist seit Langem bekannt. In Mein Kampf erklärte er, dass schon in seiner Schulzeit seine »Sympathien voll und ganz auf der Seite der alldeutschen Richtung« lagen.4 Vom Personen­kult um den als »Führer« bezeichneten Schönerer, über den als verbindlich angesehenen »Heil«-Gruß bis hin zur Aufforderung an deutsche Frauen, sich nicht zu schminken und schlichte deutsche Frisuren und Kleidung zu tragen, finden sich zahlreiche Verbindungen zum »Dritten Reich«.5 Viele Begriffe der nationalsozialistischen Terminologie finden sich bereits in alldeutschen Publikationen der Jahrhundertwende mit Mahnworten wie: »Gedenke, daß Du ein Deutscher bist!«, »Deutschen Kindern deutsche Namen«, »Kauft nicht bei Juden« oder »Ein wahres deutsches Mädchen spricht: Mit Judenjungen tanz ich nicht«.6 Es war nichts Ungewöhnliches daran, dass Hitler sich für Schönerer begeisterte: Er ging damit völlig konform mit dem Gros der Linzer Jugend. In der Schule fiel er nach dem Urteil von Klassenkameraden nicht durch Extremismus auf, »die ganze Klasse war deutschnational«.7 Eine entscheidende Rolle für die breite Akzeptanz der Deutschnationalen in Linz spielte die österreichische Innenpolitik, die sich dem Wunsch weiter Teile der deutschsprachigen Bevölkerung nach einer Vormachtstellung im Vielvölkerstaat widersetzte. Wie ein Mitschüler Hitlers später festhielt, lebte der »Grenzland-Deutsche, auch aus unbemittelten und wenig intellektuellen Kreisen […] nicht so gleichgültig spießbürgerlich dahin, wie manche Gruppen innerhalb der deutschen Stämme des Reiches«. Die Unruhe zwischen den Nationalitäten hielt 1 Georg von Schönerer dies aufrecht, und zahlreiche von der Tagespresse aus dem Parlament berichtete Skandale verstärkten die Einstellung, »daß es nicht mehr lange so weitergehen könne«.8 Schlüsselerlebnisse Schönerers, der wie die Familie Hitler aus dem Waldviertel stammte, waren die Niederlage der Habsburger gegen die Preußen bei

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Königgrätz im Jahr 1866 und die Gründung des Deutschen Reiches 1871 gewesen, wodurch die deutschsprachigen Österreicher von den übrigen Deutschen isoliert und in die Rolle einer Minderheit in der Doppelmonarchie gedrängt worden waren. 1873 wurde Schönerer für die liberale Fortschrittspartei in das Abgeordnetenhaus des Wiener Reichsrats gewählt, zerstritt sich aber nach wenigen Jahren mit seiner Fraktion und schloss sich den Deutschnationalen an. Wunschbild Schönerers war eine Vereinigung Deutschösterreichs mit dem Deutschen Kaiserreich, womit er auf offenen Konfrontationskurs zur Politik der Habsburger ging. Otto von Bismarck wurde zum Leitbild Schönerers und der alldeutschen Bewegung, und wie sich ein Klassenkamerad Hitlers erinnerte, besaß dessen Vater »ein Buch über den Krieg 1870/71. Adolf sah sich die Bilder in diesem Buch gern an und schwärmte sehr für Bismarck.« Dass in k. k. Schulbüchern Bismarck und Helmuth Graf von Moltke vielfach unerwähnt blieben, steigerte nur das Interesse der Linzer Knaben an den großen deutschen Männern.9 Noch Jahrzehnte maß Hitler dem deutschen Kanzler große Bedeutung für Oberösterreich bei. Zum Erstaunen seines Architekten Hermann Giesler erklärte er, dass in Verbindung mit dem Brückenkopf einer neuen Donau­brücke ein großes Bismarck-Denkmal errichtet werden solle, denn »Bismarck sei für einen Linzer eine Symbolfigur, er verkörpere das Deutsche Reich, und sie hät­ ten sich stets als Deutsche gefühlt«.10 1882 war Schönerer an der Ausarbeitung des sogenannten »Linzer Programms« beteiligt, das unter dem Motto »nicht liberal, nicht klerikal, sondern national« stand und das die Stärkung des deutschen Charakters der westlichen Hälfte der österreichisch-ungarischen Monarchie zum Ziel hatte. Drei Jahre später radikalisierte er das zuvor von breiten deutschnationalen Kreisen getragene Grundsatzprogramm mit einem »Arierparagraphen«, der in den Burschenschaften rasch Schule machte. Schönerer hatte eine erhebliche Wirkung in der Öffentlichkeit, da er in einflussreichen studentischen und pädagogischen Kreisen großen Rückhalt genoss. Dennoch gelang es ihm nie, seine Bewegung zu einer politischen Kraft aufzubauen, die sich an wichtigen Entscheidungsprozessen beteiligen konnte. Der temperamentvolle Schönerer zog immer wieder mit von der gegnerischen Presse polemisierten Aktionen das Interesse der Öffentlichkeit auf sich, wobei er häufig mit dem Gesetz in Konflikt kam. 1888 wurde er wegen öffentlicher Gewalttätigkeit zu vier Monaten schwerem Kerker und fünf Jahren Verlust des Adelstitels und der politischen Rechte verurteilt. Der Grund hierfür war eine frühe Form rechten Terrors gegenüber Mitarbeitern des Neuen Wiener Tagblatts gewesen, das den Tod des 91-jährigen deutschen Kaisers Wilhelm I. wenige Stunden verfrüht gemeldet hatte. Daraufhin drangen

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»28 Personen, unter Führung des Reichsratsabgeordneten Ritter v. Schönerer«, gegen ein Uhr nachts in die Redaktionsräume ein, mit der erklärten Absicht, die »Schandblattjuden« zu züchtigen. Mit »erhobener Stimme« verkündete S ­ chönerer, dass die »freche Judenpresse« ihm und seinen Anhängern schon viel angetan habe, aber »dass sie den Tod unseres erlauchten Kaisers nicht erwarten kann, das dulden wir nicht. Wenn ein toller Hund uns angreift, dann schlagen wir ihn nieder. Ihr habt uns in unseren heiligen Gefühlen verletzt. Nun ist der Tag der Rache gekommen.«11 Als seine mehrfach wiederholte Aufforderung »Juden auf die Knie!« keinen anderen Effekt erzielte »als das Lachen der Apostrophierten«, wurden die Eindringlinge handgreiflich.12 Das von Teilen der Bevölkerung als zu hart angesehene Urteil erhöhte zwar Schönerers Bekanntheitsgrad und brachte ihm manche Sympathien ein, führte ihn aber in die politische Isolation, während der er an Einfluss verlor. Erst infolge einer Eskalation des Nationalitätenstreits konnte er wieder an Bedeutung gewinnen. Der österreichische Ministerpräsident Kasimir Graf Badeni hatte 1897 eine letztlich wieder zurückgenommene Verordnung erlassen, welche die doppelsprachige Amtsführung auch in den deutschsprachigen Gebieten von Böhmen und Mähren festlegte. Dort erhob sich ein Proteststurm, weil die deutschen Beamten selten Tschechisch konnten, während die tschechischen Beamten gewöhnlich zweisprachig waren. Schönerer kämpfte nicht nur gegen Habsburg, sondern auch gegen die katholische Kirche; ein Anliegen, dem sein Alldeutsches Tagblatt die tägliche Rubrik »Los von Rom!« widmete. Wasser auf die Mühlen waren die zahlreichen Skandale, die die Kirche unter den Teppich zu kehren versuchte. »Der Austritt aus der römischen Kirche« werde »immer mehr zur unabweisbaren Pflicht für alle Eltern«, die ihre Kinder nicht »sittlich und körperlich ruinieren« lassen wollten, riet das Blatt nach einem Missbrauchsfall in der Region Graz. Vor Gericht gestand der Geistliche, er habe beim Musikunterricht »dem Mädchen in die Augen gesehen (!!!) und da sei es ihm auf einmal vorgekommen (!!), als ob es geschlechtskrank sei (!!) und da habe er das Mädchen untersucht (!!!)«. Bezeichnend sei, »daß die ganze Gemeinde von der Geschichte weiß, daß man im ganzen Orte von den Zitherstunden des Pfarrers spricht, daß aber alle gegen eine Anzeige waren!«.13 Hitler teilte die Skepsis gegenüber der moralischen Integrität der katho­ lischen Kirche, wenn er später im kleinen Kreis bemerkte, man »müsse bei dem ganzen katholischen Kirchenglauben doch feststellen, daß es eine unglaublich schlaue Mischung von Heuchelei und Geschäft unter Anklammerung an die überkommene Gewohnheit sei. Denn ein gebildeter Geistlicher könne doch unmöglich den Unsinn glauben, den die Kirche verzapfe.«14 1942 spekulierte er,

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dass man der Kirche statt der bisherigen 900 Millionen RM künftig nur noch 50 Millionen RM zuwenden solle, die man besser direkt den höchsten Würdenträgern zuleite. »Da die Kirchenfürsten über sie nach eigenem Gutdünken verfügen dürften, würden sie nach den geschichtlichen Erfahrungen ihm die Stiefel ablecken.«15 Im Gegensatz zu Schönerer hielt sich Hitler aber mit öffentlichen Äußerungen zurück, und in Mein Kampf vermutet er, dass der offene Kampf gegen die katholische Kirche einen größeren Erfolg der Alldeutschen verhindert habe. Er zog aus Schönerers Scheitern die Konsequenz, dem »politischen F ­ ührer haben religiöse Lehren und Einrichtungen seines Volkes immer unantastbar zu sein, sonst darf nicht Politiker sein, sondern soll Reformator werden, wenn er das Zeug hierzu besitzt!«.16 Man dürfe auch nicht mehr als einen ­Gegner präsentieren, »um die Aufmerksamkeit eines Volkes nicht zu zersplittern«. 17 Die Anhänger Schönerers hingegen waren stolz darauf, dass sie, »die Handvoll Alldeutscher«, allein den Kampf an mehreren Fronten führten, gemäß ihrem Leitspruch: »Ohne Juda, ohne Rom, wird gebaut Germanias Dom!«18 Die alldeutsche Bewegung Schönerers vertrat einen scharfen Antisemitismus. Dieser war in Österreich besonders wirkungsmächtig, da die ­Antisemiten an revolutionäre Gefühle appellieren konnten: Sie traten als Opposition gegenüber Habsburg auf, die für die Gleichberechtigung der unter ihrer Herrschaft stehenden Völker und Konfessionen eintraten. Ihr Linzer Wortführer, der Rechtsanwalt Carl Beurle, nahm keine Juden als Klienten an, während der in seiner Praxis tätige Hugo Kaltenbrunner (der Vater des 1946 in Nürnberg als Kriegsverbrecher hingerichteten Ernst Kaltenbrunner) Beruflich und Privat trennte, indem er zwar zu einzelnen Juden Geschäftsbeziehungen unterhielt, aber jeden gesellschaft­ lichen Verkehr mit ihnen ablehnte.19 Beurle sammelte zahlreiche Mitglieder des Mittelstands um sich, »die alle die Furcht vor sozialer Erschütterung, Verachtung liberaler Werte, Gegnerschaft zur Kirche und rassisch bedingte Judenfeindlichkeit teilten«.20 Vor diesem Hintergrund erklärt sich die Demaskierung des Antisemitismus durch Hermann Bahr (der ursprünglich selbst Schönerianer war) als der »Sozialismus der dummen Kerls« – viele Linzer Kleingewerbetreibende waren der Konkurrenz jüdischer Handelsunternehmen nicht gewachsen, und ihnen schien der Kapitalismus vor allem durch jüdische Bankiers verkörpert zu werden. Statt aber die sozialen und wirtschaftlichen Strukturmängel zu sehen, verlagerten sie die realen Probleme in eine Rassenmythologie, die eine pseudosozialistische Bruderschaft der »Edelrassigen« proklamierte, die durch die Rassenfremden bedroht sei.21 Schon 1897 wurden durchreisende orthodoxe Juden in Linz das Ziel antisemitischer Angriffe.22 Daher erlebte Eduard Bloch, der jüdische Hausarzt der

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Hitlers, die Stadt um 1900 als »eine Hochburg des Antisemitismus«, wie er sich später im amerikanischen Exil erinnerte.23 In Linz gab es nur eine verschwindend kleine jüdische Minderheit, die erst in den 60er- und 70er-Jahren des 19. Jahrhunderts eingewandert war. In der Kleinstadt mit 60 000 Einwohnern lebten um 1900 nur rund 700 jüdische Mitbürger (Wien: 146 000; Budapest: 175 000), die vor allem als Kaufleute, Handelsreisende, Fabrikanten, Ingenieure und als Angehörige freier Berufe tätig waren.24 Sie waren kulturell assimiliert; durch ihre Kleidung auffallende orthodoxe Juden gab es nicht. Obwohl rechtlich gleichgestellt, waren die Juden nicht integriert: Sie lebten in einer Parallelwelt mit eigenen Kaffeehäusern und anderen Institutionen. In den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts hatten die meisten Linzer Vereine einen Arierparagrafen eingeführt, wodurch die ohnehin spärlichen jüdischen Mitglieder a­ usgeschlossen wurden. Der Linzer Turnverein, der an den Rienzi-Aufführungen im Jahr 1905 mitwirkte, führte 1898 »völkische Grundsätze« ein, wonach man nur bei arischer Abstammung Mitglied werden konnte.25 Daher überrascht nicht, dass eine der wenigen philosemitischen Opern der Zeit keinen Erfolg hatte. 1904 lief im Landestheater die Volksoper Der ­polnische Jude des tschechischen Komponisten Karel Weis. Zwar greift schon der Titel des 1901 in Prag uraufgeführten Stückes, das auf einer Erzählung des französischen Schriftstellerduos Émile Erckmann und Alexandre Chatrian beruht, das Klischee des in die Gesellschaft nicht integrierbaren orthodoxen ­Ostjuden mit Kaftan, Schläfchenlocken und schwarzem Hut auf. Dennoch wird hier »erheblich gegen den Strich der ubiquitären antisemitischen Tendenz um 1900 ­gebürstet«.26 Der Jude wird hier nicht zum Inbegriff des Bösen stilisiert, sondern er ist das unschuldige Opfer. 15 Jahre vor dem Beginn der Handlung kam während eines Schneesturms ein polnischer Jude in die Wirtschaft von Mathis; später fand man nur sein Pferd und einen blutgetränkten Kaftan. Der in finanziellen Schwierigkeiten steckende Wirt hatte den Juden ermordet und mit dem Geld seinen Wohlstand begründet. Niemand hatte ihn verdächtigt. Später wurde er auch zum Bürgermeister gewählt, aber sein Gewissen lässt Mathis keine Ruhe: Als bei der Verlobungsfeier seiner Tochter ein polnischer Jude um Unterkunft bittet, bricht er ohnmächtig zusammen. Man bringt ihn zu Bett, und er durchleidet einen Albtraum, in dem er zum Tod verurteilt wird; als er vor dem Henker steht, wacht er auf. Am nächsten Morgen finden ihn seine Angehörigen vom Schlag getroffen tot im Bett. Die Linzer Tagespresse war voll des Lobes und notierte, »der zweite Akt mit den Gewissensbissen des Mathis und den schaurigen Traumbildern ist so spannend, daß gewiß kein Zuseher vor dem Schlusse seinen Platz verläßt«.27 Das Publikum war aber nur spärlich

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erschienen, und trotz hohen Aufführungsniveaus hatte die Oper in Linz keinen Erfolg – im Gegensatz zu vielen anderen Theatern in der Donaumonarchie, wo Der polnische Jude sich als ein Erfolgsstück erwies. Der oberösterreichische Antisemitismus sollte sich später noch verstärken. Mit Billigung weiter Teile der Bevölkerung beschloss Gauleiter August E ­ igruber nach dem »Anschluss« Österreichs harte antijüdische Maßnahmen, die die a­ nderer Verwaltungen übertrafen und die rasch einen erheblichen Teil der Linzer Juden vertrieben.28 Er arbeitete so effizient, dass die SA in der »Kristallnacht« zwar noch die Synagoge niederbrennen konnte, aber kein jüdisches Vermögen zum Enteignen mehr vorfand, wie ein zeitgenössischer Bericht festhält: »Zu Plünderungen von jüdischen Geschäften ist es nicht gekommen, da in der Stadt Linz keine Geschäfte dieser Art mehr bestehen.«29 Nach 1938 waren kaum Änderungen in der Personalpolitik des Linzer Theaters notwendig, da bereits zuvor fast keine jüdischen Künstler mehr dort tätig waren.30 Den Grund hierfür hatte Direktor Ignaz Brantner bereits 1937 benannt: »Der Antisemitismus macht sich in der Provinz derartig breit, dass ein Theaterdirektor es gar nicht wagen darf, Juden zu engagieren. Alle Darsteller sollen blond und blauäugig sein. Wenn nun für ein bestimmtes Fach kein guter ›arischer‹ Darsteller zu finden sei, hingegen ein halbes Dutzend jüdischer Schauspieler, die man allerdings nicht engagieren könne, hört sich jedes seriöse Theaterspielen auf.«31 Neben Bismarck gehörte auch Wagner zu den Idolen Schönerers. Das Nebeneinander von Reichskanzler und Opernkomponist macht auch der Titel eines Aufsatzes aus Schönerers Zeitung Deutsche Worte (ab 1883: Unverfälschte ­Deutsche Worte) deutlich, der hieß »Die drei größten lebenden Deutschen: Bismarck, ­Wagner und Lagarde als Antisemiten«.32 Schönerer griff häufig auf ­Wagner- und Bismarck-Zitate zurück, wenn er etwa in einer seiner bekanntesten Parlaments­ reden anlässlich der Badeni-Krise behauptete, er sei auf alle staatlichen Maßnahmen gegen ihn vorbereitet, denn er habe, »wie Richard Wagner so schön sagt in einer seiner Opern ›das Fürchten nicht gelernt‹. Ich sage wie B ­ ismarck: ›Wir fürchten Gott und sonst nichts auf der Welt‹, am allerwenigsten aber öster­ reichische Maßnahmen von noch so hohen Staatsbehörden.«33 Um den Komponisten entfalteten Schönerers Anhänger einen regelrechten Kult. Sie gründeten 1890 sogar einen eigenen Wagner-Verband, den »Neuen Richard Wagner Verein zu Wien«. Dessen erklärtes Ziel war es, »die deutsche Kunst aus Verfälschung und Verjudung zu befreien«, wobei satzungsgemäß nur Deutsche Mitglieder werden konnten.34 Welche Aggressivität dem alldeutschen ­Wagner-Kult eigen war, macht ein Artikel aus dem Alldeutschen Tagblatt deutlich. Schon 1871 habe sich bei der Wiener Erstaufführung der Meistersinger von Nürnberg, so behauptete das

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Blatt später, auf der Galerie »ein Haufen Juden eingefunden«, mit der Absicht, die Aufführung zu stören, »denn der Germane Wagner war den Negerblütigen unsympathisch. Aber sie hatten die Rechnung ohne den Wirt gemacht, denn kaum hatte so ein Teufelsbraten den Rachen geöffnet und ein wenig gegröhlt, so saß ihm schon auch schon eine mächtige Schelle im Gesichte, verabreicht von einem Musensohne, der seine Körperkräfte auf dem Fechtboden gar mächtig gestärkt hatte.« Die Handgreiflichkeiten gingen angeblich so rasch vonstatten, »daß sich selbst das scharfe Ohr des Dirigenten Herbeck täuschen ließ«, der »das Aufklatschen wutentbrannter Studentenhände auf den verehrlichen Semitengesichtern als Beifallsklatschen einer durch den Genius Richard Wagners begeisterten Schar ruhig hinnahm«.35 Es wurde die These aufgestellt, es sei dem jungen Hitler darauf angekommen, sich das Gehabe eines Studenten zuzulegen, als den man damals den politisierenden alldeutschen Studenten ansah. Und wer »es als angehender alldeutscher Student zu einigem Ansehen bringen wollte, der mußte sich […] in die Schar der Anhänger Richard Wagners einreihen, die ihn wie einen Gott« verehrten.36 In Wagner-Aufführungen kam es bei besonders markigen Textstellen häufig zu Publikumsreaktionen des jungen Publikums, sodass auffiel, wenn sie ausnahmsweise fehlten. So bemerkte das Linzer Volksblatt bei einer Lohengrin-Aufführung 1901, »des Königs Mahnruf: ›Für deutsches Land das deutsche Schwert! So sei des Reiches Kraft bewährt‹ fand diesmal nicht das demonstrative Echo an der Stehparterrewand«, wo »die Jugend« an diesem Abend weniger zahlreich als sonst vertreten war.37 Der von Schönerer umworbene Bismarck lehnte seinen österreichischen Verehrer schroff ab und war keineswegs gewillt, seine Zweibund-Politik durch die Schönerianer gefährden zu lassen.38 Er konnte selbst im Ruhestand keine Zeit für ein Treffen mit Schönerer erübrigen; als der österreichische Politiker und seine Anhänger 1896 zu Bismarcks Alterssitz Friedrichsruh bei Hamburg wallfahrten, mussten sie sich damit begnügen, ihr Idol »bei einer Ausfahrt ehrfurchtsvoll mit dem Bismarck-Lied zu begrüßen«.39 Wagner hatte engen Kontakt mit der Wiener Studentenschaft gepflegt, als er in den 1860er-Jahren vorübergehend in Österreich gelebt hatte. Dennoch muss offen bleiben, wie er zu deren späterer Radikalisierung gestanden hätte. Seine Beziehung zu der in Deutschland um 1880 aufwallenden antisemitischen Bewegung gestaltete sich widersprüchlich: Einerseits war er stolz darauf, den Antisemitismus in breite Schichten getragen zu haben, wenn Cosima als seine Reaktion auf eine Rede des antisemitischen Hofpredigers Adolf Stoecker festhielt: »R. ist für völlige Ausweisung. Wir lachen darüber, daß wirklich, wie es scheint, sein Aufsatz über

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die Juden den Anfang dieses Kampfes gemacht hat.«40 Andererseits distanzierte er sich kurz darauf von dessen Bewegung und behauptete 1881 gegenüber dem jüdischen Impresario Angelo Neumann: »Der gegenwärtigen ›antisemitischen‹ Bewegung stehe ich vollständig fern: ein nächstens in den Bayreuther Blättern erscheinender Aufsatz von mir wird dies in einer Weise bekunden, daß Geistvollen es sogar unmöglich werden dürfte, mich mit jener Bewegung in Beziehung zu bringen.«41 Wagner verweigerte seine Unterschrift, als er zur Unterzeichnung der sogenannten Juden- oder Antisemitenpetition aufgefordert wurde, unter deren 225 000 Unterschriften sich mit Ausnahme Hans von Bülows kaum eine bekannte Persönlichkeit fand.42 Das hieß allerdings nicht, dass sich seine Einstellung gegenüber dem Judentum geändert hatte, sondern nur, dass er mit dem konkreten Vorgehen nicht einverstanden war, und wohl auch, dass er mit öffentlichen Äußerungen nun vorsichtig war, um seine Gönner nicht weiter zu verprellen. Mit dem Aufsatz Erkenne dich selbst hob er die Frage lieber wieder in nebulöse höhere Sphären einer diffusen geistigen Erneuerung.43 Schönerer war wesentlich beteiligt an der Vereinnahmung Wagners für die alldeutsche Bewegung Österreichs. Zentrales Ereignis hierfür war die Veranstaltung, auf der 1883 in den Wiener Sofiensälen nicht weniger als 4000 ­Burschenschaftler des kurz zuvor verstorbenen Komponisten gedachten. Nach einem Bericht der Neuen Freien Presse nahm der Kommers einen »erregten Verlauf«, denn »die Redner des Abends hatten sich, wie zu erwarten war, nicht allein mit dem künstlerischen Wirken Wagner’s beschäftigt, sondern auch mit seiner nationalen Gesinnung. Die Worte von der Tribüne gaben immer prononcierter und leidenschaftlicher dem deutsch-nationalen Standpunkte Ausdruck; dazwischen gab es auch grobkörnige antisemitische Auslassungen.«44 Zu Tumulten kam es, als die obrigkeitlichen Aufrufe zur Mäßigung von den Studenten mit Gelächter quittiert wurden, worauf die Polizei einschritt. Plastisch beschreibt die katholische Tageszeitung Das Vaterland »den Trauercommers zu Ehren Richard Wagner’s«. Zuvor hatten sich ähnliche Studentenversammlungen stets »auf das Herableiern banaler politisch sein sollenden Phrasen nach bekanntem Muster« beschränkt, »auf die Constatierung der tristen Situation des ›geknechteten deutschen Volkes‹ in Oesterreich und auf das obligate Beifallsgeschrei, von welchem die Wuthausbrüche des auf Studentencommersen niemals fehlenden Ritter v. ­Schönerer begleitet zu werden pflegen«. Nun aber wurde sie zur antiösterreichischen Demonstration, in der ganz offen die Vereinigung aller Deutschen gefordert wurde. Nach der vom Regiment »Wilhelm I., Deutscher Kaiser und König von Preußen« gespielten Rienzi-Ouvertüre und Siegfrieds Tod aus der Götterdämmerung45 hatten die ersten Redebeiträge noch »das Andenken des Musicus

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Wagner gefeiert«, bevor weitere Redner dazu übergingen, in die deutschnationale »Kampftrompete« zu stoßen, was die Zuhörer derartig enthusiasmierte, »daß sich mit einem Male die gesammte würdige Corona erhob und – die ›Wacht am Rhein‹ und ›Deutschland, du mein Vaterland!‹« anstimmte. Entgegen der Polizeianordnung nutzte Schönerer das Durcheinander, »um sich der Tribüne zu bemächtigen« und mit »nebelhornartigen Stimmitteln« eine Rede zu beginnen, wobei der Berichterstatter »in dem schrecklichen Chaos blos die oft gebrauchten Worte ›Reichskanzler Bismarck‹« verstehen konnte. Erst als der Polizeibeamte in voller Uniform auf der Tribüne erschien, endete Schönerer. Die Polizei löste die Versammlung auf, die mit dem erneuten Absingen von »Deutschland, du mein Vaterland!« auseinanderging.46 Allerdings distanzierte sich nachträglich ein Teil der Wagner-Anhänger, und in der Presse war zu lesen, dass »der Akademische Wagner-Verein gestern als Gast bei dem Commers im Sophiensaale vertreten war, jedoch nicht zu den Veranstaltern dieser so peinlich verlaufenen Veranstaltung gehört hat«.47 Der Wiener Journalist Theodor Herzl nahm den offenen Antisemitismus des Kommers zum Anlass, aus der Wiener Burschenschaft »Albia« auszutreten. Dort hatte ihn Arthur Schnitzler »noch mit der blauen Affenkappe und dem schwarzen Stock mit Elfenbeingriff, darauf das F. V. C. (Floriat, Vivat, Crescat) eingraviert war, in Reih und Glied mit seinen Couleurbrüdern umher spazieren« gesehen.48 Auf Herzls Wagner-Begeisterung hatte dieser Schritt keinen Einfluss, denn wie später noch ausgeführt wird, schrieb er seine zionistische Schrift Der Judenstaat unter dem Eindruck von Pariser Aufführungen von Tannhäuser. Für den Historiker Daniel Jütte ist es »eine Ironie der Geschichte, daß die eines jüdischen Staates, in dem heute bekanntlich aus gewichtigen Gründen keine Opern Wagners aufgeführt werden, auch bei der Aufführung und unter dem Einfluß eben dieser Opern reifte«.49 EXKURS: WAGNERS ANTISEMITISMUS

Leben und Werk Wagners lassen Raum für durchaus gegensätzliche Interpretationen seines Verhältnisses zum nationalsozialistischen Gedankengebäude. Vielfach wird der Bereich der Spekulation berührt, wenn etwa Paul Lawrence Rose vermutet, Wagner wäre ein Anhänger Hitlers geworden, hätte er lange genug gelebt: Das, was die Nazis unter »deutscher Revolution« verstanden, habe sich »so nahtlos mit Wagners Visionen [gedeckt], daß er dem Dritten Reich seine Zustimmung höchstwahrscheinlich nicht verweigert haben würde«.50

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Genauso wenig lässt sich allerdings Hubert Kollands These belegen, »daß mit einem hypothetisch noch lebenden Wagner ein faschistischer Wagner-Kult nicht möglich gewesen wäre – trotz dessen Antisemitismus und anderer völkisch interpretierbarer Züge. Aber für die persönlichen, künstlerischen und politischen Provokationen des hypothetischen Zeitgenossen wäre im NS-Staat kein Platz gewesen: nicht zuletzt wegen Wagners rigidem und unangepaßtem Kunstanspruch.«51 Kein Zweifel kann an Wagners Antisemitismus bestehen. Unklar ist allein, ob seine Äußerungen metaphorisch gemeint waren oder ob hinter ihnen eine klare Vorstellung stand, was mit den Juden geschehen solle. Theodor W. Adorno erkannte in dem Schlussabsatz des Pamphlets Das Judenthum in der Musik, in dem Wagner die »Erlösung« des Judentums durch »Untergang« forderte, »den Gedanken von der Vernichtung der Juden«.52 Anderen scheint eine ­solche Interpretation hingegen »von den Konsequenzen des Antisemitismus im 20. Jahrhundert her bestimmt zu sein, zumindest von den Verschärfungen des Judenhasses beim späten Wagner, wie sie sich in den ›Regenerationsschriften‹ der Spätzeit und den oft zitierten Äußerungen in Cosima Wagners Tagebüchern abbilden. Wir sind jedoch gehalten, den Text so zu lesen, wie er uns aus dem Jahr 1850 entgegenblickt.«53 Für Martin Katz sind »Vernichtung« und »Erlösung« Grundbegriffe der mythengeleiteten Fantasie Wagners und »nicht per se Vokabeln, die mit ›Ausrottung‹, mit mörderischen Intentionen zu tun haben müssen«. Die Schlusspassage spiele deutlich mit christlichen Erlösungsvorstellungen.54 Die ganze Menschheit sollte sich nach Wagner von negativen Eigenschaften wie der Habsucht reinigen, was ihm beim Judentum nur als besonders dringlich erschien. Die Veröffentlichung der ersten Fassung von Das Judenthum in der Musik 1850 stand im Zusammenhang mit einer zu diesem Zeitpunkt bereits ein drei viertel Jahr laufenden Auseinandersetzung in der Neuen Zeitschrift für Musik, wobei Wagner sich bis in die Wortwahl hinein auf die dort von Theodor Uhlig vorgebrachten Thesen bezog.55 1869 verschärfte er den Text bei der Wiederveröffentlichung noch mit der Frage nach einer »gewaltsamen Auswerfung des zersetzenden fremden Elements«, die er zwar nicht explizit fordert, von der er sich aber auch nicht distanziert. Die Emanzipation der Juden im 19. Jahrhundert wurde von massiven Widerständen begleitet, wobei es vielfach demokratiefeindliche Gruppen wie die preußische Regierung oder die Habsburger waren, die aus welchen Gründen auch immer für die Gleichberechtigung der Juden eintraten. Dagegen gingen die Freiheits- und Demokratiebewegungen in vielen europäischen Ländern mit Antisemitismus einher, da sie sich des Identifikationsmodells des gemeinsamen Volkstums bedienten, das Minderheiten

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ausgrenzte.56 Allein für den Zeitraum von 1815 bis 1850 hat man rund 2500 Veröffentlichungen gezählt, die sich pro oder kontra mit der Emanzipation der Juden auseinandersetzten.57 Götz Aly ordnet Wagners Pamphlet in den Kontext durch sozialen Neid motivierter Schriften ein, die er durch eine immer weiter auseinanderklaffende Wohlstandsschere erklärt.58 Diese resultierte aus dem Bildungs- und Aufstiegsdrang weiter Teile des deutschen Judentums, die mit dem Modernisierungsdruck des 19. Jahrhunderts weit besser zurechtkamen als die eher indolente christliche Bevölkerung, die den Wandel mehr als Bedrohung denn als eine Chance erlebte. Statt zu versuchen, dem eigenen Aufstiegswunsch durch größere Anstrengungen zum Erfolg zu verhelfen, trug sie ihre Frustrationen in die Hinterzimmer von Gastwirtschaften, wo man auf »die Juden« schimpfte.59 Zumindest die Anfänge von Wagners Judenhass um 1850 – vor diesem Zeitpunkt war bei ihm kein antijüdischer Affekt zu beobachten – waren fraglos bestimmt durch den Neid auf erfolgreichere Konkurrenten. Ein zeitgenössischer Kritiker bemerkte ironisch, Wagners Hirn sei »vollständig okkupiert von den Gestalten der jüdischen Komponisten Meyerbeer und Mendelssohn; sie sind das ewige Weh und Ach […] seiner Klagen«, weil sie so unverschämt seien, »mit ihren ­großen Judennasen für Richard bestimmten Weihrauch aufzufangen«.60 Dies wirft auf Wagners Charakter ein umso ungünstigeres Licht, als er lange Zeit gerade ­Giacomo Meyerbeer immer wieder um Hilfe gebeten hatte. »Mein teurer Meister, der Sie nur die Güte und das Wohlwollen selbst sind«,61 redete er den ­Berliner Komponisten an und dankte ihm bei anderer Gelegenheit überschwänglich: »Mein Dankgefühl, das mich gegen Sie, mein hochherziger Protector, beseelt, kennt keine Grenzen. Ich sehe kommen, dass ich Sie von Äonen zu Äonen mit Dankesstammeln verfolgen werde. Die Versicherung kann ich Ihnen geben, dass ich auch in der Hölle noch Dank stammeln werde … Ihr mit Herz und Blut ewig verpflichteter Untertan.«62 Als Meyerbeers Einsatz nicht die erhoffte Wirkung zeitigte, dieser aber selbst 1849 mit Le Prophète noch einmal einen ganz großen Erfolg landen konnte, schlug die anfängliche Zuneigung in Hass um, was in die bekannten Abwertungen in Das Judenthum in der Musik und vor allem in Oper und Drama mündete. Jens Malte Fischer scheint es, dass Meyerbeer ihn wie ein lebendes Mahnmal an die Zeit der Erfolglosigkeit erinnerte, sodass seine literarische Vernichtung auch als eine Art von Katharsis anzusehen ist; zugleich habe er Leuten wie Robert Schumann den Wind aus den Segeln nehmen wollen, die Wagner noch als eifrigen Meyerbeerianer kannten.63 »Richtig – ich bin Meyerbeer’s Schüler«, hatte Wagner noch wenige Jahre zuvor bekannt.64 Die Persistenz von Wagners Judenfeindschaft lässt es geraten sein, sie nicht allein als Reaktion auf die frühen Misserfolge zu deuten. Nicht wenigen Zeitgenossen

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wie dem deutschen Schriftsteller Gustav Freytag, der mit seinen Romanen selbst jüdische Stereotype befördert hatte, fiel an dem Pamphlet auf: »Im Sinne seiner Broschüre erscheint er selbst als der größte Jude.«65 Selbsthass wird dann auch immer wieder als ein Motor von Wagners Judenfeindschaft erkannt – er habe sich in den kritisierten Eigenschaften wiedererkannt und abgelehnt. Als Synonym für jüdischen Antisemitismus gilt gemeinhin der Wiener Philosoph Otto Weininger, ein begeisterter Anhänger Wagners, dessen Bekanntheit unter anderem daher rührte, dass er sich spektakulär 1903 in Ludwig van Beethovens Sterbehaus das Leben genommen hatte. In Geschlecht und Charakter hielt er das Judentum nicht für eine Rasse, sondern »nur für eine Geistesrichtung, für eine psychische Konstitution […] welche für alle Menschen eine Möglichkeit bildet, und im historischen Judentum bloß die grandioseste Verwirklichung gefunden hat«.66 Man hasse vor allem das, was man in sich selbst ablehne, und der Hass auf das jüdische Wesen sei nur »ein Versuch, vom Jüdischen auf diese Weise sich zu sondern«. Wagner, »der tiefste Antisemit«, sei »von einem Beisatz von Judentum, selbst in seiner Kunst, nicht freizusprechen, so gewiß er neben Michelangelo der größte Künstler aller Zeiten ist, so wahrscheinlich er geradezu den Künstler überhaupt in der Menschheit repräsentiert«. So wie seine Abneigung gegen die große Oper zurückgehe auf den starken Zug, den er selbst zu ihr empfand, »so ist auch seine Musik, in ihren motivischen Einzelgedanken die gewaltigste der Welt, nicht gänzlich freizusprechen von etwas Aufdringlichem, Lautem, Unvornehmen«.67 Für den Antisemitismus mindestens ebenso wirksam wie Wagners Pam­ phlet war seine Stilisierung zu einem angeblichen Opfer jüdischer Machenschaften. Die Alldeutschen behaupteten, Wagner habe stets selbstlos für die hehre Kunst gestritten, während »die Juden« nichts Besseres im Sinn hatten, als ihm aus Missgunst den Weg zu verstellen. »Einer unserer größten deutschen Geister, Richard Wagner, wurde, als er mit seinen Werken an die Öffentlichkeit trat, von der Judenpresse in der gemeinsten Weise geradezu lächerlich gemacht«, behauptete 1908 die Zeitschrift Unverfälschte Deutsche Worte. »Man suchte den Mann, der mit den schwersten finanziellen Sorgen zu kämpfen hatte, mit den niedrigsten Mitteln zu vernichten und noch zu einer Zeit, da bereits der Ruhm Wagners vor aller Welt feststand, da in Bayreuth ein Tempel großer deutscher Kunst entstanden war, gelang es der Judenpresse, Wagner zu zwingen, die Pforten Bayreuths für einige Jahre zu schließen.«68 Die ange­bliche jüdische Feindschaft gegen Wagners Werk entsprach keineswegs der Realität, denn gerade das kunstverständige jüdische Publikum hatte viel zu seinen Erfolgen beigetragen. »Für seine Werke habe er die Juden und die Jugend«, sagte ­Wagner einmal selbst zu Cosima.69 Die angebliche Feindschaft wurde

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aber immer wieder von den Völkischen in den Mittelpunkt gestellt, die damit an Wagners pathologische Vorstellungen anknüpften. Diesem schien das fortdauernde Unverständnis seinen Werken gegenüber nur durch die Konspiration mächtiger Feinde erklärbar – der Juden. Katz erkennt hinter Wagners Gleichsetzung »Jude = Gegner« ein psychologisches Konstrukt, das dem Komponisten die Verweigerung von Selbstkritik ermöglichte: Rückschläge und Misserfolge waren nicht die Konsequenz des eigenen Tuns, sondern begründeten sich allein in der Natur der Feinde.70 Dabei hatte entgegen seiner Vermutung, er habe sich ihren Zorn zugezogen durch die 1850 unter dem Pseudonym »K. Freigedank« erschienene Erstfassung von Das Judenthum in der Musik, diese schon wegen der begrenzten Leserschaft der Neuen Zeitschrift für Musik keine nennenswerte Reaktion hervorgerufen.71 Erst durch die Wiederveröffentlichung, die auch als »Enthüllung« einer angeblichen jüdischen Verschwörung gegen ihn gedacht war, kam es zur Empörung vieler jüdischer Musikfreunde, was sich auch in einzelnen Störaktionen bemerkbar machte.72 Eduard Hanslick schien, es gehöre »in der Tat Wagnersches Selbstbewußtsein dazu, um zu glauben, daß die gesamte Kunstwelt und Journalistik noch immer an einen vor 19 Jahren erschienenen pseudonymen Aufsatz in der Leipziger Musikzeitung denke, und dass jegliche seither von Wagner erlebten Unannehmlichkeiten nichts als Rache der Juden gegen jenes Feuilleton sei«. Er selber, und wohl die Mehrzahl seiner Kollegen, habe erst jetzt von dem Text Kenntnis bekommen. »Allein das glaubt Wagner nimmermehr, er ist überzeugt oder stellt sich zumindest so […] dass alle seine Gegner nur geschworene ­Hänge-Gendarmen eines großen jüdische Rache-Korps sind.« Auf die Unterstellung, er habe mit seiner Schrift Vom ­Musikalisch-Schönen gegen Wagner agitiert, entgegnete er, dann hätte er wohl einen pikanteren Titel gewählt, »z. B. Der Größenwahnsinn in der Musik«.73 Wagners Furor sei lächerlich, konstatierte auch ein anderer Kritiker, er meine, »alle Welt habe ich gegen ihn verschworen; ein von ihm beleidigter böser Geist habe Alles wider ihn eingenommen. Draußen hat aber Alles seinen ruhigen Fortgang.«74 In Wagners Œuvre treten nirgendwo als Juden bezeichnete Charaktere auf. Dennoch gibt es keinen Werkkomplex, der in der öffentlichen Wahrnehmung so mit Antisemitismus verbunden ist wie derjenige Wagners. Es ist Gegenstand einer Vielzahl von Interpretationen, ob bestimmte Personencharakterisierungen in den Werken als versteckte Anspielungen auf das Judentum gedacht sind; und besonders bei dem abstoßend gezeichneten, auf seinen eigenen Vorteil bedachten Zwerg Mime drängen sich Assoziationen an antisemitische Klischees in der Tat geradezu auf. Die Sängerin Natalie Bauer-Lechner überliefert eine Äußerung Gustav Mahlers, wonach Mime »die leibhaftige, von Wagner gewollte

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Persiflage eines Juden« sei mit ihrer »kleinlichen Gescheitheit, Habsucht und dem ganzen musikalisch wie textlich trefflichen Jargon«; im Grunde könne nur einer diese Person spielen, nämlich er selbst: Mahler.75 Es ist umstritten, ob Wagner diese Assoziationen beabsichtigte, und wenn ja, welche Absicht er damit verfolgte. Paul Bekker vertritt die Ansicht, Wagners Antisemitismus sei »ebensowenig realpolitisch aufzufassen« wie »der ›Kommunismus‹ der Revolutionszeit. Er erwächst aus dem Bedürfnis, sich ein theatralisch erschautes in der realen Welt glaubhaft vorzuführen, um daraus steigernde Kraft für die theatralische Veranschaulichung zu gewinnen. Der Jude ist die Dissonanz, die die Harmonie der Welt stört. Diese Dissonanz, szenisch in den Gewalten der List, der Machtgier, des Goldverlangens, der Tücke, der Fühllosigkeit ausgeprägt, drängt zu menschlicher Verkörperung […] Es muss ein plastisches Modell gefunden werden, das der Entfaltung zur Dämonie des Dunkels fähig ist. Als solches Modell bietet sich der Jude, wie er in der Hervorhebung aller niedrigen Eigenschaften seiner Rasse durch Jahrhunderte in der Volksphantasie lebt.« Alberich, Loge, ­Hunding, Mime, Hagen seien die Nachtseite des Erscheinungsbilds ­Wagners. »Diese Nachtseite seines Selbst nennt er Jude, wie er die Lichtseite Held nennt.«76 Eher realpolitisch im Sinne einer Diffamierung des Judentums werten dagegen andere Autoren diese Charakterisierungen. Eine Reihe von Autoren versucht Adornos These zu stützen, »der Gold raffende, unsichtbar-anonyme, ausbeutende Alberich, der achselzuckende, geschwätzige, von Selbstlob und Tücke überfließende Mime, der impotente intellektuelle Kritiker Hanslick-Beckmesser, all die Zurückgewiesenen in Wagners Werk sind Judenkarikaturen«.77 Marc A. Weiner interpretiert Wagners Opern generell als Antisemitische Fantasien,78 während sie für Rose »treue mythologische Widerspiegelungen dessen« zu sein scheinen, »was er in seinen Aufsätzen als eine durch das Jüdische verdorbene deutsche Welt beklagt, von welchem sie durch ›Vernichtung‹ oder ›Untergang‹ erlöst werden müsse«.79 Diese Deutungen seien zwar nicht offensichtlich gewesen, aber ­Wagner habe sie gerne einem gleichgesinnten Publikum erläutert, »wenn auch in kryptischer Form«.80 Gegen eine Zeichnung Mimes als Jude wird h ­ äufig die von Cosima notierte Aussage Wagners eingewandt, mit der dieser die Hauptpartien von Siegfried in die Rassentheorie Joseph Arthur von G ­ obineaus einordnete: Danach gehörten die Götter der »weißen«, die Zwerge der »gelben« und die Riesen der »schwarzen« Rasse an; von Juden, die ­Gobineau der »­weißen« Rasse zurechnete, ist nicht die Rede.81 Aus der Tatsache, dass Wagner als Antisemit die Juden in Wort und Schrift negativ bewertete, folgt für ­Hermann Danuser »nicht, negativ gezeichnete Charaktere in seinen Werken wie Mime

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seien notwendig als Judenkarikaturen aufzufassen«, das »Böse, Schlechte, Niederträchtig-Dumme ist hier vielmehr universal konzipiert und realisiert«. Es sei zwar durchaus möglich, »Alberichs und Mimes Charakterzeichnungen als ›jüdisch‹ in metaphorischem Sinn, als musikalische Chiffrierung antisemitischer Klischees zu verstehen«, doch zwingend sei diese Lesart nicht.82 Die in seiner Zeit gängigen Assoziationen Wagnerscher Opernfiguren mit dem Judentum waren Hitler durchaus geläufig, wenn er während des Zweiten Weltkriegs von der »Alberichs-Herrschaft« in der Sowjetunion sprach, um auf die nach 1918 verbreitete Gleichsetzung von Judentum und Bolschewismus anzuspielen; freilich erscheint die Identifikation des goldraffenden Alberich mit der rabiat die Kapitalisten enteignenden Sowjetführung als wenig überzeugend. Versatzstücke aus dem Judenthum in der Musik finden sich vereinzelt in seinen Reden, wenn er beispielsweise behauptete, das jüdische Volk habe »niemals überhaupt eine eigene Kunst gehabt« und »nur die Kunst anderer Völker zu annektieren« gewusst, und zwar allein zum Geldverdienen.83 Trotz allem ist seine Beziehung zum Judenhass Wagners alles andere als eindeutig. Soweit bekannt, hat Hitler seinen Antisemitismus nie ausdrücklich auf den Wagners bezogen – Verbindungen lassen sich nur durch die Interpretation der vorhandenen Quellen herstellen. GERMANENTUM UND DEUTSCHES MITTELALTER

Die Programmatik der Schönerianer bediente sich häufig germanischer Symbolik. Den Titel der Unverfälschten Deutsche Worte zierte der die Alldeutschen symbolisierende Siegfried, der mit dem Schwert einen vielköpfigen Drachen bezwingt, der für die Feinde der Deutschösterreicher stand. Das Erscheinungsdatum »Ostermond 1908/2021 n. N.« verdeutlicht die zunehmende Esoterik der Alldeutschen, die die Monatsnamen teils durch germanische, teils durch pseudo­ germanische Bezeichnungen ersetzt hatten. 1887 führte Georg von ­Schönerer eine eigene Zeitrechnung ein, die nicht ab Christi Geburt, sondern ab der Schlacht von Noreia zählte, bei der im Jahr 113 v. Chr. die Kimbern, ­Teutonen und Ambronen das römische Heer unter Konsul Gnaeus Papirius Carbo bezwungen hatten. Die Völkischen propagierten ein Geschichtsbild, in dem es nach den idealen Zeitaltern der Germanen und des deutschen Mittelalters zum Niedergang des Deutschtums gekommen sei. »Schlimm steht es heute um deutsche Art und Sitte, namentlich in der Ostmark; von Nord und Ost und Süd drängte und drängt sich ein Fremdes an und heran und sucht sich mit uns zu mischen, langsam

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unserem Volke seine Eigenheit zu rauben, sein Leben, um den toten Körper dann rücksichtslos aufzubrauchen«, konstatierte ein im Alldeutschen Tagblatt veröffentlichter Aufruf des »Nibelungenbunds«. Umso mehr müsse man »bestrebt sein, den deutschen Geist in uns wach zu erhalten«. Was könne dies nachhaltiger unterstützen »als die Vertrautheit mit den Gestalten der germanischen Vorzeit, deren Charakter in seinen Grundzügen ja doch noch immer der unsere ist und bleiben soll«? Wo finde man »erhabenere Vorbilder deutscher Tugenden als in der Nibelungensage, die mit ihren Personen, Oertlichkeiten und Verbreitungsgebieten ein ideales Band schlingt um fast alle germanischen Stämme«?84

2 Titel der Zeitschrift Unverfälschte Deutsche Worte

Später belustigte sich Hitler häufig über die bizarren Auswüchse des Germanen­ kults bei Heinrich Himmler. Dennoch war er selbst als Kind vom Germanentum begeistert gewesen und hatte sich oft »an den Erzählungen aus der deutschen Heldensage berauscht. Als Knabe konnte er nie genug davon hören. Immer wieder griff er nach dem bekannten Buch von Gustav Schwab, das die Sagenwelt der deutschen Frühgeschichte in volkstümlicher Form darstellt. Dieses Buch war ihm seine liebste Lektüre.« Noch in Wien besaß er »eine besonders schöne Ausgabe der deutschen Heldensagen […] in der er oft und eifrig las, obwohl ihn damals schon sehr aktuelle Probleme beschäftigten. Vertraut sein mit der deutschen Sagenwelt war also keineswegs, wie sonst zumeist, nur eine jugendliche Schwärmerei. Es war vielmehr der Stoff, der ihn auch bei seinen geschichtlichen und politischen Betrachtungen am meisten fesselte und ihn nie mehr losließ, die Welt, der er sich zugehörig fühlte.« Dabei ging Hitlers Auseinandersetzung mit den germanischen Sagen seiner Begeisterung für Wagner voraus; August ­Kubizek schien es, erst die »ständige und intensive Beschäftigung mit der deutschen Heldensage schuf in ihm eine einzigartige Empfänglichkeit für das Lebenswerk Richard Wagners«. Er berichtet sogar von unvollendeten Dramen, deren Stoffe Hitler der germanischen Sagenwelt oder der deutschen Geschichte entnahm.85

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Hitlers Glorifizierung der deutschen Geschichte hatte eine Wurzel in dem Unterricht, den er von dem in Mein Kampf als charismatisch beschriebenen Pädagogen Leopold Pötsch erhalten hatte. Dieser hatte die Schüler der Linzer Realschule durch seine lebendigen Darstellungen der einstigen Größe Deutschlands begeistert, wobei er die Verbindung von »heroischer« Vergangenheit und »bedrohter« Gegenwart in den Mittelpunkt rückte.86 Hitlers Behauptung, er sei in diesem Fach der Klasse »vorgeschossen«, hat man allerdings mit Hinweis auf die Schulnote »Befriedigend« widerlegt. Pötsch habe es verstanden, »durch eine blendende Beredsamkeit uns nicht nur zu fesseln, sondern wahrhaft mitzu­ reißen. Noch heute erinnere ich mich mit leiser Rührung an den grauen Mann, der uns im Feuer seiner Darstellung manchmal die Gegenwart vergessen ließ, uns zurückzauberte in vergangene Zeiten und aus dem Nebelschleier der Jahrtausende die trockene geschichtliche Erinnerung zur lebendigen Wirklichkeit formte. Wir saßen dann da, oft zu heller Glut begeistert, mitunter sogar zu Tränen gerührt.« Wer der Jugend Seele kenne, der werde verstehen, wie offen sie für Derartiges sei. »Sie lehnt es ab, undeutsche Lieder zu singen, schwärmt umso mehr für deutsche Heldengröße, je mehr man versucht sie dieser zu entfremden; sammelt an vom Munde abgesparten Hellern zum Kampfschatz der Großen; sie ist unglaublich hellhörig dem undeutschen Lehrer gegenüber und widerhaarig zugleich; trägt die verbotenen Abzeichen des eigenen Volkstums und ist glücklich, dafür bestraft oder gar geschlagen zu werden.« Durch Kornblumen und schwarz-rot-goldene Fahnen betonte man seine Einstellung, grüßte mit »Heil« und sang das Deutschlandlied statt der Kaiserhymne. Schon damals sei er, obwohl dies wohl nicht Pötschs Ziel gewesen sei, zum »jungen Revolutionär« und Feind Österreichs geworden.87 Von Zeitgenossen wird Pötsch als habsburgtreu beschrieben, und für den Linzer Sozialdemokraten Ernst Koref war er »ein national gesinnter, doch auch ein guter Österreicher, eine höchst ehrenwerte Persönlichkeit«.88 Durch populäre Schriftsteller war der Germanenmythos ins breite Publikum getragen worden. Gustav Freytags zwischen 1872 und 1880 erschienener sechsbändiger Romanzyklus Die Ahnen behandelte die Geschichte einer Familie über den Zeitraum von anderthalb Jahrtausenden. Der Zyklus beginnt 357 mit dem wandalischen Königssohn Ingo, der eine Liebesbeziehung mit der thüringischen Fürstentochter Irmgard beginnt und diese, nachdem ihm ihre Hand verweigert worden ist, raubt und heiratet; er endet 1848, als Viktor König, ein später Nachfahre Ingos, nach Aufhebung der Pressezensur beschließt, Journalist zu werden.89 Der vierbändige Roman Kampf um Rom (1876) des Königsberger Juraprofessors Felix Dahn war für Jahrzehnte eine typische Lektüre männlicher

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Heranwachsender und schildert in epischer Breite die Streitigkeiten der als tugendhaft und ritterlich dargestellten Ostgoten gegen Rom und Byzanz im Zeitraum von 526 und 553. Hitler zählte zu den Lesern Dahns, den er 1944 im Zusammenhang mit der Behauptung erwähnte, kein Professor habe je etwas Schöpferisches geleistet: »Halt, einen ausgenommen – den Felix Dahn, aber der war keiner.«90 Die deutsche Begeisterung für das Germanentum datierte auf die Zeit der Befreiungskriege. Begeistert griff man auf Tacitus’ Schrift Germania zurück, die humanistische Gelehrte aus Italien im 15. Jahrhundert wiederentdeckt hatten. Die Gegenüberstellung von primitiven, aber tugendhaften Germanen mit den kulturell hoch stehenden, aber sittlich verdorbenen Römern diente als angeblicher Beweis dafür, dass die deutsche Vergangenheit der Gegenwart überlegen war. Im konfessionell heterogenen Deutschland mit eher protestantischem Norden und eher katholischem Süden herrschte vor allem nach der Reichsgründung ein erheblicher Bedarf an Identifikationsmodellen, wofür das zeitlich ferne und einigermaßen unbestimmte Germanentum reichliche Möglichkeiten zur Inszenierung einer integrierenden Abstammungsgemeinschaft bot.91 Es ist heute umstritten, inwieweit Tacitus’ Schilderungen auf tatsächlichen Beobachtungen beruhen und ob er überhaupt je selbst in Germanien war; man deutet den Text nicht als eine wirklichkeitsgetreue Beschreibung Germaniens, sondern als eine Art von Kontrastfolie, mit der Tacitus seinen römischen Zeitgenossen deren eigene Verderbtheit durch die Gegenüberstellung »unverdorben-­ lebenskräftiger Naturmenschen«92 vor Augen führen wollte. Dies erkannte bereits Dahn, der »von der absichtlichen Schönmalerei bei Tacitus« schreibt, »der die Überfeinerung seiner Römer das Spiegelbild sittenstrenger Einfalt vorhalten wollte«.93 Aus den von Tacitus vorgebrachten positiven Moralbewertungen der Germanen glaubte man eine angeblich echte deutsch-germanische Gesinnung herauslesen zu können, die mit Begriffen wie Reinheit und Sittlichkeit konnotiert war. Der römische Autor behauptete, »dass Germaniens Völker, durch keine fremden Ehemischungen aus anderen Nationen unrein, ein eigenthümliches, naturächtes und nur sich ähnliches Geschlecht seien. Daher auch die Beschaffenheit der Körper, obgleich in einer so großen Zahl von Menschen, die nämliche bei Allen: trotzig wilde und blaue Augen, röthliche Haare, große Körper.«94 Die Ehen seien »streng, und gar keinen Theil der Sitten darf man mehr loben. Denn fast nur sie allein unter den Barbaren sind mit einer Frau zufrieden, ganz wenige ausgenommen, welche nicht der Wollust zuliebe, sondern ob ihres hohen Adels mit gar vielen Heirathen umworben werden.« Selten sei Ehebruch, wie auch Mann und Frau lange enthaltsam leben; da sie erst spät Kinder zeugen, sind

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die Kinder »der Eltern Ebenbild in Stärke«.95 Tapfer, treu und uneitel seien die Germanen gewesen; bei Begräbnissen gab es »kein eitles Gepränge«, »Wucher treiben und ihn über die Zinsen erstrecken, ist unbekannt«.96 Daraus speiste sich ein im Verlauf des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts zunehmendes Überlegenheitsgefühl, das das Verhalten gegenüber anderen Ethnien bestimmte. Das Aufwallen des Rassegedankens lässt sich als eine Kompensation deuten, bei der der Hass auf die anderen als Ventil des eigenen Minderwertigkeitsgefühls diente: Wenn schon der Einzelne im realen Leben nichts erreichte, so konnte er sich immerhin daran aufrichten, einer »höheren Rasse« anzugehören.97 Vor dem Hintergrund einer weit verbreiteten humanistischen Bildung ließ sich allerdings nicht jeder von der Großartigkeit der Germanen überzeugen. 1894 veröffentlichte der Greifswalder Althistoriker Otto Seeck einen provokanten Aufsatz, in dem er sie mit den »Negern Afrikas« auf eine Stufe stellte und ihnen sittliche Begriffe wie Vaterlandsliebe rundweg absprach. Seeck zeichnete die Germanen als armselige Wilde, die rohes Wildbret verschlangen, um den Besitz kleiner, unansehnlicher Rinder blutige Fehden austrugen, »Wahrsagerei und allerhand Zauberspuk« trieben, durch alte Frauen Menschenopfer darbringen ließen und ihre Blöße »nur nothdürftig mit ein paar zusammengenähten Fellen« bedeckten.98 Diese in der völkischen Bewegung viel diskutierten ­Fragen fanden noch in Hitlers Tischgesprächen im Führerhauptquartier ihren Niederschlag; er sah die Wiege der Kultur am Mittelmeer und bediente sich gängiger Deutungsmöglichkeiten, um die offensichtlichen kulturellen Defizite der ­Germanen zu erklären. »In derselben Zeit, in der unsere Vorfahren die Steintröge und Tonkrüge hergestellt hätten, von denen unsere Vorzeitforscher so viel Aufhebens machen, sei in Griechenland eine Akropolis gemacht w ­ orden.«99 Aus diesem Grund sah er spöttisch auf Heinrich Himmler herab, der die Überbleibsel der germanischen Kultur feierte, die man Hitlers Ansicht nach lieber im Dunkel der Geschichte lassen sollte. Allerdings waren für Hitler die alten Griechen irgendwie »auch Germanen«;100 er ging davon aus, sie seien aus Germanien ausgewandert, worauf ihnen das »sonnige Klima« gut bekommen war, weswegen sie ihre kulturellen Fähigkeiten entwickelt hatten. Dagegen waren die »Germanen, die in Holstein geblieben sind […] nach 2000 Jahren noch Lackel […] Sie waren auf keiner höheren Kulturstufe wie heute die ›Maori‹ (Neuseeländer Negerstamm), wohl aber war das griechische Profil bei ihnen zu Hause wie der römische Cäsarenkopf«.101 Für die Anhänger der Idee einer germanischen Überlegenheit stellte das offensichtliche Fehlen nennenswerter zivilisatorischer Leistungen ein Problem dar. Der völkische Schriftsteller Guido von List behauptete daher einfach

Germanentum und deutsches Mittelalter  |

ohne weitere Belege, wenn man sich intensiv mit dem Germanentum befasse, dann erkenne man, »dass die vorchristlichen Germanen zweifellos ein Kulturvolk waren, weit über jener niederen Bildungsstufe erhaben, welche in der Regel angenommen und mit jener verglichen wird, welche die Zulukaffern noch heute einnehmen«.102 Houston Stewart Chamberlain musste in den Grundlagen des 19. Jahrhunderts (1899) den auf den ersten Blick primitiven Eindruck der Vorfahren einräumen, wenn er von dem germanischen »Barbar« spricht, »der am liebsten nackend in die Schlacht zieht, dieser Wilde, der plötzlich aus Wäldern und Sümpfen auftaucht, um über eine civilisierte und kultivierte Welt die Schrecken einer gewaltsamen, mit der bloßen Faust erfochtenen Eroberung zu gießen«. In der für völkische Schriften typischen Umwertung von Primitivität in sittlich hochstehende Einfachheit kommt er aber zu dem Schluss, der ­Germane allein sei »der rechtmäßige Erbe der Hellenen und des Römers. Blut von ihrem Blut, und Geist von ihrem Geist. Sein Eigenes ist es, das er, unwissend, aus fremder Hand entreißt.«103 Chamberlains biologistische Untermauerung von Rasse, nach der die Eigenschaften allein durch das Blut determiniert sind, rückte die umstrittenen kulturellen Anfänge des Germanentums als irrelevant in den Hintergrund. Nur der rassisch überlegene Germane könne das Wohl der Menschheit gewährleisten, und obwohl Chamberlain sonst über Tacitus hinausgeht und »die Germanen« weit auffächert, kommt auch er zu dem Schluss, ihre Kulturleistung hätte eine besondere Ursache, »die unvergleichliche und durchaus eigenartige germanische Treue«.104 Sein besonderes Anliegen war das Herausarbeiten eines Gegensatzes von hehren, treuen Germanen und moralisch bedenklichen Juden; ihm schien es, dass »alle Niederträchtigkeit, deren Menschen fähig sind, in diesem einen Völkchen vereint« sei.105 Damit geht seine Theorie über die erwähnte Romanliteratur hinaus, in denen Juden keine Rolle spielen, zumal sie im alten Germanien kaum existent gewesen waren.106 Ebenso negativ, wie Chamberlain den »Eintritt der Juden in die abendländische Geschichte« bewertet, ebenso euphorisch begrüßte er den der Germanen, der zu einer Zeit geschah, als »der Tag des Indoeuropäers« durch den »asiatische[n] und afrikanische[n] Knecht« und die Juden gezählt schien. Es war »hohe Zeit«, dass endlich ein Retter erschien, und nur »schändliche Denkfaulheit oder schamlose Geschichtslüge« vermöge darin »etwas anderes zu erblicken als die Errettung der agonisierenden Menschheit aus den Krallen des Ewig-Bestialischen«.107 Den Widerspruch, dass die christliche Religion auf Juden zurückgehe, löst er durch die Behauptung, Jesus sei rassisch kein Jude gewesen, sondern habe nur ihrer Religion angehört; nach Galiläa, das von Judäa rechtlich getrennt gewesen sei, seien in den Jahrhunderten vor Christi

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Geburt viele Griechen und Phönizier eingewandert.108 Die schon von Johann Gottlieb Fichte propagierte und von vielen Antisemiten, darunter Wagner, vertretene Vermutung, Jesus könne kein Jude gewesen sein, teilte auch Hitler, der davon ausging, dessen Vater sei römischer Legionär gewesen.109 Wie im Deutschen Reich betrieb man im deutschsprachigen Österreich einen bizarren Kult um das Germanentum. List behauptete in den 1891 erschienenen Deutsch-mythologischen Landschaftsbildern, die Hitler in einer frühen Ausgabe besessen haben soll,110 die Germanen seien keineswegs im Zuge der Völkerwanderung aus dem österreichischen Gebiet verschwunden, wie man bisher gedacht habe. Ihre Nachkommen würden noch heute dort leben, und ihr Gebiet sei größer gewesen, als man heute denke; man müsse die Grenze in die südliche S ­ teiermark verschieben, »dorthin, wo heute noch deutsche, romanische und ­slavische Stämme erbitterter denn je gegeneinander branden«.111 Sein 1898 erschienenes Buch Der Unbesiegbare. Ein Grundzug germanischer Weltanschauung, in dem List einen schon in alter Zeit geweissagten germanischen Volksführer ankündigt, soll Hitler gekannt und auf sich bezogen haben.112 Die ersten Erfolge hatte List mit dem 1888 erschienenen Roman Carnuntum gefeiert, in dem er einen fiktiven Angriff der germanischen Urbevölkerung Österreichs auf die römische Garnison Carnuntum schildert, deren Ruinen sich etwa 40 Kilometer östlich von Wien befinden. Eine neuere Untersuchung des Romans kommt zu dem Schluss, man glaube sich dort »in einer phantastischen Traumwelt zu befinden, die in ihrer mythologischen Aufladung gewisse Ähnlichkeit zu den Bühnenwerken Richard Wagners aufweist«.113 List propagierte den Wiederaufbau Carnuntums, in dessen Amphitheater nach Bayreuther Vorbild Festspiele stattfinden sollten, die er mit germanischen Inhalten wie Thingspielen zu füllen gedachte. Der Pflege des Germanentums widmeten sich in Österreich zahlreiche Verbände. Die Zusammenkünfte elitärer Zirkel dienten vor allem dazu, sich selbst zu feiern. So trafen sich im Februar 1908 in Wien die Verbände »Lohengrin«, »Felix Dahn«, »Baldur« und »Jungdeutschland« des »Bundes der Germanen«, um über die angebliche Unterdrückung der Deutschen in der Ostmark zu lamentieren und Grußworte aus dem Reich zu verlesen. »Lebhaften Beifall« fand ein Telegramm aus Goslar, in dem Gesinnungsgenossen übermittelten: »Getreue Germanen am Donaustrand, euch grüßen wir herzlich als stammverwandt! Wer unseren B ­ ismarck erkannt, dem reichen wir freudig die Bruderhand, und wer seine Taten zu schätzen weiß, ihm gewähren wir höchsten Dankespreis!«114 Auf diese Vereine sah Hitler später herab, da den großen Worten keine Taten folgten – die Pose allein erschien ihm nicht als ausreichend. Es sei »das Charakteristische dieser Naturen, dass sie von altgermanischem Heldentum, von grauer

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Vorzeit, Steinäxten, Ger und Schild schwärmen, in Wirklichkeit aber die größten Feiglinge sind, die man sich vorstellen kann. Denn die gleichen Leute, die mit altdeutschen, vorsorglich nachgemachten Blechschwertern in den Lüften herumfuchteln, ein präpariertes Bärenfell mit Stierhörnern über dem bärtigen Haupte, predigen für die Gegenwart immer nur den Kampf mit geistigen Waffen und fliehen vor jedem kommunistischen Gummi­knüppel eiligst von dannen.«115 WAGNER-MODE

Zum Zeitpunkt der in Mein Kampf behaupteten Lohengrin-Aufführung in der Spielzeit 1901/02 erreichte die Linzer Wagner-Begeisterung ihren Höhepunkt. Man sprach sogar von einer »Mode«, die getragen wurde »von den paar Kennern Wagners in unserer Stadt, und den vielen, die sich dafür halten«.116 Dies dürfte selbst Kulturfremde zum Theaterbesuch animiert haben, zu denen die Eltern Hitlers zählten, der als Zwölfjähriger kaum allein in die Oper gegangen sein dürfte. Der pensionierte Zolloberoffizial Alois Hitler wird in einem Nachruf zwar als »Freund des Gesanges«117 gewürdigt, womit aber die Geselligkeit im Wirtshaus und nicht die Oper gemeint war; seine Interessen galten dem Stammtisch, an dem er das Wort führte, und der Bienenzucht, bei der er als eine Autorität galt. Seine Frau Klara beschreiben Zeitgenossen als stille, ein­ fache Frau, die auch später ihren Sohn nie ins Theater begleitete. Unter der Direktion von Alfred Cavar erlebte das Linzer Theater einen künstlerischen Aufschwung, sodass eine Geschichte dieser Institution zu dem Schluss gelangt, es habe sich um »die glücklichste und künstlerisch ergiebigste Epoche in der Geschichte unseres Theaters« gehandelt.118 Cavars Gegner warfen ihm vor, er wolle der Stadt den Stempel »Klein-Bayreuth« aufdrücken, denn zum Abschluss der Saison wagte sich das Theater erstmals an eine zyklische Aufführung des Rings des Nibelungen, wenn auch noch ohne die abschließende Götterdämmerung, die erst 1903 nachgereicht werden konnte. Neben neun Vorstellungen des für Linz neuen Siegfried gab es in dieser Spielzeit Aufführungen von Rheingold, Die ­Walküre, Der fliegende Holländer, Tannhäuser und Lohengrin. Zur Überraschung des ­Linzer Volksblatts fanden die Aufführungen das Gefallen der Linzer, die sonst leichtere Kost bevorzugten. Der Rezensent hatte vermutet, das »große Publikum, das weder Partitur, noch Clavierauszug, noch ­Wagners Schriften, ja oft nicht einmal vom Textbuche eine Ahnung hat«, könne »dabei unmöglich auf seine Rechnung kommen. Alle Leute sind nur nicht so ehrlich, sich dies einzugestehen, sie ballen die Faust, ziehen aber im nächsten Momente doch die Börse, um sich ein Billet

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zu den Nibelungen zu kaufen, sie wollen die Mode um jeden Preis, und sei es auch um den der tödlichen Langeweile, mitmachen.«119 Die Popularität von Wagners Musikdramen um 1900 beruhte zu einem erheblichen Teil auf den vertonten Stoffen. Die Wiedererweckung »unserer herrlichen deutschen Sagenwelt« sei Wagners »erste nationale That«120 gewesen, betonten Georg von Schönerers Deutsche Worte, wo man sich an anderer Stelle genötigt sah, darauf hinzuweisen, »die Helden der Tristan- und Parsifalsage sind sowohl bei den mittelhochdeutschen Dichtern, als bei Wagner trotz ihrer keltischen und welschen Namen ebenso gute Deutsche, als Kleist’s ­Hermann oder Goethe’s Götz«.121 Die Alldeutschen stellten bereits Verbindungen zur Rassenfrage her, wenn es 1910 über Wotans Abschied in der Walküre hieß: »Immer und immer wieder ergreift es den Menschen von arischem Blut mit allgewaltiger Kraft, wenn er von dem leidenden Germanengott also vernimmt: ›Leb wohl, du kühnes, herrliches Kind! Du ­meines Herzens heiligster Stolz, Leb Wohl!‹ Es ist klar, dass ein Jude so etwas nicht begreifen kann.«122 Die von Wagner aufgegriffenen Mythen waren wesentlicher Bestandteil des Germanenkults, wobei man sich an den eigenwilligen Deutungen des Komponisten nicht störte. Emil Ludwig vermutet Unkenntnis des genauen Inhalts der germanischen Stoffe, sodass auch die Gebildeten nicht merkten, wie sehr Wagner sie verändert hatte.123 Große Empörung erregte hingegen die Persiflierung in Oscar Straus’ Operette Die lustigen Nibelungen, sodass 1906 sogar eine Grazer Aufführung wegen Tumulten abgebrochen werden musste; daraufhin nahmen etliche Theater von einer Produktion des Stückes Abstand. Wagner-Begeisterung und das Interesse am Germanentum befruchteten sich gegenseitig, und das L ­ inzer Theater versuchte von der Wagner-Euphorie zu profitieren, indem es weitere S ­ tücke aus diesem Themenkreis anbot. Im Falle der Nibelungen von Friedrich Hebbel war die Strategie allerdings wenig erfolgreich, und das Linzer Volksblatt kommentierte das nur laue Publikumsinteresse süffisant, dass »die Theatercassiererin nach den Aufführungen der Hebbel’schen Siegfried und Kriemhild-Tragödie nicht den richtigen Begriff von einem Nibelungen-Schatze bekommen konnte«.124 Die nationale Vereinnahmung Wagners aufgrund seiner Stoffe hat immer wieder Widerspruch hervorgerufen. Aus heutiger Sicht stellt sich zudem die Frage, wie ernst sein immer wieder betontes Bekenntnis zum Deutschtum war; »ob Wagner tatsächlich ein Homo politicus oder doch vor allem ein Künstler gewesen sei, der mithilfe der Politik seine eigene Sache habe befördern wollen«.125 Polemisch zugespitzt stellt sich für Martin Geck das Deutschtum Wagners dar, dass, kaum habe der Komponist nach seinem Aufenthalt in Paris wieder »deutschen Boden betreten, kaum beginnt er an deutschen Bühnen zu reüssieren,

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kaum ist er wohlbestallter Kapellmeister geworden, stellt er sein künstlerisches Leitmotiv, ›Erlösung durch Untergang‹, das bis dahin im rein Existenziellen gegründet hatte, in einen nationalen Kontext«.126 Nachdem Wagner schon in den 50er-Jahren eine Flucht in die USA erwogen hatte, trug er sich 1880 – wie ernsthaft auch immer – mit dem Gedanken, die Festspiele dorthin zu verlegen. Dies macht ein erst 1975 im Faksimile veröffentlichter Brief an seinen Zahnarzt deutlich, einen in ­Dresden ansässigen Amerikaner. Die Voraussetzung für seine Übersiedlung sei, dass sich dort eine Vereinigung bilde, »welche mir zu meiner Niederlassung und als einmalige Bezahlung aller meiner Bemühungen ein Vermögen von einer Million Dollar zu Verfügung stellte […] Alle künftigen Leistungen meinerseits, sei es als Leiter von Aufführungen, oder als schöpferischer Künstler, würden, auf Grund des mir übergebenen Vermögens, für alle Zeiten unentgeltlich der amerikanischen Nation angehören.«127 Zur Anschlussfähigkeit des Œuvres an die bürgerliche Ideologie trug die immense theatralische Wirkung bei, bei der die Äußerlichkeiten mytholo­gischer Requisiten, germanischer Götter, nordischer Helden und blonder Recken in den Vordergrund rückten. Winfried Schüler vermutet, die urtümlich-­urwüchsige Szene­ rie nordischer Heroik habe im Ring die eigentliche Handlung, »den selbstverschuldeten Untergang eben jener vielbewunderten Helden- und Götterwelt, vollkommen überspielt«. Von einem Missverständnis könne man dennoch nicht sprechen; die tragischen Akzente, die Wagner seinem Werk beigab, würden nicht überdecken, dass er durch seine Wiederbelebung altgermanischer Mythenstoffe starke völkischpatriotische Impulse auslösen musste.128 Thomas Mann unterstrich dagegen 1908 anlässlich der Gründung des Werdandi-Bundes, »auf welchem lächerlichen Missverständnis Wagners bürgerliche Popularität beruht. Gott Lob, den wahren Wagner hat man schließlich für sich allein.«129 Die Vereinigung, die durch die Beteiligung von Cosimas Schwiegersöhnen Henry Thode und H ­ ouston Stewart Chamberlain »Wagners Name mit der Sache verquickt« und der später auch Siegfried Wagner angehörte, hatte in ihrem Gründungsaufruf »mit Bieremphase und in unglaub­ lichem Deutsch«130 gefordert: »Nur dann vermag die todkranke deutsche Kunst zu gesunden, wenn die harte Germanenfaust aus völkischen Empfindungswuchten mythisch-mächtige Walkürenwolken gestaltet und aus düsterem deutschem Gestein Rolandstatuen edlerer Begrifflichkeiten ahnungsvoll und sagenfreudig erzeugt.« Auch Wagners Enkel Franz Wilhelm Beidler deutete die völkische Rezeption als eine Kette von Missverständnissen. Dabei habe das offizielle Bayreuth den Prozess der völkischen Vereinnahmung noch gefördert, »um Erfolg und Sicherstellung des Festspiel-Unternehmens auf der Linie des geringsten Widerstandes zu erreichen«.131 Für Beidler hatte der Komponist die Stoffe dem Mythos entnommen,

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weil er die allgemein menschliche Problematik an Gestalten der Sage ohne die Fessel historischer Tatsachen klarer, reiner, allgemeingültiger darstellen zu können glaubte. Der Mythos sei in Deutschland dann auf einer völlig anderen Ebene populär geworden durch die Verquickung preußischer Militärideologie mit den der mythischen Welt entlehnten, aber verflachten und veräußerlichten Begriffen des Heldischen und des Germanischen.132 Für das Linzer Stadttheater waren Wagners aufwendige Opern Kraftakte, die nur ausnahmsweise bewältigt werden konnten. Das umfangreiche ­Wagner-Repertoire der Spielzeit 1901/02 war alles andere als typisch für diese Bühne. In der darauf folgenden Saison gab es neben einzelnen Repertoirevorstellungen von Lohengrin und Tannhäuser nur noch den Fliegenden Holländer zu sehen. 1903/04 wurden Lohengrin und, erstmals in Linz, Götterdämmerung gezeigt. Die Saison 1904/05 bot Tannhäuser und Lohengrin sowie fünf Vorstellungen des erstmals in Linz gespielten Rienzi. 1905/06 stand lediglich ­Lohengrin auf dem Spielplan, 1906/07 Lohengrin und Tannhäuser. Beliebt waren die deutsche Spieloper von Albert Lortzing, das italienische Repertoire besonders von Giuseppe Verdi und Pietro Mascagni, aber auch die Grands opéras von F ­ romental Halévy und Giacomo Meyerbeer. Lang anhaltenden Erfolg hatte das 1895 uraufgeführte »musikalische Schauspiel« Der Evangelimann des aus dem Linzer Umland stammenden Wilhelm Kienzl, der eine wagneristische Tonsprache mit einem volkstümlich-katholischen Sujet verband. Ins Programm aufgenommen wurden außerdem, wie die Saison­vorschau jedes Jahr aufs Neue ankündigte, »alle jene Neuheiten, welche, in Großstädten aufgeführt, sich eines andauernden Erfolges erfreuen«.133 Breiten Raum nahmen Operetten, Schwänke und Volksstücke ein, während klassische Dramen eher selten gezeigt wurden. Die Zusammenstellung des Programms änderte sich nicht, als Cavar die Leitung des Theaters 1903 abgab, um nach Graz zu wechseln. Seine Nachfolger wurden Carl Wallner, der Schauspiel und Operette übernahm und später das Theater an der Wien leitete, und Oscar Schramm, ein Opernsänger, der sich der Oper widmete. Seit 1875 gab es im Sommer eine längere Pause, in der das Theater geschlossen war. Die vorherige Spielzeit hatte am 30. März 1901 mit Tannhäuser ­geendet, die neue Saison wurde am 3. Oktober des Jahres mit Lohengrin eröffnet. Die Oper stand in identischer Besetzung einen Monat später erneut auf dem Spielplan als »Fremden-Vorstellung«, die sonntags bereits um 14 Uhr begannen, um dem Publikum vom Land so die bequeme An- und Abreise zu ermög­lichen. Die Tages-Post teilte mit: »Trotz des schönen Wetters war die gestrige Nachmittags(Fremden-)Vorstellung, bei welcher Lohengrin gegeben wurde, nahezu ausverkauft.«134 Dass sich darunter die zu diesem Zeitpunkt etwas außerhalb von Linz

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in Leonding wohnende Familie H ­ itler befand, erscheint wahrscheinlicher als bei einer Abendvorstellung, die regulär bis nach 10.30 Uhr dauerte. Eine dritte Aufführung von Lohengrin mit geringfügig veränderter Besetzung gab es am 7. Februar 1902. Danach war das Werk erst wieder mit dem Ensemble der darauf folgenden Spielzeit am 21. Oktober 1902 und am 9. Januar 1903 zu sehen. Die Aufführung zur Saison­eröffnung wurde ausführlich rezensiert, was ein Schlaglicht auf die Möglichkeiten der Provinzbühne wirft. Welche Vorstellung Hitler auch immer besucht haben mag: Sie werden sich künstlerisch nicht wesentlich unterschieden haben. Als ein »gutes Zeichen« wurde in der Tages-Post gewertet, »dass unsere Bühne gleich mit so einem so schwierigen Werke herausrücken konnte und dasselbe im allgemeinen recht anständig, wenngleich im einzelnen nicht makellos, vorführen konnte«. M ­ anches sei aber »doch nicht schön geglückt, trotz der Voraussetzung des besten Willens. Im Vorspiele zum Beispiel waren die Violinschleifungen, die Legatos und ­Portamenti nicht gleichmäßig genug ausgeführt und die Blechbläser thaten meistens ein Uebriges. Zuviel ist ungesund.« An einer Stelle kam es zu einer »Accord-Dissonanz, wie sie Wagner im Lohengrin wenigstens nicht vorgeschrieben hat«. Die sonst vielfach mangelhaft gespielten Fanfaren waren diesmal »geglückt«; dagegen: »Das Vocal-Quintett im Finale des erste Actes hat Herr Winternitz, dafür kennen wir ihn, gewiß gründlich einstudiert, sonst hätte er es nicht a cappella singen lassen, und dennoch ist es mißglückt.« Der Männerchor wäre »gar nicht übel anzuhören«, würde nicht ein Chorist »seinen Kollegen und dem Publikum die Suppe [versalzen], weil er immer den vordringlichen Leithammel spielt. Beim Gang zum Münster an der Stelle: ›Gesegnet sollst du schreiten‹, hätte er uns bald aus dem Theater getrieben.« Spielleiter Hopp schließlich sei »eine gut klappende Gesamtwirkung« zu verdanken, auch wenn einige unpassende Details auffielen wie moderne Kleider der Hoffräulein von Brabant aus dem 10. Jahrhundert. 135Zu einem ähnlichen Ergebnis kam das Linzer Volksblatt, das von einer »im Ganzen wohl gerundeten Aufführung« berichtet, bei der die Sänger überzeugten, während das Orchester »weniger lobenswert« gespielt habe. Die mangelhafte Leistung des Chores umschreibt ein Zitat aus Wagners Oper: »Nie sollst Du mich befragen!«136 Die selbst dem Opernhistoriker durchgehend unbekannten Sänger waren die an Provinztheatern nicht unübliche Mischung von Künstlern, die noch am Anfang ihrer Karriere stehen, und denen, die ihren Zenit bereits überschritten haben. Als Elsa debütierte Lina Widhalm mit »günstigem Erfolge«, wenn auch »das Spiel mehr von soubrettenhaftem Impuls eingegeben, als stilgemäß gestaltet« war. Neu im Ensemble waren der Bass Alexander R ­ osalewicz, der

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einen »auch äußerlich stattlichen« König Heinrich gab, dessen tiefe Stimmlage aber »nicht als besonders ergiebig ausgestattet« erschien, sowie die Darstellerin der Ortrud (Adele Jungk), über die man noch kein abschließendes Urteil abgeben wollte. Den Linzern schon bekannt war der als bewährt beschriebene Bariton Karl ­Astner als Telramund. Besondere Aufmerksamkeit schenkten die Rezensenten dem damaligen Linzer Publikumsliebling. Im Mittelpunkt steht eine Äußerlichkeit, die deutlich macht, wie vertraut der schon häufig gesehene Sänger war: »Herr Wilensky (Lohengrin) ist mit gekräftigter Stimme zurückgekehrt. Diesmal verzichtete er auf den schönen, blonden Vollbart und stellte sich als glattwangiger, seraphischer Jüngling vor.« 137 Dem jungen Hitler dürfte die Veränderung nicht aufgefallen sein, da er den Tenor Julian Wilensky ja nie zuvor gesehen hatte. Vermutlich wird ihm auch ein anderes Detail des Künstlers entgangen sein, der in diesen Jahren am Linzer Theater sämtliche Heldentenorpartien sang: Der Held seiner ersten Wagner-Aufführung war mosaischen Glaubens. Julian Wilensky war der Künstlername des Sängers, als dessen bürgerliche Identität die Linzer Meldeakten Jankel Lewin angeben. 1891 war er aus Mailand kommend nach Linz gezogen, wo er mit Unterbrechungen bis 1909 gemeldet blieb.138 Er war 1868 in Orlya geboren worden, einer heute in Weißrussland gelegenen Stadt, die erst seit der Teilung Polens zum Zarenreich gehörte. Er sah sich selbst als Pole, und noch Jahrzehnte später fand es seine Witwe grotesk und komisch zugleich, dass ausgerechnet »ein polnischer Jud« Hitlers lebenslange Begeisterung für Wagner geweckt habe.139 Aus Anlass seines Ausscheidens aus dem Ensemble im Jahr 1903 veröffentlichte die Tages-Post eine Lebensbeschreibung des Tenors. Danach hatte er schon als Kind »mit seiner Sängertätigkeit bei der seinerzeit berühmten russischen Vokalkapelle Slaviansky begonnen, in welcher er als Kontraalt [sang], später war er in Warschau im Mendelssohn-Quartett tätig, worauf er sich nach Österreich begab, um sich bei dem bekannten Gesangslehrer Dr. Josef Gänsbacher für die deutsche Oper ausbilden zu lassen.« Anschließend ging er für ein halbes Jahr an das Theater in Olmütz, bevor er 1891 in Linz als Faust in Charles Gounods gleichnamiger Oper debütierte und es »bald zum erklärten Liebling des Publikums« schaffte. Mit Ausnahme einer kurzen Unterbrechung, während der er am Aachener Theater beschäftigt war, spielte sich seine Karriere größtenteils in Linz ab – von insgesamt 628 Auftritten als Opernsänger entfielen allein 432 auf das dortige Theater.140 Einem Theater-Lexikon von 1903 zufolge war er »ein Sänger mit selten großem Repertoire, das fast alle Heldentenorpartien, aber auch eine Reihe lyrischer und vor allem sämtliche Wagnerpartien umfaßt.

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Seine vorzüglichsten Leistungen sind: Loge (Rheingold), Siegmund (Walküre), ­Siegfried, ebenso Walter von Stolzing, Lohengrin, Tannhäuser etc.«141 In Linz war er in 44 verschiedenen Opern aufgetreten, wobei die Partie des Juden Éléazar in Fromental Halévys La Juive seine »Glanzrolle« gewesen sei. Neben Werken Wagners – 23-mal trat er als Lohengrin auf, je 18-mal als Tannhäuser und Erik, je 14-mal als ­Siegmund und Loge, je neunmal als Siegfried und Stolzing – hatte er auch große Erfolge als Turiddu in Pietro Mascagnis Cavalleria rusticana (36 Auftritte), in der Titelrolle von Charles Gounods Faust (27), als Manrico in Giuseppe Verdis Il trovatore (22) oder als Matthias in Wilhelm Kienzls Der ­Evangelimann (19).142 In der Spielzeit 1901/02 konnte er sich besonders als ­Siegfried in ­Wagners gleichnamigem Teil der Ring-Tetralogie empfehlen, wobei er »die ebenso schwierige wie anstrengende Partie gesanglich sicher, schauspielerisch geschickt« darstellte, wenngleich der Rezensent eine Einschränkung machen musste: Sein jugendliches Aussehen passe zwar »ganz vortrefflich für den jungen Siegfried«, nur leider fehle »ihm gerade jener Zoll zur Heldengröße«, um den der zweite Tenor »für den Zwergen Mime zu groß ist«.143

3 Der Heldentenor Julian Wilensky

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Rezensionen aus diesen Jahren deuten Stimmprobleme an, was der Grund dafür gewesen sein dürfte, dass Wilensky seine Karriere als Opernsänger schon 1903 beendete. Nach kurzer Zeit kehrte er ins Theatermetier zurück: 1904 schiffte er sich in Bremen auf der »Kronprinz Wilhelm« ein und reiste nach New York. In den USA leitete er unter anderem von 1909 bis 1911 den Chor der neu gegründeten Denver Grand Opera Company.144 Das hoch gelegene Colorado wurde gern von jüdischen Emigranten mit Lungenleiden wie der Tuberkulose aufgesucht; dass Wilensky bereits 1914 starb, deutet darauf hin, dass eine Krankheit der Grund für die Niederlassung in Denver gewesen sein könnte. Seine Familie blieb in Linz: Anna Wilensky war die Tochter des Kaufmanns Jacques Pollak, der das älteste Schreibmaschinengeschäft Oberösterreichs betrieb und im Vorstand der jüdischen Kultusgemeinde wirkte. Als Kind war sie die zweite jüdische Schülerin des Mädchenlyzeums in der K ­ örnerstraße gewesen, später schrieb sie für das Feuilleton des sozialdemokratischen Linzer Tagblatts. Ihre Tochter Edith betrieb in Linz eine angesehene Tanz- und Ballettschule und gab Gesangs- und Instrumentalunterricht.145 Anna und Edith Wilensky engagierten sich auch in der sozialdemokratischen Bildungsarbeit.146 Sie emigrierten 1939 nach England und kehrten nach dem Krieg nur für kurze Besuche nach Linz zurück.147 Trotz allem Antisemitismus des Wagner-Kults wurden die Linzer Aufführungen von Wagners Werken in erheblichem Maße von jüdischen Künstlern getragen. Arnold Winternitz, der Dirigent der Lohengrin-Aufführungen im Herbst 1901, stammte aus einer angesehenen Linzer jüdischen Familie: Er war der jüngste Sohn von Leopold Winternitz, dem Vorsteher der Linzer Kultusgemeinde. ­Winternitz, der mit der komischen Oper Meister Grobian auch als Komponist Erfolg hatte, ging nach seinem Ausscheiden in Linz als Kapellmeister nach Graz und Hamburg.148 Er trat später zum Katholizismus über und heiratete 1903 die Opernsängerin Martha Grohs (genannt Dorda), die zum engeren Kreis um Arnold Schönberg gehörte und die als Solistin an der Uraufführung von Gustav Mahlers Sinfonie Nr. 8 beteiligt war. Die dritte Lohengrin-Vorstellung der Spielzeit 1901/02 wie auch die beiden Aufführungen in der darauf folgenden Saison wurden vom zweiten Kapellmeister des Theaters geleitet. Paul Ottenheimer machte nach Stationen in Graz und Prag in Darmstadt Karriere als Hofkapellmeister und als Leiter der dortigen ­»Akademie für Tonkunst«. Noch 1945 wurde er in das Getto ­Theresienstadt deportiert, konnte aber im Prominentenlager überleben, in das er nach Intervention Winifred ­Wagners verlegt worden war,149 die ihn als Uraufführungsdirigenten der Oper Sonnen­flammen ihres Gatten Siegfried kannte. Nach dem Krieg beteiligte er sich an den ersten »Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik«.

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Ein jüdisches Mitglied des Linzer Ensembles, das später sehr bekannt werden sollte, war der 1881 in Riga geborene Bariton Joseph Schwarz. Er ging später an die Wiener Volksoper, dann an die dortige Hofoper – an beiden Häusern muss ihn Hitler häufig gehört haben – und wechselte 1915 nach Berlin. Seine Stimme hatte man im Chor einer Synagoge entdeckt, und nach dem Gesangsstudium in Berlin und Wien, das ein russischer Adliger finanziert hatte, begann er seine Laufbahn als Heldenbariton in Linz. Die Stärken von Schwarz, der als das größte Talent der Linzer Oper galt, lagen auf dem Gebiet der italienischen Oper, aber er hatte auch Erfolg als Wagner-Interpret. In Linz trat er als Telramund in Lohengrin, in der Titelpartie des Fliegenden Holländers und als Wolfram in Tannhäuser auf. Hitler scheint sich zu dieser Zeit trotz aller Begeisterung für die Alldeutschen, deren Hass auf Habsburg ihn wohl besonders anzog, an der jüdischen Besetzung von Wagner-Opern nicht gestört zu haben. Seine Lieblingsdarsteller waren, wie ein Mitarbeiter des NSDAP-Archivs 1938 überrascht herausfand, »Lustigerweise … fast lauter Juden«150 gewesen. Hitlers Elternhaus war keineswegs antisemitisch, und die ältere Schwester Angela ­Raubal leitete ab 1920 jahrelang die Mensa des jüdischen Hochschulaus­schusses in Wien; dem Verein war es später verständlicherweise »sehr unangenehm, daß die Schwester Hitlers lange Zeit unsere Küche für jüdische Studenten geleitet hat […] Als sie engagiert wurde, hat sie uns natürlich nicht erzählt, daß sie die Schwester Hitlers ist.«151 In Mein Kampf behauptet Hitler, zu Lebzeiten des Vaters habe er das Wort »Jude« überhaupt nie gehört, der »alte Herr würde schon in der besonderen Betonung dieser Bezeichnung eine kulturelle Rückständigkeit erblickt haben«. Er hatte weltbürgerliche Ansichten, »die sich bei schroffester nationaler Gesinnung nicht nur erhalten hatten, sondern auch auf mich abfärbten«. 152 Zeitgenossen beschreiben Alois Hitler als unangenehmen Grobian, der aber politisch keineswegs radikal war. Der Nachruf in der Tages-Post betonte, er sei »ein durch und durch fortschrittlich gesinnter Mann und als solcher ein warmer Freund der freien Schule« gewesen.153 Nach dem Urteil eines Freundes war er trotz aller Begeisterung für das Deutschtum »merkwürdigerweise doch kaisertreu«.154 Er habe »die Preußen nicht leiden« können, er war »halt fest k. u. k., der alte Herr«.155 Schon äußerlich identifizierte sich Alois Hitler durch den markanten Backenbart mit Franz Joseph, und er vertrat auch privat dessen Linie, die den verschiedenen Ethnien der Donaumonarchie gleiche Rechte zubilligte. Als Klara Hitler 1907 an Krebs erkrankte, begab sie sich in Behandlung des beliebten jüdischen Arztes Eduard Bloch, dem Hitler auch nach ihrem Tod

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zugetan blieb und dem er selbst bemalte Postkarten mit dem Text »Die herzlichsten Neujahrswünsche Ihr stets dankbarer Adolf Hitler«156 sandte. Als Forscher nach dem Zweiten Weltkrieg Hitlers Jugendliebe Stefanie Isak ausfindig machten, der er sich nie offenbart hatte, teilte sie mit: »Des Namens wegen wurde ich oft für eine Jüdin gehalten«, und nach Einschätzung von Franz Jetzinger konnte Hitler »unmöglich wissen, daß sie keine war, trotzdem wollte er sie heiraten; mit seinem Judenhaß kann es damals nicht weit her gewesen sein«.157 »Von seinem Judenhaß ist während seiner Linzer und Wiener Zeit kaum eine Spur zu ent­decken, wenn man ein paar Nebensächlichkeiten nicht aufbauschen will«, urteilte Jetzinger als Resümee seiner Befragungen von Zeitzeugen aus Hitlers Jugend.158 PROVINZTHEATER

Schon der Wiener Satiriker Eduard von Bauernfeld hatte Linz auf Provinz gereimt, wenn er dichtete: »Man kann auch sterben vor langer Weile, in der Provinz, zum Beispiel in Linz.«159 Künstlerisch stand das Linzer Theater ganz im Schatten derjenigen im nicht weit entfernten Wien, wie sich der Arzt ­Eduard Bloch später erinnerte: »Wir hatten in Linz die übliche Provinzoper, nicht gut und nicht schlecht. Diejenigen, die das Beste hören wollten, fuhren nach Wien.«160 Das künstlerische Gefälle zwischen Provinz und Hauptstadt macht das Wirken des Tenors Alfred Boruttau deutlich, der in Linz in der Saison 1903/04 die Titelpartie in Lohengrin sang, der sich bei seinem anschließenden Engagement an der Wiener Hofoper in dieser Oper aber mit der kleinen Partie des Ersten Edlen bescheiden musste. 1904 lernte Hitler den fast gleichaltrigen August Kubizek kennen. Dieser ließ sich in dieser Zeit schon zum Musiker ausbilden, arbeitete aber auf Drängen des Vaters in dessen Werkstatt als Tapeziergeselle. Seine ganze Leidenschaft galt der Oper, seit er die Polster einer als Bühnendekoration dienenden Rokokogarnitur überarbeitet hatte und bei deren Einbau Zeuge einer Opernprobe geworden war. Der von seinem Beruf angewiderte Kubizek träumte nun »von rauschenden Erfolgen im Theater, wobei ich mich schon als Kapellmeister am Dirigentenpult sah«.161 Als regelmäßiger Besucher des Theaters kannte er die Vorzüge der unterschiedlichen Plätze und schätzte besonders den mittleren Teil des Stehparterres, der optimale Sicht auf die Bühne mit der Möglichkeit des Anlehnens an eine der Säulen verband. Diese Plätze waren ausgesprochen begehrt und meist sofort nach Einlassbeginn vergeben. Mehrfach musste er erleben, dass eine der Säulen bereits besetzt war: »Halb verärgert, halb erstaunt, beobachtete ich meinen Konkurrenten. Es war ein auffallend blasser, schmächtiger Jüngling, etwa

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gleich alt wie ich, der mit leuchtenden Augen der Aufführung folgte. Sicherlich stammte er aus besserem Hause, denn er war stets peinlich ordentlich gekleidet und war sehr zurückhalt­end.«162 Nachdem die beiden sich einige Vorstellungen lang beobachtet hatten, kamen sie ins Gespräch über Bühnenfragen, und irgendwann nannte Kubizeks Theater­bekanntschaft ihren Namen: Adolf Hitler.163 Die Säule sollte später noch zu besonderen Ehren kommen. Als das Theater nach dem »Anschluss« Ö ­ sterreichs renoviert wurde, brachte man an ihr eine Gedenktafel an, auf der zu lesen war: »Volksgenosse, der du an dieser Säule stehst, wisse, dass in den Jahren 1901 – 1906 an dieser Stelle oftmals ein kunstbegeisterter deutscher Junge stand und hier unter anderem das erste Mal in seinem Leben Schillers Wilhelm Tell und Wagners Lohengrin sah, der später das Staatsoberhaupt und der Gründer Großdeutschlands wurde: Unser ­Führer Adolf Hitler! Sein Weg sei auch Dir Vorbild und Ansporn!« Die Daten sind offenkundig aus Mein Kampf übernommen – allerdings verließ Hitler Linz erst 1908.

4 Säule im Landestheater Linz nach 1938

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Während Kubizeks Erinnerungen an die gemeinsame Zeit mit Hitler von der Wagner-Forschung in der Regel völlig unkritisch übernommen werden, lastete auf ihnen aus der Sicht der Geschichtswissenschaft lange die Kritik des Linzer Sozialdemokraten und ehemaligen Jesuitenpriesters Franz Jetzinger. ­Kubizek und Jetzinger hatten anfangs in engem Kontakt gestanden und zeitweise eine gemeinsame Publikation erwogen. Mit Erscheinen von Adolf Hitler. Mein Jugendfreund schlug das Verhältnis 1953 schlagartig in Feindschaft um, da ­Kubizek zuvor nur vom Plan eines »eigenen Büchels mit dem Titel Hitler und die Frau«164 gesprochen hatte. Jetzingers weniger attraktiv aufgemachte Quellensammlung Hitlers Jugend. Phantasien, Lügen und die Wahrheit erschien erst 1956 und war kein kommerzieller Erfolg. Von Brigitte Hamann werden Kubizeks Erinnerungen als weitgehend authentisch eingeschätzt, während sie Jetzingers Kritik in erster Linie als Missgunst deutet. Als Mitglied der oberösterreichischen Landesregierung hatte sich Jetzinger unmittelbar vor dem »Anschluss« die Militärakte Hitlers verschaffen können und diese damit dem Zugriff der NS-Behörden entzogen. Auf Grundlage der Unterlagen, in denen kompromittierende Details über Hitlers Stellungsflucht aus der österreichischen Armee zu finden waren, beschloss er nach dem Krieg, ein Buch über dessen Jugend zu verfassen. Dafür befragte er alle erreichbaren Zeitzeugen, darunter auch Kubizek, der 1948 eine erste Anfrage noch abschlägig beschied. Mit Beharrlichkeit gelang es ihm, Kubizek zur Mitarbeit zu überreden, der sich Unterstützung bei der Rückkehr in den Staatsdienst versprach; zugleich wollte Kubizek seine Sicht des Jugendfreunds verbreiten, »welcher heute von den gegenwärtigen Machthabern in jeder Beziehung beschmutzt wird«.165 Er stellte Jetzinger seine 1938 im Auftrag des NSDAP-Parteiarchivs verfassten Erinnerungen zur Verfügung, von denen sich im Nachlass Jetzingers der 50 Seiten umfassende Wiener Teil erhalten hat, während die Abschnitte über die Linzer Zeit verloren sind. In den Erinnerungen Kubizeks wird Hitler in ein denkbar günstiges Licht gerückt. Schon die ersten Kunstversuche hätten »in jeder Hinsicht eindeutig klar[gemacht], welch’ ungeheure schöpferische Kräfte in dem Menschen Adolf Hitler vereinigt sind, Kräfte, die durchaus hinreichen, um vielen Künstlern die Unsterblichkeit zu sichern«.166 Dem durch Recherchen gut informierten ­Jetzinger fielen sogleich Unstimmigkeiten hinsichtlich vieler Daten auf, worauf sich ­Kubizek rechtfertigte: »Es sind schließlich seit jenen Begebenheiten 42 Jahre vergangen mit 2 Kriegen, also ein ganzes Menschenalter und da verblaßt so manches im Gedächtnis.«167 Er habe »im Concept keine Ruhe« gehabt, da er »im Büro fortgesetzt durch Parteienverkehr unterbrochen wurde«. Der Austausch mit

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Jetzinger förderte in der Folgezeit Vergessenes zutage, wie K ­ ubizek bekannte: »Wenn ich so bei Ihnen sitze und Sie an mich die Fragen stellen, dann kann ich ja erzählen aus jenen Tagen, weil mir dann so vieles einfällt, was mir ansonsten nicht mehr zu Sinn käme.«168 Dies alles floss in die auf 350 Seiten angewachsene und von kundiger Hand redigierte zweite Fassung ein, für die Kubizek auch Material verwendete, das er von Jetzinger erhalten hatte. Wesentliche Erlebnisse werden in beiden Versionen gleich erzählt, jedoch entfallen die Lobeshymnen auf den Freund. Nachdem dieser in der ersten Fassung als der »Führer« oder mit vollem Namen als »Adolf Hitler« tituliert worden war, ist nun meist persönlicher von »Adolf« die Rede. Eine Überprüfung verifizierbarer Details bestätigt die meisten Angaben des Buches, wenngleich gelegentlich das Bestreben des Verlags durchscheint, einen Kassenschlager zu produzieren, was sich in Aufblähung und Überpointierung zeigt. Problematisch ist Kubizek immer dann, wenn er seine eigenen Interessen berührt. In der Nachkriegszeit versuchte er in die Beamtenlaufbahn zurückzukehren, 5 August Kubizek (links) weswegen er sich als Unbelasteter dar- und Franz Jetzinger stellen musste. Sein Buch durchzieht daher die Strategie, sich als völlig unpolitisch darzustellen, als jemand, dem »nur eines im Leben wichtig [war]: die Musik«. Hitler habe ihn dagegen schon in früher Jugend zu indoktrinieren versucht und häufig zu ihm gesagt: »Das verstehst du nicht!« oder sogar: »Politisch, Gustl, bist du ein Trottel!«169 Beiläufig erwähnt Kubizek einige antisemitische Äußerungen wie die, Hitler habe beim Vorbeigehen an der Synagoge gesagt: »Das gehört nicht nach Linz.«170 Hamann vermutet, dass der dort vermittelte Eindruck, bereits der junge Hitler sei Antisemit gewesen, dem Kubizek stets widersprochen habe, sich dadurch erklärt, dass er seinen eigenen Antisemitismus kaschieren wollte; dabei musste Kubizek die Position beibehalten, die er nach Kriegsende in Verhören der Amerikaner geäußert hatte.171 Alle anderen Quellen weisen darauf hin, dass der junge Hitler dem Judentum gegenüber keineswegs feindlich eingestellt war.

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Dass Hitler die Opern Wagners liebte, ist unbestritten, zu hinterfragen ist aber die von Kubizek behauptete Ausschließlichkeit. Nicht zu übersehen ist, dass die Beziehung der beiden sich über das gemeinsame Interesse an Wagner definierte. Reinhold Hanisch, um 1910 ein Mitbewohner Hitlers im Wiener Männerheim, will erfahren haben, dass es der Einfluss eines Linzer Freundes war, der Hitlers Interesse an Wagner maßgeblich formte, womit nur ­Kubizek gemeint sein kann.172 Während die Begeisterung für Wagner breitesten Raum einnimmt, fehlen bei Kubizek alle Hinweise auf die Operetten Franz Lehárs, der Hitler mit kaum geringerer Begeisterung zugetan war. Albert Speer kam es später vor, »als hätten wir uns allzu ausschließlich auf ­Hitlers Verhältnis zu Wagner konzentriert. Ebenso wie dessen große Opern liebte er aber die Operette. Für ihn war Franz Léhar in allem Ernst einer der größten Komponisten der Musikgeschichte. Seine Lustige Witwe rangierte für Hitler gleichrangig neben den schönsten Opern.«173 Als ob Hitler dieses Interesse verbergen wollte, teilte er Kubizek von seiner ersten Wienreise 1906 mit: »Morgen gehe ich in die Oper in Tristan übermorgen in Fliegenden Holländer u. s. w.«, und ohne Nennung des Stückes: »Heute ins Stadttheater«, wo er die Lustige Witwe sah. Während Hitler später in der Öffentlichkeit nur seine Affinität zu Wagner betonte, gab er im privaten Rahmen Einblick in seinen weit umfassenderen Geschmack, der sich in nichts von dem bürgerlicher Opernliebhaber unterschied. In Wien habe er viel Wagner gehört, erklärte er später, »dazu Verdi und einiges wenige andere«.174 Ein Vertrauter berichtete, der Politiker habe um 1930 die Information, es gebe Die Macht des Schicksals, mit »herrlich« kommentiert und sei der Aufführung leidenschaftlich gefolgt. »Immer, wenn das Schicksalsmotiv kam, bemerkte ich bei Hitler, der rechts neben mir saß, eine Bewegung, die besonders stark wurde und wie ein Pressen der Hände zum Gebet aussah, als im vorletzten Bilde die herrliche Arie in dieses Motiv ausklang, vom ernsten Gesang der Klosterbrüder feierlich begleitet.«175 Nach einem Gastspiel der Mailänder Scala mit Giuseppe Verdis Aida klatschte Hitler, wie sich der Tenor Beniamino Gigli erinnerte, »unermüdlich und ließ allen Künstlern riesige Blumensträuße überreichen, wodurch das Publikum zu neuen Beifallsstürmen hingerissen wurde«.176 Bei einem Konzert in ­Berlin habe ihm Hitler erklärt, »dass er die italienische Musik sehr schätze«.177 Seine Vertrautheit mit dem italienischen Repertoire brachte Hitler 1929 zum Ausdruck, als er in einer Rede der Kritik an der deutschen Regierung, die den »deutschen Michel« zum Narren halte, mit dem Ausruf »Lache, deutscher Bajazzo!« Nachdruck verlieh.178 Das Zitat aus Ruggero Leoncavallos I pagliacci dient oft als Aufforderung, eine verzweifelte Lage mit vorgetäuschter Heiterkeit zu überspielen: Am Ende des

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ersten Aktes erfährt Canio, der »Bajazzo«, dass seine Frau Nedda ihn betrügt; obwohl ihn der Schmerz zerreißt, muss er auf die Bühne und befiehlt sich selbst: »Lache, Bajazzo!« Hitler begeisterte sich auch für Giacomo Puccini: 1933 erfragte sein Büro die Auftrittsdaten Giglis, der in Berlin als Cavaradossi in Tosca auftrat.179 Vermutlich war die letzte von Hitler besuchte Opernvorstellung Puccinis ­Turandot, die er am 24. Januar 1943 mit Gästen aus Spanien in München sah.180 Diese Produktion hatte er bereits im Vorjahr besucht. Zeitzeugen erinnern sich, 1942 habe eine von Clemens Krauss geleitete Aufführung erst mit erheblicher Verspätung beginnen können; dem Publikum hatte man als Begründung mitgeteilt, dass das Eintreffen Hitlers noch abgewartet werden müsse.181 Beim Linzer Theater handelte es sich im Angesicht damaliger Verhältnisse um eine gute Provinzbühne. Kubizek übertreibt bei der Beschreibung der vorhandenen Mängel, wenn er von dem Wagnis schreibt, mit nur »zwanzig Mann im Orchester eine Wagner-Aufführung zu versuchen«, denn es »fehlten, ich stellte das bereits ›fachmännisch‹ fest, die Baßklarinette, das Englischhorn, der Kontra­ fagott in der Holzbläsergruppe sowie die so genannten Wagner-Tuben bei den Blechbläsern. Auch der Streichkörper war viel zu schwach, der drei­fache Holzsatz konnte überhaupt nicht besetzt werden.«182 Tatsächlich hatte das Orchester seit 1901 immerhin 32 Mitglieder, und dass eines der genannten Instrumente vorhanden gewesen sein muss, zeigt ein Bericht, der einige Jahre zuvor bemerkt hatte, die kurz zuvor erfolgte »Stärkung des Orchesters« sei »angenehm aufgefallen«, wobei es unter anderem heißt: »endlich haben wir […] eine Baßklarinette«.183 Das Orchester konnte bei besonderen Anlässen erweitert werden, und eine Rezension der Siegfried-Aufführungen lobt ein mit »Präzision arbeitendes (verstärktes) Orchester«.184 1907 dirigierte Gustav Mahler in Linz eine Aufführung seiner Sinfonie Nr. 1, zu der er 20 Musiker des Wiener Hofopernorchesters mitbrachte. Da »auch hiesige Musikkräfte in bereitwilligster Weise ihre gütige Mitwirkung zugesagt haben, erhält das Orchester eine Stärke von 70 Mann«.185 Aus der Differenz zwischen der Anzahl aus Wien angereister Musiker und der genannten Orchesterstärke errechnen sich die zur Verfügung stehenden »hiesigen Musikkräfte« als 50 Musiker. Der Chor war mit 20 Damen und 16 Herren gleichfalls nicht stark besetzt, konnte aber durch Laienchöre verstärkt werden. Diese hatte Wagners Werke unter sich aufgeteilt: In Lohengrin und Götterdämmerung trat die 1845 als erster selbstständiger Linzer Gesangsverein entstandene Liedertafel »Frohsinn« auf, deren prominentestes Mitglied Anton Bruckner war, der von 1856 bis 1858 als Sänger mitwirkte und in den Jahren 1860/61 und 1868 als Chormeister fungierte. Die Pilgerchöre in Tannhäuser verstärkte der Gesangsverein »Sängerbund«, im Fliegenden ­Holländer sang der »Gutenbergbund«.

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Linzer Tageszeitungen notierten gelegentlich, die Bühnenbilder von WagnerOpern seien »genau nach dem Muster der Bayreuther Dekoration angefertigt«.186 Daran war nichts Ungewöhnliches, denn auch Provinz­bühnen orderten bei den großen Theaterateliers Ausstattungen, die denen in den Metropolen ähnelten. Dennoch hielten die Möglichkeiten den Vergleich zu führenden Theater nicht aus: Unzulänglich war neben der zu geringen Bühnengröße die veraltete Bühnentechnik, die »bemalten Kulissen wackelten bei jedem Schritt, auch wenn sie eine Felsenlandschaft darstellen sollten«.187 Nicht selten kam es zu Pannen, etwa wenn in Lohengrin die Darstellerin der Ortrud durch »ihr verspätetes Auftreten im 2. Akt und ihre derangierte Toilette (wir wissen nicht, ob das erstere Ursache des letzteren war oder umgekehrt) eine wesentliche Störung« verursachte.188 Zum Schluss von Rienzi »hatte ein Bühnenarbeiter einen Prospekt herabzulassen, auf dem der in hellen Flammen stehende Palazzo aufgemalt war. Dieser Prospekt blieb auf einer Seite mit der Beschwerungsstange am Schnürboden hängen. Als man die Stange lockern wollte, rasselte der ganze Prospekt zu Boden.« 189 Aber Hitler schien das alles nicht zu stören; Kubizek hatte »oftmals den Eindruck, als würde er über die höchst mangelhafte Wiedergabe hinweg ganz unmittelbar den künstlerischen Grundgehalt des ­Werkes erleben können. Selbst ein ­Lohengrin, der durch die Ungeschicklichkeit eines Bühnenarbeiters aus seinem Kahne fiel und ziemlich verstaubt aus dem ›Meere‹, in das er gefallen war, in sein Schwanengefährt wieder hineinklettern mußte – nicht nur das Publikum lachte, auch Elsa lachte! –, konnte ihm diese Illusion nicht zerstören.«190 Die jährlich wechselnden Sängerensembles hoben sich nicht wesentlich von dem der geschilderten Lohengrin-Aufführungen von 1901 ab. Zwei Jahre später wurde der Bariton Ernst Bürstinghaus beschrieben als »ein wahrer Riese an Gestalt«, eine für die kleine Bühne »fast zu martialische Erscheinung« mit einer »Bärenstimme«.191 Dagegen hinterließ die Sopranistin Karla Ersfeld als Elsa keinen günstigen Eindruck; sie sei »eine zarte Erscheinung, von nicht mehr erster Jugendfrische« mit einer »etwas scharf und schneidig klingende[n] Stimme, der man in der Höhe die Anstrengung anmerkt«. Unglaubwürdig sei zudem, dass der »etwas krankhaft« wirkenden Elsa in der routinierten Wally Martinez »eine allzu gesund und hübsch aussehende« Ortrud gegenüberstand.192 In der Götterdämmerung wurde Brünnhilde daher mit Mila Lothar besetzt, die kurz zuvor in einer Nebenrolle in Lohengrin noch als »nettes Opernsoubrettchen«193 beschrieben worden war. Das zeugt vom Wagemut oder der Not des Operndirektors, denn ebenso wie Tenor Boruttau als Siegfried stand sie in ihrem ersten Engagement überhaupt. Nach Ansicht des Linzer Volksblatts machte die Aufführung aber der »Theaterleitung alle Ehre«.194 Weniger Glück hatte man 1905/06, denn Karl Lavaud

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war als Lohengrin »den Anforderungen, welche man an einen Vertreter erster Tenorrollen stellt, weder stimmlich und gesanglich, noch darstellerisch gewachsen; seine gestrige, in Gesang und Spiel völlig reizlose Darstellung läßt in mir den Wunsch nach einem Wiedersehen und Wiederhören keineswegs aufkommen«.195 Bei der Eröffnungsvorstellung der Spielzeit 1904/05 wurde der neue Heldentenor Gottfried Krause gerühmt als »der glückliche Besitzer einer imposanten Gestalt und eines in der Höhe mächtig und glanzvoll ausströmenden Stimm­ organes. Sein Florestan zeigte sich ungebeugt von den Leiden einer zweijährigen ungerechten Kerkerhaft […] Unter die leidenden Naturen zählt Herr Krause nicht. Winselei steht ihm fern. Kraftvoll und männlich erhebt sich der politisch Geächtete und Verfolgte über sein unverdientes Schicksal.«196 Aus Bühnenjahrbüchern lässt sich eine Karriere mit Engagements an überwiegend zweit- und drittklassigen Bühnen rekonstruieren. Im Anschluss an das Linzer Engagement ging er für drei Spielzeiten an das Deutsche Landestheater in Prag, damals eine der führenden Bühnen der Donaumonarchie. Zu seiner letzten Aufführung in Linz war sogar Kapellmeister Bruno Walter aus ­Wien angereist, der sich dem Vernehmen nach »sehr günstig« über den Tenor äußerte.197 An der Hofoper trat Krause jedoch nur ein einziges Mal auf, und zwar sprang er im darauffolgenden Jahr für den erkrankten Hermann Winkelmann als Tannhäuser ein.198

6 Gottfried Krause als Lohengrin

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Die Auratisierung der Wagnerschen Helden wurde entscheidend durch Sänger wie Krause befördert, die die Opernfiguren mittels vokaler Kraftentfaltung und heroischen Auftretens in den Bereich des Übernatürlichen hoben. Am 6. und 14. Oktober 1904 sang er Tannhäuser, am 26. Oktober Lohengrin, am 30. Oktober Tannhäuser, am 2. November wieder Lohengrin; später folgten fünf Vorstellungen von Rienzi und ein weiterer Lohengrin. Besonders in letzterer Rolle begeisterte er die Linzer: »So wollen wir den strahlenden Helden erscheinen und handeln sehen und so vernehmen wir mit Lust den Glanz seines echten Tenors, dem es auch an zarter Empfindung nicht gebricht […] Welche ruhige Würde und Hoheit breitete sich über die Gralserzählung und den ergreifenden Abschied!«199 Einer mächtigen Stimme standen nur eingeschränkte musikalische und darstellerische Mittel zu Verfügung. »Lyrik ist wohl nicht die Domäne des Herrn Krause; der Charakter seiner Tenorstimme, die ganze Art und Weise seines Gesangsvortrages, wie überhaupt sein ganzes Auftreten verweist ihn entschieden aufs heroische.«200 Allerdings musste er in Linz auch Rollen singen, die für ihn weniger geeignet waren. In Giuseppe Verdis Trovatore entfaltete er »zu viel Stimmkraft«, und hätte der Rezensent die Oper nicht schon oft gehört, würde er »nichts anderes vermutet haben, als dass Manrico in einen mörderischen Raufhandel gezogen wurde. Unterdessen singt er nur: ›Doch auch das höchste Glück / Strahlt mir aus Deinem Blick‹.«201 Seinem »heroischen Wesen« würden »silbergerüstete und helmumflatterte Heldentenorrollen«202 wohl am besten entsprechen, resümierte das Linzer Volksblatt. Mit so einem Sänger konnte die Titelpartie von Rienzi nur an Überzeugungskraft gewinnen, und er beeindruckte »mit unversieglichen Stimmitteln und eindrucksfähiger Gestaltungskraft«. Besonders »die musikalische Rede, durch die Rienzi zu Fuß und hoch zu Roß auf Hoch und Niedrig am eindringlichsten wirkt, behandelte er musterhaft«.203 Auch bei einem späteren Auftritt in dieser Rolle in Prag nutzte er »jede Gelegenheit, die in den vielen Ansprachen reichlich wiederkehrt, von seinen Stimmitteln ausgiebigsten Gebrauch zu machen«. Er habe »eine warmblütige Gestalt voll Ritterlichkeit und Würde« geschaffen, »seine wiederholt gerühmten Vorzüge, die sinnvolle Gliederung der Sprache, die dramatische Wucht des Vortrags kamen der Partie besonders zu Gute und verliehen ihr einen großen Zug«.204 »In jener Stunde begann es«, kommentierte Hitler mit dem ihm eigenen Pathos gegenüber Winifred ­­Wagner den Beginn seiner politischen Ambitionen, die durch die Linzer Aufführung von Rienzi geweckt worden seien. Was immer davon nachträgliche Selbststilisierung war – vor 1919 tat er nicht das Geringste, um eine politische Karriere zu starten –, die Oper muss ihn außerordentlich beeindruckt haben. Kubizek hat die ekstatische Reaktion Hitlers auf

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die gemeinsam besuchte Vorstellung ausführlich geschildert: Schweigend hatten sie das Theater verlassen, und Hitler ging, »ernst und verschlossen, die Hände tief in die Manteltaschen vergraben, die Straße weiter, aus der Stadt fort. Obwohl er sonst nach einem künstlerischen Erlebnis, das ihn bewegt hatte, gewohnt war, gleich zu sprechen und mit scharfem Urteil die Aufführung zu kritisieren, um sich selbst von dem beklemmenden Eindrucke zu befreien, schwieg Adolf nach dieser Rienzi-Aufführung noch lange.« Dann brach die Erschütterung aus ihm heraus, und es schien Kubizek, »als würde ein anderes Ich aus ihm sprechen, von dem er selbst mit gleicher Ergriffenheit berührt wurde wie ich […] Wie eine angestaute Flut durch die berstenden Dämme bricht, brachen die Worte aus ihm hervor. In großartigen, mitreißenden Bildern entwickelte er mir seine Zukunft und die seines Volkes.«205 In der Tradition der Familie Kubizek hielt sich gar Hitlers reichlich kindischer Ausspruch: »Ich will Volkstribun werden!«206 Die Rezeption der Oper im Nationalsozialismus ist hinlänglich bekannt. Zu seinem 50. Geburtstag bekam Hitler von deutschen Industriellen das Autograf Wagners geschenkt, das in den Wirren bei Kriegsende verlorenging. Die ­Rienzi-Ouvertüre war die Musik zur Eröffnung der Nürnberger Parteitage, auch wenn sich Robert Ley, der Leiter der Deutschen Arbeitsfront, bemühte, sie durch eine zeitgenössische Neukomposition zu ersetzen. Obwohl Hitler sich eine Reihe von Stücken anhörte, blieb es doch bei der »vertrauten Erhabenheit« der Wagnerschen Ouvertüre. Es sei nicht nur eine musikalische Frage, erklärte der Diktator: »Dieser Sohn eines kleinen Gastwirts hat mit vierundzwanzig Jahren das römische Volk dazu gebracht, den korrupten Senat zu vertreiben, indem er die großartige Vergangenheit des Imperiums beschwor. Bei dieser gottbegnadeten Musik hatte ich als junger Mensch im Linzer Theater die Eingebung, dass es auch mir gelingen müsse, das Deutsche Reich zu einen und groß zu machen.«207 Auch später behielt dieses Stück eine lehrhafte Bedeutung für Hitler, wie sein Mitarbeiter Otto Wagener berichtete. Hitler plante die Routen seiner Reisen mitunter danach, was es in den jeweiligen Theatern zu sehen gab, und 1930 stellte sich heraus, dass die Möglichkeit bestand, Rienzi zu sehen. Wagener vermutete, dass dieses Werk nicht infrage komme, da es Hitler kaum gefallen könne, »im Zuschauerraum zu sitzen, wenn aufgeführt wird, wie gerade ein Mann aus dem Volke, der sich zum Führer dieses Volkes aufgeschwungen hatte, am Ende doch an den Intrigen seiner Umgebung zu Grunde geht«. Darauf lachte Hitler, gerade diese Oper sei besonders lehrreich für ihn: »Ich sehe im Gegenteil vielleicht immer, welche Fehler man machen könnte, – um sie dann später zu vermeiden.«208 Er las daraus eine Warnung vor der konservativen Reaktion, die auch Rienzi gestürzt habe, und zog die Folgerung, man müsse die

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Partei »immunisieren«, und nicht nur gegenüber dem Kommunismus, »sondern auch gegen den reaktionären Nationalismus vom rechts. Mit diesem Nationalismus, der mit Nationalsozialismus nichts gemein hat, kommen falsche Führer, falsche Berater und falsche Ideen nach oben. Und von den falschen Ideen zum reaktionären Umsturz ist es nicht weiter als von den kommunistischen Gedankengängen zur bolschewistischen Revolution.«209 Die fünf Aufführungen von Rienzi am 3., 5., 10., 19. Januar und am ­12. ­Februar 1905 waren ein großer Erfolg. 210 Trotz einiger szenischer Defizite waren sie »für die hiesigen Verhältnisse wirklich bewundernswert gut«, was besonders das Verdienst von Kapellmeister Friedrich Sommer gewesen sei. Dieser hatte »die Chorsätze so gut abgetönt, als ihm das bei den hiesigen Verhältnissen möglich war«, und auch das Orchester »folgte getreu den künstlerischen Intentionen seines Führers«. Mit Ausnahme von Beate Dereani (Irene), deren Spiel »nicht genug anschließend an den Fortgang der Handlung war«, und Wally ­Martinez (Adriano), der die »in den höheren Regionen gelegenen Gesang­stellen Schwierig­ keiten« bereiteten, werden die Sänger als ausgezeichnet bewertet. Besondere Erwähnung fand die Mitwirkung des »Linzer Turnvereins«, der für »seinen wirklich virtuos und plastisch ausgeführtem ›Waffentanz‹ donnernden und lange anhaltenden Applaus« erhielt. »Ohne Mitwirkung dieses Turnvereins wäre wohl der zweite Akt des Rienzi kaum möglich gewesen.«211 Obwohl Rienzi bereits 1842 in Dresden uraufgeführt worden war, hatte man die Oper noch nie in Linz gesehen. Lediglich einige Stücke waren dort bereits bekannt: Die Ouvertüre hatte in Militärkonzerten einen festen Platz, und zwei Nummern waren in Volksgartenkonzerten gespielt worden. »Rienzi kommt spät, fast zu spät zu uns«, bemerkte die Tages-Post. In den 1860er- und 1870erJahren hätte sich die Oper »gewiß als eine äußerst zugkräftige Konkurrentin der ­großen Opern Meyerbeers und Halevys erwiesen«. Nun aber dokumentiere das Frühwerk zwar den »ungeheuren Fortschritt«, den ­­Wagner in den folgenden Stücken erreicht habe, es passe aber eigentlich nicht mehr in das aktuelle Repertoire, denn dem »an der alten dramatischen Oper hängenden Zuhörer sagen die, wenn auch noch so schüchtern angebrachten reformatorischen Regungen nicht zu, der musikalische Gegenwartsmensch muß den Rienzi natürlich überholt finden durch Wagners zehn darauffolgende Meistertaten.«212 Rienzi ist, wie ­Wagner selbst einräumte, »ganz in denselben Formen der großen historischen Oper und mit womöglich noch überbietender aller dazu gehörigen Effectmittel« verfasst.213 Eduard Hanslick fiel dann auch auf, ­Wagner erziele »im besten Falle denjenigen Effect, den er selbst witzig als ›Wirkung ohne Ursache‹ definirt. Wo Rienzi Effect macht (und dies thut er häufig in den drei ersten Acten), da wirkt

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er thatsächlich, ohne ausreichend geistige Ursache, durch Häufung äußerlich blendender Mittel.«214 Nach Wagners Judenthum in der Musik war das Anbiedern ans Publikum mithilfe äußerlicher Mittel das angebliche Kennzeichen jüdischer Kunst – aus diesem Blickwinkel ist auch Rienzi eine »jüdische« Oper. THEATERBAUMEISTER

August Kubizek erinnerte sich später, vor allem bei »­Wagner-Aufführungen war das Theater immer ausverkauft. Eine, oft zwei Stunden lang mußte man sich zum Einlaß anstellen«.215 Ein heutiger Theaterdirektor wäre erstaunt, erinnerte sich ein anonymer Stehplatzbesucher an die Jahre um 1900, »sähe er den Ansturm auf Galerien und Stehparterre, wie er besonders an Sonntagen, in dieser hohen Zeit der Linzer Bühne üblich war. Um vier Uhr nachmittags standen schon die ersten Gäste im Foyer, um sechs Uhr war es bereits dicht gefüllt und um sieben, wenn die eisernen Gittertüren zur zweiten und dritten Galerie sich öffneten, ging es mit ›Ho ruck!‹ die Stiegen hinauf […] Nun mußte man aber immer noch eine geschlagene Stunde auf den Vorstellungsbeginn warten. Galerien und Stehparterre waren immer schon gedrängt voll, wenn die Loge, Parkett und sonstige Sitze noch leer in den Raum gähnten. Vier Stunden vor Beginn, weitere drei während der Vorstellung stehen – gehörte dazu etwa keine Begeisterung? Nun, die Jugend von damals – Lehrbuben, Jungarbeiter, Mädeln aus den Fabriken der Stadt auf den Galerien, Schüler der mittleren Linzer Lehranstalten im Stehparterre – sie brachte diese Begeisterung auf.«216 Rufe nach einem größeren Neubau des Linzer Theaters wurden immer lauter, und 1906 schlossen sich Linzer Kunstfreunde zu einem Verein zusammen, um den Neubau eines modernen Theaters in die Wege zu leiten.217 Den Ankündigungen des Linzer Theaterbauvereins, dem Hitler sogleich beitrat, folgten allerdings keine Taten. 1908 klagte er gegenüber Kubizek: »Hast Du den letzten Entscheid des Gemeinderats in Bezug des neuen Teaters gelesen. Mir scheint die wollen gar den alten Krempel noch einmal flicken. Es geht dies aber so nicht mehr weil Sie von der Behörde die Erlaubniß nicht mehr bekämen. – Jedenfalls zeigt die ganze Phrasenreiterei das diese hochwohlgeborenen und alle maßgebensten Faktoren vom Bau eines Teaters gerade soviel Idee haben, wie ein Nilpferd vom Violinspielen. Wenn mein Handbuch der Architektur nicht schon so miserablich ausschaun täte, möchte ich es sehr gern einpacken und mit nachfolgender Teater-Gründungsvereinsentwurfsbauausführungs-komitesgemäßer Adreße versenden ›An das alhierige hochwohlgeborene gestrenge

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alllöbliche Comitoria zur Etwaigen Erbauung und allfällige Ausstattungen …‹.«218 ­Hitler verärgerten die Verzögerungen umso mehr, als man ihn in seiner Fantasie längst zum Baumeister des neuen Hauses ausersehen hatte. Der gleichaltrige Wilhelm Hagmüller erinnerte sich später, dass im Wohnzimmer der Hitlers oft Entwürfe herumgelegen hatten, darunter »ein Plan für das Linzer Landestheater, vollkommen ausgearbeitet, ähnlich dem Burgtheater in Wien«.219 Das von Gottfried Semper entworfene Burgtheater stand mit ­Wagner insofern in Verbindung, als es äußerlich dem 1864/65 von dem Architekten für München konzipierten Festspielhaus ähnelte, das nie realisiert wurde. ­Kubizek berichtet, dass das gemeinsame Zimmer in Wien »meistens ganz belegt von Adolfs Zeichen­blättern [war]. Die Zeichnungen waren […] zum Großteil Entwürfe für Prunkbauten z. B. Theaterbauten, Opernhäuser, Paläste, Museen, Rathäuser, Konzert- und Festsäle […] Immer schwebte seine Phantasie in höheren Regionen und in seinen Planungen wurde nie nach den Kosten gefragt.« Nach Kubizeks Erinnerung war das geplante Gebäude »gehalten im Stil der italienischen Hochrenaissance, welche Bauform meinem Freund wegen seiner edlen Linienführung für Prunkbauten, zu denen ja auch ein Theaterbau gehört, besonders geeignet schien. Ich erinnere mich an das Schaubild der vorderen Hauptfront, zu welcher eine breite Auffahrtsstraße führte. Der Bau hatte eine breit angelegte Attika, welche bekrönt war von einer großen Quadriga aus Bronze. Rechts und links führten gerade Monumentalstiegen, ähnlich wie im Hofburgtheater, zu den Rängen hinauf, von der breiten Loggia ist der Blick freigegeben auf das Bild der Stadt und auf den Kranz der Mühlviertlerberge.« 220 Er hatte einen »mit edelstem Geschmack ausgestattete[n] Wandelgang«, angemessene Repräsentationsräume sowie alle notwendigen Probenräume, Garderoben und Verwaltungseinrichtungen vorgesehen und sogar an das leibliche Wohl der Künstler gedacht, denn »ein nicht auf Gewinn abzielender Speiseraum bietet allen Mitgliedern Gelegenheit, gut, reichlich und billig sich verpflegen zu können«. Die Bühne sollte über alle technischen Neuerungen verfügen und der Orchestergraben 100 Musikern Platz bieten. Dem Vorbild des Bayreuther Festspielhauses folgend, sollte der Zuschauerraum in Hufeisenform sanft ansteigen und weder über Logen noch Ränge verfügen. »Lediglich rückwärts ist ein Rang aufgebaut, der jedoch als Fortsetzung des Parterres anzusprechen ist. Das Thea­ter enthält lauter Sitzplätze und bietet 1600 Besuchern Platz. Der Orchester­raum wird halbüberdeckt, sodaß das Orchester und der Dirigent nicht bzw. nur ganz wenig sichtbar ist.« Einer Realisierung der Planungen hätte nicht zuletzt entgegengestanden, dass sie die völlige Umgestaltung von Linz voraussetzten. Der junge Hitler kam »zu dem Schluß, daß der geeignetste Bauplatz auf dem Gelände in

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der Bahnhofsnähe sei«, weswegen der Bahnhof verlegt werden und der gesamte Bahnverkehr die Stadt unterirdisch durchqueren oder umfahren sollte. Dadurch werde »das ganze heutige Bahngelände einschließlich der weitläufigen Werkstätten frei, welches Gelände dann zur Vergrößerung des Linzer Volksgartens herangezogen werden könnte. In den Raum des neu zu schaffenden großen Parks hinein komponierte der Führer nun das neue ­Linzer Theater.«221 1911/12 wurde tatsächlich die Planung eines Theaterneubaus ausgeschrieben; es gingen unter anderem Entwürfe von Helmer & Fellner ein, die jedoch nicht zur Ausführung kamen. Erst im April 2013 wurde tatsächlich ein neues Linzer Opernhaus eröffnet.

7 Skizzen Hitlers für einen Theaterbau

An die Erfahrungen aus der Linzer Jugend schlossen Hitlers übersteigerte Vorstellungen vom Bedarf an Opernunterhaltung an. Als Reichskanzler war es eines seiner Lieblingsthemen, Opernhäuser errichten oder zumindest umbauen zu lassen. Für München plante er »die größte Oper der Welt […] mit fünftausend Plätzen!«222 Während es dort in der Mitte des 19. Jahrhunderts bei 50 000 Einwohnern 3500 Theaterplätze gegeben habe, seien es nun bei fast 900 000 Einwohnern nicht mehr als 5000 Plätze; vor diesem Hintergrund müsste Berlin

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»bequem 4 bis 5 Opernhäuser haben«.223 Theater sollten »groß sein und Platz für die breiten Massen zu billigen Preisen bieten. Vor allem die Jugend muß in die Opernhäuser gebracht werden. Nicht erst von achtzehn Jahren an, sondern schon viel früher. So bleiben sie bis in ihr hohes Alter treue Theaterbesucher.« Auf den Einwand, dass es gar nicht so viele Opernliebhaber gebe, um die vielen Theater zu füllen, zog er den Vergleich mit den Autobahnen: Für diese habe man vor ihrer Fertigstellung auch keinen Bedarf gesehen, ihr Angebot ziehe aber eine starke Nutzung nach sich.224 Der Theaterbau war der Bereich, in dem sich mit Architektur und Theater zwei von Hitlers stärksten Interessen verschränkten. »Der Führer verbreitet sich ausführlich über die Frage des Theaterbaues, vor allem im Ausgang des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts«, notierte Joseph Goebbels, der den Eindruck bekam, »er ist über jedes in der damaligen Zeit gebaute Theater genauestens im Bilde«.225 Bekannt ist die Anekdote, dass Hitler sich 1940 in den Gängen der nie zuvor besuchten Pariser Oper besser ausgekannt habe als die dortigen Mitarbeiter.226 Hitler habe den Logenschließer nach einem Salon gefragt, der sich den Plänen Charles Garniers zufolge hinter der linken Proszeniumsloge befinden müsse; erst nach längerem Überlegen erinnerte sich dieser, dass der Salon bei einer Renovierung beseitigt worden war.227 Als Reichskanzler schüttete Hitler wie mit der Gießkanne Mittel für Thea­ terbauten aus, wobei einerseits die generell bei Bauvorhaben bevorzugten Städte bedacht wurden, andererseits Gelder an diejenigen gingen, denen es irgendwie gelang, Zugang zum Diktator zu finden. Angesichts seiner Sprunghaftigkeit verloren seine Mitarbeiter mitunter den Überblick, etwa wenn es in einem Schrei­ben von Staatsminister Hans Heinrich Lammers heißt: »Von einer Zusage des Führers zur teilweisen Deckung der Kosten für einen durchgreifenden Umbau des Opernhauses in Graz 1 Million RM zu übernehmen, ist mir nichts bekannt.«228 Die Bewilligung von Mitteln war stets daran gebunden, dass Hitler die Pläne gefielen. Als der Oberbürgermeister von Kaiserslautern 1940 anfragte, ob der Diktator von den Kosten des Umbaus des Städtischen Theaters 1 Million RM übernehmen könne, wurde ihm mitgeteilt: »Der Führer hat sich seine Entscheidung noch vorbehalten und wünscht zunächst die Pläne und Kostenvoranschläge über den Theaterumbau zu sehen.«229 Hatte sich sein Jugendentwurf eines neuen Linzer Opernhauses zumindest teilweise am Bayreuther Festspielhaus orientiert, so folgten alle späteren Projekte dem Modell traditioneller Rangtheater. Architekt der meisten von Hitler angestoßenen Theaterbauten war Paul Otto August Baumgarten (nicht zu verwechseln mit Paul Gotthilf Reinhold Baumgarten, der nach dem Zweiten Weltkrieg für den Wiederaufbau des Reichstags und den Neubau des Konzertsaals

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der Hochschule der Künste Berlin verantwortlich war). Baumgarten hatte am Beginn seiner Karriere eine Reihe repräsentativer Anwesen wie die am Berliner Wannsee gelegene Villa des Malers Max Liebermann entworfen. Traurige Berühmtheit erlangte die von ihm gleichfalls am Wannsee für den Fabrikanten Ernst Marlier errichtete Villa, in der 1942 die sogenannte »Wannseekonferenz« stattfand, bei der die Vernichtung der europäischen Juden organisiert wurde. Baumgartens einziger realisierter Theaterneubau war das 1938 mit dem Fliegenden Holländer eröffnete »Gautheater Saar-Pfalz« in Saarbrücken, das als Dank des Diktators für die Volksabstimmung im Jahr 1935 erklärt wurde, die zur Wiedereingliederung des Saargebiets in das Deutsche Reich geführt hatte; allerdings musste sich die Stadt Saarbrücken an dem »Geschenk« finanziell beteiligen. Einen Namen hatte sich Baumgarten mit dem Umbau des Deutschen Opernhauses in Berlin gemacht. Hitler erschien das Gebäude als zu »nüchtern« und »lieblos«, sodass er befahl, das Haus repräsentativ umzugestalten. »Führer ganz dabei. Er kennt was davon, hat ein gutes und treffendes Urteil«,230 notierte ­Goebbels: Hitler »hat einen großen Plan zum Umbau der städt. Oper«.231 Zuerst war der Architekt und NSDAP-Reichstagsabgeordnete Paul ­Schultze-Naumburg beauftragt worden, dessen Pläne aber missfielen: »Dilettantismus. Abgelehnt. Führer scharf dagegen.«232 Den Auftrag bekam schließlich Baumgarten, von dessen Arbeit der »Führer ganz begeistert«233 war. Baumgartens Ästhetik spiegelt den von anderen Monumentalbauten bekannten Geschmack Hitlers wider, der unter dem Einfluss des Münchner Architekten Paul Ludwig Troost den in seiner Jugend favorisierten neobarocken Stil abgelegt hatte. Seit Mitte der 20er-Jahre favorisierte er unter dem Motto »Deutsch sein, heißt klar sein« einen »glatten« Baustil; für auskragenden Ornamentschmuck und ablenkenden ­Zierrat war kein Platz mehr, nur frei stehende und perspektivisch sinnvoll angebrachte Plastiken und Flachreliefs kamen infrage.234 Eine Gegenüberstellung des Innenraums vor und nach dem Umbau macht dies exemplarisch deutlich. Baumgarten beschreibt den umgestalteten Zuschauerraum als »eine im hellsten Licht strahlende, in den ruhigen Farben edlen Steins, in hellem Anstrich und im Glanze des viel verwendeten Goldes leuchtende Festhalle. Nur die Formen des Raumes blieben gewahrt. Auch hier wurde die Kassettendecke ersetzt durch eine schlichte, gelblich-weiße Decke, die der 4 Meter im Durchmesser messende Kristallkronleuchter schmückt. Sein Licht wird ergänzt durch die im Wandgesims und im großen Mittelkreis eingebaute indirekte Beleuchtung.«235 Zugleich erhielt das Haus, das als ein bürgerliches Opernhaus über keine Herrscherloge verfügt hatte, eine pompöse »Führerloge«, die die Anwesenheit Hitlers architektonisch überhöhte.

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In Berlin folgten der Umbau des Schiller-Theaters, des Admiralspalastes und des Metropol-Theaters, der heutigen Komischen Oper; ähnliche Modernisierungen gab es vom Stadttheater Augsburg, vom Deutschen Theater München und vom Nationaltheater Weimar. In Baumgartens Nachlass befinden sich Modellfotos neu geplanter beziehungsweise von Umbauplanungen bestehender Theater in Fürth, Graz, Hermannstadt, Königsberg, Posen, Thorn und Würzburg.236 Ähnlich wie der Umbau des Deutschen Opernhauses gestaltete sich der des Weimarer Nationaltheaters, das äußerlich unverändert blieb, aber im Innenraum durchgreifend modernisiert wurde. Als Gründungsort der »Weimarer Republik« besaß es hohe symbolische Bedeutung. Schon früh hielten die National­sozialisten dort republikfeindliche Versammlungen ab: 1926 fand in dem Theater der erste Parteitag nach Wiedergründung der NSDAP statt, es folgten zahlreiche weitere NS-Veranstaltungen. Mit der Vereinnahmung des Theaters beabsichtigte man aus nationalsozialistischer Sicht gleichzeitig die Entweihung als Stätte der Weimarer Verfassung wie eine Neubesetzung des Ortes mit vermeintlich reinem »Deutschtum« und »deutscher Kultur«.237 Auch hier wurden die vorhandenen Innenraumstrukturen beibehalten, »sämtliche dekorativen Elemente und Schmuckformen, wie zum Teil auch Malereien der originalen Innengestaltung jedoch negiert, abgeschlagen und zum Teil durch neue, für die Nationalsozialisten symbolträchtigere Zierate ersetzt«.238 Unverändert blieb dagegen der prunkvolle Innenraum des auf Anweisung Hitlers äußerlich und in den Repräsentationsräumen umgebauten Stadttheaters ­Augsburg, das 1877 vom Wiener Architekturbüro Helmer & Fellner errichtet worden war. Dies lässt sich nur durch Hitlers sentimentales Interesse an den Architekten erklären. Hermann Helmer und Ferdinand Fellner hatten vor allem in den kleineren Städten Deutschlands und der österreichischen Monarchie rund 50 Theater entworfen und waren für Hitler »die berühmtesten Theaterbauer Österreichs«, deren Theater »eines schöner als das andere« war.239 Hitlers spätere Pläne zur Neugestaltung von Linz knüpften in vielen Details an seine Jugendfantasien an. Alles fiel nun erheblich größer aus, und die Theater­ planung orientierte sich nicht mehr an den Vorbildern Burgtheater und Festspielhaus. Nach Skizzen Hitlers entwarfen die Architekten Roderich Fick und Hermann Giesler südlich der Innenstadt eine typisch nationalsozialistische Achsen­straße, in die zahlreiche kulturelle Einrichtungen integriert wurden; darunter Opern-, Operetten- und Schauspielhaus. Welche zentrale Bedeutung Hitler dem jetzt für 2000 Besucher ausgelegten und von Albert Speer und Baumgarten entworfenen Opernhaus beimaß, macht seine zentrale Lage deutlich, die axial zur geplanten Prachtstraße »In den Lauben« ausgerichtet war.

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8 Entwurf des neuen Linzer Opernhauses

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Hitler hatte einen für die damalige Zeit »exorbitant hohen Medienkonsum, was auf den Stellenwert verweist, der dem aufbereitet und vermittelt Sichtbaren in seiner Wahrnehmung zukam«.240 Dass seine Vorstellungswelt auch von ­Wagner geprägt war, macht eine Bemerkung nach einem dramatischen Schlechtwetterflug deutlich. Er sagte dem Piloten, »daß er an den Feuerzauber in der Walküre erinnert worden sei, wie den er nach dem schweren Regen und Hagelschlag dampfenden Spessart unter sich gesehen habe und die drohende Gewitterwand im Hintergrund«.241 Auf opernhafte Vorstellungen griff Hitler bereits auf der ersten Großveranstaltung der NSDAP zurück, wo er ein Feuer entzündet sah, »aus dessen Glut dereinst das Schwert kommen muss, das dem germanischen Siegfried die Freiheit […] wiedergewinnen soll«.242 Operettenhafte Vorstellungen über den Balkan scheinen auf, wenn Hitler Vermutungen anstellte, warum ein in Berlin akkreditiertes Mitglied des dortigen diplomatischen Korps seiner Frau so viele Freiheiten ließ; der sage sich, »bei den Hunderten von Seitensprüngen kommt es auf das auch nicht an!«.243 Der tägliche Konsum eines Spielfilms blieb nicht ohne Wirkung auf das Weltbild des Diktators, der den deutschsprachigen Raum kaum je verlassen hatte. Einer seiner Adjutanten vermutete, »seine oftmals grotesk falschen Meinungen über die Kultur anderer Nationen und ihre Denkweise verdankte Hitler vermutlich […] den Massen seichter Unterhaltungsfilme, die zu uns kamen«.244 Sich mit Geschichte zu befassen hieß für ihn, »die Kräfte suchen und finden, die als Ursachen zu jenen Wirkungen führen, die wir dann als geschichtliche Ereignisse vor unseren Augen sehen«.245 Dabei scheint es, dass er kaum zwischen Geschichtsschreibung und fiktionaler Literatur differenziert hat, wenn es darum ging, Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen. Albert Speer fiel auf, dass Hitlers Beziehung zur Geschichte ausschließlich »romantisch und am Begriff des Helden orientiert [war], und er konnte nahezu in einem Satz Napoleon und Old Shatterhand nennen«.246

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Hitler bekannte, besonders die Persönlichkeit Wagners habe ihn angesprochen, und tatsächlich sind gerade in ihren negativen Charaktereigenschaften wie dem rücksichtslos verfolgten Größengedanken gewisse Ähnlichkeiten nicht von der Hand zu weisen. Schon Thomas Mann fiel auf, das »Widerliche Wagners, aber freilich nur dies, ist bei Hitler genau wiederzufinden«.247 Hitler begeisterte sich für die völkische Stilisierung Wagners, die mit dessen tatsächlichem Wesen wenig zu tun hatte. Obwohl ­Wagner über großes Geschick verfügte, Anhänger an sich zu binden, wirkte er auf viele Zeitgenossen menschlich alles andere als vorteilhaft. Für den mit den Bayreuther Verhältnissen eng vertrauten Harry Graf Kessler war »im Falle ­Wagner-Nietzsche das Problem nicht, warum N ­ ietzsche mit ­Wagner gebrochen, sondern wie er es so lange bei ihm hat aushalten können«.248 Der Revolutionär und spätere US-Politiker Carl Schurz erinnerte sich später daran, dass ­Wagner bei seinen Schicksalsgenossen im Zürcher Exil ausgesprochen unbeliebt gewesen war. »Er galt als äußerst anmaßender, herrischer Geselle, mit dem Niemand umgehen könne, und der seine Gattin [Minna ­Wagner] sehr schnöde behandelte. Wer uns damals seine großartige Laufbahn prophezeit hätte, würde wenig Glauben gefunden haben.«249 Der Wiener Kritiker Eduard Hanslick wollte nicht leugnen, dass ihm ­Wagner als Mensch trotz seiner großen Ausstrahlung wenig sympathisch war. »Ein Fremder hätte aus Wagners Gesicht weniger auf einen genialen Künstler als auf einen trockenen Leipziger Professor oder Advokaten geraten. Er sprach unglaublich viel und schnell, in monoton singendem sächsischen Dialekt; er sprach in einem fort und immer von sich selbst, von seinen Werken, seinen Reformen, seinen Plänen. Nannte er einmal den Namen eines anderen Komponisten, so geschah es gewiß in wegwerfendem Tone.« Maßlos war er auch »im Schimpfen über das Publikum, über Theaterdirektoren und Sänger«, und »daß die Deutschen eine ›niederträchtige Nation‹ seien, konnte man jeden Augenblick hören. Und zu all diesem hervorgesprudelten Geifer, welcher eisige Blick seiner kalten, grauen Augen! Er war der personifizierte Egoismus, rastlos tätig für sich selbst, teilnahmslos, rücksichtslos gegen andere.«250 Die völkische Stilisierung machte aus dem egomanischen Komponisten einen Märtyrer für die deutsche Kunst. Nach Houston Stewart ­Chamberlains ­Wagner-Monografie hatte dieser »makellos edle, gänzlich uneigennützige, immer nur auf die reine, heilige Kunst entbrannte Mann, der im Laufe seines ganzen Lebens seine eigenen Interessen stets mit Füßen trat«, nur ein einziges Ziel verfolgt: »Das seltene Können, das Gott ihm anvertraut hatte, zum Heil der Kunst, zum Heil seines Vaterlandes zu bethätigen.«251 Die Verehrung des ­Wagner-Biografen Carl Friedrich Glasenapp ging so weit, dass er das Bild des

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»Meisters« gewöhnlich mit einem Vorhang verdeckte und nur bei besonderen Anlässen zeigte.252 Bereits 1891 hatte Wilhelm Heinrich Riehl auf das zunehmend Sektiererische des ­Wagner-Kults abgehoben, wenn er notierte: »Der innerste, f­ esteste Kern von Wagners Partei ist mehr noch als Partei, er ist zugleich Gemeinde, die an ihren Messias glaubt und seinen Offenbarungen lauscht mit der Andacht von Gläubigen. Die Verehrung seiner Person und seiner Werke steigert sich zum Kultus, seine Bücher erscheinen als Bekenntnisschriften, als symbolische Bücher des ästhetischen neuen Glaubens.«253 Die Wagnerianer verstanden sich als »Jünger des Meisters«, und in den Bayreuther Blättern finden sich ständig Formulierungen wie »Glaubensbekenntnis unseres ­Wagnerianismus oder Bayreuthertums«, »Wagnerianische Heilsbotschaft«, »­ Bayreuther Religions­ lehre« oder »Bayreuther Offenbarungen«.254 Ludwig Schemann, einer der pragmatischeren Anhänger, sah sich schon zu Lebzeiten des »Meisters« genötigt, vor einer »hypertranszendentalen Behandlung von Lebensfragen« und dem »Verlassen eines uns allen nötigen Restes an Lebensboden« zu warnen, wolle man nicht zu »einer Schar Verzückter [werden], die über ihren Idealen unversehens verlernt haben, zu leben«.255 Kessler schien es, dass »diese Art von Mystik, die einen Menschen nicht bloß zu einem Übermenschen umdeutete, sondern auch gegen jede Kritik wie gegen ein Attentat schützte, erst von den Wagnerianern erfunden worden« sei.256 ­Wagner und seine Anhänger stilisierten seinen Lebensweg zu einer Art von Heldensage und Heiligenlegende, und auch Mein Kampf lässt sich als der Versuch lesen, einen Mythos zu schaffen, der sich an den Lebensdarstellungen christlicher Heiliger und biblischer Propheten orientierte.257 ­Wagner hatte danach, dem romantischen Durch-Nacht-zum-Licht-Topos folgend, nach langem und entbehrungsreichem Kampf endlich über eine Welt von Neidern triumphiert. Mit Naturnotwendigkeit habe ­Wagner die boshafte Opposition aller Mittelmäßigen erregen müssen, behauptete Chamberlain, »er brauchte nur zu erscheinen, und schon standen sie gerüstet da. Noch niemals hat ein Künstler so unversöhnlichen Haß gegen sich erweckt, eine Wut, die geradezu wahnsinnig sich gebärdete.«258 Ebenso inszenierte sich Hitler als jemand, der mit einem Häuflein tapferer Männer gegen eine Welt von Feinden siegreich gewesen sei und der »als unbekannter, heldenmütiger Gefreiter aus der Enge rauchgeschwäng­erter Bierkeller durch Kampf und Opfer aufgestiegen« war.259 In Wagners Selbstdarstellung, vor allem aber in der völkischen Stilisierung, erkannte sich ­Hitler wieder als das verkannte Genie, für das er sich selbst hielt. 1933 erklärte der Diktator, er »begreife heute, weshalb mir in meiner Jugend gerade ­Wagner und sein Schicksal mehr sagten als so viele andere große D ­ eutsche. Es ist wohl

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die gleiche Not eines ewigen Kampfes gegen Haß, Neid und Unverstand. Es sind dieselben Sorgen.«260 Dem Jugendfreund August Kubizek war aufgefallen, dass Hitler »in die Gestalt Richard Wagners viel Eigenes hineingetragen« habe. »Weil er durch die Gewalt seiner Phantasie […] alles, was er berührte, veränderte, schuf er sich auch ›seinen‹ persönlichen ­Wagner.«261 Der Ausgangspunkt war dabei das Bild, das in der völkischen Bewegung von ­Wagner vorherrschte und das durch populäre Medien verbreitet wurde. Eine der Hauptquellen der modernen Forschung, Cosimas Tagebücher, war noch nicht zugänglich, da sie erst 1976 und 1977 veröffentlicht wurden. Aus diesem Grund waren Hitler sowohl einige der schärfsten Äußerungen Wagners nicht bekannt wie die, »[er] sagt im heftigen Scherz, es sollten alle Juden in einer Aufführung des ›Nathan‹ verbrennen«,262 wie auch gelegentliche positive Bemerkungen: »R.[ichard] sagte gestern: Wenn ich noch einmal über die Juden schriebe, würde ich sagen, es sei nichts gegen sie einzuwenden, nur seien sie zu früh zu uns Deutschen getreten, wir seien nicht fest genug gewesen, um dieses Element in uns aufnehmen zu können.«263 Schwerer als das Fehlen mancher Quellen wog, dass der Bayreuther Kreis um Cosima ­Wagner, Chamberlain und Hans von Wolzogen bestimmte Vorstellungen Wagners fortführte, sie dabei aber verschärfte und in neue Zusammenhänge fügte. Damit kam ihnen eine entscheidende Rolle zu bei der Ausprägung des völkisch-nationalistischen, rassistischen und antisemitischen Weltbilds, an das der Nationalsozialismus anknüpfen konnte. Die mitunter widersprüchlichen Ideen und Vorstellungen, die ­Wagner gleichsam als »loses Material« hinterlassen hatte, wurden um 1890 durch den Kreis um Cosima vom Standpunkt der letzten Schriften aus geordnet und »zu ideologisch verfestigten Lehrsätzen umgeschmolzen, die sich in griffiger Münze leicht weitergeben ließen«.264 In einer neueren Arbeit verfolgt Udo Bermbach den Prozess sich wandelnder Deutungen und Interpretationen von Wagners Denken, um zu zeigen, »wie das allmähliche Verschieben und Umakzentuieren der Inhalte von Begriffen und Vorstellungen durch selektives Herausnehmen wie Konzentration auf Einzel­ aspekte das Gesamtwerk des Bayreuther Komponisten ideologisch neu einjustierte, und wie solche Neubestimmung dann am Ende als eigentlich ›wahre‹ als die schon immer ›richtige‹ ausgegeben wurde, um auf diese Weise die gesellschaftliche und politische Funktionalisierung ­Wagners innerhalb eines rechten bis rechtsradikalen Politik-, Gesellschafts- und Kulturmilieus zu ermöglichen«.265 An der tendenziösen Sichtweise ist immer wieder Kritik geäußert worden, ohne dass sie in der Öffentlichkeit nennenswert wahrgenommen wurde. 1933 widersprach der von der ­Wagner-Familie ausgegrenzte Franz Wilhelm Beidler,

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ein dem Umfeld Thomas Manns angehörender Enkel ­Wagners, der dominierenden Lesart. »Wenn im Nationalsozialismus überhaupt eine Ideologie, eine Gesinnung enthalten ist, so ist es zu einem erschreckend großen Teil Bayreuther Gesinnung.«266 Die Verbindung des völkischen Gedankens mit Bayreuth sei allerdings eine posthume Entwicklung, die vor allem auf C ­ hamberlain und Cosima zurückgehe; beide bezeichnenderweise gerade wegen ihrer fremden Herkunft darum bemüht, »Deutscher als die Deutschen« zu sein.267 Es könne nicht gelingen, ­Wagner politisch auf eine bestimmte ­Partei festzulegen, denn bis zur Jahrhundertmitte sei er »radikal-­demokratischer ­Sozialrevolutionär [gewesen]. Dann wandelt sich seine a­ llgemein-politische Grundhaltung mehrfach, und seine Alterserscheinung könnte man als k ­ ünstlerisch-utopischen Sozialis­mus bezeichnen.« Aus den Werken, aus Schriften und Briefen ließen sich Beleg­stellen für die verschiedensten Partei­standpunkte der Gegenwart herauslesen, aber man begehe »eine geistige ­Vergewaltigung, wenn man in solchen Äußerungen absolute, auch heute gültige Urteile und Erkenntnisse erblicken will, ohne den zeitlichen Zusammenhang, der hier besonders entscheidend ist, zu sehen und ohne die einzelnen Phasen von Wagners Lebensgang genau zu berücksichtigen.«268 Zur Legitimation von politischer Herrschaft ließ sich ­Wagner nach dem Zweiten Weltkrieg fast umstandslos in die DDR überführen, die zu ihrer Legitimation ebenso wie das »Dritte Reich« der großen kulturellen Vergangenheit Deutschlands bedurfte. Dabei wurde die Strategie verfolgt, die Zusammenhänge zwischen Kapitalis­muskritik und Antisemitismus zu negieren; während Wagners Antikapitalismus den Sozialismus vorwegzunehmen schien, wurde der Antisemitismus als ein ausblendbares Phänomen der zweiten Lebenshälfte gewertet, in der es durch Arthur Schopenhauers Philosophie zu einem geistigen Bruch gekommen sei. ­Wagner habe sich von seinen revolutionären und antikapitalistischen Gedanken losgesagt, um sich einem schonungslosen Pessimismus und Chauvinismus hinzugeben.269 In welchem Maße die Gedanken des Bayreuther Kreises tatsächlich an ­Wagner anknüpften, kann hier nicht geklärt werden. Chamberlain sah in seiner ­Wagner-Monografie den Grundgedanken der ­Wagner’schen Regenerationslehre als anschlussfähig an: Danach befand sich die Menschheit in einem Verfallsprozess, dem nur durch eine »Regeneration« Einhalt geboten werden könne. ­Wagner habe nie an den sogenannten Fortschritt geglaubt, sondern die moderne Welt als herzlos, unsittlich und schlecht empfunden.270 Er habe sich aber mit der Klage nicht begnügt, sondern nach den Ursachen des Verfalls geforscht. »Zu Grunde liegt der Verderb des Blutes; der Einfluss des Judentums beschleunigte aber ungeheuer den Vorgang der progressiven Entartung und wirkt namentlich

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dadurch unheilvoll, daß er den modernen Menschen in einem rastlosen Wirbel herumtreibt, der ihm keine Zeit zur Besinnung und zu der Erkenntnis seines jämmerlichen Zustandes, sowie des Verlustes seiner Eigenart läßt. Der Verderb des Blutes wird in der Haupt­sache durch die Nahrung bewirkt; außerdem durch die Vermischung edlerer Rassen mit weniger edlen.«271 Mit seinem 1899 erschienenen Hauptwerk Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts, in dem er radikalen Thesen durch einen mäßigenden Sprachstil Glaubwürdigkeit verlieh, wollte C ­ hamberlain als unabhängiger Denker wahrgenommen werden; dagegen legte Cosima Wert darauf, Wagners Beitrag zu würdigen, und veranlasste ihren Schwiegersohn Henry Thode, eine kritische Rezension zu verfassen, in der gefragt wurde, warum der eng­lische Schriftsteller es versäumt habe, ­Wagner die Dankesschuld abzutragen – seine gesamte Arbeit würde schließlich auf dessen Schriften beruhen.272 Im Vorwort zur dritten Auflage seines Buches entgegnete Chamberlain, obwohl er sich in »gewisser Hinsicht« für einen Jünger Wagners halte, sei dies unzu9 Houston Stewart Chamberlain treffend. Viele der von Thode als »Wagners Gedanken« bezeichneten Ideen seien Allgemeingut, zudem würden sich ihre Anschauungen in wesentlichen Punkten unterscheiden.273 Es sei so, dass er »in manchen Beziehungen ­Wagner’s Führerschaft wenig traue« und ihr vielmehr »kritisch ablehnend gegenüber stehen müsse«; dieser schwöre »heute bei Feuerbach und morgen bei Schopenhauer, er ist heute Republikaner und morgen Gottesgnadentumverfechter, heute rührt die Entartung der Menschheit von der Nahrung her, morgen von der Rassenvermischung«. Den Rassegedanken habe er keineswegs von ­Wagner übernommen, der sich nur gegen Ende seines Lebens beiläufig damit befasst habe, wobei er unkritisch Joseph Arthur von Gobineau folgte. Dessen »unwissenschaftliche« Rassenauffassung, und damit die Wagners, sei aber falsch, da das, was sie als Rasse bezeichnen, eigentlich nur eine Art, eine Spezies sei.274 Die Einwände des in seiner Eitelkeit getroffenen Chamberlain muss man nicht überbewerten, aber sie machen deutlich, dass eine simple Gleichsetzung Wagners mit der Bayreuther Schule zu kurz greift. Dass die völkische Rezeption eine selektive Sicht auf den Komponisten entwarf, dürfte Hitler schon deshalb kaum aufgefallen sein, da vieles dafür spricht, dass er Wagners Schriften in erster Linie vermittels populärer Darstellungen

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rezipiert hat. Kurz und bündig, wenngleich tendenziös gefiltert, ließen sich ihre Kernaussagen aus Büchern wie der von Carl Friedrich Glasenapp herausgege­ benen ­Wagner-Encyklopädie. Haupterscheinungen der Kunst- und Kulturgeschichte im Lichte der Anschauung Richard Wagners entnehmen, in der aus dem Zusammenhang gerissene Zitate zu verschiedenen Themen zusammengestellt werden. Das Lemma »Das Judenthum in der Musik« stellt beispielsweise die Behauptung in den Mittelpunkt, der Jude könne kein wirklich schöpferischer Musiker sein; erst die Schwäche der Musikproduktion nach Ludwig van Beethoven habe »die Einmischung der Juden« ermöglicht.275 Es lässt sich schwerlich bestimmen, wie intensiv sich Hitler tatsächlich mit Wagners Schriften auseinandergesetzt hat, auch wenn ihm die verbreiteten Gemeinplätze natürlich vertraut waren. Als Beleg für seine angebliche »genaueste Kenntnis« der Schriften, die für ­Hartmut Zelinsky und andere die Grundlage für Hitlers »­Wagner-Fixierung, ja ­Wagner-Hörigkeit«276 ist, wird meist eine Textstelle August Kubizeks herangezogen. Dieser berichtet in der zweiten Fassung seiner Erinnerungen, Hitler habe ihm aus den Schriften wie »beispielsweise Das Kunstwerk der Zukunft oder Die Kunst und die Revolution« vorgelesen. »Er las mit fieberndem Herzen alles, was er über diesen Meister erlangen konnte, Gutes wie Schlechtes, Zustimmendes wie Ablehnendes. Insbesondere verschaffte er sich, wo er nur konnte, biographische Literatur über Richard ­Wagner, las seine Aufzeichnungen, Briefe, Tagebücher, seine Selbstdarstellung, seine Bekenntnisse. Immer tiefer drang er in das Leben dieses Mannes ein. Selbst über anscheinend nebensächliche und belanglose Episoden wußte er Bescheid.«277 In der unveröffentlichten Urfassung hatte es allerdings noch prosaisch geheißen: »In jener Zeit hat mein Freund mit mir zusammen auch Literatur über Richard ­Wagner und die Festspiele in Bayreuth gelesen.«278 Dass man sich die Auseinandersetzung mit Wagners Ideen dabei nicht allzu tiefgehend vorzustellen hat, macht die Banalität der anschließenden Präzisierung deutlich. Hitler habe bei der Lektüre erkannt, »dass die Gestaltung der Festspielaufführungen in Bayreuth, so wie sie der Meister eingerichtet hat, die ideale Form einer Deutschen Kunstgattung ist. Wenn im Festspielhaus in Bayreuth während der Dauer der dramatischen Handlung keinerlei Beifallsbezeugungen erfolgen, so ist dies der schönste Beweis der Achtung des Hauses und der Bewunderung des Werkes. Ein Beispiel, zu dem das ganze deutsche Volk erzogen werden müsste.«279 Hitlers typisches Leseverhalten deutet auf eine bestenfalls oberflächliche Beschäftigung mit ihnen hin. Seiner Sekretärin erzählte der Diktator, er habe »während seiner Wiener Jugendzeit die ganzen fünfhundert Bände, die den Bestand einer städtischen Bücherei bildeten, verschlungen«.280 Auch in Mein

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Kampf behauptete er: »Ich las damals unendlich viel, und zwar gründlich. Was mir so an freier Zeit von meiner Arbeit übrig blieb, ging restlos für mein S ­ tudium auf. In wenigen Jahren schuf ich mir damit die Grundlagen eines Wissens, von denen ich auch heute noch zehre.«281 Im Krieg konnte Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel aus einem Nebenzimmer durch die dünnen Wände hören, wie Hitler nachts die Seiten umblätterte; durchlesene Nächte bestätigen auch die Hausangestellten, die beobachteten, oft sei erst im Morgengrauen das Licht erloschen.282 Gegenüber Leni Riefenstahl behauptete der Diktator, »jede Nacht lese ich ein bis zwei Bücher, auch dann, wenn ich sehr spät schlafen gehe«.283 Eine intensive Auseinandersetzung erscheint da kaum möglich, und in Mein Kampf belehrt er über die »Kunst des richtigen Lesens«. Wer dieses beherrsche, den werde »das Gefühl beim Studieren jedes Buches, jeder Zeitschrift oder Broschüre augenblicklich auf all das aufmerksam machen, was seiner Meinung nach für ihn zur dauernden Festhaltung geeignet ist, weil entweder zweck­mäßig oder allgemein wissenswert. Sowie das auf solche Weise Gewonnene seine sinngemäße Eingliederung in das immer schon irgendwie vorhandene Bild, das sich die Vorstellung von dieser oder jener Sache geschaffen hat, findet, wird es entweder korrigierend oder ergänzend wirken, also entweder die Richtigkeit oder Deutlichkeit desselben erhöhen.«284 Für Konrad Heiden sind diese Zeilen das Aufhellendste, das Hitler je über sich preisgegeben hat, nämlich »der fanatische Wille zur Borniertheit, der nur lernen will, was er schon weiß; der den Schmerz der Erkenntnis scheut und nur das Wohlgefühl des Rechthabens sucht«.285 Hitler war vor allem an Fakten interessiert und liebte es, seine Militärs durch die Kenntnis von Geschützkalibern, Schiffstonnagen und Ähnlichem zu überraschen. Reichspressechef Otto Dietrich fand es erstaunlich, dass der Diktator trotz seiner ausgesprochenen Neigung zum Künstlerischen kein Verhältnis zum Geistigen besaß. »Er vermochte es überhaupt nur durch das Spektrum seines Nationalismus zu sehen. Es war unmöglich, mit ihm auch nur ein einziges Mal in ein ernsthaftes Gespräch zu kommen.« Wissenschaft beachtete er nur aus Zweckgründen, ansonsten war »der Professor« für ihn nur ein Objekt der Belustigung.286 Hitler sei »ein Zwitterwesen an Geist und Seele« gewesen. Einerseits habe er über außerordentliche geistige Fähigkeiten verfügt, »den Blick für das Wesentliche, ein erstaunliches Gedächtnis, eine ausgeprägte Phantasie, eine enorme Vorstellungskraft und eine Kühnheit des Entschlusses«; andererseits legte er in Gebieten wie der Rassenfrage »eine geistige Primitivität und Verbohrtheit an den Tag«, die sich »zu ungeheuerlicher Verblendung und Unfähigkeit auswuchsen«.287 Zwar las er viel technisches Wissen, Biografien und Darstellungen über seine Lieblingskünste, aber er befasste »sich grundsätzlich mit keinerlei

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geisteswissenschaftlichem oder schöngeistigem Schrifttum«. Romane lehnte er mit wenigen Ausnahmen wie denen von Karl May ab, zu »den deutschen Dichtern hatte er kein Verhältnis – aus nationalistischem Blickfeld eher noch für Schiller als für Goethe –, und seine Auseinandersetzung mit Philosophie beschränkte sich auf Nietzsche und Schopenhauer«.288 Nach Adjutant Julius Schaub war die Beschäftigung mit Philosophie noch enger gefasst: Hitler las zwar Arthur Schopenhauer, nicht aber Friedrich Nietzsche, den er auch nie zitierte.289 ­Riefenstahl erklärte Hitler explizit, Schopenhauer sei seine Lieblingslektüre; »mit Nietzsche kann ich nicht viel anfangen, er ist mehr Künstler als Philosoph, er hat nicht den glasklaren Verstand wie Schopenhauer«.290 Vor seiner Zeit als erfolgreicher Politiker hatte Hitler seinen Lesestoff größtenteils aus Leihbibliotheken entliehen; in München war er regelmäßiger Nutzer der Bayerischen Staatsbibliothek gewesen. Einen Überblick über die Lektüre um 1920 teilt eine Auflistung Friedrich Krohns mit, der sich genau notierte, welche Bücher Hitler, dessen Bildung er als sehr oberflächlich einschätzte, sich aus der Bibliothek des Nationalsozialistischen Instituts entliehen hatte. Dabei handelte es sich in erster Linie um antisemitische Literatur aller Art, daneben Schriften Chamberlains, Bücher über Montesquieu, Oswald Spenglers Untergang des Abendlandes und einiges mehr.291 Nach Ernst Hanfstaengl, der den Politiker einmal 1923 in dessen Untermietzimmer besuchte, gliederte sich Hitlers Handbibliothek in drei Bereiche. In den oberen Fächern standen, für den Besucher prominent drapiert, die seriösen Werke, die sich »mit Hitlers Vorstellungen als Politiker deckten«: »Hermann Stegemanns Geschichte des Ersten Weltkriegs neben Ludendorffs Werk über diese Zeit, dann Treitschkes Deutsche Geschichte, Spamers Illustrierte Weltgeschichte, Clausewitz’ Standardwerk Vom Kriege, die Geschichte Friedrichs des Großen von Kugler, die ­Wagner-Biographie von Houston Stewart Chamberlain und eine Weltgeschichte von Maximilian Graf von Wartenberg; außerdem noch die Geographischen Charakterbilder von August Wilhelm Grube, die Schönsten Sagen des klassischen Altertums von Gustav Schwab und Sven Hedins Kriegserinnerungen.«292 Darunter standen, schon weniger auffällig, Krimis und Unterhaltungsromane; dahinter fanden sich schamhaft versteckt, »in schöner Geschlossenheit, wenn auch stark abgegriffen«, die Geschichte der erotischen Kunst und die sechsbändige Sittengeschichte des marxistischen Kulturhistorikers E ­ duard Fuchs, der 1933 aus Deutschland fliehen musste.293 Bei Hitlers Tod war seine Bibliothek auf über 16 000 Bücher angewachsen, die sich in mehrere Gruppen aufteilten: Der größte Posten waren rund 7000 Militärbücher, gefolgt von etwa 1500 Büchern zu Kunstfragen; vor allem Architektur, Theater, Malerei und Bildhauerei. Viele Bücher widmeten sich der Astrologie und Spiritualität, der

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Ernährung, der katholischen Kirche und der Soziologie. 800 bis 1000 Bücher waren Populärliteratur, darunter Krimis von Edgar Wallace, Liebesromane von Hedwig Courths-Mahler sowie eine vollständige Ausgabe der Werke von Karl May.294 Davon befinden sich heute 1200 Bücher in der Library of Congress in Washington; während zahlreiche antisemitische und militärgeschichtliche Traktate erhalten sind, ist die einzige seriöse philosophische Schrift eine Ausgabe Johann Gottlieb Fichtes.295 Noch als Reichskanzler konsumierte Hitler in großem Stil Zeitschriften und Magazine, die für über 1000 RM pro Monat am Kiosk des Hotels Kaiserhof gekauft wurden; sie wurden nicht abonniert, denn es gehe »keinen Menschen was an, was ich lese«.296 Dem französischen Botschafter im »Dritten Reich« schien es, die Gedanken des Diktators seien »zusammengewürfelt wie ein Narrenkleid«. Er nehme auf, »was in der Luft liegt, wie ein Detektor, der den weiten Raum abhorcht«.297 Hitler habe sein Wissen hier und da zusammengelesen, eine »Halbbildung, die schlecht verdaute Bildung eines Autodidakten«.298 Zwar gebe er nirgends Quellen an, aus denen er geschöpft hat; sie lassen sich jedoch leicht feststellen. Da seien »Fichte, Clausewitz, Darwin, Gobineau, H. St. Chamberlain, Bernhardi, der schwedische Philosoph Kjellén, die Historiker Treitschke und Lamprecht, die Anthropologen Günther und Woltmann, dann ­Wagner, Nietzsche und Spengler, Ratzel, Haushofer, Moeller van den Bruck, zu deren Einfluß sich noch der des italienischen Faschismus und des russischen Kommunismus gesellen. Mit allen diesen Werken hat Hitler sich nicht genau befaßt, hat sie meist gar nicht selbst gelesen.«299 In seiner ­Wagner-Monografie, die eine der Hauptquellen von Hitlers Wagner-­ Bild gewesen zu sein scheint, gibt Chamberlain seine Einseitigkeit freimütig zu, wenn er bekennt, es gebe keine schlimmere Zeitvergeudung, als sich mit den Schriften der Gegner Wagners zu befassen: »Lernen kann man daraus in Bezug auf ­Wagner nichts.«300 Werkdeutungen liefert er nicht, sein Ziel war es, über die Werke »möglichst wenig zu sagen, um nicht die Blume von diesen herrlichen Erzeugnissen des menschlichen Geistes abzustreifen«.301 Breiten Raum nimmt die Lebensbeschreibung Wagners ein, zu der sich eine auffällige Analogie in Mein Kampf findet: In beiden Fällen wird die Geburt des Helden mit den Freiheitskriegen verquickt, um ihnen als Kämpfer für das Deutschtum eine höhere Weihe zu verleihen. »In dem Jahre von Deutschlands Befreiung aus dem fremden Joch, in dem Jahre der großen Völkerschlacht bei Leipzig, 1813, wurde ­Wagner dieser deutscheste aller Künstler geboren«, betonte C ­ hamberlain. »Damals wurde der welsche Feind vom vaterländischen Boden vertrieben; sein Geist aber herrschte noch mächtig in Deutschland weiter. Keiner hat nun gegen diesen Bann, der nicht mit Kanonen zu brechen war, und der namentlich auf

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der deutschen Bühnenkunst wie ein Fluch lastete, gewaltiger angefochten, als Richard ­Wagner.«302 Am Beginn von Mein Kampf schreibt Hitler seinem Geburtsort Braunau, dem »von dem Strahlen deutschen Märtyrertums vergoldeten Innstädtchen«, nationale Bedeutung zu mit dem Hinweis auf ein Ereignis aus den Freiheitskriegen. »In der Zeit der tiefsten Erniedrigung unseres Vaterlandes fiel dort für sein auch im Unglück heißgeliebtes Deutschland der Nürnberger Johannes Palm, bürgerlicher Buchhändler, verstockter ›Nationalist‹ und Franzosen­feind.«303 In Johann Philipp Palms Verlag war 1806 die anonyme Schrift Deutschland in seiner tiefen Erniedrigung erschienen, worin zum Widerstand gegen die F ­ ranzosen aufgerufen wurde. Palm, der den Autor des Textes nicht preisgab, wurde daraufhin in Braunau von französischen Truppen exekutiert. Wagners Beteiligung an der Revolution von 1848 versucht Chamberlain zu marginalisieren, wenn er behauptet, der Komponist sei eigentlich Monarchist gewesen und habe mit den politischen Führern »nur wenige ganz äußerliche Berührungspunkte« gehabt.304 Sein Genie müsse »ganz entschieden als ein ›unpolitisches‹ bezeichnet werden«, wenn auch ein so großer Geist wie er fast notwendigerweise »dumme Streiche« begehen musste.305 Das »eigentlich Politische«, das ­Wagner »in erster Linie wollte, wofür er sein Leben einsetzte, das war ein einiges starkes Deutschland, im Gegensatz zu dem partikularistisch zerbröselten, machtlosen Bund«.306 Daran schloss Hitler an, wenn er ­Wagner als »ein revolutionäres Genie« feierte, »das den Mut hatte, an der Beseitigung von Übelständen auf staatspolitischem, kulturpolitischem und künstlerischem Sektor persönlich mitzuwirken, ohne eigentlich politisch sein zu wollen«.307 Wagners Behandlung der Rassenfrage erschien Chamberlain als defizitär, wenn er sie mit seinen eigenen, ungleich radikaleren Positionen vergleicht. Die Bedeutung der Ungleichheit der Rassen habe der Komponist erst in seiner letzten Regenerations­ schrift Heldentum und Christentum erkannt, aber noch nicht zu Ende gedacht. Wagners Antisemitismus stellt Chamberlain nur knapp dar, da in dieser Frage »alle Gemüter so erhitzt sind«. Die Kontro­verse um Das Judenthum in der Musik deutet er zynisch als einen Ausweis jüdischer Intoleranz. »Die Juden« hätten bösartige Pressekampagnen gegen ihn betrieben, obwohl er die »weitverbreitete Abneigung« ihnen gegenüber lediglich »erklären« wollte. »Die besten Männer seiner Zeit, welcher Partei auch immer sie angehören mochten, dachten wie er. Höchst bemerkenswert ist es aber, daß während die Juden den Anderen den Antisemitismus nicht nachtrugen, sie ihn ­Wagner niemals verziehen!« Nichts sei geeigneter, »unsere Aufmerksamkeit auf ­Wagner’s Stellung zum Judentum zu lenken, als dieses Verhalten; es läßt uns vermuten, daß er den Nagel auf den Kopf getroffen hat«. Die jüdische Kritik an ihm sei völlig unangemessen;

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man sehe, »in welcher würdigen Weise ­Wagner Meyerbeer erwähnt, und wie er voll Anerkennung und Hochschätzung von Mendelssohn spricht, und man ver­gleiche damit die pöbelhaften Angriffe und die Besudelung, die er dafür erdulden mußte«. Ziel Wagners sei die Abschaffung des »jüdischen Wesens« gewesen, wobei nur »eines eine Erlösung von dem auf euch lastenden Fluch sein kann: die Erlösung Ahasver’s – der Untergang«. Was ­Wagner dabei mit Untergang meine, habe er deutlich gesagt: »Gemeinschaftlich mit uns Mensch werden, heißt für den Juden aber zu allernächst so viel als aufhören, Jude zu sein.« Hierbei habe ­Wagner nur in milderer Form Martin Luthers Forderung wiederholt, die Juden sollten aufhören, Juden zu sein, »wo aber nicht, so sollen wir sie auch bei uns nicht dulden noch leiden«.308 An Erkenntnissen, die dem in der Jugend gefassten Bild des Künstler­heroen ­Wagner widersprachen, war der Diktator nicht interessiert. Kritisches Denken gehörte generell nicht zu den Vorlieben der Nationalsozialisten, die der Stilisierung der großen Deutschen als Ausweis der kulturellen Überlegenheit Deutschlands bedurften. Als Ärgernis galten daher Autoren wie Emil ­Ludwig, der 1913 ­Wagner oder Die Entzauberten verfasst hatte, wo er sich gegen die »Vergötterung« Wagners wandte, der in seinem Leben »ohne Maxime […] jeden verbraucht [habe], der ihm entgegen kam«, und der »Kunst und Leben solange bog, in so viele Formeln theoretisch bannte, bis er in ihrem Brennpunkt saß«.309 Bei der Bücherverbrennung im Jahr 1933 wurden Ludwigs als »geschäftige ­jüdische Konjunkturschriftstellerei«310 gebrandmarkte Schriften mit den Worten ins Feuer geworfen: »Gegen Verfälschung unserer Geschichte und Herabwürdigung ihrer großen Gestalten, für Ehrfurcht ihrer großen Vergangenheit!«311 Hitler stand selbst der zaghaften Entmythologisierung, die Winifred ­Wagner und der Wahnfried-Archivar Otto Strobel unter anderem mit der Ausgabe des Briefwechsels mit Ludwig II. vorantrieben, ablehnend gegenüber.312 Dem widerspricht nicht, dass er sich aus Verbundenheit mit Winifred an der Finanzierung der Bayreuther Richard-­Wagner-Forschungsstelle beteiligte. Verglichen mit den gewaltigen Summen, die er für Inszenierungen an seinen Lieblingstheatern bereitstellte, waren die Mittel für die Forschung marginal. Der Schriftverkehr der Forschungsstätte lässt keinerlei Interesse Hitlers an der Arbeit erkennen; sie wurde seinem Büroleiter unterstellt, Reichsminister Hans Heinrich ­Lammers, der zum Leidwesen des in seinen Briefen aufdringlich wirkenden Strobel wiederholt vorgetragene Wünsche nach persönlichen Treffen stets mit dem Hinweis auf seinen vollen Terminkalender ablehnte. Zur feierlichen Eröffnung 1939 sandte Lammers einen untergeordneten Mitarbeiter, der festhielt: »Die Einrichtung entspricht den bescheidenen Mitteln, die

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zur Verfügung stehen. An der Feier nahmen außer Frau ­Wagner, Frau Strobel, dem Gauleiter Wächtler, dem stellvertretenden Gauleiter Ruckdeschel, dem Oberbürgermeister ­Kempfler nur noch wenige Vertreter der Partei, im ganzen etwa 12 Personen, teil.«313 KÜNSTLERIDOL

Linzer Nachbarn hatten den Heranwachsenden gefragt, ob er nicht bei der Post anfangen wolle, worauf Hitler erwiderte, »daß es seine Absicht sei, einmal ein großer Künstler zu werden. Und als man ihm hierauf zu bedenken gab, daß hierzu die notwendigen geldlichen Mittel und persönlichen Beziehungen fehlten, da gab er kurz zur Antwort: ›Makart und Rubens haben sich aus ärmlichen Verhältnissen emporgearbeitet‹.«314 Hitler beeindruckte seinen Jugendfreund August Kubizek durch den Entschluss, sein Leben ganz der Kunst zu widmen. Kubizek imponierte, dass Hitler eine Existenz anstrebte, »von der ich selbst in kühnen Augenblicken geträumt hatte; ein Künstler, der den nackten ›Brotberuf‹ verachtete und sich mit Dichten, Zeichnen, Malen und dem Besuch des Theaters beschäftigte […] Meine Vorstellungen von einem Künstler waren damals noch sehr nebelhaft – wahrscheinlich stellte sich auch Hitler darunter noch etwas sehr Nebelhaftes vor. Doch umso verlockender war es.«315 Das romantische Bild des außerhalb gesellschaftlicher Zwänge stehenden Künstlers brachte Hitler noch 1939 zum Ausdruck, wenn er erklärte: »Leider kapierten viele Parteigenossen nicht, daß Künstler etwas anderes seien als normale Erdenbürger. Schon in dem Wort Künstler läge ein gewisser Tick, und das sollte man doch respektieren. Solche Leute seien eben jenseits von Gut und Böse, und man könne sie nicht in einen allgemeinen Lebenszwang einordnen. Die machten nun einmal alles anders, und je verrückter sie wären, umso größer sei auch tatsächlich ihre Kunst.«316 Joachim Fest ordnet den Schulversager Hitler in eine lange Reihe eskapierender Jugendlicher des Fin de Siècle ein, die ihr Leiden an der Welt ästhetisierten und der durch Pflichterfüllung gekennzeichneten Welt der Väter das Ideal der Künstlerexistenz entgegensetzten.317 Wie ­Wagner versuchte sich der heranwachsende Hitler als Theaterautor und diktierte mit 15 Jahren seiner Schwester ein Drama, bis sie mit dem Hinweis streikte, dass man es doch gar nicht aufführen könne.318 Dass Hitlers Selbstbild ganz dem Künstlerideal verpflichtet war, fiel bereits Thomas Mann auf, der eine »reichlich peinliche Verwandtschaft« konstatierte, die daraus resultiere, dass man in seinem Auftreten »eine Erscheinungs­form

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des Künstlertums« erkenne. Es sei »auf eine gewisse beschämende Weise, alles da: die ›Schwierigkeit‹, Faulheit und klägliche Undefiniertheit der Frühe, das ›Nicht-unterzubringen-Sein‹, das ›Was-willst-du-nun-eigentlich?‹, das halb blöde Hinvegetieren in tiefster sozialer und seelischer Boheme, das im Grunde hochmütige, im Grunde sich für zu gut haltende Abweisen jeder vernünftigen und ehrenwerten Tätigkeit – auf Grund wovon? Auf Grund einer dumpfen Ahnung, vorbehalten zu sein für etwas ganz Unbestimmbares, bei dessen Nennung, wenn es zu nennen wäre, die Menschen in Gelächter ausbrechen würden.«319 Nach außen wirkte Hitler mitnichten als das Genie, als das er sich selbst ansah. Einer seiner Lehrer berichtete später, er sei »weder im guten noch im schlechten Sinn bemerkenswert hervorgetreten«.320 Wie seine schlechten Zeugnisnoten zeigen, tat er für die Schule nichts; später schmiss er sie ganz, um sich ausschließlich Tagträumen hinzugeben. Sein Habitus war das genaue Gegenteil dessen, was in den Nationalpolitischen Erziehungsanstalten des »Dritten Reiches« propagiert wurde. Dort stand körperliche Ertüchtigung im Mittelpunkt, denn derjenige, »der in Sport und Turnen zu einer eisernen Abhärtung gebracht wird, unterliegt dem Bedürfnis sinnlicher Befriedigungen weniger als der ausschließlich mit geistiger Kost gefütterte Stubenhocker«. Der Jugendliche habe »kein Recht, in diesen Jahren müßig herumzulungern, Straßen und Kinos unsicher zu machen, sondern soll nach seinem sonstigen Tagewerk den jungen Leib stählen und hart machen«.321 Franz Jetzinger kommt zu dem Schluss, in der Jugend des Diktators habe nichts auf seine späteren Verbrechen hingewiesen. Seinen Charakter konnte man zwar »selbst bei größtem Wohlwollen unmöglich als schön bezeichnen. Er war ein krasser Egoist, kannte keine Liebe als zu sich selbst«, aber es finde sich rein gar nichts Satanisches. Er war »ein kleiner, phantastischer und etwas infantiler Neurotiker, an sich ganz uninteressant«. Groß war er »nur im Reden und Phantasieren«.322 Von dem Selbstbild als Künstler sollte sich Hitler nicht wieder trennen. 1933 erklärte er seinem ehemaligen Vorgesetzten aus dem Ersten Weltkrieg, ohne Deutschlands Zusammenbruch wäre er nicht Politiker geworden, »sondern ein großer Künstler, etwa wie Michelangelo«.323 Den befremdete die Aussage umso mehr, als er sich noch genau erinnerte, wie er »diesen Mann einmal unser Speise­ zimmer in Frankreich neu anstreichen ließ«.324 Der Weltkrieg sei der Scheideweg gewesen, behauptete Hitler auch bei einer anderen Gelegenheit, denn sonst »wäre er sicher Architekt geworden – vielleicht – ja, wahrscheinlich sogar – einer der ersten Architekten, wenn nicht der erste Architekt Deutschlands«.325 Trotz aller Selbstüberschätzung war seine Kunstbegeisterung mehr als nur Pose. 1938 bestimmte Benito Mussolini den Archäologen und Kunsthistoriker

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Ranuccio Bianchi Bandinelli zum Fremdenführer Hitlers bei dessen Besuch in Rom und Florenz. Dessen Urteil ist insofern aussagekräftig, als er ein fachlich kompetenter und vergleichsweise neutraler Beobachter war – er war ein Gegner des Faschismus und trat später der kommunistischen Partei Italiens bei. Dem Professor aus Pisa fielen Spannungen auf zwischen Hitler, der immer wieder ins Dozieren geriet, und dem ihm an Kenntnissen weit unterlegenen Duce, der in seinem durch den römischen Akzent gefärbten Deutsch zu widersprechen versuchte. Bianchi Bandinelli bemerkte, dass Hitler nach Kriterien urteilte, die Nichtfachleute anlegten, indem er den Bildgegenstand, das technische ­Vermögen der Maler, die Lebendigkeit der Farben und den psychologischen Ausdruck bewunderte. Aber er schien die »falschen« künstlerischen Qualitäten zu genießen und erklärte: »Wenn ich noch Privatmann wär’, würde ich wochenlang hier bleiben. Manchmal tut’s mir leid, Politiker g’worden zu sein. Und die Sonne hier! Bei mir zuhause, am Obersalzberg, schneit’s noch.«326 Bianchi ­Bandinelli war überrascht über die Intensität der Kunstbegeisterung Hitlers, der vier Stunden in den Uffizien blieb und vor einem Bild Tizians so lange verweilte, dass die Offiziellen schon fürchteten, Mussolini könnte auf die Idee kommen, es ihm zu schenken.327 Sein Interesse fiel umso mehr auf, als der Duce ständig zum Weitergehen gedrängt hatte und schließlich verschwunden war. »Viele Male äußerte sich seine [Hitlers] Bewunderung in einer Art Röcheln aus der Tiefe seiner Kehle; oder in einer zögerlichen Beobachtung oder Frage in seinem dialekt­gefärbten Deutsch. Dann aber, wenn ihn eine Sache besonders getroffen hatte, wurde er lebhaft, als sei ein elektrischer Kontakt hergestellt, und er wendete sich an sein Gefolge: ›Sehen Sie, meine Herren …‹ Den Blick immer im Ungewissen, flossen die Worte nun leicht, und der Dialekt milderte sich. Wer ihm so nahe kam, konnte in ihm den Sentimentalen, den Romantiker, auch den Fanatiker entdecken.«328 Künstlertum sei »tragisches Gigantentum«, erklärte Hitler 1932: »Künstler müssen sich zu ihrer großen Berufung durchhungern, sie müssen sich großhungern! Zerbrechen sie dabei, dann waren sie vielleicht wohl berufen, aber sie wurden nicht auserwählt. Bleiben sie aber Sieger in diesem tragischen Giganten­ kampf, so können sie die Krone des ewigen Lebens erringen.« ­Wagner schien dies in herausragender Weise zu exemplifizieren; er war »ja nicht nur als Musiker, sondern auch als Mensch eine souveräne Erscheinung«.329 Aus Wagners Briefen und Schriften spricht immer wieder das Gefühl, nicht das erreicht zu haben, was ihm eigentlich zustehe – und dies deckte sich mit dem Lebensgefühl des jungen Hitler. Schon Konrad Heiden fiel die innere Verbundenheit Hitlers mit ­Wagner auf, bei dem in jedem Absatz »das liebe Ich obenan [steht]; wie ist da

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alles geistige, künstlerische und politische Geschehen immer auf die eigene werte Person bezogen; wie egoistisch, querulantenhaft und – geschäftstüchtig ist das alles!«330 Dass ­Wagner im Gegensatz zu Wolfgang Amadeus Mozart oder Felix Mendelssohn Bartholdy kein Wunderkind gewesen war, erleichterte Hitler die Identifikation. »Die Jugend Wagners ist die eines vielseitigen Dilettanten, aus dem nichts Rechtes werden will«,331 wusste Friedrich Nietzsche. Das späte Reüssieren Wagners ließ die Möglichkeit offen, dass auch er, Hitler, noch groß herauskommen werde; nur eben später. Das Unverständnis gegenüber seiner Größe sprach Hitler noch im Krieg an. »Beim Mittagessen meinte der Chef auf einen Einwurf, der Weg von Menschen, die berufen seien, einmal Großes in ihrem Leben zu leisten, sei doch recht seltsam. Dass ein solcher Mensch schon als Kind als besonderes Talent erkannt worden sei, sei wohl nur bei Mozart der Fall gewesen. Irgendwann auf ihrem Lebensweg schlage das Schicksal plötzlich diese Menschen an und lasse ihre besondere Stärke erkennen. Wie befangen sei er in seiner Wiener Zeit gewesen, obwohl er auf den verschiedensten Gebieten damals schon recht genau Bescheid gewusst habe. An einen großen Mann heranzutreten, habe er ebenso wenig gewagt, wie etwa vor 5 Menschen zu reden […] Aber plötzlich greife dann das Leben ein und mache den Menschen locker für seine Berufung und lasse sich das Milchgesicht auf einmal im Kampf als unüberwindlicher Feuerkopf entpuppen. Wenn unsere Schulmeister das angehende oder nachmalige Genie in der Regel nicht erkennten, sondern sogar als untalentiert ablehnten – man denke nur an Bismarck, ­Wagner, Feuerbach […] –, so liege das daran, daß sich in ein Genie wohl nur ein Genie ganz hineinversetzen könne.«332 Wagners Biografien waren voll von Hinweisen auf die angebliche Tragik des verkannten Genies. Georg von Schönerers Deutsche Worte fassten kurz und ­bündig zusammen, Wagners Lebensgeschichte sei im Wesentlichen eine »Leidens­geschichte«333 gewesen. Hitler dürfte sich in Briefen Wagners wiedererkannt haben wie in dem von 1860, den Houston Stewart Chamberlain als »ergreifend« tituliert und in dem der Komponist klagte: »Wie glauben Sie wohl, wie mir zu Mut ist, wenn ich in die Welt blicke, der ich so viel sein könnte, und auf mich blicke, dem einfach währenddessen das Dasein zur Unmöglichkeit gemacht wird? Glauben Sie mir, die Bitterkeiten, die Unser Einer empfindet, weiß noch niemand zu ergründen; und daß der Welt nicht zu helfen ist in ihrer stupiden Blindheit – dieser Welt, der jedesmal erst die Augen aufgehen, wenn ihr Schatz verloren ist, – das weiß ich, glauben Sie mir!« Wie es sich für bürgerliche Familien geziemt, stießen Hitlers weltfremde Künstlerträume auf Widerstand bei den Verwandten, die sein Leben in geordnete Bahnen zu lenken

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versuchten. Zwar ließ die duldsame Mutter den Sohn gewähren, aber nach dem Tod des Vaters übernahmen den Part der Mahner der Schwager Leo Raubal, ein kleiner Beamter, dessen ständige Vorhaltungen zum späteren Verschwinden Hitlers aus Linz beitrugen, und der Vormund Josef Mayrhofer, ein mit dem Vater befreundeter Landwirt, der seinem Mündel immer wieder die Aufnahme einer Handwerkslehre nahelegte. Hitler könnte auf sich bezogen haben, was Chamberlain über Wagners Verwandte schreibt: »Niemals haben sie wirkliches Verständnis für sein Genie gezeigt, und wohl aus diesem Grunde haben sie in den vielen Stunden bitterer Not, die der Meister später durchmachte, ihm nicht jene thatkräftige Hilfe erwiesen, aus der ihnen ein so schöner Anteil an seinem Ruhm hätte erwachsen können.«334 Nach Kubizek ging Hitlers Identifikation mit dem Komponisten so weit, dass er oft den Vergleich zog, es sei ­Wagner »so gegangen wie mir. Zeit seines Lebens musste er gegen die Verständnislosigkeit seiner Umwelt ankämpfen.«335 Das erschien sogar dem gutmütigen Kubizek »stark übertrieben. Schließlich hatte Richard ­Wagner siebzig Jahre lang gelebt. In so einem ergiebigen Leben gab es selbstverständlich Höhen und Tiefen, Erfolge und Enttäuschungen. Aber mein Freund, der da sein eigenes Leben in eine Parallele zum Leben Richard Wagners stellte, war erst siebzehn Jahre alt, hatte noch nichts geschaffen als ein paar Zeichnungen, Aquarelle und Pläne und nichts erlebt als den Tod des Vaters und das Versagen in der Schule. Dabei sprach er aber so, als hätte er schon Verfolgung, aufreibenden Kampf und Verbannung hinter sich.«336 Nach dem Tod der Mutter kam es zum endgültigen Zerwürfnis mit der Familie. Als Zeitpunkt von Hitlers Abreise vermutet Brigitte Hamann den ­12. ­Februar 1908 oder kurz darauf, da aus dem sonst penibel geführten Haushaltsbuch alle Seiten vor diesem Termin herausgerissen sind. Dies deutet darauf hin, dass der bisherige »Haushaltsvorstand« Adolf seine Abrechnungen mitgenommen hat;337 vermutlich, um gegenüber den Angehörigen Unstimmigkeiten zu verschleiern. Zu diesem Zeitpunkt waren die Formalitäten abgeschlossen, um die Waisenrente zu beantragen, die Hitler und seiner Schwester Paula nach dem Tod der Mutter zustand. Die Abreise steht in auffälliger Übereinstimmung zum Todesdatum ­Wagners, der exakt 25 Jahre zuvor am 13. Februar 1883 in Venedig verstorben war. Es muss offen bleiben, ob sich das Reisedatum durch die symbolische Bedeutung erklärt oder ob es schlicht den Grund hatte, dass Hitler eine der attraktiven Festveranstaltungen besuchen wollte, die die Opernhäuser angesetzt hatten. Am Vorabend von Wagners Sterbetag, am 12. Februar 1908, gab es im Linzer Theater eine Veranstaltung, in der nach der Aufführung des Meistersinger-Vorspiels ein

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Schauspieler einen eigens für den Abend verfassten Prolog rezitierte. Dieser endete mit der feierlichen Beschwörung der Opernfiguren Wagners: »Reih’t euch um mich, ihr Lichtgestalten all, / Die Richard Wagners Riesengeist für immer / Zu ew’gem Leben für die Welt geweckt: / Reih’t euch um mich und grüßt seine Mannen!« Daraufhin verwandelten sich die Dekorationen, die eine Felsenschlucht wie in Siegfried darstellten. »Die Felsen teilen sich und um die Büste Wagners gruppiert, werden die Hauptfiguren aus Wagners Werken sichtbar. (Entsprechende Beleuchtung.) Ueber der Gruppe und unter charakteristischer Wagnerscher Musik fällt langsam der Vorhang.«338 Allerdings kamen die Opernfiguren nicht voll zur Geltung, da die zu dicht aufgestellten Dekorationen einen Teil der Mitwirkenden verdeckten. Anschließend wurde Der fliegende Holländer aufgeführt, in dessen Titelrolle der jüdische Bariton Joseph Schwarz gastierte, der nun dem Ensemble der Wiener Volksoper angehörte und der die Aufführung zu einem »erlesenen Genuß« machte. 339 Falls Hitler am darauf folgenden Tag nach Wien abgereist ist, konnte er die von Bruno Walter geleitete Festvorstellung der Hofoper sehen, die am Sterbetag Wagners selbst stattfand. Sie zeigte den Tenor Hermann Winkelmann, der seine Karriere eigentlich bereits beendet hatte, noch einmal in seiner Glanzrolle als Tannhäuser.

WIEN GUSTAV MAHLER

Seine erste Wienreise hatte Hitler offensichtlich mit Kenntnis des dortigen Spielplans geplant, da es mit Gustav Mahlers Produktion von Tristan und Isolde und einer der Abschiedsvorstellungen des berühmten ­Wagner-Tenors Hermann Winkelmann außerordentliche Aufführungen zu sehen gab. Die drei Postkarten, die Hitler vom 7. und 8. Mai 1906 an den in Linz zurückge­bliebenen August Kubizek sandte – die ältesten erhaltenen Schriftstücke von seiner Hand überhaupt –, handeln ausschließlich von der Oper. Die erste Karte zeigt eine Abbildung des Karlsplatzes, auf der Hitler ein Gebäude mit einem Pfeil markiert und mit »Konservatorium« bezeichnet hat, an dem der angehende Musiker Kubizek später studierte. Er schreibt: »Diese Karte dir sendend, muß ich mich zugleich entschuldigen, daß ich solange nicht’s hören lies. Ich bin also gut angekommen, und steige nun fleißig umher: Morgen gehe ich in die Oper in ›Tristan‹ übermorgen in ›Fliegenden Holländer‹ usw. Trotzdem ich alles sehr schön finde sehne ich mich wieder nach Linz. Heute ins Stadttheater. Es grüßt dich dein Freund Adolf Hitler.«1 Noch am selben Tag ging eine weitere Postkarte auf den Weg, die die Bühne des Hofopern­theaters zeigt. Die Entschuldigungsfloskel, dass er sich noch nicht gemeldet habe, deutet darauf hin, dass Hitler zu diesem Zeitpunkt schon einige Zeit in Wien war. Als letzte ­Wagner-Oper hatte in den Wochen davor Lohengrin am 28. April auf dem Spielplan gestand. Die Aufführung hatte Bruno ­Walter ebenso geleitet wie Carl Maria von Webers Der Freischütz und Otto Nicolais Die lustigen Weiber von Windsor. Kapellmeister Francesco Spetrino hatte Aufführungen von Ambroise ­­Thomas’ ­Mignon, 1 Gustav Mahler Jules ­Massenets Manon und J­acques Offenbachs Les Contes d’Hoffmann dirigiert, und Mahler hatte aus dem gerade aktuellen Mozart-Zyklus Vorstellungen von Don Giovanni mit Lilli Lehmann als Donna Anna, von Le nozze di Figaro und der Entführung aus dem Serail geleitet.

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Im Sinne Wagners, aber keineswegs nur bei dessen Werken, suchten Mahler und sein Ausstatter Alfred Roller nach der vollkommenen Einheit von Wort, Ton, Gebärde und Bild. Um auch Regie führen zu können, ließ Mahler eine Treppe errichten, die aus dem Orchester auf die Bühne führte, und man sah ihn bei den Proben »unzählige Male den Taktstock hinlegen und auf die Bühne eilen, um mit einem Ratschlag in die Regieführung einzugreifen, mit bewunderungswürdiger Befähigung eine Szene vorzuführen, eine Gebärde richtigzustellen, eine Gruppierung zu arrangieren«.2 Im Streben nach Erweiterung der szenischen Möglichkeiten führte Mahler die Drehbühne in Wien ein, die ursprünglich vor allem der Aufführung von Opern Wolfgang Amadeus Mozarts diente. Die anfangs simple Vorrichtung ermöglichte schnellere Szenenwechsel, was ­besonders für das barocke und das klassische Repertoire sinnvoll war, bei dem es keine Verwandlungsmusik gab, sodass längere Pausen zwischen den einzelnen Szenen und Akten notwendig waren.3 1904 kam es dann für einen neuen Ring des Nibelungen zur Anschaffung »zweier Drehbühnen, dreier Flugmaschinen und einer Beleuchtungsanlage für fünf Soffitten, um dem Gesamtkostenpreis von ca. 20 000 Kronen«.4 Bei Hitler hinterließen die von Mahler geleiteten Aufführungen einen tiefen Eindruck, und obwohl er politisch mit der Alldeutschen Bewegung sympathisierte, teilte er keineswegs deren Abneigung gegen den Hofoperndirektor. Das Alldeutsche Tagblatt berichtete über die Hofoper überhaupt nur, wenn es etwas Negatives über die von den verhassten Habsburgern getragene Institution zu vermelden gab. Als Mahler fünf Jahre später starb, erinnerte die Zeitung an die Zeit, als in dem Theater »Christenverfolgungen […] an der Tagesordnung waren und die Mahleria hier wütete«. Mahler habe »zeitlebens nur für Juda gelebt«, und sein Ruhm sei allein seiner Rassezugehörigkeit zu verdanken, denn die Berichte über ihn seien »natürlich von Stämmlingen seiner Art geschrieben, derartig überschwenglich, daß sie als Kulturkuriosa der Nachwelt überliefert werden sollten«.5 Kubizek berichtet, dass Hitler genau wusste, dass der Hofoperndirektor Jude war; dennoch schätzte er ihn als Künstler, »weil ­Gustav Mahler sich der Musikdramen Richard Wagners annahm und dieselben in einer für die damalige Zeit geradezu blendenden Vollendung herausbrachte«.6 Die Wertschätzung Mahlers wiederholte Hitler noch 1940 gegenüber Joseph Goebbels, der in seinem Tagebuch notierte: »Wir besprechen Theaterfragen. Der Führer ist sehr interessiert. Er erklärt Erscheinungen wie Mahler oder Max Reinhardt, deren Fähigkeiten und Verdienste er nicht abstreitet.«7

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2 Plakat der von Hitler besuchten Tristan-Aufführung

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Mahlers Ziel war es, aus dem Theater einen »Kunsttempel«8 zu machen, wozu er radikale Änderungen vornahm. Wie sich der Komponist Josef Bohuslav Foerster erinnerte, folgte gerade die junge Generation mit Begeisterung den Reformen.9 Der Zuschauerraum wurde während der Aufführungen abgedunkelt, Zuspätkommende erst nach Ende eines Aktes eingelassen, auf Privilegien einzelner Künstler keine Rücksicht genommen und die Claque abgeschafft. Mit letzterer Maßnahme befand sich Mahler auf einer Linie mit Hitler und Kubizek, die der Ansicht waren, der »Sänger oder die Sängerin, welche um der lieben Eitelkeit willen sich Claqueure halten zu müssen glauben, müßten seitens der Direktion in irgendeiner empfindlichen Form gestraft werden, damit dieser blödsinnige Unfug radikal eine Ende findet«.10 Mahlers ­Wagner-Aufführungen galten als exemplarisch, und trotz der Demütigung, wegen seiner jüdischen Herkunft nie nach Bayreuth eingeladen zu werden, war er ein großer Anhänger des Kompo­nisten. 1875 hatte Mahler eine von ­Wagner selbst geleitete Aufführung von ­Tannhäuser besucht und war zufällig an der Garderobe auf sein Idol getroffen. »Er hatte ­Wagner nie vorher gesehen, und seine Ehrfurcht und Liebe waren so groß, daß sein Herz aussetzte«, berichtete Alma Mahler. »Mahler stand knapp hinter Richard ­Wagner, der seinen Winterrock bekam und sich in die Ärmel hinein mühte … Gustav Mahler aber war durch dieses plötzliche Erlebnis in seligem Schreck wie vereist, gelähmt, er war nicht imstande, dem vergötterten Menschen in seinen Winterrock zu helfen! Er gestand mir, daß er noch mehrere Jahre an diesem Zwischenfall gelitten hat.«11 Zeitgenossen mit Vergleichsmöglichkeiten behaupteten, Mahler habe ganz wie ­Wagner dirigiert. »So hat’s der Meister selbst genommen, so wurde es unter seiner Oberleitung damals gespielt. Leider seitdem nicht wieder.«12 Ein Orchestermitglied, das Lohengrin unter ­Wagner wie auch unter Mahler gespielt hatte, versicherte, »daß er das Werk seither bis auf Mahler nie wieder in den von ­Wagner gewollten Zeit­maßen gehört habe. Insbesondere das Vorspiel in seiner richtigen Langsamkeit, die Einleitung zum dritten Aufzug in ihrem Furioso.«13 Für den Musikkritiker Richard Specht war Mahler ein Dirigent, »der mit keinem anderen verglichen werden konnte«. Damals stand der Name des musikalischen Leiters noch nicht auf dem Theater­ zettel, aber wenn »die schmächtig-energische, eilige Gestalt Mahlers ungeduldig stampfend ins Orchester schoß, das geistreiche, blasse Antlitz mit dem schwarzen Haarschopf, der steilen Stirn, dem jäh vorstoßenden Kinn und der scharfen Nase noch einmal einen kurzen Ruck dem Auditorium zuwandte, mit einem unwilligen Blick, der hinter den grell funkelnden Brillen hervor blitzte, die Zuspätkommenden zur Ruhe scheuchte«,14 dann konnte man sich einer besonderen Aufführung sicher sein. Als Dirigent habe er »jeden, der ihn erlebte, sofort bezwungen«, denn die von ihm geleiteten Aufführungen waren »keine Reproduktion im gemeinen

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Sinne, sondern ein Werdeprozeß, ein glühendes Nachschaffen in seligem Fieber, das alles bis zum Überdruß oft Gehörte plötzlich neu und anders erscheinen ließ«.15 Mahler hatte die Direktion der Hofoper 1897 übernommen und die träge Institution in Aufruhr versetzt, wie sich der Komponist Franz Schmidt später erinnerte. »Mahler brach wie eine Elementarkatastrophe über das Wiener Operntheater herein. Ein Erdbeben von unerhörter Intensität und Dauer durchrüttelte den ganzen Bau von den Grundpfeilern bis zum Giebel.«16 Die zuvor übliche Nachlässigkeit mag eine Anekdote aus seinem ersten Jahr als Hofopern­direktor verdeutlichen: Am Vortag hatte er mit einem Solobläser intensiv eine Stelle geprobt, aber als er am Abend den Einsatz geben will, war der Platz verwaist. Nach der Aufführung erfuhr Mahler, da könne man leider nichts machen. »Der Mann wohnt nämlich in Baden (bei Wien), der letzte Zug geht um ¾ 10 Uhr hinaus, und da hat der Herr halt das Recht um ½ 10 Uhr wegzugehen. Das hat er schon lang.« Mahler stellte daraufhin dem Musiker das Ultimatum, entweder die Wohnung in Baden oder die Hofoper aufzugeben.17 Binnen kürzester Zeit war er der meistgehasste Mann des Hauses. »Mahler ließ bei Orchesterproben, die sich ins Blitzblaue ausdehnten, die alten Professoren alleine ihre Stellen spielen, zehnmal wiederholen, bis sie sich zur Wehr setzten und sich das Schicksal ihrer Pensionierung wegen Dienstverweigerung zuzogen«, erinnerte sich der Tenor Leo Slezak. »So belastete er der Pensionsfonds in derart unerhörter Weise, daß dieser insolvent wurde und nur durch die Munifizenz Seiner Majestät, die aus ihrer Privatschatulle das Defizit deckte, gerettet werden konnte.«18 Die Resultate sprachen aber entschieden für den Hofoperndirektor: »Daß Mahler auf das Neu-Einstudieren der nicht mehr ganz unbekannten Freischütz-Ouvertüre allein anderthalb Stunden verwendete, soll einige der Herren Philharmoniker nicht wenig verstimmt haben, vom Standpunkt des Publikums kann man auch in diesem Falle den Uebereifer des Direktors nur dankbarst acceptieren.«19

3 Postkarte Hitlers an Kubizek mit dem Hinweis »Heute 7 – ½ 12 Tristan« (markiert)

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Am 8. Mai sandte Hitler eine weitere Postkarte an Kubizek. Sie zeigte die Außenansicht der Hofoper und gab den Hinweis: »Heute 7 – ½ 12 Tristan«. Da das Werk erst 1912 nach Linz kam, hatten Kubizek und er es noch nicht gesehen. Die Produktion von Tristan und Isolde aus dem Jahr 1903 galt als ein Höhepunkt von Mahlers Direktion der Hofoper. Der Kritiker Ernst ­Decsey »hatte nie einen so durchempfundenen Vortrag, solche Freiheit verbunden mit solcher Gesetzmäßigkeit gehört […] Wie das Licht sich der Szene gemäß wandelte, so wandelte sich der Ausdruck der Szene gemäß.« Dabei schien es, als instrumentiere Mahler das Werk während der Aufführung um, indem er das Verhältnis der Stimmen zueinander ständig veränderte, »d. h. er winkte manchmal zwei Violinpulte ab, um die zweiten hervorzulassen, dann ließ er diese Pulte wieder einsetzen, er dämpfte die Bratschen auf die Hälfte, ließ ihre Farbe dann wieder stärker einwirken, kurz, es war ein Musizieren aus den Nerven heraus«.20 Mahler steuerte auch das Geschehen auf der Bühne. »Fortwährend erhob er den Kopf und bedeutete die Sänger, führte sie mit dem Blick, hielt sie im Takt mit dem Blick – es ist rätselhaft, wohin er seine beiden Augen überall senden konnte! Am Schluß des zweiten Aufzuges hörte ich ihn, wie er dem Sänger des Tristan vorsprach ›O König, das kann ich dir nicht sagen!‹ Scharf belauschte er jede Silbe, seine Kinnladen rissen sich auseinander, er drängte dem Sänger die Worte förmlich in den Mund, und der Sänger konnte unter diesem Zwange nicht anders, als klar und deutlich nachzusprechen: ›O König, das kann ich dir nicht sagen‹. Dieses Vorsprechen ­Mahlers – und er wiederholte es bei wichtigen Stellen – verdiente im höchsten Sinne Dirigieren, ­Wagner-Dirigieren genannt zu werden; man fühlte, welchen Wert das Wort hat, man sah die Wirkung.«21 Tristan sang ein Wiener Publikumsliebling, der dänische Heldentenor Erik Schmedes. Er hatte als Bariton begonnen, dann aber zum Heldentenor umgeschult und war nach Engagements in Wiesbaden, Nürnberg und Dresden seit 4 Anna von Mildenburg als Isolde 1898 an der Wiener Staatsoper tätig; von 1899 bis 1906 trat er auch bei den Bayreuther Festspielen auf. Isolde war die legendäre Anna von Mildenburg,

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die der Hofoperndirektor, mit dem sie eine Zeit lang liiert gewesen war, 1898 nach Wien geholt hatte. 1909 heiratete sie den Schriftsteller, Regisseur und Dramaturgen Hermann Bahr und nannte sich fortan Bahr-Mildenburg. Für Specht war sie »die erste, durch deren Künstlerschaft Mahler die großen Frauengestalten des Musikdramas in ihrer ganzen erschütternden Macht zeigen konnte«. Das Leid der Frau sei »von keiner Schauspielerin, auch von der Duse nicht, in solcher Größe gestaltet worden wie von dieser Sängerin, in der alle dunklen Gewalten der Tragödie lebendig geworden sind. Unsere Zeit hat keine größere tragische Künstlerin als sie.«22 Dies hatte sie sich allerdings mühsam erarbeiten müssen, denn »zunächst war sie selbst im Gehen so ungeschickt, daß sie sich auf jedes lange Kleid trat, das sie vorne viel kürzer tragen mußte, um nicht zu fallen«, erinnerte sich Mahler. »Beinahe so, wie ich sie musikalisch drillte, hieß ich sie Mimik und Aktion vor dem Spiegel in jeder Miene und Bewegung studieren. Ich veranlaßte sie, um sich einen ruhigen, gehaltenen Gang anzueignen, auf der Straße stets ohne Schirm und Muff, nichts in den Händen, regelmäßig und aufrecht spazieren zu gehen und daheim abends und morgens zu turnen. Hatte sie ihre Rolle memoriert, dann ließ ich mir den Flügel auf die Bühne tragen und da zeigte ich ihr jeden Schritt, jede Stellung und Bewegung und übte sie aufs Genaueste im Zusammenhang mit dem Gesang ihr ein.«23 Mahler hatte sie 1897 zu Cosima ­Wagner geschickt, mit der sie zuerst die Kundry, die sie kurz darauf bei den Bayreuther Festspielen sang, und einige Jahre später auch die Isolde einstudierte. Ihre Vorstellungen von der Rolle hat die Sängerin ausführlich notiert. 1936 erschien ein ausführliches Regiebuch von Tristan und Isolde, in dem für sämtliche Partien »fast Takt für Takt alles niedergelegt [ist,] was für die Darstellung von Bedeutung« sei. Nur durch »schrittweises Innehalten aller Anmerkungen, durch Beachtung der geringsten Notenwerte, der kleinesten Pausen und durch Begreifen und Durchfühlen jeden Wortes« könne der Sänger den Zuschauer zum »Erleben des Ganzen« führen.24 Die »tausend verschiedenen Empfindungen« der Protagonisten sollen nicht mit den drei bis vier Bewegungen dargestellt werden, die die meisten Sänger aus Bühnenroutine beherrschen. Sie bedürfen ebenso vieler Gesten, die aber nie Selbstzweck sein sollen, sondern natürlicher Ausdruck des Denkens und Fühlens.25 Die Anmerkungen zum Liebestod machen exemplarisch die genauen Vorstellungen von Gestik deutlich, die Bahr-Mildenburg von Cosima und Mahler übernommen hatte.

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Den Anfang der Liebesverklärung: »Mild und leise«

ohne Bewegung.

»Seht ihr’s, Freunde«

geheimnisvoll verklärt, ohne jemanden anzusehen.

Beim Doppelstrich nach »hoch sich hebt«

richtet sie sich ganz auf, wie emporgezogen, ganz unkörperlich ohne irgendeine Bewegung.

»Wie die Lippen, wonnig mild«

sehr zart, sehr ruhig in seliger Entrückung, die Augen unverwandt auf Tristan gerichtet.

Nach den Worten: »Höre ich nur diese Weise«

keine Temposteigerung mehr. In wunderbar gleichmäßiger Bewegung muß Musik und Gesang dahingleiten, nur in wachsender Fülle in immer mächtigeren Durcheinanderwogen. Isoldes Bewegungen sollen sowohl etwas ganz Ungewolltes, als auch Unkörperliches haben. Ihre sich wie schwere Flügel seitlich weit hinausdehnenden Arme werden wie von unsichtbarer Last niedergedrückt, die Hände hängen kraftlos, matt herab (Handflächen zur Erde gerichtet). Es ist ein Doppelspiel: das Ringen des erdgebundenen, erdhaften Körpers mit der, dem irdischen Sein entstrebenden, sich davon loslösenden, befreienden Seele.

»Heller schallend, mich umwallend«

sie scheint wie getragen und umdrängt von überirdischen Klängen, in deren Durcheinanderwogen sich ihre Seele sehnend und lechzend hineindehnt. In immer seligeren Entzückungen scheint ihr scheint ihr Geist mit aller Macht die Erdenfesseln lösen zu wollen.

»In des Welt-Atems wehendem All«

in einem ungeheuren gewaltigen Aufschwung, der die Unendlichkeit zu durchdringen strebt, hebt sich ihre Seele erdenbefreit empor.

Bei: »ertrinken«

sinkt Isolde ersterbend in die Knie. Die Arme gleiten schlaff an den Seiten herunter, der Kopf ist wie emporgezogen im Erschauen einer überirdischen Erscheinung, die Augen sind in ekstatischer Verklärung geweitet.

Nach ihrem letzten Ton

gleitet Isolde in sanfter Lösung der Glieder herab und Brangäne umfängt sie. (Brangäne vermeide alle Liebesbezeugungen und Bemühungen um Isolde, denn es wirkt nüchtern und störend.) 26

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Ebenso starken Eindruck wie das Dirigat Gustav Mahlers hinterließ das Bühnenbild von Tristan und Isolde. Hitlers Begeisterung für Alfred Roller war innerhalb der NS-Führung wohl bekannt, und noch im Krieg plante Baldur von S ­ chirach, der Reichsstatthalter in Wien, die Herausgabe eines dem Bühnenbildner gewidmeten Bandes. Er sei sicher, »daß den Führer bei seiner Verehrung für Roller ein Dokument des Lebenswerkes Rollers außerordentlich erfreuen würde, da Roller auch für kurze Zeit sein Lehrer war«. Dazu wandte er sich an Joseph Goebbels mit der Bitte, »mir einen Betrag von RM 30 000.-- für den RollerBand als einmaligen Zuschuß aus Ihrem Zentralfonds für die Förderung des Theaters im Deutschen Reich zur Verfügung zu stellen, damit möglichst bald mit den komplizierten Vorarbeiten begonnen werden kann«.27 Schirachs Behauptung, Roller sei Hitlers Lehrer gewesen, beruhte offensichtlich auf einem Missverständnis. Fast wäre es jedoch tatsächlich dazu gekommen, denn über die Vermittlung von Bekannten konnte Hitler 1908 tatsächlich Kontakt mit dem Künstler aufnehmen. Magdalena Hanisch, die Linzer Vermieterin der H ­ itlers, bat ihre in Wien lebende Freundin Johanna Motloch, sich bei Roller für den jungen Mann einzusetzen: »Der Sohn einer Partei von mir wird Maler, studiert in Wien seit Herbst, er wollte in die k. k. Akademie der Bildenden Künste, fand dort aber keine Aufnahme mehr und ging dann in eine Privatanstalt ­(Panholzer glaube ich). Er ist ein ernster, strebsamer junger Mensch, 19 Jahr alt, reifer gesetzter über sein Alter, nett und solid, aus hochanständiger Familie. Die Mutter ist vor Weihnachten gestorben, war erst 46 Jahre alt, Witwe eine OberOffizials beim hiesigen Hauptzollamt; ich hatte diese Frau sehr gern; sie wohnte neben mir im ersten Stock; ihre Schwester und ihr Töchterl, das ins Lyzeum geht, behalten vorläufig die Wohnung. Die Familie heißt Hitler; der Sohn, für den ich bitte, heißt Adolf Hitler.«28 Sie habe mit ihm kürzlich »über Kunst und Künstler gesprochen, und er erwähnte unter anderem, dass Professor Roller eine Berühmtheit unter den Künstlern sei«. Er habe keine Ahnung gehabt, »daß mir der Name Roller bekannt ist, und als ich ihm sagte, daß ich einen Bruder des berühmten Roller gekannt habe, und ihn fragte, ob es ihm vielleicht nützlich sein könnte in seinem Fortkommen, wenn er eine Empfehlung an den Direktor des Ausstattungswesens der Hofoper bekäme, da leuchteten dem jungen Menschen die Augen; er wurde dunkelroth und sagte, das würde er als das größte Glück seines Lebens betrachten, wenn er mit diesem Mann bekannt werden könnte und eine Empfehlung an ihn bekäme!«.29 Der junge Mann habe den festen Vorsatz, etwas Ordentliches zu lernen; die Freundin verwende sich für »keinen Unwürdigen«.30

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Daraufhin schrieb die Wiener Freundin an Roller, der postwendend antwortete, dass er ihrem Wunsch gern nachkommen wolle: »Der junge Hitler soll nur kommen und soll Arbeiten mitbringen, damit ich sehe, wie es mit ihm steht. Ich will ihm nach bestem Gewissen raten so gut ichs eben verstehe. Er trifft mich täglich in meinem Bureau in der Oper, Eingang Kärnthnerstraße, Directionsstiege, um ½ 1 und um ½ 7 Uhr. Wenn ich gerade nicht im Bureau anwesend bin, so ruft mich der Diener telefonisch herbei. Es kommt selten vor, dass ich zu diesen Stunden nicht 5 Alfred Roller im Hause anwesend bin. Wenn Hitler es gerade so ungünstig trifft, so soll er sich nicht abschrecken lassen, sondern am nächsten Tag wieder kommen.«31 Die Freundin der Vermieterin leitete den Brief weiter und bekam sogleich eine Rückmeldung über die Reaktion ­Hitlers. »Du wärst für Deine Mühe belohnt gewesen, wenn Du das glückliche Gesicht des jungen Menschen gesehen hättest, als ich ihn herüber rufen ließ und ihm sagte, daß Du so gnädig warst und ihn am Direktor Roller empfohlen hast […] Langsam, Wort für Wort, als ob er den Brief auswendig lernen wollte, wie mit Andacht, ein glückliches Lächeln im Gesicht, so las er den Brief, still für sich.«32 Zwei Tage später dankte Hitler umständlich: »Drücke Ihnen hiermit, hochverehrte gnädige Frau, für ihre Bemühungen, mir Zutritt zum großen Meister der Bühnendekoration, Pr. Roller, zu verschaffen meinen innigsten Dank aus. Es war wohl etwas unverschämt von mir, Ihre Güte gnädigste Frau so stark in Anspruch zu nehmen, wo Sie dies doch einem für Sie ganz Fremden tun mussten. Umso mehr aber bitte ich auch meinen innigsten Dank für Ihre Schritte, die von solchem Erfolg begleitet waren, sowie für die Karte welche mir gnädige Frau so liebenswürdig zur Verfügung stellten, entgegennehmen zu wollen. Ich werden von der glücklichen Möglichkeit sofort Gebrauch machen.«33 Vermutlich machte sich Hitler gleich nach seiner Ankunft in Wien auf den Weg zur Hofoper. Er scheiterte jedoch kläglich, wie er später dem Wiener ­ S-Funktionär Alfred Frauenfeld gestand. Mit dem Brief Rollers in der Hand N habe er vor dem Gebäude gestanden, »ging einmal bis zum Haus, dann verließ ihn der Mut und er kehrte wieder um. Nach inneren Kämpfen überwand er

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seine Schüchternheit, machte sich ein zweites Mal auf, kam bis ins Stiegenhaus, aber auch dann nicht weiter. Auch ein dritter Versuch mißlang. Eine aus der Wohnung kommende Person fragte ihn nach seinen Wünschen, er aber suchte mit einer Ausrede das Weite, und um einen Ausweg aus dieser ständigen Aufregung zu finden, zerriß er den Brief.«34 Hitler und Roller begegneten sich erst 1934, als der bereits schwer kranke Bühnenbildner auf Wunsch des Diktators die Neuausstattung von Parsifal für Bayreuth entwarf. Roller starb im darauf folgenden Jahr. Der 1864 geborene Bühnenbildner, Maler und Grafiker war Hitlers e­ ngster Kontakt zur Wiener Moderne. Roller, der ab 1899 als Professor an der ­W iener Kunstgewerbeschule wirkte und 1909 deren Direktor wurde, gehörte neben ­Gustav Klimt zu den Gründungsmitgliedern der Künstlergemeinschaft ­»Secession«. Zum Theater kam Roller erst spät, und angeblich hatte er den Hofoperndirektor mit der Aussage provoziert, er könne Tristan und Isolde nur von der Bühne abgewendet ertragen. Dann habe er aber so überzeugende Vorstellungen dargelegt, dass Mahler auf dem Heimweg gesagt habe, er wolle ihn engagieren und ihm als erste Aufgabe Tristan und Isolde übergeben.35 Von 1903 bis 1909 war er als technischer Oberleiter und Ausstattungschef an der Hofoper tätig, wo er sich ebenfalls rasch Feinde machte, da er sich an ­Mahlers Kampf gegen den Schlendrian beteiligte. So war 1906 die P ­ remiere von Lohengrin gefährdet gewesen, nachdem Roller scharfe Bemerkungen über die Korpulenz einiger weiblicher Chormitglieder fallen gelassen hatte. Der Chor gab zurück, dass die Kostüme viel zu schwer seien und man sich darin nicht bewegen könne. Schließlich wurde die Aufführung dennoch ein großer Erfolg.36 Rollers Ausstattung von Tristan und Isolde erregte überregionales Aufsehen. Eine Aufführung im September 1906 hinterließ sogar literarische Spuren. »Ein Freund sagte zu mir: ›Komme mit zu Tristan und Isolde, du hast die neuen Dekorationen von Roller noch nicht gesehen … Ich lade dich ein auf einen Parkettsitz‹«, hebt Unser Opernhaus von Peter Altenberg an, einem Schriftsteller der Wiener Moderne: »Wie eine märchenhafte Symphonie an und für sich: ›Garten in der Sommernacht‹ ist der Beginn des zweiten Aktes. Und ebenso hat Roller es gemalt, erdichtet. Man hört, man spürt, man ahnt den nächtlichen Garten, in Stille und Duft vergraben, ein düsterer melancholischer Mitwisser menschlicher Begebenheiten. Wie wenn er das unglückselige Liebespaar liebevoll beschützen möchte durch seine nächtliche Stille, wie wenn er die letzte Romantik herbeischaffte für diese Edelromantiker, die dem Untergange geweiht sind! Die

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Sterne am nächtlichen Himmel funkeln und die Gebüsche sind schwarz und kompakt. Dann kommt der feuchte, kalte, graue Übergang. Alles wird hellgrau, nebelig und der Morgen dämmert. Und das Verhängnis bricht herein. Einzelne Rosenstöcke heben sich ab von der sanften Morgenröte und sind schwarz wie Silhouetten. Feuchte Ausdünstung ist im Garten. Die ­Gebüsche sind hellgraugrün. Man müßte sich Katarrhe holen, aber das Verhängnis läßt keine Zeit dazu! Der ­Morgen dämmert gelassen und bereits empfängt ­Tristan die Todeswunde … Die Rosenstöcke heben sich ab von der Morgendämmerung.«37 Die Lichtregie galt als revolutionär, die Anregungen des Theaterreformers Adolphe Appia aufgriff. Mit Farbsymbolik versuchte er die Nuancen der Empfindung einzufangen, wie Ernst Decsey auffiel: »Das Licht war förmlich ein mithandelndes, beseeltes Ding, denn getreu den Vorgängen wandelte es sich, unmerklich spielend und verfließend.«38 Schon bei ­Wagner versinnbildlicht die Abfolge Tag-Nacht-Tag die seelischen Vorgänge der Protagonisten. Mahler und Roller verdeutlichten dies noch mehr durch die Verwendung unterschiedlicher Farben: den ersten Akt dominierte Orange, den nächtlichen zweiten Akt ­V iolett, während der dritte Akt als eine »Symphonie in Grau« beschrieben wurde.39 OPER UND OPERETTE

Auf der schon erwähnten Postkarte vom 7. Mai 1906 hatte Hitler ohne Nennung des Stückes mitgeteilt: »Heute ins Stadttheater.« Offenbar wollte er seinem Freund verschweigen, dass er dort leichte Kost zu rezipieren gedachte. Die Tagespresse verrät das Programm des 1898 eröffneten Jubiläums-Stadttheaters, der heutigen Volksoper: Dort gastierte das Ensemble des Theaters an der Wien mit der Lustigen Witwe von Franz Lehár. Wie mit seiner Verehrung des Dirigenten Gustav Mahler stand auch Hitlers Begeisterung für den Operetten­ komponisten quer zu alldeutschen Einstellungen. Bei den Schönerianern galt der »Lehar Franzi« als jüdisch versippt, und das Alldeutsche Tagblatt vermutete, dass er »seine Beliebtheit nicht nur seiner süßlichen Art im Umgange mit verschiedenen Zeitgenossen, sondern vielleicht auch dem Umstande zu verdanken hat, daß sein Name in der Umkehrung Rahel lautet«.40

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6 Plakat der von Hitler besuchten Aufführung der Lustigen Witwe

Die erst wenige Monate zuvor uraufgeführte Lustige Witwe war das Erfolgsstück schlechthin. Operetten wie diese scheinen auch das Balkanbild des D ­ iktators beeinflusst zu haben. Die Handlung der Lustigen Witwe dreht sich um den »ponte­vedrinischen« Gesandten; gemeint war das montenegrinische Botschaftspersonal, und die Tages-Post berichtete, »die Zensur sah sich anläßlich der Uraufführung der Operette in Wien zu dieser Namensänderung veranlaßt, um eine

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Beleidigung Montenegros zu vermeiden«.41 Hitler teilte die durch ­Operetten transportierten Überlegenheitsgefühle der Deutschösterreicher gegenüber dem kleinen Balkanstaat, auf den man aus Wien gemeinhin mit Äußerungen wie dieser herabschaute: »Wer in Österreich bei der Matura durchfällt, kann in ­Montenegro immer noch Unterrichtsminister werden.«42 Ihm schien es: »Gerade bei Balkan­fürsten müsse man bedenken, daß sie […] höchstens für 8 Tage ihr Land verlassen dürften, wenn sie nicht inzwischen ihren Thron einbüßen wollten. Bei der von Attentaten, Revolutionen und dergleichen reichlich geschwängerten politischen Atmosphäre des Balkans seien die maßgeblichen Männer der Balkan­staaten froh, wenn sie sich bei uns einmal ein Stück wie die Lustige Witwe ansehen dürften und nicht die ihnen vom Protokoll aufoktroyierten Thea­ tervorstellungen besuchen müßten, in denen sie ganz wie zu Hause blitzende Dolche vorgeführt erhalten.«43

7 Franz Lehár mit seinen Librettisten Viktor Léon und Leo Stein

Die lustige Witwe blieb in Wien bis November 1907 ununterbrochen im Programm und kam dort auf weit über 400 Vorstellungen in Folge. Von dem ­ S-Politiker Walter Funk erfuhr Lehár viele Jahre später, dass Hitler, »als er N in Wien war und kein Geld hatte, immer auf der Galerie war, um Die ­lustige Witwe zu hören. Insbesondere erinnerte er sich an das erste Jubiläum, an die 50. Aufführung.«44 Darauf bezog sich Lehárs berüchtigtes Geschenk an Hitler

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aus dem Jahr 1938, ein in rotes Leder gebundenes Bändchen mit einem silbernen Hakenkreuz und der Aufschrift: »Meinem lieben Führer gewidmet. Lehár.« Darin befand sich eine Broschüre, die an die 50. Aufführung erinnerte, die am 17. Februar 1906 stattgefunden hatte.45 Vermutlich handelte es sich um einen Hörfehler Funks oder Lehárs, da Hitler nur ein späteres Jubiläum besucht haben kann. Naiverweise hatte Lehár dem Geschenk eine Abbildung der damaligen Interpreten eingefügt, was den jüdischen Tenor Louis Treumann, den Star aus Hitlers Jugend, aber nicht vor dem KZ bewahrte; er starb 1943 im Lager ­Theresienstadt. Die lustige Witwe wurde im »Dritten Reich« viel gespielt, obwohl der Text von den jüdischen Librettisten Viktor Léon (eigentlich Viktor Hirschfeld) und Leo Stein (eigentlich Leo Rosenstein) stammte – dies wurde nun einfach verschwiegen. Selbst Spitzenfunktionäre der Reichsmusikkammer hielten es für geboten, den mit einer Volljüdin verheirateten Lehár zum 70. Geburtstag besonders zu würdigen, »weil bekanntlich der Führer seinem Schaffen ein besonderes persönliches Interesse entgegenbringt«.46 Daher versuchte das Propagandaministerium die Ehrenbürgerschaft des Komponisten in der ungarischen Stadt Ödenburg zu verhindern, denn »wir sind es uns und unserem Volke schuldig, einen Komponisten wie Lehár, der sich zum Deutschtum bekennt, und dessen Operetten vom Führer außerordentlich geschätzt werden, nicht kampflos in die Hände minderwertiger Magyaren abgehen zu lassen«.47 Als Hitler erstmals nach Wien reiste, dürfte er mit Lehárs Musik schon vertraut gewesen sein, denn am Linzer Theater waren bereits drei seiner frühen Operetten aufgeführt worden. Großen Erfolg hatte Der Rastelbinder gehabt, der erstmals in der Spielzeit 1903/04 zu sehen war und der im Umfeld der ­Rienzi-Aufführungen zum Jahreswechsel 1904/05 erneut mehrfach auf dem Programm gestanden hatte. Das Stück spielt mit Stereotypen des Hausier­ juden wie der Geschäftemacherei, denn die eigentliche Hauptfigur ist nicht der Rastelbinder (Kesselflicker) Janku, der sein Glück in Wien macht, sondern der jüdische Zwiebelhändler Wolf Bär Pfefferkorn, der erklärt: »Ich handel nur mit Ziefel, es geht mir gor nix gut. Zerrissen Rock und Stiefel, ich bin ä armer Jud.« Wie andere assimilierte Juden lehnte der Kritiker Ludwig Karpath die Figur ab, die ihn an ein rückständiges Milieu erinnerte. »Schon sein Auftrittslied, eine unerquickliche Imitation jener schwermütig-schönen Gesänge, deren Intervallverhältnis ein anderes ist, wie in der abendländischen Musik, löscht in dem Hörer Empfindungen aus, die ungünstig auf das Kommende vorbereiten.«48 Die Operette wurde wegen der Darstellung des Hausierjuden zur Zielscheibe der liberalen Wiener Kritik, und die Neue Freie Presse sah in dem Libretto von Léon »eine noch schwerere Ehrenbeleidigung des guten Geschmacks, als sie leider

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auf den Operettenbühnen gang und gebe sind«. Leider habe der ­Librettist den Einfall gehabt, als Deux ex machina »einen edelmüthigen jüdischen H ­ ausierer auszusuchen«, den »der Autor aus einem schier unerschöpflichen Füllhorn« mit einem »Ueberfluß von Geschmacklosigkeiten und Unappetitlichkeiten« ausgestattet habe.49 Entgegen allen antisemitischen Tendenzen wird dieser aber als eine durch und durch sympathische Buffofigur gezeichnet; zwar wird er vom Publikum belacht, aber gleichzeitig erfüllt er im Stück die Funktion einer allseits geachteten moralischen Instanz:50 Der Waisenknabe Janku wird dem Brauch gemäß mit seiner achtjährigen Pflegeschwester Suza verlobt, bevor er mit zwölf Jahren auf Wanderschaft geht. Als Suza erfährt, dass ihre Eltern Janku nichts mitgeben können, geht sie für ihn betteln, aber nur Pfefferkorn gibt ihr einen Silbergulden. Viele Jahre später: Janku hat durch Vermittlung Pfefferkorns in Wien beim Spenglermeister Glöppler gelernt und will dessen Tochter Mizzi heiraten; Suza liebt und wird geliebt vom Soldaten Milosch. Pfefferkorn erinnert Janku und Suza an ihre Verlobung, nicht ahnend, dass er damit ihr Liebes­glück zu zerstören droht; schließlich lösen sich alle Verwicklungen, und es kommt zum Happy End. Auch die zweite ­Wagner-Aufführung, deren Besuch Hitler im Mai 1906 ankündigte, war ein außerordentliches Ereignis, denn Hermann ­Winkelmann sang letztmals den Erik. Der 1849 geborene Heldentenor hatte bei der Urauf­ führung von Parsifal 1882 in Bayreuth die Titelpartie gesungen. Breite Sympathie­ bezeugungen wurden dem Sänger zuteil, der wenige Tage später als Radamès in Giuseppe Verdis Aida auftrat, bevor er seine Bühnenlaufbahn am Ende des Monats beschloss. Für Richard Specht war Winkelmann zwar kein guter ­Sänger, denn er »konnte nicht binden und nicht piano oder mezza voce singen«, und er war auch kein guter Schauspieler, »obwohl man das, nach all dem grotesk Hölzer­nen seiner Vorgänger zunächst geglaubt hatte«. Aber ihn umgab eine Aura von Reinheit und Lauterkeit, und er übte mit »seiner hellen, echt männlichen Tenorstimme«, die »heroische Sehnsucht, ein Schaudern vor bösen Mächten, das Aufschluchzen eines Todesgeweihten, die feurige Seligkeit eines heldenhaften Gemüts« ausdrücken konnte, eine starke Wirkung aus; er vermittelte den Eindruck eines Menschen, »der hier Höhepunkte des Lebens erlebte und dessen Ergriffenheit sich jedem mitteilte«.51 Es ist unklar, wie lange sich Hitler in Wien aufhielt: In Mein Kampf spricht er von zwei Wochen, und eine Postkarte kündigte August Kubizek die Rückkehr für Donnerstag an (10.  oder 17. Mai). Aus einer weiteren Karte leitet Kubizek jedoch ab, dass Hitler dann aber doch bis nach dem 6. Juni in Wien geblieben sei. In diesem Fall hätte er noch die Abschiedsvorstellung Winkelmanns sehen können, der am 30. Mai in

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der Titelrolle von Tannhäuser auftrat. Dort tat sich besonders »Winkelmanns treueste Anhängerschaft: die Jugend« hervor, wie die Neue Freie Presse berichtete. »Kaum daß Tannhäuser, an der Seite der Venus ruhend, sichtbar wurde, rauschte tosender Beifall nieder. Minutenlang war kein Ton des Orchesters vernehmbar, Satyre und Nymphen des Venusbergs, die drei Grazien erledigten unbemerkt ihre Pantomime. Und nun wurde jeder Anlaß wahrgenommen, Winkelmann zu feiern. Sturm nach jedem hohen Tone.«52 Winkelmann starb 1912. Auch wenn sich das Repertoire der Hofoper nicht wesentlich von dem in Linz unterschied, standen in Wien viel bessere Sänger zur Verfügung. Zu den Stars der Hofoper zählte der jüdische Bariton Leopold Demuth (eigentlich Pokorny), der besonders als Interpret von Mozart und ­Wagner bekannt war; er erlag 1910 während eines Liederabends einem Herzinfarkt, nachdem er in der Pause im Künstlerzimmer noch einen seiner beliebten jüdischen Witze erzählt hatte. Seinen Platz als führender Bariton dieser Jahre nahm der schon erwähnte Joseph Schwarz ein, der bereits seit 1909 zum Ensemble gehörte. Der Wiener NS-Funktionär Alfred Frauenfeld gibt Hitlers Selbststilisierung wider, wenn er über dessen Wiener Jugendzeit schreibt, »die schwer erhungerten Thea­terabende« seien neben den eigenen Aquarellen »die einzigen Lichtblicke in diesen harten Lehrjahren gewesen. Ganz oben, auf der vierten Galerie der K. K. Hofoper, wo die Kunstbesessenen sich an Musik berauschten, das Leben um sich vergaßen, stand auch er, als er zum ersten Mal die großen Opern hörte, als 8 Leo Slezak als Stolzing Leo Slezak, Erik Schmedes, Richard Maier und alle die anderen Großen einer nun versunkenen Glanzzeit der Wiener Hofoper auf der Bühne standen.«53 Der aus B ­ öhmen stammende Slezak, ein über 1,90 Meter großer Hüne, der sich in seiner Jugend unter anderem als Handelsreisender für »Powidl« ­(Pflaumenmus) durchgeschlagen hatte, wurde einer von Hitlers Lieblingssängern. Adjutant Nikolaus von Below erinnert sich an den Tenor und dessen Tochter als ­Hitlers häufige Gäste im Künstlerhaus am L ­ enbachplatz.54 Mit Margarete Slezak pflegte Hitler zeitweise so engen Kontakt, dass ihnen eine Affäre angedichtet

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wurde. Als die Operettensoubrette 1932 ihrem »lieben, guten Freund Adolf Hitler ein herzliches Weihnachtsbusserl« sandte, störte dieser sich auf einmal an ihrer schon lange bekannten jüdischen Großmutter und ging auf Distanz.55 Nach dem Krieg versuchten die Slezaks die Nähe zu Hitler zu leugnen, was Joseph G ­ oebbels’ Adjutant spöttisch kommentierte. Tatsache sei, »daß Hitler die Slezaks zu seinen privaten Freunden zählte. Ich habe die Margarete dutzende von Malen bei Hitler erlebt, immer waren sie sehr vergnügt und lustig miteinander und vom alten Slezak wurde stets nur in Bewunderung seiner großartigen Stimme, seines schauspielerischen Könnens und seiner Menschlichkeit gesprochen.« Er habe sie nach dem Krieg des Ö ­ fteren besucht, »sie war immer noch eine große Anhängerin Hitlers und machte daraus auch keinen Hehl«.56 Die Volksoper besuchte Hitler nur gelegentlich, ihm missfiel der nüchterne Stil des Gebäudes, »die phantasielose öde Ausstattung des Hauses, der eine ebenso leere, wie nüchterne Inszenierung entsprach. Adolf nannte dieses ­Theater immer die ›Volksküche‹«.57 Das Haus war 1898 von Wiener Bürgern als Kaiser-Jubiläums-Stadttheater aus Anlass des 50. Thronjubiläums von Kaiser Franz Joseph gegründet worden und diente anfangs als Sprechtheaterbühne. Nachdem es bereits 1903 Konkurs hatte anmelden müssen, schaffte es der neue Leiter Rainer Simons, das Haus, das seit 1908 unter dem heutigen Namen firmiert, durch Verlagerung auf das Musiktheater neu zu etablieren. Rückschlüsse über Hitlers Einstellung gibt seine Reaktion auf ein Schreiben Simons’ von 1933. Er erinnerte den Diktator daran, sein Wirken sei »auch dem Führer, Herrn Reichskanzler Adolf Hitler bekannt, der damals in Wien wirkte. Ich habe die Judenfrage an diesem Theater einwandfrei und in vollem Einverständnis mit Dr. Karl Lueger und seinen Getreuen, Dr. Pattai, Dr. Forster, Dr. Neumayer, Abgt. Bielholavek und allen anderen der damals ausgesprochen antisemitisch eingestellten Parteien praktisch gelöst […] Ist es nun nicht traurig, daß nach solchem Wirken für mich in meiner Heimat bei den vielen frei gewordenen Theater- und Rundfunk-Intendantenstellen trotz meiner eifrigsten Bemühungen, kein Platz frei ist?«58 Obwohl Simons seine Mitgliedschaft in der NSDAP besonders hervorhob, war seiner Bitte kein Erfolg beschieden. Hitler ließ nur mitteilen, dass er vom Inhalt »Kenntnis genommen« habe. Im September 1907 kehrte Hitler nach Wien zurück und trat als einer von 112 Kandidaten zur Zulassungsprüfung an. Um sich für die entscheidenden Prüfungen Anfang Oktober vorzubereiten, bei denen er bekanntlich durchfiel, nahm Hitler wie andere Kandidaten in den darauf folgenden Wochen an einer Wiener Malschule Unterricht. In der zweiten oder dritten Oktoberwoche dürfte Hitler wegen des sich rapide verschlechternden Gesundheitszustands der Mutter

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nach Linz zurückgekehrt sein. In der Zwischenzeit gab es zahlreiche Gelegenheiten, Aufführungen mit Gustav Mahler zu besuchen und einen kompletten ­Wagner-Zyklus zu erleben. Das größte Aufsehen erregte in diesen Wochen das Auftreten des bekanntesten Opernsängers seiner Zeit: Enrico Caruso war zweimal als Radamès in Verdis Aida sowie je einmal als Rodolfo in Giacomo Puccinis La bohème und als Herzog in Verdis Rigoletto zu sehen. Bei Carusos erstem Gastspiel 1906 hatte Karl Kraus geklagt, man habe »durch die Ansetzung von Irrsinnspreisen die Gier des Wiener Luxuspöbels dermaßen aufgepeitscht […] daß der inoffizielle Kartenhandel zu einer noch nicht dagewesenen Einnahmsquelle erwuchs«.59 Die »Caruso-Sensation« habe »die Wiener Menschheit auf der tiefsten Kulturstufe« präsentiert. Es sei eine Absonderlichkeit, dass »Tenoristen nicht in anatomischen Hörsälen, sondern in Opernhäusern gezeigt werden«.60 1907 legte er nach: »Dank sei Herrn Caruso, daß er Wien, die Stadt, in der die Gemüse und die Gehirne mit Mehl zubereitet werden, so gründlich entlarvt hat! Wir brauchen solche Gelegenheiten, um zu zeigen, daß wir die Bewohner eines großen Affenhauses sind. Wer’s schildern will, wie wir uns darin benehmen, wenn ein berühmter Tenorist die Gnade hat, uns auch nur das Loch in seinem Überzieher zu zeigen, vermag es nicht. Soll er den Schlachtenbericht der ›Neuen Freien Presse‹ abschreiben, mit dem ein naiver Tölpel das berühmte Wiener Kunstinteresse als gesellschaftliche Streberei schmierigsten Kalibers denunziert?« Dort werde schon die bloße Anwesenheit zu einer Tat, über die es zu berichten lohnt.61 Von den Zeitungen Wiens wurde das Gastspiel mit großer Ausführlichkeit beschrieben. Mehr als 60 Zeilen widmete die Neue Freie Presse allein der Aufzählung von Hofadel, Botschaftern, anderen Honoratioren und den bekannten Künstlern – im Parkett saß »auf fast jedem Fauteuil eine Berühmtheit, eine Größe irgendwelcher Art«.62 Gewürdigt wurde auch die äußerliche Pracht der Zuschauer, denn die »›Prachtroben der Damen boten eine Revue der Novitäten der Herbstmode. Und Schmuck, wie man ihn nicht alle Tage zu sehen bekommt, leuchtete aus den Logen. Brillanten und Juwelen glitzerten um die Wette, fürstliche Diademe und kostbare Kolliers erhöhten die Eleganz und den Effekt der Toiletten.‹«63 Dass Hitler regelmäßig die Feuilletons der großen Wiener Zeitungen gelesen hat, berichtet seine Sekretärin Christa Schroeder, die von seinem Gedächtnis beeindruckt war: »Bis in die letzte Einzelheit erzählte er uns von Stücken, die er als junger Mann in Wien gesehen hatte. Er erwähnte die Namen der Schauspieler und wußte noch genau, wenn sie von der Kritik jener Zeit abfällig behandelt worden waren.«64 Die Caruso-Gastspiele waren genau der »Snobismus«, den

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Hitler laut August Kubizek verabscheute – obwohl er eigentlich ein starkes Interesse an Gesangsstars hatte. Er klagte über Theaterbesucher, »die in die Oper kommen um gesehen zu werden, schöne Toiletten und teuren Schmuck vorzuführen«, dort zu flirten und Geschäfte abzuschließen: »In der Morgenausgabe der jüdischen Presse liest man dann, daß die Frau des Generaldirektors soundso gestern in der Oper ein phantastisches blaßgrünes Kleid getragen habe, welches direkt aus Paris gekommen sei.«65 FELIX VON WEINGARTNER

Als Hitler 1908 nach Wien übersiedelte, traf er eine neu organisierte Hofoper an. Ende 1907 hatte Gustav Mahler entnervt vom Kampf gegen Schlendrian, Intrigen und Antisemitismus die Direktion niedergelegt und war nach New York gegangen. Als sein Nachfolger wurde der 1863 geborene österreichische Dirigent und Komponist Felix von Weingartner verpflichtet, dessen Wahl aus heutiger Sicht als ausgesprochen unglücklich erscheint. »Direktor Weingartner ist ein ehrlicher Musiker, glänzender Dirigent und ungemein fleißiger Künstler«, urteilte schon bald nach seiner Ernennung ein Kritiker. »Aber er ist der ungeschickteste Theaterdirektor, der mir jemals vorgekommen.«66 Weingartner ließ es häufig an diplomatischem Geschick vermissen. Am seinem letzten Wirkungsort, der Berliner Hofoper, hatte er sich unklugerweise mit Henry Pierson angelegt, der rechten Hand des Intendanten Hans Heinrich Bolko Graf von Hochberg. Er glaubte allen Ernstes, die anfängliche Unterstützung Piersons »durch Aufrichtigkeit erwidern zu können«, indem er ihm zu verstehen gab, dass dessen Gattin, die Sängerin Elsa Pierson, »gewinnen« könne, wenn sie sich »von ausgesprochen jugendlichen Rollen« fernhielte.67 Einen Bärendienst tat er sich 1919 mit einem als deutschfeindlich missverstandenen Zeitungsartikel, worauf er von der Berliner Staatsoper und anderen Institutionen ausgeladen wurde. Noch als er von 1927 bis 1934 in Basel wirkte, brachte er die lokale Musik­öffentlichkeit gegen sich auf. Dem biederen Basler Bürgertum missfiel, dass er in fünfter Ehe eine 44 Jahre jüngere Studentin geheiratet hatte, die Musiker stießen sich an seinem allzu machtbewussten Auftreten.68 Auch der Komponist Franz Schmidt fällte ein ungünstiges Urteil über ­Weingartner: »Seine Direktionsführung war nicht imstande, die Verwirrung, in der Mahler das Institut hinterlassen hatte, zu beheben, sondern schien vielmehr dazu angetan, das Chaos zu vergrößern.«69 Weingartner demissionierte bereits 1911, blieb aber bis 1927 Leiter der Philharmonischen Konzerte und übernahm

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1935 noch einmal für kurze Zeit die Intendanz. Angesichts der Erfahrungen mit Mahler und Weingartner hatte Alfred Fürst von Montenuovo, der für die Hofoper zuständige Obersthofmeister, von menschlich schwierigen Musikern genug – wie er Kaiser Franz Joseph erklärte, sei der zum Nachfolger Weingartners erkorene Hans Gregor »kein Musiker, kein Dirigent«, sondern ein »erfahrener Theaterfachmann«.70 Im »Dritten Reich« war Weingartner geächtet als ein zwar nichtjüdischer, aber dem »jüdischen Geist« nahestehender Künstler. 1933 verfasste er einen Brief an Hitler – den er aber nicht absandte –, in dem er bat, der Politiker solle »ihm die Hand reichen«, sodass er wieder in Berlin dirigieren könne und »vor Nachstellungen, die mein künstlerisches Wirken auch zum Schaden des Publikums untergraben«, geschützt werde.71 Dies zeugt vom völligen Verkennen der Realität, da die Nationalsozialisten hinter den gegen ­Weingartner angekündigten Störaktionen standen. Unmittelbar nach dem »Anschluss« verschwand sein Name aus dem Jahrbuch der Wiener Staatsoper, wo er bis 1938 als Ehrenmitglied geführt worden war.72 Geplante Konzerte wurden abgesagt, und als er der Staatsoper seine neue Anschrift mitteilte, wurde der Brief von einem Mitarbeiter mit dem Vermerk »Niemand darauf neugierig« abgelegt.73 Er starb 1942 im Schweizer Exil. Hitler kann nicht für Weingartner eingenommen gewesen sein, der sein Idol Alfred Roller von der Hofoper vertrieben hatte. Der neue Direktor empfand seine Dekorationen als zu düster und machte den Bühnenbildner »wieder­ holt auf die dringend notwendige Erhellung der oft in lang andauerndes, ödes ­D unkel getauchten Szene aufmerksam«. Als Roller im zweiten Akt von ­Siegfried wieder eine nach Weingartners Empfinden zu dunkle Beleuchtung vorsah, ließ der Hofoperndirektor dies einfach ändern, ohne Widerspruch zuzulassen.74 Bei L ­ udwig van Beethovens Fidelio – einer der Musteraufführungen ­Mahlers – verwarf ­Weingartner »die dramatisch ungeheuer beredten, symbolkräftigen Dekora­tionen Rollers und ersetzte sie durch konventionelle«; an die Stelle »des Außerordentlichen war das Ordentliche getreten«.75 Weingartner selbst begründete die Änderung mit der Ablehnung von Mahlers Idee, die dritte ­Leonoren-Ouvertüre zwischen Kerker- und Schlussszene zu spielen. ­Künstlerische Gründe für die Einfügung des Orchesterstücks wollte er nicht gelten lassen. Roller habe ihm zwar versichert, dass Mahler die Entscheidung »aus innerem Drange« getroffen habe; er, Weingartner, sei aber »für solche inneren Dränge nicht zu haben«. Seiner Ansicht nach diente die Ouvertüre allein dazu, die zehnminütige Umbaupause zu füllen, die Rollers bühnentechnisch aufwendige Dekoration erforderte. Gegen diese habe er nichts gehabt, aber »Beethoven stand mir höher als eine Dekoration«.76

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In Wien wurde Weingartner zum persönlichen Feind seines Vorgängers stili­ siert. Weingartner hatte Mahler bereits 1885 kennengelernt, als dieser zweiter Kapellmeister in Kassel war; damals mit Schnurrbart glich Mahlers Erscheinung noch nicht seinem späteren Aussehen.77 Ursprünglich hatten die beiden ein gutes Verhältnis, später mokierte sich Weingartner über Mahlers »Extravaganzen«, während Mahler Weingartner für prätentiös hielt.78 Weingartner äußerte sich negativ über das Wirken Mahlers; dass er in Wien ein »reiches Erbe« angetreten habe, sei eine der »krassesten« Lügen gewesen, die man ihm angeheftet habe.79 Als Problem stellte sich gleich zu Beginn seiner Direktion die Besetzung der weiblichen Hauptpartien für den ersten ­Wagner-Zyklus 1908 heraus, da Mahler für den Monat Mai beiden ­Wagner-Heroinen – Anna von Mildenburg und Lucie Weidt – gleichzeitig Urlaub gewährt hatte.80 Zugleich wurde Weingartner zu einer Galionsfigur der Antisemiten. In Wien kam 1908 bei ersten Personalentscheidungen der Verdacht auf, sie könnten durch antisemitische Einstellungen begründet sein. Von den Schönerianern wurden die vorgeblich nach rassischen Erwägungen getroffenen Entlassungen begrüßt, und das Alldeutsche Tagblatt nutzte die Gelegenheit, um gegen Mahler zu polemisieren, der immer nur »Rabbiners-, Ganselstopfers- und ­Hausiererstöchter« eingestellt habe.81 Unter Mahler, den das Blatt mit dem Zauberer Klingsor aus Wagners Parsifal verglich, hätten »die Juden« Künstler nur deshalb hinausgeekelt, weil sie Platz für einen »plattfüßigen Rassegenossen« brauchten. Heute aber »können auch Juden entlassen werden! Solange Mahler an der Hofoper gewirtschaftet und zahllose Existenzen zugrunde richtete […] hat die j­ üdische Presse kein Wort des Tadels gefunden, denn es handelte sich um ›Christenverfolgungen‹, die natürlich keinem Hebräer jemals eine Träne entlocken werden.«82 Der beim Antritt einer neuen Theaterleitung übliche Vorgang des Personalaustauschs bekam so eine Dimension, die Weingartner nach eigenem Bekunden nicht beabsichtigt hatte. Den von Mahler erst im Sommer 1907 als Kapellmeister von der Volksoper geholten Alexander von Zemlinsky stieß er vor den Kopf, indem er die geplante Uraufführung der Oper Der Traumgörge absagte, worauf Zemlinsky die Hofoper wieder verließ. Besonderes Aufsehen erregte die Nichtverlängerung des Vertrags der ­Sopranistin Elsa Bland. In der Neuen Freien Presse ließ die gekränkte Sängerin verlautbaren, nur eine Intrige könne der Grund für ihre Entlassung sein, was sie mithilfe eines Rechtsanwalts klären lassen wollte, dessen Schreiben die Zeitung in voller Länge abdruckte.83 Der Argumentation schloss sich zwei Tage später der Kritiker Julius Korngold an, der nach einem bejubelten Auftritt Blands polemisierte, man habe nach drei Jahren Engagement »plötzlich« entdeckt, die

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Stimme der Sängerin sei mangelhaft ausgebildet.84 Nach eigener Aussage hatte Weingartner lediglich »übersehen«, dass »eine recht gute, aber überzählige Sängerin, deren Vertrag ich nicht erneuerte, semitischer Abkunft war. Sofort setzte ein maßlos übertriebener Kult dieses bisher keineswegs besonders beachteten Mitglieds ein, der allerdings abflaute sobald auswärtige Bühnenleiter das Wunder in Augenschein nahmen und – nicht engagierten.«85 Das entsprach allerdings nicht der Wahrheit, da Bland ihre Karriere an führenden Opernhäusern fortsetzte und später an die Wiener Hofoper zurückkehrte. Weingartner hat stets bestritten, Antisemit zu sein. In seinen Erinnerungen berichtet er, wie ihn Cosima Wagners Judenfeindschaft abgestoßen habe: Als er sie darauf ansprach, warum sie den Dirigenten Hermann Levi so schlecht behandele, entgegnete sie, »dass zwischen arischem und semitischem Blut kein Band zustande kommen könne […] Darin werden wir uns wohl nicht verstehen, lieber Weingartner.« Zwischen beiden tat sich eine Kluft auf, die er dafür verantwortlich machte, »daß später von Bayreuth aus das Gerücht aufflackerte und sich einige Zeit in Schwebe hielt, ich sei nicht arischer Abstammung«.86 Andererseits sah er sich selbst als ein Opfer der »jüdischen Presse«; sein Erzfeind war Korngold, den er mit den Borgias verglich, die bei Gastgelagen missliebigen Personen immer größere Giftdosen verabreicht hatten.87 Er glaubte zu wissen, dass der Kritiker »keineswegs ein Gegner meiner Person und eigentlich auch nicht meiner Künstlerschaft [war]. Er war der Gegner des Nachfolgers Gustav Mahlers.«88 Weingartner wollte erfahren haben, Korngold habe noch an dem Tag, an dem Mahlers Rücktritt bekannt wurde und noch kein Name eines möglichen Nachfolgers genannt worden war, aufgeregt erklärt: »Der Nachfolger aber soll sich freuen, dem werden wir was zeigen!«89 Dennoch nahm Weingartner das Ballett Der Schneemann des als Wunderkind geltenden Sohns des Kritikers an, des später bekannten Komponisten Erich Wolfgang Korngold; vermutlich mit der Absicht, sich den Vater im Erfolgsfall geneigt zu machen und ihm bei einem Misserfolg eins auszuwischen. Kurz nach der »Affäre Bland« folgte der nächste Skandal. Weingartner nahm im zweiten und dritten Akt der Walküre insgesamt 16 Striche vor, die die Spieldauer um 20 Minuten verminderten. Es war keine gute Idee, dies vorher in der Tagespresse anzukündigen, denn bereits vor der ersten Aufführung kochte die Stimmung hoch. Weingartner rechtfertigte sich, er habe »den Versuch gemacht, sinngemäße Streichungen in ­Wagner-Opern« vorzunehmen, wobei er nicht an alte Striche angeknüpft, sondern vollständig neue gemacht habe. »Striche, die früher in Wagnerschen Werken üblich waren, hatten lediglich den Zweck, die Werke kürzer zu machen. Aber gerade dadurch ist oft sowohl für den Sinn als

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auch für den musikalischen Zusammenhang das Allerwichtigste weggeblieben, wogegen ich mich bemüht habe, Kürzungen vorzunehmen, die den Sinn der Dichtung und den musikalischen Zusammenhang nicht stören.«90 Den Kritikern wollte die Zweckmäßigkeit seiner Striche freilich nicht einleuchten, und man erkannte darin die Absicht, das »Musikdrama« in eine »Große Oper« zurückzuverwandeln.91 Am Abend wurde Weingartner »mit heftigem Zischen, Pfiffen und ›Abzug‹Rufen empfangen«. Von den Unmutsbezeugungen, die hauptsächlich von den Galeriebesuchern kamen, ließ er sich nicht beeindrucken. Nach einigen Minuten gab er das Zeichen zum Beginn, aber »noch geraume Zeit tönte das Grollen der Galerie in den ›Gewitterzauber‹. Nach dem ersten Akt, der ohne Striche gegeben wurde, erhob sich ein großer Teil des Publikums und brachte dem Dirigenten eine stürmische Ovation.« Am Beginn des zweiten Aktes wiederholten sich die Szenen des Anfangs, und als »dann ein Strich dem anderen folgte, wuchs die Unruhe im ganzen Hause; besonders von der vierten Galerie ertönen bei jedem Strich schrille Pfiffe«. Aber plötzlich endeten die Rufe, und in der Pause erfuhr man, »daß die ruhestörende Opposition von den Hausorganen entfernt worden ist; es wurden fünf Personen auf das Polizeikommissariat gebracht«.92 Das Alldeutsche Tagblatt missverstand die Aktion als die »krummnasiger Mahlerianer« und lobte die Polizei, die »die namenlose Kühnheit [hatte], sechs Judenbuben zu verhaften, ohne vorher zu dieser völkerrechtswidrigen Brutalität vom Oberrabbiner Dr. Güdemann die Erlaubnis einzuholen«.93 Daraufhin erhielt das Blatt die Zuschrift eines Gesinnungsgenossen, der darüber aufklärte, dass auch er sich mit »zahlreichen Mitgliedern des Akademischen ­Wagner-Vereines, Studenten, Kapellmeistern u. s. w.« unter den Zischenden befunden hatte. »Wir hatten diese Störung vorher schon besprochen, da es uns tief kränkte, daß ein arischer Direktor ein Werk, daß uns Deutschen ein Heiligtum ist, zerstückelte, während ein Jude so klug war, dieses Werk ungekürzt zu geben.« Seltsam sei auch, »wenn der Arier Weingartner dieses hehre Werk verstümmelt und dafür die Hugenotten des jüdischen Komponisten Meyerbeer ungekürzt geben läßt, welche Oper – das Vorgehen bedeutet eine verkehrte Welt – der Jude ­Mahler stark gekürzt gegeben hat«.94 Nun stellte sich auch das Alldeutsche Tagblatt gegen Weingartners Eingriffe und rügte, »das kleine ›w‹ nahm sich heraus, das große ›W‹ verbessern zu wollen«.95 Er revidierte die Striche später und nahm auch keine weiteren Kürzungen in anderen Werken Wagners vor. Weingartners Eingriffe in die Partituren ordnen sich in einen größeren Zusam­ men­hang ein. Er bezeichnete sich als ein Anhänger Wagners, aber als ein Gegner der Bayreuthianer. Wie er sich später immer wieder erinnerte, hatte er den

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Komponisten 1882 noch persönlich kennengelernt, wenngleich der kurze Wortwechsel ausgesprochen banal gewesen war. ­Wagner hatte dem damals 1­ 9-jährigen Weingartner in breitem Sächsisch mit auf den Weg gegeben: »Na, sehen Sie, für einen so jungen Mann sind im Parsifal zunächst die Blumen­mädchen die Hauptsache, aber’s Herz dürfen Sie dabei nicht verlieren!«96 ­Weingartners erste Oper Sakuntala war noch stark von »den ungeheuren Eindrücken des Tristan und des Parsifal schwer belastet«, und er hatte das bunte indische Sujet, das für eine Grand opéra besser geeignet gewesen wäre, in »eine Liebes- und Erlösungstragödie« verwandelt und einem der Hauptthemen Anklänge an die Gralsakkorde gegeben.97 Der französische Komponist Camille Saint-Saëns bekam dann auch den Eindruck: »Des choses très belles, vraiment, mais – les choses les plus belles sont de Richard ­Wagner.«98 1886 hatte Weingartner die Familie ­Wagner näher kennengelernt, als er bei den Bayreuther Festspielen in untergeordneter Funktion tätig war. Im Mittel­punkt seiner ersten Unterredung mit Cosima hatte die Frage der Striche in Wagners Opern gestanden. Sie wolle lieber auf die Mitwirkung Albert N ­ iemanns als Tristan verzichten, erklärte Cosima, weil dieser sich außerstande sah, die Partie ungekürzt zu singen. Darauf hatte Weingartner sich die Bemerkung verkniffen, dass ihm ein gestrichener Tristan mit Niemann immer noch lieber sei als ein ungestrichener ohne ihn.99 Das sture Beharren Cosimas am einmal Festgelegten war der Grund für Weingartners Entfremdung von den Festspielen, denn er lebte »im Bayreuth Richard Wagners und nicht in dem seiner Nachfolger«. 100 ­Weingartner sah sich in der Tradition des Komponisten, der mit seinen Werken viel pragmatischer umgegangen sei. Von dem befreundeten Dirigenten Levi erfuhr Weingartner, dass ­Wagner selbst gar nicht gegen Änderungen des Notentextes gewesen war. Als er nach langer Zeit wieder Tristan und Isolde hörte, habe er erregt ausgerufen: »Streichen Sie doch die Posaunen aus dem Duett heraus! Das ist ja alles viel zu stark instrumentiert!«101 In Tristan und Isolde nahm der Komponist kleinere Änderungen der Instrumentation und der Dynamik ebenso vor wie gravierende Striche, bei denen Levi die Autorschaft Wagners in seine Münchner Aufführungspartitur eintrug: »Kürzung im Nov. 1880 selbst angegeben. Auf meine Einwendungen erwiderte Er: ›Ach was – nur keine Sentimenta­lität – Diese Stellen sollen ein für alle Mal wegbleiben‹.«102 Für den Musikwissenschaftler Egon Voss steht fest, der »strichlose Tristan stellt lediglich die Urfassung des Werks dar, so wie der Dresdner Tannhäuser der Uraufführung von 1845 die Urfassung des Tannhäuser«.103 Dass sich die Striche nicht durchsetzten, war vor allem Cosimas Wirken zu verdanken, die Striche als »Konzessionen an die Umstände« verdammte und für tabu erklärte.104

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Für die ersten Monate von Hitlers Aufenthalt in Wien 1908 erfährt man von August Kubizek viel über gemeinsame Kulturaktivitäten. Aus dieser Zeit stammte Hitlers Interesse an Anton Bruckner, an den ihn Kubizek herangeführt hatte, als sie gemeinsam im Großen Saal des Musikvereins die Sinfonie Nr. 4 mit dem Konzertvereinsorchester hörten.105 Hitler erkannte später in der Sinfonie Nr. 7 »lauter Volksweisen aus Oberösterreich, nichts wörtlich übernommen, aber doch Stück für Stück Ländler und anderes, das mir aus der Jugend vertraut ist«.106 In Linz sollte am Donauufer ein 160 Meter hoher Turm errichtet werden mit einem Glockenspiel, »nicht für alltäglich; – aber an bestimmten Tagen soll ein Motiv aus der Vierten, der Romantischen Sinfonie von Bruckner erklingen. Sie eignet sich für ein Glockenspiel, diese eigenartige Melodie, die mich so seltsam berührt.«107 Hitler ging weiterhin keiner Berufstätigkeit nach, sondern widmete sich neben Besuchen des Theaters vor allem seinen Träumen als Künstler und ­Baumeister. Um das Wohnungselend in Wien zu lösen, beschloss er 1908 kühn: »Die ­Zinskasernen werden abgebrochen.« Ganze Viertel sollten verlegt werden, um Platz für Vier- bis Sechzehnfamilienhäuser zu schaffen.108 In die Kategorie pubertärer Fantasien gehört auch der von Kubizek überlieferte Plan, gemeinsam eine Oper über den Stoff von Wieland, der Schmied zu verfassen. Kubizek hatte in der Musikgeschichtsvorlesung, die er als Musik­ student besuchen musste, von Wagners unausgeführtem Opernprojekt gehört und seinem Freund davon erzählt. Dieser hatte sich sogleich in einem Nachschlagewerk über den Stoff informiert,109 in dem König Nidud den Schmied Wieland durch Durchtrennung der Fußsehnen lähmen lässt, um ihn an seinen Hof zu binden; dieser rächt sich, indem er Niduds Söhne tötet, ihre Hirnschalen zu goldenen Trinkgefäßen verarbeitet und mit Niduds Tochter ein Kind zeugt. Viele Gedanken machte sich Hitler über die Bühnenwirksamkeit der geplanten Oper, wobei ihm vor allem die Frage Kopfzerbrechen bereitete, wie man drei Walküren in ihren flatternden weißen Gewändern fliegen lassen konnte; auch die Titelfigur sollte sich in die Luft erheben, nachdem sie sich im letzten Akt metallene Flügel geschmiedet hatte. Kubizeks Vorschlag, zur Vorbereitung der Komposition erst einmal die Grundbegriffe der Musiktheorie zu erlernen, wies Hitler als Zeitverschwendung zurück: Kubizek solle einfach das notieren, was er ihm auf dem Klavier vorspielte. Dies erwies sich als ausgesprochen schwierig, da Hitler jedes metrische Gefühl fehlte, sodass fast in jedem Takt ein Taktwechsel stattfand; es fanden auch Taktarten Verwendung, die es eigentlich nicht gab,

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»so daß ein Dirigent bei der Aufführung des Werkes sicher keine leichte Aufgabe gehabt hätte«.110 Mit einer Vereinheitlichung durch den Freund war Hitler aber auch nicht einverstanden. Nach Kubizek war die Musik von der »Tonwelt ­Wagners« beeinflusst und dachte den Protagonisten, bestimmten Situationen und Affekten unterschiedliche Leitmotive zu. In seinen Erinnerungen für das NS-Parteiarchiv klagte Kubizek, welch »unendlich wertvolles Kultur­ dokument« mit der Partitur verlorengegangen sei.111 Glaubhafter erscheint der spätere Hinweis, dass die Musik ziemlich dürftig ausfiel, wobei er vermutet, die musikalischen Gedanken hätten schon deshalb so primitiv gewirkt, weil Hitler sie wegen seiner begrenzten pianistischen Fähigkeiten nicht besser aus­drücken konnte.112 Die Oper ist nie vollendet worden, obwohl Hitler anfangs »so fieberhaft daran arbeitete, als hätte ihm ein ungeduldiger Operndirektor einen viel zu nahen Termin gestellt und würde ihm bereits das Manuskript aus den Händen ­reißen«. Das Vorhaben schlief nach einiger Zeit ein, vermutlich, weil Hitler die Unmöglichkeit des Vorhabens selbst klar wurde.113 Im Spätsommer 1908 wurde Hitler jäh aus seinen Künstlerträumen gerissen. Auch beim zweiten Anlauf fiel er, wie die meisten Bewerber, durch die Aufnahme­ prüfung der Kunsthochschule; bei dem ersten Versuch im Vorjahr hatte sich unter den Abgewiesenen neben Hitler auch Robin Christian Andersen gefunden, der die Akademie dann von 1946 bis 1948 leiten sollte.114 Leider versiegt hiermit die wichtigste Quelle über Hitlers Jugend. Sei es, um Kubizek nicht die erneute Ablehnung der Kunstakademie eingestehen zu müssen, oder sei es, um endgültig alle Brücken nach Linz abzubrechen: Kurz vor der angekündigten Rückkehr des Freundes zog Hitler am 18. November aus dem gemeinsamen Zimmer aus und tauchte ins Dunkel der Großstadt ab. Der Kontakt brach ab, obwohl Kubizek weiterhin die Hofoper besuchte, dort aber nie auf Hitler traf.115 Kubizek setzte sein Studium fort und schlug die Laufbahn des Berufs­musikers ein. Wie erfolgreich er dabei war, lässt sich nicht mehr genau klären; in seinem Buch behauptet er, dass er von 1912 bis 1914 als zweiter Kapellmeister in ­Marburg an der Drau tätig war, dem heutigen Maribor in Slowenien. Ein schon fixes Anschlussengagement in Klagenfurt habe er wegen des Krieges nicht mehr antreten können. Etwas anders stellte er seinen Lebensweg in einem Schreiben an die Bezirkshauptmannschaft Eferding dar, als er sich nach dem Krieg auf Wiedereinstellung in den Staatsdienst bemühte. Dort behauptete er, nach Abschluss seiner Studien sei er »im Herbst 1911 als Kapellmeister in das Stadttheater in Marburg a/Drau engagiert und in weiterer Folge an die städtische Bühnen in Pettau, Cili und Klagenfurt für die Operette und Oper verpflichtet« worden.116 Die Theater in Pettau und Cili wurden vom Marburger Ensemble

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bespielt, sodass eine Tätigkeit dort kein eigenes Engagement gewesen sein kann. Ein Engagement als Kapellmeister wird allerdings nicht durch Quellen bestätigt,117 sodass zu vermuten ist, dass er dort nur als Orchestermitglied tätig war und seinen Lebenslauf für die erhoffte Wiedereinstellung schönen wollte. Hitler und Kubizek sahen sich erst 1938 wieder, als es beim Einzug der ­deutschen Wehrmacht in Linz zu einem kurzen Treffen kommt; 1939 und 1940 besuchte Kubizek als Gast Hitlers mit diesem die Bayreuther Festspiele. Im Herbst 1909 muss Hitlers finanzielle Lage den Tiefpunkt erreicht haben. Vermutlich war die aus Linz mitgebrachte Geldsumme nach eineinhalb Jahren verbraucht. Hitlers Lebensführung war bescheiden, aber Theaterbesuche waren kostspielig, denn anders als in Linz gab es in Wien keine E ­ rmäßigungen. ­Während Angehörige des Militärs, die nach Hitlers Einschätzung kaum »die Pause erwarten konnten, um im Foyer zu promenieren«, nur zehn Heller entrichten mussten, knöpfte »man uns armen Studenten das Zwanzigfache dieses Betrags ab«.118 Unfähig oder auch nur unwillig, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, hatte Hitler von einer kleinen Waisenrente und vom Geld seiner Tante Johanna Pölzl gelebt, die ihm im Februar 1908 den Betrag von 924 Gulden vorgestreckt hatte. Er war aber keineswegs so wohlhabend, wie verschiedene Biografen hochgerechnet haben – weitere größere Geldbeträge kamen erst nach dem Tod der Tante im Jahr 1911 herein. Das Erbteil des Vaters wurde mit ­Erreichen des 24. Lebensjahrs ausbezahlt, und als dies im Mai 1913 geschah, nutzte er den plötzlichen Geldsegen zum Umzug nach München. Die Waisenrente von 25 Kronen allein reichte zum Leben nicht aus, und später scheinen die Zahlungen überhaupt versiegt zu sein; 1911 entschied das Bezirksgericht Linz, dass der Vormund Josef Mayrhofer »die von ihm bisher zurückbe­haltenen monatlichen Pensionsraten des Adolf Hitler für dessen Schwester Paula Hitler zu verwenden« habe.119 Hitlers eigene Darstellung in Mein Kampf, er habe in dieser Zeit als Bauarbeiter gearbeitet, wurde schon in den 30er-Jahren widerlegt; sie ähnelt allzu auffällig derjenigen, die Anton Drexler, der erste Parteivorsitzende der späteren NSDAP , in seinem 1920 veröffentlichten Heftchen Mein politisches Erwachen niedergelegt hat.120 Es gibt keine andere Erklärung als blanke Not, warum Hitler den gewohnten Lebensstil plötzlich geändert hat. Dem von fremder Hand ausgefüllten Meldezettel seiner letzten Adresse lässt sich entnehmen, dass Hitler am 16. September 1909 unbekannt verzogen war.121 Für die nächsten drei Monate gibt es keine gesicherten Informationen, woraus man anhand der ansonsten lückenlosen Wiener Meldezettel geschlossen hat, dass er wohl obdachlos war.122 Hinweise auf seine Lebensumstände gibt nur der Kleinkriminelle Reinhold Hanisch, der eine erste Fassung seiner Erinnerungen

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1933 im Auftrag des NSDAP-Archivs niederlegte; eine erweiterte Version, in der die Tendenz aufscheint, den ehemaligen Kompagnon gezielt zu diskreditieren, fand Eingang in Heidens Hitler-Biografie und erschien 1939 als Zeitungs­ artikel in The New Republic. Hanisch erinnerte sich noch genau an die armselige Gestalt auf dem Nebenbett im Obdachlosenasyl. Der junge Mann erklärte, er habe die letzten Nächte auf Parkbänken geschlafen, sei dort aber von P ­ olizisten vertrieben worden. Er klagte über wund gelaufene Füße und über Hunger, sodass ihm Mitbewohner Brot gaben und mit Ratschlägen versorgten, wo es Suppe für Bedürftige gebe. Nach kurzer Zeit zogen beide in das Männer­heim in der Meldemannstraße, das nach dem mit Massenschlafsaal ausgestatteten ­Meidlinger Asyl einen erheblichen sozialen Aufstieg darstellte. Nach anfänglicher Freundschaft schieden beide im Streit; Hanisch ermunterte Hitler zum Anfertigen von Bildern, die er anschließend verkaufte. Als Hitler sich bei einem Verkauf übervorteilt glaubte, zeigte er Hanisch im Sommer 1910 an, der daraufhin wegen Veruntreuung verurteilt wurde. Ein hierbei angefertigtes Polizeiprotokoll belegt, dass beide tatsächlich vorübergehend im Obdachlosenasyl gewesen sein müssen, wenngleich der genaue Zeitpunkt und die Dauer nicht bekannt sind. Gegenüber dem Beamten erklärte Hitler, er »kenne den Hanisch vom Asyl in Meidling, wo ich ihn einmal traf«.123 Von Opernbesuchen Hitlers teilt Hanisch nichts mit. Die Orgel einer Prater­ attraktion spielte häufig Auszüge aus Tannhäuser, die Hitler jedes Mal verzückten. Er lauschte dann angestrengt und versuchte seinem Gefährten die Handlung zu erklären, indem er Melodien summte und mit den Armen gestikulierte. Einmal habe er Hanischs Hand ergriffen und gesagt: »Das ist die Stelle! Hörst du! Das ist die Stelle!« Dabei schien es, dass Hitler vor allem die szenischen Vorgänge faszinierten; auch äußerte er, Oper sei doch der beste Gottesdienst. Während Hitler für ­Wagner schwärmte, konnte er sich für Wolfgang Amadeus Mozart nicht erwärmen. Immer wenn die Praterorgel Auszüge aus der ­Zauberflöte spielte, drängte er zum Aufbruch. Mozart sei sentimental und überholt; in ­Wagner finde sich mehr Größe und Kraft, außerdem seien durch seine Werke mehr Leute beschäftigt, besonders im Orchester.124 Oft kann Hitler in dieser Zeit nicht in die Oper gegangen sein, weswegen Aussagen wie, er habe »den ­Tristan damals schon rund dreißig bis vierzig Mal gehört […] in seiner allerersten Besetzung«,125 als fragwürdig erscheinen. Wagners Oper stand während Hitlers Aufenthalt in Wien genau 30-mal auf dem Spielplan der Hofoper; wenn er das Stück so häufig wie behauptet gesehen haben will, hätte er keine Aufführung verpassen dürfen. Glaubhafter erscheint, wenn er in Mein Kampf vom »seltenen, vom Munde abgesparten Besuch der Oper«126 schreibt.

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Hitler konnte offenbar nicht mehr als ein Bild pro Tag malen, das einen Verkaufserlös von drei bis fünf Kronen erzielte; hiervon ging aber die Hälfte als Provision an Hanisch, und es mussten auch noch Farben und anderes Material gekauft werden.127 Da eine Übernachtung im Männerheim lediglich 60 Heller kostete, war ein bescheidenes Leben mit diesem Einkommen wohl möglich, aber ein Parterrestehplatz für zwei Kronen dürfte angesichts dieser ­Einnahmen eine größere Ausgabe gewesen sein. Ein späterer Mitbewohner im Männerheim berichtete, dass Hitler »sehr bescheiden und solide lebte. Ich erinnere mich nicht, ihn jemals im Gasthaus gesehen zu haben, und wenn er einmal eine Zigarette rauchte, war das ein Ereignis für uns. Hin und wieder leistete er sich einen Stehplatz. Davon konnte er dann tagelang begeistert erzählen oder Kritik üben, je nachdem wie es ihm gefallen hatte.«128 WIENER VORBILDER

Hitlers politische Einstellungen waren offensichtlich immer noch widersprüchlich. Sein Operngeschmack mit der Begeisterung für die Hofoper, für Gustav Mahler und Franz Lehár richtete sich eher nach ästhetischen als ideologischen Motiven, und er vermochte es auch, gleichermaßen Georg von Schönerer und den Wiener Bürgermeister Karl Lueger als Vorbilder anzunehmen. Beide ­Politiker galten als Anwälte der kleinen Leute, aber ihre Positionen waren eigentlich unvereinbar: Während die Schönerianer Habsburg und die katholische Kirche mit aller Macht bekämpften, gründete Luegers Christlichsoziale Partei auf der Zustimmung zur Monarchie und zum Katholizismus. Papst Leo  XIII. hatte sich persönlich für Lueger eingesetzt, als Kaiser Franz Joseph diesen wegen seines Antisemitismus anfangs nicht zum Bürgermeister ernennen wollte. Hitler räumt dies ein, wenn er von »inneren Kämpfen« schreibt, die er immer dann anführt, wenn er in Mein Kampf verschleiern will, dass sein Weltbild alles andere als geschlossen war. »In der Volkshalle im Rathaus habe ich ihn [Lueger] zum e­ rsten Male sprechen hören; ich habe innerlich mit mir ringen müssen, ich wollte ihn hassen, aber ich konnte nicht anders, ich mußte ihn doch bewundern; er besaß eine ganz große Rednergabe.«129 Brigitte Hamann hat eingehend dargestellt, welchen Eindruck der charismatische und auf Selbstinszenierung bedachte Politiker auf Hitler machte, dessen Populismus er folgte;130 von dem von den Wienerinnen angehimmelten »schönen Karl«, wie Lueger auch genannt wurde, übernahm Hitler unter anderem die Vorstellung, er müsse unverheiratet bleiben, um den Anhängerinnen Verfügbarkeit zu suggerieren. Er erklärte später, dass er aus »politischen Gründen«

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nicht heiraten könne, und so »halte« er sich »eben in München ein Mädchen«.131 Gemeinsam war Schönerer und Lueger die Feindschaft gegenüber den Juden, aber während der eine völkisch-rassistisch argumentierte, vertrat der andere einen katholisch fundierten Antisemitismus, an den er selbst gar nicht glaubte, der sich aber als zugkräftig bei den Wiener Kleinbürgern erwiesen hatte, von denen sich viele durch jüdische Konkurrenz bedroht sahen; getaufte Juden waren für ihn keine Juden. Die Schönerianer unterstellten den Christlichsozialen dann auch, sie seien gar keine »richtigen« Antisemiten, da die katholische Kirche und »die Juden« trotz aller anderslautenden Bekundungen stillschweigend verbündet seien. »Wo es gefährlich wird, verbindet sich das Judentum mit dem Klerikalismus, um das Erwachen eines rassenhaft deutschen Geistes hintanzuhalten.«132 Hitler behauptete später, sein Antisemitismus habe sich in Wien entwickelt, wo er erstmals mit äußerlich auffälligen orthodoxen Juden in Kontakt kam. Den Trauermarsch aus der Götterdämmerung hatte er angeblich »zuerst in Wien gehört. In der Oper. Und ich weiß noch, wie wenn es heute gewesen wäre, wie ich mich beim Nachhauseweg wahnsinnig erregte über einige mauschelnde Kaftanjuden, an denen ich vorbeigehen mußte. Einen unvereinbareren Gegensatz kann man sich überhaupt nicht vorstellen. Dieses herrliche Mysterium des sterbenden Heros und dieser Judendreck.«133 In Mein Kampf stellt er das »Erkennen« des Juden­problems als ein monatelanges inneres Ringen dar, in dem er »immer wieder rückfällig auf Wochen, ja einmal auf Monate hinaus« wurde; auch kam ihm bei der Lektüre antisemitischer Schriften immer wieder Zweifel »infolge der zum Teil so flachen und außerordentlich unwissenschaftlichen Beweisführung«.134 Seine damaligen Bekannten bekamen von inneren Kämpfen freilich kaum etwas mit. Ein als »Brünner Anonymus« bekannter Mitbewohner des Wiener Männerheims notierte: »Mit Juden hat sich Hitler äußerst gut vertragen und sagte einmal, sie seien ein kluges Volk, das besser zusammenhält als die Deutschen.«135 Geschäftlich pflegte Hitler enge Kontakte mit Juden wie dem Rahmenhändler Jakob Altenberg, dessen Tochter sich später an seine »ungepflegte äußere Erscheinung« erinnerte, »aber auch seine Schüchternheit und die Art, wie er den Blick starr auf den Boden gesenkt hielt, wenn er mit einem sprach«.136 Einer der verlässlichsten Abnehmer seiner Bilder, zu dem er auch einen guten persönlichen Kontakt pflegte, war der jüdische Glasermeister Samuel Morgenstern, was diesen später nicht vor der Deportation bewahrte; er starb 1943 im Getto Litzmannstadt (Łódź), seine Frau wurde vermutlich 1944 in Auschwitz ermordet.137 Sein Kompagnon Reinhold Hanisch, der selbst Antisemit war, zeigte sich überrascht, als er später von Hitler als antisemitischem Politiker hörte, denn die Freundschaft war auch deshalb abgekühlt, weil Hitler sich seinen neuen

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jüdischen Freunden Josef Neumann und Siegfried Löffner zugewandt hatte.138 Nach Hanischs Ansicht bot Hitler damals mit der von Neumann geschenkten Kleidung und dem ungepflegten Bart einen Anblick, »wie er eigentlich bei uns Christen selten vorkommt«.139 Er berichtet, Hitler wollte die landläufigen Vorurteile gegenüber Juden »damals noch nicht gelten lassen. Er nennt Heine einen wirklichen Dichter; erklärt Kunst und Künstler für international; glaubt zwar, daß der Talmud Übervorteilung von Christen gestatte, nennt dagegen die Behauptung vom Ritualmord ›absoluten Blödsinn und ganz grundlose Verleumdung‹«, und er preist »jüdische Wohltätigkeit«. Seine positiven Einschätzungen vermochte Hitler freilich mit Rassedünkel zu vereinbaren, wenn er behauptet, »die Juden seien eine andere Rasse, und eine Verschmelzung sei nicht möglich; sie hätten sogar einen anderen Geruch. ›Auch ich möchte mit einer Jüdin nichts zu tun haben, denn sie stinken‹.«140 Schönerer wie Lueger versuchten, die Nichtdeutschen innerhalb des ­deutschen Sprachraums der Donaumonarchie zurückzudrängen. In der Gründerzeit erlebte Wien ein rasantes Wachstum, wobei die Mehrzahl der Zugezogenen aus B ­ öhmen, Mähren und Galizien kam. Der Zustrom von fremdartig aussehenden orthodoxen Juden und den schon immer in Wien stark vertretenen Tschechen löste bei vielen deutschsprachigen Alteingesessenen Überfremdungsängste aus und verhalf radikalen Parteien zum Aufschwung. So empörte sich das Alldeutsche Tagblatt, dass ein Tscheche für die Position des Leiters des neu gegründeten Tonkünstlerorchesters erwogen wurde, denn eher lerne »ein Krokodil singen oder ein Nilpferd fliegen«, als dass ein Deutscher eine derartige Stelle bei der Tschechischen Philharmonie in Prag bekomme. Aber »hier im gemütlichen Wien, der Stadt, die bekanntlich nur deshalb von den biederen Tschechen so eifrig aufgesucht wird, weil sie hier die beste Gelegenheit haben, die süßen Schnalzlaute ihrer teuren Muttersprache zu üben und sich darinnen zu vervollkommnen, hier, wo sämtliche Ministerien, die Post, die Polizei u. s. w. gründlich vertschecht sind, von den Greislern und Hausmeistern zu geschweigen, kann es wirklich keinen Menschen mehr wundernehmen, wenn in absehbarer Zeit in der Donaustadt nicht nur bei den Hausmeistern, sondern auch bei den Kapellmeistern nur mehr Vollbluttschechen anzutreffen sind.«141 Ein Ausfluss der sozialen Spannungen zwischen den Volksgruppen war ein Sammelsurium rassistischer Theorien, die die negativen Affekte in mehr oder weniger geschlossene Weltbilder zu gießen versuchten. Ähnliches gab es auch andernorts, aber das kulturelle Klima des Schmelztiegels Wien scheint sie besonders begünstigt zu haben; selbst Houston Stewart Chamberlain, der über zwanzig Jahre hier lebte, scheint wesentliche Anregungen aus diesem kulturellen Klima bezogen zu haben.

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Zahlreiche Theorien bedienten sich des Identifikationsmodells des Germanen­ tums, aber sie ließen bei dem Versuch, die eigene Überlegenheit zu »beweisen«, alles wissenschaftlich Begründbare hinter sich und stießen oft in den Bereich der Esoterik vor. Reiner Kipper scheint es, dass »die Exklusivität des ­Germanischen […] bei den völkischen Okkultisten ihren höchsten, nicht mehr zu steigernden Grad« erreichte. »Die Stilisierung der Germanen zu Abkömm­ lingen göttlicher Wesen und die Deutung des Rassenkampfes als weltimmanentes Heilsgeschehen sprengte den Begriff des Menschlichen endgültig und scheint aus der Rückschau die Vernichtungsszenarien des 20. Jahrhunderts geistig vorwegzunehmen.«142 So forderte der Rassentheoretiker Jörg Lanz von Liebenfels als ein Vorkämpfer der damals viel diskutierten Eugenik »strengste Reinzucht«, denn das »Himmelreich wird erreicht durch Eingriffe in das Geschlechtsleben. Die Minderwertigen müssen auf gelinde Weise ausgerottet werden und zwar durch Verschneidung und Entfruchtung«, »jugendliche Taugenichtse wären ohne Gnade zu kastrieren, oder zu sterilisieren (durch Strahlung)«.143 Von der Fortpflanzung ausgeschlossen werden sollten Verbrecher, Geisteskranke oder erblich Belastete. »Lassen wir nur taugliche Menschen zur Zeugung zu, so sind Spitäler, Gefängnisse und der riesige Justizapparat so ziemlich überflüssig.«144 Die minderwertigen Rassen hätten den »Edelmenschen« zu dienen, denn das, was »der Germane an Gehirnwerten der Menschheit gegeben, das müssen nunmehr die Minderen in Handarbeit als Gehirnzins zurückzahlen.«145 Bei allen Differenzen im Detail zwischen den verschiedenen Wiener Rassen­ theoretikern, die sich gegenseitig mitunter scharf bekämpften, ist ihnen ein Kulturverlaufsmodell gemein, das vor allem durch Joseph Arthur von ­Gobineau populär geworden war. Es beschreibt die kulturelle Entwicklung der letzten Jahrhunderte als einen steten Niedergang, für den die Vermischung der ­Rassen ursächlich sei. Damit übereinstimmend vertritt Hitler in Mein Kampf die These, »alle großen Kulturen der Vergangenheit gingen nur zugrunde, weil die ursprünglich schöpferische Rasse an Blutsvergiftung ausstarb«.146 Zugleich distanzierte sich Hitler dort explizit von rechter Esoterik, wenn er behauptete, »bei den sogenannten religiösen Reformatoren auf altgermanischer Grundlage« habe er »immer die Empfindung, als seien sie von jenen Mächten geschickt, die den Wiederaufstieg unseres Volkes nicht wünschen«. Die »völkischen Ahasvere« seien Feinde der Bewegung, in der sie die Macht hassen, »die ihren Unfug steuert«.147 Es muss ihm peinlich gewesen sein, mit Theorien in Verbindung gebracht zu werden, deren offensichtliche Abstrusität das ihnen verwandte nationalsozialistische Gedankengebäude diskreditierte. Ein Wiener Professor erzählte nach dem Krieg, er habe zwischen 1934 und 1938 in seinen Vorlesungen oftmals den

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Glauben der überwiegend nationalsozialistisch eingestellten Studenten durch den Hinweis auf diese Strömungen »als Quelle Hitlers erschüttert, da die Primitivi­tät und Verrücktheit dieser Ideen« offensichtlich waren.148 Hitlers spätere Verurteilung rechter Esoterik vermag nicht zu verbergen, dass er sich in seiner Jugend mit ihren Ideen auseinandergesetzt hat. Eine dieser Quellen war der bereits erwähnte Guido von List, der nach dem Beginn mit historischen Romanen immer mehr ins Abseitige abgedriftet war. 1902 hatten sich dem vorübergehend erblindeten Schriftsteller, wie er meinte, intuitiv die Geheimnisse der Germanen offenbart wie die Bedeutung der Edda, der Runen und der Gebräuche. Ein erstes Manuskript, das er an die Kaiserliche Akademie der Wissenschaften sandte, bekam er postwendend kommentarlos zurück. Ein Verleger fand sich nicht, woraufhin seine Anhänger 1907 die »­Guido-von-List-Gesellschaft« gründeten, unter deren Mitgliedern sich Persönlichkeiten wie der Wiener Bürgermeister Lueger befanden, die Geld für den Druck der Bücher sammelten.149 In rascher Folge konnten nun Lists Schriften veröffentlicht werden, von denen Hitler seiner Buchhändlerin erklärt haben soll, er habe sie gekannt:150 1908 erschienen Die Armanenschaft der Ario-Germanen und Die Rita der Ario-Germanen, 1909 Die Namen der Völkerstämme Germaniens und deren Deutung und Die Religion der Ariogermanen in ihrer Esoterik und ­Exoterik, 1910 Die Bilderschrift der Ario-Germanen (Ario-Germanische Hieroglyphik), 1911 Der Übergang vom Wuotanismus zum Christentum und 1914 Die Ursprache der Ario-Germanen und ihre Mysteriensprache. Unter anderem glaubte List nachweisen zu können, wie groß das ario-germanische »Urland« einst gewesen sei. Neben weiten Teilen Europas habe auch Russland dazu gehört, wobei sich Ural in »›ur-al‹ = Ursonnenfeuer, also von diesem erzeugt« auflöse. Viele dortige Städte seien germanische Gründungen wie Riga, »aus ›ri‹ = Recht, Rita und ›ga‹ = geben, also ›Rechtgebend‹, ein Armanenort«, oder Kiew, »aus: ›ki‹ = kennen und ›ew‹, eh = Gesetz; also: Gesetzeskenner, ein armanischer Gerichtsstuhl«.151 Auch für allerlei Volksbräuche bot er Erklärungen: »Karneval« komme von »›car‹ = eingeschlossen, ›na‹ = Geburt, ›val‹ (ual) = aller, ist das Zeugungsfest des Volkes, beziehungsweise der Menschheit (der Rasse)«.152 Die Verbreitung des Hakenkreuzes in Asien beweise, dass die Arier dort kulturstiftend tätig waren. Ursprünglich aus Nordeuropa kommend, hatten sie sich über die ganze Welt verbreitet; selbst Buddha sei Arier gewesen.153 Allen möglichen Rassenfragen widmeten sich die Hefte von Lanz von ­Liebenfels, die ab 1906 preiswert in hoher Auflage an Wiener Tabaktrafiken erhältlich waren. Gegen Lanz’ Behauptung, er sei der Ideengeber Hitlers gewesen, hat man eingewandt, dass seine Thesen innerhalb der völkischen Bewegung

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mehr oder minder Allgemeingut waren, das er lediglich in besonders spektakulärer Form aufbereitet habe. Für Joachim Fest war er »der auffälligste Wortführer einer neurotischen Zeitstimmung und hat der brütenden, eigentümlich phantastisch durchwucherten ideologischen Atmosphäre des Wien jener Zeit eine charakteristische Farbe beigesteuert«.154 Nach dem Zweiten Weltkrieg behauptete Lanz, der junge Hitler habe zu seinen Lesern gehört und ihn 1909 einmal besucht. »Hitler erzählte, daß er in der Felberstraße wohnte und in der dortigen Tabak-Trafik die Ostara, das Organ des Lanz, fast regelmäßig gekauft habe. Nun würden ihm zur Vollständigkeit einige Nummern fehlen und er bitte Lanz um diese Nummern. Er bemerkte, daß Hitler ausgesprochen arm erschien, überließ ihm daher einerseits die gewünschten Hefte kostenlos und schenkte ihm außerdem noch zwei Kronen, damit er nach Hause fahren könne. Hitler war dafür sehr dankbar.«155 Überprüfen lässt sich dies nicht, aber tatsächlich lebte der spätere Diktator zu dieser Zeit in der Felberstraße 22, und eine Trafik befand sich vier Hausnummern weiter, was Lanz kaum wissen konnte.156 Der als Adolf Joseph Lanz geborene Okkultist, der sich eine neue Identität als Jörg Lanz von Liebenfels schuf, knüpfte in vielem an den mit ihm befreundeten List an: Wie dieser deutete er das Gebot der Nächstenliebe so, dass der »Nächste« nur jemand der eigenen Rasse sein könne.157 Im Gegensatz zu Lists neuheidnischem Glaubenssystem blieb der ehemalige Zisterziensermönch Lanz dem Christentum verpflichtet und leitete sein Rassensystem aus einer eigenwilligen Interpretation der Bibel ab; Wilfried Daim spricht von einem »pervertierten Christentum«.158 Eine große Faszination übte der mittelalterliche Orden der Templer auf Lanz aus; als Kind hatte er Tempelritter werden wollen, nachdem »die erste Oper, die ich hörte, Marschners Templer war. Beim ersten Auftreten des Templers war ich direkt in Ekstase versetzt und war nun für das ganze Leben von der Tempeleisen-Idee erst recht entflammt.«159 Gemeint ist Heinrich Marschners Oper Der Templer und die Jüdin (1829), deren Handlung auf Walter Scotts Roman Ivanhoe beruht. Lanz’ Neutemplerorden, auf dessen an der Donau gelegener Ordensburg Werfenstein er bereits 1907 eine Hakenkreuzfahne hisste, war ein völkisch-esoterischer Geheimbund, der mit einer eigenen Liturgie Gralsfeiern abhielt, bis dies 1938 von der Gestapo unterbunden wurde.160 Dem Orden, der nur reinrassigen Ariern offenstand, hätte Lanz selbst allerdings eigentlich nicht beitreten dürfen, da seine Mutter einer jüdischen Familie entstammte. Als sein Hauptwerk gilt das 1905 veröffentlichte ariosophische Traktat Die Theozoologie oder die Kunde von den Sodoms-Äfflingen und dem Götter-Elektron. Eine Einführung in die älteste und die neueste Weltanschauung und eine Rechtfertigung des Fürstentums und des Adels. In ihrer Zeit fanden die kruden Ideen

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Anhänger, und August Strindberg, der als »Fra August« dem Neutemplerorden ­­ angehörte,161 gratulierte: »In einem Zug habe ich Ihren [sic] Buch gelesen und – bin erstaunt. Ist das nicht das Licht selbst, so bleibt es eine Lichtquelle. Seit ­Rembrandt der Erzieher habe ich nicht so eine Profetenstimme gehört.«162 Er meinte das damals populäre Buch Rembrandt als Erzieher von Julius Langbehn, dessen Titel auf Friedrich Nietzsches dritte »Unzeitgemäße Betrachtung« ­Schopenhauer als Erzieher anspielte und das den niederländischen Maler zu einem ­romantisch-mystischen Gegenentwurf zur Moderne verklärte. Zu den Lesern Lanz’ zählten unter anderem der Schriftsteller Dietrich Eckart und Rudolf von Sebottendorf, der Gründer der Münchner Thule-Gesellschaft; eine Verbindung führt auch zu Heinrich ­Himmler, dessen Berater Karl Maria Willigut – gleichfalls ein Wiener ­Okkultist – mit der Bewegung von Lanz in Verbindung stand. Lanz sah die Welt im Widerstreit von gottgleichen, blonden und blau­äugigen Ariern mit dunkelhäutigen, kulturzersetzenden, eher Affen als Menschen ähnelnden »Äfflingen«. Er definierte die Rassenzugehörigkeit über äußere Merkmale, was mithilfe eines »Rassenwertigkeitsindex« berechnet werden könne. Für blaue oder blaugraue Augen gab es zwölf Pluspunkte; dunkelgraue oder dunkel­ braune Augen wurden neutral bewertet, während schwarze Augen mit zwölf Minuspunkten zu Buche schlugen. Bewertet wurden auch Haarfarbe, Hautfarbe, Nasenform und eine Reihe weiterer Merkmale, bei deren Addition der ideale Ario­heroiker auf 100 Punkte komme. Während man von 0 bis 100 Punkten von einem Mischling sprechen müsse, seien Menschen, deren Index im negativen Bereich liege, »Äfflinge«.163 Dass Hitler diese Bilder vertraut waren, zeigt seine beiläufige Bemerkung, wonach es Aufgabe eines völkischen Staates sei, Rassenschande zu verhindern, nämlich »Mißgeburten zwischen Mensch und Affe«.164 Allerdings setzte Lanz in der Theozoologie die »Äfflinge« nicht explizit mit den Juden gleich – erst spätere Schriften zeigen ihn als rabiaten Antisemiten. 1905 forderte er nur, man solle Stipendien nach »anthropologische[n] Eigenschaften« vergeben und dann »strenge auf (alte, gut germanische, bei Juden auf echt israelitische) Abstammung«165 achten. Er ging sogar so weit, verschiedene Wiener Persönlichkeiten jüdischer Herkunft aufgrund ihres Aussehens zu feiern. »Der heroische Mensch ist auch der geniale Mensch. Karl Kraus ist ein Genie, ein wahres Genie, denn sein Wirken ist ein bahnbrechendes und schöpferisches. Schon das allein spricht für das Wesen seiner Rasse.«166 Kraus antwortete darauf mit dem Artikel Er ist doch ä Jud!, in dem er angewidert seine Ablehnung zum Ausdruck brachte, für Rassenfragen eingespannt zu werden.167 Lanz’ oberstes Feindbild waren »die Frauen«, worin er an das damals viel diskutierte Buch Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes (1900) des Leipziger

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Neurologen Paul Möbius und an Otto Weiningers Geschlecht und ­Charakter (1903) anknüpfte. Lanz fragte, »wessen Gattinnen wäret ihr heute, wenn euch nicht der Edelmenschenmann, wenn euch nicht göttergleiche ­Siegfriede den Sodomsunholden entrissen hätten, wenn sie euch nicht in ein warmes Nest gesetzt, wenn sie euch nicht mit dem Schwert in der Hand durch tausend und tausend Jahre gegen Slaven, Mongolen, Mauren und Türken verteidigt hätten? […] Der Mann hat das Weib den Sodomsunholden abgerungen, und dafür ist es sein Eigentum.«168 Hitler übernahm zwar nicht den Frauenhass von Lanz, aber er folgte dessen Obsession, Rassenkampf sei immer zugleich Kampf um die blonde Frau, wenn er in Mein Kampf behauptet: »Der schwarzhaarige Judenjunge lauert stundenlang, satanische Freude in seinem Gesicht, auf das ahnungslose Mädchen, das er mit seinem Blute schändet und damit seinem, des Mädchens Volke raubt.«169 Frauen waren nach Lanz für den Rassenverfall verantwortlich, da sie aus Lüsternheit den sexuell potenteren Minderrassigen bevorzugten. Ein Frauenhasser sei Lanz aber keineswegs, behaupteten seine Anhänger, da er »der heroischen Frau als Zuchtmutter eine Würdigung zuteilwerden [lasse], wie kein zweiter«.170 Positionen wie diese waren allerdings selbst innerhalb der völkischen Bewegung nicht mehrheitsfähig, und in alldeutschen Blättern gingen immer wieder wütende Leserbriefe ein wie der einer »deutschen Mutter«, die die Zuchtmutter-Theorie als »ehrenrührig«, »frauenfeindlich« und »entwürdigend« angriff.171 Das Pathologische seines Denkens macht auch die ständige Akzentuierung des Sexuellen deutlich, denn er lehnte die »wilde und ununterbrochene Liebesbrunst des Menschen« ab und hoffte, dereinst werde man »den Menschen nicht mehr durch fleischliche Vermischung, sondern vielleicht durch Strahlung zeugen«.172 Die Vermischung von Menschen und »Äfflingen« sei der biblische Sündenfall gewesen. »Wenn es in Gen. II, 20 von Adam heißt, er habe die Tiere benannt, so heißt dies, er habe sie sodomisiert. Denn ›mit Namen nennen‹ bedeutet in der Bibel und in den Keilschriften so viel als ›den Beischlaf ausführen‹«.173 Die moderne Elektrizität interpretiert Lanz als eine Art göttlicher Zauberkraft, denn war »Jesus wirklich ein Engelsmensch, so muß er auch elektrische Kraft besessen haben. Als ihn das blutflüssige Weib berührte, merkte er es und sagte: ›Ich fühle eine Kraft von mir ausgehen‹ (Luc. VIII., 46).«174 Daraus leitete er Erkenntnisse ab wie, »Gott hat die Gestalt eines ›Elektrons‹«, und die Behauptung, dass »die ›Bundeslade‹ elektrisch war und deshalb jeden niederschmetterte, der sie berührte«.175 Die elektrobiologischen Fähigkeiten der Übermenschen gingen durch den Sündenfall verloren, aber etwas vom »göttlichen Elektron« lebe in den »alten, blutecht gebliebenen Fürstenhäusern fort«, sofern sie ihre

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Reinheit behielten. »Halte die Dirnen ab von den Fürsten, damit sie edles Blut nicht verfälschen«, forderte Lanz. »Bewahre die Fürstinnen vor den Stallknechten. Die Hure unter dem Fürstenthron und der Sohn des Stallknechts auf dem Fürstenthron sind die Geißel und der Tod der Völker.«176 Über diese Aspekte reflektierte auch Hitler, wenngleich mit anderem Ergebnis – der aristokratie­ feindliche Diktator wertete es als positiv, dass »in sehr vielen Geschlechtern von Fürstlichkeiten wie des Adels das gutbürgerliche Blut kräftiger Leibkutscher, Diener, Wachtposten und so weiter geflossen ist«.177 Lanz wollte neben fast allen Grundproblemen der Welt nichts weniger als die gesamte Musikgeschichte erklären. So wie »der blonde Mensch der ­Schöpfer und Erfinder aller technischen Werkzeuge ist«, war er auch derjenige der Harfe, die sich »aus einer Kriegs- und Jagdwaffe, dem Bogen, herausgebildet habe […] Das Abschnellen des Pfeils, das Prüfen der Sehnenspannung mit den Fingern mußte die Menschen bald darauf gebracht haben, den Bogen auch als Toninstrument zu verwenden.«178 Die blonde Rasse sei »die Erfinderin der ­Metall-Instrumente […] was ja schließlich begreiflich ist, da ja die Metalle zuerst von den heroisch-arischen Völkern technisch verarbeitet wurden«.179 Auch in der Kompositionsgeschichte werde der Blonde »um sein geistiges Eigentum bestohlen und obendrein noch herabgesetzt«.180 Die »Mediterranoiden« schmückten sich mit fremden Federn, denn die großen Komponisten der Renaissance seien alle Ariogermanen gewesen, Niederländer wie »ihr größter Meister Orlando di Lasso, ein blonder, helläugiger heroischer Typus. Von den Niederländern stark beeinflußt ist Palestrina. Er hieß eigentlich Gant, seine Familie dürfte also germanischen Ursprungs sein. Er war blond, langgesichtig, helläugig, das Untergesicht aber vorgebaut.«181 Neben Komponisten wie Brahms, Bruckner, Pfitzner, Schumann und Spohr (»ganz hervorragend schöne Rassenerscheinung, daher Romantiker!«) zählt Lanz auch eine Reihe von Italienern wie Scarlatti, Cimarosa und Donizetti zur »reinen heroischen Rasse«.182 Zur »mittelguten heroischen Rasse« gehören seiner Ansicht nach fast alle anderen Komponisten von Rang, darunter ­Wagner (»primitiv-heroid, aber blond, helläugig, kolossale Schädelentwicklung«), Johann Sebastian Bach (»in den flachen, kleinen, zwar hellen Augen ohne sichtbare Lider ein leichter mongoloider Einschlag«) und Wolfgang Amadeus Mozart (»hell, etwas spitze Nase«). Dass der Antisemitismus für Lanz zu diesem Zeitpunkt noch nicht im Mittelpunkt stand, macht deutlich, dass auch Giacomo Meyerbeer (»dunkelblond, graue Augen, in der Plastik etwas mediterraner Einschlag«) und Gustav Mahler (»mediterran-heroid«) in dieser Kategorie ihren Platz fanden. Es gebe kaum bedeutende Tonkünstler, die nicht heroischer Rasse seien, und »bezeichnender Weise ist ihre Bedeutung

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überschätzt, oder sie sind Vertreter einer Verfallskunst. Dies gilt vor allem für Beethoven (primitiv, dunkel).« In der untersten Schublade befinden sich mit den Operettenkomponisten und Giacomo Puccini einige von Hitlers Favoriten, was belegt, dass seine Aneignung der Ideen von Lanz bestenfalls partiell gewesen sein kann: »Ausgesprochen Dunkelrassige und Verfallsmusiker sind: Offenbach, Johann Strauß II., Oskar Straus, Saint-Säens, Leoncavallo, Puccini und die große Zahl der Operetten-Macher.«183 Die Rassentheorien Lanz’, bei dem die Reinheit des Blutes im Mittelpunkt steht, und dessen Neutemplerorden »wissender« Männer (oder was er dafür hielt) hinterließen jedoch möglicherweise Spuren in Hitlers ­Wagner-Bild. In dem Ostara-Heft Der heilige Gral als das Mysterium der arisch-christlichen Rassen­kultreligion deutet Lanz die historische Gralsburg als die »Zufluchtsstätte und Zuchtstätte der Menschenauslese«. Die Templerstätten seien »Heilstätten der höheren Rasse« gewesen, »von denen aus die entartende Menschheit von Zeit zu Zeit immer wieder neu hinaufgezüchtet werden sollte, in körper­ licher und geistiger Hinsicht«. Die Sittenlehre des Grals könne nur »heroisch-­ arische Rassen­hygiene sein. Sie muß mannesrechtlich, reinzüchterisch und ver­mischungsfeindlich gewesen sein.«184 Auf diese Vorstellungen verweist die oft zitierte und Hitler zugeschriebene Deutung von Parsifal,185 die wie eine Applikation des Ostara-Heftes auf ­Wagners Bühnenweihfestspiel erscheint. Der als historische Quelle umstrittene Hermann Rauschning legt Hitler in den Mund, man müsse »den Parsifal ganz anders verstehen, als er gemeinhin interpretiert wird, wie etwa von dem Flachkopf Wolzogen. Hinter der abgeschmackten, christlich aufgeputzten äußeren Fabel mit ihrem Karfreitagszauber erscheint etwas ganz anderes als der eigentliche Gegenstand dieses tiefsinnigen Dramas. Nicht die christliche-Schopenhauersche Mitleidsreligion wird verherrlicht, sondern das reine heilige Blut, das in seiner Reinheit zu hüten und zu verherrlichen sich die Brüderschaft der Wissenden zusammengefunden hat. Da leidet der König an dem unheilbaren Siechtum, dem verdorbenen Blut. Da wird der unwissende, aber reine Mensch in die Versuchung gestellt, sich in dem Zaubergarten Klingsors der Lust und dem Rausch der verdorbenen Zivilisation hinzugeben oder sich zur Auslese von Rittern zu gesellen, die das Geheimnis des Lebens hüten, das reine Blut. Wir alle leiden an dem Siechtum des gemischten, verdorbenen Blutes. Wie können wir uns reinigen und sühnen? Merken Sie, daß das Mitleid, durch das man wissend wird, nur dem innerlich Verdorbenen, dem Zwiespältigen gilt. Und daß dieses Mitleid nur eine Handlung kennt, den Kranken sterben zu lassen. Das ewige Leben, das der Gral verleiht, gilt nur den wirklichen Reinen, Adligen!«186

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MÜNCHEN MUSENSTADT

Am 24. Mai 1913 zog Hitler von Wien nach München. Wie seine Abreise aus Linz stand auch dieser Umzug in einem auffälligen zeitlichen Zusammenhang mit einem ­Wagner-Jubiläum. Zwei Tage zuvor hatte man allerorts den 100. Geburtstag des Komponisten gefeiert, wobei die Wiener Neue Freie Presse dem »­Napoleon der deutschen Musik«1 gleich die ganze Titelseite gewidmet hatte; auf dem Spielplan der Wiener Hofoper hatten die Meistersinger von Nürnberg gestanden. J­ oachim Fest vermutet, dass es künstlerisch-romantische Motive waren, die Hitler in die Musenstadt München führten – und nicht politische, wie er in Mein Kampf behauptet, denn hierfür hätte er nach Berlin gehen müssen.2 Noch 1943 betonte der Diktator gegenüber Joseph Goebbels, welche Vorzüge München habe. »Die Wiener seien gar nicht so kunstfreudig, wie man das vielfach behaupte. Jedenfalls zeichneten sie sich der Kunst und ihren Künstlern gegenüber durch eine bemerkenswerte Undankbarkeit aus. Ganz anders sei es dagegen in München. ­München sei doch mehr eine ländlich gewachsene Stadt. Wenn sie auch nicht so viel Weltformat besitze wie Wien, so weise sie doch eine Reihe von Liebenswürdigkeiten auf, die Wien nicht habe.«3 Man kenne Deutschland nicht, schrieb Hitler in Mein Kampf, »wenn man München nicht kennt, nein, man kennt vor allem die deutsche Kunst nicht, wenn man München nicht sah«.4 Die bayerische Metropole war ein Ort der Kunst, nicht aber der künstlerischen Avantgarde: Bis der Ankauf zeitgenössischer Maler durch die staatlichen ­Münchner Museen 1914 ganz eingestellt wurde, hatten sie kein einziges Bild der heute so berühmten Gruppe »Der Blaue Reiter« von Franz Marc, Paul Klee, ­Wassily ­Kandinsky und August Macke erworben.5 In seiner Ablehnung der Moderne fügte sich Hitler in das kulturelle Klima der Stadt. Er erklärte später, in jungen Jahren sei es sein Traum gewesen, einmal so erfolgreich zu sein, dass er sich einen echten Grützner leisten könne.6 Eduard von Grützner, der damals noch lebte und in München hohes Renommee genoss, hatte sich mit historischen Genrebildern einen Namen gemacht, die trinkfreudige Mönche und Ähnliches zeigen. Zugleich war München eine Hochburg der ­Wagner-Pflege. Bekanntlich hatte König Ludwig II. unmittelbar nach seiner Thronbesteigung den Kontakt zu dem Komponisten gesucht. Im Münchner Nationaltheater hatten die Uraufführung von Tristan und Isolde (1865), Die Meistersinger von Nürnberg (1868), Rheingold (1869) und Die Walküre (1870) stattgefunden, 1878 gab es hier die erste vollständige Aufführung

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des Rings des Nibelungen außerhalb Bayreuths zu sehen. Der ­Wagner-Kult, der um 1900 viele bizarre Blüten trieb, wurde hier noch verbissener betrieben als an den meisten Theatern außerhalb Bayreuths. Selbst kleinste Abweichungen von ­Wagners szenischen Vorgaben wurden nicht toleriert, weshalb das Münchner Tagblatt polemisierte, dass »man heutzutage mit dem Maßstabe nachmesse, ob Brünnhilde nicht den Speer einige Centimeter zu weit vorsetze, ob die Helden den richtigen Abstand voneinander hätten«.7 Zugleich war der ­Wagner-Kult auch in München auf das Engste mit der völk­ischen Bewegung verflochten. 1913 war der Aufführung der Meistersinger aus Anlass des 100. Geburtstags des Komponisten eine Gedächtnisrede vorangestellt, »die ­Wagner nicht nur als den großen Musiker und Dramatiker, sondern vor allem auch als machtvollsten Vorkämpfer deutscher Kultur und deutschen Geistes überhaupt feierte«. Die Vorstellung ging in »weihevoller Stimmung« über die Bühne, und am »Schluß der Szene auf der Festwiese, beim letzten Preisgesang auf deutscher Meister Ehr’, formierte sich die Gruppe auf der Bühne mit der Front gegen das Publikum und Sachs-Feinhals [Fritz Feinhals als Hans Sachs] sang, an die Rampe vortretend, das ›Ehrt eure deutschen Meister‹ mit ­Stentorstimme ins Haus. Die Festbeleuchtung flammte auf, das Publikum erhob sich von den Sitzen, dem Genius des verewigten Meisters huldigend.«8 Bereits 1875 hatte Karl von Perfall die Münchner Festspieltradition begründet, in deren Mittelpunkt Musteraufführungen der Werke Wagners standen. 1892 präsentierte er erstmals den Plan eines neu zu errichtenden »Festspielhauses für das Volk«, »das frei von jedwedem Frondienste, in vollster Unabhängigkeit und mit reichsten Hilfsquellen durch den Beistand der kgl. Theater an der Erreichung großer Ziele zu arbeiten vermöchte«.9 Sein Nachfolger Ernst von Possart kündigte 1893 vollmundig einen Aufführungszyklus mit dem ­Ensemble der Bayreuther Festspiele an, was zwar nicht ganz den Tatsachen entsprach, aber vom Publikum positiv angenommen wurde. Angesichts stark erhöhter Preise konnte von Aufführungen für das Volk allerdings nicht mehr die Rede sein. Dank des Erfolgs der ersten Münchner Festspiele wurde der Plan eines eigenen ­Wagner-Theaters mit großer Energie verfolgt. Erste Pläne hatte es schon 1863 unter Ludwig  II. gegeben, und Gottfried Semper hatte den Entwurf eines monumentalen Theaters am Hochufer der Isar vorgelegt. Da ­Wagner wenig später München verlassen musste, und wohl auch wegen der unklaren Finanzierung, wurde der Plan nicht weiter verfolgt. Als in den 90er-Jahren das Vorhaben eines Münchner ­Wagner-Theaters wieder aufgegriffen wurde, waren aus Bayreuth Misstöne zu vernehmen. Cosima wetterte gegen das Konkurrenzunternehmen von »Mime und Alberich« (Hermann Levi und Perfall), das den »großen Gedanken« der Festspiele in eine »schnöde Spekulation« verwandle.10

Musenstadt  |

1 Das Prinzregententheater

Im Jahr 1900 begann an der damaligen östlichen Peripherie Münchens die Errichtung des von Max Littmann entworfenen Prinzregententheaters, das nach nur ­ ürnberg einem Jahr Bauzeit mit einer Neuinszenierung der Meistersinger von N eröffnet werden konnte. Für die ­Wagner-Festspiele übernahm man sogar das Bayreuther Zeremoniell mit Fanfaren und den während der Aufführung verdunkelten Zuschauerraum, wenngleich manche Zeitgenossen wie ­Thomas Mann die »Feierlichkeitsmaßregeln zum Theil affectirt und unerfreulich« fanden.11 Das Gebäude folgte der Konzeption des Bayreuther Festspielhauses und verfügte als einziges weiteres deutsches Theater über einen versenkten Orchester­graben mit Sichtblende und Schalldeckel. Eine genaue Kopie war das Prinz­regententheater aber nicht, denn es unterscheidet sich in zahlreichen baulichen Details und verfügt über ein geringeres Fassungsvermögen. Seine Affinität zu dem Münchner ­Wagner-Festspielhaus bewies Hitler im Jahr 1929, als er eine repräsentative Wohnung im zweiten Stock des großbürgerlichen Hauses ­Prinzregentenplatz 16 bezog. In dem dem Theater benachbarten Gebäude hatte früher die älteste ­Wagner-Tochter Isolde mit ihrem Mann Franz Beidler gewohnt; sie war aber bereits 1919 verstorben, und Hitler hatte sie nie kennengelernt.12 Nach dem Krieg ging die geräumige Wohnung in den Besitz des Freistaats Bayern über, der in ihr amtliche Einrichtungen einquartierte, um Missbrauch zu verhindern. Heute befindet sich dort die Münchner Polizeiinspektion 22.

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Hitler blieb ein Sonderling, der neben seinem Vermieter Josef Popp und dessen Familie sowie dem vier Jahre jüngeren Handlungsgehilfen Rudolf Häusler kaum Kontakte gepflegt zu haben scheint; ein Zeitgenosse beschrieb ihn später als »anfangs direkt unsympathisch, bei näherer Bekanntschaft netter«.13 Hitler und Häusler kannten sich noch aus dem Wiener Männerheim; sie waren gemeinsam nach München gezogen, wo sie sich neun Monate lang ein Zimmer bei den Eheleuten Popp teilten. Später kam es zum Streit und daran anschließend zum Auszug Häuslers, der »nachts schlafen wollte, während Hitler oft bis drei bis vier Uhr morgens die Petroleumlampe brennen ließ und über dicken Büchern saß, die er sich aus der Staatsbibliothek ausgeliehen hatte«.14 Im Gegensatz zur Freundschaft mit August Kubizek, die sich vor allem durch die gemeinsame ­Wagner-Begeisterung definiert hatte, war Häusler nicht an Kunst und Musik interessiert. Er berichtete später von dem ersten Opernbesuch seines Lebens, zu dem ihn Hitler in die Wiener Hofoper mitgenommen hatte. Der als ungeduldig beschriebene Häusler überstand die lange Aufführung von Tristan und Isolde nur mit Mühe, da ihn Müdigkeit und Hunger plagten, was Hitler aber nicht davon abhielt, ständig aufgeregt die verschiedenen Motive zu erklären.15 Einen Musikliebhaber scheint Hitler 1914 in dem 36-jährigen Assessor Ernst Hepp kennengelernt zu haben, der später als Reichsrichter am Obersten Finanzgericht in München, dann als Ministerialdirigent im bayerischen Finanzministerium Karriere machte. »Manchmal lud Hepp den stets hungrigen Hitler zum Essen in seine Wohnung ein, oder er gab ihm auch ab und zu eine Karte für die Oper und für ein Konzert, denn Hitler war stets musikbegeistert.«16 Hitler gab sich nach seiner Übersiedlung nach Bayern weiterhin Künstlerträumen hin, ohne ihrer Realisierung auch nur einen Schritt näher zu kommen. Der kommerzielle Erfolg des Malens von Sehenswürdigkeiten ließ anfangs zu wünschen übrig. In München gab es in diesem Bereich eine große Konkurrenz, und um die Jahrhundertwende hatte man dort nicht weniger als 1180 eingetragene Kunstmaler und Bildhauer gezählt.17 Da der Markt nicht alle Erzeugnisse aufnehmen konnte, wichen viele Künstler auf Souvenirmalerei aus, also den Bereich, in dem sich auch Hitlers Bilder bewegten. Als der Münchner Arzt Hans Schirmer im Sommer 1913 im Garten des Hofbräuhauses saß, bemerkte er »einen sehr bescheidenen und im Äußeren recht mitgenommen aussehenden jungen Mann, den ich für einen mittellosen Studenten hielt und der an den Tischen vorbeiging, um ein kleines Oelbild zum Kauf anzubieten«. Der Eindruck war so mitleiderregend, dass Schirmer das Bild kaufte. Ihm fiel auf, dass Hitler sogleich ans Büfett eilte, um sich mit dem soeben verdienten Geld etwas zu essen zu kaufen.18

Bruno Walter  |

Ende 1913 machten die österreichischen Militärbehörden Hitler, der sich bisher dem Dienst an der Waffe entzogen hatte, in München ausfindig und luden ihn zur Musterung nach Linz vor. Er bat diese im näher gelegenen Salzburg absolvieren zu dürfen, wo er schließlich für untauglich erklärt wurde, was er mit seiner schwierigen Lebenslage rechtfertigte. Gegenüber dem Linzer Magistrat erklärte er im Januar 1914: »Wohl verdiene ich mir meinen Unterhalt als selbständiger Kunstmaler jedoch nur, um mir, da ich ja gänzlich vermögenslos bin, (mein Vater war Staatsbeamter) meine weitere Fortbildung zu ermöglichen. Nur einen Bruchteil meiner Zeit kann ich zum Broterwerb verwenden, da ich mich als Architektur Maler noch immer erst ausbilde. So ist auch mein Einkommen nur ein sehr bescheidenes, gerade so groß, daß ich eben mein Auskommen habe.«19 Allmählich etablierte er sein Geschäft, und spätere Berechnungen seines Einkommens bestätigen seine gegenüber den Militärbehörden gemachte Angabe, er habe monatlich rund 100 Mark verdient, was ungefähr dem Lohn eines Arbeiters entsprach.20 Der gelegent­liche Besuch des Nationaltheaters war damit möglich, während die Münchner ­Wagner-Festspiele im Prinzregenten­ theater vermutlich außerhalb seiner Möglichkeiten lagen. Dort gab es nach Bayreuther Vorbild einen Einheitspreis, der auf allen Plätzen 20 Mark betrug. Dies war das Doppelte der teuersten Karte im Nationaltheater21 und exakt die Summe, die Hitler als monatliche Miete für sein Zimmer aufzubringen hatte. Was er neben dem Malen von Münchner Sehenswürdigkeiten gemacht hat, bleibt weitgehend im Dunkeln. Er behauptete später, er habe sich zu dieser Zeit »an allen damaligen Konkurrenzen« zum Bau von Opernhäusern beteiligt, »und als die Entwürfe zum Bau der Oper in Berlin publiziert wurden, hat mir das Herz geklopft, wenn ich mir sagen mußte, viel schlechter als das, was du selbst geplant hast! Auf das Theatergebiet hatte ich mich spezialisiert!«22 BRUNO WALTER

Als Hitler nach Bayern zog, fand er dort einen schon von den Besuchen der ­ iener Hofoper vertrauten Musiker als Leiter der Münchner Oper vor. Der W ­jüdische Dirigent Bruno Walter war mit Jahresbeginn 1913 zum Königlichen General­musikdirektor ernannt worden. Als letzter bayerischer Generalmusik­ direktor wurde er Königlicher Hofbeamter, weswegen er bei Hofkonzerten und offiziellen Anlässen wie der Einweihung des Richard-­Wagner-Denkmals aus Anlass des 100. Geburtstags des Komponisten eine Hofuniform trug. Die ­höfische Tradition wollte es außerdem, dass Walter von einem blauen Z ­ weispänner mit

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livriertem Diener zu den Aufführungen gebracht wurde, wobei er gelegentlich seinen Nachbarn und Freund Thomas Mann mitnahm.23 Walter trat eine schwere Aufgabe an. 1911 war sein Vorgänger Felix Mottl während der 100. Aufführung von Tristan und Isolde zusammengebrochen und wenige Tage darauf verstorben. Schon wenig später war Walter nach ­München eingeladen worden, er wurde aber noch nicht aus seinem Vertrag mit der ­W iener Hofoper entlassen. Dem eifrigen Zeitungsleser Hitler waren nicht die Querelen entgangen, die der Ernennung Walters in München vorangegangen waren. Walter lehnte er im Gegensatz zu dessen Mentor Gustav Mahler scharf ab. 1929 erklärte Hitler, Walter, der 1911 seinen Geburtsnamen Schlesinger abgelegt hatte, sei lediglich ein Produkt der »jüdischen Presse« gewesen. Diese habe den Dirigenten erst groß gemacht, als sie für seinen Verbleib in Wien eintrat. »Kein Mensch hatte bis dorthin Herrn Bruno Walter als etwas besonderes angesehen, aber im Verlauf von 3 Wochen war der Name Bruno Walter mit einer Gloriole umgeben […] So haben die Juden von Wien und München zusammengespielt und haben den Kapellmeister vierten Ranges, Herrn Schlesinger aus Wien, langsam in die Höhe jongliert.«24 Später sagte er, Walter sei »an der Wiener Oper lediglich als eine absolute Null bekannt gewesen, als die Judenpresse Münchens auf ihn aufmerksam gemacht habe und er durch ein neckisches Hin und Her der Presse in München und Wien plötzlich zu dem ›genialsten‹ Dirigenten Deutschlands hochgelobt worden wäre. Den Schaden habe die Wiener Oper davon gehabt. Denn mit ihrem großartigen Orchester habe er bei seinen Aufführungen mit ganz kurzen Proben lediglich Biermusik zu machen verstanden und so die Oper selbst völlig auf den Hund gebracht.«25 Welche Gründe Hitlers Ablehnung des Dirigenten gehabt haben mag, ist nicht völlig klar; neben der Herkunft kommen auch künstlerische Gründe wie misslungene Aufführungen in Betracht, denn auch verschiedene »arische« Dirigenten wie Herbert von Karajan konnte Hitler nicht leiden, nachdem dieser sich bei einer Aufführung der Meistersinger von Nürnberg Fehlleistungen erlaubte hatte. Walter war schon in Wien nicht völlig unangefochten gewesen. Auf den ihm wohlgesinnten Kritiker Richard Specht hatte Walter lange »wie eine Miniaturausgabe Mahlers« gewirkt: »Anfangs war sein Dirigieren etwas fahrig, nervös, improvisatorisch unruhig, ja manchmal gesucht«, was sich aber im Laufe der Jahre ausgeglichen habe, und er habe »Leistungen hervorgeholt, die zu den besten des Hauses zählen«.26

Bruno Walter  |

2 Bruno Walter leitet 1913 als bayerischer Generalmusikdirektor ein Gedenkkonzert für Richard Wagner

In München war Walter von Anfang an umstritten. Der einflussreiche Kritiker Alexander Dillmann schrieb in den Münchner Neuesten Nachrichten, der heutigen Süddeutschen Zeitung, Walter und der gleichfalls neu berufene Intendant Clemens von Franckenstein hätten »stark und kraftvoll […] das Steuer der Münchner Hofoper in die Hand genommen und den Entschluß und das Vertrauen derer gerechtfertigt, die sie beriefen«. Die Qualität des Orchesters habe entschieden gewonnen, und Walter habe ihm »etwas zurückgegeben, was eine Zeitlang gegenüber einem allgemeinen ›großen Zug‹ in den Hintergrund getreten war: eine fein gegliederte Orchesterkultur«.27 Die Personal­veränderungen, die ­Walter vorgenommen habe, seien sicher in bester Absicht geschehen. Allerdings müsse man sich fragen, »ob ihm der Erfolg recht gibt«.28 Bei anderer Gelegenheit behauptete Dillmann, bei einer Festspielaufführung der Walküre im August 1913 »verflachte sich Walter […] noch stärker als früher, und zwar derart, daß der dramatische Gesamtzug verloren ging«; ihm »fehle die stilistische Sicherheit […] zwischen den beiden Extremen des Ueberhetzens und des sentimental-süßlichen Zerdehnens«.29 Erzürnt über eine Reihe derartige Rezensionen Dillmanns, aus denen man durchaus das damalige Bayreuther Stereo­ typ herauslesen kann, Juden könnten Wagners Musik nicht verstehen, drohte ­Walter mit einer Klage. Über seinen Rechtsanwalt ließ Dillmann der Intendanz

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der Hoftheater daraufhin eine mehr als 20 Seiten umfassende Rechtfertigung zukommen. Wenn er über Claque am Opernhaus geschrieben habe, dann nicht, um Walter zu unterstellen, dass er damit etwas zu tun habe. Er sei keineswegs gegen Walter eingestellt gewesen, »unsere Meinungsverschiedenheiten liegen auf rein sachlichem Gebiet«.30 Wenig später folgte eine mehr als 30 Seiten lange Erklärung Dillmanns, in der nach einer Diskussion musika­lischer Fragen wie der Verwendung der Posaunen in Wolfgang Amadeus Mozarts Don Giovanni der zentrale Punkt berührt wurde: Der Kritiker rügte das angebliche Anliegen des Dirigenten, »seine stellenweise mit aller Tradition unseres Münchner ­Wagnerstiles im Widerspruch stehende Auffassung um jeden Preis bei Künstlern durchzusetzen und ihnen selbst auf die Gefahr einer Entgleisung hin seinen Willen aufzuzwingen«.31 In der bayerischen Metropole waren Prozesse gegen Musikkritiker alles andere als unüblich. 1907 hatten Generalmusikdirektor Mottl und der damalige Intendant Albert von Speidel gegen Paul Siebert vom Bayerischen Kurier geklagt, der einen künstlerischen »Verfall« der Hofoper konstatiert hatte. 1910 prozessierte Dillmann selbst gegen konkurrierende Münchner Kritiker, die behauptet hatten, »Dr. Dillmanns Kritiken seien nicht immer einwandfrei, man könne diesbezüglich einiges hören«. Niemand nehme sie ernst, »der zum Ekel angespeichelte Herr Mottl komme aus dem Schamrot werden nicht heraus, das Verhältnis Dillmann–Mottl errege Brechreiz, bei den Darmdeutern Lächeln«.32 1916 wurde Dillmann wiederum von Anhängern Hans Pfitzners verklagt, weil er in einer Besprechung der Rose vom Liebesgarten behauptet hatte, die Oper sei kein Erfolg gewesen. »Etwa 20 bis 30 Personen, sichtlich die Pfitznergemeinde«, hätten sich bemüht, »das Publikum mitzureißen […] Pfitzner sei schließlich förmlich vor die Rampe gezogen und dann mit Beifall empfangen worden. Er habe den Eindruck eines erzwungenen Beifalls gehabt.«33 1917 kam es tatsächlich zu einem Prozess über die kritische Behandlung Walters in der Münchner Presse, an dem der Dirigent allerdings nicht selbst beteiligt war. Einer seiner Anhänger, der Wiener Privatdozent August Mayer, hatte einen Aufsatz über die seiner Ansicht nach unfaire Berichterstattung über den Dirigenten veröffentlicht, denn er fürchtete, »daß die Kritik, die Walter in München fortdauernd gefunden hatte, ihn schließlich veranlassen könnte, tatsächlich München zu verlassen«. Auch wenn Mayer im Prozess zugab, besonders Dillmann gemeint zu haben, hatte er in seinem Text keine Namen genannt. Daraufhin fühlte sich eine ganze Reihe von Kritikern, darunter der als einer der Nebenkläger auftretende jüdische Musikpublizist Alfred Einstein, vom Vorwurf der Bestechlichkeit getroffen, der in der Bemerkung enthalten war, dass

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»Walter darauf verzichtete, sich entschlossene Lobredner durch ein kleines persönliches Opfer zu verpflichten, wie es in München ortsüblich ist«. Mayer wurde vom Münchner Amtsgericht zu einer Geldstrafe von 300 Mark und zur Übernahme der Gerichtskosten verurteilt, das Urteil in den einschlägigen ­Zeitungen veröffentlicht.34 Verglichen mit der antisemitisch aufgeheizten Atmosphäre, die Hitler in Wien erlebt hatte, gestaltete sich diejenige in München vor dem Ersten Weltkrieg als vergleichsweise liberal – was sich nach 1918 und der sich daran anschließen­den kurzen Episode der Räterepublik radikal ändern sollte. Die jüdische Gemeinde hatte in München eine lange Tradition, denn schon vom 13. bis zum frühen 15. Jahrhundert waren Juden dort ansässig gewesen. 1442 wurden sie aus der bayerischen Hauptstadt vertrieben und durften das Territorium fortan nur noch auf kürzestem Wege durchqueren; erst 1616 erteilte Kurfürst Maximilian I. einzelnen Juden das Niederlassungsrecht, da er gezwungen war, auf jüdische Finanzhilfe zurückzugreifen. Wie an anderen Orten nahm die Judenfeindschaft in München ab dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts zu, und sie bekam mit dem Deutschen Volksblatt – bayerische antisemitische Zeitschrift für Stadt und Land ein Sprachrohr. Zu den Wortführern der völkischen Bewegung gehörte Julius Friedrich Lehmann, in dessen Verlag nationalistische und rassistische Schriften erschienen. Selbst in der bayerischen Volkskultur fand sich Anti­ semitismus, wenn der beliebte Sänger Weiß Ferdl eine assoziative Verbindung von ungeliebtem technischen Fortschritt und dem Judentum herstellte: »Die Cohn und Sarah / fahr’n im Auto dahin. / Vorn stinkt’s nach Knoblauch / und hinten nach Benzin.«35 Zu den wenigen Professoren der Münchner Universität mit jüdischer Abstammung zählte Thomas Manns Schwiegervater Alfred Pringsheim. Unbeirrt von der Bayreuther Judenfeindschaft war der national eingestellte Mathematiker ein leidenschaftlicher Wagnerianer: Einmal zerschlug er ein Bierseidel auf dem Kopf eines Tischnachbarn, der es gewagt hatte, den »Meister« zu beleidigen, was ihm den Spottnamen »Schoppenhauer« eintrug.36 Die großzügige Förderung Bayreuths rettete Pringsheim im »Dritten Reich« vermutlich das Leben, denn eine Intervention Winifred Wagners ermöglichte ihm noch 1939 die Ausreise in die Schweiz.37 Die Nazis reklamierten später für sich, Walter aus München vertrieben zu haben. Diese Genugtuung wollte der Dirigent ihnen nicht geben. 1950 betonte er, dass sie erst nach seinem Ausscheiden im politischen Leben entscheidend an Bedeutung gewonnen hätten; bis zu seinem Weggang aus München habe er nicht merklich unter politischer Anfeindung gelitten.38 Die überregionale Presse

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sprach allerdings schon 1922 von antisemitischer Hetze, die ihn aus München vertrieben habe.39 1926 polemisierte der Völkische Beobachter mit dem für antisemitische Angriffe auf Walter charakteristischen Hinweis auf seinen jüdischen Geburtsnamen, dass »Bruno Schlesinger, genannt Walter« alles getan habe, »um das moderne jüdische Element in die Münchner Oper zu tragen. Da wurden Schreker, Graener, Korngold, Mahler aufgeführt, und die bürgerlichen Zeitungen nannten das einen ›deutschen Spielplan‹. Man vergleiche die Festspiele unter Knappertsbusch und die einstigen unter Schlesinger, dem Schüler des Wiener Juden Gustav Mahler, der Unterschied ist in die Augen springend. Als in München die völkische Bewegung emporzusteigen begann, zog es S ­ chlesinger vor, zu verschwinden.«40 Walter hatte tatsächlich das Münchner Repertoire modernisiert, aber er konnte keineswegs als ein Verfechter der »jüdischen Moderne« gelten: Zu seinem Abschied in München dirigierte er Pfitzners Kantate Von deutscher Seele und Ludwig van Beethovens Fidelio. Als seine größte Tat galt allgemein die Uraufführung von Pfitzners »musikalischer Legende« Palestrina, die er 1917 im Prinzregententheater leitete. Er war weithin anerkannt als Vertreter der ­deutschen Hochkultur und hatte auch die Münchner Erstaufführung von Parsifal 1914 geleitet. Das Orchester, bei dessen ersten Violinen Prinz Ludwig Ferdinand von Bayern ehrenamtlich mitwirkte, spielte im versenkten Graben des Prinzregenten­theaters, und »Generalmusikdirektor Walter hatte in einem Schock Proben und mehr das Werk musikalisch bis ins Feinste herausgearbeitet und leitete es nun mit feuriger Hingabe«.41 Im Krieg wurde der österreichische Staatsbürger Walter, der von den k. u. k. Militärbehörden vom Dienst an der Waffe befreit worden war, für die Propaganda der Mittelmächte eingespannt. 1917 erklärte er sich bereit, an einem Benefizkonzert zugunsten der U-Boot-Spende mitzuwirken, als es galt, »auch von München aus den Helden der U-Bootwaffe unseren Dank zum Ausdruck zu bringen, die uns vermutlich in nicht allzu ferner Zeit mehr, den langersehnten Frieden schenken werden«.42 Noch im Oktober 1918 fragte die Auslandsabteilung der Obersten Heeresleitung an, ob Walter als Repräsentant der deutschen Kunst Konzerte in Bukarest dirigieren wolle. Der Dirigent stellte Termine im Februar oder April 1919 in Aussicht,43 die wegen der deutschen Kapitulation nicht mehr realisiert werden konnten.

Wagner-Orthodoxie  |

­WAGNER-ORTHODOXIE

Bruno Walter wurde immer an seinem Vorgänger Felix Mottl gemessen, der 1876 in Bayreuth als Assistent Wagners an der ersten Einstudierung des Rings des Nibelungen mitgewirkt hatte. 1903 hatte Mottl es aus Rücksichtnahme auf die ­Wagner-Familie abgelehnt, die gegen den Willen Cosimas angesetzte ­amerikanische Erstaufführung von Parsifal an der New Yorker Metropolitan Opera zu leiten, obwohl er dort als ­Wagner-Dirigent engagiert war. Damit hatte er klug gehandelt, denn der Bannstrahl Cosimas traf statt seiner den Dirigenten Alfred Hertz, dem daraufhin die Rückkehr an deutsche Bühnen verwehrt war. Im Einklang mit Cosima vertrat Mottl einen ans Sektiererische grenzenden ­Wagner-Fanatismus, bei dem Abweichungen von der Bayreuther Aufführungstradition als ein Sakrileg galten. 1908 kam es zu einem in den Zeitungen ausführlich behandelten Eklat, als der Münchner Heldentenor Heinrich Knote erklärte, Tristan und andere große ­Wagner-Rollen fürderhin nicht mehr ungestrichen singen zu wollen. Die Forderung erklärte sich durch die Verärgerung Knotes über einen Brief Mottls, der den Tenor just an seinem Hochzeitstag erreicht hatte. Dort hatte der General­ musikdirektor seinem Missfallen über die Leistungen des Tenors bei einem gerade zu Ende gegangenen Ring-Zyklus Ausdruck verliehen. Jemand wie Knote, monierte Mottl, der »sich ganz speciell nur diesen Aufgaben widmet, müßte, was rhythmische Correctheit, Sicherheit in Behandlung des Textes und namentlich nach Seite der Darstellung hin, thurmhoch über dem stehen, was Sie uns an diesen 3 Abenden geboten haben«. Knote habe zwar glänzend gesungen, aber er habe in der Walküre folgende Fehler begangen: »a) Erster Auftritt des Siegmund statt beim sf der Hörner, um 2 Takte zu spät. b) Niedersinken am Lager bei dem Herd – um 1 Takt zu früh. c) Geberde bei ›bis Schild und Speer im Karst mir zerhau’n‹ (mit der Musik) ganz weggeblieben. d) Vor den Worten: ›Dich seligste Frau‹ waren Sie so weit von Sieglinde abgewendet, daß Sie das darauf folgende vorgeschriebene Spiel unmöglich ausführen konnten.«44 Ähnliche Vorhaltungen folgten für Siegfried und Götterdämmerung. Die ­Wagner-Verehrung nahm geradezu religiöse Züge an. 1915 war für den Kritiker Alexander Dillmann wegen des Krieges »nicht die Zeit der Feste«, sondern eine »Zeit der Tat«. Aber was »sich im Münchner Festspiel-Tempel an diesen Parsifal-Abenden […] begibt, ist diesmal alles andere als ein Festspiel. Es ist viel mehr. Eine Andacht derer, die zurückgeblieben sind, ein Gebet, eine Stunde der inneren Einkehr. In stummer Ergriffenheit, lautlos wie in einer ­Kirche, saßen dicht gedrängt Tausende im Tempel und erlebten das Wunder des

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Grals.«45 Die von Mottl begründete ­Wagner-Tradition wurde von bestimmten Kreisen immer wieder als ein Wunschbild benannt, zu dem man zurückkehren solle; Mottls Anhänger polemisierten noch in den 30er-Jahren gegen Clemens Krauss, der es ihrer Ansicht nach an der notwendigen stilistischen Sicherheit mangeln ließ. Fragen der Tradierung von Geschichte und die Konstruktion von Vergangenheitsbildern haben stets eine wichtige Rolle für die Selbstver­ gewisserung von Individuen und gesellschaftlichen Gruppen gespielt. Besonders auf ­Wagner richteten sich Projektionen, die durch den hohen Ton seiner Musik befördert wurden, die aber über den Bereich des Künstle­ rischen weit hinausgingen. In diesem Zusammenhang muss man den bekannten Protest der Richard-­Wagner-Stadt München gegen Thomas Mann im Jahr 1933 sehen. Auch wenn die Abrechnung mit Mann im Sinne der Nationalsozialisten war, erklärt sich der Protest wesentlich aus der Geisteshaltung eines Teils der damaligen Münchner Wagnerianer – ob sie nun Nationalsozialisten waren oder nicht. Zwei der Hauptverantwortlichen des Protestes, Generalmusikdirektor Hans Knappertsbusch und Generalintendant Clemens von Franckenstein, wurden kurz darauf von den Nationalsozialisten aus ihren Ämtern entfernt. Bei allen persönlich und politisch motivierten Wünschen nach Abrechnung mit Mann ging es auch um ­Wagner: genauer, um das zum heroischen Denkmal versteinerte Bild von Leben und Werk des Komponisten. ­Knappertsbusch hatte sich mit Hans ­Pfitzner und anderen ins Benehmen gesetzt, um den später veröffentlichten Protest zu formulieren. Dann versandte ­Knappertsbusch ein Rundschreiben, in dem er zur Mitunterzeichnung aufforderte. »Herr Thomas Mann hat das Wagner-Jahr dazu benützt, um in einem zu Amsterdam gehaltenen Vortrag ein deutsches Genie, den größten Musikdramatiker aller Zei3 Hans Knappertsbusch ten, zu verunglimpfen. Wie jeder produktive Musiker bin ich zwar an mitunter sehr seltsame Kunsturteile gewöhnt und darin geübt, sie zu ignorieren. Hier scheint mir aber Stillschweigen nicht am Platze zu sein. Bayern und München sind stolz auf den positiven Teil ihrer Beziehungen zu Richard ­Wagner, den sie Ludwig  II. verdanken. Was geschehen kann, um die negativen Seiten dieser Beziehungen auszugleichen, wird

Wagner-Orthodoxie  |

von der Münchner ­Wagner-Pflege, die zu betreuen derzeit ich die große Ehre habe, mit heißem Bemühen seit Jahr und Tag getan. Wer es deshalb wagt, den Mann, der d ­ eutsche Geistesmacht wie ganz wenige der Welt dargetan hat, öffentlich zu verkleinern, soll seine blauen, hier weiß-blauen Wunder erleben!«46 Die Wagnerianer empfanden sich als persönlich herabgesetzt, wie es Siegmund von Hausegger formulierte, der Präsident der Akademie für Tonkunst, der mit einem offenen Brief an die Neue Rundschau nachlegte. Der Protest habe sich nicht gegen einzelne Formulierungen gerichtet, sondern »gegen die gesamte geistige Einstellung, aus der heraus Herr Thomas Mann glaubt, einer Erscheinung wie Richard ­Wagner gerecht werden zu dürfen. Denn, hernach würde Wagners Kunst zwar genial, aber zersetzt und unwahr, äußerlich, kitschig, dilettantisch sein. Mag Herr Mann in solcher Morbidheit etwas Bewundernswertes sehen, für uns ist in dem Artikel die objektive Tatsache denkbar schwerster Herabsetzung des großen Meisters gegeben, dessen Bild Thomas Mann zu einer verzerrten Fratze verwandelt. Dies mit aller Klarheit auszusprechen, halte ich angesichts der nationalen Selbstbesinnung, ­welche das deutsche Volk endlich nach all den Jahren entwürdigendster Verirrung gewonnen, für eine unabweisbare Pflicht.«47 Schon 1927 war ein Protest Münchner Wagnerianer aufgeflammt, der, auch wenn er erheblich kleinere Wellen schlug, als ein Vorläufer desjenigen gegen Mann gelten kann. Die Berliner Phöbus-Film hatte die Meistersinger verfilmt, und zwar nach Ansicht der Münchner Neuesten Nachrichten »in einer Weise, die als Versündigung am Geiste der Dichtung und der Musik des großen deutschen Kunstwerkes bezeichnet werden muß«. Die Unterzeichner des Protestes, d­ arunter Pfitzner, Franckenstein und Hausegger,48 forderten ein »rasches Eingreifen der Behörden, um ein allgemein anerkanntes Kunstwerk vor Verunstaltung zu schützen«.49 Mit Wagners Oper hatte der Film nur einige grundsätzliche Konstellationen gemein; es handelte sich um ein Lustspiel. Den Möglichkeiten des Stummfilms war der neue Titel Der Meister von Nürnberg geschuldet; da sich die Darstellung eines Gesangswettbewerbs im Stummfilm als schwierig erweist, war daraus ein Rezitationswettbewerb geworden. Als unerträgliche Banalisierung wertete die Münchner Kritik, dass man hierfür die Bezeichnung »Preisausschreiben« gewählt hatte. Durch das Medium war schließlich auch begründet, dass die Zunftmeister skandalöserweise bartlos auftraten, denn, wie ein Kritiker bemerkte, »in einer Kunst, in der nicht der Mund, sondern die Mienen sprechen müssen, ist Vollbart nicht beliebt«.50 Die Filmfirma entgegnete, ihre Produktion sei dem »ernsten Wollen [entsprungen], einen rein ­deutschen Film zu machen«. Er habe nicht nur in der Berliner, sondern auch in der ­Dresdner und Kölner Presse einmütigen Beifall gefunden.51 Regie und Drehbuch stammten von Ludwig

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Berger, der eigentlich Ludwig Bamberger hieß; Filmarchitekt war sein Bruder Rudolf Bamberger, der 1944/45 in A ­ uschwitz ermordet wurde. Offenbar war aber ihre jüdische Herkunft den Kritikern entgangen, denn selbst der V ­ ölkische Beobachter wies nicht explizit darauf hin. Die Besetzung war renommiert: Hans Sachs spielte Rudolf Rittner, einer der g­ roßen Schauspieler seiner Zeit, der sich auf dem Höhepunkt seiner Karriere von der Bühne zurückgezogen hatte, der aber für das neue Medium Film aus dem Ruhestand zurückkehrte. Stolzing war Gustav Fröhlich, ein späterer Star des NS-Kinos, seine Tante spielte Adele Sandrock. In der Nebenrolle des David debütierte als Schauspieler Veit Harlan, der spätere Regisseur des antisemi­tischen Hetzfilms Jud Süß. Ohne Wagners Musik kam der Film nicht aus: Bei der Filmaufführung im Münchner PhöbusPalast spielte ein Orchester die Meistersinger-Ouvertüre, Tenor Heinrich Knote sang das Preislied. Dem stürmischen Protest der Wagnerianer, von denen die meisten den Film gar nicht gesehen hatten, schloss sich fast die gesamte Münchner Presse an; der Theaterausschuss und der Musikbeirat der Landeshauptstadt erhoben gegen die Aufführung des Films Einspruch. Sie betonten, »daß der herabwürdigende Mißbrauch eines des erhabensten deutschen Meisterwerke und die in weiten Kreisen irreführende Verkopplung hoher Kunst mit diesem Filmwerk die lebhafteste Entrüstung aller Kunstfreunde hervorrufen müssen und ernstliche Bestrebungen auf künstlerische Gestaltung des Films und solche Werke und Veranstaltungen gleichfalls scharf ablehnen werden«. Auch aus Nürnberg kam scharfer Protest mit der Begründung, »daß die Hersteller dieses Films Richard Wagners Meistersinger in der gewissenlosesten Weise mißbraucht und die historische Vergangenheit der Stadt Nürnberg vor dem ganzen Volke entwürdigt hätten«.52 Viele auswärtige Kritiker konnten die Entrüstung nicht verstehen, zumal der Film überzeugte, weswegen er von der zuständigen Stelle in Berlin auch das Prädikat »Künstlerisch wertvoll« bekommen hatte. Die auswärtige Presse lachte über die »kunstspießerische Verzopftheit, borniert und böswillig zugleich«, die im »Südostwinkel Deutschlands einen Sturm gegen dieses Werk zu erregen versucht. Sakrileg am Genius Wagners! Verhunzung seiner ­unsterblichen Meistersinger!«53

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Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die bayerische Metropole zu einer Hochburg nationaler und antisemitischer Kräfte. »Früher hatte die schöne, behagliche Stadt die besten Köpfe des Reichs angezogen«, klagte Lion Feuchtwanger in seinem 1930 erschienenen Roman Erfolg. »Wie kam es, daß die jetzt fort waren, daß an ihrer Stelle alles, was faul und schlecht war im Reich und sich anderswo nicht halten konnte, magisch angezogen nach München flüchtete?«54 Er konstatierte: »Die materiell Minderbemittelten waren zumeist in den Linksparteien, die g­ eistig Minderbemittelten in den Rechtsparteien organisiert.«55 Der Roman zeichnet die enge und dumpfe Atmosphäre Münchens in der Nachkriegszeit nach; einer im Innersten immer noch bäuerlichen Stadt mit gedanklich begrenzten Einwohnern, verbreiteter Doppelmoral und einer Justiz, die auf dem rechten Auge blind war, während das Gesetz zuungunsten der Linken gebeugt wurde. Der rechtsradikale Student Anton Graf Arco auf Valley, der mit dem Sozialisten Kurt Eisner den amtierenden bayerischen Ministerpräsidenten erschossen hatte, wurde in einem skandalösen Prozess lediglich zu der als ehrenhaft geltenden Festungshaft verurteilt. Der Richter erkannte an, er habe aus Liebe zum Vaterland gehandelt. Während der Haft in Landsberg am Lech konnte er nach Belieben ausgehen und Besuche empfangen; bereits 1924 wurde er begnadigt. Zur Empörung der Münchner urteilte die Berliner Zeitschrift Das Tagebuch in diesen Jahren, die bayerische Metropole sei zweifelsfrei die »dümmste Stadt Deutschlands«, da sie die rückständigsten politischen Führer, die engstirnigsten Einwohner, die reaktionärste Presse, die fremdenfeindlichste Atmosphäre und die brutalste Polizei habe. Als Ursache vermutete der Autor die enorme Menge von 500 Litern Bier, die der Durchschnittsmünchner jährlich konsumiere und die eben aufs Gehirn schlage.56 Die kurze Episode der Münchner Räterepublik hatte wesentlich zur Fanatisierung großer Teile der Bevölkerung beigetragen. Es etablierte sich die Gleichsetzung von Judentum und Kommunismus, und auch Hitler erklärte später immer wieder, sein oberstes Ziel sei es, »Juden und Bolschewisten zu bekämpfen und deren Einfluß auf das Weltgeschehen in jeder Beziehung zu zerstören. Er glaubte fest, dazu den Auftrag der Vorsehung zu haben.«57 In diesem Zusammenhang scheint sich auch Hitlers Antisemitismus endgültig konstituiert zu haben, der sich zuvor, wenn man den Quellen glauben kann, in wenig mehr als einzelnen Äußerungen über orthodoxe Juden artikuliert hatte. Nun wurde er zum Judenhasser, wobei der unerhörte Fanatismus seine Wurzeln zweifellos in seinem Charakter hat. Schon in seiner Jugend war seine enorme Fähigkeit des Hassens aufgefallen, die sich gegen alles Mögliche

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gerichtet hatte. Es ist denkbar, dass sein Antisemitismus »nur die gebündelte Form seines bis dahin ziellos vagabundierenden Hasses war, der in den Juden endlich sein Objekt gefunden hatte«.58 Nachdem die Münchner Garnison zu den Aufständischen übergelaufen war und keine Truppen mehr zum Schutz der Monarchie zur Verfügung standen, floh König Ludwig III. am 7. November 1918. Am folgenden Tag rief der pazifistische Schriftsteller und Journalist Eisner von der USPD die Republik Bayern als »Freistaat« aus. Der erste bayerische Ministerpräsident war nicht nur Jude, sondern auch Berliner – in Bayern ein doppelter Malus. Eisners Regierung ließ die bestehenden Eigentumsverhältnisse unangetastet und verzichtete auf umwälzende Änderungen, da sie sich als eine Übergangsregierung verstand; gleicher­maßen bedrängt von links- und rechtsradikalen Kräften, stand ihr ohnehin nur ein geringer Handlungsspielraum zu Gebote, den sie unter anderem zur Einführung des Frauenwahlrechts nutzte. Der in dieser Zeit als obrigkeitshörig beschriebene Hitler, der am 19. ­November aus dem Lazarett in Pasewalk entlassen worden war und zwei Tage später in München eintraf, ordnete sich klaglos der sozialistischen Regierung unter. Später versuchte er dies zu verschleiern, indem er behauptete, die folgenden Monate als Wache eines Kriegsgefangenenlagers in Traunstein zugebracht zu haben, da ihm die Zustände in München »unerträglich« waren; er kehrte aber bereits Ende Januar 1919 von dort zurück und schob vom 20. Februar bis zum 8. März Wache am Hauptbahnhof. Sein Kamerad Ernst Schmidt erinnerte sich später an die gemeinsame Arbeit im Zuge der Demobilisierung, bei der sie zeitweise alte Gasmasken sortierten. »Die Arbeit war leicht und machte uns Freude, wir bekamen drei Mark pro Tag dafür. Mit diesem Lohn konnten wir manchmal die Oper besuchen. Hitler war ein richtiger ›Opern-Fan‹. Wir kauften nur die billigsten Plätze, aber das machte nichts. Hitler verlor sich in der Musik bis zur letzten Note und war blind und taub auf alles um ihn herum.«59 Vollends aus dem Ruder liefen die politischen Verhältnisse erst, nachdem der bayerische Ministerpräsident am 21. Februar 1919 auf offener Straße erschossen worden war. Eisner hatte sich auf dem Weg zum Landtag befunden, wo er nach der verlorenen Landtagswahl seinen Rücktritt anbieten wollte. Mit der Tat wollte Arco auf seine stramme Gesinnung hinweisen, nachdem ihn die völkische Thule-Gesellschaft wegen seiner halbjüdischen Abstammung ausgeschlossen hatte. Cosima ­Wagner begrüßte die Bluttat ausdrücklich: »In meinen Augen ist Graf Arco ein Märtyrer.«60 Dagegen stand Hitler in den turbulenten Wochen, deren aufgeheizte Atmosphäre zur Ermordung Eisners geführt hatte, weiterhin auf der Seite der Sozialisten. Es muss ihm später peinlich gewesen sein, dass er

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sogar auf Aufnahmen des Trauerzugs für Eisner zu sehen ist. Auf Eisner folgte der gemäßigte Sozialdemokrat Johannes Hoffmann, der zuvor als Minister für Unterricht und Kultus amtiert hatte. Er wurde jedoch zunehmend von linksradikalen Kräften bedrängt, und als am 22. März die Nachricht von der Ausrufung einer ungarischen Räterepublik München erreichte, kam es auch hier zu einer erneuten Revolution, in deren Folge sich die Regierung nach Bamberg absetzte. Am 7. April erklärten von den jüdischen Intellektuellen Ernst Toller, Paul Landauer und Erich Mühsam geführte Linksradikale Bayern zur »Räterepublik«. Zeitgenossen spotteten, dass es für ihr kurzes Interregnum passender gewesen wäre, es hätte schon am 1. April begonnen. Es meldeten sich zahl­reiche Spinner zu Wort, die ihre Ideen zur Weltrettung ausgeführt wissen wollten; dabei sahen die einen, wie Toller rückblickend zusammenfasste, »die Wurzel des Übels im Genuß gekochter Speisen, die anderen in der Goldwährung, die dritten im Tragen unporöser Unterwäsche, die vierten in der Maschinenarbeit, die fünften im Fehlen einer gesetzlich vorgeschriebenen Einheitssprache und Einheitskurzschrift, die sechsten machten Warenhäuser und sexuelle Aufklärung verantwortlich«.61 Hitler nahm übrigens die erste der von Toller als verrückt gebrandmarkten Ideen ernst, wenn er 1941 über Rohkost vermutete: »Die Menschen müssen einmal sehr lange gelebt haben. Die Wende trat ein in der Zeit, wo der Mensch vom Früchte-Esser sich darauf umstellte, Gekochtes zu sich zu nehmen.«62 Abenteuerliche Reformideen wurden diskutiert: Die Universitäten sollten künftig von den Studenten geleitet werden, während die Professoren­ titel abgeschafft werden sollten; die Tageszeitungen wurden der Kontrolle einer aus Schwabinger Literaten bestehenden Zensurkommission unterworfen und gezwungen, Gedichte von Hölderlin und Schiller auf ihre Titelseiten zu setzen.63 Die von weltfremden Pazifisten und Anarchisten geführte Regierung diskre­ ditierte sich vollends, als sich der »Volksbeauftragte für das Äußere«, Franz Lipp, als geisteskrank entpuppte. Peinlicherweise wurde dies durch einen Brief an Wladimir Lenin offenbar, in dem Lipp meldete, endlich sei das »Prole­ tariat Oberbayern[s] glücklich vereint«. In einem Atemzug mit dieser Mitteilung monierte er, der »Flüchtling Hoffmann« habe aus dem Ministerium den Schlüssel für den Abort entwendet, er berichtete Lenin von den vor Blut triefenden »haarigen Gorillahände[n]« des Reichswehrministers Gustav Noske, und er schloss das Schreiben mit einem Verweis auf »Immanuel Kant, Vom ewigen Frieden, Thesen 2 – 5«. Ein Exemplar seiner Depesche sandte Lipp an den »Genossen Papst«, den er in einem Begleitschreiben in vertraulichem Tonfall ansprach. Lipp wurde daraufhin zur Demission gezwungen und mit sanfter Gewalt entfernt, als er die Amtsgeschäfte wiederaufnehmen wollte.64

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Hatte diese nur wenige Tage andauernde Episode den Charakter einer Farce, so gestaltete sich die weitere Entwicklung alles andere als komisch. Nach einem misslungenen Gegenputsch der rechtssozialistischen Bamberger Regierung wurde am 13. April im Hofbräuhaus eine von der KPD dominierte »Kommunistische Räterepublik« ausgerufen. Diese erwies sich als ungleich brutaler und wirkungsvoller als ihr Vorgänger. Zu den Führern gehörten der von der Berliner KPD-Zentrale entsandte Eugen Leviné und Max Levien, die als in Russland geborene Juden das Vorurteil bedienten, dass russischer ­Bolschewismus und Judentum miteinander verbunden seien. Zwar hatten tatsächlich zahlreiche Revolutionäre jüdische Vorfahren, aber die wenigsten von ihnen lebten in jüdischem Glauben. Für Konrad Heiden unterschlägt die Bezeichnung des Marxismus wegen seines Begründers Karl Marx als »jüdisch« den Anteil des Nichtjuden Ludwig ­Feuerbach, von dem die Grundlehren stammten, und des Nichtjuden Friedrich Engels, von dem die meistgebrauchten Formulierungen stammten; »im ­übrigen war Karl Marx selbst Antisemit, d. h. Gegner des bürgerlichen Judentums; umgekehrt sind die weitaus meisten Juden Anti­marxisten«.65 Die Deutung des Kommunismus als »Judenherrschaft« war unhaltbar, wie auch Karl Kautsky betonte, der auf die zahlreichen »Mongolen und ›Arier‹«66 in der Parteispitze der KPdSU hinwies. Lenin und Josef Stalin waren keine Juden, Antisemitismus war in der Führung der Sowjetunion und der der sozialistischen Bruderstaaten nicht unbekannt. Der sowjetische Antisemitismus explodierte geradezu in den Jahren zwischen 1948 und Stalins Tod 1953, als zahlreiche jüdische Intellektuelle scharfer Verfolgung ausgesetzt waren und das Gros der jüdischen Institutionen geschlossen wurde. Trotz allem war die Gleichsetzung von Kommunismus und Judentum politisch sehr wirksam und wurde von den Antisemiten geschickt gefördert. Der Wiener Rassentheoretiker Jörg Lanz von Liebenfels war zum scharfen Antisemiten geworden, nachdem man ihn während der ungarischen Räterepublik beinahe an die Wand gestellt hatte. Er erklärte 1930, der »dunkelrassige (­durchaus von rassenminderwertigen Juden von geradezu gorillahaftem Aussehen) geschaffene Bolschewismus in Bayern, Ungarn und Rußland« habe bewiesen, welch eine »Terrorwirtschaft« entstehe. Es habe sich »gezeigt, daß die Niederrassenbestie nicht zu regieren und die Kultur nicht zu erhalten, geschweige zu schaffen und zu vermehren versteht«.67 In Dietrich Eckarts 1924 posthum veröffentlichter Hetzschrift Der Bolschewismus von Moses bis Lenin. Zwiegespräche zwischen Adolf Hitler und mir wird unterstellt, in der Räterepublik hätten »die Juden« mit den Rotgardisten unter einer Decke gesteckt, »weil unter den zahllosen Hausdurchsuchungen nicht eine einzige bei Juden stattfand«.68 Eckart vermutete eine

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Allianz von jüdischem Bolschewismus und jüdischer Hochfinanz, denn E ­ isner habe nichts Besseres im Sinn gehabt, als die Banken vom Militär schützen zu lassen, während er in die Schweiz zum Sozialistenkongress reiste.69 Eisner habe eigentlich Salomon Kosmaowski geheißen und sich wie viele Juden hinter einem unscheinbaren Namen verborgen; Lenin müsse ebenfalls Jude sein, vermutete Eckart, auch wenn man seinen richtigen Namen nicht kenne.70 Die Antisemiten postulierten sogar, dass man schon vom Äußeren auf die Absichten der jüdischen Revolutionäre schließen könne; in dem 1921 von Eckart herausgegebenen Pamphlet Die Totengräber Rußlands wurden Leviné und Juden in der sowje­tischen Führung als abstoßend und verschlagen karikiert, wobei die als jüdisch geltenden äußeren Merkmale wie die gebogene Nase stark überbetont wurden. Derartige Zuschreibungen beschränkten sich keineswegs auf radikale Völkische. ­W inston Churchill behauptete, dass die Juden »eine schlimme Bedrohung erreichten […] in der kurzen Periode des Terrors, während der Béla Kun in Ungarn herrschte. Dasselbe Phänomen hat sich in Deutschland gezeigt (besonders in Bayern).«71 Der päpst­ 4 Karikatur von Eugen Leviné liche Nuntius Eugenio Pacelli, der spätere Papst Pius  XII., meldete nach Rom, dass es sich bei den Münchner Revolutionären um Juden und Russen handele. Der Anführer Leviné, »ein wahrhaft abstoßender Typ«, sei »ebenfalls Russe und Jude«.72 Ziel der kommunistischen Münchner Führung war es, Bayern zum Teil der internationalen Revolution unter Führung Moskaus zu machen. Leviné kündigte an, »wir werden den Klassenkampf aufs Dorf tragen, wir werden durch Strafexpeditionen die Bauern zwingen, Korn und Milch zu liefern«.73 Da auch ihnen wenig Zeit zur Umsetzung ihrer Ideen blieb, konnten sie nicht viel mehr als das Requirieren von Lebensmitteln und Wohnraum umsetzen; außerdem wurde ein Generalstreik ausgerufen, die bürgerliche Presse verboten. Hitler machte, entgegen seinen Angaben in Mein Kampf, weiterhin mit und wurde am 16. April sogar neben einem gewissen Johann Blümle, der 39 Stimmen bekam, mit 19 Stimmen zum Ersatz-»Bataillons-Rat« seiner Einheit gewählt.74 Davon auf eine bestimmte politische Einstellung zu schließen geht vermutlich zu weit; es dürfte eher Konformitätsdruck gewesen sein, der ihn bewog, diese Aufgabe zu übernehmen. Hitler scheint erst die Seiten gewechselt zu haben, als

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sich das Ende der Räterepublik abzeichnete. Über die linksradikale Regierung wurde verbreitet, sie wollte den Bauern »Haus und Vieh rauben, den Bürgern die Sparpfennige wegnehmen, die Familie zerstören, die Priester ermorden, die Kloster plündern«.75 Nachdem sie tatsächlich Geiseln erschossen hatte, gelang es der Gegenseite, immer mehr Widerstand gegen die »Diktatur der Russen und Juden« zu mobilisieren und die baye­rische Hauptstadt am 1. Mai zurückzuerobern. In den darauf folgenden Tagen übten Freikorps und Reichstruppen blutige Rache, die weit mehr Todesopfer forderte als die chaotischen Wochen davor. Hitler wurde als Angehöriger der Revolutionäre festgenommen, kam aber wieder frei, als sich Offiziere für ihn einsetzten, die ihn kannten. N ­ achdem er Kameraden als Soldatenräte denunziert hatte, wurde er Mitglied einer Kommission, die zu prüfen hatte, welche Militärpersonen sich »während der letzten revolutionären Wochen einwandfrei gehalten haben«. Alle diejenigen, »denen Zugehörigkeit zur Roten Armee oder spartakistisch, bolschewistisch, kommunistische Umtriebe nachgewiesen werden, sind zu verhaften«.76 Seinem Vorgesetzten Karl Mayr erschien Hitler zu dieser Zeit als jemand, der bereit war, »von irgendjemandem einen Posten anzunehmen, der ihm freundlich gesinnt war […] Als ich ihn das erste Mal traf, glich er einem müden streunenden Hund, der nach einem Herrn suchte.«77 ANTISEMITISCHER AGITATOR

Die ihm von Karl Mayr angetragene Aufgabe nationalistisch-antisemitischer Agitation nahm Hitler bereitwillig an. Sie bot eine berufliche Perspektive, die ihm den Verbleib beim Militär ermöglichte und ihn so vor der Rückkehr in die wirtschaftliche Unsicherheit der Vorkriegszeit bewahrte. Im Juni 1919 wurde er zu einer einwöchigen Fortbildung an die Münchner Universität abkommandiert, die die Teilnehmer befähigen sollte, Soldaten, die linksradikale Überzeugungen angenommen hatten, in Patrioten zu verwandeln. Zwei Monate später kam ­Hitler zum Einsatz im Durchgangslager Lechfeld, wo er aus der Kriegsgefangenschaft heimkehrenden Soldaten antibolschewistische Vorträge hielt. Während er während des Krieges in seiner Einheit keineswegs durch Antisemitismus aufgefallen war,78 machte er nun durch die Schärfe seiner Angriffe auf die Juden auf sich aufmerksam. Kurz darauf entstand das früheste erhaltene politische Dokument Hitlers, eine im Auftrag seines Vorgesetzten Mayr verfasste antisemitische Stellungnahme über »Regierungssozialdemokratie und Judentum«, in der er das jüdische Volk als die »Rassentuberkulose der Völker« brandmarkte.

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Mit seinen antisemitischen Ausfällen hatte Hitler großen Erfolg bei seinem Publikum. »Der Inhalt der Reden Hitlers, ihre rhetorische Struktur und ihre Darbietungsform sowie der äußere Rahmen der Bierlokale ver­raten ein hohes Maß von Anpassung an den Geschmack des kleinbürgerlichen nationalkonservativen, völkisch-antisemitischen Publikums in Bayern. Hitler sprach an, was diese Leute politisch bewegte, spielte erfolgreich auf der Klaviatur ihrer Vorurteile, appellierte an ihren Chauvinismus, predigte Fremdenhaß und Gewalt und wies gerade auch durch diese Verbalradikalität emotionale Wege aus den weit verbreiteten Ohnmachtsgefühlen.«79 Nicht alle Weggefährten nahmen ihm die Wandlung ab. Für den Starnberger Zahnarzt Friedrich Krohn, eines der frühesten Parteimitglieder der späteren NSDAP, schienen Hitlers politische Wendungen allein taktischer Natur zu sein. Seiner Ansicht nach verfügte der aufstrebende Politiker über die »Anpassungs­ fähigkeit eines Chamäleons«; Konstanten waren allein »sein Fanatismus, sein Hang zu Phantastereien, seine egozentrischen Monologe, seine Intoleranz gegen jedermann, seine Kleinbürgerlichkeit und Halbbildung«.80 Um 1924 scheint es dann zu einer weiteren Verschärfung seines Antisemitismus gekommen zu sein, und er erklärte einem Anhänger explizit, seine Einstellung zum Judentum geändert zu haben: Er habe erkannt, dass er bisher zu milde gewesen sei. Während der Ausarbeitung von Mein Kampf sei er »zur Erkenntnis gekommen, daß in Hinkunft die schärfsten Kampfmittel angewendet werden müssen, um uns erfolgreich durchzusetzen. Ich bin überzeugt, daß nicht nur für unser Volk, sondern für alle Völker der Welt dies eine Lebensfrage ist. Denn Juda ist die Weltpest!«81 Dem Kurs an der Münchner Universität im Jahr 1919 kam offenbar eine gewisse Bedeutung für Hitlers weitere Entwicklung zu. Beiläufig räumte ­Hitler seine politische Unentschlossenheit bis in diese Zeit ein, wenn er in Mein Kampf fordert, man solle sich »nicht vor seinem dreißigsten Geburtstag in der Politik öffentlich betätigen«, da man noch nicht »innerlich ausgereift« sei.82 Auch wenn er viele Bestandteile seiner späteren Ideologie schon in Linz und Wien aufgenommen hatte, hatten sie sich keineswegs zu einem geschlossenen Ganzen vereint. Die Fortbildung half ihm, »sein Denken zu konkretisieren, seine diffusen antisemitischen und antimarxistischen Ressentiments zu einer umfassenden Verschwörungstheorie und einer aggressiv-missionarischen Ideologie auszubauen. Gleichzeitig lernte er in diesen Kursen seine Ansichten im Kreis seiner Kameraden selbstbewußt vorzutragen und seine berüchtigte rheto­rische Begabung zu entfalten.«83 Ein sechsköpfiges Kollegium, dem auch der Wirtschaftstheoretiker und spätere NS-Politiker Gottfried Feder angehörte, referierte über Themen wie »Die politische Bedeutung des Krieges«, »Der Sozialismus in Theorie und

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Praxis« oder über den »Zusammenhang zwischen innerer und äußerer Politik« und hielt mit den Teilnehmern Seminare ab. Dort standen mündliche Übungen im Mittelpunkt, wie der Kursleiter Karl Graf von Bothmer zusammenfasste, ein Publizist, der mit Dietrich Eckart und Alfred Rosenberg das antisemi­ tische Periodikum Auf gut deutsch herausgab. Geübt wurde nach Bothmer das »Erörtern und Durchsprechen von Schlagwörtern, von den Gedankenreihen der einzelnen Vorträge. Die Übungen vollziehen sich in Wechselrede zwischen den Kursteilnehmern unter sich und zwischen ihnen und dem Seminarleiter.«84 Der nationalistische Historiker Alexander von Müller, ein namhafter Professor der Münchner Universität, erinnerte sich später an den ersten Eindruck von Hitler. Nach Ende seines Vortrags fiel Müller im sich leerenden Saal eine Gruppe auf, die »festgebannt um einen Mann in ihrer Mitte [schien], der mit einer seltsam gutturalen Stimme unaufhaltsam und mit wachsender Leidenschaft auf sie einsprach: ich hatte das sonderbare Gefühl, als ob ihre Erregung sein Werk wäre und zugleich wieder ihm selbst die Stimme gäbe. Ich sah ein bleiches, mageres Gesicht unter einer unsoldatisch herein hängenden Haarsträhne, mit kurzgeschnittenem Schnurrbart und auffällig großen, hellblauen, fanatisch kalt aufglänzenden Augen.«85 Im Gespräch hinterließ Hitler jedoch keinen Eindruck, und dem Historiker wäre niemals in den Sinn gekommen, dass er »zum ersten Mal dem blutigen Schicksalsmann begegnet war«, der bald die Deutschen »mit seiner besessenen Rede wie im Fieberrausch betäuben« und in einen beispiellosen Zusammenbruch reißen werde.86 Erheblichen Einfluss auf Hitlers Entwicklung hatte auch der völkische Schriftsteller Dietrich Eckart, der im Herbst 1919 seine »geistige Führung«87 übernahm und dem ­Hitler den zweiten Teil von Mein Kampf widmete. Er vertrat radikale nationalistische, antidemokratische und antiklerikale Ansich5 Dietrich Eckart ten und gab im Kampf gegen die ange­bliche »jüdische Weltherrschaft« seit Dezember 1918 die radikal antisemitische Zeitschrift Auf gut deutsch heraus. Später betrieb er den Kauf der Parteizeitung Völkischer Beobachter, deren Chefredakteur er 1921 wurde. Seine Theater­stücke hatten nur geringen Erfolg gehabt, am ehesten noch eine »Nachdichtung« von Henrik Ibsens Peer Gynt. Im »Dritten Reich« erlebten sie eine gewisse Konjunktur, und

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die heute als Waldbühne bekannte Freilichtbühne beim Berliner Olympiastadion hieß ursprünglich Dietrich-Eckart-Bühne. Eckart, ein Lebenskünstler, der sich gerne bayerischer Kraftausdrücke bediente, vermittelte Hitler Umgangsformen, lehrte ihn, sich besser auszudrücken, und lieh ihm Lektüre. Er verfügte über vielfältige Kontakte zur besseren Gesellschaft, die bis nach Bayreuth reichten, und machte Hitler unter anderem mit der Familie des Klavierfabrikanten Edwin Bechstein bekannt, die sich für den jungen Politiker einsetzte. Konrad Heiden schreibt Eckart die Erfindung des Hitler-Mythos zu; man erinnere sich noch daran, wie der Bohemien in einem Schwabinger Lokal immer wieder gefordert hatte: »Ein Kerl muß an die Spitze, der ein Maschinengewehr hören kann. Das Pack muß Angst in die Hosen kriegen. Einen Offizier kann ich nicht brauchen, vor denen hat das Volk keinen Respekt mehr. Am besten wäre ein Arbeiter, der das Maul auf dem rechten Fleck hat […] Verstand braucht er nicht viel, die Politik ist das dümmste Geschäft auf der Welt, und so viel wie in Weimar weiß bei uns in München jedes Marktweib. Ein eitler Affe, der den Roten eine saftige Antwort geben kann und nicht vor jedem geschwungenen Stuhlbein davonläuft, ist mir lieber als ein Dutzend gelehrte Professoren, die zitternd auf dem feuchten Hosenboden der Tatsachen sitzen.« Und er ergänzte: »Es muß ein Junggeselle sein! Dann kriegen wir die Weiber.«88 Nachdem Eckart 1923 einem Herzleiden erlegen war, trat Rosenberg »sein Erbe als Hitlers Lehrer an«.89 Nach dem Ersten Weltkrieg war aus dem ehemals zaristischen Baltikum eine Reihe Auslandsdeutscher nach München gekommen, die neben scharfem Antikommunismus den radikalen russischen Antisemitismus mitbrachten und deren extreme Ansichten über Rassenfragen für manche Zeitgenossen in einem merkwürdigen Kontrast zu dem überhaupt nicht »­arischen« eigenen Aussehen standen. Neben Rosenberg, der als russischer Staatsange­höriger zeitweise in Angst lebte, abgeschoben zu werden, stammte auch Max Erwin von Scheubner-Richter aus diesem Kreis. Scheubner-Richter, der 1923 beim Marsch auf die Feldherrnhalle von der bayerischen Polizei erschossen wurde, war als deutscher Diplomat im Osmanischen Reich Zeuge des Völkermords an den Armeniern geworden und hatte miterleben müssen, dass seine eigenen Interventionsversuche ebenso wie die anderer ausländischer Diplomaten ohne Wirkung geblieben waren; die Türkei war nie völkerrechtlich belangt worden. Es ist immer wieder spekuliert worden, dass seine Berichte Hitler später darin bestärkt haben könnten, dass auch ein Massenmord an den Juden von den anderen Mächten einfach hingenommen werden würde. Die Verschärfung des Antisemitismus nach dem Ersten Weltkrieg scheint auch in der ­Wagner-Exegese ihren Niederschlag gefunden zu haben. Dies macht ein

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Text des mit dem Bayreuther Kreis in Verbindung stehenden völ­kischen Musikschriftstellers Karl Grunsky deutlich, der auch einige Ausgaben des ­Bayreuther Festspielführers herausgab. Grunsky war Verfasser einer einflussreichen Musik­ ästhetik und einer Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts, die zahlreiche Auflagen erlebten. 1919 veröffentlichte er in einer antisemitischen Schriftenreihe, in der auch Rosenberg publizierte, ein Büchlein mit dem Titel Richard ­Wagner und die Juden. Bald nach dem Erscheinen entlieh es sich Hitler zusammen mit anderen Titeln aus der Reihe wie Luther und die Juden aus der Bibliothek von Krohn.90 Mit seinem Umfang von 96 Seiten fügt sich der Text genau in die Kategorie populärwissenschaftlicher Broschüren, die Hitler bevorzugt rezipierte. Grunsky stellt ­Wagner dort als ganz von der jüdischen Frage beherrscht dar, er sei der »Führer im Kampfe gegen das Judentum« gewesen. Die Untersuchung der Schriften des Komponisten solle dem deutschen Volk helfen zu erkennen, »wo der Feind seines Wesens zu suchen ist«.91 Einen g­ roßen Teil seines P ­ amphlets widmet Grunsky der Frage, »wie die Juden ­Wagner bekämpften«. Als sie den Siegeszug seiner Werke nicht aufhalten konnten, seien sie darauf verfallen, »Persönlichkeit, Lebensweise und Eigenart des Künstlers« in den Dreck zu ziehen, indem sie ein unvorteilhaftes Charakterbild Wagners in die Welt gesetzt hätten.92 Dabei hätten sie naive Deutsche vor ihren Karren gespannt, und sie seien es gewesen, die in Umlauf brachten, ­Wagner sei selbst jüdischer Herkunft.93 Die Größe des Komponisten zeige sich aber in seiner Reaktion: »Trotzig wie Luther« habe er das eigene Wohlergehen vernach­lässigt, seinem Ausspruch folgend: »Es gibt nur Ein Laster, Unaufrichtigkeit und Feigheit! – nur Eine Tugend: Wahrheit und Mut!«94 Für Wagners »Reinheit und Sachlichkeit« spreche zudem, dass er es trotz seiner Ablehnung der Juden und ihrer maßlosen Feindschaft zuließ, dass einzelne jüdische Künstler in Bayreuth auftreten »durften«.95 In dem von Grunsky herausgegebenen Bayreuther Festspielführer von 1924 wurde ­Wagner sogar mit der Wirtschaftspolitik der NSDAP verquickt. Erwin Geck behauptete, man könne ­Wagner nicht für eine Partei in Anspruch nehmen, was er aber dennoch tut: »Demokrat war er nicht«, auch nicht Liberaler, Konser­vativer, Sozialist oder Kommunist. Mit seiner Betonung des Deutschtums spreche er für die, »die wir die deutsche parlamentarische Republik nicht als der Weisheit letzten Schluß ansehen«, und Vorbild sei sein Kampf gegen den »Mammonsdienst«. Dass man sich frei machen müsse »von der Knechtschaft des (internationalen) Geldes, das muß heute immer lauter gefordert werden. Das wird aber nur gelingen, wenn niemand mehr Geld aus nichts machen kann, wenn das ganze Geldwesen Sache des Staates sein wird. Insofern können wir sagen – wiederum ohne ­Wagner für eine bestimmte Sache in Anspruch zu

Antisemitischer Agitator  |

nehmen: Richard ­Wagner ist ein Führer zu nationalem Sozialismus.«96 Bis in die Wortwahl hinein folgt Geck hier den Thesen von Feder, der in der Anfangszeit der NSDAP die Wirtschaftspolitik theoretisch zu grundieren versuchte. Später spielte er in der politischen Arbeit keine Rolle mehr, aber noch im Sommer 1930 trat eine Reihe von Industriellen aus der NSDAP aus, nachdem von Partei­zeitungen und Rednern der Gedanke propagiert worden war, in Zukunft jedes höhere Einkommen als 1000 Mark abzuschaffen.97 In seinem 1919 erschienenen Manifest zur Brechung der Zinsknechtschaft des Geldes forderte Feder, dass der Ausbeutung durch jüdische Banken ein Riegel vorgeschoben werden müsse, denn wie eine »schwere, alles erfassende und überwuchernde Krankheit« greife der »Mammo­nismus« um sich. Darunter verstand Feder »die internatio­nalen übergewaltigen Geldmächte, die über allem Selbstbestimmungsrecht der Völker thronende überstaatliche Finanzgewalt, das internationale Großkapital, die einzig goldene Internationale«, aber auch »eine Geistesverfassung, die sich weitester Volkskreise bemächtigt hat; die unersättliche Erwerbsgier, die rein aufs Diesseitige gerichtete Lebensauffassung, die zu einem erschreckenden Sinken aller sittlichen Begriffe schon geführt hat und weiter führen muß«.98 Die von den Massen erhoffte Erlösung 6 Gottfried Feder werde nicht eintreten, solange man internationale Spekulanten, die ­Bourgeoisie und »Angehörige einer dem deutschen Volke im innersten wesensfremden Rasse«, also die Juden, in der Regierung belasse.99 Die Ideen Feders, von dem Hitler vermutlich den markanten Schnurrbart übernahm, den sonst eher Komiker wie Charlie Chaplin und Oliver Hardy trugen, beeindruckten Hitler, der seine gänzliche Unvertrautheit mit Wirtschaftstheorie eingesteht, wenn er in Mein Kampf schreibt: »Zum ersten Mal in meinem Leben vernahm ich eine prinzipielle Auseinandersetzung mit dem interna­tionalen Börsen- und Leihkapital.« Sofort wusste er, »daß es sich hier um eine theoretische Wahrheit handelt, die von immenser Bedeutung für die Zukunft des deutschen Volkes werden müßte.«100

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KULTURPOLITIK PRAGMATIK UND INDIVIDUELLE INTERESSEN

Das »Dritte Reich« versuchte sich wie kaum ein anderer Staat der Neuzeit über Kunst und Kultur zu legitimieren. Dabei kontrastierte der schöne Schein scharf mit dem Terror, wie Theodor W. Adorno zuspitzte, für den auffällig war, »je mehr in den Kellern gefoltert ward, desto unerbittlicher wurde darüber gewacht, daß das Dach auf Säulen ruhe«.1 So nah beieinander die von ­Wagner vorgebrachte Forderung nach einer »ästhetischen Weltordnung« und die nationalsozialistische Theatralisierung von Politik zu liegen scheinen, so schwierig erweist es sich, sie zur Deckung zu bringen. Für Udo Bermbach sind die Differenzen evidenter als die Übereinstimmungen: »Während ­Wagner durch den Primat der ›ästhetischen Erfahrung‹ die Politik durch die Kunst überbieten und überflüssig werden lassen wollte, hat Hitler durch die Ästhetisierung und Theatralisierung seiner praktisch betriebenen Politik, diese zu einem alle Lebensbereiche durchdringenden Medium zu machen gesucht, auch wenn seine Endperspektive ebenfalls eine antipolitisch-ästhetische war.«2 Die NS -Propaganda vertrat offensiv den Anspruch, das nationalsozialistische Deutschland zeichne sich in besonderem Maße als Kulturnation aus. Hitler erklärte vollmundig, Deutschland solle nicht nur politisch und wirtschaftlich, sondern vor allem auch kulturell wiederauferstehen. Es gebe »kein stolzeres Dokument für das höchste Lebensrecht eines Volkes als dessen unsterbliche kulturelle Leistungen«, daher war er immer entschlossen, »wenn das Schicksal uns einmal die Macht geben würde«, »über diese Dinge mit niemandem zu diskutieren, sondern auch hier Entscheidungen zu treffen«. Das neue Reich werde eine »unerhörte Blüte« der Kunst erleben; da der Kunst gewaltige Aufgaben gestellt werden, wolle er großzügiger Mittel bereitstellen, als dies je zuvor der Fall war.3 Trotz aller Beschwörungen, dass dies allein »für Deutschland« geschehe, war ein wesentlicher Motor für Hitlers Kunstaktivitäten aber auch, dass er aus ihnen für sich persönlich psychische Energien bezog. Als Hermann Giesler 1942 das Führerhauptquartier besuchte, sprach er oft bis in die Morgenstunden mit Hitler. Daraufhin äußerte der Architekt seine Bedenken, den Diktator zu überfordern, aber Martin Bormann gab ihm zu ver­stehen, »die Beschäftigung mit städtebaulichen Fragen und mit Architekturplanungen könne ihn [Hitler] entspannen«.4 Der Kunsthistorikerin Birgit Schwarz scheinen Hitlers unablässige Aktivitäten auf dem Kunstsektor zur

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Selbstvergewisserung zu dienen; damit suggerierte er sich, auf dem Gebiet der Kunst ein Genie zu sein.5 Für Albert Speer, der selbst bestenfalls ein mäßiges Interesse an Musik hatte, gehört es in den Bereich der Legende, dass »die Führungsspitze der Partei musik­alisch interessiert war. Vielmehr waren ihre Repräsentanten im Allgemeinen grobknochige, undifferenzierte Typen, die für klassische Musik so wenig einzunehmen waren wie für Kunst und Literatur überhaupt«.6 Zu den wenigen ­Wagner-Begeisterten zählte der 1934 ermordete SA-Führer Ernst Röhm, der auch in Wahnfried verkehrte. Daneben waren es gerade zwei der brutalsten Schergen Hitlers, die durch besonderen Enthusiasmus für Musik auffielen: Hans Frank, der General­gouverneur für Polen, hofierte Hans Pfitzner als einen der größten deutschen Künstler. Er lud ihn wiederholt zu Konzerten seiner Musik nach Polen ein, und Pfitzner widmete dem Mäzen, der in einer zwischen Krakau und ­Auschwitz gelegenen Burg residierte, die »Krakauer Festmusik«. Wie um zu beweisen, dass hohe Musikalität mitnichten mit moralischer Integrität einhergehen müsse, beherrschte der gefürchtete SS-Obergruppenführer ­Reinhard Heydrich virtuos das Violinspiel. Er stammte aus einer Musikerfamilie; sein Vater Bruno Heydrich hatte wagneristische Bühnenwerke komponiert und war als Heldentenor in Rollen wie Tristan, Siegmund und Siegfried aufgetreten. Eine Zeit lang hatte er in Köln unter Bruno Walter gesungen, der später, wenn er von dem brutalen Sohn las, »oft an den mediokren Sänger mit der häßlichen Stimme denken« musste, »der so gar nichts Höllisches an sich hatte und doch vom Schicksal bestimmt war, einen Teufel zu zeugen«.7 Selbst die wenigen Vertreter der Intelligenz in der Führungsschicht wie Goebbels nahmen an den regelmäßigen Konzerten der Berliner Philharmoniker unter Wilhelm Furtwängler nicht teil. »Hier konnte man aus der gesamten Prominenz lediglich Innenminister Frick treffen.«8 Geradezu absurd mutet es daher an, wenn Reichsdramaturg Rainer Schlösser behauptete, »die Geschicke der deutschen Kulturpolitik liegen heute in Händen solcher Volksgenossen, deren Wesenheit im letzten nur aus künstlerischen Impulsen erklärt werden kann«.9 Dem Literaturwissenschaftler Hans-Dieter Schäfer erscheint das »Dritte Reich« als »von einem tiefen Gegensatz zwischen nationalsozialistischer Ideologie und Praxis gekennzeichnet. Eine von Rechtfertigungs- und Legitimations­ interessen abhängige Forschung hat diese Spaltung nach 1945 nicht nur nicht reflektiert, sondern weitergeführt.« 10 Die Überzeichnung staatlicher Maß­ nahmen nach dem Zweiten Weltkrieg deutet er als einen Versuch, von der Eigenverantwortung der Mehrheit abzulenken. Entgegen der Auffassung einer einheitlichen und von oben verordneten Kulturpolitik scheint es – wie

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in anderen Politikfeldern – für das »Dritte Reich« zutreffender zu sein, »von einem kompli­zierten, im einzelnen verwirrend widerspruchsvollen Wechselspiel monokratischer und polykratischer Tendenzen« auszugehen. Bei aller Unschärfe bleiben gleichwohl Grundlinien vor allem im Negativen erkennbar, »im anti-­modernen Grundkonsens als kleinstem gemeinsamen Nenner, von den Bürgerlich-­Nationalen über die Völkischen und die Jugendbewegung bis zu christlich-konservativen Auffassungen«.11 Die Nationalsozialisten waren gegen den »Kulturbolschewismus«, unter dem alles Negative subsumiert wurde wie Atonalität und Dissonanz, Chaos und Anarchie, Revolution und Terror, Entseelung und Intellektualisierung, das Pathologische und das Krankhafte, das Undeutsche und das Internationale, das Jüdische und das Zersetzende.12 Judentum und künstlerische Moderne galten als synonym. Der Völkische Beobachter wies beispielsweise 1929 auf die »­geradezu skandalöse Neuinszenierung des Fliegenden Holländers hin […] die sich der jüdische Kapellmeister Klemperer von der staatlichen Kroll-Oper in Berlin leistet […] Nur die gänzliche Respektlosigkeit des Juden vor deutschem Kulturgut konnte ein solches Verbrechen an einem der unsterblichen Werke des Bayreuther Meisters fertig bringen.«13 Für Hans Severus Ziegler war der Bolschewismus »auch längst in das Land der Tonkunst eingebrochen und hat dort ebenso verheerend gewirkt wie im Lande der Dichtung und der Baukunst«. Er erkennt zwei sich unversöhnlich gegenüberstehende Fronten, nämlich die »atonale Internationale«, deren »Hauptschreier« Kurt Weill sei, und »die sich zur Idee des Volkstums und der Bodenständigkeit bekennende Richtung«. Die Atonalität sei rassisch begründet, so resultiere »die neue Sachlichkeit aus der naturgegebenen Sterilität, d. h. aus der unschöpferischen Veranlagung der ­jüdischen Rasse«.14 Mit großer Energie wurde eine Politik der Ausgrenzung betrieben, die vor allem gegen jüdische Künstler gerichtet war, die in der Frage des »Undeutschen« aber ebenso unklar blieb wie in der eines positiven Gegenbilds in Form einer »deutschen« oder »arischen« Musik. Neuere Untersuchungen kommen zu dem Schluss, eine wirksame Musikpolitik, die über die Durchführung rassistischer Maßnahmen und die Funktionalisierung vor allem der populären Musik hinausging, habe es im »Dritten Reich« kaum gegeben. Ursache hierfür waren oft Konflikte zwischen Joseph Goebbels und Alfred Rosenberg, die meist Hitler entschied, der wiederum selbst einem bestimmten Typus von Opernbesucher entsprach.15 Dass »die Nationalsozialisten in einer heute wahrscheinlich kaum mehr nachvollziehbaren Weise die Pflege gerade dieser Luxusgattung als vordring­ liches kulturelles Anliegen«16 ansahen, wie es in einer neueren Dissertation heißt, beruhte vor allem auf Hitlers privatem Interesse an der Oper. Wichtige

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Personalentscheidungen an den führenden Häusern bedurften der Rücksprache mit ihm. Besonders erregte ihn die Einmischung des sächsischen Gauleiters Martin Mutschmann in die Belange der Semperoper. Dieser hatte 1933 den von Hitler geschätzten, den Nazis gegenüber aber feindlich eingestellten Fritz Busch vertrieben. »Nach Krauss und Furtwängler wäre der Busch der beste deutsche Dirigent geworden«, erklärte Hitler später. »Aber Mutschmann wollte ihm alte Parteigenossen ins Orchester setzen, um NS-Geist hineinzubringen.«17 Daraufhin beobachtete er das Geschehen an der Semperoper, und noch 1938 notierte Goebbels: »Der Führer nach Dresden gefahren, um dort die Oper zu kontrollieren.«18 Die Musiktheateraktivitäten von Hermann Göring und Goebbels, die mit der Berliner Staatsoper und dem Deutschen Opernhaus zwei der führenden Häuser verantworteten, erklären sich weniger aus privatem Interesse – das bei Ersterem schwächer gewesen sein dürfte als bei dem Zweiten – als durch eine Art von Wettkampf um Hitlers Gunst. Der Propagandaminister schrieb daher bei der Wiedereröffnung »seines« Opernhauses: »Das Haus strahlt in Festglanz. ­Führer mit uns in der Loge […] Die Schlacht habe ich gewonnen. Auf der ganzen Linie! Später noch zu Hause palavert. Ich bin so glücklich. Der Führer hat mir gedankt. Lohn für viel Arbeit, Sorge, Ärger und Mühe.«19 Auch andere Theater versuchten immer wieder, Hitlers Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Mitten im Krieg veröffentlichte das vom Diktator ständig durch besondere finanzielle Zuwendungen geförderte Landestheater Linz 1942 ein außerordentlich aufwendig gestaltetes Farbheft, das über den aktuellen Leistungsstand des Hauses Auskunft geben sollte. Für das Reichspropagandaamt Oberdonau musste das Heft »auch deshalb besonders gut ausgestattet sein, weil dasselbe vom Gauleiter und Reichsstatthalter August Eigruber dem Führer überreicht werden soll«.20 Mit der Theatersaison 1934/35 begann die zentrale Kontrolle aller Spielpläne, die dem Propagandaministerium zur Genehmigung vorgelegt werden mussten. Der geplante Zentralismus des Reichsdramaturgen Schlösser, »der die ­deutschen Theater berät und in reichsdramaturgischen Blättern an der Hebung des ­Theaters arbeitet«, stieß nur in wenigen Punkten auf Widerstand; ein »­völliger Wegfall der örtlichen Programmhefte [… sei] schon deshalb nicht möglich, weil durch das landschaftliche und persönliche Kolorit solcher Hefte viel zur Gewinnung eines Stammpublikums für das einzelne Theater geleistet werden kann«.21 Problematisch war in vielen Fällen weniger ein Widerstand gegen die von oben verordneten Maßnahmen als der Übereifer lokaler Behörden. Daher musste Goebbels 1936 in einem Rundschreiben an die Reichsstatthalter und Landesregierungen unter Berufung auf den »Führer« klarstellen, dass das Recht, die Aufführung

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bestimmter Stücke zu untersagen oder zu verlangen, »einzig und allein« ihm zustehe. Es sei »vorgekommen, daß die Durchführung von Theaterveranstaltungen nur unter Auflagen gestattet worden ist, es sind sogar Intendanten unter Druck gesetzt worden«. Alle diese Maßnahmen sind »unzulässig und werden ausnahmslos aufgehoben«.22 Selbst fachlich unzuständige Ministerien versuchten ihre Ziele durchzusetzen, wenn etwa Reichsbauernführer Walter Darré mehrfach erfolgreich die Absetzung der Operette Der fidele Bauer verlangte – nicht wegen der jüdischen Abstammung des Komponisten Leo Fall, sondern weil der »deutsche Bauer« in dem Stück unangemessen dargestellt werde.23 Einer wirksamen Kulturpolitik stand letztlich auch entgegen, dass es kein national­sozialistisches Repertoire von ausreichender Publikumswirksamkeit gab. Julius Kapp, der Dramaturg der Berliner Staatsoper, klagte 1937, besonders »die ersten Jahre nach dem Sieg des Nationalsozialismus« seien schwierig gewesen. »Da hagelte es geradezu neue Opern auf den Schreibtisch des Operndramaturgen, und die Begleitbriefe klangen alle sehr ähnlich: die Misswirtschaft der vergangenen Jahre, die jüdisch-atonale Richtung hatte diese Werke unterdrückt! Wäre dies wirklich der Grund gewesen, so wäre die Misere des Opernspielplans mit einem Schlage überwunden worden. Leider zeigte sich aber schon bei flüchtiger Durchsicht dieser Opern, dass es sich um Autoren handelte, die infolge der Minderwertigkeit ihrer Werke es bisher zu nichts gebracht hatten! Sie hofften nun, die große nationale Bewegung trage jetzt auch ihre Zwergprodukte hoch. Einige ganz Vorsichtige versuchten sogar durch Widmungen oder Äußerlichkeiten, die ihre nationale Einstellung dartun sollten, ihr Konjunkturrittertum zu ver­decken.«24 Ungünstig fiel Goebbels’ Urteil über die Oper Der Freikorporal des 1931 in die NSDAP eingetretenen Komponisten Georg ­Vollerthun aus: »Gut gemeint, aber keine Melodie. Musik muß klingen. Das hier ist zu dünn. Ein Aufguß.«25 Parteimitglied Paul Graener, der hohe Positionen in der Kulturpolitik innehatte, kam nicht besser weg, und Goebbels monierte seine »mittelmäßige Musik«.26 Versuche scheiterten, Felix Mendelssohn Bartholdys Schauspielmusik zu ­William Shakespeares Sommernachtstraum durch Werke arischer Komponisten zu ersetzen, denn die neu entstandenen Stücke wurden von den Häusern kaum angenommen.27 Das nationalsozialistische Sprechtheater überzeugte gleichfalls nicht. »›Heroische Leidenschaften‹ = heroische Langeweile«, klagte der Propaganda­minister über ein Stück des Dramatikers Erwin Guido Kolbenheyer. »Entsetzlich! Mich kotzt das an, diese blöde Philosophisterei auf der Bühne. Sollen etwas geschehen lassen, und nicht immer spinnen.« Dagegen urteilte er unmittelbar darauf über König Lear: »Gigant Shakespeare! Sie sollen sich alle verstecken, die Kolbenheyers!«28

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Es blieb den nationalsozialistischen Theaterleitungen gar nichts anderes übrig, als das populäre Kernrepertoire der Weimarer Republik im Großen und Ganzen beizubehalten. Schwer wog das Verschwinden von Jacques Offenbachs Œuvre, und selbst Reichsdramaturg Schlösser, der es bedenklich fand, dass »ein Theater wie das in Koblenz nicht weniger als 3 Operetten von Offenbach ausgegraben hat«, musste eingestehen, dass der Verzicht auf Les Contes d’Hoffmann schmerzte, denn er wurde »bezüglich dieses Werkes mit Protesten seitens der Parteigenossen förmlich überschwemmt«.29 Auf noch mehr zugkräftige Komponisten konnte man schwerlich verzichten, wie Goebbels notierte: »Ein Oberschlauberger hat herausgefunden, daß Joh. Strauß ein Achteljude ist. Ich verbiete, das an die Öffentlichkeit zu bringen. Denn erstens ist es noch nicht erwiesen, und zweitens habe ich keine Lust, den ganzen deutschen Kulturbesitz so nach und nach unterbuttern zu lassen. Am Ende bleiben aus unserer Geschichte nur noch Widukind, Heinrich der Löwe und Rosenberg übrig.«30 Selbst Schlösser hielt sich alle Möglichkeiten offen, wenn er 1935 vage formulierte: »Es kann alles im deutschen Theater gespielt werden, was in seiner Art gekonnt und wirkungsvoll ist, wenn und soweit es in einem tragbaren Verhältnis zum Ganzen steht. Diesen Standpunkt nimmt die nationalsozialistische Kulturpolitik ein, weil sie jede Schematisierung der Form ablehnt. Nicht die Schematisierung der Form will sie, wohl aber als Höchstes die Einheit und Einheitlichkeit der Gesinnung.«31 Der Spielplan der Opernhäuser wurde mitunter sogar von außenpolitischen Wendungen beeinflusst: Während der vorübergehenden Annäherung an Polen in der Mitte der 30er-Jahre wurde gelegentlich Stanisław Moniuszkos Halka gespielt; russische Musik war im Zeitraum von der Unterzeichnung des HitlerStalin-Pakts bis zum deutschen Überfall auf die Sowjetunion wieder erlaubt. Französische Musik, die nach Kriegsausbruch weitgehend von den Spielplänen verschwunden war, wurde wieder gestattet, als Vichy-Frankreich sich enger an Deutschland anlehnte. Entscheidend waren letztlich Einzelpersonen, die gelegentlich Werke favori­ sierten, die ideologisch keineswegs als unbedenklich galten. Erik Levi betont, dass letztlich oft Hitlers Entscheidung bei strittigen Musikfragen den Ausschlag gab, wobei seine Entschlüsse schwer vorherzusehen waren. 32 Er war keineswegs bereit, sein seit der Jugend vertrautes Lieblingsrepertoire aufzugeben. ­Reichsdramaturg Schlösser empfahl zwar, bei den durch jüdische Librettisten »belasteten« Stücken Franz Lehárs »eine gewisse Zurückhaltung« zu üben. ­Hitler tangierte das Unbehagen der Kulturfunktionäre gegenüber der »verjudeten« Operette nicht; er förderte mit seinen privaten Mitteln gezielt Inszenierungen der Lustigen Witwe und des Lands des Lächelns.

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Rosenberg versuchte eine einheitliche Parteilinie durchzusetzen, fand aber immer weniger Beachtung. Im Mythus des 20. Jahrhunderts behauptete der Partei­ ideologe, Arnold Böcklins berühmtes Gemälde Die Toteninsel »heute noch an die Wand zu hängen, ist innere Unmöglichkeit geworden«. Hitler ließ 1936 genau dieses Gemälde im Empfangssaal des Reichskanzlerpalais aufhängen.33 Ähnliche Vorfälle gab es in der Musik, und amerikanische Journalisten wunder­ten sich über die sonderbare Rezeption von Werner Egks Peer Gynt. Zuerst hatte Rosenberg »verhindert, dass die Oper in Deutschland außerhalb Berlins gespielt wurde; die nationalsozialistische Presse attackierte das Werk […] und erklärte es für ›ungeeignet für die nationalsozialistische Weltanschauung‹. Und dann geschah etwas ganz Unerwartetes: Bei einer der letzten Berliner Auf­führungen der Oper erschien – sozusagen als deus ex machina – der Führer Adolf Hitler persönlich. Das Werk gefiel ihm außerordentlich; er ließ sich den Komponisten vorstellen und soll erklärt haben, daß er glücklich sei, so einem Talent ­begegnet zu sein. Das direkte Resultat dieses erstaunlichen Wandels war der Vorschlag der Oper beim Programmkomitee der Reichsmusiktage (und dadurch die Aussicht auf zahlreiche Inszenierungen im ganzen Reich) und auch die Verleihung eines Regierungspreises von 10 000 Mark an Egk zur Komposition einer neuen Oper. Diese brüske Durchkreuzung der kulturpolitischen Linie der Partei von Seiten Hitlers selbst bewirkte völlige Verwirrung bei denen, die es anging; ihr ­Erschrecken und ihre Verstimmung erreichten einen durchaus komischen Grad.«34 Der Diktator nahm vielfach durch gezielte Subventionen Einfluss auf den Theaterbetrieb des »Dritten Reiches«. Seinem Adjutanten schien es, dass es sich oft »bei Hitlers Anweisungen um momentane Eingebungen, unfertige Ideen« handelte, deren Realisierung die Auslegung durch die ausführenden Kräfte notwendig machte.35 Hitler legte unter anderem in groben Zügen die Besetzung der Meistersinger von Nürnberg für den Parteitag fest, erteilte dabei aber 1937 Joseph Goebbels’ Ministerium und dem Nürnberger Theaterreferat so unklare Anweisungen, dass die Einrichtungen unabhängig voneinander unterschiedliche Künstler engagierten. Die im Machtkampf unterlegenen städtischen Beamten mussten daraufhin ihre Künstler wieder ausladen und den ungeliebten Karl Böhm als Dirigenten akzeptieren, was im Nürnberger Opernhaus zu erheb­lichen Verstimmungen führte.36 Als bezeichnend für die von Launen bestimmte Unterstützung kann die der Münchner Oper gelten. 1938 war Hitler von einer Aufführung von Giuseppe Verdis Aida so begeistert, dass er dem Intendanten Oskar Walleck versprach, mehr Geld bereitzustellen. Man solle ihm eine Aufstellung der Chor- und Ballettgagen im Vergleich zu anderen großen Theatern geben,

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um den »Münchnern gegebenenfalls mit einer Summe beispringen zu können, welche den Übelstand, daß Chorsänger der Staatsoper sogar nach kleineren Theatern abschließen, weil dort die Gehaltverhältnisse bessere sind, beseitigt«.37 Der Aktenbestand der Neuen Reichskanzlei enthält zu den Zuwendungen eine reiche, wenngleich vermutlich unvollständige Korrespondenz: 1937 bewilligte Hitler Zuschüsse in Höhe von 30 000 RM für das Theater Nürnberg, 25 000 RM für das Theater Fürth und 100 000  RM für das Theater Köln; das Deutsche Opernhaus in Berlin bekam 50 000  RM für Operettenaus­stattungen,38 die Volksoper im Theater des Westens 100 000 RM39 für Bühnenaus­stattungen. 1938 erhielt die Münchner Oper 100 000 RM für die Neuinszenierung von Wagners Tristan und Isolde zum Tag der Deutschen Kunst, im darauffolgenden Jahr wies er dem Haus 150 000 RM für Neuinszenierungen von Wagners Tannhäuser und Richard Strauss’ Arabella zu.40 1939 erhielt das Theater in K ­ lagenfurt 150 000 RM 41 und das Landestheater Coburg 25 000 RM. 1940 gab es 20 000 RM für eine Salzburger Neuinszenierung von Mozarts Zauberflöte.42 Nur gelegentlich scheinen konkrete politische Zielsetzungen der Grund gewesen zu sein wie 1937, als er 100 000 RM bewilligte, um dem Theater in Gera »das Nötige zu geben, da sonst sogar die Zuendeführung dieser Spielzeit gefährdet wäre«.43 Die Fortführung des Theaterbetriebs sei umso wichtiger, »als es ein Kunstinstitut hohen Ranges in einer früheren Marxistenzentrale und im theaterfreudigsten Thüringen ist«.44 Besonders großzügig zeigte sich Hitler gegenüber dem Theater seiner Heimat­ stadt Linz und dem Weimarer Nationaltheater. Bis heute haben sich Teile der sogenannten »Führerausstattungen« erhalten, die er im Krieg dem Landes­theater Linz schenkte. Diese hatten eine so hohe Priorität, dass sich Hitlers Büro bei Materialengpässen gegebenenfalls direkt einschaltete. Bormann schrieb am 10. Juli 1941 an Reichsminister Hans Heinrich Lammers: »Bereits am 26. Juli 1941 soll die Aufführung der Fledermaus in Linz stattfinden; die Ausstattung wird vom Führer bezahlt, der gesamte Sommer-Spielplan ist auf diese Aufführung eingestellt. Die für die Aufführung notwendigen Schuhe sind von der Schuhfirma Striska, Berlin-Tempelhof, bereits fertig gestellt, doch erfolgte die Lieferung bisher nicht, weil Lederschecks nicht vorhanden sind. Der Führer hat angeordnet, wie ich Ihnen im Auftrag mitteile, die Reichslederstelle solle umgehend die benötigten Lederschecks ausstellen und damit die Schuhe freigeben. Der Eile halber bitte ich Sie um vordringliche Bearbeitung.«45 Lammers wies Reichswirtschaftsminister Walther Funk an, der dem Wunsch entsprach, auch wenn er einwandte, dass zur Anfertigung der Schuhe eine Ledermenge benötigt werde, »die genügen würde, um 100 Paar Arbeitsschuhe und 600 Paar Straßenschuhe herzustellen, eine Anforderung, die der Reichsstelle für Lederwirtschaft mit Rücksicht auf

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die Versorgungslage und im Vergleich zu dem üblichen Theaterbedarf ursprünglich recht erheblich erschien«.46 Die Kosten einer Zigeunerbaron-Inszenierung betrugen 114 202 RM, etwas günstiger fiel mit 82 066 RM eine Inszenierung von Friedrich Schillers Wallenstein aus, auch weil »das für die Ausstattung nötige Schuhwerk […] derzeit wegen Material- und Arbeitermangel nicht zu erhalten« war. Für Das Land des Lächelns stellte das Linzer Theater 98 758 RM in Rechnung, für Tannhäuser sogar die gewaltige Summe von 310 004 RM.47 Die Mittel für das Nationaltheater Weimar begannen als einmalige Zuwendungen, um dann verstetigt zu werden. Im März 1936 erinnerte I­ ntendant Z ­ iegler die Privatkanzlei Hitlers an eine zugesagte Überweisung von 30 000  RM für Tannhäuser, »da der Bühnenbildner Benno von Arent, der einen Inszenierungs­ auftrag vom Führer bekommen hatte, schon jetzt seine Liquidation vorlegt und die Materialbeschaffung für die Osterfestspiele schon erfolgt ist«.48 Zu Beginn der Spielzeit 1937 fragte Ziegler bei der Reichskanzlei an, »ob wir den bisher ü ­ blichen Betrag von RM 30.000 überwiesen bekommen können«, da »wir wieder mit einer großzügigen Inszenierung, nämlich der des Freischütz durch Prof. Benno von Arent beginnen« werden.49 Im folgenden Jahr stellte Hitler die gleiche Summe für Aufführungen von Schillers Maria Stuart und der Meistersinger von Nürnberg bereit und bewilligte 1938 30 000 RM für Festaufführungen von Aida und Schillers Wilhelm Tell, wobei Ziegler schon von einem »regelmäßigen Zuschuß« schreibt.50 Die jährlichen Zahlungen gingen noch 1944 ein, als alle Theater geschlossen waren, was Ziegler damit begründete, dass er die Gagen weiter zahlen müsse, um die vom Führer und dem Gauleiter »gewünschten Solokräfte in Weimar festzuhalten«.51 Die Mittel entnahm Hitler in der Regel seinem 1937 eingerichteten »Kultur­ fonds«. Diesem waren in den ersten vier Jahren seines Bestehens mehr als 32 Millionen RM zugeflossen, wobei der größte Posten 14,9 Millionen RM aus dem Sonderwertzeichenverkauf waren. Dazu kamen 10 Millionen RM von der ­Goebbels unterstehenden Universum-Film AG, 6,4 Millionen RM »aus den Mitteln zu allgem. Zwecken« und 558 458 RM Gewinn aus Effektengeschäften; der Rest waren kleinere Beträge.52 Bis April 1943 waren die Einnahmen auf über 40 Millionen RM angewachsen, im August des Jahres wurden aus dem Verkauf von Sonderbriefmarken weitere 8 Millionen RM erlöst, im April 1944 weitere 1,7 Millionen RM und im November nochmals 9,4 Millionen RM.53 Daneben verfügte Hitler über erhebliche Einkünfte aus dem Verkauf von Mein Kampf und konnte bei Bedarf auf weitere Fonds des NS-Regimes zugreifen. Vernachlässigbar blieben bei diesen Größenordnungen Spenden von Privatpersonen, die von dem nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Fonds gehört hatten wie 1129 RM aus dem Verkauf von Marketenderwaren des Feld-Ersatz-Bataillons 134/4 oder die Spende eines Fräulein

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Boetje aus Amsterdam in Höhe von 80 RM.54 Anhänger, die kulturelle Aktivitäten Hitlers unterstützen wollten, wurden belehrt, dem »Kulturfonds des Führers fließen lediglich dafür besonders bestimmte Geldmittel zu, z. B. die Zuschläge aus dem Verkauf der von der Deutschen Reichspost herausgegebenen Sondermarken, über die nach Weisung des Führers für kulturelle Zwecke verfügt wird. Eine ›Mitgliedschaft‹ beim Kulturfonds kann daher nicht erworben werden.«55 POPULÄRER GESCHMACK

In weiten Teilen deckte sich Hitlers privater Geschmack mit dem breiter Pub­ likums­schichten. Für Ludolf Herbst verschließt sich die Attitüde eines avantgardistischen Kunstgeschmacks der Erkenntnis, dass der Masse, und wahrscheinlich auch der Mehrheit des Bürgertums, die avantgardistische Kulturszene ebenso gleichgültig war wie Hitler. Die kritisch-ironische Distanz bürgerlicher Selbstgefälligkeit sei die Quelle zahlreicher Fehleinschätzungen Hitlers, denn gerade sein populärer Geschmack eröffnete ihm die Anschlussfähigkeit an die breite Masse, die wesentlich für seinen Erfolg war.56 Musikpsychologische Untersuchungen zeigen, dass generell die Musik, die ein Mensch in der Jugend gehört hat, auch im weiteren Leben die größte emotio­ nale Anziehungskraft ausübt. Nach Einschätzung Albert Speers blieb Hitler »in der Welt seiner Jugend stecken: es war die Welt von 1880 bis 1910, die seinem Kunstgeschmack ebenso wie seiner politischen und ideologischen Vorstellungswelt die besonderen Merkmale gegeben hat«.57 Während des Zweiten Weltkriegs erklärte Hitler, bis 1910 hätten die Deutschen »ein außer­ordentliches Niveau« in den künstlerischen Leistungen aufzuweisen gehabt. Seitdem sei es »in immer stärkerem Maße bergab gegangen«, vor allem »was seit 1922 dem deutschen Volk als Kunst aufgeschwätzt« wurde, sei »auf dem Gebiet der Malerei ein einziges verkrüppeltes Gekleckse«.58 Seine Vorliebe gehörte dem bürgerlichen Repertoire der Jahrhundertwende beziehungsweise Werken, die stilistisch nicht wesentlich darüber hinausgingen. Zu seinen Lieblingsstücken gehörten neben Wagners Opern mit Franz Lehárs Lustiger Witwe und Eugen d’Alberts Tiefland zwei der ganz großen Bühnenerfolge aus seiner Jugend; noch als Reichskanzler soll er Die lustige Witwe einmal innerhalb eines halben Jahres sechsmal gesehen habe.59 Kurz nach seiner Übersiedlung nach Wien hatte es Ende Februar 1908 die lokale Erstaufführung von Tiefland gegeben. Nicht nur das Werk, sondern auch die Dekorationen von Alfred Roller scheinen auf Hitler nachhaltigen Eindruck gemacht zu haben: 30 Jahre später wünschte er bei einem offiziellen Besuch

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der Wiener Staatsoper zur Überraschung der Theaterleitung genau diese alte Produktion wieder zu sehen. Dirigent Hans Knappertsbusch kam dem Wunsch nach, leitete die ungeliebte Oper für den ungeliebten Ehrengast allerdings mit erkennbarem Missmut, wie ein Philharmoniker sich später erinnerte.60 Viele der restriktiven Maßnahmen gegen die künstlerische Moderne, die nach 1933 umgesetzt wurden, waren von Teilen des bürgerlichen Publikums schon in den 20er-Jahren gefordert worden. Daher sprach Hitler sicherlich für viele seiner Anhänger, wenn er 1937 behauptete, das Volk habe mit der »so genannten modernen Kunst überhaupt nichts mehr zu tun gehabt«. Die Moderne habe nur Abscheulichkeiten produziert, sodass man sich fragen müsse, ob die Künstler die Welt wirklich so sehen: Wenn dies zuträfe, »wäre zu untersuchen, ob ihre Augenfehler entweder auf mechanische Weise oder durch Vererbung zustande gekommen seien«; in letzterem Falle habe sich das Reichsinnenministerium mit der Frage zu beschäftigen, wie »eine weitere Vererbung derartiger grauenhafter Sehstörungen zu unterbinden« sei. Glaubten die Künstler hingegen »selbst nicht an die Wirklichkeit solcher Eindrücke, sondern sie bemühen sich aus anderen Gründen, die Nation mit diesem Humbug zu belästigen, dann fällt so ein Vorgehen in das Gebiet der Strafrechtspflege«.61 Auf einer anderen Kundgebung machte Hitler allein Konformitätsdruck dafür verantwortlich, dass das breite Publikum die Moderne überhaupt erdulde: Es traue sich bloß nicht, seine wirklichen Empfindungen zum Ausdruck zu bringen. Durch Kunstkritiken, »die ein Jude über den anderen zusammengeschmiert habe«, sei dem Volk, das alles glaube, was es schwarz auf weiß lese, eine Kunstauffassung suggeriert worden. Obwohl nur »erbärmlicher Quark in der Oper und im Konzert aufgeführt« werde, stoße man überall auf »die Konzes­ sionen und die Feigheit«. Die Menschen wollten die »Dissonanzen« eigentlich gar nicht hören, »aber niemand wagt […] fernzubleiben, der erbärmliche ›Klang‹ beleidigt die Ohren, sie sehen sich um: Neben ihnen sitzt ein blasiertes Jüngelchen oder ein Lebegreis und beginnt zu klatschen und sieht frech um sich, und die anderen, statt dem Jüngelchen … (Zuruf aus der Versammlung: Eine hinein zu hauen! – Heiterkeit), beginnen erst nachzudenken, ob sie nicht doch etwas Tiefes gehört haben, und schließlich klatschen sie mit, obwohl sie gar nicht klatschen wollten, nur damit sie ja nicht von diesem Bürschchen als Kunstbanausen angesehen werden.« Ihm sei gleichgültig, »ob so ein blasiertes Jüngelchen oder ein entwurzeltes Dämchen auf uns heruntersieht. Mir ist ein einziger deutscher Militärmarsch lieber als der ganze Unrat eines modernen Neutöners. (Stürmischer Beifall.) Das eine ist Musik, und das andere reizt beinahe zum Erbrechen.« Die Aufgabe der Nationalsozialisten sei es, »aufzutreten

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gegen die Frechheit, daß Leute, die ins Sanatorium gehören, als ›Künstler‹ auf die Menschheit losgelassen werden, um ihr Zeug zu produzieren. (Stürmische Zustimmung.) Und wenn man uns fragt: Mit welchem Recht nehmen Sie sich das heraus? Dann antworten wir: Mit dem Recht des Gesunden! (Tosender Beifall.)« Von der Zumutung der modernen Kunst befreit, werde man w ­ ieder sehen, was früher geleistet wurde, »und Melodien, die vielleicht durch den Orgelmann der Straße der Gegenwart verhaßt geworden sind, werden wieder klingen als Musik. Und die Erzeugnisse der heutigen Degeneration und ­rassischen Verbastardierung werden einst unsere Museumssäle füllen. (Beifall.)« 62 Hitler lehnte das zeitgenössische Opernschaffen weitestgehend ab. 1929 sah er Paul Hindemiths Zeitoper Neues vom Tage und empörte sich besonders über die groteske Szene, in der eine nackte Frau in der Badewanne sitzend ein Loblied auf die Wasserversorgung singt; er »haßte den Komponisten von diesem Augenblick an«.63 Die Uraufführung von dessen weder musikalisch noch inhaltlich sonderlich revolutionärer Oper Mathis der Maler wurde daraufhin verboten, und die Zeitschrift Die Musik stellte 1933 fest: »Hindemith ist überall zu Hause, nur nicht in der deutschen Volksseele. Als Führer der von uns ersehnten neuen deutschen Musik aus Hitlers Geist kommt er nicht in Frage.«64 Nach Speer hatte allein Richard Strauss’ Popularität Hitler davon abgehalten, dessen Werke zu verbieten. Dem Diktator habe missfallen, dass der Komponist sich viel zu sehr mit dem »jüdischen Gesocks« eingelassen habe und dass er das ganze »neumodische Gekreisch« mitmache. »Als Komponist interessiert mich der Strauss überhaupt nicht. Nur zweiter Rang!«65 Bei anderer Gelegenheit überlieferte Äußerungen zeichnen freilich eine weniger feindselige Einstellung Hitlers gegenüber Strauss. Er diente bekanntlich im »Dritten Reich« als ein kulturelles Aushängeschild, trotz verschiedener Konflikte, wie etwa das Festhalten an seinem jüdischen Librettisten Stefan Zweig, wes­ wegen es 1935 zu einem Eklat kam. Bei einem erneuten Dissens forderte Hitler 1944, »daß führende Persönlichkeiten der Partei, die bisher mit Dr. Richard Strauss persönlichen Verkehr unterhalten haben, diesen alsbald einstellen«.66 Der Grund hierfür war aber keineswegs eine feindliche politische Haltung Strauss’, sondern dass dieser es verstanden hatte, »sich allen Anforderungen, die man wegen der Unterbringung von Bombengeschädigten und Evakuierten an ihn stellte, zu entziehen. Auf den Hinweis, heute müsse jeder Opfer bringen, der Soldat an der Front setze sogar ständig sein Leben ein, antwortete er, das gehe ihn nichts an, für ihn brauche kein Soldat zu kämpfen.«67 Als daraufhin die Beschlagnahme der Villa angeordnet wurde, rechtfertigte sich der Komponist, der Kreisleiter habe seinerzeit eingesehen, dass eine Einquartierung »die

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empfindlichste Behinderung meiner für die kompositorische Arbeit notwendigen Bewegungsfreiheit in Anwesen und Garten und schwerste Störungen meiner Stille und Ruhe bedürftigen geistigen Arbeit« bedeuten würde.68 Man einigte sich schließlich darauf, dass Strauss nur das Nebengebäude zur Verfügung stellen musste. Trotz aller Konflikte findet sich sein Name auf der Sonderliste der »Unersetzlichen Musiker« des »Dritten R ­ eiches«, die von Hitler gebilligt wurde. Obwohl auch Hans Pfitzner auf dieser Liste zu finden war und trotz seiner bekanntermaßen nationalistischen Einstellung, zählte er keineswegs zu Hitlers Favoriten. 1933 wandte sich der Komponist mit der nicht sonderlich bescheidenen Aufforderung an den Diktator, dieser möge Aufführungen seiner Werke besuchen. Die Daten sandte Pfitzner gleich mit: Hochverehrter Herr Reichskanzler, Ich kann nicht sagen, wie sehr ich bedaure, daß Sie, Herr Reichskanzler, nicht die Aufführung meiner – vor 12 Jahren entstandenen – Kantate Von deutscher Seele gehört haben. Ob ich Ihnen ein Begriff bin, weiß ich nicht. Meine vaterländische Gesinnung wird Ihnen bekannt sein, aber ob Sie aus eigener Wahrnehmung mich als schaffenden Künstler jemals unmittelbar erlebt haben – etwa durch eine gute Palestrina-Vorstellung – weiß ich nicht. Dazu wäre jetzt Gelegenheit gewesen, zumal die Aufführung der Kantate unter meiner Leitung eine authentische genannt werden konnte; einer solchen kommt keine andere – ohne Ausnahmen – gleich. Sie verehrter Herr Reichskanzler, sind ein musischer Mensch, was sich mit dem großen Politiker sehr wohl verträgt, wie das Beispiel Bismarck beweist, der aber leider den mit ihm zugleich lebenden Richard ­Wagner nicht des Hinsehens wert gehalten hat. Ich glaube nicht, daß Sie es bereuen würden, mich durch eines meiner großen Werke kennen zu lernen und darf wohl glauben, daß ich verdiene, von Ihnen gekannt zu werden. Mit Verehrung und Bewunderung Hans Pfitzner P. S. Aufführungen meiner Werke in den nächsten Tagen Sonntag, den 26.11. Palestrina, Staatsoper, unter Robert Heger Montag, den 27.11. Orchester-Konzert, Philharmonie unter meiner Leitung69 Donnerstag, den 30.11. Christ-Elflein, Städtische Oper

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Die erhoffte Wirkung des Schreibens trat freilich nicht ein. Die Reichs­kanzlei antwortete mit der unterkühlten Mitteilung, dass Hitler vom Inhalt des Briefes Kenntnis genommen habe. Wegen »starker Inanspruchnahme durch vordringliche Amtsgeschäfte« sehe er sich jedoch außerstande, der Einladung nachzukommen.70 Pfitzners fortgesetzte Belästigung Hitlers mit dem Wunsch nach stärkerer Präsenz seiner Werke im Musikleben des »Dritten Reiches« führte keineswegs zum gewünschten Erfolg, sondern war vielmehr dazu angetan, die Aversion des Diktators weiter zu verfestigen.71 Die undiplomatisch vorge­tragenen Anbiederungsversuche Pfitzners an NS-Funktionäre änderten nichts daran, dass die Aufführungshäufigkeit seiner Opern weiter abnahm.72 1934 teilte ihm der bayerische Generalintendant Clemens von Franckenstein mit, er wolle von Wiederholungen von Das Herz Abstand nehmen, weil die letzte Aufführung nur eine Tageseinnahme von 419  RM erbracht habe. Über den »Kassenstandpunkt« erzürnt, forderte Pfitzner daraufhin, man solle seine Rose vom Liebesgarten gleichfalls vom Spielplan nehmen.73 Franckensteins Nach­ folger Oskar Walleck monierte ebenfalls die Unpopularität der Werke Pfitzners und bekundete, 1936 wegen der gleichzeitig stattfindenden Olympiade und der Bayreuther Festspiele in »schwerstem Existenzkampf« zu stehen, weswegen er bei den Münchner Festspielen keine Werke lebender Komponisten geben wolle. »Aus wirtschaftlich künstlerischen Gründen heraus musste ich es mir diesmal versagen, Werke von Ihnen, sehr verehrter Meister, in das Festspielprogramm aufzunehmen.«74 Die von Pfitzner erhoffte Karriere im »Dritten Reich« musste schon deshalb ausbleiben, weil Hitler die Zuneigung des Komponisten nicht erwiderte. ­Anscheinend sind sie nur einmal persönlich aufeinandergetroffen: Als der Komponist 1923 in einem Münchner Krankenhaus lag, suchte ihn der aufstrebende Politiker auf, was in einem Gespräch über die Zukunft Deutschlands mündete.75 Während ­Pfitzner poli­tische Übereinstimmung wahrnahm, wertete Hitler die Begegnung als einen plumpen Anbiederungsversuch. Er erinnerte sich später daran, dass 1 Hans Pfitzner sie in der Judenfrage uneins gewesen waren, da der Komponist auf Differenzierungen bestand, die Hitler ablehnte.76 Insbesondere vertrat Pfitzner die Ansicht, dass beim Anti­semitismus Ausnahmen für jüdische Mitbürger zu machen seien, die eine nationale Gesinnung haben und die kulturell bedeutend sind.77 Anscheinend schloss Hitler aus den Äußerungen sogar, dass

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der radikale Antisemit Pfitzner selbst jüdische Wurzeln haben könne, wie eine spätere Aktennotiz deutlich macht: Danach war er zwar mit einer Ehrung zu dessen 75. Geburtstag einverstanden, es solle »jedoch kein zu großes Aufsehen um Pfitzner gemacht werden. Soweit man bei Pfitzner von guten Stücken ­sprechen kann, sollen die besten aufgeführt werden.« Man solle noch mal überprüfen, ob der Komponist nicht Halb- oder Vierteljude sei.78 ­Pfitzner verteidigte den Diktator hingegen noch nach Kriegsende mit dem ungeheuer­lichen Statement: »Das Weltjudentum ist ein Problem & zwar ein Rassenproblem, aber nicht nur ein solches, & es wird noch einmal aufgegriffen werden, wobei man sich ­Hitlers erinnern wird & ihn anders sehen, als jetzt, wo man dem gescheiterten ­Belsazar den bekannten Eselstritt versetzt. Es war sein angeborenes Proletentum, ­welches ihn gegenüber dem schwierigsten aller Menschenprobleme den Standpunkt des Kammerjägers einnehmen ließ, der zum Vertilgen einer bestimmten Insektensorte angefordert wird. Also nicht das ›Warum‹ ist ihm vorzuwerfen, nicht, ›daß er es getan‹, sondern nur das ›wie‹ er die Aufgabe angefaßt hat, die berserkerhafte Plumpheit, die ihn dann auch, im Verlauf der Ereignisse, zu den Grausamkeiten, die ihm vorgeworfen werden, führen musste.«79 Wiederholte Untersuchungen der politischen Einstellung Pfitzners, der nie Mitglied der NSDAP war, ließen an seiner grundsätzlichen Zustimmung zum Regime keine Zweifel. Franz Adam vom Nationalsozialistischen Symphonieorchester teilte auf Anfrage mit, dass ihm »politisch Nachteiliges über Herrn Professor Dr. Hans Pfitzner nicht bekannt« sei.80 1940 erklärte die Gauleitung München-Oberbayern dem Büro von Rudolf Heß: »Dem Nationalsozialismus steht Pfitzner bejahend gegenüber.« Allerdings würde er »als mürrischer Mensch geschildert, der mit seinen Angestellten und den Musikern barsch umgeht«.81 Problematisch war nicht Pfitzners politische Einstellung, seine gelegent­ lichen Probleme mit der nationalsozialistischen Führung begründeten sich vor allem in seinem schwierigen Charakter. Schon 1910 war es an der Münchner Hofoper zu einem vorübergehenden Boykott seiner Werke gekommen. Nachdem Pfitzner zuerst alle Angebote ausgeschlagen hatte, sich in die Vorbereit­ ungen zur Rose im Liebesgarten einzubringen, und lediglich auf »ersten Sängern« bestanden hatte, richtete er plötzlich einen Brief an das Theater, »dessen Ton« es der Intendanz unmöglich machte, »auf die geäußerten Wünsche einzugehen«. Die »hochgradige Erregung« der beteiligten Künstler, die Pfitzner als »eine fast durchweg zweite Besetzung« bezeichnet hatte, machte die weitere Arbeit vorerst unmöglich.82 Pfitzner trug das Gefühl des Zukurzkommens stets offensiv nach außen. Als seine Oper Das Herz in der Geschichte der Preußischen Staatstheater als »­schwaches Werk« bezeichnet wurde, wandte er sich direkt an

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Hermann Göring in dessen Funktion als Preußischer Ministerpräsident, um »als voll­ständig Wehrloser« gegen diese »faustdicke Lüge« zu protestieren.83 Zum Intimfeind erkor er sich den Bariton und NS-Funktionär Wilhelm Rode, mit dem er ursprünglich befreundet gewesen war. Dieser war in Palestrina, Die Rose vom Liebesgarten und Der arme Heinrich aufgetreten, aber bereits 1930 hatte Pfitzner gebeten, auf Rode als Borromeo zu verzichten, da er ihn »in dieser Partie, die er nicht gern singt und unsicher ist, nicht sehr schätze«.84 Rode weigerte sich dann als Intendant des Deutschen Opernhauses, Pfitzners Werke aufführen zu lassen, wofür er als Begründung angab, »aus den Aufführungen ­Wagner’scher und Verdi’scher Opern schreiten wir alle erhobenen Hauptes, bei Pfitzner aber kommen wir ›so‹ heraus«. Dabei senkte er »zur Illustrierung seines Gemütszustandes das Kinn auf die Brust und faltete seinen Körper zusammen«.85 Darauf reagierte Pfitzner mit einer Denkschrift, der ein Zitat des »Führers« vorangestellt war: »Ich bin Nationalsozialist und als solcher gewohnt gegen jeden Angriff sofort zurückzuschlagen. Adolf Hitler.« Pfitzner wolle gelten lassen, dass Wagners Werke erheben, nicht aber die Giuseppe Verdis, denn in Otello »mordet zum Schluß ein Angehöriger der schwarzen Rasse ein blondes, arisches Weib. Herr Rode aber verläßt das Theater erhobenen Haupts.«86 Die Denkschrift hatte indes keine andere ­W irkung, als dass sich Pfitzner lächerlich machte. Rode blieb unbeeindruckt, denn er wusste sich »hinsichtlich der Beurteilung der Opernwerke Pfitzners mit der Auffassung des Führers und des Herrn Reichskanzlers einig«.87 GÜNSTLINGE

Das Deutsche Opernhaus Berlin war das dem Regime am nächsten stehende ­Theater. Die einstige Städtische Oper verdankte ihren Fortbestand den Launen H ­ itlers. Neujahr 1934 besuchte er mit Joseph Goebbels eine »wunderbar beschwingte, lustige, witzige und prachtvolle Aufführung« von Johann Strauß’ Fledermaus. »Wir alle sind ganz begeistert. Damit ist die städt. Oper gerettet. Hitler gibt Rode in der Pause Ermächtigung, das dem Personal mitzuteilen.«88 In der Weimarer Republik galt das Theater als ein Hort des Modernismus, und noch im Januar 1932 hatte der Völkische Beobachter gehetzt: »Dirnen-Opern, NegerOpern, Juden-Musiken – und ein paar Deutsche als Zuwaage.«89 Nachdem 1933 SA -Männer eine Aufführung gestürmt hatten, war Intendant Carl Ebert ins Exil geflüchtet; der zu seinem Nachfolger ernannte Max von ­Schillings verstarb überraschend kurz darauf und hinterließ das Theater führungslos. Widerstand

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gegen eine Übernahme durch Goebbels’ Propaganda­ministerium war daher von keiner Seite zu erwarten. »Ausgehend von der Tatsache, daß die Oper, die finanziell noch immer in bedrängter Lage befind­liche Stadt einen jährlichen Zuschuss von rd. 1,8 Millionen kostet«, begrüßte es Julius Lippert, der Staatskommissar der Hauptstadt Berlin und spätere Bürgermeister, »auf das freudigste, daß das Reich, zunächst federführend durch das Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda die Städtische Oper übernehmen will«.90 Ende Februar 1934 trug der Propagandaminister in sein Tagebuch ein: »Mit Führer im Kaiserhof Frage städt. Oper durchgesprochen. Die übernehme ich ganz.«91 Mit dieser Rückendeckung ließ sich die strittige Finanzierung rasch klären: »Nachm. Kabinett: ich bekomme fürs Theater 12 Millionen. Führer und Göring setzen sich mächtig dafür ein.«92 Faktisch wurde das Theater jetzt von Goebbels geleitet, der sein Opernhaus »in fast fürstlich-mäzenatischer Manier« führte.93 Neuer Intendant wurde Wilhelm Rode, der mit dem Bassisten Josef von ­Manowarda, der sich gern als »Lieblingssänger des Führers« vorstellte,94 zu den wenigen deutschen Sängern gehörte, die fanatische Begeisterung für den Nationalsozialismus mit hohem internationalen Renommee verbanden. Rode galt als einer der herausragenden Baritone seiner Zeit, und 1932 lobte ihn ­Alfred Einstein bei der Uraufführung von Franz Schrekers Der Schmied von Gent: »Das Werk steht und fällt mit der Besetzung der Titelrolle; mit Wilhelm Rode steht es. Man muß ihm einen Hymnus singen – denn wo sind die Sänger seines Rangs, die überhaupt noch neue Rollen lernen? Er kommt kaum von der Bühne; er singt mit Kraft, Wohllaut, sein Eifer steigert sich bis zum Schluß.«95 Besonders als ­Wagner-Sänger genoss er hohes Ansehen, und Goebbels berichtet von einer gemeinsam mit Hitler besuchten Aufführung: »Rohde [sic] als Sachs ganz groß in Geste, Spiel und Stimme.«96 Rodes Karriere ist ein charakteristisches Beispiel für die Günstlingswirtschaft im »Dritten Reich«. Seiner Personalakte zufolge war »in weiten Kreisen, namentlich in Bayern, bekannt, daß er für die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei von Anbeginn kämpfte und wirkte. Für seine Verdienste um die soziale Fürsorge erhielt er die silberne und goldene Hitler-Nadel.«97 1933 nahm er in der Uniform eines Scharführers der SA an einem Münchner Ehrenabend für Ernst Röhm teil; an einem anderen Abend hatte die oberste SA-Führung zu einer »Vorstellung von Rossinis Tell eingeladen, worin Wilhelm Rode, seinen Kameraden zuliebe, die Titelpartie, und zwar unentgeltlich, sang, um damit als aktiver SA.-Mann seine enge Verbundenheit mit der SA. zu bekunden«.98 Vor einer Münchner Festaufführung der Meistersinger von Nürnberg teilte der »Kampfbund für deutsche Kultur« der Intendanz mit, dass man »größten Wert

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darauf lege, in der Titelpartie [sic] Herrn Kammersänger Rode zu bekommen. Der Grund für diesen Wunsch bestehe nicht so sehr in Bedenken gegen einen anderen Vertreter dieser Partie, vielmehr sei der Wunsch maßgebend, in der 1. Kampfbund-Vorstellung, die durch die Anwesenheit der gesamten baye­ rischen Regierung und möglicherweise auch des Herrn Reichskanzlers zu einer besonders repräsentativen Angelegenheit werde, den nach Einschätzung des Kampfbundes prominentesten Sachs zu hören.«99 In diesem Jahr sagte der Bariton aus Protest gegen die Dollfuß-Regierung bei den Salzburger Festspielen ab und stellte sich dabei in den Dienst der NS-Propaganda. Als Intendant des Deutschen Opern­hauses setzte er unverzüglich harte Maßnahmen durch und füllte die durch Vertreibung der jüdischen Mitglieder frei gewordene Stellen mit Parteigenossen auf. Dabei verfügte der neue Kapellmeister Walter Lutze bestenfalls über solide Fähigkeiten, aber er war mit Hitlers Fotografen Heinrich Hoffmann befreundet und genoss die Protektion Goebbels’.100 Rode brüstete sich gern damit, der »Führer« habe ihn 43-mal als Hans Sachs gesehen, seiner Paraderolle, in der er 1939 bereits zum 250. Mal auftrat.101 Mit diesem Rückhalt konnte er Forderungen durchsetzen, die selbst der nationalsozialistischen Bürokratie als unangemessen erschienen. Man äußerte »stärkste Bedenken dagegen, daß aus öffentlichen Mitteln derart hohe Gehälter gezahlt werden«; es solle daran festgehalten werden, »daß die Bezüge außertarif­ licher Kräfte die Dienstbezüge eines Reichsministers (gekürzt 30 428  RM ) nicht übersteigen dürfen«.102 In Berlin inszenierte er nicht nur, sondern sang »einem Wunsch des Führers ent2 Wilhelm Rode inszeniert im Kostüm als Kurvenal sprechend auch weiterhin seine Standardpartien, ­darunter vor allem ›Hans Sachs‹, ›Wotan‹ (›Wanderer‹), ›Holländer‹, ›­Telramund‹, ›Amfortas‹, ›­Kurvenal‹.«103 Als Theaterleiter entpuppte sich Rode rasch als eine krasse Fehlbesetzung. Er war eng mit Röhm befreundet, auch wenn er nach dessen Ermordung behauptete, ihn kaum gekannt zu haben. Zum ersten Eklat kam es, als er das Opernorchester aufforderte, bei der Geburtstagsfeier des SA-Stabschefs als Damenkapelle verkleidet mitzuwirken. Die Konflikte zwischen Intendant und Theaterpersonal verdeutlicht ein Bericht von Bruno von Niessen, des zuständigen Abteilungsleiters der

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Reichstheaterkammer. Es sei wünschenswert, »daß die Kameradschaftsabende in anderer Form stattfinden, da sie zumeist in wüste Saufereien und endlose, bis in den spätesten Morgen hinein dauernde Gelage mit Schlägerei und blutigen Köpfen geendet haben«. Auch solle Rode »seine eigenen Zechabende in dem öffentlichen Restaurant des Deutschen Opernhauses etwas einschränken«.104 Im Namen aller bei der Reichstheaterkammer vorsprechenden Mitglieder des Theaters sprach Niessen den Wunsch aus, »endlich einen anderen Inten­danten […] zu bestimmen«.105 Würde es bei dem 650 Mann starken Personal zu einer geheimen Abstimmung kommen, dürften höchstens 20 für Rode votieren. Der Intendant »sei in jeder Beziehung unzuverlässig, seine dauernden Widersprüche stifteten Unruhe, ließen ihn als unglaubwürdig erscheinen, und seine immer wieder nur aufgrund seiner Rücksprache mit dem Herrn Reichs­ minister Dr. Goebbels erfolgen­den Veranlassungen beängstigten das Personal.«106 Schlecht kam bei seinen Untergebenen an, dass Rode immer wieder die Nähe zu Hitler betonte. »Das ewige Angeben auch hinsichtlich seiner bedeutenden, seit vier Jahren bestehenden Beziehungen zum Führer und Reichskanzler und seine daraus resultierende Macht über die Gefolgschaft sei einmal beunruhigend und anderer­seits zum Teil nicht der Wahrheit entsprechend.«107 Goebbels stellte sich in der Krise anfangs hinter den Bariton, wobei er sich bei Hitler rückversicherte: »Ich erzähle von Rodes Schwierigkeiten im Deutschen Opernhaus. Der Führer wird mich da unterstützen.«108 Allmählich kippte aber selbst innerhalb der NS-Führung das Ansehen Rodes, wie sich in Goebbels’ Tagebüchern nachverfolgen lässt: »Rode vom Opernhaus, der frech wurde, die Meinung gegeigt.«109 1942 hieß es dann: »Ich bin mit Rode als Generalintendant alles andere als zufrieden […] Ich werde doch bei nächster Gelegenheit diese Frage ein[ma]l mit dem Führer besprechen, eventuell muß man Rode durch einen besseren Ensembleführer ablösen.«110 Hitler erkannte den stimmlichen Verfall des Sänger-Intendanten als Ursache für den Niedergang des Opernhauses, da Rode »auf eine erklärliche Weise immer bestrebt sei, Gesangskräfte zweiter oder dritter Klasse zu engagieren, denen gegenüber er immer noch bestehen könne«.111 Er stehe Rode daher »skeptisch gegenüber. Solange er noch weiter singt, wird sein Ensemble eine fragwürdige Entwicklung nehmen. Jeder ­Sänger, der in einem Theater die Personalpolitik zu bestimmen hat, wird immer versucht sein, die Neuengagements mindestens auf seinem Niveau, nach Möglich­ keit unter seinem Niveau zu halten, niemals aber Sänger und Sängerinnen über ­seinem Niveau zu verpflichten. Man muß also Rode jetzt generell von der Ausübung des darstellenden und sängerischen Berufs abdrängen und ihn auf eine rein verwaltungsmäßige Tätigkeit beschränken. Unbedingt notwendig ist

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es, für das deutsche Opernhaus einen Operndirektor, nach Möglichkeit in der Person eines hervorragenden Dirigenten, zu gewinnen. Das wird zwar einige Schwierigkeiten mit Rode geben, aber das ist nicht zu vermeiden.«112 Rode versuchte seine Entmachtung zugunsten des Dirigenten Hans SchmidtIsserstedt mit allen Mitteln zu verhindern und wies energisch darauf hin, dass er das Theater »von einer jüdisch-liberalistischen, expressionistischen Oper zu einem Kunstinstitut« entwickelt habe, was zahlreiche Anerkennungsschreiben des »Führers« beweisen.113 Er versuchte noch hinter Goebbels’ Rücken zu ­Hitler vorzudringen, aber ohne Erfolg: »Rode hat ihm einen 15 Seiten l­angen Brief geschrieben, in dem er gegen die Einsetzung von Schmidt-Isserstedt protestiert; aber der Führer hat diesen Brief nicht zur Kenntnis genommen. Ich soll Rode mitteilen, daß der Führer augenblicklich damit beschäftigt sei, den Schicksalskampf des deutschen Volkes zu führen.«114 Hitlers Sekretärin Traudl Junge fand es später reichlich komisch, dass viele Paladine auf einmal »›Reichs‹-Titel hatten und Professoren waren. Kein Wunder, daß wir den Hundefeldwebel Reichshundeführer nannten, [den Leibarzt] Professor Morell Reichsspritzenmeister und [den alkoholkranken Fotografen] Heinrich Hoffmann Reichstrunkenbold.«115 Zu dem karikierten Kreis zählte der 1935 zum »Reichsbühnenbildner« avancierte Benno von Arent, der sich auch mit dem Professorentitel schmücken durfte. Nach der »Machtergreifung« machte Arent, der bereits 1931 in die SS eingetreten war, dank Hitlers Protektion rasch Karriere. Der Diktator versprach etwa dem Weimarer Intendanten einen hohen Zuschuss für Neuinszenierungen, wobei er empfahl, »für die eine oder andere Inszenierung den Bühnenbildner Benno von Arent zu gewinnen, von dem ich sehr viel halte«.116 Gerne hätte er auch Emil Preetorius, den Ausstatter der Bayreuther Festspiele, »durch den pathetischen, auf stärkere Effekte abzielenden Arent ersetzt. Aber in diesem Fall blieb Winifred ­Wagner störrisch und tat, als bemerkte sie Hitlers ­Absichten nicht.«117 Arent nutzte das Wohlwollen Hitlers als Druckmittel, wenn er 1933 der Forderung von Sanktionen gegen jüdische Theaterdisponenten mit der Drohung Nachdruck verlieh: »Erfolgt eine befriedigende Lösung in nächster Zeit nicht, so werden wir mit einer Kommission persönlich bei unserem Führer Adolf Hitler in dieser Angelegenheit vorstellig« werden.118 Arent war vor allem im engeren Machtbereich der NSDAP tätig und durfte beispielsweise am Deutschen Opernhaus allein 1937 nicht weniger als sieben Werke ausstatten. Dabei setzte er die geforderte Abwendung vom Regietheater der Weimarer Republik konsequent um und behauptete: »In der Systemzeit […] habe der Bühnenbildner sich selbst gemalt für ein intellektualistisches

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Publikum. Er habe dabei gegen den Dichter und im Grunde nur für die wenigen ­Premierentiger im Parkett gearbeitet. Heute habe der Bühnenbildner erkannt, daß er nichts sei als Mittler zwischen Dichter und Publikum. Was in der Seele des Dichters geschehen sei, habe der Bühnenbildner so treu wie möglich optisch zu verwirklichen.«119 Das Anliegen macht die von Arent vorgelegte Antho­logie Das deutsche Bühnenbild mit Arbeiten von ihm selbst, von Preetorius, Fritz Mahnke, Leo Pasetti und anderen deutlich. Der Band und die dazugehörige Ausstellung sollten »in zwangloser Form von dem Schaffen deutscher Bühnenbildner im Zeitabschnitt der Jahre 1933 – 1938 berichten. Die umwälzenden Ideen der nationalsozialistischen Revolution haben zwangsläufig auch das Bühnenbild in Deutschland gewandelt. Es ist nicht mehr Selbstzweck, sondern Diener am deutschen Volk als optischer Mittler zwischen Bühnenwerk und Publikum.«120 Arent war wie Rode ein typischer Günstling des nationalsozialistischen Systems. Zahlreiche Einträge in Goebbels’ Tagebüchern berichten von privaten Besuchen des Bühnenbildners, dessen Frau mit Magda Goebbels befreundet war. 1935 band das Deutsche Opernhaus Arent an sich, wobei wie bei Rode eine so hohe Bezahlung vereinbart wurde, dass dies auf Widerstand stieß. Die Entscheidung, »ob das Gehalt von RM 20.000.– Herrn von Arent zuge­standen werden soll«, wurde direkt an Goebbels geleitet, da der Sachbearbeiter des M ­ inisteriums »gegen die Höhe Bedenken« hatte. »Noch nie« sei mit einem Bühnenbildner »ein derart enormer Vertrag« abgeschlossen worden.121 Man einigte sich darauf, dass er vom Opernhaus ein Jahresgehalt von 14 000 RM erhielt; zugleich wurde er vom Propagandaministerium als »Sonderbeauftragter für die Überwachung der Bühnenbildkunst« mit einem Jahresgehalt von 6.455 RM eingestellt. In diesem Zusammenhang wurde eine Personalakte des 1898 in Görlitz geborenen Arent angelegt. In seinem stichpunktartigen Lebenslauf hebt er besonders auf die Kriegsteilnahme und das Eiserne Kreuz ab. Sein Handeln sei stets durch nationale Gesinnung bestimmt gewesen: »Säuberungsaktionen in Ostpreußen, sowie Königsbergs Befreiung vom Arbeiter- und Soldatenrat und rotem Terror. Anschließend Offiziers-Schule in Gumbinnen, Einreichung des Abschieds aus nationalen Gründen, da von mir angeregtes und mit g­ egründetes Offizier-­ Freikorps gegen polnischen Einmarsch regierungsseitlich verboten wurde. Genehmigung des Abschiedes 1920. Einwohnerwehr. Betätigung im natio­nalen Sinne.« Wie nicht wenige NS-Funktionäre war er gleich in mehreren Berufen gescheitert. Inzwischen habe er »über 200 Ausstattungen an Berliner, auswärtigen und ausländischen Bühnen, ausnahmslos mit guten, teils großen Erfolgen« machen dürfen. Daneben empfahl er sich auch durch die Übernahme von Ämtern. »Ab 1933 Tätigkeit in der Reichstheater- und Reichsfilmkammer, in Reichsbühnen

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und Staatstheatern. April 1933 Gründung des ›Neuen Deutschen Bühnen- und Filmklubs‹, heute ›Kameradschaft der deutschen Künstler‹, deren Gründer und Präsident.«122 1942 wurde Arent zum »Reichsbeauftragten für die Mode« ernannt, allerdings blieb seine Ernennung »für die Dauer des Krieges intern«. Seine Dienststelle wurde mit einem Mitarbeiter und einer Sekretärin nur »im kleinsten Umfang ausgebaut«123 und bereits ein Jahr später wieder stillgelegt. Am Einmarsch ins Sudetenland und am Polenfeldzug nahm Arent als ­Kradschütze teil, wurde aber bereits Ende 1939 unabkömmlich gestellt. 124 ­Goebbels notierte in seinem Tagebuch: »Mittags kommen Arents. Er erzählt vom Feldzug viel Interessantes. Er hat allerhand durchgemacht, erlebt und gesehen.«125 Im Verlauf des Krieges ließ Arent seine Mitgliedschaft in der SS wieder aufleben, und er gehörte zum Gefolge Heinrich Himmlers, der ihm in der S ­ owjetunion geraubte Kunstwerke zum Abtransport ins Reich anvertraute. 1941 war er den Aufzeich­nungen des ReichsführersSS zufolge Zeuge eines Kriegsver­ brechens in Minsk, bei dem Juden und Partisanen ermordet wurden.126 Anfang 1944 meldete sich Arent freiwillig zur Waffen-SS,127 wovon 3 Benno von Arent in der Uniform eines SS-Oberführers Goebbels einen zwiespältigen Eindruck bekam, da der Bühnenbildner bereits kurz darauf bei Hitler vorsprach, um nicht in gefähr­liche Kampfeinsätze geschickt zu werden. »Der Führer […] wünscht nicht, daß von Arent an die Front geschickt wird. Er hat ihm selbst einen Auftrag für Bühnendekorationen nach dem Kriege gegeben, denn er will, daß, wenn nach dem Kriege das Theaterleben wieder einsetzt, wir auch entsprechende Vorbereitungen getroffen haben. Damit wäre ja die Frage von Arent auch gelöst. Er hat sich bei einem Besuch im Hauptquartier beim Führer einzuschmeicheln verstanden, und schließlich und endlich können wir ja auch im Kriege keinen Staat machen mit einem Mann, der im Frieden zu erklären pflegte: ›Ich bin kein Künstler, sondern ein Soldat!‹ und im Kriege zu erklären pflegt: ›Ich bin kein Soldat, sondern ein Künstler!‹«128 Arent geriet später in

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russische Kriegsgefangenschaft; in einem Lager in der Region Stalingrad war er an Operettenaufführungen beteiligt und stattete unter anderem Strauß’ Fledermaus aus.129 Er starb 1956 kurz nach der Rückkehr nach Deutschland. Die engen Kontakte zur Führung erlaubten noch im Krieg außerordentlich aufwendige Ausstattungen. Selbst Goebbels wunderte sich über eine Festauf­führung von Paul Linckes Operette Frau Luna, die 1941 aus Anlass des 75. Geburtstags des Komponisten im Berliner Theater des Volkes zu sehen war: »Die Aufmachung der Aufführung ist großzügig und wahrhaft pompös. Benno von Arent hat eine Ausstattung geschaffen, die alles bisher Dagewesene in den Schatten stellt. Daß das mitten im Krieg möglich ist, mutet fast wie ein Wunder an.«130 Nur mit Hitlers Protektion war es machbar, sich über alle Beschränk­ungen der Kriegswirtschaft hinwegzusetzen. 1942 stellte die NS-Bürokratie bei der Vorbereitung der Linzer Inszenierung von Franz Lehárs Land des Lächelns fest: »Die Forderungen Arents sind unerfüllbar. Das Landestheater verlangt 2000 qm Rohnessel und etwa 5000 m Stoffe. Diese Materialien sind nicht einfach für eine Inszenierung bereitzustellen. Auch die Theater, denen der Führer ein besonderes Augenmerk widmet, können nicht auf Kosten aller übrigen Theater beliefert werden.«131 Die immer wieder mit Nachdruck unterstrichene Tatsache, dass es sich bei dieser Ausstattung um ein Geschenk des »Führers« handele, ermöglichte schließlich die Bereitstellung eines großen Teils des benötigten Materials. Fragen der Kunst waren für Hitler das »wirksamste Narkotikum«.132 Die Protektion Arents gründete auch darauf, dass er Hitlers engste Verbindung zum Theaterbetrieb war. »Sie sind für mich die Brücke in eine bessere Welt«,133 lobte Hitler den Bühnenbildner, der im engsten Umfeld des Diktators als ein charmanter Unterhalter wahrgenommen wurde, dessen wichtigste Aufgabe es war, die Kräfte des »Führers« zu erhalten.134 Über Arent konnte Hitler eigene Ideen auf die Opernbühne bringen, und gemeinsam besprachen sie die Szenerie Wagnerscher Musikdramen. Als Arent den Auftrag erhielt, Die Meistersinger von Nürnberg für den Reichsparteitag auszustatten, »nahm Hitler erneut besonderen Anteil an jeder Einzelheit, überlegte, welches Mischlicht für die Mondszenen zu Ende des zweiten Akts am besten geeignet sei, schwärmte im Voraus über die vermutete Farbenpracht der Schlußszene auf der Meistersingerwiese und über die Romantik der kleinen Giebelhäuser vor der Schusterstube des Hans Sachs«.135 Arent genoss in Theaterfragen das besondere Vertrauen Hitlers, der ihn unter anderem in die bayerische Hauptstadt reisen ließ, »um sich dort im Auftrage des Führers die Modelle der neuen Oper für München begutachtend anzusehen« und das Vorhaben mit dem Architekten Woldemar Brinkmann und dem Gauleiter Adolf ­Wagner durchzusprechen.136

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MÜNCHNER OPER

1937 sprach Hitler in großer Gesellschaft »über Baupläne, die ihn jetzt stark interes­sieren. Die Pläne für die Münchener Oper sind nun fast fertig und großartig geworden.«137 Zwei Tage später zeigte er Joseph Goebbels »den von ihm entworfenen Plan der neuen Münchener Oper«, den der Propagandaminister beflissen als »ein Musterbeispiel von Klarheit, Schönheit und Monumentalität« lobte.138 Wie Skizzen zeigen, orientierte sich das Modell des neuen Münchner Opernhauses, das Woldemar Brinkmann entworfen hatte, an Vorschlägen des Diktators. Dieser machte sich bereits Gedanken über das Ensemble, das den neuen Bau bespielen sollte. Im Dienstvertrag von Generalmusikdirektor C ­ lemens Krauss war dieser 1936 bestimmt worden »zum künftigen Leiter des neuen g­ roßen Opernhauses in München, dessen Bau beschlossen ist«.139 Hitler ließ Krauss nicht ziehen, als dieser die Leitung der Wiener Oper übernehmen wollte; der Dirigent musste sich fügen, und er erklärte, dass »die Münchner Arbeit meine Hauptaufgabe bleiben wird[,] solange Sie es wünschen«. Krauss ver­sicherte, dass ihn das »Vertrauen mit Stolz und Freude erfüllt und daß ich mich für alles, was künstlerisch an der Münchner Staatsoper geschieht Ihnen gegenüber stets voll verantwortlich fühle«. Er erbitte aber die Zustimmung, die Gasttätigkeit in Berlin aufgeben zu dürfen, um häufiger in Wien dirigieren zu können.140 In diesen Jahren musste der Diktator sogar zur Abstimmung der Programme der Bayreuther und Münchner Festspiele konsultiert werden. 1939 zeigte sich Krauss erfreut darüber, »daß es nach der Entscheidung des Führers möglich ist, den diesjährigen Festspielplan aufrecht zu erhalten«. Selbstverständlich werde er auch »in Zukunft dem Führer das jeweilige Festspielprogramm […] vorlegen«.141 Die Münchner Oper stand stets im Fokus von Hitlers Aufmerksamkeit. Nach 1933 wurde sie einer neuen Leitung anvertraut. Mit Hans K ­ nappertsbusch und dem Intendanten Clemens von Franckenstein hatten dem Haus zwar national eingestellte Künstler vorgestanden, die maßgeblich am »Protest der Richard-­Wagner-StadtMünchen« gegen Thomas Mann beteiligt waren. Für das neue Regime waren sie dennoch nicht tragbar. Franckenstein wurde in den Ruhestand versetzt und durch Oskar Walleck ersetzt, der zuvor Intendant in Coburg und Braunschweig gewesen war. Er war bereits 1932 der NSDAP und der SS beigetreten und wurde 1936 neben Krauss, Wilhelm Furtwängler, Gustaf ­Gründgens und Benno von Arent zum Reichskultursenator ernannt. Bereits vor dem »Anschluss« hatte er im Auftrag Hitlers »reichsdeutsche Gastspiele« in Österreich organisiert. Für das neue Amt empfahl er sich, wie das bayerische Kultusministerium feststellte, besonders durch »den Ruf eines energischen Vertreters nationalsozialistischen Kulturwillens«.142

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Bald kam es zu Streitigkeiten zwischen Walleck und Knappertsbusch, aus denen Letzterer als der Unterlegene hervorging. Hitler lehnte ­Knappertsbusch ab, den nur ein Mangel an befähigten Dirigenten an das Pult der Wiener Staatsoper geführt habe. Er sei »mit seinen blonden Haaren und seinen blauen Augen zwar ein Germane«, glaube »aber nur mit Temperament und ohne jedes musik­alische Gehör Musik machen zu können […] Sich eine Opernaufführung ­Knappertsbuschs anzuhören sei eine Strafe.«143 Endgültig verärgert hatte der Dirigent die Führung durch ein denunziertes Gespräch, in dem er dem A ­ ttaché der ­deutschen Gesandtschaft in den Niederlanden erklärt hatte, »in Bayern haben wir ja den reinen Nationalbolschewismus, das Volk ist damit zufrieden, denn damit hat die Masse ja, was sie wollte«. Auf den Einwand des Attachés meinte Knappertsbusch, »in der Regierung sitzen ja Phantasten, die nicht wissen, was um sie vorgeht, da sie von allen Seiten belogen werden«. Als der Attaché dies für abwegig hielt, fragte er: »Sind Sie Nazi?«, um auf dessen Bestätigung hinzuzusetzen: »Muß-Nazi?«, was er erklärte, dass ja so viele Beamte Nazis werden »mußten«.144

4 Julius Pölzer, Trude Eipperle, Wilhelm Furtwängler und Oskar Walleck (von links)

Der als Künstler von Hitler weit höher geschätzte Furtwängler konnte sich mehr Freiheiten nehmen. Goebbels notierte 1936 über einen Besuch bei Hitler: »Frage Furtwängler, der wieder frech wird. Aber doch der große Musiker.«145 Obwohl ­Furtwängler sich immer wieder als Galionsfigur des Kulturlebens im »Dritten Reich« vereinnahmen ließ, war seine Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus widersprüchlich. 1934 wurde er denunziert, weil er bei der öffentlichen Versammlung der Reichsmusikerschaft »beim Singen des Horst Wessel Liedes den deutschen Gruß« unterlassen hatte. Dies führte »dazu, daß ältere Nazis durch Protestrufe ›Konzentrationslager‹ ihrem Unwillen Ausdruck gaben«. Ihm müsse »klar gemacht

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werden, daß er sich dem Geist des dritten Reiches einzuordnen hat. Man kann auch von den größten Künstlern dieselbe deutsche Gesinnung verlangen, die der einfachste Hitlerjunge begeistert aufbringt.«146 1934/35 zog er sich eine Zeit lang zurück; ihm wurde der Pass abgenommen, da die Führung eine spektakuläre Emi­ gration des Künstlers befürchtete: »Mittags beim Führer. Auch Göring da. Wir sind alle sehr herzlich zueinander. Mit Göring noch mal Fall Furtwängler besprochen. Darf nicht ins Ausland.«147 Der Dirigent lenkte schließlich halb ein, gab aber kein klares Bekenntnis zum Nationalsozialismus ab und sorgte immer wieder für Eklats. Ein anonymer Zuträger hatte in Wien zufällig auf der Straße den jüdischen Schriftsteller Franz Werfel getroffen, der sich nach »seinem guten Bekannten Wilhelm Furtwängler« erkundigte. »Der Befragte gab Herrn Werfel zur Antwort, daß Furtwängler zurzeit beim Parteitag in Nürnberg weile, dort die Meistersinger dirigieren werde. Werfel konnte das nicht fassen und sagte immer wieder, daß dies ein Irrtum sein müsse«, da Furtwängler »sich in den Wiener Kreisen als ausgesprochener Gegner des neuen Deutschlands deklariere und die Zustände aufs Abfälligste kritisiere. So sagte er zu dem jüdischen Emigranten Schriftsteller Zuckerkandl: ›Man müsse die Machthaber alle miteinander abschießen.‹«148 Dies sickerte zu Hitler durch, der Furtwängler eine Zeit lang mit Missachtung strafte.149 Walleck versuchte auch gegen den neuen Musikdirektor Krauss zu intrigieren. Der Intendant berichtete von angeblichen Störungsversuchen des Opernpublikums, sobald Krauss am Dirigentenpult erscheine. Dieser sei den Münchnern »unsympathisch«, wozu das angebliche »hartnäckige Gerücht« beitrage, dass er »Halbjude sei, zumal einige in der Münchner Öffentlichkeit stehende Persönlichkeiten erklären, für diese Behauptung mit ihrem Eide einstehen zu k­ önnen«.150 Auf Herbert Gerigk, der im Amt Rosenberg für Musik zuständig war, machte Krauss, »der namentlich seitens des Kreises um Furtwängler und auch durch Tietjen und seine Leute durch mancherlei Gerüchte diskriminiert werden sollte […] stets einen außerordentlich sauberen Eindruck […] Obwohl seine Abstammung durch die Reichsstelle für Sippenforschung noch nicht in allen Punkten ausreichend geklärt werden konnte, neigen wir nach unserm persönlichen Eindruck zu der Annahme, daß Krauss arisch ist.«151 Den Machtkampf mit dem von Hitler protegierten Dirigenten konnte Walleck unmöglich für sich entscheiden; 1939 wechselte er als Generalintendant in das besetzte Prag. Obwohl Walleck einen hohen SS-Rang innehatte, konnte er seine Karriere nach dem Krieg fortsetzen und 1953 die Intendanz des ­Linzer Landestheaters übernehmen. Da Krauss nicht mit Arent zusammenarbeiten wollte, etablierte er seinen eigenen Bühnenbildner Ludwig Sievert. Dieser hatte als Avantgardist begonnen und bereits 1912 in Freiburg im Breisgau einen stilisierten Ring des Nibelungen gewagt, dem expressionistische Ausstattungen von Richard

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Strauss’ Salome in Mannheim, Frankfurt am Main und New York folgten. Später war er zu realistisch-illustrativen Bühnenbildern übergegangen, was seinen Erfolg in den 30er-Jahren ermöglichte. Der Völkische Beobachter lobte an den P ­ roduktionen von Krauss und Sievert, es manifestiere sich dort »ein bewußter Widerstand […] gegen Zersetzungserscheinungen und ein offenes Geständnis zum ›Dienen am Werk‹«, ein »innerer Drang und Wille zur Werktreue«.152 Wenn sich Krauss den Unwillen eines Teils des Münchner Publikums zugezogen hatte, dann vielleicht auch deshalb, weil er der ­Wagner-Pflege nicht genug Bedeutung beimaß. 1939 beschwerten sich Münchner Wagnerianer um Alfred Wekherlin bei Krauss, dass die Tradition immer mehr missachtet werde. Früher habe man den Todestag des Komponisten immer mit Tristan und Isolde, den Geburtstag mit den Meistersingern von Nürnberg begangen, und die zyklischen Ring-Aufführungen hätten eine Dauer von sechs Tagen nie überschritten. Seit eineinhalb Jahrzehnten warte man nun vergebens »auf eine geschlossene, der Tradition des Hauses entsprechende Ringaufführung«. Von Jahr zu Jahr habe man »die Pietätlosigkeit dem Werk gegenüber wachsen und wachsen sehen«; in der aktuellen Spielzeit sei offenbar gar keine Aufführung geplant, daher bitte man »um eine erstklassig besetzte Ringaufführung unter Ihrer geschätzten Leitung in zyklischer Form (Dauer 6 Tage)«.153 Eine Änderung trat allerdings nicht ein, und zehn Jahre später wiederholten sie ihre Klage gegenüber dem dann amtierenden Intendanten Georg Hartmann. Unter den Dirigenten Herman Zumpe, Franz Fischer und Felix Mottl habe man noch »herrliche Auf­führungen, stilechte, vom Geist der Jünger­ schaft getragene« erlebt. Die »innerliche Verbindung mit der Welt Wagners« hätten die späteren Generalmusikdirektoren Bruno Walter und Clemens Krauss stets vermissen lassen; bei ihnen müsse man von einer »­Veroperung« sprechen: Die »Zeitmaße wurden und werden verhetzt, man feiert durch nichts zu begründende Klangrauschorgien, arbeitet die Blechbläsergruppen brutal heraus, besetzte die Streicher viel zu schwach«. Um ­Wagners szenische Anweisungen habe man sich überhaupt nicht mehr gekümmert, stattdessen wurden »Geschmacklosigkeiten und Phantasie­losigkeit« präsentiert. Krauss’ Interesse habe allein der italienischen Oper und Strauss gegolten, dessen Werke einschließlich der »langweiligsten wie Capriccio« über Gebühr gespielt worden waren; am Helden­gedenktag 1941 habe er nichts Besseres im Sinn gehabt, als Georges Bizets Carmen aufführen zu lassen. Die großen Werke Wagners verschwanden dagegen vom Spielplan, da sie angeblich erst »würdig einstudiert« werden mussten. »Den Beweis, daß die Aufführungen nach der Neueinstudierung höher gestanden hätten als frühere, blieb man uns schuldig.«154 Krauss standen im »Dritten Reich« alle Möglichkeiten offen, obwohl auch er politisch als nicht ganz unbedenklich galt. Er gehöre »zwar zu den wenigen

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Künstlern, die häufig Zutritt zum Führer hatten, aber wir konnten weltanschau­ liche Unzuverlässigkeit an immer neuen Beispielen feststellen«, klagte Gerigk, der seine Einschätzung inzwischen offenbar geändert hatte.155 Die weltanschauliche Unzuverlässigkeit hinderte Krauss jedoch nicht daran, seinen Einfluss dafür geltend zu machen, dass Mitglieder der Bayerischen Staatsoper »arisierte« Wohnungen bekamen. »Gemäß einem Auftrage des Führers wendet sich Generalintendant Clemens Krauss, wenn er bezüglich der Oper Wünsche hat, an mich«, teilte ­Martin Bormann dem Münchner Oberbürgermeister mit. Krauss sei es unmöglich, für neue Mitglieder der Oper Wohnungen zu erhalten. Davon habe er »heute dem Führer berichtet. Dieser wünscht, daß Sie doch noch einmal prüfen, ob nicht eine Anzahl weiterer Judenwohnungen für die neu verpflichteten Mitglieder der B ­ ayrischen Staatsoper geräumt werden könne.«156 Das Ensemble rekrutierte Krauss überwiegend vor der Berliner Staatsoper; seine Gattin Viorica Ursuleac wechselte fest an die Bayerische Staatsoper, der Heldentenor Franz Völker und andere kamen als regelmäßige Gäste, obwohl Hermann Göring sie nicht hatte freigeben wollen. 1936 schaltete Krauss daher den Diktator ein: »Der Führer hat mir in Unterredungen, die er mir gewährte, über meine Bitte wiederholt versichert, daß ich diejenigen Künstler, die ich für die Mitarbeit in ­München ausersehe, bekommen werde […] Er stelle seine persönliche Intervention bei Herrn Ministerpräsident Göring in Aussicht, um das Ziel zu erreichen, für München die von mir gewünschten Kunstkräfte zu gewinnen.« Daher bat Krauss den ­bayerischen Gauleiter Adolf ­Wagner, »nach nochmaliger Einholung der Willens­meinung des Führers die notwendigen Schritte zu veranlassen, um die von mir erbetenen Gastspielverträge zu erwirken«.157 1941 ersuchte Krauss direkt bei Hitler um die Bewilligung von mehr Mitteln; die Einstufung des Bayerischen Staatsorchesters in die »Sonderklasse« der Tarifordnung deutscher Kulturorchester sei ebenso erforderlich wie überhaupt die Gleichstellung der Gagen, des Personalstands und der Befreiungen vom Kriegsdienst mit den Berliner und Wiener Opernhäusern. Neue Streichinstrumente seien ebenso notwendig wie eine Modernisierung der bühnentechnischen Anlagen.158 HITLERS HOFTHEATER

Hitlers enge Kontakte zur Familie ­Wagner sind wohlbekannt. Die gebürtige Engländerin Winifred ­Wagner, die die Festspiele von 1930 bis 1945 leitete, hatte aus ihrer Freundschaft mit dem Diktator nie einen Hehl gemacht. Diese kühlte zwar während des Krieges deutlich ab, da sie sich in gewissem Umfang für vom

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Regime Verfolgte einsetzte. Aber noch 1975 bekannte sie in dem berüchtigten Interview mit dem Filmemacher Hans-Jürgen Syberberg: »Also, wenn heute Hitler hier zum Beispiel zur Tür hereinkäme, ich wäre genauso fröhlich und so glücklich, ihn hier zu sehen und zu haben, als wie immer.« Er zeigte sich ihr gegenüber als »ein Kavalier altösterreichischer Schule«, der die Herrin des Hauses mit Handkuss begrüßte und der um Harmonie bemüht war.159 Winifreds Tochter Friedelind stellte die Hitler-Begeisterung ihrer Eltern als eine Sache der Mutter dar, während der Vater sich um die Umtriebe seiner Frau gesorgt habe.160 Hitler bekam allerdings einen anderen Eindruck; nicht nur die anderen Familienmitglieder, »auch S ­ iegfried ­Wagner ist zu mir gestanden in der Zeit, wo es mit am schlechtesten gegangen ist«. Die Zurückhaltung des ­Wagner-Sohns interpretierte er so, dass er die Festspiele schützen wollte: »Persönlich war er mit mir befreundet, politisch war er passiv! Die Juden hätten ihm das Genick abgedreht, er konnte nicht anders.« 161 Als passiv erschien Siegfried auch jüdischen Wagnerianern, die angesichts des antisemitischen Rahmens der Festspiele von 1924 protestiert hatten. Bei A ­ lexander Blumenau vom »Central-Verein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens« hinterließ er den Eindruck eines »schwachen Menschen […] der es vielleicht ganz gut meint, dem aber die Kraft und das Rückgrat fehlt, den Stürmen zu begegnen und Angriffe zu erwidern«.162

5 Verena und Wieland Wagner begrüßen Hitler vor den Festspielhaus

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Die Kinder der ­Wagner-Familie erlebten das Zusammensein mit Hitler als unkompliziert und »bar jener kultisch achtungsgebietenden Distanz, die ihn sonst und anderwärts als von Gott Gesandtem für Ehre und Größe der ­Deutschen von deren gemeinem Leben abschirmte«.163 Wieland, Wolfgang, Friedelind und Verena liebten »Wolf«, und 1926 erklärte der kleine Wieland: »Weißt’, du solltest eigentlich unser Papi sein und der Papi unser Onkel!«164 Winifred betonte später, im Vordergrund hätten immer die persönlichen Beziehungen zu Hitler gestanden, nicht die Partei an sich. Besonderen Wert legte sie auf die Fest­ stellung, »daß Hitler von Anfang an einen sehr kultivierten Eindruck gemacht habe. Er habe sich im Gespräch als eine hochbegabte und vielseitig interessierte Persönlichkeit und vor allem als ein großer ­Wagner-Enthusiast und ausgezeichneter ­Wagner-Kenner erwiesen. Was ihn für Wahnfried so anziehend gemacht habe, sei nicht zuletzt die Hoffnung gewesen, in ihm einmal einen eifrigen und mächtigen Förderer der Festspiele zu finden.«165 Diese Hoffnung bewahrheite sich: Aus der Unterstützung Hitlers resultierte nicht zuletzt die relative Unabhängigkeit der Festspiele und der mit ihnen verbundenen Organisationen. 1934 versuchte der »Kampfbund für deutsche Kultur« die Kontrolle über den »Richard ­Wagner-Verband deutscher Frauen« zu erlangen. Auf Initiative der Vorsitzenden sprach Winifred daraufhin »mit dem Führer über unseren Verband […] Aus der Unterredung hat sich ergeben, daß dem Führer unsere selbständige Arbeit für Bayreuth und die Stipendienstiftung erwünscht ist ohne Gleichschaltung.«166 1923 besuchte Hitler erstmals Haus Wahnfried, wo er sich angesichts der weihe­vollen Atmosphäre ungewohnt bescheiden gab und von seiner jugendlichen ­Wagner-Begeisterung erzählte.167 Nachdem die ­Wagner-Familie zuvor General Erich Ludendorff als völkische Führungsfigur favorisiert hatte, schwenkten sie mit Beginn von Hitlers Aufstieg zu den Nationalsozialisten über. Zu den frühen Mitgliedern der NSDAP in Bayreuth gehörten neben Winifred auch deren Schwägerinnen Eva Chamberlain und Daniela Thode, mit denen sie sonst wenig verband. Siegfried und Winifred ­Wagner waren während des ­Hitler-Putsches offenbar zufällig in München, wo Siegfrieds sinfonische Dichtung Glück uraufgeführt werden sollte, die insgeheim als Huldigung an Ludendorff und ­Hitler gedacht war.168 Während seiner Landsberger Haft hielten sie weiterhin zu ­Hitler, und Winifred sandte ihm Pakete, die neben Esswaren auch das Papier enthielten, auf dem Mein Kampf niedergeschrieben wurde. Hitler profitierte vom Ansehen der ­Wagner-Dynastie und von deren Kontakten zur bürgerlichen Elite, und er nutzte das Ansehen Houston Stewart C ­ hamberlains, der im bürgerlich-intellektuellen Lager großes Renommee genoss – im Gegensatz zu dem zu dieser

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Zeit nur regional bekannten und als eher primitiv geltenden Nachwuchspolitiker. Hitler inszenierte sich damit als jemand, der die Würde aus den Händen des geachteten Schriftstellers übergeben bekommt. Daher wurde sein Treffen mit Chamberlain, der sich begeistert vom jungen Politiker zeigte, von der Propaganda melodramatisch stilisiert und die Legende entworfen, Hitler sei ehrfurchtsvoll niedergekniet und habe dem hinfälligen Greis die Hand geküsst. Nach Winifreds Erinnerung war Chamberlain allerdings 1923 noch gar nicht so siech, wie man später behauptete, und er ließ sich auch nicht die Hand küssen.169 Im Konflikt zwischen strikter Beibehaltung der Festspieltradition, als deren Fürsprecher Cosimas Töchter Daniela und Eva auftraten, und der Forderung nach maßvollen Reformen, für die die Festspielleitung von Winifred und dem preußischen Generalintendanten Heinz Tietjen eintrat, schlug sich Hitler ganz auf die Seite der Erneuerer. Der Bühnenbildner Emil Preetorius meinte nach 1945, den Reformern in Bayreuth sei »bis zu einem gewissen Grad der Schutz von Hitler zugute« gekommen. »Die Kritik, die dagegen war, die wurde ausgeblasen. Schluß.«170 Mit Hitlers Unterstützung wurde gegen einen Proteststurm der ­Alt-Wagnerianer die umstrittene Neuinszenierung von Parsifal durchgezogen. Die ursprüngliche Inszenierung von Wagners letztem Bühnenwerk, das im ersten und dritten Akt immer noch in den Dekorationen der Uraufführung von 1882 gespielt wurde, nahm im ­Wagner-Kult eine zentrale Stellung ein. 1933 wandte sich daher Adolf Zinstag von den »Schweizer Freunden ­Bayreuths« an den Reichskanzler und verlieh seiner Freude Ausdruck, dass Bayreuth nun endlich auf dem Weg sei, »diejenige kulturelle Stellung einzunehmen, die ihm gebührt und die der Wille seines Schöpfers war […] Wir ›Alten‹, mit Bayreuth groß gewordenen Anhänger Wagners stehen in stummer Bewunderung und Ehrfurcht vor Ihnen als einem Gottgesandten, der nun gekommen ist, ­Wagners Mission zu erfüllen!«171 In Unkenntnis dessen, dass die geplante Neupro­duktion mit Hitlers ausdrücklicher Zustimmung geschah, bat er: »Nur eine Bitte aber brennt uns allen auf den Lippen: Verhindern Sie die Umgestaltung des P­arsifal! Diese Schöpfung Wagners darf in Bayreuth nicht anders dargestellt werden, als sie der Meister als sein kostbarstes Erbe an uns hinterlassen hat!«172 Dabei übersah Zinstag, dass ­Wagner mit der Inszenierung von Parsifal keineswegs glücklich gewesen war. Vor der Uraufführung hatte er geklagt: »[…], ach! es graut mir vor allem Kostüm- und Schminke-Wesen; wenn ich daran denke, daß diese Gestalten wie Kundry nun sollen gemummt werden, fallen mir gleich die ekelhaften Künstlerfeste ein, und nachdem ich das unsichtbare Orchester geschaffen, möchte ich auch das unsichtbare Theater erfinden!«173 Es war Cosima gewesen, die die den Möglichkeiten des Augenblicks geschuldeten Ausstat­tungen in

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die Ewigkeit überführt hatte, wenn sie sich etwa über den berühmten Theater­ reformer Adolphe Appia mokierte, der nicht zu wissen scheine, »daß 76 der Ring hier aufgeführt wurde, folglich in Bezug auf Dekorationen und Regie nicht mehr zu erfinden ist«.174 Auch der »Wiener Akademische ­Wagner-Verein« schrieb an den Reichs­ kanzler, um sich über die Festspielleitung Winifreds und Tietjens zu beschweren. Bedroht sahen sie »den Fortbestand Bayreuths als einer Kunststätte, die den Willen Wagners rein und ungetrübt zu verwirklichen hat […] Jede Abweichung von den Vorschriften des Meisters, jede Vermengung des echten B ­ ayreuther Darstellungsstils mit den Regiekünsten des ›modernen‹ Theaters widerspricht der Aufgabe Bayreuths und kann seiner Zukunft verhängnisvoll werden.« Hitler habe »unzählige Herzen in Deutschland höher schlagen lassen«, als er »Bayreuth als eine Sache des Volkes und des Reiches« erklärte; nun bitte man ihn, dafür zu sorgen, »daß in Bayreuth nur der Wille Richard Wagners in der Darstellung seiner Werke sichtbar werde und daß Bayreuth eben darin seine geschichtliche Sendung bewähre«.175 Die »Treue zum Meister« veranlasse sie, »ernste Vorstellungen zu erheben gegen die Art und Weise, in der die Herren Tietjen und Preetorius im abgelaufenen Festspieljahre die Werke Wagners auf die ­Bayreuther Festspielbühne gestellt haben«.176 Wort, Ton und Bild seien bei ­Wagner eine untrennbare Einheit, und »soweit das Bild als solches einer besonderen Beschreibung und Erklärung bedarf, hat dies ­Wagner selbst in dem Wortlaut seiner Dichtungen mit größter Anschaulichkeit und mit der gründlichsten Kenntnis alles Bühnen­mäßigen und Wirksamen unzweideutig festgelegt […] Wenn aber dieser Weg verlassen wird, wenn die Bühnengestalt nicht aus dem Geiste des Werkes, sondern aus irgend welchen vorgefaßten ­Meinungen so genannter Stilprinzipien im Zwange einer vergänglichen Modeströmung von außen her in das Werk hineingetragen wird und wenn hierbei über den klaren Wortlaut der Vorschriften des Meisters selbstherrlich hinweggegangen wird, dann geht nicht nur die von ihm gewollte Einheit verloren, dann leidet auch die Wirkung von Wort und Ton. Mit jeder Abweichung vom Wagnerschen Bühnenbilde wird auch die Handlung entstellt und kann die Musik sogar unverständlich werden.«177 Sie kritisierten unter anderem, dass der Walkürenfelsen mit dem angrenzenden Tannenwald und die ausdrücklich vorgeschriebene breitästige Tanne, die sich über Brünnhildes Lager erstreckt, nicht Wagners Vorschriften entsprächen; ihnen missfiel auch die »zu lebendig« dargestellte Festwiese in den Meistersingern von Nürnberg, bei der »die weder geschichtlich zu rechtfertigende noch aus irgend einem Zuge der Dichtung abzuleitende Uniformierung aller Zünfte und Volksgruppen« verstimmte. Anstelle »einer freien, fessellosen nur

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durch seelisch-sittliche Mächte gebändigten allgemeinen Bewegung trat etwas äußerlich Abgezirkeltes, das an die von ­Wagner und von Bayreuth unendlich weit abliegende zweifelhafte Gattung der Revue erinnerte. Die Mädchen wurden zu Girls.«178 Bayreuth war schon immer ein Sammelbecken nationaler Kräfte gewesen, und nach dem Ersten Weltkrieg nahm diese Tendenz noch zu. 1924 ließ sich ein Teil des Publikums am Schluss der Meistersinger von Nürnberg zum Absingen aller drei Strophen des Deutschlandlieds hinreißen. Da dies nicht von allen Festspielgästen goutiert wurde, reagierte Siegfried ­Wagner mit Handzetteln, die baten: »Ich bitte alles noch so gut gemeinte Singen zu unterlassen, hier gilts der Kunst!«179 Schon 1929 fragte sich der liberale Politiker Gustav Stresemann über die Bayreuther Festspiele: »Hat sich der Geschmack der Menschen verändert? Oder macht die Festleitung Torheiten, indem sie Politik mit Musik vertauscht und den alten Demokraten ­Wagner als modernen Hakenkreuzler auffrisiert?«180 Im »Dritten Reich« wandelte sich das äußere Bild der Festspiele grundlegend. Furtwänglers ehemalige Sekretärin Berta Geißmar erkannte die Stadt kaum wieder: »Hakenkreuzfahnen flatterten überall, und die ganze Straße hinauf zum Festspielhügel hing voller blutroter lang wallender Fahnen mit der Swastika.«181 1937 meldete der Völkische Beobachter: »Das Festspielhaus war schon Stunden vor Beginn der Aufführung von Tausenden von Volksgenossen umlagert, die den Führer begrüßen wollten. Bei seiner Fahrt vom Hause Wahnfried zum Festspielhaus begleitete ihn die Flutwelle begeisterter Heil-Rufe. In der großen Pause sangen die begeisterten Massen das Deutschlandlied, bis sich der Führer zeigte.«182 Jetzt ließ Hitler Karten drucken, auf denen gebeten wurde, »am Schluß der Vorstellungen von dem Gesang des Deutschland-, oder HorstWessel-Liedes und ähnlichen Kundgebungen absehen zu wollen«.183 Durch die Massen seiner Anhänger überstrahlte Hitlers Anwesenheit die Festspiele, sodass der britische Schallplattenproduzent Walter Legge den Eindruck bekam, als wäre man »der Meinung, dies seien ›Hitler-Festspiele‹, und da Hitler Wagners Musik mag, sind wir auch hier«. Tausende säumten die Straßen zum Festspielhaus, »und mit Ausnahme der ausländischen Besucher wartete das Publikum vor dem Theater, um ihm bei seiner Ankunft zuzujubeln, und stürzte dann zu den Plätzen, um bewundernd, fast ehrfürchtig auf seine Loge zu starren, bis die Lichter gelöscht wurden. Am Ende jedes Aktes verlagerte sich sofort das Zentrum der Aufmerksamkeit von der Bühne zur Loge des Kanzlers.«184 Die Aufführungen richteten sich sogar nach Hitlers Zeitplan; da er 1933 nicht früher anreisen konnte, wurde der Beginn von Siegfried um eine Stunde verschoben. Bei der zweiten Walküre wurde eine Rundfunkansprache des »Führers«

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übertragen, weswegen sich die Fortsetzung der Vorstellung weit hinauszögerte.185 Bayreuth sei »Hitlers Hoftheater« geworden, beobachtete Thomas Mann, der im Exil einige der Aufführungen am Radio verfolgte, obwohl ihn die Vorstellung anekelte, »daß dieser idiotischer Schurke von Hitler da süß-heldische Romantik ›genießt‹, während sozialistische Arbeiter gefoltert werden«. 1936 notierte er in seinem Tagebuch: »Renommistische und fatale Ansagereien. Aufführung mit Furtwängler, Völker, der Müller unvollkommen übermittelt. Trotzdem hörte ich das Ganze. 5 Uhr Thee, Wiederbeginn ¾ 6, Abendessen ¾ 9 bis 10. Volle Ausführlichkeit, hörte als völliges Novum die Fortsetzung der Gralserzählung.«186 In diesem Jahr spielte man Lohengrin erstmals mit der vollständigen Gralserzählung, also einschließlich der von ­Wagner noch vor der Uraufführung ­gestrichenen zweiten Strophe. Die ungewohnte Ergänzung bemerkte auch H ­ itler, der im Moment des Erklingens wie fragend nach Winifreds Hand 187 griff. ­Hitler führte den jährlichen Turnus der Festspiele ein, bei dem die zuvor üblichen Freijahre durchgespielt wurden, und er traf später die Entscheidung, trotz der Kampfhandlungen »Kriegsfestspiele« abzuhalten. Die Außenwirkung des ­Wagner-Kults im »Dritten Reich« beschreibt ein Gutachten, das das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultur 1947 über die Weiterführung der Bayreuther Festspiele in Auftrag gegeben hatte.188 Für die Gutachter bestand kein Zweifel, dass die Festspiele bereits vor 1933 in engen Beziehungen zu dem Personenkreis um Hitler gestanden hatten »und daß in der Folgezeit die nationalsozialistische Führung versuchte, aus den Wagnerfestspielen in Bayreuth so etwas wie die Manifestation des ›national­ sozialistischen Kulturwillens‹ dem In- und Ausland gegenüber zu machen«. Dadurch sei »bei einem großen Teil des deutschen Volkes, namentlich aber bei den Altersklassen, die die Zeit vor 1933 noch nicht als Kunst-Publikum miterlebten, der Eindruck entstanden, als seien die Bayreuther Festspiele eine national­sozialistische Schöpfung oder zumindest ein entscheidender Ausfluss der sog. Nationalsozialistischen Kulturbetreuung«. Eine Presse- und Rundfunkkampagne müsse daher deutlich machen, dass es sich jetzt um einen Neubeginn handele, der an die »eigentliche Festspielidee« anknüpfe; es dürfe sich nicht um eine »nationale teutonische Angelegenheit« oder »germanische Idee« handeln, »sondern um eine internationale völkerverbindende Festaufführung, bei der die besten ­Wagner-Interpreten zusammenwirken sollen«. Die Festspiele müssten vollkommen von der Familie ­Wagner gelöst werden und »dem rauschebärtigen Dunstkreis des teutonischen Oberlehrers und der germanistischen Romantik alternder Fräuleins weitgehend entzogen werden, weil diese Kreise immer wieder – mangels anderer Möglichkeiten – schon durch ihre Anwesenheit und ihr

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Benehmen aus den Festspielen eine ›germanische Angelegenheit‹ machen werden«. Zum künstlerischen Leiter solle eine Persönlichkeit bestellt werden, die mit dem ­Wagner-Stil vertraut sei, aber »die in keiner Weise durch frühere enge Beziehungen zu dem Hause ­Wagner belastet ist und die damit schon nach außen hin dokumentiert, daß mit der ›alten Tradition‹ Schluß gemacht worden ist«.189 Der lange Weg zum Wiederbeginn im Jahr 1951 kann hier nicht erörtert werden. Im Resultat wurden allerdings diejenigen zu den Leitern ernannt, die bereits Hitler ausersehen hatte. Während des Krieges hatte er geäußert, »der Sohn Wieland solle in besonderer Weise geeignet sein, das Erbe des Großvaters Richard ­Wagner musikalisch zu betreuen, ebenso wie sein Bruder Wolfgang es in technischer Hinsicht einmal mit Erfolg zu tun verspreche«.190 Tietjen, der noch private Rechnungen mit Wieland offen hatte, empörte sich besonders über dessen Berufung, des »übelsten aller Hitler-Günstlinge«. Während ­Wolfgang am Polenfeldzug teilnehmen musste und dabei verwundet wurde, konnte ­Wieland, dem Hitler unter anderem 1938 einen teuren Mercedes geschenkt hatte, sich die ersten Kriegsjahre noch ganz der Kunst widmen. Den Rest des Krieges verbrachte er sicher in der Position eines »zivilen Leiters« des »Instituts für physikalische Forschung«, bei dem es sich um ein Bayreuther Außenlager des KZ Flossenbürg handelte.191 Mit den künstlerischen Wegen Neu-Bayreuths wäre Hitler freilich nicht einverstanden gewesen. Albert Speer erinnerte sich »an den letzten Besuch mit Hitler in Bayreuth. Der junge Wieland erzählte, daß er sich entschlossen habe, Maler zu werden und nach München zu gehen. Auf eine entsprechende Frage Hitlers hin begann er von jener Kunst zu schwärmen, die damals als ›entartet‹ galt. Hitler nahm dieses Bekenntnis mit kaum verhülltem Unmut hin, und auf der Rückfahrt dann entlud sich im Wagen sein ganzer Zorn, der halb Enttäuschung war über den Jungen, der ihm als Kind auf dem Schoß gesessen hatte, halb Verzweiflung über den Niedergang dieser Familie.«192 RETTUNG DER BAYREUTHER FESTSPIELE

Aus Rücksichtnahme auf den wirtschaftlichen Erfolg der Festspiele versagte sich Hitler bis 1933 den Besuch von Aufführungen, obwohl er später erklärte: »Die zehn Tage Bayreuth sind immer meine schönste Zeit gewesen, und wie freu’ ich mich drauf, wenn wir zum ersten Mal wieder hinkommen!« Wie das Ende der Parteitage, sei auch der Tag nach der Beendigung der Festspiele für ihn »etwas so Trauriges, wie wenn vom Christbaum der Schmuck entfernt wird!«.193 Vor dem Ersten Weltkrieg war ihm eine Reise nach Bayreuth schon aus finanziellen

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Gründen verwehrt gewesen, und nachdem die Festspiele von 1914 mit einem riesigen Defizit geendet hatten, musste der Spielbetrieb nach Kriegsende jahrelang ruhen. Erst 1924 konnten sie wiederaufgenommen werden, allerdings nicht im Beisein Hitlers, der zu diesem Zeitpunkt noch in der Haftanstalt in Landsberg am Lech einsaß. 1925 besuchte er erstmals Aufführungen im Festspielhaus, und zwar Parsifal, Die Meistersinger von Nürnberg und einen Zyklus des Rings des Nibelungen. 1926 fanden keine Festspiele statt, da es bis in die 30er-Jahre üblich war, jeweils nach zwei Spieljahren ein Freijahr einzulegen. 1927 sagte Hitler seinen Besuch mit der Begründung ab, dass er mit der jüdischen Besetzung verschiedener Hauptpartien (die ihn früher nie gestört hatte) nicht einverstanden sei: »Solange hier ein Nagod den Wotan singt, er Bayreuth als entheiligt betrachtet und er nicht darüber hinwegkommen könne, daß ausgerechnet ein Vertreter der Rasse, die uns rassisch, politisch, moralisch, künstlerisch zugrunde richtet, gegen die sein ganzer Kampf sich richtet, hier den Wotan singt und dazu würdig befunden wird. Solange diese Entweihung anhält, kommt er nicht.«194 Der eigentliche Grund, weswegen er auch in den folgenden Jahren fernblieb, war Rücksichtnahme auf die Familie ­Wagner, deren enger Kontakt zum Nationalsozialismus nicht unbemerkt geblieben war und die aus kommerziellen Gründen das nichtnationalistische Festspielpublikum nicht noch mehr verprellen durfte. Er erklärte später: »Ich bin dann jahrelang nicht mehr hin, was mir an sich sehr leid getan hat. Frau ­Wagner war ganz unglücklich, hat mir zwölfmal geschrieben, fünfundzwanzigmal telefoniert! Ich bin so oft durch Bayreuth gekommen, habe dann immer Besuch gemacht.«195 Ein regelmäßiger Festspielgast war Hitler nur in den Jahren 1933 und 1934 (1935 war Freijahr) sowie von 1936 bis 1940. Neuere Untersuchungen haben die systematische Ausgrenzung jüdischer Künstler in Bayreuth gezeigt. Felix Mottl brachte Cosimas Maxime auf den Punkt: »Wenn es nicht sein muss, wollen wir doch die Juden außen lassen.«196 Auf der gleichen Linie lag der Dirigent Karl Muck, eine langjährige Stütze der Festspiele, der 1924 konstatierte, wenn man Partien nicht anders besetzen könne, dann müsse man eben »in den sauren jüdischen Apfel beißen«.197 Wenngleich Siegfried ­Wagner offenbar ein weniger scharfer Antisemit als andere Angehörige seiner Familie war, ließ auch er privat gelegentlich judenfeindliche Äußerungen fallen; wie sein Vater führte er Misserfolge auf »jüdische Umtriebe« zurück: »Ja, wenn mein Vater das ›Judentum in der Musik‹ nicht geschrieben hätte, ginge es mir besser!« Oder: »Es ist ein Skandal, wie die Theater sich gegen mich benehmen! Nun ja, ich bin kein Jude, bin kein Mischling, bin nicht mit einer Jüdin verheiratet. Für solche ist kein Raum – Auch fallen mir Melodien ein! […] Es ist ein Genuß ein Deutscher zu sein! – Pfui Teufel!«198

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In national eingestellten Vereinigungen wie Burschenschaften, Turn- und Alpenvereinen waren Arierparagrafen seit dem späten 19. Jahrhundert weithin etabliert; das deutsche Judentum wurde ausgegrenzt, obwohl es überwiegend national eingestellt war. Der Forderung einiger Anhänger, die Festspiele von jüdischem Publikum freizuhalten, kam Siegfried allerdings nicht nach. Sein Geschäftsinteresse, die zahlungskräftigen jüdischen Wagnerianer nicht zu vergraulen, macht ein Brief aus dem Jahr 1921 deutlich: »Unter den Juden haben wir sehr viele treue, ehrliche und selbstlose Anhänger, die uns zahlreiche Beweise ihrer Freundschaft gegeben haben. Sie wollen, daß wir all diesen Menschen unsere Türen verschließen, sie nur aus dem Grund, daß sie Juden sind, zurückweisen?« Den Deutschen sei auch einiges vorzuwerfen, vor allem die unzureichende finanzielle Unterstützung seines Vaters. Ohne ausländische Förderer wären die Festspiele überhaupt nicht möglich gewesen. »Haben wir Deutsche also das Recht, andere, die bereit sind, Opfer zu bringen und zur Wiedereröffnung der Festspiele beizutragen, auszuschließen? […] Wenn die Juden gewillt sind, uns zu helfen, so ist das doppelt verdienstlich, weil mein Vater sie in seinen Schriften angegriffen und beleidigt hat.« Und er schließt: »Wollen Sie wirklich leugnen, daß es unter den Juden Menschen gibt, deren Begeisterung für Bayreuth echt ist? Es sind Menschen, die ich nicht beleidigen will und darf.«199 Siegfrieds Befürchtung, die Bayreuther Festspiele könnten bei einer noch stärkeren Vereinnahmung durch die Nationalsozialisten wirtschaftlichen Schaden nehmen, sollte sich nach der »Machtergreifung« bewahrheiten. Nachdem die Festspiele von 1930 und 1931 aufgrund einer starken Nachfrage aus dem Ausland einen hohen Überschuss erwirtschaftet hatten, kam 1933 der völlige Einbruch beim Kartenvorverkauf (1932 fanden turnusgemäß keine Festspiele statt). Es zeigte sich, dass der politische Umbruch in Deutschland auf das bisherige Festspielpublikum höchst abschreckend wirkte. Die Verkäufe ins Ausland brachen dramatisch ein, vor allem in die USA , was allerdings später teilweise wieder wettgemacht wurde. Für den Besucherschwund war aber nicht ein Boykott der ausländischen Wagnerianer verantwortlich, wie Winifred behauptete, sondern die gleichfalls enorm zurückgegangenen Bestellungen aus dem Reich.200 Neben ausländischen ­Wagner-Anhängern hatten nun ausgegrenzte gesellschaftliche Gruppen einen wesentlichen Teil des Publikums ausgemacht, die jetzt lieber auf einen Besuch verzichteten. Derartiges war nicht nur bei den Bayreuther Festspielen zu beobachten: Wilhelm Furtwängler wies Joseph Goebbels 1933 explizit darauf hin, »das Konzert-Publikum, zumal in Berlin, besteht aus etwa 40 % Juden oder ihnen nahe stehenden Kreisen. Es ist durchaus eine offene

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Frage, ob dies Publikum, falls es ausgeschaltet würde, je wieder zu ersetzen sein wird. Die Juden haben ihren Anteil am deutschen Konzertleben seit dessen Bestehen«201 Als privatwirtschaftlich geführtes Unternehmen waren die Bayreuther Festspiele immer wieder in ihrer Existenz bedroht gewesen. Der schwankende Kartenverkauf wog umso schwerer, als 1913 die bisherige Haupteinnahmequelle ausgefallen war – 30 Jahre nach dem Tod Richard Wagners hatte der Urheberrechtsschutz der Bühnenwerke geendet. Die bisher reichlich geflossenen Tantiemen versiegten weitgehend, obwohl verschiedene deutschsprachige Theater freiwillige »Ehrentantiemen« abführten. Angesichts der wirtschaftlichen Misere griff Winifred 1933 auf Hilfsangebote von NS -Politikern zurück, bei denen sich besonders der aus Bayreuth stammende bayerische Kultusminister Hans Schemm und der bayerische Ministerpräsident Ludwig Siebert hervortaten. Da andere NS-Größen sich ablehnend zeigten, zog sich die Einleitung von wirksamen Maßnahmen lange hin. »Höchste Tragik, daß Bayreuth noch nie so von allen Seiten angegriffen wurde, wie im Dritten Reich«, behauptete die Wahnfried-Haushälterin Lieselotte Schmidt. »Ich weiß nur, daß wir gute Lust hätten, das Festspielhaus auf Räder zu setzen und auf neutralen Boden zu fahren […]«202 Die innerparteilichen Querelen, bei denen auf einen aus künstlerischen Gründen kurzfristig gar nicht möglichen Ausschluss aller jüdischen Künstler gedrungen wurde, entschied Hitler schließlich mit einem Machtwort zugunsten Winifreds.203 Für Bayreuth ordnete Hitler an, dass 1933 die schon getroffenen Engagements mit jüdischen Künstlern einzuhalten seien; allerdings sollten neue Verträge für das nächste Jahr mit ihnen nur dann abgeschlossen werden, wenn kein geeigneter Ersatz gefunden werden könne.204 In diesem Jahr kam es an deutschen Theatern zu Massenentlassungen jüdischer Künstler, aber Priorität hatte die Aufrechterhaltung des Spielbetriebs, weswegen einige unersetzliche Künstler bleiben durften; an der Berliner Staatsoper wurden mit Ausnahme­ genehmigungen der Dirigent Leo Blech und die weltbekannten jüdischen ­Sänger Emanuel List und Alexander Kipnis vorerst weiter beschäftigt. Einige der in »Mischehe« lebenden Künstler ließen sich scheiden, für andere wie den mit einer Volljüdin verheirateten und homosexuellen Heldentenor Max Lorenz, »der vom Führer erneut für unabkömmlich erklärt worden« war, wurden Ausnahmeregelungen getroffen.205 An der Basis der Partei stieß dies nicht immer auf Verständnis. Einem Bericht des SD zufolge stieß bei den Festspielen 1943 einem Teil des Publikums auf, »daß der Kammersänger Lorenz mit seiner ­jüdischen Frau in Bayreuth war, die sich in den Festspielräumen aufhielt und im

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Restaurant mit allen anderen die Vergünstigungen genoß. Das habe nicht nur in der Bayreuther Bevölkerung und dort vor allem in der Parteigenossenschaft, sondern darüber hinaus bei allen Festspielteilnehmern, denen diese Tatsache bekannt wurde, ehrliche Entrüstung hervorgerufen. Man habe vor allem in national­sozialistischen Kreisen diese Tatsache als eine Provokation empfunden und sich sehr erbittert dazu geäußert.«206 Die Festspiele sollten am 21. Juli 1933 mit den Meistersingern von ­Nürnberg eröffnet werden, aber noch drei Wochen vor Beginn waren von rund 40 000 ­Karten noch mehr als 12 000 unverkauft. Staatliche Stellen sprangen ein, um übrig gebliebene Karten anzukaufen und diese dann an Interessenten zu verteilen. Das Protokoll einer Sitzung verschiedener Reichsbehörden und der Länder notierte am 7. Juli 1933, dass zu diesem Zeitpunkt folgende Summen zugesagt worden waren: Reichskanzlei 50 000 RM, Propagandaministerium 100 000 RM, bayerische Staatsregierung 30 000 RM, preußische Staatsregierung 30 000 RM und Innenministerium 20 000  RM .207 Zahlreiche Gesuche aus allen Teilen des Reiches gingen ein, nachdem die Aussicht auf Freikarten, freie Bahnfahrt und Unterkunft in den Medien publik gemacht worden war. Während man in Bayern versuchte, die bisherige soziale Zusammensetzung durch den Verkauf ermäßigter Karten an ein sorgfältig ausgewähltes bildungsbürgerliches Publikum beizubehalten, wurden die Karten andernorts einfach an Parteimitglieder verschenkt.208 Im Ganzen stellte sich die Aktion als ein Erfolg heraus, wenngleich sich gravierende Mängel in der Durchführung zeigten. Es waren keineswegs ausschließlich Wagnerianer nach Oberfranken gereist, sondern auch einige, die mit ­Wagner gar nichts anzufangen wussten. Der Bayreuther Stadtrat Karl Keller gab daher im Nachgang einige Anregungen, wie das Verfahren künftig besser gestaltet werden könne. Verhindern müsse man, dass mit den Karten Handel getrieben werde, denn bei den Festspielen erschienen Personen mit Freikarten und verlangten Freiquartier, »die mit eigenem Kraftwagen, ja selbst mit Flugzeug hier ankamen«. Besonders solle man darauf achten, »dass nur solche Personen Karten erhalten, von denen einiges Verständnis für das Kunstwerk Richard ­Wagners erwartet werden kann«. Man solle die Karten daher nicht verschenken, sondern zu einem deutlich herabgesetzten Preis verkaufen; ein kleines Opfer der Interessenten würde schon eine gewisse Auswahl bewirken. Es hatten sich nämlich auch Personen eingefunden, die lediglich in den Genuss einer kostenlosen Reise kommen wollten; manche Gäste waren ganz ohne Geld angereist, wodurch sie in »peinliche Lagen« kamen, andere waren kaum zur Abreise zu bewegen. Dringend müsse man vor Alkoholgenuss vor den Aufführungen

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warnen, denn »es haben sich vereinzelt Dinge zugetragen, die nicht nur für die Freikartenbesitzer, sondern auch für ihre ganze Umgebung im Festspielhaus äußerst peinlich waren«.209 Im Laufe der Jahre bekam man die Schwierigkeiten besser in den Griff. »Die Auswahl der Gäste sei […] dieses Jahr noch mehr als bisher nach überzeugenden Gesichtspunkten wie Verwundung, Fronteinsatz und musika­ lischem Interesse verfolgt«, hielt ein interner Bericht über die Kriegsfestspiele 1943 fest. »Das habe sich absolut als richtig herausgestellt und sehr bewährt. Über negative E ­ rscheinungen derart, daß Gäste ihre Karten um Alkohol oder andere Mangel­ware verkauften oder daß sie aus Unverständnis oder Interesselosigkeit während der Vorstellung schliefen, liegen dieses Jahr keine Beobachtungen vor.«210 Die NS -Kulturfunktionäre kamen 1934 überein, »daß die Bayreuther Festspiele, deren finanzielle Verhältnisse im letzten und in diesem Jahre nur dank der Stellung­nahme des Führers gemeistert werden konnten, vorschauend immer wieder rechtzeitig gefördert und erhalten werden müßten«.211 Man machte sich daher verschiedene Gedanken, wie die Bayreuther Festspiele auf eine solide finanzielle Basis gestellt werden konnten. Dazu legte das Reichs­ propagandaministerium einen Entwurf vor, nach dem die Werke Wagners durch eine dem Ministerium unterstehende »Bayreuth-Stiftung« geschützt werden sollten. Diese sollte verpflichtet werden, 1. die Nutzung der Werke jedermann zu gestatten, sofern nicht »wichtige künstlerische Gründe entgegenstehen«, 2. von jedem Nutzer eine »Bayreuth-Abgabe« in Höhe von zwei Prozent der Roh­einnahmen zu erheben, die 3. nach Ermessen der Stiftung zur Erhaltung und Pflege der Werke wie auch der Unterstützung der Nachkommen Wagners verwendet werden können. Vorstellungen von Parsifal sollten wieder auf das Festspiel­haus beschränkt, konzertante Aufführungen des Werkes verboten werden.212 Der Entwurf wurde kurz darauf zurückgezogen, weil der erwartete Ertrag als zu gering erschien, und am 6. Dezember übermittelte Goebbels einen neuen Entwurf, der gleichfalls nicht zur Ausführung kam: »Das Reich übernimmt die Schirmherrschaft über die Bayreuther Bühnenfestspiele und sichert ihre würdige Fortführung durch eine jährliche Ehrengabe von 100 000  RM . Diese Ehrengabe soll insbesondere dazu dienen, unbemittelten deutschen Volksgenossen den Besuch der Festspiele zu ermöglichen.«213 Eine regelmäßige finanzielle Unterstützung kam erst in den folgenden Jahren zustande, wie ein Vermerk von Hitlers Büroleiter Hans Heinrich Lammers von 1935 festhält: »Der Führer hat bei meinem heutigen Vortrag den Wunsch

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ausgesprochen, daß für die Bayreuther Festspiele in diesem Jahre und im nächsten Jahre je 50 000  RM überwiesen würden.«214 Es etablierte sich schließlich eine Mischfinanzierung von regulärem Kartenverkauf, Kartenankauf und kosten­loser beziehungsweise stark ermäßigter Weitergabe durch Ministerien und NS -Organisationen sowie von staatlichen Zuschüssen. Im Krieg ging die Finanzierung auf die NS -Besucherorganisation »Kraft durch Freude« über, die 1940 die Organisation des Kartenverkaufs und der Reisen nach Bayreuth übernahm. Die Neuordnung wurde als kulturpolitische Maßnahme verbrämt, die – im Sinne Wagners – weniger Begüterten den Zugang zu den Festspielen ermöglichen solle. Dies mag tatsächlich eine Absicht Hitlers gewesen sein, denn August ­Kubizek berichtet, er habe schon als Jugendlicher die Festspiele unter das ­Patronat des Reiches stellen wollen, das finanziell Minderbemittelten »Stipendien zum Besuche von Bayreuth« gewähren sollte.215 Die Öffnung des Festspielhauses für breite Kreise war aber nur eine Begleitwirkung, während als das primäre Ziel die Aufrechterhaltung des Spielbetriebs erscheint. Im »Dritten Reich« ließ sich das Festspielhaus allein durch den normalen Kartenverkauf nicht füllen. ­WAGNER-PFLEGE UND ­WAGNER-FEINDSCHAFT IM »DRITTEN REICH«

1933 veranstaltete der »Kampfbund für deutsche Kultur« im Münchner National­theater eine Festvorstellung der Meistersinger von Nürnberg, für die die Fürstenloge mit einem »Fahnentuch mit dem Wahrzeichen der nationalen Erhebung« geschmückt worden war.216 Zur Enttäuschung vieler Zuschauer kam Hitler nicht, dessen angekündigtes Erscheinen wesentlich zur Überfüllung des Theaters beigetragen hatte. Neben Reichsstatthalter Franz von Epp, SA -Chef Ernst Röhm, Justizminister Hans Frank und Kampfbund-Leiter Alfred Rosenberg erschien auch Richard Strauss, der seiner Freude Ausdruck verliehen haben soll, dass »Deutschland endlich einmal einen Reichskanzler habe, der sich für die Kunst interessiert«.217 Wilhelm Rode begeisterte in der Rolle des Hans Sachs dermaßen, dass man bei der Schlussansprache hätte erwarten können, »daß sich die ganze Zuhörerschaft von den Plätzen erhöbe, um dadurch ihre Ehrfurcht vor der deutschen Kunst zu bezeigen. Nach dem Schlusse hob Knappertsbusch den Taktstock zum ›Deutschland, Deutschland über alles‹ – die Künstler auf der Bühne, die den rechten Arm zum ›HitlerGruß‹ erhebenden Zuschauer, alle sangen das Lied in feierlicher Ergriffenheit mit.«218

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6 Münchner Festaufführung der Meistersinger im Jahr 1933

Die Begeisterung vieler Wagnerianer über den vorgeblichen Beginn einer neuen Ära war groß, und zahlreich sind die Stimmen nationalsozialistischer ­Wagner-Pfleger, die im »Dritten Reich« eine Umsetzung Wagnerscher Ideen erblickten. ­Wagner sei ein Prophet unserer Zeit, betonte Siegfried Scheffler 1933 in dem Heftchen Bayreuth im Dritten Reich: »In den Meistersingern lebt das Bild unseres deutschen Volkes im Spiegel seines Kunstwerkes, lebt der Sinn des neuen Deutschland in Erfüllung und Forderung. In den Meistersingern ist es die Jugend, die sich kraft ihrer Begabung Meisterrecht und Meisterehren erkämpft, es ist Hans Sachs, der die Achtung vor den guten Traditionen erzwingt, den Zwang des bösen Formalismus lockert, in weiser Voraussicht die Prügelschlacht im nächtlichen Nürnberg inszeniert und mit starker Hand beendet. Er ist es, der das Volk zum Richter aufruft und die Machtvollkommenheit der Meistersingerzunft um den Volksentscheid ergänzt. Ihm danken wir es, wenn sich auf der Festwiese ein überwältigendes Bild des deutschen Ständestaates, die Einheit des Volkes in der Vielheit seiner Berufe verwirklicht. In allem hat sich Richard ­Wagner als der Prophet unserer Zeit bewährt, als ein Führer in Weisheit und

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Liebe, als ein Künstler, dessen Werk die Jahrzehnte unserer Not und die Kräfte ihrer Überwindung und unserer Erneuerung voraussah. Richard ­Wagner lebt unter uns, als unser Zeitgenosse, als unser Gewissen, unsere kulturelle Sicherheit.« Es bleibe »das unermeßliche Verdienst unserer Regierung, die historische Tat unseres Reichskanzlers Adolf Hitler, in den Bayreuther Festspielen ­Wagner vor seinem Volk erneuert zu haben.«219 Der Völkische Beobachter behauptete in diesem Jahr, der nationale Umschwung habe endlich »der angeblichen ›Wagnermüdigkeit‹« ein Ende bereitet. Das »durch einen undeutschen Snobismus gewaltsam niedergehaltene Interesse für des ­großen Meisters Leben, Kämpfen und Schaffen ist wieder erwacht, und allenthalben gedenkt man in erhebenden Feiern des genialen Künstlers und Reformators«.220 Die mit diesen Worten beworbene Münchner ­Tannhäuser-Aufführung zum 120. Geburtstag des Komponisten war allerdings bei Weitem nicht ausverkauft – im Gegensatz zur fast zeitgleichen Neuinszenierung von Carl Zellers Operette Der Vogelhändler.221 Allen Beschwörungen seiner Aktualität zum Trotz, hatten die Werke Wagners den Zenit ihres Erfolgs bereits überschritten. Nach 1933 verlor er sogar allmählich die Position des meistgespielten Opernkomponisten in Deutschland an Giuseppe Verdi: 1932/33 befand sich ­Wagner mit 1837 Aufführungen an erster Stelle, während Verdis Opern auf 1265 Vorstellungen kamen. 1937/38 war ungefähr Gleichstand erreicht, und 1939/40 hatte sich das Verhältnis umgekehrt: 1440 Aufführungen von Verdis Opern standen nur 1154 von Werken Wagners entgegen.222 Der Begeisterung vieler Wagnerianer für den Nationalsozialismus stand das nur geringe Interesse vieler Nationalsozialisten an ­Wagner gegenüber. Der Musikwissenschaftler Reinhold Brinkmann betont, dass der Komponist trotz aller offiziellen Wertschätzung keineswegs unumstritten war, und er fordert als Korrektiv des vorherrschenden Bildes eine umfassendere Darstellung der Zweifel an und der Gegnerschaft zu ­Wagner im Dritten Reich.223 Auch für die nationalsozialistische Bewegung scheint es, dass einer von ­Wagner begeisterten Minderheit – der mit Hitler allerdings die prägende Figur der Bewegung vorstand – eine an Oper desinteressierte Mehrheit gegenüberstand. Dieses Bild vermitteln selbst Berichte von Mitgliedern der Familie ­Wagner, von nationalsozialistischen Funktionären oder auch von Hitler selbst. Die in launigem Ton gehaltenen Anekdoten entwerfen als charakteristisches Bild von Festaufführungen den schnarchenden Nazifunktionär, für den der Theaterbesuch nur eine lästige Pflicht bedeutete. So blieb laut Albert Speer die erste ReichsparteitagsFestaufführung der Meistersinger von Nürnberg trotz glanzvoller Besetzung fast leer, da die mehrheitlich bildungsfernen Gau- und Kreisleiter es vorgezogen

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hatten, »sich über die Güte des Nürnberger Bieres oder des fränkischen Weins zu informieren […] Hitler ließ Streifen aussenden, die aus Quartieren, Bierund Weinlokalen hohe Parteifunktionäre in das Opernhaus schaffen sollten; aber trotzdem gelang es nicht, den Zuschauerraum zu füllen. Am folgenden Tag wurden in der Organisationsleitung zahlreiche Witze erzählt, wo man die Fehlenden aufgegriffen hatte.«224 Auch eine Anwesenheitspflicht im darauf­ folgenden Jahr konnte das Problem fehlender Begeisterung nicht lösen, die Parteispitzen »erschienen gelangweilt, viele wurden sichtbar vom Schlaf übermannt«.225 Herausragende Künstler musizierten »vor einem völlig apathischen Publikum, das aus zumeist schnarchenden Nazigrößen bestand«, weswegen »Hitler seine Adjutanten durch die Reihen schicken mußte mit dem Befehl, zu applaudieren. Die nun folgende überlaute militärische Ovation habe noch peinlicher gewirkt als das vorhergehende Schweigen.«226 1936 wunderte sich der Nürnberger Polizeipräsident, dass bei der Reichsparteitagsaufführung der Meistersinger mehrere Reihen im Parkett unbesetzt blieben, obwohl alle Karten ausgegeben worden waren; man hatte aus diesem Grund sogar wichtige Funktionäre in den zweiten Rang setzen müssen. Auf den den Ehrengästen vorbehaltenen Plätzen entdeckte er unter anderem eine Stenotypistin der Polizeidirektion, die Inhaberin des Nachtcafés »Kakadu« und eine Zahnarztgattin.227 Im folgenden Jahr versandte Hitlers Sekretär Martin Bormann ein Rundschreiben, das die Weitergabe von Karten unterbinden sollte: »Der Führer wünscht, daß an der Festvorstellung der Oper Die Meistersinger von Nürnberg […] von diesem Jahre ab nur solche Besucher teilnehmen, die wirklich ein Interesse daran haben. Auf Anordnung des Führers werden daher die Karten für die Oper künftig nur gegen Bezahlung abgegeben; der Preis wird ungefähr 20 RM betragen. Eine Übertragung der Karten auf andere Personen hat der Führer strikt untersagt; die Karten dürfen nur und ausschließlich von den Bestellern selbst benutzt werden.«228 Das Desinteresse seiner Mitarbeiter beklagte auch Hitler selbst, der b­ ehauptete, bei Opernbesuchen sein »Hauptaugenmerk darauf richten [zu müssen], daß meine Herren nicht einschliefen. Der Hoffmann […] ist einmal bei Tristan und Isolde fast über die Brüstung der Proszeniumsloge gefallen, und ich habe den Schaub wecken müssen, daß er hinüberging und den Hoffmann wach­rüttelte. Der Brückner saß hinter mir und schnarchte, es war fürchterlich. Bei der Lustigen Witwe hat keiner geschlafen, da gab es eben ein Ballett zu sehen.«229 Bei der Aufführung von Tristan und Isolde handelte es um eine von Wilhelm Furtwängler geleitete und prominent besetzte Münchner Jubiläumsvorstellung im Jahr 1935; nach dem Urteil des Völkischen Beobachters war es ein »unvergeß­licher« Abend.230

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Die wenigen kulturell Interessierten im Umfeld Hitlers fielen besonders auf. Als Nikolaus von Below 1937 zum Luftwaffenadjutanten bestellt wurde, zeigte sich der Diktator verwundert darüber, dass ein Soldat aus seiner persönlichen Umgebung Interesse an Musik zeigte. Hitler war außerdem sichtlich erstaunt, dass dieser die für den Abend angesetzte Oper bereits mehrfach gesehen hatte. Die anderen Adjutanten waren gleichfalls begeistert, da Belows Opernleidenschaft sie von der lästigen Pflicht entband, den Diktator selbst ins Theater zu begleiten.231 Das fehlende Interesse an ­Wagner innerhalb der Bewegung musste besonders diejenigen desillusionieren, die die umfassende propagandistische Inanspruchnahme des Komponisten ernst nahmen. Der nationalsozialistische WagnerForscher Curt von Westernhagen klagte 1935, die »Teilnahme des Führers« dürfe »keineswegs darüber hinwegtäuschen, daß weite Teile unserer Bewegung der Gesamtpersönlichkeit Wagners fremd oder ablehnend gegenüberstehen«.232 Für Heinz Tietjen, neben anderen Aufgaben künstlerischer Leiter der Bayreuther Festspiele, war die ­Wagner-Verehrung der NSDAP nur Camouflage. »Es hieße der ›Partei‹ zu viel Ehre zu erweisen, wenn man ihr nachsagen würde, sie sei wagnerfreundlich gewesen; in Wirklichkeit waren die führenden Parteileute im ganzen Reich wagnerfeindlich, oder standen der Herrlichkeit dieser klingenden Welt verständnislos oder gelangweilt gegenüber.« Die Ausnahmen habe man einer Hand abzählen können.233 Zwar ist Tietjens Versuch nur allzu durchsichtig, sich als einstiger Nutznießer nach 1945 von dem Regime zu distan­zieren, wenn er behauptet, die Partei habe »offen oder versteckt« diejenigen wie ihn angegriffen, die sich für ­Wagner exponierten: »der Kreis um Rosenberg offen, der um Goebbels versteckt«.234 Die Intrigen des Letzteren dürften vor allem durch innerparteiliche Machtkämpfe begründet sein, denn Tietjen gehörte als Intendant der Berliner Staatsoper zum Machtbereich Hermann Görings, während Joseph Goebbels das konkurrierende Deutsche Opernhaus unterstand. Schwerer wogen hingegen die ideologischen Vorbehalte des Kreises um den Parteiideologen Rosenberg: Mit bemühten Argumenten, die das künstlerische Ungenügen der Werke Wagners belegen sollten, hatte Rosenberg schon 1930 in seiner Kampfschrift Der Mythus des 20. Jahrhunderts verlangt, Der Ring des ­Nibelungen müsse »entweder von einer gleichgenialen Hand umgestaltet werden […] oder nach und nach vom Theater verschwinden«. Zwar lobte er ein durch die Figuren des Lohengrin und Siegfried verkörpertes, wie auch immer geartetes, »nordisches Schönheitsideal« und die »innere Willenhaftigkeit in Tristan und Isolde«; ein »inneres Schönheitsideal« brächten auch König ­Heinrich, Marke und Hans Sachs zum Ausdruck. Zu Parsifal merkt er hingegen mit negativem Unterton an, er sei »eine stark kirchlich betonte Abschwächung zugunsten eines

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Lehnwertes«.235 Diese Äußerung muss in Verbindung mit Rosenbergs Bestrebungen zum Ersatz der Kirche durch eine neu geschaffene Institution gesehen werden, was Hitler allerdings, wie bereits erwähnt, scharf ablehnte. Er betonte in kleinem Kreis, »daß Rosenbergs Mythus nicht als ein parteiamtliches Werk angesehen werden könne […] Bemerkenswert sei, daß die Hauptleserschaft dieses Rosenbergschen Werkes nicht unter den Altparteigenossen zu suchen sei.« Er »freue sich immer, wenn er feststellen müsse, daß eigentlich nur unsere Gegner in dem Buch richtig Bescheid wüßten. Ebenso wie viele Gauleiter habe auch er es nämlich nur zum geringen Teil gelesen, da es seines Erachtens auch zu schwer verständlich geschrieben sei«.236 Zwar behauptete Reichsdramaturg Rainer Schlösser vonseiten der national­ sozialistischen ­Wagner-Pfleger, die »herzbezwingende Macht« Wagners beruhe »vor allem darauf, daß er uns im Mysterium seiner Kunstwerke die beglückende Bestätigung unserer ursprünglichen, nordisch-germanischen Art beschert«.237 Aber Rosenberg stand keineswegs allein mit ideologischen Zweifeln an ­Wagner. Nicht nur wurden immer wieder seine Abstammung und Rassenzugehörigkeit infrage gestellt, sondern auch sein Deutschtum. Schon Houston Stewart Chamberlain hatte darauf hingewiesen, durch Wagners Adern fließe »ein Blut so heiß und ungestüm wie selten bei einem Nordländer«.238 Im Bayreuther ­Festspielführer von 1924 meinte Adolf Rapp die »Geistesart« Wagners gegen die Vorwürfe verteidigen zu müssen, sie sei »nicht schlicht genug, ihr Gefühls­leben sei zu gesteigert und äußere sich zu aufdringlich, es sei zu viel Schwelgen und Wühlen in Empfindung darin, und die theatralische Wirkung dränge sich zu stark vor. Einwendungen, die ernst zu nehmen sind, weil sie von unzweifel­haft deutsch gearteten Menschen erhoben werden.« Dem vermochte Rapp keine Argumente entgegenzusetzen, sondern er behauptete einfach, in ­Wagners Werken sei sehr wohl Tiefe zu finden. Die Ablehnung Wagners deute auf »viel Beschränktheit des Empfindens« hin; Tausende fänden sich »in bester Übereinstimmung mit ihrem deutschen Gefühl«, wenn sie dennoch »­Wagner als deutschen Genius« ansehen.239 Hans F. K. Günther, der führende Rassentheoretiker charakterisierte Wagners äußere Erscheinung als gemischtrassig mit einem »nordisch-dinarischen Kopf« auf einem ostbaltischen Körper, was sich auch in der Seele niederschlage. Denn während die »ostbaltische Rasse« immer »nach irgendeiner ›Erlösung‹ strebe«, sei der »Erlösungsgedanke« für »Völker mit stärkerem nordischen Einschlag […] nicht arteigen«.240 Günther glaubte den »nicht-nordischen Einschlag« Wagners auch an dessen Musik ablesen zu können, wobei er zum Vergleich den seiner Ansicht nach »nordischen«, weil im Ausdruck zurückhaltenderen Christoph Willibald Gluck heranzieht. Man brauche sich nur vorstellen, wie ­Wagner die

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Klage des Orpheus ausgedrückt hätte: »Zweifellos mit seiner ganzen Meisterschaft; aber auch mit der echt nordischen und adligen Scheu, die den Schmerz des Orpheus bei Gluck umhüllt?«241 Brinkmann betont, dass in der Hitler-Jugend in Fortführung der Jugendmusik­ bewegung eine Orientierung am gemeinsamen Musizieren, am Volkslied und an »holzschnittartiger Einfachheit« herrschte, bei der Wagners komplexe Opern zwangsläufig fremd bleiben mussten.242 Dort war der romantische Künstler verpönt; man wollte in der Hitler-Jugend keine Künstlertypen, »die ihr Künstlertum nur durch langwallendes Haar, auffallende Kleidung und Sehnsucht nach Einsamkeit dokumentieren. Der Künstler der Bewegung steht einfach neben uns.«243 Hierbei zeigt sich erneut ein Querstand zum Privatgeschmack des um 1900 sozialisierten Hitler, denn es war gerade dieses romantische Künstler­ideal, das ihn in seiner Jugend besonders an ­Wagner fasziniert hatte. Die p ­ olitische Bedeutung Wagners hatte sich im Laufe der Zeit gewandelt und war im »­Dritten Reich« nicht mehr vergleichbar mit der Situation in Hitlers Jugend. Der dem Bayreuther Kreis nahe stehende Prager Philosophieprofessor Christian von Ehrenfels, dessen Vorlesungen einst Franz Kafka und Max Brod besucht hatten, bemerkte 1931, die Situation habe sich grundsätzlich verändert seit dem späten 19. Jahrhundert, »seit den Tagen des frisch-frei-fröhlichen Kampfes der hell­ sten Köpfe und heißesten Herzen der deutschen Jugend für ­Wagner gegen die Beschimpfungen der geeinten Judenpresse«. Die früher starken Gegensätze von Wagnerismus und Judentum würden heute zunehmend verschwimmen. »Unter den ausgesprochenen Anhängern Wagners bilden gegenwärtig die Juden ein Kontingent, welches sicher nicht hinter ihrer Bevölkerungsquote unter den Intellektuellen überhaupt zurücksteht. Unter den ausgesprochenen Judenfeinden, welche sich um musikalische Angelegenheiten intensiver interessieren«, habe die »Musikalische Jugendbewegung« zahlreiche Anhänger gefunden, welche »alle Musik nach Bach grundsätzlich ablehnt«.244 Ehrenfels setzte sich auch aus der Perspektive der Rassentheorie mit ­Wagners möglichem Judentum auseinander und kommt dabei zu dem für einen ­Bayreuthianer überraschenden Schluss, es sei ihm »herzlich gleichgültig«.245 Die Frage danach, wer Wagners Vater gewesen sei, führe nicht weiter; sie sei letztlich irrelevant, da ein »jüdischer Bluteinschlag« weiter zurückliegen könne, denn man »wisse« heute, »daß ein einziger artfremder Vorfahr männlichen oder weiblichen Geschlechts, und selbst bis ins siebente Glied und noch weiter zurück, dazu genügt, eventuell bei einem Nachkommen ein sehr merkliches Abweichen von dem im Übrigen allgemein herrschenden Arttypus zu bewirken«.246 Entscheidend sei auch nicht sein Äußeres mit dem jüdisch anmutenden Zug um Wagners

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Mund oder die ungewöhnlich kurzen und etwas krummen Beine; viel wichtiger sei das Psychische. Seine Musik verdanke Giacomo Meyerbeer und Felix ­Mendelssohn Bartholdy viel, etwa das aus der ­Reformationssinfonie übernommene Parsifalmotiv, und wie habe der Komponist dafür gedankt? Mit der Schrift über Das Judenthum in der Musik, die man psychologisch nicht anders erklären könne »als durch einen jüdischen Bluteinschlag bei ­Wagner selbst […] Ein unsympathischer Zug, den man noch dazu in sich selbst vorfindet, wird einem dadurch umso verhaßter.«247 Die eigentliche Größe Wagners ist für Ehrenfels neben der symphonischen Architektonik der Musik die völlig »undeutsche« Erotik. In der wagnerfeindlichen Jugendmusikbewegung habe man »vollkommen richtig herausgeschnuppert, daß die Nächte des Wälsungenpaars und ­Tristan und Isoldens durchaus nicht von nordischem Stimmungsgehalt durchflutet werden, ja nicht einmal der blau-goldene Sonnenrausch, im dem Siegfried und Brünnhilde sich in die Arme stürzen«.248 Wagners Musik­dramen stehen für die Umwertung der Erotik vom Privaten ins Öffentliche, wenn 2000 Menschen im Festspielhaus gemeinsam im zweiten Akt von Tristan und Isolde die physiologischen Vorgänge einer Liebesnacht miterleben, »und zwar so präzise prägnant, daß sich in der Partitur mit dem Finger die Takte bezeichnen lassen, mit denen die – zweimaligen – orgiastischen Ergüsse jener Nacht einsetzen und sich entspannt haben«. Für derartige Enthüllungsarbeit, die Ehrenfels als »Sozialisierung des Liebes­ lebens« begrüßt und die die Jugendmusikbewegung ablehnte, habe die j­ üdische Mentalität besondere Anlagen, wie Heinrich Heine und Sigmund Freud belegten. Der Leser möge sich anhand des Gesagten selbst ein Urteil bilden, ob ­Wagner jüdische Vorfahren habe oder nicht.249 ­Wagner erscheint bei ihm als ein Vorgänger des damals hochgradig polarisierenden jüdischen Sexualforschers Magnus Hirschfeld, dessen Bücher 1933 von den Nationalsozialisten verbrannt und dessen Institut für Sexualforschung geschlossen und geplündert wurde. Vermutlich hatten diejenigen, die an Wagners Eignung für die national­ sozialistische Ideologie zweifelten, nicht ganz unrecht: Wagners kosmopolitische Kunst, die der Pariser Grand opéra Entscheidendes verdankte, lässt sich trotz aller sie begleitenden nationalen Rhetorik kaum als genuin »deutsch« oder gar »nordisch« interpretieren. Schon Friedrich Nietzsche erkannte ­Wagner als auf das Engste mit der französischen Romantik verbunden; die »Nähe von krankhaften Begierden, die Brunst rasend gewordener Sinne«, »jener hysterisch-erotische Zug, den ­Wagner am Weibe besonders geliebt und in Musik gesetzt hat«, sei am besten in Paris zu Hause.250 Den deutschen Idealen von Schlichtheit und Männlichkeit entsprach der Komponist wohl am wenigsten von allen deutschen Musikern von Rang. Die 1877 von einer Wiener Zeitung in satirischer Absicht

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veröffentlichten Briefe Wagners an seine Putzmacherin hatten mit großem Erfolg seine Leidenschaft für seidene Unterwäsche, Steppdecken, Schlafröcke und Stiefelchen dem Gespött preisgegeben. Zu eklatant war der Widerspruch zwischen dem in seinen Werken und Schriften geführten Männlichkeitsdiskurs und seiner ganz und gar unmännlichen Begeisterung für den sündhaft teuren Atlasseidenstoff. Besonders die Farbe Rosa hatte es ihm angetan, wenngleich nur eine bestimmte, nämlich das »dunkle Rosa«, wie er die Putzmacherin anwies, nicht das »frühere Violett-Rosa, welches ich nicht meine, sondern wirkliches Rosa, aber nur sehr dunkel und feurig«.251 Obwohl er riesige Mengen orderte, reichte der Stoff nie; er könnte »sehr gut noch etwa 30 bis 50 Ellen gebrauchen: Gott weiß, was davon drauf geht, wenn man es hübsch haben will.«252 ­Wagner-Kritik innerhalb des Nationalsozialismus musste unterschwellig bleiben, solange sich Hitler an die Spitze des ­Wagner-Kults stellte. Er wusste laut Winifred ­Wagner genau um die wagnerfeindlichen Gegenströmungen innerhalb der Partei und stimmte zu, »daß darin eine gewisse Gefahr für den Fortbestand der Festspiele lag. Er glaubte am wirkungsvollsten dagegen durch seinen alljähr­ lichen Besuch Bayreuths, der auf die Dauer beispielgebend wirken wollte, auftreten zu können.«253 Wieland ­Wagner soll die schützende Hand Hitlers kommentiert haben, dass ohne sie die Festspiele keine Zukunft hätten: »Wenn dem Führer etwas passiert, ist es sowieso aus!«254 Um national­sozialistische ­Wagner-Gegner zum Schweigen zu bringen, unternahm Winifred im Zweiten Weltkrieg einen Versuch, die alleinige Deutungsmacht über Wagners Schaffen an sich zu reißen, indem sie eine Zensur des Schrifttums durch die ihr nahe­stehende Richard-­ Wagner-Forschungsstätte durchzusetzen versuchte.255 Als Ziele der Einrichtung war bei der Gründung – neben der Herausgabe der Schriften und Dichtungen sowie dem Verfassen einer neuen Biografie – benannt worden die »Herbeiführung der unbedingten Eingliederung Wagners in die Reiche der großen Deutschen, die unserem Volke stets beispielhaft und richtunggebend vor Augen stehen sollen, und Abwehr aller tendenziösen Angriffe auf seine Persönlich­keit und sein Werk« sowie die »Klarstellung der rein arischen Abstammung Wagners unter Zugrundelegung des gesamten, teils bereits bekannten, teils erst noch aufzufindenden urkund­ lichen Materials«.256 Notabene sollte der Nachweis seiner arischen Abstammung auch auf der Basis »erst noch aufzufindenden urkundlichen Materials« geschehen. In der zweiten Aprilwoche 1942 erhielt Winifred einen Brief, der sie auf sonder­bare Vorgänge aufmerksam machte. Man könne »sich ja nur an den Kopf fassen, wenn man so etwas erzählt bekommt«, teilte der Vorsitzende des national­sozialistisch ausgerichteten »Bayreuther Bundes der Deutschen Jugend« mit: »Aber es ist tatsächlich so.«257 Otto Daube wusste einiges zu berichten, was

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»die recht beklagenswerte Einstellung maßgebender Parteileute in Würzburg gegen das Werk von Bayreuth« zum Ausdruck bringt. Dies habe ihm die Teilnehmerin eines Sonderlehrgangs der Richard-­Wagner-Schule zugetragen, die selbst vorerst inkognito bleiben wolle, da sie Repressalien fürchtete. Ihr Bruder sei »einer der wichtigsten Männer der Gauleitung« in Würzburg, dort aber »wohl der einzigste, der eine innere begeisterte Einstellung zu Bayreuth hat«.258 Dass in der Partei Stimmung gegen Wagners Werk gemacht werde, meinte Daube auch daran ablesen zu können, dass der Gauleiter erst kurz zuvor den Termin einer zweitägigen Besprechung sämtlicher Gauamtsleiter und Kreisleiter so gelegt hatte, dass aus diesem Personenkreis niemand an der parallel stattfindenden Bundestagung des »Bayreuther Bundes« teilnehmen konnte. Nachdem man den Gauleiter rechtzeitig über den Termin informiert hatte, wertete er dies als Affront. Nun glaubte Daube, selbst Parteigenosse, eine Erklärung für das sonderbare Verhalten der Parteileitung gefunden zu haben: Kürzlich habe in Würzburg eine rassenpolitische Schulung stattgefunden, »bei der ein Vortrag über ›Die jüdische Versippung der Familie ­Wagner‹ gehalten worden ist. Seitdem wird in Würzburg in entscheidenden Parteikreisen von Bayreuth als einer ›Jüdischen Angelegenheit‹ gesprochen.« Im Zusammenhang mit diesen »gerade­zu unglaublichen« Zuständen müsse er »leider noch eine weitere Mitteilung [machen]: Von einer H. J.-Gebietsführung ist den H. J.-Angehörigen verboten worden, Veranstaltungen des Bayreuther Bundes in Uniform zu besuchen, da es sich bei dem Bayreuther Bund bzw. dem Bayreuther Kulturwerk um ein ›Jüdisches Unternehmen‹ handele.«259 In Hinblick auf die Zukunft der Bayreuther Festspiele und das Werk ­Wagners im »Dritten Reich« mussten sich derartige Vorwürfe als fatal erweisen. Um etwaigen Angriffen vorzubeugen, hatte die Richard-­Wagner-Forschungsstätte einen erheblichen Teil ihrer bisherigen Aktivitäten auf die Frage der arischen Abstammung des Komponisten konzentriert. Darauf wies Winifred in dem unverzüglich aufgesetzten Schreiben hin, das sie an den Reichsführer-SS als dem Vorgesetzten der infrage kommenden Dienststelle sandte, und forderte, er möge der SS »einen Wink geben […] ihre rassenpolitischen Vorträge nicht auf Richard ­Wagner in diesem Sinne zu konzentrieren«.260 Es stellte sich nach eingehenden Nachforschungen schließlich heraus, dass bei der Weitergabe der Informationen einiges verzerrt worden war. Die in der Würzburger Gauleitung angestellte Denunziantin Beatrix Reinhart, die sich auch beim »Bayreuther Bund« engagierte, musste eingestehen, ihr Mitarbeiter habe »nicht auf einer rassenpolitischen noch sonstigen Schulung der SS […] von der fraglichen Sache erfahren, sondern in der Unterhaltung von einem SS-Oberarzt, der zugleich die

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Schulungen der SS unter sich hatte«. Ihr Irrtum rühre daher, dass man sich zuvor über rassenpolitische Schulungen unterhalten habe. An der Sache selbst ändere dies aber nichts, und erst kürzlich habe auch eine weitere Mitar­beiterin »denselben Ausspruch – von Seiten Cosima Wagners wäre jüdisches Blut in die Familie ­Wagner gebracht worden; Siegfried sei Vierteljude – von einer führenden Stelle einer Parteigliederung [gehört]. Hierbei fiel auch schon der Ausdruck ›jüdische Angelegenheit‹, und zwar wurde geäußert, sie wollten nicht so gerne, wenigstens nicht offiziell als Parteigliederung unsere Veranstaltungen besuchen, weil es so betrachtet werden könnte, daß sie eine jüdische Angelegenheit unterstützten.«261 Nachdem die Urheber des Gerüchts ermittelt worden waren, nutzte Winifred gegenüber Heinrich Himmler die Gelegenheit zum Vortrag einer Bitte, zu der sie offenbar ihr Sohn Wieland und der Wahnfried-Archivar Otto Strobel angestiftet hatten.262 Sie fragte den Reichsführer-SS, »ob im Hinblick auf die kriegsbedingten Umstände eine Möglichkeit bestünde, Neuveröffentlichungen über Richard ­Wagner, insoweit sie nicht durch die Forschungsstätte herausgegeben werden, sowohl im Buchhandel als auch in der Presse zu unterbinden? – Es passiert immer wieder, daß Verleger mit guten Beziehungen Druckerlaubnis für Arbeiten erhalten, die ohne Einsichtnahme in unser Archiv (zur Zeit bombensicher untergebracht – unzugänglich) doch nur unvollständig bleiben müssen und dadurch viel an Wert verlieren. – Wären Sie dafür zuständig oder könnten Sie mir die Stelle namhaft machen, die ein derartiges Verbot in Erwägung zu ziehen in Frage käme?«263 Himmler leitete die Angelegenheit mit bezeichnenden Auslassungen weiter: Nicht nur unterließ er den nachträglich eingefügten Hinweis, dass die Zensur auf die Kriegsdauer beschränkt sein solle, sondern auch den Passus, der sich gegen »Verleger mit guten Beziehungen« richtete – womit nur parteinahe Stellen gemeint sein konnten. Die Bitte erreichte Hitlers Büroleiter Hans Heinrich Lammers, der sie zur Stellungnahme an die Ministerien für Justiz, für Volksaufklärung und Propaganda und für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung weitergab.264 In ­seltener Übereinstimmung kamen die Minister zu dem Schluss, dass eine Zensur des ­Wagner-Schrifttums durch die Richard-­Wagner-Forschungsstätte möglich, nicht aber wünschenswert sei. Justizminister Otto Georg Thierack hielt es zwar rein rechtlich für machbar, wenn man zugleich Vorsorge träfe, den Import im Ausland gedruckter Werke zu verhindern. Ob es aber unbedenklich sei, dem Archivar des Hauses Wahnfried »eine Schlüsselstellung hinsichtlich des gesamten Wagnerschrifttums zu verschaffen«, müssten die anderen Ministerien entscheiden.265 Diese waren gleichfalls nicht geneigt, sich ihre Kompetenzen beschneiden zu lassen: Für Goebbels widersprach das Anliegen »dem Gedanken der

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Reichskulturkammer, die die Kulturschaffenden führen, aber nicht ihre Werke kleinlich kontrollieren will. Für völlig ausgeschlossen halte ich es, das Schrifttum über einen großen Deutschen unter die Aufsicht eines Archivars zu stellen. Mit demselben Recht könnte die Goethe-Gesellschaft für Goethe das Gleiche in Anspruch nehmen. Wir würden damit die Arbeiten eines der wichtig­sten Schrifttumsgebiete auf das Niveau von Archivräten herabdrücken.«266 Ähnlich lautete die erst im März 1944 abgefasste Stellungnahme des Wis­ sen­schaftsministers Bernhard Rust, der den in seinem »Geschäftsbereich in Frage kommenden Stellen eine Zusammenarbeit mit der Richard-Wagner-­ Forschungsstätte« nahelegen wollte. Diese dürfe aber nicht den »Charakter einer Zensurbehörde« bekommen, für die angesichts der kriegsbedingten Lage im Verlagswesen auch keine Notwendigkeit bestehe wie auch »angesichts der Tat­ sache, daß sich in der Vergangenheit Werk und Gedankenwelt Richard ­Wagners gegen eine häufig feindselig eingestellte Umwelt und Literatur erfolgreich behauptet haben«.267 Die ablehnenden Stellungnahmen der Ministerien wurden an Himmler weitergeleitet, der darauf bestand, dass die Angelegenheit Hitler persönlich vorgetragen werde. Er befürchtete, »daß Frau ­Wagner auf anderem Wege an den Führer herantritt und eine Entscheidung zu erwirken versucht«. Die Befürchtung war wahrscheinlich unbegründet, da es nach Kriegsbeginn zu einer Entfremdung von Hitler und Winifred gekommen war. Schon bei den Festspielen 1939 war es zu einem Eklat gekommen als Winifred versuchte, ein Gespräch mit dem britischen Botschafter Neville Henderson zu vermitteln, was Hitler brüsk ablehnte.268 Sie hatte den Politiker letztmals 1940 persönlich getroffen, als er nach dem Sieg über Frankreich eine Aufführung der Götterdämmerung besucht hatte.269 An der nationalsozialistischen Einstellung Strobels konnte kein Zweifel bestehen, denn er war bereits 1931 in die NSDAP eingetreten. Dass Hitler dennoch keine hohe Meinung von ihm hatte, wird durch die Reaktion auf Winifreds Anregung deutlich, er möge doch die Amtsbezeichnung »Professor« erhalten. Dies entspreche der »Bedeutung der Forschungsstelle und soll diese auch nach Außen hervorheben«.270 Obwohl Hitler derartige Titel sonst geradezu inflationär verlieh, ließ er mitteilen, er wolle »von einer Ernennung des Herrn Dr. Strobel zum Professor zunächst absehen«.271 Ein Vermerk Lammers’ hält das Resultat seines Referats fest: »Dem Führer Vortrag gehalten. Auch der Führer hält die Wünsche von Frau Winifred ­Wagner nicht für erfüllbar.«272 In seiner Knappheit teilt der Vermerk nicht mit, was Lammers Hitler genau vorgetragen hatte. Bei aller Sympathie für die Bayreuther Festspiele hatte Hitler angesichts der desaströsen Kriegslage im Sommer 1944 aber ohnehin vermutlich dringendere Fragen zu klären.

AUF DER POLITISCHEN BÜHNE IDEOLOGIE UND GEFÜHL

Der Nationalsozialismus wandte sich nicht allein an den Verstand, sondern vor allem an das Gefühl. Alle großen Bewegungen waren für Hitler »Vulkanausbrüche menschlicher Leidenschaften und seelische Empfindungen, aufgerührt entweder durch die grausame Göttin der Not oder durch die Brandfackel des unter die Masse geschleuderten Wortes und […] nicht limonadige Ergüsse ästhetisierender Literaten und Salonhelden«.1 Viele der Bewegung zugrunde liegenden Gedanken erschienen kritischen Köpfen schon damals als haar­ sträubender Unfug, aber wie bereits der frühe Hitler-Biograf Konrad Heiden feststellte, komme es »nicht auf den Wahrheitsgehalt der Lehre an, sondern auf die politische Kraft, die sie auslöst«.2 Der propagierte Rassenwahn machte sozial Deklassierten das verführerische Angebot der Nobilitierung – einer »Herren­ rasse« anzugehören und die vorhandenen Frustrationen in eine bestimmte Richtung zu lenken. Während intellektuelles Durchdenken und Zergliedern als »jüdisch« bekämpft wurde, traten vage Beschwörungen der Notwendigkeit des »Glaubens« an vorderste Stelle – des Glaubens an Hitler, an den Nationalsozialismus, an Deutschland, an den Sieg und so weiter. Für Joseph Goebbels war dabei weniger der Gehalt des Glaubens als seine Intensität wichtig: »Es ist nicht so sehr von Belang, woran wir glauben; nur daß wir glauben.«3 Das 1920 verkündete 25-Punkte-Programm der NSDAP, das unter ­anderem die Zerschlagung der großen Warenhäuser zugunsten kleiner Gewerbetreibender forderte und das vielen Industriellen als »halb sozialistisches und halb nebelhaftes Parteiprogramm«4 aufstieß, verschwand nach einiger Zeit sangund klanglos in der Versenkung. Es blieb ohne einen Nachfolger, der das Handeln der NS-Führung unnötig eingeengt hätte. Die Forderungen der NSDAP waren im Detail so diffus gehalten, dass sie für ganz unterschiedliche Gruppen Identifikationsangebote hatten – was natürlich keineswegs heißen soll, dass der Bewegung Offenheit und Toleranz zuzusprechen wäre. Eine Untersuchung der ideolo­gischen Hauptthemen bei »Alten Kämpfern«, den Anhänger der ersten Stunde, kam zu dem Schluss: »Ungefähr ein Drittel ist in erster Linie an solidarischer Volksgemeinschaft interessiert, über ein Fünftel besteht aus Superpatrioten. Fast ebenso viele sind von Hitlers persönlichem Charisma hingerissen. Ungefähr ein Siebtel scheint vor allem durch seinen Antisemitismus motiviert zu sein.«5 Selbst die NS-Führung war vielfach ideologisch indifferent, und Ernst

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Röhm hatte in den Anfangsjahren Hitler gebeten, »er möge sich doch nicht die Mühe machen, ihm irgendeine politische oder militärische Maßnahme lange zu begründen. ›Es genügt, wenn du sagst, um soundso viel Uhr stehst du mit soundso viel Mann am Siegestor; dann stehe ich auch da.‹«6 Für den Soziologen Wolfgang Sofsky war selbst »die Lager-SS […] alles andere als ein ideologisch geschulter Verband […] Sie waren Karrieristen, Techno­kraten, korrupte Kriminelle, beflissene Befehlsempfänger«, die wesentlich durch Gruppendynamik motiviert wurden.7 Für viele dürfte die Anziehungskraft der nationalsozialis­ tischen Bewegung einfach darin bestanden haben, dass sie »die Partizipation an Haß und Gewalt [ermöglichte], legitimiert durch die Floskel ›für Deutschland‹«.8 Der »Verein zur Abwehr des Antisemitismus« bekam 1920 den Eindruck, alle »Weltanschauungsphrasen und all der ideologische Kram«, den die Rassen­ theoretiker und ihre Anhänger vorbrächten, »verfolgen doch nur den Zweck, die ökonomischen Grundlagen zu verhüllen, auf denen der Antisemitismus in Wirklichkeit aufbaut«.9 1938 hatte der Politiker Hermann Rauschning eine erste Faschismustheorie vorgelegt, die als eine weit seriösere Arbeit als die kurz darauf verfassten Gespräche mit Hitler gelten kann. Rauschning brandmarkt die nationalsozialistische Ideologie als bloße Fassade, die die eigentlichen Interessen verdecken sollte. Auch wenn die These überpointiert erscheint, ist sie ein notwendiges Gegengewicht zu der noch immer weit verbreiteten Vorstellung, den Nationalsozialismus allein durch die Analyse von politischen Texten verstehen zu wollen. Die reichlich nebulöse »Weltanschauung« diente Rauschning vor allem der Ablenkung der Bevölkerung, denn von ihr würde vor allem geredet, »wenn Krisen drohen, wenn die Massen unruhig werden. Nur nicht auf Diskussionen einlassen, auf Belehrung, auf Appelle an den guten Willen, an die vernünftige Überlegung. Suggestiv sprechen, drohen, begeistert sein, zürnen und verheißen, von der großen überirdischen Mission des Nationalsozialismus sprechen.«10 Walter Benjamin zufolge versuchte der Faschismus die Massen zu organisieren, »ohne die Eigentumsverhältnisse, auf deren Beseitigung sie hindringen, anzutasten. Er sieht sein Heil darin, die Massen zu ihrem Ausdruck (beileibe nicht zu ihrem Recht) kommen zu lassen. Die Massen haben ein Recht auf Veränderung der Eigentumsverhältnisse; der Faschismus sucht ihnen einen Ausdruck in deren Konservierung zu geben. Der Faschismus läuft folgerecht auf eine Ästhetisierung des politischen Lebens hinaus.«11 Hitler verstand Politik als ein ästhetisches Phänomen, als einen szenischen Vorgang. Dieses Verständnis zeigte sich unter anderem in einer in Mein Kampf detailliert erinnerte Massendemonstration Wiener Arbeiter, die Hitler nach eigenen Angaben, am Rand der Ringstraße stehend, zwei Stunden lang gebannt

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verfolgt hatte; dabei hatte ihn vor allem der szenische Effekt bewegt, während der politische Anlass ihm keine Zeile wert war.12 Eine Zeit lang besuchte er häufig das Wiener Parlament, das vor dem Ersten Weltkrieg durch die Blockade­politik unterschiedlicher Interessengruppen gelähmt war, die die Strategie verfolgten, durch endlose Redebeiträge den Parlamentsbetrieb aufzuhalten und wichtige Abstimmungen zu verhindern. Während August Kubizek das Geschehen als »ein unwürdiges, beschämendes Theater« empfand, schien es, dass Hitler den Vorgängen »mit größtem Interesse« folgte. Dabei war es ihm »vollkommen gleichgültig, wenn irgendein slowenischer oder czechischer Abgeordneter stunden­lang eine Obstruktionsrede hielt, wenn das ganze Haus leer war und wenn man von der Rede überhaupt nichts verstand«.13 Das Bild des chaotischen Parlaments machte Hitler, wie er in Mein Kampf meinte, das Scheitern von Demokratie sinnfällig: »Eine gestikulierende, in allen Tonarten durcheinander schreiende, wildbewegte Masse, darüber einen harmlosen alten Onkel, der sich im Schweiße seines Daseins bemühte, durch heftiges Schwingen einer Glocke und halb begütigende, halb ermahnende ernste Zurufe die Würde des Hauses wieder in Fluß zu bringen.«14 Im Vorfeld der Herstellung der Parteitagsfilme stieß Leni Riefenstahls Einwand, dass sie »nicht einmal die SA von der SS unterscheiden« könne, angeblich bei Hitler auf taube Ohren, der erwiderte: »Das ist doch gut so, dann sehen Sie nur das Wesentliche.«15 Das Wesentliche war für Hitler nicht die Dokumentation eines Parteitags, sondern er erkannte, dass Politik durch künstlerische Überhöhung entscheidend an Wirksamkeit gewinnt. Zeitgenossen fiel auf, dass die Wirkung der Auftritte Hitlers nicht auf dem im Detail oft nebulösen Inhalt seiner Reden beruhte. Diese seien inhaltlich seltsam vage, schien es Theodor Heuss 1932, doch sei er »in reicher Variation ein Meister der Gefühlsekstase«.16 Inhaltlich fixierte Hitler sich besonders auf zwei emotional aufgeladene Themen: Der Appell an Einheit und Größe der Deutschen weckte positive Gefühle, während Hassgefühle durch Angriffe auf die Feinde der Deutschen, und hierbei besonders auf »die Juden«, ausgelebt wurden.17 Hitlers Reden waren nach Beobachtung seines Pressechefs »groß angelegt, aber weniger auf sachliche Probleme ausgerichtet, als auf Gefühl und Effekt berechnet. Sie begannen jeweils nicht mit der Konzentration auf ein fest umrissenes Thema, sondern weit ausgreifend mit fast immer den gleichen weltanschaulichen Grundgedanken und historischen Darlegungen, kämpferischen Rückblicken und Ausblicken, gesellschaftlichen Kritiken und Forderungen, sowie allgemein nationalen und politischen Vorstellungen, in die der Hörer unter stimmungsmäßiger Anpassung und psychologischer Führung hineingeleitet wurde.« War er dann in Fahrt gekommen, leitete er zu aktuellen politischen Fragen über;

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nun »kamen die starken Worte […], die Prophezeiungen auf dem wirksamen Hintergrund seines märchenhaften Aufstieges und seiner bisherigen Erfolge, der Appell an den Glauben und die feierlichen Gelöbnisse der Rede, die sich am Schluß zu einer nationalen Apotheose steigerte, die jedem vaterländisch gesinnten Deutschen für innere sachliche Einwendungen überhaupt keinen Raum mehr ließen – selbst wenn er sie hätte machen wollen«.18 Hitler überzeugte dadurch, dass sich die Quintessenz seiner Aussagen auch demjenigen erschloss, der nicht jedes Wort verstand. Er transportierte weniger Informationen als Emotionen, die er mit überwältigender Intensität vor­bringen konnte und für die er alle verfügbaren Mittel mobilisierte. Die Darstellung von Gefühlen löst bei den Zuschauern selbst Gefühle aus, was von Kultur- und Schauspieltheorien seit der Frühen Neuzeit mit unterschiedlichen Modellen gedeutet wird; es kommt zu somatischen Reaktionen wie Veränderungen des Herzschlags, Schweißausbruch oder zu starken Affekten wie Wut. Der Theater­ wissenschaftlerin Erika Fischer-Lichte scheint es, »als wenn Gefühlen per se eine gewisse Theatralität eignet«.19 Albert Speer spricht von einem »Rausch­ empfinden«, das Hitler erzeugte, von »ungeheuren Selbststeigerungen, zu denen er mich befähigte und die ich bald benötigte wie der Süchtige die Droge«.20 Selbst der vom Diktator angeekelte frühe Hitler-Biograf Rudolf Olden konnte sich der Faszination nicht entziehen. Früher oder später komme »der Augenblick, in dem der Redner vom Geist überwältigt wird, in dem schluchzend, schreiend, gurgelnd ein Unbekanntes, Undefinierbares aus ihm heraus bricht, da es nicht mehr auf fest gebaute Sätze, auf artikulierte Worte ankommt, da der Verzückte ›in Zungen‹ redet«.21 Heiden unterschied zwischen Hitler und dem »Führer«, wobei die Wandlung vom Unbedeutenden zum Bedeutenden oft unvermittelt eintrete. »Der Redestrom strafft ihn wie ein Wasserstrahl einen Schlauch, der Hitler fällt ab, der Führer steht da. Plötzlich ist hinter einem dunklen Fenster Licht, aus Nebelmassen tritt ein Gipfel, eine graue Fläche blitzt. Ein Herr mit einem komischen Schnurrbart wird zum Erzengel und die Banalität zum Donner­wort. Eine Erhebung, die jeden mit hebt.«22 Das Geheimnis der ­Hitlerschen »actio« ist für den Soziologen Detlef Grieswelle der jähe Wechsel zwischen ausdrucksstarkem Ernst und mitreißender Hysterie: Am Beginn der Rede zeigte er sich als besonnener, um die Situation seines Volkes besorgter Führer, um sich auf den Höhepunkten in einen besessenen Prediger zu verwandeln, der von dem Vorgebrachten zutiefst überzeugt war; es gab Situationen, bei denen er, »fast unartikulierte, vielfach unverständliche Worte ausstieß: Es kam hier nicht so sehr auf die wörtliche Mitteilung an, sondern auf den viel intensiveren, Elementares kommunizierenden Ausdruck.«23

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1942 erschien es Hitler, die Monarchie habe »etwas sehr geschickt eingerichtet: Sie hat das Idol künstlich gezüchtet. Das ganze Theater, das Drum und Dran hat schon einen gewissen Sinn.«24 Schon die politische Theorie der Frühen Neuzeit wusste, dass Herrschaft immer der Zustimmung der Beherrschten bedarf. Bereits in Étienne de La Boéties Discours de la servitude volontaire (1571) wurde diskutiert, inwiefern Herrschaft eher phantasmatischer als realer Natur ist. Nicht einmal heutige totalitäre Staaten, geschweige denn die mit geringer Verstaatlichungstiefe versehenen frühneuzeitlichen Monarchien verfügen tatsächlich über einen allgegenwärtigen Zwangsapparat, und selbst ein Tyrann ist nur eine Einzelperson und daher auf die Mitwirkung anderer angewiesen.25 La Boétie erschien es rätselhaft, wie es auch ohne Anwendung von Gewalt gelingen konnte, ganze Völker unter die Führung eines Einzelnen zu zwingen, und zwar keineswegs unter die eines »Herkules oder Samson, sondern von einem einzigen Männlein und noch dazu oft vom schlappesten […] Kerl seines Volkes«.26 Eine Erklärung hierfür lieferte rund hundert Jahre später die Machtanalyse des englischen Staatstheoretikers Thomas Hobbes: Danach beruht Macht vor allem auf Anerkennung, die sich in wechselseitig verstärkenden Zuschreibungs­operationen verstärkt. Man müsse noch nicht einmal selbst von der Macht einer bestimmten Person überzeugt sein, sondern es reiche, an den Glauben der a­ nderen zu glauben, dass diese Person mächtig sei. Dies setze einen Rückkopplungs­mechanismus in Gang, an dessen Ende derjenige, dem alle Macht attestieren, wirklich mächtig ist. Macht ist demnach Folge einer sozialen Dynamik, die nicht in den objektiven Eigenschaften des Herrschers begründet ist, sondern in der Einbildung der anderen.27 Soziale Ordnung gründe nicht ausschließlich, aber doch in hohem Maße auf »regulativen Fiktionen«, die das Spiel der kollektiven Einräumung von Macht sowohl ermöglichen wie auch begrenzen.28 Die im Auftrag Hitlers geplante Architektur diente derartigen Zwecken: Bauten sollten groß, machtvoll und uneinnehmbar wirken; den Menschen sollten sie ebenso starke Schutzgefühle vermitteln wie die Vorstellung, dass jede Auflehnung sinnlos sei.29 Gelegentlich sollte den unterjochten Völkern die Macht Deutschlands vorgeführt werden, dann sollte, wie Hitler fantasierte, »ein Trupp Kirgisen durch die Reichshauptstadt geführt [werden], um ihre Vorstellung mit der Gewalt und Größe ihrer steinernen Denkmale zu erfüllen«.30 Analysen des nationalsozialistischen Herrschaftssystems greifen häufig auf den von Max Weber eingeführten Begriff der »Charismatischen Herrschaft« zurück. Dieser beschreibt die soziale Beziehung zwischen Charismaträger (­Herrscher) und Charismagläubigen (Volk), bei der die Führungsposition des Letzteren, die ihm Autorität und Befehlsgewalt verleiht, auf der Bereitschaft

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Ersterer beruht, ihm Gehorsam und Folge zu leisten. »Charisma« bezeichnet dabei eine als außeralltäglich geltende Qualität einer Persönlichkeit, um derentwillen sie als mit übernatürlichen, nicht jedem anderen zugänglichen Eigens­chaften oder als gottgesandt oder als vorbildlich und deshalb als »Führer« gewertet wird.31 Charis­matische Beziehungen sind für den Soziologen M. ­Rainer ­Lepsius in ihrer Struktur grundsätzlich affektiv und das soziale Gebilde, das sich daraus entwickelt, eine »emotionale Vergemeinschaftung, zusammengehalten durch die personale Bindung an den Führer«.32 Wie für charismatische Führer charakter­istisch, bezog sich Hitler stets auf letzte Werte, indem er den drohenden Untergang beschwor. Zugleich wartete er aber nur mit allgemein gehaltenen Forder­ungen auf (»Deutschland erwache!«), nicht mit konkreten Krisenbewältigungsprogrammen.33 Zur charismatischen Führung gehört »die Bestimmung einer ›Mission‹, die Orientierung auf oberste Wertvorstellungen, die der Führer zu erreichen verspricht«.34 Hitler bediente Bedürfnisse nach religiöser Sinn­deutung, und es gelang ihm, wie Sabine B ­ ehrenbeck betont, »der Diesseitigkeit der säkularisierten bürgerlichen Gesellschaft durch Orientierung an ›ewigen‹ und transzendenten Werten wieder einen allgemeingültigen Sinn zu geben, der über die empirische Wahrnehmbarkeit hinausreichen würde«.35 Hitler kam dem Wunsch nach einem starken Führer entgegen, der vermeintlich aus der Krise führen könne. Das Volk wolle eigentlich gar nicht, dass der Führer »bei jeder Lage seine Leute um ihre Meinung angehe. Nur so sei es erklärlich, daß die Masse einem Schwächling wie Ludwig XVI. den Kopf heruntergeschlagen habe, obwohl sie durch seine Maßnahmen nicht halb so schwer getroffen worden sei wie durch Napoleon, den sie als Führerpersönlichkeit verehrt habe.«36 André François-Poncet erklärt das Scheitern der Regierung von Heinrich Brüning damit, dass dieser nicht verstanden habe, »daß man nicht mit einer Zuckerzange Leuten begegnen kann, die das Beil führen. Er wollte eine Politik machen, die sich auf die Überzeugungskraft stützt. Aber das deutsche Volk wußte G ­ lacéhandschuhe nicht zu schätzen, es liebte die eiserne Faust […] Brüning hatte weder das Wesen, noch die Stimme, noch die Geste eines Führers des deutschen Volkes.«37 Die Menschenmassen bei Großveranstaltungen dienten der Verdeutlichung von Hitlers Macht. Der Gleichklang der Bewegungen war ein Ausdruck der Macht desjenigen, der dies bewirkte. »­Welche eine geheime Macht hat dieses Phänomen hervorgezaubert?«, fragte sich Otto ­Wagener bei einer derartigen Veranstaltung: »Welch’ ungeheure Wucht liegt in diesem geballten Willen? Welche Dynamik muß von diesem einheitlichen zusammengeschweißten und unsichtbar zusammengehaltenen ungeheuren Block von Menschen ausgehen!«38

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Der überwältigende Eindruck war auch das Resultat dessen, dass man alle Mängel zu kaschieren versuchte. Dabei entsprangen die durch eine große Anzahl von Flakscheinwerfern erzeugten »Lichtdome« nach Speer ursprünglich der Not. Denn während Massenvorführungen von Wehrmacht, SA und Arbeitsdienst durch exakte Disziplin großen Eindruck machten, stellte es sich als schwierig heraus, die Funktionäre vorteilhaft zu präsentieren. »Großenteils hatten sie ihre kleinen Pfründe in ansehnliche Bäuche umgesetzt; exakt ausgerichtete Reihen konnten ihnen schlechterdings nicht abverlangt werden.«39 Hinter dem Schein perfekter Ordnung kam es freilich zu zahlreichen Pannen. Noch 1938 klagte die Festleitung, beim »Politischen Leiter-Appell ist es in jedem Jahr das gleiche, und zwar marschieren einige Gaue entweder zu spät oder zu zeitig ab«.40 Es dürfe sich nicht wiederholen, »daß sich Flaschen und Bierkrüge und Berge von Papierabfällen dem Blickfeld des Führers zeigen«.41 Ein großes Problem war Alkoholismus mit Vorkommnissen wie: »Westfalen-Nord: 1 Blockleiter vollständig betrunken, mußte sich in der Mitte des Festplatzes übergeben. Wurde von uns weggeschafft.«42 Erst Riefenstahls Filmversion vermochte für Ludolf Herbst »alle Randerscheinungen – angefangen von den Bierleichen bis hin zu Schmutz, Dreck, Uringestank und mißglückten Inszenierungen – wegzulassen oder sie in die ›richtige‹ Kameraperspektive zu rücken. Die Ästhetisierung der Politik erreicht im Film den Gipfel ihrer Möglichkeiten. Die Handlung wird gerafft, die Abläufe werden in eine neue stringentere Form gegossen und an einem Thema orientiert.«43 POLITIK ALS SINNLICHES ERLEBNIS

Der Historiker Gerhard Paul deutet den Nationalsozialismus als einen »Aufstand emotionsgeladener Bilder und mythisch-utopischer Zeichen gegen die dürre Sprache der Demokratie und des rationale Diskurses«.44 Auch wenn die Detailrealisierung später anderen überlassen wurde, gingen wesentliche Anregungen ursprünglich von Hitler aus. Dieser wusste nach Theodor Heuss genau »um das Geheimnis der kollektiven Suggestion, sie paßte auch in die geistige Linie, die gegen das Individualistische losgeht. Musik, Rhythmus, Gesang, Befehl, Gruß – man mag das als Äußerlichkeiten empfinden, sie sind es; aber sie sind auch mehr, Elemente der Gemeinschaftsbildung, und wenn sie noch nicht den Stoff der Bindung darstellen, so doch den der Scheidung, der Trennung von den andern.«45 Hitlers Reden im Münchner Circus Krone waren eine Mischung von ­Theater, Zirkus und Gottesdienst; die Zuschauer zahlten Eintritt und kamen in der

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Erwartung, etwas Besonderes geboten zu bekommen. »Man pilgerte zu Hitler wie zu einem grandiosen Theaterereignis. Bei ihm wurde etwas Einzigartiges geboten: Das Stück hieß Hitler. Der Autor hieß Hitler. Und der Gewinn, den seine Zuhörer nach Hause trugen, war die feste Zuversicht: Mit Hitler beginnt eine neue, eine glückliche Zukunft.«46 Auch Bertolt Brecht griff auf Theatermetaphern zur Beschreibung von Hitlers Reden zurück: »Durch allerlei Tricks wird zuerst die Erwartung des Publikums – denn das Volk muß zum Publikum werden – erregt und gesteigert. Es wird verbreitet, man könne nicht voraussehen, was der Redner sagen würde. Denn er spricht nicht im Namen des Volkes und sagt nicht nur laut, was das Volk zu sagen hat. Er ist eine Einzelperson, ein Held im Drama, und versucht, das Volk, besser gesagt das Publikum, sagen zu machen, was er sagt. Genauer gesagt, fühlen zu lassen, was er fühlt. Es kommt also alles darauf an, daß er selber stark fühlt […] Er ergeht sich in zornigen Beschimpfungen von der Art der homerischen Helden, beteuert seine Entrüstung, deutet an, daß er sich mühsam im Zaum hält, seinem Gegner nicht einfach an den Hals zu fahren, ruft ihm, unter Nennung seines Namens, Herausforderungen zu, macht sich über ihn lustig und so weiter. In all dem kann der Zuhörer ihm gefühlsmäßig folgen, der Zuhörer nimmt teil an den Triumphen des Redners, er adoptiert seine Haltungen.«47 Die Versammlungen der meisten Parteien der Weimarer Republik hatten um 1920 ein übereinstimmendes Merkmal: »Die Redner waren wenig eindrucksvoll, weil sie nur das allgemeine Elend feststellten, die Hilflosigkeit und Zwangslage der Regierungsgewalt konstatierten und zu Ruhe und Ordnung wie zu Vertrauen für die Regierung der Republik aufriefen.«48 Hitler selbst bekam von ihnen den Eindruck wie vom »Löffel Lebertran. Man soll ihn nehmen, und er soll sehr gut sein, aber er schmeckt scheußlich!« Er beschreibt eine völkische Kundgebung, bei der »ein würdiger alter Herr, Professor an irgendeiner Universität«, seine Rede ablas. Die Wirkung sei »einfach fürchterlich« gewesen. »Schon nach dreiviertel Stunden döste die ganze Versammlung in einem Trancezustand dahin, der nur unterbrochen wurde von dem Hinausgehen einzelner Männlein und Weiblein, dem Geklapper der Kellnerinnen und dem Gähnen immer zahlreicherer Zuhörer […] Endlich schien sich die Versammlung dem Ende zuzuneigen. Nachdem der Professor, dessen Stimme unterdessen immer leiser und leiser geworden war, seinen Vortrag beschlossen hatte, erhob sich der […] Versammlungsleiter und schmetterte die anwesenden ›deutschen Schwestern‹ und ›Brüder‹ an, wie groß sein Dankgefühl sei und ihre Empfindung in dieser Richtung sein müsse für den einzigartigen und herrlichen Vortrag, den ihnen Herr Professor X. in ebenso genußreicher wie gründlicher und tiefschürfender

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Art hier gegeben habe, und der im wahrsten Sinne des Wortes ein ›inneres Erleben‹, ja eine ›Tat‹ gewesen sei. Es würde eine Profanierung dieser weihevollen Stunde bedeuten, wollte man an diese lichten Ausführungen noch eine Diskussion anfügen, sodass er deshalb im Sinne aller Anwesenden von einer solchen Aussprache absehe und statt dessen alle ersuche, sich von den Sitzen zu erheben, um einzustimmen in den Ruf ›Wir sind ein einig Volk von Brüdern‹ usw. Endlich forderte er als Abschluß zum Gesange des Deutschlandliedes auf.«49 NS-Veranstaltungen unterschieden sich durch ihren Erlebnischarakter von den Zusammenkünften anderer nationaler Parteien. Alexander von Müller war gefangen von der Massenerregung, als er Hitler erstmals auf einer großen Veranstaltung sprechen hörte. »Stundenlang ununterbrochen dröhnende Marschmusik, stundenlang kurze Reden von Unterführern, wann würde er kommen? War doch noch etwas Unerwartetes dazwischengetreten? Niemand beschreibt das Fieber, das in dieser Atmosphäre um sich griff. Plötzlich, am Eingang hinten, Bewegung. Kommandorufe. Der Sprecher auf dem Podium bricht mitten im Satz ab. Alles springt mit Heilrufen auf. Und mitten durch die schreienden Massen und die schreienden Fahnen kommt der Erwartete mit seinem Gefolge, raschen Schritts, mit starr erhobener Rechten zur Estrade.«50 Obwohl ihm der Inhalt der Rede rückblickend als billig erschien, war er bezwungen von der Kraft des Willens und der Massenbeherrschung, dem »Fanatismus an sich«.51 Spätere Auftritte schwächten den Eindruck wieder ab, und es kam ihm vor, dass ­Hitler manchmal »lange brauchte, um sich in die gewohnte Erregung hinaufzuschrauben. Aber der orgiastische Ausbruch blieb nie aus, noch die orgiastische ­Erwiderung.« Müller hatte noch vor Augen, »wie nach einer solchen frenetischen Redekaskade der untersetzte, kurzhalsige Dietrich Eckart rot glühenden Kopfes am Podium auf einen Tisch sprang und mit den Gebärden eines Rasenden sein Lied ›Deutschland erwache!‹ in die Menge schrie, die es bei dröhnender Blechmusik wie im Paroxysmus aufnahm: es war das Bild eines Wahnsinnigen, zur Tobsucht entfesselt.«52 Der NS-Politiker Alfred Frauenfeld spricht wie andere Anhänger Hitlers von einer Art »Erweckungserlebnis«, als er ihn 1929 erstmals hörte: »Es war nicht nur das, was dieser Mann sagte, sondern vielmehr auch, wie er es sagte. Es war das Fluidum, von ihm ausgehend, das sich über den Saal ausbreitete; es entstand das, was man eine Gruppenseele nennen könnte. Das Verschmelzen zwischen dem Redner, seinen Gedanken und den Zuhörern.«53 Das Herstellen von Stimmungen war ein wesentliches Moment des nationalsozialistischen Propagandastils. Den Bereichen von Kult und Theater verdankte Hitler die Anregung zur Schaffung geeigneter Atmosphären. Damit ist hier nach Gernot Böhme die leiblich-affektive Wirkung einer Umgebung

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in ihrer jeweiligen Wahrnehmungssituation gemeint. Das Atmosphärische ist nicht an Zeichen oder Symbole gebunden, sondern eine Art von Raumwahrnehmung, die über eine leibliche Selbsterfahrung gewonnen werde. Atmosphären werden bewusst »gemacht«, und in der Praxis gab es schon immer das Wissen, die ästhetische Arbeit darauf abzustellen, den Dingen Eigenschaften zu geben, die von ihnen »etwas ausgehen lassen« und in die Befindlichkeit einzugreifen vermögen.54 In Mein Kampf zieht Hitler den Vergleich von einer Rede zu einer Theateraufführung, die trotz gleicher Besetzung nachmittags eine geringere Wirkung erreiche als abends. Es gebe Räume, die »kalt lassen aus Gründen, die man nur schwer erkennt, die jeder Erzeugung von Stimmung irgendwie heftigen Widerstand entgegensetzen. Auch traditionelle Erinnerungen und Vorstellungen, die im Menschen vorhanden sind, vermögen einen Eindruck maßgebend zu bestimmen. So wird eine Parsifal-Aufführung in Bayreuth stets anders wirken als an irgendeiner anderen Stelle der Welt.«55 Ein Redner müsse die äußeren Bedingungen für sich ausnutzen, da die Zuhörer sich umso leichter für eine Sache gewinnen lassen, wenn sie nicht mehr »im Vollbesitz ihrer geistigen und willensmäßigen Spannkraft sind«. Hierzu empfahl sich auch »der künstlich gemachte und doch geheimnisvolle Dämmerschein katholischer Kirchen, die brennenden Lichter, Weihrauch, Räucherpfannen usw.«.56 Bei dem durch die Erfahrungen zahlreicher Veranstaltungen perfektionierten Stil spielte Musik eine wichtige Rolle. Franz Alfred Six, ein Mitglied der SS-Führungselite, promovierte 1936 über Die politische Propaganda der NSDAP im Kampf um die Macht. In der Dissertation, zu der Joseph Goebbels ein Vorwort beisteuerte, stellt er den grundsätzlichen Ablauf einer Kundgebung dar. Eine Propaganda, die wie die der NSDAP eine »uneinheitliche und sich aus allen Schichten zusammensetzende Masse« erreichen wolle, müsse »volkstümlich und einfach sein, sie muß ihre geistige Höhe einrichten nach dem Wissen des einfachsten Mannes. Sie muß mehr auf das Gefühl der Masse wirken als auf ihren Verstand, muß ihre Vorstellungswelt in sich aufnehmen und ihrem gesamten seelischen Empfinden entgegenkommen, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen und sie aufgeschlossen zu machen.«57 Wichtig sei, dass die Aufnahmebereitschaft des Publikums »durch die Stimmungsvorbereitung mit äußeren Mitteln bereits hergestellt [wird]. Vor dem Zuschauer spielt sich ein eindrucksvolles Bild ab. Unter den Klängen der SA-Kapelle und der Begeisterung der Anwesenden vollziehen sich der Einzug der Fahnen und die Aufstellung der Rednerwache. Blick und Gehör werden bereits auf das Rednerpult gelenkt.«58 Bedeutsam sei auch der musikalische Abschluss einer Kundgebung. Jahrelang habe der Bewegung eine »Revolutionshymne« gefehlt, die »in mitreißender Melodie und in seinem Rhythmus der revolutionären Stimmung

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Ausdruck« geben konnte; eine Lücke, die erst durch das »Horst-Wessel-Lied« geschlossen worden sei. Damit sei es endlich möglich geworden, ähnlich wie es den Kommunisten mit der »Internationale« gelang, »die Anwesenden zum Schluß zu einer stimmungsmäßigen Einheit zusammenzuschweißen«.59 In diesem Zusammenhang spielte auch Wagners Musik eine Rolle, da sie semantisch mit Deutschtum besetzt und schon früher bei völkischen Veranstaltungen zum Einsatz gekommen war. Die Nürnberger Parteitage b ­ egannen bekanntlich mit der Rienzi-Ouvertüre. »Nach der Begrüßung verlas der Stabschef, während sich alles erhob, leiser Trommelwirbel erklang und sich alle ­Fahnen und Standarten senkten, die nach Ankunft des Führers unter den Klängen des ›Siegfriedmarsches‹ in die Halle hereingebracht worden waren und auf dem Podium hinter dem Orchester wie ein Fackelwald aufgereiht standen, die Namen der für die NSDAP im Laufe ihres Kampfes gefallenen Kämpfer.« Dann begannen die Reden, Schlussansprache des Führers.60 Das ästhetische Dekor der Massenveranstaltungen nahm Hitler stets sehr ernst,61 weswegen sogar versucht wurde, die Gestaltung in der Provinz durch offizielle Vorgaben zu steuern, um Entgleisungen durch lokale Funktionäre entgegenzuwirken. Als der noch unbekannte Albert Speer mit Entwürfen für den Parteitag von 1933 im Braunen Haus erschien, wurde er zu Rudolf Heß gebracht, der befand: »So etwas kann nur der Führer selbst entscheiden.« Daraufhin wurde Speer unverzüglich in die Privatwohnung Hitlers gefahren, der die Zeich­nungen prüfte.62 Hitlers besonderes Augenmerk auf der Inszenierung erklärt sich durch seine eigene Beschäftigung mit der Materie. Bei seinem ­ersten Besuch in Wien hatte Alfred Rollers Ausstattung von Tristan und Isolde, bei der Zeitgenossen besonders die unterschiedlichen Lichtstimmungen auffielen, ebenso großen Eindruck auf Hitler gemacht wie das Dirigat Gustav Mahlers. In den Bühnenbildern hatte im zweiten Akt »der hohe Burgturm durch die dunkelviolette Mondnacht« geglänzt, »im Hintergrund verlor sich das Licht in ein unabsehbares, sternendurchblitztes Dunkel«.63 Welche Wirkung diese Stimmung auf Hitler hatte, zeigte sich noch fast 30 Jahre später. Nach ­Friedelind ­Wagner hatte Hitler bei den Bayreuther Festspielen verlangt, »daß im zweiten Akt von Tristan am Himmel ein Mond und unzählige Sterne leuchten sollten. Tietjen entsprach seinem Wunsch, ließ aber so dicht Bäume aufstellen, daß kein Stückchen des Himmels gesehen werden konnte.«64 Der Stil Rollers, der für Bruno Walter »zum Monumentalen, Heroischen, Feierlichen«65 neigte, schlug sich in den Bühnenbildentwürfen nieder, die Hitler anfertigte. Dies war zumindest der Eindruck Speers, dem der Diktator selbst gezeichnete Entwürfe für sämtliche Szenen des Rings des Nibelungen gezeigt hatte. Hitler brach die Begutachtung

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verstimmt ab, als Speer auf Vorbilder bei Roller hinwies; der gekränkte Hitler zeigte seine Entwürfe später nicht wieder vor; er wollte keine Vorbilder haben.66 Ein anderes Mal erzählte Hitler, er entwerfe Bühnenbilder für ­Lohengrin,67 die vermutlich für Benno von Arent bestimmt waren. Umgekehrt legte dieser Hitler seine Entwürfe zur Prüfung vor. Goebbels notierte: »Arent zeigt dem Führer und mir Entwürfe zur Fledermaus. Ausgezeichnet geworden.«68

1 Schlussbild der Meistersinger von Nürnberg in der Ausstattung Benno von Arents

Arents Wirken macht exemplarisch deutlich, wie eng im Nationalsozialismus Theaterinszenierung und politische Inszenierung miteinander verflochten waren. Als bezeichnend kann auch gelten, dass Hitler von ihm Uniformen für sein Gefolge und für NS-Funktionäre entwerfen ließ, die unfreiwillige Assoziationen an Operetten weckten: Die Diplomatenuniformen erinnerten Spötter an Johann Strauß’ Fledermaus,69 die der politischen Leiter der Deutschen Arbeitsfront an ein Stück Franz Lehárs: »Für die Lustige Witwe wären sie gerade noch geeignet gewesen, aber als Dienstuniformen waren sie selbst Hitler zu bunt.«70 Hitler ließ für seine Sekretärinnen, die sich besser in das militärische Ambiente des Führerhauptquartiers einfügen sollten, von Arent eine Uniform entwerfen; aus grauem italienischen Offiziersstoff geschneidert und mit goldenen Knöpfen und Litzen versehen, war auf dem linken Revers statt des runden Parteiab­zeichens das von Hitler selbst entworfene silberne Hoheitszeichen befestigt, das einen schlanken Adler darstellte, der in seinen Fängen das Hakenkreuz hält.71 Arents an verschiedenen Theatern gezeigte Ausstattung der Meistersinger von Nürnberg folgte mit der exakten Ausrichtung von Fahnenparaden auf der Festwiese derselben Ästhetik wie die Reichsparteitage; sie wurde beispielgebend für andere

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Regiearbeiten des Stückes wie etwa der von Gustav Singer 1938 in Dessau.72 Zugleich dekorierte Arent politische Ereignisse wie die Kroll-Oper, die als Ersatz für den abgebrannten Reichstag diente; er entwarf die Straßendekorationen zu den Olympischen Spielen 1936 und für den Staatsbesuch Benito Mussolinis in Berlin im darauffolgenden Jahr. Bei Letzterer entstand auf der Prachtstraße Unter den Linden eine vom Volksmund »Via attrappia« getaufte Dekoration, bei der weiße Pylonen mit dem Reichsadler obenauf in vier R ­ eihen aufgereiht waren. Bei Theatergesprächen pflegte Hitler aus heiterem Himmel allerlei Fragen zur Bühnentechnik zu stellen, wobei ihn auch so spezielle Details interessierten wie die, ob das betreffende Theater »eine Drehbühnenscheibe von 13 m oder 16 m Durchmesser hatte oder wie das neueste Stellwerk der Firma Siemens & Halske auf dem Beleuchter­turm beschaffen war«.73 Dazu las er auch Literatur, wie exemplarisch im Bundesarchiv erhaltene Quittungen von Büchern zeigen, die in den Jahren 1932/33 an 2 Die von Benno von Arent geschmückte Straße Unter den Linden Hitler geliefert wurden. Dabei handelt sich um Publikationen wie August Fölschs Theaterbrände und die zur Verhütung derselben erforderlichen Schutz-Massregeln. Mit einem Verzeichniss von 523 abgebrannten Theatern (Hamburg 1878), Andreas Streits Das Theater. Untersuchungen über das Theater-Bauwerk bei den klassischen und modernen Völkern (Wien 1903) und Ernst Petzolds 1927 erschienene Elementare Raumakustik. Aktuelle Titel waren Die Elemente des Thea­ters (­Düsseldorf 1932) von Artur Kutscher, Was wird aus Deutschlands Theater? Dramaturgie der jüngsten Zeit (Berlin 1932) des jüdischen Publizisten Alfred Kerr und Theater und Kino (Berlin 1932) des deutsch-­russischen Soziologen Fedor Stepun, der 1937 von den Nazis aus dem Staatsdienst entfernt wurde. Am meisten überrascht Das politische Theater, denn der politisch weit links stehende Autor Erwin P ­ iscator war einer der avantgardistischsten Theatermänner der Weimarer Republik. Nach dem Krieg war die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit dessen besonderes Anliegen; als Intendant der Freien Volksbühne Berlin inszenierte er unter anderem die Uraufführungen von Rolf Hochhuths Der Stellvertreter (1963), das die Haltung des Vatikans zum Holocaust thematisiert, und Peter Weiss’ Die Ermittlung (1965), das sich auf die in diesen Jahren stattfindenden Frankfurter Auschwitzprozesse bezieht. Hitler

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könnte fasziniert haben, dass Piscator bühnentechnische Neuerungen wie Textund Bildprojektionen in ein Theaterkonzept integrierte, welches den Zuschauer durch Einbeziehung in das Theatergeschehen aktivierte. Hitlers Gespür für Opernregie illustrierte der Weimarer Intendant Hans Severus Ziegler mit folgender Begebenheit: »In einer unserer ­Lohengrin-Aufführungen ließ Hitler nach dem ersten Akt den verantwortlichen Oberspielleiter […] zu sich in den Salon der Staatsloge bitten, äußerte lebhaft seine Zustimmung im ganzen, meinte aber, daß das Gefolge der Frauen um Elsa von Brabant auf der weiten Bühne zu sehr auseinander gezogen sei, und daß er es für glück­licher hielte, die angsterfüllten Frauen so eng wie möglich um Elsa zu scharen, wie gewitterängstliche Küken um ihre Mutter, womit eine größere Spannung erzielt würde.« Nach Ansicht Zieglers hatte er damit ins Schwarze getroffen, wie auch bei ähnlichen Äußerungen bei anderen Gelegenheiten.74 Für Speer, der sich selbst als musikalischer Laie bezeichnete, zeigte Hitler in Gesprächen mit Winifred ­Wagner Kenntnis »auch in musikalischen Einzelheiten; mehr aber noch beschäftigten ihn die Leistungen der Regie«.75 Hitler glaubte etwa, »daß es sehr eindrucksvoll wäre, die drei Nornen in der Götterdämmerung auf die Spitze einer halben Erdkugel zu setzen und sie dort über das Ende der Welt singen zu lassen«.76 Schon dem Jugendfreund August Kubizek war bei Hitlers dramatischen Versuchen aufgefallen, »welche Bedeutung er einer möglichst großartigen Inszenierung beimaß«. Der Aufwand stellte den von ­Wagner verlangten »völlig in den Schatten. Ich verstand einiges von der Inszenierung einer Oper und hielt mit meinen Bedenken nicht zurück. Mit diesem Himmel und Hölle herausfordernden Szenarium könnte kein Intendant seine Stücke annehmen, erklärte ich ihm. Er müsse sich in Fragen der Ausstattung unbedingt bescheiden.«77 Mit den Reichsparteitagen hatte Hitler die ins Maßlose vergrößerte Szenerie, die alle Bühnen sprengte. SCHAUSPIELER

August Kubizek erinnerte sich später daran, dass ihm der junge Hitler »oft über Dinge, die mich gar nicht interessierten, etwa die Verzehrungssteuer, die an der Donaubrücke eingehoben wurde […] einen langen Vortrag hielt«. Oft wirkten die Reden »wie vulkanische Entladungen. Es brach aus ihm, als dränge etwas Fremdes, ganz anderes in ihm empor. Ich hatte solche Ekstasen bisher nur im Theater bei Schauspielern erlebt, die irgendwelche Gefühle zum Ausdruck bringen mußten, und war anfangs vor solchen eruptiven Ausbrüchen nicht mehr als ein betroffener und fassungsloser Zuhörer, der vor Staunen am Ende zu applaudieren vergaß.

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Aber ich begriff bald, daß dieses ›Theater‹ gar kein Theater war. Nein, das war nicht gespielt […] das war unmittelbar erlebt.«78 Hitlers intensive Auseinandersetzung mit dem Theater traf auf eine charakterliche Disposition, bei der es oft durch nichtige Anlässe zu Gefühlsaufwallungen kam. Am Beginn der Unterhaltung schien er gar nicht zuzuhören, dann aber plötzlich, »als habe eine Hand einen Knopf gedrückt, stürzte er sich in eine heftige Rede, sprach mit erhobener Stimme, erregt, zornig, mit überstürzter Beweisführung, wortreich, geißelnd, mit rauher Stimme, rollendem R, einer Stimme, die hol­prig klang wie die eines Tirolers aus den hintersten Bergtälern. Er donnerte und tobte, als s­ präche er vor Tausenden von Zuhörern.«79 Joachim Fest charakter­isiert Hitler als eine »Theaterexistenz« und betont den Hang, »das eigene Leben als eine Folge grandioser Bühnenauftritte zu sehen, wo er vor atemverhaltendem Publikum, weitausholend im gleißenden Licht der Kulissenblitze, immer erneut die große Heldenrolle deklamierte«.80 Hitlers Streben nach Macht war immer auch Streben nach Beifall. Als bei der Kundgebung zum deutschen Einmarsch in Linz die Freudenaus­brüche der Bevölkerung abebbten, war Hitler sichtlich enttäuscht, worauf sein Adjutant bemerkte, er brauche eben einfach »die Jubelrufe wie ein Künstler den Applaus«.81 Daher empfand er es als schwierig, »vor Offizieren zu sprechen, da sie schweigend vor ihm säßen oder stünden, und er kaum Kontakt zu seinen Zuhörern erhalte«, und er begrüßte es, als bei einer derartigen Gelegenheit den Leutnants gesagt wurde, sie dürften Beifall klatschen.82 Berichte aus seiner engsten Umgebung, der der private Hitler als einfacher Mann erschien, machen deutlich, wie er bei öffentlichen Auftritten eine durch heroische Posen gekennzeichnete Rolle spielte. Ein Leibwächter bekam den Eindruck, nur »nach außen schlüpfte er in seine ›Führerrolle‹, dann mußte alles protokollgerecht ablaufen, die Inszenierung perfekt sein«.83 Diese Einstellung zeigte sich auch in seinem Machtverständnis, wenn er 1923 den bayerischen Generalstaats­kommissar mit dem Hinweis aufforderte, sich dem Putsch anzuschließen, dann würden die Menschen vor ihm niederknien; darauf hatte Gustav von Kahr nüchtern e­ rwidert, er lege darauf überhaupt keinen Wert.84 Hitler liebte den Aufwand, kleidete sich selbst aber meist bescheiden: »Meine Umgebung muß großartig wirken. Dann wirkt meine Einfachheit auffallender.«85 Im Auftreten unterschied er sich von den meisten Politikern seiner Zeit, denn er sprach ohne Katheder und war wie ein Schauspieler auf der Theaterbühne mit seinem ganzen Körper zu sehen. Sein Sprachduktus wechselte für die Auftritte, und er machte reichen Gebrauch von dem dem Bühnendeutsch entstammenden rollenden R; nach Ansicht von Theater­ praktikern wie Gustav Mahler war das Wichtigste »für einen Sänger das r: hat er das schön, so kann er schon, so barock das klingt, nicht ganz schlecht sein«.86

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3 Hitler in Rednerposen

Vor 1919 hatte nichts auf einen kommenden Volkstribun hingewiesen. Im Krieg war Hitler nicht über den Mannschaftsgrad eines Gefreiten hinausgelangt, da er gar nicht aufsteigen wollte und man ihm Führungsqualitäten absprach. Sein damaliger Vorgesetzter erinnerte sich später an »einen ruhigen, etwas unmili­tärisch aussehenden Mann«, der sich in nichts von seinen Kameraden unterschied und der gerne »über politische und weltanschau­ liche Fragen in der primitiven Art der kleinen Leute philosophierte«.87 Eine Beförderung war zwar erwogen worden, aber Hitler erfüllte schon durch sein Auftreten nicht die Erwart­ungen, die man beim Militär an einen Vorgesetzten hatte. »Seine Haltung war nachlässig und seine Antwort, wenn man ihn fragte, alles andere als militärisch kurz. Den Kopf hielt er meist etwas schief auf die linke Schulter geneigt.«88 Die Kameraden waren umso erstaunter, den im Krieg als Sonderling wahrgenommenen Hitler später als gefeierten Versammlungsredner wiederzutreffen, und sie wunderten sich, der »zieht sich jetzt, wie er glaubt, elegant an, hat sich den Schnurrbart gestutzt und hält Volksreden«.89 Selbstbewusst auftretend, war er nun ein Mann, der eher gewohnt war, Befehle zu erteilen als zu empfangen. Vor allem nach

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der Landsberger Haft erstarrte Hitler immer absichtsvoller in der statua­ rischen Pose, die seinem Bild von Größe und Führertum entsprach.90 Jetzt beherrschte er meisterlich die Kunst des Auftretens, und Zeitgenossen wie der schwedische Gelehrte Sven Hedin waren beeindruckt: »Er hatte eine aufrechte Haltung, machte einen männlichen Eindruck. Erhobenen Hauptes führte er sich, sicher und beherrscht.«91

4 Typische Schauspielgesten des 19. Jahrhunderts

Die allmähliche ­Stilisierung zum Staatsmann geschah nicht ohne Mühe, und auf einen italienischen ­Faschisten wirkte Hitler wie »Julius Cäsar mit einem Tiroler­ hütchen«.92 Mit Beginn seiner politischen Tätigkeit begann Hitler, eigentlich »ein Mann, wie von der Stange gekauft«,93 sich um ein markantes Auftreten zu bemühen. Alexander von Müller erinnerte sich an eine Begegnung zu Beginn der 20er-Jahre, bei der Hitler »die Gastgeberin fast unter­würfig höflich begrüßte, wie er Reitpeitsche, Velourhut und Trenchcoat ablegte, schließlich einen Gürtel mit Revolver abschnallte und gleichermaßen am Kleiderhaken aufhängte. Das sah kurios aus und erinnerte an Karl May. Wir wußten alle noch nicht, wie genau jede dieser Kleinigkeiten in Kleidung und Benehmen schon damals auf Wirkung berechnet war.«94 Hitler erstes Treffen mit Benito M ­ ussolini 1934 verlief noch alles andere als vorteilhaft, und selbst sein Vertrauter Heinrich Hoffmann musste einräumen, »daß Deutschlands Kanzler, schlecht gekleidet und schlecht gelaunt, mehr einem Untergebenen Mussolinis als dessen zukünftigem Achsenpartner und bald Achsengebieter glich«.95 Hitler wirkte »wie ein sonntäglich aufgeputzter kleiner Angestellter oder ein Mann vom Lande, der seine besten Kleider anzieht, um in die Stadt zu fahren«. Von Mussolini, »der im Federbusch,

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fest gegürtet, mit reich verziertem Rock und in Stiefeln« auf dem Markusplatz eine beifallsumtoste Rede hielt, wurde er völlig in den Hintergrund gedrängt.96 Sorgfältig versuchte Hitler später alles zu vermeiden, was das Bild des »­Führers« beschädigen konnte. Das Skifahren, das er nach eigenem Bekunden »früher sehr gut« beherrschte, habe er aufgegeben, als er »in das Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit« getreten sei. Als Führer dürfe man sich »nur noch auf den Gebieten produzieren, auf denen man völlig firm« sei, um sich nicht durch Missgeschicke zum Gespött zu machen.97 Wohl wissend, dass ein Herausfallen aus der Heldenpose ihn dem Gespött preisgeben würde, absolvierte er regel­rechtes körperliches Training. Besonders bei Aufmärschen waren die Anforderungen erheblich, wie er selbst gestand: »Am anstrengendsten ist das vielstündige ­Stehen. Es ist mir doch schon schwindlig geworden ein paar Mal. Man macht sich doch keinen Begriff, wie qualvoll es ist, so lange mit durchgedrückten Knien stehen zu müssen.«98 In Hitlers Privatwohnung fiel Albert Speer ein Expander auf, an dem sich der sonst so unsportliche Dik­tator zu ertüchtigen pflegte. Zur Verblüffung des Architekten zeigte Hitler ein Reklamebild, »das demon­strierte, wie man auf diese Weise zu einem muskulösen Bizeps kommen könnte. Der Expander sei nicht zuletzt deshalb für ihn so wichtig […] weil er bei den Vorbeimärschen der SA und SS seinen Arm stundenlang, ohne zu zittern oder gar abzusetzen, ausgestreckt halten müsse. Das mache ihm heute, dank seines jahrelangen Trainings, keiner seiner Unterführer so schnell nach.«99 Nach einem gelungenen außenpolitischen Coup bezeichnete sich Hitler als »den größten Schauspieler Europas«.100 Schon Kubizek war aufgefallen, »unzweifelhaft besaß er großes schauspielerisches Talent«.101 Johannes Heesters will von der Haushälterin des Diktators erfahren haben, wie begeistert dieser 1938 seine Darstellung des Danilo in Franz Lehárs Lustiger Witwe aufgenommen hatte: »Also neulich, nach Ihrer Vorstellung im Gärtnerplatztheater, als er noch im Frack war, da hat er sich vor den großen Spiegel gestellt […] den Zylinder aufgesetzt, sich einen Schal umgeworfen, so wie Sie das machen und mich gefragt: ›Na, Winterin, was sagen Sie? Bin ich etwa kein Danilo?‹ Mein Gott, dachte ich mir, wenn Hitler zur Operette gegangen wäre … nicht auszudenken.«102 Im privaten Rahmen setzte Hitler sein Talent gern zur Unterhaltung seines Gefolges ein. Eine von Hitlers »Glanzrollen« war für Ernst Hanfstaengl der »deutschnationale Vereinsmeier mit Wotansbart«, »der in tönender Suada mit Siegfrieds blitzendem Schwert herumfuchtelte oder den teutschen Aar siegreich zur Sonne aufsteigen ließ«. Derartige Darbietungen bewiesen ihm überdies, »wie viel unmittelbarer und ungeschminkter Hitler in seinen Reden an die nationalen Empfindungen seiner Hörer zu appellieren

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verstand als die temperament- und farblosen Rednergarnituren der bürgerlichen Parteien«.103 Auch Hitlers Sekretärin beschreibt die kabarettistischen Neigungen ihres Chefs, der sich darin gefiel, die körperlichen Mängel von Gefolgsleuten oder des nur 1,53 Meter großen italienischen Königs Viktor Emanuel  III . zu verspotten. Sie erinnerte sich daran, wie »er den hastig sprechenden und sich auf seine bayerische Art in jedem Satz mehrfach wiederholenden Verlagsdirektor Amann nachahmte. Man sah Amann förmlich vor sich, wie er seine armlose Schulter zuckte und sehr lebhaft mit der rechten Hand gestikulierte.« Er imitierte »die spitze Lache des Königs Viktor Emanuel von Italien und machte mit großer Geschicklichkeit vor, wie der König, der ein Sitzriese war, aufstand und dennoch nicht größer wurde«.104 Ein anderes Mal ahmte er den Wiener Dialekt des ungarischen Reichsverwesers Admiral Miklós Horthy nach,105 dessen für ein Binnenland wie Ungarn ungewöhnlicher militärischer Rang daher rührte, dass er im Ersten Weltkrieg Oberbefehlshaber der österreichisch-ungarischen Flotte gewesen war. Mit der markanten tiefen Stimme Paul von Hindenburgs machte er nach, wie ihm der greise Feldmarschall erzählt hatte, er sei 1866 als junger Leutnant in Hitlers Geburtsstadt gewesen; dabei hatte sich herausgestellt, dass Hindenburg nicht Braunau am Inn meinte, sondern den gleichnamigen Ort in Böhmen, woher die oft zitierte, gleichwohl falsche Titulierung Hitlers als »böhmischer Gefreiter« stammte.106 Auf Joseph G ­ oebbels’ Einschätzung, dass ihm der Duce »augenblicksweise ziemlich operettenhaft« vorkomme, ließ sich ­Hitler dazu hinreißen, »einzelne outriert wirkende G ­ esten Mussolinis zu kopieren: das vorgereckte Kinn, die charakteristisch in die Hüfte gestemmte Rechte, den gespreizten Stand. Dazu rief er, unter dem beflissenen Gelächter der Umstehenden, einzelne italienische oder italienisch klingende Wörter wie ›­Giovinezza‹, ›Patria‹, ›Victoria‹, ›Makkaroni‹, ›Bellezza‹, ›Belcanto‹ und ›Basta‹.«107 Politiker wie Mussolini waren nicht nur die Zielscheibe des Spottes von Hitler; er nutzte seine darstellerischen Fähigkeiten auch dazu, ihnen gegenüber poli­tische Ziele durchzusetzen. Seiner Sekretärin schien es, er spielte »seine Rollen vor seinem Volke, seinen Mitarbeitern, den ausländischen Staats­ männern, auf der Weltbühne mit so großem Glück, daß die Bestunter­richteten sich täuschen ließen«.108 Hitler beherrschte nicht nur das melo­dramatische Auftreten des Volkstribuns, sondern er vermochte überzeugend den bedachten Staatsmann zu geben. Der britische Außenminister Anthony Eden war überrascht über Hitlers »smarte, beinahe freundliche Erscheinung« und über seine Aufgeschlossenheit.109 Bei Bedarf konnte er aber auch aggressiv auftreten, wobei die gefürchteten Zornausbrüche mitunter nur als ein Mittel der

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Argumentationsunterstützung dienten; später klopfte er sich auf die Schenkel und lachte darüber, den Gegner hinters Licht geführt zu haben.110 So machte er 1938 dem österreichischen Bundeskanzler Kurt Schuschnigg den Ernst der Lage durch einen gespielten leidenschaftlichen Ausbruch deutlich, um ihn zum Einlenken zu bewegen.111 Für brutale Einschüchterungen prägte Hitler den zynischen Ausdruck »Hachaisieren«.112 Als der tschechoslowakische Staatspräsident Emil Hácha 1939 zu Verhandlungen in Berlin eintraf, ließ Hitler ihn erst stundenlang warten und dann durch die endlosen Gänge der Neuen Reichskanzlei führen. Umgeben von der Drohkulisse hoher Militärs, setzte Hitler den gesundheitlich angeschlage­nen Politiker so lange unter Druck, bis dieser einen Schwächeanfall erlitt und ärztlicher Versorgung bedurfte. Nachdem Hácha sich wieder erholt hatte, konnte ihm Hitler mit der Androhung einer Bombardierung Prags den Befehl an die ­tschechoslowakischen Streitkräfte abpressen, den deutschen Truppen beim bevorstehenden Einmarsch keinen Widerstand entgegenzusetzen. Hitler hatte geblufft, denn der für sechs Uhr morgens angedrohte Luftangriff wäre unmöglich gewesen; wie er später gestand, wäre er »heillos blamiert gewesen, da um die Zeit ein so starker Nebel war, daß kein Flugzeug hätte aufsteigen können«.113 So aber brach Hitler am nächsten Morgen in aller Frühe auf und erreichte Prag noch vor Hácha. Dabei wurde der Diktator nur von wenigen Soldaten begleitet, und nach Einschätzung seines Fahrers »wäre es eine Kleinig­keit für die t­ schechische Regierung und ihre Generale gewesen, Hitler und uns augenblicklich festzusetzen. Wir besaßen keinerlei schwere Waffen und wären in kürzester Frist überrumpelt gewesen.«114 UNTERRICHT

Dass sich Politiker der Mittel des Theaters bedienten, war keine Erfindung Hitlers. Wie sich ein Besucher des Versailler Hofes erinnerte, trat schon ­Ludwig XIV. an die Öffentlichkeit wie ein Schauspieler auf die Bühne.115 Der Politologe Herfried Münkler kommt zu dem Schluss, dass sich Rollen auf der poli­tischen Bühne wie der strahlende Held kaum verändert haben, auch wenn sich ­soziale Herkunft und die Rekrutierungsregeln der Akteure mehrfach gewandelt haben. Das Rollen­repertoire ist schon deswegen beschränkt, weil die Ziele grundsätzlich gleich geblieben sind: die Reduktion von Komplexität, indem die ­politisch-gesellschaftlichen Verhältnisse überschaubar gemacht werden, ­Beifalls- und Unmutsäußerungen werden kanalisiert, und es wird der

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Politik ein g­ ewisser Unterhaltungswert verschafft, damit sich die Menschen überhaupt dafür interes­sieren.116 Da Hitler wie ein Schauspieler agierte, ließ die Zeitgenossen schon früh vermuten, er habe entsprechenden Unterricht genossen. In Lion ­Feuchtwangers Roman Erfolg wird der Politiker Rupert Kutzner alias Adolf Hitler von dem abgehalfterten Hofschau­spieler Konrad ­Stolzing begleitet. Dieser lehrte ihn, »wie man durch ein menschen­volles Lokal geht, ­unbewegten Gesichts, unbefangen, unberührt von den tausend Blicken, wie man würdig schreitet, mit den Zehen zuerst, nicht mit der Ferse auftretend. Brachte ihm bei, wie man mit dem Atem haushält, wie man durch das Rollen des Buchstaben R die Aussprache deutlich macht. Unterwies ihn in der Kunst, Schönheit und Würde des Auftretens zu erzielen.«117 ­Bertolt Brecht, der Hitler als den »erste[n] Schauspieler des Reiches«118 und seine Reden als »sehr interessantes Theater«119 bezeichnet, lässt den Protagonisten seiner 1941 entstandenen Parabel Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui Unterricht in Deklamation und edlem Auftreten bei dem Schauspieler Basil nehmen. Feuchtwanger und Brecht scheinen Gerüchte aus der Zeit verarbeitet zu haben, denn dem frühen Biografen Rudolf Olden zufolge hatte Hitler Unterricht in der Redekunst »bei einem Hofschauspieler und Regisseur [genommen], dem Possartschüler Basil«.120 Dieser lässt sich identifizieren als der Regisseur und Schauspieler Friedrich Basil, der seit 1894 am Münchner Hoftheater als »Charakter­spieler für ernste und heitere Rollen«121 beschäftigt war. Offenbar stand Basil der NSDAP nahe, denn er wirkte an einer Gedenkfeier für Hitlers Mentor Dietrich Eckart im Prinzregententheater mit, bei der er aus dessen Werken las; im Anschluss daran hielt Alfred Rosenberg eine Laudatio.122 Er war ein gefragter Schauspiellehrer. Sein berühmtester Schüler Heinz Rühmann erinnert sich in seiner Autobiografie an Basil, »eine imposante Erscheinung im Münchner Kulturleben«, die noch den »Hoftheaterstil mit rollendem Zungen-R« verkörperte. Von ihm lernte Rühmann »Arme und Beine zu bewegen oder still zu halten, was schwieriger ist, und die Hände nicht in die Taschen zu stecken. Vor allem richtiges Gehen, der jeweiligen Rolle angepaßt. Und ­Sprechen! ­Deutlich, aber nicht übertrieben.«123 Nachdem 1932 bei Hitler infolge von Überanstrengung eine drohende Stimmbandlähmung diagnostiziert worden war, arrangierte man Unterricht bei dem Opernsänger Paul Stieber-Walter, der sich wegen seiner Verwandtschaft mit der gleichnamigen Berliner Schauspielerdynastie auch Paul ­Devrient nannte. Der Unterricht fand unter größter Geheimhaltung statt, und noch nach dem Krieg verschwieg Stieber-Walter seine Tätigkeit, da er sich eine Mitschuld an Hitlers Aufstieg gab. Details wurden erst nach seinem Tod im Jahr 1973 bekannt,

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als das Tagebuch in die Hände seines Sohnes überging. Dieser überließ das Manuskript dem umstrittenen Hitler-­Forscher Werner Maser, der die Aufzeichnungen herausgab. Der 1890 geborene Stieber-Walter zählte nie zu den führenden Sängern seiner Zeit, wenngleich ihm zu Beginn der 20er-Jahre eine viel versprechende Karriere offen zu stehen schien. Einige Jahre war er als lyrischer Tenor und jugendlicher Heldentenor an den Theatern in Hannover und Braunschweig tätig sowie für kurze Zeit an der Berliner Staatsoper. Seine Stimme scheint schon zu Beginn der 30er-Jahre verbraucht gewesen zu sein, sodass er mit begrenztem Erfolg auf Charakterrollen auswich. 1934 ver5 Hitlers Schauspiellehrer Paul Stieber-Walter suchte eine Künstlervermittlung das Interesse der Baye­rischen Staatstheater mit dem Hinweis auf ihn zu lenken, er sei »heute immer noch ein sehr routinierter und guter Sänger, vor allem für das Spezialfach des Charakter­tenors und Utilités«. Man möge doch sein Engagement erwägen, »da es ihm augenblicklich wirtschaftlich nicht gut geht« und »seine Honorarforderung den heutigen Zeitverhältnissen angepaßt ist«.124 Seine Karriere in der Nachkriegszeit beschränkte sich auf Nebenrollen in Fernsehproduktionen wie in dem von Hans W. Geissendörfer 1970 in Szene gesetzten Spielfilm Der Fall Lena Christ. Stieber-Walter fiel auf, dass Hitler »wie ein Schauspieler in seinem Rollenbuch« an einer schon oft gehaltenen Rede feilte und dass er seine Gefolgsleute fragte: »Wie war ich?« Hitler nahm nicht Unterricht, weil er es für notwendig erachtete, sondern allein, weil der Arzt es ihm verordnet hatte – er war der Ansicht, bereits ein hervorragender Redner zu sein. Stieber-Walter erschien die Schulung hingegen als dringend notwendig, denn ihm fiel auf, wie Hitler durch »falsches« Sprechen seine Stimme überlastete. »Er müht sich seiner rasch nachlassenden Stimmkraft durch Gebärden zu begegnen, die er bis zum Exzeß steigert: ein geradezu besessenes Hin- und H ­ erbewegen, Hände­fuchteln, Augenrollen – ein wildes ›Schmierentheater‹«. Es sei jene Art von »Podiumshysterie, die man bei

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dilettantischen Schauspielern und Sänger antrifft, die nicht selten den Ausfall des Stimmtons zu beklagen haben«.125 In der ersten Unterrichtsstunde sollte Hitler eine Szene nach Wahl vorspielen; er steigerte sich immer mehr in die dargestellte Figur hinein. »Dicht an der Bühnenrampe, an die er vorspringt, die rechte Faust wie um den Lauf einer Büchse geballt, entringt ihm der Schrei ›Rache!‹ – und nochmals ›Raaache!‹ Er erleuchtet jäh wie ein Blitz aus der Finsternis die Figur des Jägers … Das heißt Talent! Schauspielerisches Talent.«126 Dennoch fehlte es Hitler an Basiswissen, und Stieber-Walter zeigte ihm erst einmal systematisch tiefes Luftholen und ebenso gründliches Ausatmen, »beginne dann mit den einfachsten Ton­übungen, summe ihm lang gezogene, kräftige Töne auf ­Umlaut-Mischvokale ›ü‹ und ›ö‹ vor, lasse ihn nachsummen«.127 Erste Erfolge stellen sich ein, aber kurz darauf fiel Hitler in alte Fehler zurück und »springt auf dem Podium geradezu hin und her, als sei er von Furien gejagt, faßt sich mit beiden Händen an den Kopf und windet sich buchstäblich vor Anstrengung. Dann tritt er plötzlich neben das Pult, packt dessen Rand und rüttelt an ihm. Schließlich reckt er die Arme – wie gen Himmel – nach oben. Er ist wieder heiser.«128 Stieber-Walter riet zu maßvollerem Einsatz der Gestik. »Sie fuchteln mit den Händen, zucken mit den Schultern, werfen den Kopf, ja den ganzen Körper und zurück«, worauf das Publikum ermüdet aufhöre, sich für die Rede zu interessieren und die Wirkung verloren gehe.129 Wolle er auch die letzten Reihen gut erreichen, dann habe er »verständlich zu sprechen, mit gut modulierter Stimme, ausgearbeiteten Vokalen und Konsonanten«. Zum Sichtbarmachen des Gesagten reiche »eine konzentrierte, knappe Bewegungsskala aus, abrollend synchron zum Sinn« der Worte.130 Gezielt übte er mit Hitler die Reduktion der Gestik, aber Selbstbeherrschung war nicht seine Stärke. Er erklärte: »Wenn die Begeisterung den Redner fort trägt, ist es ihm einfach nicht möglich, auf irgendetwas zu achten, was außerhalb liegt. Allein seine Begeisterung verleiht ihm die Wirkung. Nur eine solche Rede ist Offenbarung seines Seelenzustands.«131 Irgendwann war die Geduld Hitlers zu Ende, aber für Stieber-Walter hatte er sein Auftreten verbessert: »Steigen und Fallen an beschwörenden Stellen, verstärkt durch eindringliche, doch nie übertriebene Mimik und Gestik. Einzelne Gebärden im Zusammenspiel mit besonders klangvoll gesprochenen Passagen erreichen eine geradezu erschütternde Wirkung! Wenn Hitler jetzt zum Beispiel nur die Handflächen gegeneinander preßt, oder vor einer großen Anklage hörbar Atem schöpft, erzeugt das eine derartige Spannung, daß nur ›rasender Beifall‹ sie wieder lösen kann. Unzweifelhaft ist für mich: das Wort und das ›Spiel‹ Hitlers sind durch die altbewährten Regeln des Theaters in ihrer Wirkung ungemein gesteigert worden.«132

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Noch Jahrzehnte später war etwas von der jugendlichen Begeisterung Hitlers für die Oper spürbar, als er mit Albert Speer den Zuschauerraum des Linzer Theaters betrat: »Der Raum war ungepflegt, die Plüschbezüge der Bestuhlung waren abgesessen und verschlissen, der Theatervorhang verstaubt. Aber das schien Hitler nicht zu stören. Mit sichtlicher Rührung zeigte er uns im obersten Rang den billigen Platz, von dem aus er Lohengrin, Rienzi und andere Opern erstmals gesehen hatte, und gab durch eine knappe Geste zu verstehen, daß er allein sein wolle. Einige Zeit träumte er vor sich hin, sein Blick war abwesend, seine Gesichtszüge erschlafft. Unterdessen standen wir leicht betreten herum, keiner wagte sich zu rühren, und erst nach sicherlich mehr als fünf Minuten kehrte Hitler in die Wirklichkeit zurück.«133 Wie viele Zeitgenossen fühlte auch er sich angezogen von der Traumwelt der Ritter und germanischen H ­ elden. Wagners Mäzen Ludwig II. blieb oft nach dem Schluss von Aufführungen »regungslos längere Zeit in seinem Sessel [sitzen], dann strich er sich, wie aus einem Traume erwachend über die Stirn; darauf stand er langsam auf, blieb eine Weile stehen und entfernte sich ebenso langsam«.134 Der junge Hitler kompensierte das Versagen in der Schule durch Fantasie­ welten, in denen er Großprojekte plante oder sich als Persönlichkeit von histo­ rischer Bedeutung feierte. Auf der Höhe seines Lebens auf die bedrückende Realität seiner Wiener Jahre angesprochen, behauptete er: »Aber in der ­Phantasie lebte ich in Palästen.«135 Noch im Zweiten Weltkrieg entzog er sich mit einem Konglomerat von »Architekturphantasien, Musikträumen und Schlachten­ visionen« der harten Realität der Kriegslage.136 Dass dies der Regulierung seines Gefühlshaushalts diente, macht eine kurz vor Kriegsende unvermittelt f­allen gelassene Bemerkung Hitlers gegenüber seinem mit Plänen aufwartenden Architekten deutlich: »Ach, Speer, lassen Sie das! Es waren alles Hirngespinste.« Er habe schon vor längerer Zeit aufgehört, an das tatsächliche Entstehen dieser Bauten zu glauben; der Grund, dass er sich manchmal die Pläne kommen lasse, sei lediglich, dass er dies brauche: »Mit der Realität allein komme ich nicht zurecht.«137 Seine Visionen eines unter deutscher Hegemonie stehenden judenfreien Europas fielen nicht zuletzt deswegen so maß- und beispiellos schrecklich aus, weil ihm alle Beschränkungen fremd waren, die die Frage nach der Realisierbarkeit gemeinhin auferlegt. Den rauschhaften Eindruck von Oper vermittelt schon das älteste erhaltene Schriftdokument Hitlers, eine ungelenk formulierte Postkarte aus dem Jahr 1906. Der Innenraum des Wiener Hofoperntheaters sei überladen, berichtete er

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dem in Linz zurückgebliebenen August Kubizek, sodass man »eher Bewunder­ ung, den[n] Würde« spüre. Aber »wenn die mächtigen Tonwellen durch den Raum fluten und das Säuseln des Windes dem furchtbaren Rauschen der Ton­ wogen weichen, dann fühlt man Erhabenheit.«138 Dass sein Interesse am Schauspiel geringer war als am Musiktheater, erklärte er später damit, dass er »zum ­seelischen Ausgleich der befreienden und ihn befriedenden Musik, besonders der ernsten, schweren und aufwühlenden Richard Wagners und Anton B ­ ruckners« bedürfe, die in ihm »hohe Spannungen« löse.139 Hitler berauschte sich am Erhabenen, das ihn zu weit reichenden Entschlüssen anregte. Als er 1936 von einer ­Siegfried-Aufführung im Bayreuther Festspielhaus kam, überreichte ihm eine Delegation Briefe von General Francisco Franco mit der Bitte um Unterstützung im sich gerade anbahnenden Spanischen Bürgerkrieg. Aus der gehobenen Laune des Augenblicks heraus, und ohne weitere Rücksprache mit den zuständigen Ministerien, beschloss der zuvor unschlüssige Hitler offenbar spontan, Franco aktiv zu unterstützen.140 Wagners Musik übte auf Hitler anscheinend eine ähnliche Wirkung aus wie großartige Naturerlebnisse, wenn er behauptete, »in der weiten Sicht über das Berchtesgadener und Salzburger Land, losgelöst vom Alltag, reifen meine genialen, die Welt umstürzenden Schöpfungen. In diesen Augenblicken fühle ich mich nicht mehr den Sterblichen verbunden, sondern meine Gedanken überschreiten die menschlichen Grenzen und wandeln sich zu Taten größten Ausmaßes.«141 Durch Wagners Musik gehobene Stimmungen regten allerdings auch Politiker außerhalb des Nationalsozialismus zu Visionen an: Theodor Herzl bekannte, seine Schrift Der Judenstaat unter dem Eindruck von Aufführungen der Opern Wagners geschrieben zu haben. Nie habe er »etwas in so erhabener Gemütsstimmung wie dieses Buch geschrieben […] Ich arbeitete an ihm täglich, bis ich ganz erschöpft war; meine einzige Erholung am Abend bestand darin, daß ich Wagnerscher Musik zuhörte, besonders dem Tannhäuser, eine Oper, welche ich so oft hörte, als sie gegeben wurde. Nur an den Abenden, wo keine Oper aufgeführt wurde, fühlte ich Zweifel an der Richtigkeit meiner Gedanken.« 142 In der Musikästhetik des 19. Jahrhunderts war der Begriff des Erhabenen von eminenter Bedeutung. Für den Musikwissenschaftler Albrecht Riethmüller ist es diejenige »seinerzeit ›junge‹ ästhetische Kategorie«, durch die »das Sakrale bzw. die sakrale Musik im Säkularen (Profanen) bzw. in der säkularen Musik aufbewahrt werden konnte«; eine Darstellung der sinfonischen Musik müsse generell »als eine Geschichte des musikalisch Erhabenen abgefasst werden«.143 Die Kunstauffassung wurde durch den Nationalsozialismus diskreditiert, der sich in überreichem Maß Assoziationen von Kraft und Pathos bediente. Besonders

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eine totalitäre Gesinnung versichere sich gerne der Dienste des Erhabenen, »und zwar in allen Charakteren, die zu der Kategorie gehören, wie das Feier­ liche, das Heroische (das ›Heldische‹), das Monumentale, das Hymnische usw., wobei diese Charaktere vorzüglich superlativisch und ideal gesetzt sind, also das schlechthin Monumentale, das schlechthin Heroische usw.«.144 Das Erhabene wurde politisch instrumentalisiert und die dahinter stehende Idee des »Edlen« zur propagandistischen Vorspiegelung desselben missbraucht. Besonders Musik sei der »Wirkung der Erhebung fähig und geschickt, wobei diese Erhebung des Gemüts – ästhetisch höchst schwankend und fragil – immer Gefahr läuft, funktionalisiert und ausgenutzt zu werden, die Wirkung von dem, der sich ihrer bedienen möchte, abgeschöpft und für seine Zwecke kanalisiert werden kann«.145 Das Erhabene korrelierte mit dem im 19. Jahrhundert populären Heldischen. Hitler behauptete: »Den Künstler Richard ­Wagner empfinden wir deshalb so groß, weil er in allen seinen Werken das heldenhafte Volkstum, das Deutschtum darstellte. Das Heldenhafte ist das Große. Das ersehnt das Volk.«146 André François-Poncet bekam den Eindruck, dass Hitler wie in Wagners Opern lebte, er »hielt […] sich selbst für einen Helden aus der Welt Wagners«; er sah sich »als Lohengrin, Siegfried, Walter von Stolzing, vor allem [als] Parsifal, der die blutende Wunde des getroffenen Amfortas heilt und dem Gral seine Wunder­ kraft zurückgibt«.147 Obwohl das Gros der Wagnerschen Helden bei der ­Lektüre des Librettos kaum als strahlend angesehen werden kann, zeichnet die Musik die Helden mitnichten als gebrochene Charaktere. Wotan ist für Martin Geck zwar »nach seinen Worten und Taten ein mehr als zweifelhafter Held; gerade die Musik macht ihn jedoch zu einer mythischen Figur mit tragischen Momenten«.148 Die Sinnangebote der Musik hoben eine Figur wie Tannhäuser darüber hinaus, nur ein passiver Held zu sein, »der sein angetriebenes, zwischen Größenwahn und Selbstzerstörung dahintaumelndes Leben nur durch die Befolgung von Ritualen zu stabilisieren vermag«.149 Die Macht der Musik Wagners besiege mühelos, »was ihr an argumentativen Zweifeln entgegenschlagen könnte«.150 In seinen Bühnenwerken treffen für Geck zwei Realitäten aufeinander: Die Handlung verkörpere »die gesellschaftliche Realität der hoffnungslos schlechten Welt, die Musik die psychologisch-anthropologische Realität eines sinnlich erfahrbaren ›Prinzips Hoffnung‹«; obwohl gerade Wagners Musik das menschliche Bedürfnis nach Harmonie mitunter auf harte Proben stelle, stehe sie »nicht nur für die Sehnsucht des Menschen nach einer intakten Welt, sondern auch für die Erfüllung dieser Sehnsucht im Augenblick des Erkennens«.151 Zweifellos ist Wagners Musik nicht allein Pathos und Rausch. Friedrich Nietzsche differenzierte zwischen der Musik Wagners, die nur »zur Überredung

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von Massen erfunden« wurde und die ihn als »Magnétiseur und Affresco-Maler« zeige, und »der Erfindung des Kleinsten, in der Ausdichtung des Details, – man hat alles Recht auf seiner Seite, ihn hier als einen Meister ersten Ranges zu proklamiren, als unsern größten Miniaturisten der Musik, der in den kleinsten Raum eine Unendlichkeit von Sinn und Süße drängt. Sein Reichthum an Farben, an Halbschatten, an Heimlichkeiten absterbenden Lichts verwöhnt ­dergestalt, daß Einem hinterdrein fast alle andern Musiker zu robust vorkommen.«152 Gerade aber populäre Zugstücke wie Siegmunds »Ein Schwert verhieß mir der Vater« aus der Walküre zeichnen sich durch ihren heroischen Gestus aus. Wie ein Rezensent festhielt, verfügte der Linzer Heldentenor Gottfried Krause, dem Hitler ­Wagner-Erlebnisse wie das von Rienzi verdankte, über ein »mächtiges Heldenorgan«, das »in voller Kraftentfaltung selbst einen großen Konzertraum förmlich überflutet«, wie es im vorgetragenen Auszug aus der Walküre »der Fall war, der in solch gewaltiger Ausführung den Eindruck unbezwinglicher Heldenstärke hervorruft«.153 Es wäre noch genauer zu untersuchen, inwieweit Wagners außer­ordentliche Neigung zum Pathos durch die Aufführungspraxis des späten 19. und ­frühen 20. Jahrhunderts noch verstärkt wurde. So sind die Meistersinger von Nürnberg bekanntlich als eine Art von Komödie gedacht und bekommen die gewohnte Gravität vor allem durch einen feierlichen Aufführungsstil. Die berüchtigte Schlussansprache sollte eigentlich, so betont ­Wagner in Über das Dirigieren, trotz allen »Ernstes des Inhaltes […] auf das Gemüth doch heiter beruhigend wirken« und »erst gegen das Ende, mit dem Eintritte des Chores, einen breiteren, feier­licheren Charakter annehmen«. Sie wirke »gar zu niederdrückend«, wenn »der Dirigent im steifsten 4/4-Takt den lebendig fühlenden Sänger« zwinge, »diese Schlußanrede so steif und hölzern wie möglich abzusingen«.154 Richard Strauss rechtfertigte sich 1933 gegenüber Anfeindungen, er nehme als Dirigent beim gewöhnlich sehr feierlich genommenen Parsifal viel zu rasche Tempi, mit dem Hinweis, er sei von seinem Vater, der an der Uraufführung als Mitglied des Münchner Hof­orchesters mitgewirkt hatte, zu den Proben mitgenommen worden. Dort habe ­Wagner den Dirigenten Hermann Levi immer wieder ermahnt: »Schleppen Sie doch nicht so.«155 Den Sänger des Gurnemanz bat Strauss, seien »Sie doch bitte so freundlich und singen Sie das nicht so pathetisch. Der ­Gurnemanz ist eine Art Oberförster, der zwei Lausbuben zurechtweist.«156 Charles Baudelaire hatte gefragt, ob man sich angesichts der stolzen Musik beim Einzug der Gäste in Tannhäuser etwas anderes vorstellen könne als »einen Aufzug von heroischen Männern in glänzenden Kostümen, alle hohen Wuchses, alle starken Willens und naiven Glaubens, ebenso herrlich in ihren Wonnen

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wie furchtbar in ihren Fehden?«. Darauf bezog sich Thomas Mann in den ­ etrachtungen eines Unpolitischen, wenn er fragte, wer könne verkennen, »daß es B im Sinne politischer Tugend bedenklichste Vorstellungen sind, die die Kunst da erweckt«.157 Das heroische Ideal lässt sich politisch leicht instrumentalisieren. Im »Dritten Reich« erreichte die Heldenverehrung einen Höhepunkt, wobei die nationalsozialistische Bewegung darauf aufbauen konnte, dass das heroische Ethos in Deutschland schon vorher ein allgemein anerkanntes Erziehungsmuster war. Als Victor Klemperer in der sowjetisch besetzten Zone unterrichtete, fiel ihm auf, in welchem Umfang auch unpolitische Menschen am Sprachgebrauch der vergangenen Epoche festhielten. Sie redeten über Kultur und Demokratie, und es schien dem Sprachwissenschaftler, es kläre sich manches, und dann »sprach irgendjemand von irgendeinem heldischen Verhalten oder einem ­heroischen Widerstand oder von Heroismus überhaupt. Im selben Augenblick, wo dieser Begriff im Geringsten ins Spiel kam, war alle Klarheit verschwunden, und wir staken wieder tief im Gewölk des Nazismus.«158 Selbst auf Fotos der im »­Dritten Reich« populären Rennfahrer begegnete man Heldenverkörperungen mit dem starren Blick, »in dem sich vorwärtsgerichtet harte Entschlossenheit und Eroberungswille ausdrücken«. Ein echtes stilles Heldentum habe der National­ sozialismus nie gekannt, konstatierte Klemperer, für den der Heldenbegriff dort immer an das Dekorative, an prahlerisches Auftreten gekettet war.159 Schon das wilhelminische Germanenbild hatte sich eng an den heroischen Zeitgeist angeschlossen und ein Wertesystem propagiert, bei dem Männlichkeit mit Heldentum konnotiert war. Die wichtigste Tugend der Germanen sei »jenes unvergleichliche Heldentum« gewesen, behauptete der populäre Schriftsteller Felix Dahn, »jene Freude an Kampf und Gefahr als solchen, jene Wollust der Tapferkeit«. Man habe »mit Recht darauf hingewiesen, daß der germanische Götterglaube, der in Wuotan diese Kampfeswut als Gott darstellt und in den Freuden Walhalls dem im Kampf gefallenen Helden ein jenseitiges Leben nach seines Herzens liebsten Gelüsten verhieß, solche Todesfreudigkeit befördern mußte«.160 Hitler konnte sich nach August Kubizek »das eigene Leben nicht schöner vorstellen, als er es in den leuchtenden Heldengestalten der deutschen Frühzeit dargestellt fand. Immer wieder personifizierte er sich mit den großen Männern jener versunkenen Welt. Nichts erschien ihm erstrebenswerter, als nach einem Leben voll kühner, weitreichender Taten, einem möglichst heroischen Leben, nach Walhalla einzuziehen und für alle Zeiten zu einer mythischen Gestalt zu werden, ähnlich jenen, die er selbst so innig verehrte.«161 Wie Hitlers Selbstbild am Topos des Helden ausgerichtet war, macht auch eine Beobachtung Ernst Hanfstaengls deutlich. 1924 betrachtete Hitler längere

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Zeit versonnen die Aprilnummer des Simplicissimus, dessen Titelblatt ihn hoch zu Ross vor dem Brandenburger Tor beim triumphalen Einzug nach Berlin zeigte, um seine politischen Zielsetzungen zu ironisieren. Dann stellte Hitler fest: »Das kann alles noch passieren, wenn wir nur zäh genug bleiben.«162 Hitler war überzeugt, dass er als ehemaliger Frontsoldat berufen sei, die Waffenehre Deutschlands wiederherzustellen. »Das Heroische wurde damit von ihm zum entscheidenden Inhalt des Lebens des einzelnen wie des Volkes bestimmt und demgegenüber jedes Ideal ›bürgerlichen Genießens‹, individueller Selbstgenügsamkeit oder das rein persönlicher Selbstbestimmung zurückgestellt«, schien es dem Nazifunk­tionär Hans Frank.163 Seinem Arzt erklärte Hitler, die Wochen nach dem Attentat des 20. Juli, nach dem seine nicht unerheblichen Verletzungen der Öffentlichkeit verschwiegen wurden, seien die schlimmsten seines Lebens gewesen. »Er habe ein Heldentum durchgekämpft, wie es sich niemand, kein Deutscher, träumen ließe.«164 OPERNHAFTE POLITIK

Hitlers politische Erscheinung erschien Thomas Mann als »Wagnerisch, auf der Stufe der Verhunzung«. Märchenzüge seien darin erkennbar, »wenn auch verhunzt […] das Thema vom Träumerhans, der die Prinzessin und das ganze Reich gewinnt, vom ›häßlichen jungen Entlein‹, das sich als Schwan entpuppt, vom Dornröschen, um dessen Schlaf die Brünhilden-Lohe zu Rosenhecken geworden ist, und das unter dem weckenden Kusse des Siegfriedhelden lächelt«.165 Eine Reihe von Zeitgenossen behauptete, Hitler habe das »Dritte Reich« in eine Art von ­Wagner-Oper verwandelt. So bekam der Historiker Stephen Roberts 1937 bei einer Deutschlandreise den Eindruck: »Alles was er tut, ist Wagnerisch – das ist das Leitmotiv des ganzen Hitler-Stücks.«166 Carl von Ossietzky schien es, zum »zweitenmal soll aus Deutschland eine Wagneroper werden. Siegmund und Sieglinde, Wotan, Hunding, Alberich und der ganze Walkürenchor und die Rheintöchter dazu sind – Heiajaheia! Wallalaleia heiajahei! über Nacht hereingebrochen mit der Forderung, über Leiber und Seelen zu herrschen.«167 Mit derartigen Äußerungen mag zum einen die in der Öffentlichkeit präsente Verbindung von Leben und Werk Wagners mit dem völkisch-nationalistischen Kontext gemeint sein. Zugleich werfen sie die Frage auf, ob Gemeinsamkeiten zwischen den rhetorischen Kombinationen von Wagners Opern und denen von politischer Inszenierung bestehen könnten. Mehr als alle anderen Kunstformen zeichnet sich die Oper generell durch große Worte, große Gesten, ergreifende Szenen und exaltierte Bewegungen aus.

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Dass das »Opernhafte« nicht auf das Musiktheater beschränkt sein muss, fiel dem Romanisten Victor Klemperer auf, wenn ihn die Dramen Paul ­Claudels und Victor Hugos an Opern gemahnten: »Opernhaft die Vorliebe für prunkvolle und gewaltsame, theatralische Szenen, opernhaft das semplistische Gegen­ einander von Heiligkeit und Teuflischkeit, von Ehre und Ehrlosigkeit, von Festigkeit und Schwanken, opernhaft die Ausbreitung großer Gefühle. Und opernhaft die Wortmusik.«168 Mit dem Blick auf Italien hat die Literatur­ wissenschaftlerin Immacolata Amodeo das »Opernhafte« als eine Kategorie der ­Literatur- und ­Kulturtheorie untersucht. Dabei knüpft sie an ­Ü berlegungen des ­kommunistischen Philosophen Antonio Gramsci an, dessen kultur­kritische Reflexionen auf der Erfahrung des Scheiterns der italienischen Demokratie gründeten. In den w ­ ährend der Inhaftierung durch die Faschisten ­entstandenen ­Quaderni del carcere erkannte Gramsci das öffentliche Leben im Italien Benito Mussolinis als geprägt durch den von der Oper herrührenden »stile melo­drammatico«, der sich durch »oratorische Feierlichkeit«, opern­haften Sentimenta­lismus und übertriebene Ausdrucksweisen auszeichne und der den Massen­geschmack geprägt habe. Im Sinne einer Übersetzung des Begriffs »melodrammatico« bezeichnet Amodeo mit »opernhaft« dabei das »der Oper Eigene« oder »der Oper Zugehörige«, das als eine spezifische Form der Theatralität begriffen wird, die sich auch in Veranstaltungen des öffentlichen Lebens nachweisen lasse.169 Mit dem »ersten Mal«, bei dem Deutschland eine »­Wagner-Oper« gewesen sei, meint Ossietzky offensichtlich das deutsche Kaiserreich Wilhelms  II. Dass das politische Leben sich dort jener Ausdrucksformen bedient habe, die auch in den Werken Wagners zu finden sind, fiel anderen Zeitgenossen gleichfalls auf. Der britische Ökonom John Maynard Keynes behauptete mit Blick auf den Ersten Weltkrieg, »daß kein einziger Mann so viel Verantwortung für den Krieg trägt wie ­Wagner. Offenbar war des Kaisers Vorstellung von sich selbst nach ihm geformt. Und war nicht eigentlich Hindenburg nur der Baß und Ludendorff der fette Tenor einer drittklassigen ­Wagner-Oper?«170 Für den liberalen Politiker Walther ­Rathenau war es kaum einzuschätzen, wie stark die Generation der Jahrhundertwende »vom Einfluß Richard Wagners gebannt war, und zwar nicht so entscheidend von seiner Musik wie von der Gebärde seiner Figuren, ja seiner Vorstellungen. Vielleicht ist das nicht ganz richtig: vielleicht war umgekehrt die Wagnersche Gebärde der erfaßte Widerhall – er war ebenso großer Zuhörer wie Töner – des Zeitgefallens. Es ist leicht eine Gebärde aufzurufen, schwer sie zu benennen: sie war Ausdruck einer Art von theatralisch-barbarischem Tugendpomp […] Es ist immer jemand da, Lohengrin, Walther, Siegfried, Wotan, der alles kann und alles schlägt, die leidende Tugend erlöst, das Laster züchtigt und allgemeines Heil bringt, und zwar

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in einer weit ausholenden Pose mit Fanfarenklängen, Beleuchtungs­effekt und Tableau.« Man erwartete, dass auch von den Politikern »das erlösende Wort mit großer Geste gesprochen wurde, man wünschte, historische Momente gestellt zu sehen, man wollte das Schwert klingen und die Standarten rauschen hören«.171 Damit schließt er an Beobachtungen Friedrich Nietzsches an, für den die deutsche Jugend des späten 19. Jahrhunderts ­Wagner vor allem als »den Meister großer Worte und Gebärden, den Fürsprecher aller schwellenden Gefühle, aller erhabenen ­Instinkte« schätzte. Dabei sei das »Berauschende, das Sinnliche, Ekstatische, das Plötzliche, das Bewegtsein um jeden Preis« ein Ausdruck von Wagners e­ xtremem ­Naturell; die Musik habe er nur zu seinem Pathos hinzuerfunden, und es sei »die ungeheure Überzeugungskraft dieses Pathos, sein Atemanhalten, sein NichtMehr-loslassenwollen eines extremen Gefühls, es ist die erschreckende Länge dieses Pathos, mit der ­Wagner über uns siegt«.172 Die wilhelminische Rezeption Wagners karikiert auch Heinrich Mann in dem kurz vor Beginn des Ersten Weltkriegs abgeschlossenen Roman Der Untertan, in dem eine Lohengrin-Aufführung in der Provinz aus dem Blick­winkel des nationalistischen Kleinbürgers Diederich Heßling beschrieben wird. ­Diederich hielt sich »an den König unter der Eiche, der sichtlich die prominenteste ­Persönlichkeit war. Sein Auftreten wirkte nicht besonders schneidig […] aber was er äußerte, war vom nationalen Standpunkt aus zu begrüßen. ›Des Reiches Ehr’ zu wahren, ob Ost, ob West.‹ Bravo! So oft er das Wort deutsch sang, reckte er die Hand hinauf, und die Musik bekräftigte es ihrerseits. Auch sonst unterstrich sie einem markig, was man hören sollte. Markig, das war das Wort. Diederich wünschte sich, er hätte zu seiner Rede in der Kanalisationsdebatte eine solche Musik gehabt […] Überhaupt ward Diederich gewahr, daß man sich in dieser Oper sogleich wie zu Hause fühlte. Schilder und Schwerter, viel rasselndes Blech, kaisertreue Gesinnung, Ha und Heil und hochgehaltene Banner, und die deutsche Eiche: man hätte mitspielen mögen.«173 Das sei »­deutsche Kunst«, befand er, denn die Musik »war heldisch, wenn sie üppig war, und kaiser­treu noch in der Brunst. Wer widerstand da? Tausend Auf­führungen einer solchen Oper, und es gab niemand mehr, der nicht national war!«174 Für Nietzsche war ­Wagner im Entwerfen der Handlung »vor Allem Schauspieler. Was zuerst ihm aufgeht, ist eine Scene von unbedingt sichrer Wirkung, eine wirkliche Actio mit einem hautrelief der Gebärde, eine Scene, die umwirft«. Er fokussiere sich auf »eine Reihe starker Scenen, eine stärker als die andre – und, dazwischen, viel kluge Stupidität«.177 Dem Impresario Angelo Neumann erschien es bei von ­Wagner selbst geleiteten Einstudierungen, dieser sei »nicht nur der größte Dramatiker aller Zeiten gewesen, sondern gewiß auch der größte Bühnen­regisseur und Menschendarsteller«.178 Neuere Untersuchungen weisen

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darauf hin, dass ­Wagner seinen eigenen hochpathetischen Sprachvortrag in Musik verwandelte, indem er nicht an einem Text entlang komponierte, sondern an präzise imaginierten Aktionen und Sprechtonfällen.179 Paul Bekker deutet Wagners Idee des Kunstwerks als »jenseits von Musik und gesprochenem Drama. Beide sind Mittel. Zweck und damit Gegenstand der künstlerischen Vision ist die Erfassung des Gefühlsausdruckes. Er bedient sich der Musik wie des szenischen Bildes zur Darstellung, die dramatische Form ist nur Gerüst, um die wechselnde Folge des Ausdrucksablaufes zu ermöglichen.«180 Seine Kunst sei »nicht die Musik […] noch weniger die Dichtung, seine Kunst ist Ausdrucksveranschaulichung eines Gefühlserlebens«.181 Der Propagandastil des Nationalsozialismus scheint freilich nicht nur den feier­lichen Ernst des Bayreuther Festspielhauses widerzuspiegeln, sondern auch die spektakuläre Massenhaftigkeit populärer Veranstaltungen, wie sie heute etwa in der Arena di Verona zu Hause sind. Die machtvollen Steigerungen in Hitlers Reden, die das Publikum so aufputschten, dass deren Spannung sich in Applaus und Heilrufen entladen müsse, gemahnen an die Dramaturgie der traditionellen Nummernoper. Diese verfügte über ein erprobtes Arsenal an musikalischen ­Formen, die in einer sorgfältig kalkulierten Abfolge verschiedene Affektzustände musikalisch-szenisch darstellen und damit beim Publikum hervorrufen. ­Hitlers politische Auftritte lassen sich mit ihrer Häufung der Mittel – der wie ein ­Theaterakteur durch Scheinwerfer aus der Kulisse herausgehobene »Führer«, große Kontraste innerhalb der Szene (Beschwichtigung, Zornausbruch), Musikbeteiligung mit Blaskapelle vor der Ankunft und dem Absingen von »­Deutschland-« und »HorstWessel-Lied« beim Abgang Hitlers – auch in den Kategorien des Tableaus der französischen Grand opéra von Giacomo M ­ eyerbeer oder Fromental Halévy beschreiben. Darunter verstand man im Anschluss an die Nachstellung eines Gemäldes mit lebenden Personen, das Tableau vivant, das spektakuläre Bild, das durch das Zusammenführen vielfältiger optischer und musikalischer Mittel den Zuschauer überwältigen sollte. Das Reichsparteitagsgelände wurde 1938 tatsächlich mit einem Gemälde ve­rglichen, wenn es hieß, der »Führer« bilde »immer den Mittelpunkt eines g­ roßen Bildes, einer Gruppierung von Fahnen und Standarten«.175 In den Kontext der Grand opéra ordnet sich bekanntlich auch Rienzi ein, als dessen bestimmendes Merkmal die Massierung der Mittel erscheint, während die Liebeshandlung keine zentrale Rolle spielt. »Rienzi liebt nur Rom und verkündet dies in ­stolzer Emphase«, erschien es Bekker. »Umso gewichtiger treten die Spannungs­kräfte der äußeren Aktion hervor: die Massenbewegungen in Revolution, Kampf, Friedens­feier, Verschwörung, Sturm, Gebet, Pantomime, Tanz, Finale, die großen pathetischen Einzelerscheinungen im Fluch, Gebet, Hymnus.«176

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6 Appell der Politischen Leiter beim Reichsparteitag

Mit dem Atmosphärischen der Opern Wagners, aber auch dem Märchen, assozi­ ierte der französische Botschafter André François-Poncet die Fest­ver­anstaltung zum 1. Mai 1933. Beim Hereinbrechen der Nacht durchzogen »dichte Kolonnen die Straßen von Berlin in schöner Ordnung, im Gleichschritt, Schilder werden voran getragen, Pfeifergruppen und Musikkapellen spielen, so zieht man zum Versammlungsort – ein Bild wie beim Einzug der Zünfte in den Meistersingern!« Den Beobachtern bot sich ein überwältigendes Bild. »Gleich dem Bug eines Schiffes erhebt sich weiter vorn eine Tribüne, mit zahlreichen Mikrophonen besetzt, unter der die Menge brandet. Zuvorderst die Reihen der Reichswehreinheiten, dahinter eine Million Männer.« Um acht Uhr erschien Hitler, von »lang anhaltenden Rufen begrüßt, die machtvoll aus Tausenden von Kehlen aufbrausen. Inzwischen ist es Nacht geworden. Die Scheinwerfer flammen auf. Sie sind in ziemlich weiten Abständen aufgestellt, so daß zwischen ihren leicht bläulichen Lichtkreisen Dunkelheit liegt. Ein Menschenmeer, aus dem hie und da in hellen Lichtstreifen bewegte Gruppen auftauchen; ein eigenartiges Bild, diese atmende, wogende Menge, die man im Licht der Scheinwerfer sieht und im Dunkel errät.«182 Endlich besteigt Hitler die Tribüne, und wie im Theater verlöschen die Scheinwerfer, »mit Ausnahme jener, die den Führer in strahlende Helle tauchen, so daß er wie in einem Märchennachen über dem Gewoge zu seinen Füßen zu stehen scheint. Es herrscht Stille wie in einer Kirche. Hitler spricht.«183 Das Auffallende an der Rede war für François-Poncet nicht

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der Inhalt, der trotz der vielen Worte unklar blieb, sondern die Wirkung, »die von ihm auf die Zuhörer ausgeht, eine Wirkung, die weit mehr körperlich als geistig ist, gesteigert durch die Umgebung, die theatralische Ausstattung, den Gegensatz von Licht und Schatten, die ganze romantische Aufmachung, die Fahnen und Uniformen, das Blitzen der Helme und Bajonette und den Rausch, der von dem zwingenden Rhythmus der Musik ausgeht«.184 Wenn François-Poncet die Dekorationen mit einem »Märchennachen« vergleicht, wird nicht zufällig die Ankunft Lohengrins bemüht, der die Szene von Wagners Oper auf einem von einem Schwan gezogenen Nachen betritt: ein Schiff, mit dem Märchengestalten anstelle profaner Boote reisen. Freilich sind die Gemeinsamkeiten von Wagnerscher Operndramaturgie und Maikund­gebung allgemeiner Natur: Die Ankunft des Helden wird in beiden Fällen immer wieder spannungssteigernd verzögert – auf der Kundgebung durch endlose Aufmärsche und das Vorgeplänkel der Unterführer, in der Oper durch Exposition der Rahmenhandlung, in der Elsa von Telramund des Brudermords bezichtigt wird, wovon sie nur ein Gottesgericht freisprechen kann. Wie aus dem Nichts erscheinen die Retter in der Not: der edle Ritter weist Elsas Schuld zurück, Hitler zeichnet messianisch die Vision eines mächtigen, geeinten Deutschlands ohne soziale Konflikte. TOTE HELDEN

Der NS-Politiker Otto Wagener hörte Hitler erstmals auf einer großen Kundgebung: »Der Eindruck war überwältigend! Noch nie hatte ich so viel Menschen auf einem Platz versammelt gesehen. Das Bild einer Kaiser­parade der alten Zeit wurde in Schatten gestellt.«185 Dann kam Bewegung in die Menge, denn Hitler wandte sich endlich an die Massen: »Laute Steigerungen der Rede und zurückgehaltene Kraft lösten sich ab. Eine große Begeisterung und eine heilige Überzeugung klangen aus Worten und Bewegungen und übertrugen sich überall hin, wo man den Redner sehen konnte. Gerade die Bewegungen seiner Arme oder des Kopfes, die das Wort begleiteten, ja ihm vorangingen, waren es, die manches verständlich machten, was das Ohr allein nicht aufgenommen hätte.«186 Mehrfach wurde er von »stürmischen Heil-Rufen unterbrochen, die sich wie eine Welle über das weite Feld und die Zuschauer­massen hinwegbe­wegten«.187 Feierlich schritt er zwischen den Verbänden zu der der Tribüne gegenüber gelegenen Heldengedenkstätte für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs; auf ein unhörbares Kommando drehten die ganzen Verbände, sodass sie nun dem

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Denkmal zugewandt waren, wo zu den Klängen von »Ich hatt’ einen Kameraden« ein Kranz niedergelegt wurde. Die Formationen abschreitend, kehrte Hitler zu seiner Empore zurück, während der Badenweiler Marsch erklang. Die Verbände drehten wieder, und mit dem Tuch der beim Putschversuch von 1923 verwendeten »Blutfahne« weihte er neue Standarten. Erneut wandte er sich an die Massen und rief: »›Wir geloben den Toten des Weltkriegs, daß sie nicht umsonst gefallen sein sollen!‹ Ein unendlicher Aufschrei der Begeisterung entrang sich den Herzen aller. Das Musikkorps intonierte das Deutschlandlied, und wie ein heiliger Schwur erfüllte es den weiten Raum und drang empor zum offenen Himmel: ›Deutschland, Deutschland über alles!‹«188 Joachim Fest erschien es, als entwickelte Hitlers Regietalent erst »angesichts der Feier des Todes […] seine eigentlich überredende Gewalt«, wenn er auf dem Reichsparteitag bei düsterer Hintergrundmusik zwischen Hunderttausenden zur Totenehrung schritt.189 Die Vorstellung, sich in einer Endzeit zu befinden, gehörte zum Zeitgeist. Oswald Spengler hatte mit seinem Buch Der Untergang des Abendlandes dem Deutschland der 20er-Jahre Bilder für einen heroischen Pessimismus geliefert; 1933 kam es am Rande der Bayreuther Festspiele zu einem Treffen Hitlers mit Spengler, der sich allerdings wenig später vom Nationalsozialismus distanzierte und stattdessen Benito Mussolini feierte. Dem geschichtspessimistischen Bild entsprach ­Wagner besonders mit der Götterdämmerung; vom Untergangs­szenario am Ende des Rings des Nibelungen hat man immer wieder Parallelen zum drama­ tischen Untergang des »Dritten Reiches« gezogen. ­Wagner sei »Romantik, nicht Kunst der Mitte und Fülle, sondern des letzten Viertels: bald wird es Nacht sein«, schien es Friedrich Nietzsche.190 Der Tod gehörte zu den beherrschenden Themen der Romantik, aus dessen Arsenal sich der Nationalsozialismus bediente, und vor allem Hitler, der in vielen Vorstellungen als eine merkwürdig verspätete Figur des 19. Jahrhunderts erscheint. Die Verherrlichung des Todes war ein beherrschendes Thema der NS -­ Propaganda, was der in den Monaten vor der Machtübernahme gedrehte U-Boot-Film Morgenrot von Gustav Ucicky vorwegnahm. Dort verkündet der Kapitän: »Zu leben verstehen wir Deutschen vielleicht schlecht, aber sterben können wir jedenfalls fabelhaft!« Zentrale Annahme für den Heldenkult war der Gedanke des Opfers: Held kann nur werden, wer bereit ist, Opfer zu bringen, eingeschlossen das des eigenen Lebens. Dafür lässt ihm die Gesellschaft, für die er eintritt, zu Lebzeiten Prestige und nach dem Tod ehrenhaftes Andenken zuteilwerden; Held und Gesellschaft sind verbunden durch die Vorstellung des rettenden und schützenden Opfers.191 Der Traum, einst »unsterblich« zu werden, verfolgte Hitler schon seit seiner Jugend. Im Zweiten Weltkrieg erklärte

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er, auf den christlichen Himmel lege er keinen Wert: »Ich fühle mich wohl in der geschichtlichen Gesellschaft, in der ich mich befinde, wenn es einen Olymp gibt. In dem, in den ich eingehe, werden sich die erleuchtetsten Geister aller Zeiten befinden.«192 Der Heldentod bedeutet innerhalb der Helden­verehrung einen Qualitätssprung: »Das Leben des Heros kann nun als vollendet gelten, der Heros wird vergöttlicht, und es entsteht ein Heldenkult als Merkmal des sakralen Heroismus.«193 Diese Vorstellungen bedürfen für den Politologen ­Herfried Münkler Symboliken, die den bloßen Tod in ein ­heroisches Opfer verwandeln; charakteristisch für heroische Gesellschaften sei daher die »Fähigkeit zur sinnhaft-symbolischen Aufladung des Todes«.194 Hitler hatte immer im Blick gehabt, dass sein Vorhaben misslingen könne. 1936 äußerte er, es gebe für ihn »zwei Möglichkeiten: Mit meinen Plänen ganz durchkommen oder zu scheitern. Komme ich durch, dann werde ich einer der Größten der Geschichte – ­scheitere ich, dann werde ich verurteilt, verabscheut und verdammt werden.«195 Da sich Heldentum erst im Selbstopfer vollendet, hielt ihn das am Ende stehende Scheitern der Helden Wagners keineswegs von der Identifikation ab – nach Albert Speer hatte er eine besondere Vorliebe für gescheiterte Helden wie Rienzi, Holländer, Siegfried oder auch für den verratenen König von Hanns Johst, den er damals auf der Bühne gesehen hatte, und dem Architekten kam es rückblickend so vor, als habe der Diktator sich darin wiedererkannt.196 Wie Hitlers Bild des Heroischen mit den populären Darstellungen verbunden war, machen seine Versuche deutlich, diese zu imitieren. Mit dem sichtlichem Bemühen um poetisierende Überhöhung beschreibt er in Mein Kampf eine »feuchte, kalte Nacht in Flandern, durch die wir schweigend marschieren, und als der Tag sich dann aus den Nebeln zu lösen beginnt, da zischt plötzlich ein eiserner Gruß über unsere Köpfe uns entgegen und schlägt in scharfem Knall die kleinen Kugeln zwischen unsere Reihen, den nassen Boden aufpeitschend; ehe aber die kleine Wolke sich noch verzogen, dröhnt aus zweihundert Kehlen dem ersten Boten des Todes das erste Hurra entgegen. Dann aber begann es zu knattern und zu dröhnen, zu singen und zu heulen, und mit fiebrigen Augen zog es nun jeden nach vorne, immer schneller, bis plötzlich über Rübenfelder und Hecken hinweg der Kampf einsetzte, der Kampf Mann gegen Mann. Aus der Ferne aber drangen die Klänge eines Liedes an unser Ohr und kamen immer näher und näher, sprangen über von Kompanie zu Kompanie, und da, als der Tod gerade geschäftig hineingriff in unsere Reihen, da erreichte das Lied auch uns, und wir gaben es nun wieder weiter: Deutschland, Deutschland über alles, über alles in der Welt!«197 Ob das von Hitler beschriebene Ereignis zutrifft, ist fraglich – man hat später herausgefunden, die damals verbreitete Ansicht, das

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Regiment habe beim Sturm auf Ypern das »Deutschlandlied« gesungen, sei falsch gewesen; es habe sich um »Die Wacht am Rhein« gehandelt.198 Neben dem Heldenkult und den in dieser Zeit weit verbreiteten Untergangsfantasien kann man hinter der nationalsozialistischen Todesverherrlichung auch eine an der populären Kultur geschulte Vorstellung vermuten, die ­suggeriert, dass das Sterben nichts Schreckliches sei. Im NS-Film wird das Sterben häufig als ein sinnliches Ereignis inszeniert, als eine Art von Happy End: Im Zusammenhang mit Veit Harlans Film Opfergang (1944), an dessen Schluss die kranke Protagonistin Aels in ein beglückendes Delirium fällt und einen »schönen Tod« stirbt, sprach Joseph Goebbels von »Todeserotik«.199 Dabei werden Tod und Sterben, wie neuere Untersuchungen zeigen, nicht erst in der »orgasmusähn­lichen Todesszene« mit »Lebensintensität, Sinnlichkeit und sexueller Erregung verbunden«.200 Der »unernste, süßliche, theatralische Umgang mit dem Tode«201 ist charakteristisch für das Melodram und die damit eng verbundene roman­tische Oper: Selbst der Untergang der alten Welt in der Götterdämmerung hat mit seiner musikalischen Verklärung etwas Versöhnliches. Die Vorbilder Wagners sind in der französischen und italienischen Oper zu suchen, mit der er unter anderem durch seinen Tätigkeiten als Kapellmeister und Arrangeur vertraut war. Das Katastrophenfinale gehörte nicht erst seit dem spektaku­lären Vesuvausbruch am Schluss von Daniel François Esprit Aubers La Muette de Portici (1828) zum Inventar der Grand opéra, an der sich ­Wagner bekanntlich lange orientierte. Ein Liebestod wie der in Tristan und Isolde verweist auf die italienische Oper, in der das Sterben der Protagonisten die Komponisten gewöhnlich zu den Szenen mit der größten Intensität angehalten hat; so opfert sich in Vincenzo Bellinis Norma (1831), von der der junge ­Wagner begeistert war, die Titelheldin für ihre Konkurrentin um die Liebe des römischen Feldherrn Pollione und besteigt mit ihm gemeinsam den Scheiterhaufen. Hitler liebte nicht nur die großen, den Tod verherrlichenden Finalszenen Wagners in Tristan und Götterdämmerung, sondern bezeichnenderweise auch das große Schlussduett von Giuseppe Verdis Aida. Wenn er in abendlicher Runde auf dem Berghof wünschte »Aida, letzter Akt«, dann war dies den regelmäßigen Gästen so vertraut, dass sie dem Diener die Katalognummer zurufen konnten: »Platte einhundertsowieso.«202 In dieser Szene lässt sich Aida mit ihrem zum Tod verurteilten Geliebten Radamès lebendig einmauern; beide sterben einen musikalisch hochgradig verklärten Liebestod. Der nationalsozialistische Totenkult stilisierte Personen wie den zwielichtigen SA-Sturmführer Horst Wessel, der vermutlich wegen eines Streites im Rotlichtmilieu von einem KPD-Mann erschossen worden war, und die Toten des Putsches von 1923 zu »Blutzeugen der Bewegung«. »Zeuge« war eine Eindeutschung des

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Begriffs »Märtyrer«, was auf pseudoreligiöse Vorstellungen verweist: Als Märtyrer werden bekanntlich Menschen bezeichnet, die wegen ihres christlichen Glaubenszeugnisses verfolgt werden. Allerdings hatte der Hitler-Putsch jeglichen Heroismus vermissen lassen. Der Demonstrationszug der ­Putschisten war nach einem kaum 60 Sekunden währenden Feuergefecht mit der bayerischen Polizei auf dem Münchner Odeonsplatz zusammengebrochen. Im Fallen riss der tödlich getroffene Max Erwin von Scheubner-Richter den untergehakten Hitler mit zu Boden, der sich dabei die Schulter ausrenkte, aber aus der Schusslinie geriet. Da die Parteiführung sich augenblicklich duckte, trafen die darauffolgenden Schüsse die einfachen Gefolgsleute, aus deren Reihen die restlichen Toten stammten. Im allgemeinen Durch­einander gelang Hitler die Flucht, was man durch die rasch widerlegte Legende zu k­ aschieren versuchte, er habe ein hilfloses Kind weggetragen. Einzig General Erich Ludendorff schritt aufrecht durch die Postenkette der Polizei, und »es ist nicht ausgeschlossen, daß der Tag tatsächlich anders geendet hätte, wenn ihm eine kleine Gruppe entschlossener Männer gefolgt wäre; doch niemand ging ihm nach«.203 Dem Mythen­bildner Hitler gelang es, das blamable Desaster umzudeuten und die 16 sinnlos Gestorbenen in Märtyrer zu verwandeln, die sich einer großen Sache geopfert hatten. Wie es in einer 1938 veröffentlichten Biografie ­Scheubner-Richters heißt, fiel dieser »an der Seite Adolf Hitlers, im Kleid des Soldaten, mit dem Eisernen Kreuz auf der Brust« und in dem Glauben: »Der heldische Tod ist des Deutschen bestes Ende.«204 Den Medien im »Dritten Reich« wie Filmen und R ­ adiosendungen war ­generell »ein auf Dauer gestellter hymnischer Ton« eigen, »ein kaum moduliertes Pathos, eine hoch geschraubte Emotional­ität, die keine Mittellage, keine Ruhepausen kennt« und die den Eindruck einer »Hochspannung in Permanenz« erweckt.205 Dass manche dies mit ­Wagner ­assoziierten, macht die Bemerkung eines amerikanischen Gefängnispsychologen über Hermann Göring deutlich: Dieser memorierte seinen Auftritt bei den Nürnberger Prozessen, und man »konnte sich fast einbilden, er spräche den Text zu irgendeiner ­Wagner-Musik«.206 Wagners Musik oder an ihr orientierte Neukompositionen waren ideal geeignet, derartige Bilder zu illustrieren. Die Trauerfeier für den 1942 bei einem mysteriösen Flugzeugabsturz ums Leben gekommenen Rüstungsminister Fritz Todt macht dies exemplarisch deutlich. Dem Rückblick auf Todts Wirken wird pathetische Musik unterlegt, die die gezeigten Bilder als heroische Taten überhöht, anschließend untermalt ein Trauer­marsch den feierlichen Transport des Leichnams in die Neue Reichskanzlei. Auf dem Höhepunkt der sorgfältig komponierten Zeremonie ist der Trauermarsch aus der Götterdämmerung zu hören; Feuer, Fahnen und Formationen des Militärs sind wie in einem Operntableau angeordnet, dazwischen

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agiert der »Führer«, der dem Toten die letzte Ehre erweist. Wagners Musik endet mit dem Hinaustragen des Sarges aus der Festhalle, wobei die daran anschließende Überführung zum Invalidenfriedhof ihre große Wirkung daraus bezieht, dass – für die Wochenschau ganz ungewöhnlich – überhaupt 6 Trauerfeier für Fritz Todt keine Musik erklingt. Der symbolisch aufgeladene und außerordentlich wirkungsmächtige Trauermarsch für den verblichenen Siegfried blieb bestimmten Anlässen vorbehalten. Im Juli 1937 hatte Hitler angeordnet, »daß der Nibelungenmarsch in Zukunft allein Veran­staltungen auf dem Reichsparteitag vorbehalten ist. Er ist deshalb bei anderen Veranstaltungen nicht zu spielen.«207 SCHLUSS

Ausschnitte aus Wagners Werken oder stilistisch verwandte Neukompo­sitionen hoben durch ihren hohen Ton das Gezeigte in die Sphäre des Großen und Hoheitsvollen. Gerade Wagners Kunst war hierfür besonders geeignet, die auf Friedrich Nietzsche wie »ein Vergrößerungsglas [wirkte]: man sieht hinein, man traut seinen Augen nicht – alles wird groß«.208 Die Ballettmusik aus dem zweiten Akt von Rienzi unterlegt beispielsweise Wochenschaubilder vom gemeinsamen Besuch Hitlers und Benito Mussolinis an der Ostfront 1941, die Rienzi-Ouvertüre ein Zusammentreffen Hitlers mit Mussolini im darauf folgenden Jahr; Musik aus Lohengrin illustriert Hitlers Besuch der beim Attentat vom 20. Juli 1944 verwundeten Militärs. Anknüpfend an nationalsozialistische Praktiken – und auch an deren Karikatur in Charlie Chaplins Spielfilm The Great Dictator (1940), dient Wagners Musik in der heutigen Popkultur gern als Chiffre für Faschismus und Militarismus. Dies hält das Bild des vermeint­ lichen »Nazikomponisten« selbst bei denen wach, die weder mit ­Wagner noch mit Hitler vertraut sind. Dem Vorbild der deutschen Wochenschau folgend, die Bilder der Luftlandeoperation zur Besetzung ­Kretas mit dem »Walkürenritt« illustriert hatte, lässt etwa ­Francis Ford Coppola in einer der bekanntesten

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Szenen der Filmgeschichte einen amerikanischen Hubschrauber­angriff auf ein vietnamesisches Dorf in ­Apocalypse Now (1979) von diesem Stück begleiten. »Das Bild, das wir heute vom National­sozialismus haben, geht in vielen Facetten auf eine Skizze zurück, die die Nazis selbst entworfen haben«, scheint es dem Soziologen Harald ­Welzer, der ein weites Hinein­reichen der nationalsozialistischen Vergangenheit in die Gegenwart auf der wissenschaftlich schwer zu fassenden Ebene der Bilder beobachtet, die auch durch die Absicht kritischer Präsentation im Bewusstsein gehalten werden. Dabei handele es sich nicht um zufällige Eindrücke, »sondern präzise komponierte Bilder, die die Nazis selbst inszeniert haben«.209 Dazu zählen die bekannten Bilder aus Bayreuth mit dem umjubelten »Führer«, der die Huldigungen der Volksmassen entgegennimmt, das mit Hakenkreuzfahnen geschmückte Festspielhaus, das aus den ­Wagner-Festspielen »Hitler-Festspiele« machte, und das Verhalten der Mitglieder der ­Wagner-Familie, die mit dem Diktator posieren. Trotz aller Vereinnahmungen und Verfremdungen, die Wagners Leben und Werk als Projektionsfläche völkischer Bewegungen erfuhr, ist allerdings nicht zu übersehen, dass vieles von dem, was ihn zu einem Idol nationalistischer Bewegungen machte, zumindest in Ansätzen bei ihm angelegt ist. Thomas Mann schien es bekanntlich 1949, es sei »viel Hitler in ­Wagner«.210 Die Isolierung eines geistigen Bandes zwischen ­Wagner und Hitler erweist sich aber schon deswegen als schwer durchführbar, weil beide auf jeweils ihre Weise an ähnlichen Diskursen über das Deutschtum partizipierten. Der Komponist nahm von allen Seiten modische Ideen auf; der Diktator bezog sein Wissen vielfach aus populären Medien wie Zeitungen und Broschüren oft dubioser Autoren. Einseitig ausgewählte Gedanken Wagners, bei denen die »sozialistische« Zeit ausgeklammert wurde, gehörten in vergröberter Form zum völkischen Allgemeingut und bezogen Aktualität durch die Einbettung in allgemeine nationale und antisemitische Kontexte, die einer mächtigen Symbolfigur bedurften. Im Kaiserreich schlossen sich Wagners Musikdramen eng an den Nationaldiskurs an durch die germanischen und mittelalterlichen Stoffe und durch die nationale Rhetorik des Komponisten – sei sie tatsächlich patriotisch gemeint gewesen oder lediglich als ein Verkaufstrick gedient. Die Werke haben schon in ihrer Entstehungszeit zu ganz gegensätzlichen Deutungen angeregt, und George Bernard Shaw zeichnete in einer brillanten Analyse den Ring des Nibelungen als eine Parabel auf die Zustände der Moderne, die moderne Kostüme erfordere, »Zylinder statt Tarnhelmen, Fabriken statt Nibelheimen, herrschaft­liche Villen statt Walhall«;211 die Tetralogie sei eigentlich ein Drama der Gegenwart und nicht eines aus ferner und sagenhafter Vorzeit. Wie Hitler die Opern ­Wagners im Detail gesehen hat,

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muss großenteils der Gegenstand von Spekula­tionen bleiben; vermutlich wichen seine Anschauungen in vielem von denen der ­modernen ­Wagner-Exegese ab. Helden wie Siegfried scheint er, glaubt man der von August Kubizek geschilderten Begeisterung des jungen Hitler für die germanische Sagenwelt, im Zusammenhang mit den dort gängigen Darstellungen gesehen zu haben. Anzunehmen ist, dass Hitler sich, wie viele andere auch, in dem klassischen Konflikt des einem eigenen Gesetz unterworfenen Außen­seiters mit der starren Gesellschaft wiedererkannte – der bürgerlichen Karriere, die der Vater für ihn beim Zoll vorgesehen hatte, setzte er das Wunschbild des genialen Künstlers entgegen. Als dessen Prototyp bot ihm der gesellschaftliche Kontext im deutschsprachigen Österreich um 1900 den zum Denkmal petrifizierten Richard ­Wagner an. Dabei begeisterte sich Hitler für das von den Völkischen idealisierte Bild, nicht für das tatsächliche Wesen des »schnupfende[n] Gnom[s] aus Sachsen mit dem Bombentalent und dem schäbigen Charakter«,212 als den ihn Thomas Mann bloßstellte. Zwar müsse man dem Antisemiten ­Wagner mit Jens Malte Fischer zur Last legen, »mit dem Gewicht seiner weltweiten Berühmtheit einer schändlichen Gesinnung Umriß und Stimme gegeben« und »eine Bierkellerideologie zur Salon- und Kulturfähigkeit geadelt« zu haben.213 Von hier aus eine direkte Linie zum Holocaust zu ziehen ist dennoch mehr als zweifelhaft. Mit aller Vorsicht, die Deutungen von Hitlers Denken angesichts seines Hanges zur Stilisierung seiner eigenen Person immer eigen sein muss, muss man konstatieren, dass sich beim Nebeneinanderlegen der Quellen der ­Wagner-Begeisterung und der Genese seines Antisemitismus direkte Verbindungen nicht aufdrängen in dem Sinne, dass die Judenfeindschaft des Komponisten unmittelbar vorbildhaft für seine eigene war. Die wesentlichen Auslöser für Hitlers Judenhass scheinen die Ereignisse nach dem Ersten Weltkrieg und die Erfahrung der Münchner ­Räterepublik gewesen zu sein, durch die sich in vielen Köpfen die Vorstellung etablierte, Judentum und Bolschewismus seien untrennbar miteinander verwoben. Den Verdacht, ­Wagner könne via Hitler am Holocaust mitschuldig sein, hatte 1941 der amerikanische Historiker Peter Viereck auf den Komponisten gelenkt, als er die nationalsozialistische Weltanschauung in den Kontext der deutschen Geistesgeschichte stellte und dabei das Bild Hitlers als das eines »Schülers« von ­Wagner entwarf.214 Die umfassendste Auseinandersetzung mit dieser Frage hat ­Joachim Köhler mit Wagners Hitler. Der Prophet und sein Vollstrecker vorgelegt, die die kursierenden Thesen zusammenfasste und polemisch überspitzte. Die Monografie, die auch in englischer Übersetzung erschien, wurde von der Fachwelt fast einhellig verrissen. Joachim Fest bekam den Eindruck, Arbeiten wie diese »entstammten eher einem starken Affekt als einer zureichenden Kenntnis der Zusammenhänge«.215

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Die weite Verbreitung, die derartige Thesen dennoch in der breiten Öffentlichkeit gefunden haben, ändert nichts daran, dass sie vielfach von fragwürdigen Voraussetzungen ausgehen. Köhler entwirft ähnlich konstruierte Verschwörungs­ theorien, wie sie ­Wagner und andere Antisemiten über »die Juden« in Umlauf setzten, und kommt zu dem Schluss, ­Wagner und seine Bayreuther Erben seien die eigentlichen Drahtzieher des nationalsozialistischen Vernichtungswerks gewesen. Zur Unterfütterung seiner Thesen greift er vielfach auf Stilisierungen zurück, mit denen die Nationalsozialisten ihre Verbindung zu ­Wagner überhöhten. Er scheut selbst vor kruden Assoziationen nicht zurück wie der, das Hochtragen von Hitlers Leichnam aus dem Führerbunker, in dessen engem Treppenhaus man gar nicht anders als hintereinander gehen konnte, sei eine »Prozession« gewesen, und »auch der gefällte Siegfried war, in Wagners G ­ ötterdämmerung, zu den Klängen des ›Trauermarschs‹ in einer solchen Prozession von der Walstatt getragen worden«.216 Der Doppelselbstmord mit Eva Braun gemahnt ihn an das, was der Diktator »bei Wagners sterbenden Paaren gelernt hatte. Ob der Holländer mit Senta, Tannhäuser mit Elisabeth oder Tristan mit Isolde, sie alle hatten, erst im Tode vereint, das ›weite Reich der Weltennacht‹ gemeinsam betreten.«217 Hitler hatte allerdings gar nicht an ein gemeinsames Ende gedacht, sondern Eva Braun zum Verlassen Berlins gedrängt.218 Der Beziehung zu seiner Gefährtin eine metaphysische Dimension wie Tristan und Isolde beizulegen erscheint unpassend. Auf den Einwand seiner Sekretärin, dass Eva Braun nicht die Richtige für ihn sei, entgegnete Hitler, das wisse er: »Aber sie genügt mir!«219 Nicht jede Gemeinsamkeit von ­Wagner und Hitler ist tatsächlich Ausweis einer geistigen Verbindung. Man könnte beispielsweise vermuten, dass Hitlers Vorliebe für den Namen »Wolf« – den er sich in den 20er-Jahren als Inkognito zugelegt hatte und den er unter anderem im Kontakt mit der Familie ­Wagner verwendete – auf diejenige in der Walküre zurückgeht, wo er als Tarnname Wotans Verwendung findet. Hitler leitete »Wolf« aber von »Aarwolf« ab, wobei es sich seiner Ansicht nach um eine Form von »Adolf« handelte.220 Köhler geht von der zentralen Annahme aus, »Hitlers historisch gewordener Vernichtungsfeldzug gegen die Juden war Teil seiner ­Wagner-Liebe: Er musste die Juden hassen, weil er den Mann liebte, der die Juden hasste. Und es gab hier auch keinen Lernprozess, keine vermittelnde Anpassung an die Wirklichkeit, da Wagners Werk abgeschlossen war und damit unabänderlich feststand. Es galt nur noch, den Auftrag zu vollstrecken.«221 Der These kann man entgegen­halten, dass die Perspektive des Holocausts als konsequente Umsetzung eines seit Langem vorgefassten Gesamtplans heute als eine Überschätzung des National­sozialismus gewertet wird, dessen Ideologie von »Standpunkt­wechseln,

Schluss  |

Vagheit, Uneindeutigkeit und Widersprüchlichkeit«222 geprägt war. Für den ­Holocaustforscher Raoul Hilberg war 1933 noch nicht absehbar, was 1938 geschah, und 1938 hätte kaum jemand vorhersagen können, was 1942 geschah.223 Zu fragen ist außerdem, ob Hitler tatsächlich in die Kategorie derjenigen fällt, die blind Anweisungen Wagners folgten, auch wenn er beiläufig erklärte: »Wie habe ich nach der Jahrhundertwende jede ­Wagner-Aufführung genossen! Wir, die zu ihm standen, hießen Wagnerianer, die anderen hatten keinen Namen.«224 Mit den in ­Wagner-Vereinen organisierten Wagnerianern, die die Äußerungen des »­Meisters« als sakrosankt ansahen und die jede Abweichung von seinen Anweisungen mit fundamentalistischem Eifer geißelten, hatte Hitler wenig gemein. Während die ­Wagner-Orthodoxie vehement gegen die Neuinszenierung von P ­ arsifal im Jahr 1934 agitierte, förderte ­Hitler gezielt den Bruch mit der Aufführungstradition. Die Wagnerianer wären erst recht entsetzt gewesen, hätten sie von Hitlers Plänen für einen monumentalen Neubau des Bayreuther Festspielhauses gewusst. Mit dem Entwurf 7 Entwurf des neugeplanten Festspielhauses von Emil Mewes hatte er bereits den Architekten Emil Mewes beauftragt, der auch für die Planung des Wolfsburger VW-Werks zuständig war; von dieser Idee war selbst Winifred ­Wagner nicht begeistert, die eine Änderung der Planung anregte, wonach das alte Gebäude in das neue integriert werden sollte.225 Der Diktator war viel zu sehr von der Vorstellung seiner eigenen Größe erfüllt, um sich irgendwelchen Vorgaben anderer unterzuordnen. Bereits 1923 notierte Dietrich Eckart einen »Messiaskomplex« Hitlers, der verkündet hatte: »Wenn ich nach Berlin komme, dann wird es so sein wie damals, als Christus in den Tempel kam und die Wechsler davonjagte!«226 Er erklärte gelegentlich, er wolle als ein Mann in die Geschichte eingehen, »wie es ihn in der Welt noch nie gegeben« habe. Es sei sein Lebensziel, sich auf vierfache Weise einen Namen zu machen, »als Programmatiker, der mehr von den Übeln der Welt begriffen habe als andere, als erfolgreicher Staatsmann, als Förderer und sogar Begründer der Künste einschließlich der Baukunst sowie dereinst als unbezwinglicher Feldherr«. Die meisten großen Männer der Vergangenheit hätten sich nur auf einem dieser Felder ausgezeichnet, Friedrich der Große und Napoleon als herausragende Ausnahmen auf zweien. Auf allen vier Gebieten Ruhm zu erringen sei keiner

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bedeutenden Gestalt der Geschichte vergönnt gewesen; das werde, da sei er sich sicher, erst von ihm erreicht werden. Er wollte einen neuen Maßstab setzen.227 Obwohl Hitler viel las, sah er die Überzeugungskraft von Geschriebenem als gering an. Seiner Ansicht nach waren »alle gewaltigen, weltum­wälzenden Ereignisse nicht durch Geschriebenes, ­sondern durch das gesprochene Wort« herbeigeführt worden, das mehr Überzeugungskraft habe, da es »Widerstände des Gefühls« brechen könne.228 Dies macht deutlich, dass allein die Methode des Vergleichs von ideologischen Texten, die dem wissen­schaftlichen Diskurs besonders nahe zu liegen scheint, einer Untersuchung von Hitlers Denken nicht gerecht werden kann. Auch ­Wagner erfasste er nicht primär intellektuell-rational, wie es die in der ­Wagner-Forschung verbreitete Spekulation über etwaige Subtexte nahelegt, die der Diktator aus den Werken und Schriften des Komponisten herausgelesen haben mag. Eine natürliche Affinität hatte Hitler zum Theatermann ­Wagner. Noch als Diktator verglich er sich selbst mit einem Theaterakteur. »Die Menge sieht jeden meiner Schritte. Der Führer muß die Massen mitreißen wie ein Schauspieler – seine Kleidung, seine Mimik und seine Gesten – alles ist wichtig.«229 Für den späteren Bundespräsidenten Theodor Heuss, der 1932 eine viel beachtete Studie über der Nationalsozialismus vorlegte, war »Hitlers Beitrag zu den gedanklichen Elementen seiner Bewegung […] gering – was er ihr lieh, war das Temperament, die vollkommene agitatorische Hingabe und der Propaganda­stil«.230 Völkischantisemitisches Gedankengut boten auch andere Parteien, aber die NSDAP bot die zeitgemäße Variante. André François-Poncet schien es, neben den dynamischen SA-Leuten wirkten die Mitglieder der paramilitär­ischen Konkurrenzorganisation »Stahlhelm« »wie Veteranen einer anderen Zeit«.231 Hitlers Fähigkeiten zur Veräußerlichung von Politik waren in erheblichem Maße durch die Auseinandersetzung mit dem Musiktheater geprägt; nicht nur versuchte er selbst in wirtschaftlich schwierigen Lebenslagen so oft wie möglich Aufführungen zu besuchen, die Oper bot mit ihren zahlreichen Voraus­setzungen wie Bühnentechnik, Bühnenbildern und Kostümen auch einen Rahmen, an dem er seine eigenen künstlerischen Ambitionen abarbeiten und zugleich schulen konnte. Ludolf Herbst scheint es, der Diktator habe »so etwas wie eine heroische Weltsicht« internalisiert und gelernt, »wie diese heroische Weltsicht inszenierbar ist. Dabei lernte er nicht nur die Helden auf der Bühne kennen und die Inszenierungskünste und -techniken, denen sie ihren Erfolg verdanken, sondern auch das Publikum.« Selbst Teil des Publikums, vermochte er sich die Perspektive des Publikums zu eigen zu machen, was »ihn möglicher­weise dazu brachte, vorwiegend auf äußere Wirkung, auf das Szenario zu achten und Inhalte zu vernachlässigen«.232

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Heuss 1932, S. 27. Paul 1990, S. 25. Friedländer 2007, S. 22. Das Tagebuch vom 26. März 1927. »Der Klavierlehrer des Führers«, Bundesarchiv Berlin, NS 26/16. Josef Wendt (Prewatzky), »Meine Erinnerungen an meinen Klavierschüler Adolf Hitler« vom 17. November 1938, Bundesarchiv Berlin, NS 26/65. Kubizek 2002, S. 196. Hamann 2002, S. 84. Jetzinger 1956, S. 131f. Deutsche Worte vom 1. März 1883. Bekker 1924, S. IX. Mann 2005, S. 312. Zelinsky 1976, S. 281. Ebd., S. 280. Glasenapp/Stein 1883, S. 64. Elisabeth Wölfel an Adolf ­Wagner vom 31. Mai 1942. Bayerisches Hauptstaatsarchiv M ­ ünchen, MK 40973. Goebbels, Tagebuch vom 24. Juli 1937. Frank 1955, S. 253. Zitiert nach Behrenbeck 1996, S. 23. Hitler 1933, S. 127. Behrenbeck 1996, S. 21. Speer 1978, S. 30f. Speer 1969, S. 109. Geck 2010, S. 365. Zelinsky 2000, S. 335. Fest 2000, S. 24ff. Vaget 2000, S. 265. ­Wagner 1994, S. 76. Ziegler 1964, S. 70. Hitler 1980, S. 1032. Grieswelle 1972, S. 173. Ebd., S. 173f. Rede Adolf Hitlers zur Eröffnung des Hauses der Deutschen Kunst in München am 18. Juli 1937. Vaget 2000, S. 270. Brockhaus 1995, S. 87. Klemperer 2007, S. 194.

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|  Anmerkungen

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Behrenbeck 1996, S. 101ff. Bayerische Staats-Zeitung vom 1. August 1933. Zitiert nach ­Wagner 1994, S. 76. Ehrenfels 1931, S. 8. Brockhaus 1997, S. 34f. Nietzsche 1983, S. 102ff. Sponheuer 1997, Sp. 26, 34. Hitler 1933, S. 4. Speer 1969, S. 35. Gamm 1962, S. 188. Fest 1973, S. 29. Schaub 2010, S. 319. Hanfstaengl 1970, S. 270. Schacter 2001, S. 23. Maser 1978, S. 241f. Junge 2002, S. 93. Speer 1969, S. 60. Dodd 2005, S. 356. Picker 1989, S. 404. Beidler 1997, S. 414. Giesler 1977, S. 486. Schulz 1997, S. 98. Zoller 1949, S. 19. Dietrich 1955, S. 149. Below 1980, S. 82. Speer 1969, S. 104. Picker 1989, S. 133, 163. Hamann 1998, S. 279. Kershaw 2000, S. 10. Hitler 1980, S. 53.

LINZ 1 2

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Hitler 1933, S. 15. Brief August Kubizeks an Franz Jetzinger vom 28. Juni 1949 (Oberösterreichisches Landes­ archiv, Nachlass Jetzinger). Die Tages-Post brachte einen ausführlichen Nachruf auf Alois Hitler und meldete den Tod Klara Hitlers. Zitiert nach Soriat 2004, S. 130. Hitler 1933, S. 106. Wladika 2005, S. 192. Pichl 1940, S. 203. Jetzinger 1956, S. 110.

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8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50

Rabitsch 1938, S. 42f. Ebd., S. 45. Giesler 1977, S. 214. Das Vaterland vom 10. März 1888. Ebd. Alldeutsches Tagblatt vom 10. Nebelung 1907. Picker 1989, S. 211. Ebd., S. 202. Hitler 1933, S. 127. Ebd., S. 129. Alldeutsches Tagblatt vom 12. Ostermond 1908. John 1992, S. 118. Burr Burkey 1993, S. 21. Rattner 1984, S. 241f. ­Wagner 2008, S. 735. Hamann 2008, S. 44. Alicke 2008, II, Sp. 2539. Embacher 1992, S. 77. Halbach 2009, S. 272. Linzer Volksblatt vom 2. Februar 1904. Burr Burkey 1993, S. 274. Alicke 2008, Band 2, Sp. 2540. Thumser 2003, S. 93. John 1992, S. 123. Pichl 1913, S. 162. Zitiert nach Soriat 2004, S. 135. Pichl 1923, S. 586. Alldeutsches Tagblatt vom 20. Brachmond 1908. Wladika 2005, S. 10f., 57. Linzer Volksblatt vom 6. März 1901. Hamann 1998, S. 339f. Pichl 1940, S. 146f. ­Wagner 1976/1977, Band 2, S. 424, Eintrag vom 11. Oktober 1879. Neumann 1907, S. 139. Hervorhebung von ­Wagner. Katz 1985, S. 178. Ebd., S. 181. Neue Freie Presse vom 6. März 1883. Pichl 1913, S. 341. Das Vaterland vom 7. März 1883. Neue Freie Presse vom 7. März 1883. Zitiert nach Soriat 2004, S. 167. Jütte 2009, S. 129. Rose 1999, S. 278.

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|  Anmerkungen

51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93

Kolland 1984, S. 129. Adorno 1964, S. 23. Fischer 2000, S. 85ff. Katz 1985, S. 76. Fischer 2000, S. 27f. Aly 2011, S. 64ff. Fischer 2000, S. 34. Aly 2011, S. 90. Ebd., S. 117. Zitiert nach Fischer 2000, S. 303. ­Wagner 2000, Band 1, S. 378 Ebd., S. 380. Fischer 2000, S. 73. ­Wagner 2000, Band 2, S. 176. Zitiert nach Fischer 2000, S. 271. Weininger 1903, S. 406. Ebd., S. 408. Unverfälschte Deutsche Worte, Heft 9 (1908), S. 171. Zitiert nach Soriat 2004, S. 130f. ­Wagner 1976/1977, Band 2, S. 925, Eintrag vom 5. April 1882. Katz 1985, S. 102. Fischer 2000. Katz 1985, S. 117ff. Zitiert nach Fischer 2000, S. 233f. Ebd., S. 307. Bauer-Lechner 1984, S. 122. Bekker 1924, S. 536. Adorno 1964, S. 19. Weiner 2000. Rose 1999, S. 263. Ebd., S. 255f. Danuser 2000, S. 92. Ebd., S. 89. Zitiert nach Fischer 2000, S. 130. Alldeutsches Tagblatt vom 1. Hartung 1910. Kubizek 2002, S. 82f., 184. Soriat 2002, S. 123. Hitler 1933, S. 10ff. Koref 1980, S. 226. Kipper 2002, S. 95ff. Heim 1982, S. 377. Kipper 2002, S. 16. Ebd., S. 33. Dahn o. J., S. 40.

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Tacitus 1876, S. 9. Ebd., S. 23. Ebd., S. 27. Aly 2011, S. 187. Kipper 2002, S. 272. Picker 1989, S. 173. Ebd., S. 93. Ebd., S. 101. List 1908, S. 1. Chamberlain 1903, S. 463. Ebd., S. 504. Ebd., S. 47. Kipper 2002, S. 222. Chamberlain 1903, S. 464. Ebd., S. 212ff. Picker 1989, S. 80. Hamann 1998, S. 302. List 1891, S. 18. Hamann 1998, S. 303. Kipper 2002, S. 339. Alldeutsches Tagblatt vom 12. Hornung 1908. Picker 1989, S. 396. Linzer Volksblatt vom 6. März 1902. Nachruf in der Tages-Post vom 8. Januar 1903. Wimmer 1959, S. 58. Linzer Volksblatt vom 6. März 1902. Deutsche Worte vom 1. April 1883. Unverfälschte Deutsche Worte vom 1. September 1886. Alldeutsches Tagblatt vom 1. Hartung 1910. Ludwig 1913, S. 201. Linzer Volksblatt vom 17. Oktober 1902. Geck 2012, S. 112. Ebd., S. 83. Der Brief ist als Faksimile abgedruckt in: High Fidelity (1975), Heft 12, S. 70 – 72. Schüler 1971, S. 23. Zitiert nach Mann 2005, S. 20. Ebd. Reuth 2009, S. 231. Beidler 1997, S. 284. Linzer Volksblatt vom 16. September 1900. Tages-Post vom 5. November 1901. Tages-Post vom 6. Oktober 1901. Linzer Volksblatt vom 6. Oktober 1901.

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|  Anmerkungen

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Tages-Post vom 6. Oktober 1901. Mitteilung des Magistrats der Landeshauptstadt Linz, Archiv, Abteilung Archivierung. Huemer 2008, S. 59ff. Tages-Post vom 20. März 1903. Eisenberg 1903, S. 1125. Tages-Post vom 20. März 1903. Linzer Volksblatt vom 27. September 1901. Dank für den Hinweis geht an Jeanne Abrams (Penrose Library and Center for Judaic ­Studies, University of Denver). ­Wagner 2008, S. 1400. Koref 1980, S. 136f. ­Wagner 2008, S. 1404. ­Wagner 2008, S. 310. Hamann 2002, S. 452. Zitiert nach Hamann 1998, S. 39. Zitiert nach Joachimsthaler 2003, S. 274. Hitler 1933, S. 54f. Tages-Post vom 8. Januar 1903. Wiener Sonn- und Montags-Zeitung vom 18. September 1933. Heiden 1936, S. 21. Hamann 2008, S. 95. Jetzinger 1956, S. 145. Institut für Zeitgeschichte, Zeugenschrifttum online, Franz Jetzinger. Bauernfeld 1887, S. 52. Hamann 2008, S. 450. Kubizek 2002, S. 18. Ebd., S. 21. Ebd. August Kubizek an Franz Jetzinger vom 19. Juni 1949. Oberösterreichisches Landesarchiv Linz, Nachlass Jetzinger. August Kubizek an Franz Jetzinger vom 20. Dezember 1948. Oberösterreichisches Landesarchiv Linz, Nachlass Jetzinger. August Kubizek, 1. Fassung, S. 47. August Kubizek an Franz Jetzinger vom 28. Juni 1949. Oberösterreichisches Landesarchiv Linz, Nachlass Jetzinger. August Kubizek an Franz Jetzinger vom 19. Juni 1949. Oberösterreichisches Landesarchiv Linz, Nachlass Jetzinger. Kubizek 2002, S. 99. Ebd., S. 94. Hamann 1998, S. 99. »It was, incidentally, under this friend’s influence that he became an admirer of ­Wagner.« Hanisch 1939, S. 298. Seine Bericht ist vielfach ungenau, so schreibt er, der Freund sei der

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Bruder von Hitlers großer Liebe (der »Linzer Stefanie«) gewesen; aus dem Kontext geht aber hervor, dass nur Kubizek gemeint sein kann. Speer 1978, S. 159. Heim 1982, S. 294. Wagener 1978, S. 142, 148. Gigli 1957, S. 264. Ebd., S. 249. Rede Hitlers vom 13. Juli 1929. Direktion Städtische Oper an Reichskanzlei vom 7. Oktober 1933. Bundesarchiv Berlin R 43-II/1251. Daten aus alten Notizbüchern. Bundesarchiv Berlin NS 26/2459 und NS 26/16. Persönliche Mitteilung von Dr. Reinhold Schlötterer (München) vom 2. Mai 2012. Kubizek 2002, S. 93. Tages-Post vom 6. Oktober 1901. Linzer Volksblatt vom 27. November 1901. Der Theater-Almanach verzeichnet »12 Aushilfsmusiker, die auch bei großen (besonders ­Wagner-) Opern zugezogen werden«. Neuer TheaterAlmanach 14 (1903), S. 434. Linzer Volksblatt vom 20. Januar 1907. Tages-Post vom 6. Oktober 1904. Kubizek 2002, S. 93. Linzer Volksblatt vom 6. März 1901. Kubizek 2002, S. 93. Ebd., S. 90. Linzer Volksblatt vom 4. Oktober 1903. Ebd. Ebd. Linzer Volksblatt vom 6. Dezember 1903. Linzer Volksblatt vom 8. Oktober 1905. Tages-Post vom 4. Oktober 1904. Tages-Post vom 14. April 1905. Neue Freie Presse vom 7. April 1906. Tages-Post vom 29. Oktober 1905. Linzer Volksblatt vom 21. April 1905. Linzer Volksblatt vom 20. Dezember 1904. Linzer Volksblatt vom 4. März 1905. Tages-Post vom 6. Januar 1905. Prager Tagblatt vom 3. Oktober 1905. Kubizek 2002, S. 115f. Hamann 1998, S. 40. Speer 1978, S. 136. Wagener 1978, S. 352. Ebd., S. 353.

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|  Anmerkungen

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211 212 213 214 215 216 217 218 219 220 221 222 223 224 225 226 227 228 229 230 231 232 233 234 235 236 237 238 239 240 241 242 243 244 245

Die letzte Vorstellung fällt zeitlich mit einer häufig zitierten Anekdote zusammen: Am 11. Februar hatte es Zeugnisse gegeben, und dasjenige Hitlers war miserabel ausgefallen, weswegen er nach eigener, vermutlich stark stilisierter Darstellung über die Stränge geschlagen hatte. Im Vollrausch, der der einzige in seinem Leben gewesen sei, hatte er das Zeugnis als Toilettenpapier verwendet, weswegen er um ein Duplikat nachsuchen musste. Dies sei so peinlich gewesen, dass er den Schwur getan habe, niemals mehr zu trinken. Heim 1982, S. 190f. Linzer Volksblatt vom 5. Januar 1905. Tages-Post vom 5. Januar 1905. ­Wagner 2000, Band 2, S. 19. Hanslick 1875, S. 276. Kubizek 2002, S. 92. [Linzer] Tagblatt vom 18. März 1950. Kubizek 2002, S. 225. Ebd., S. 296. Aussage Wilhelm Hagmüller, Oberösterreichisches Landesarchiv, Nachlass Jetzinger. Kubizek, 1. Fassung, S. 4. Ebd., S. 26f. Speer 1978, S. 144. Picker 1989, S. 109. Speer 1978, S. 145. Goebbels, Tagebucheintrag vom 27. Oktober 1943. Schroeder 1985, S. 106. Giesler 1977, S. 388. Brief des Reichsministers und Chefs der Reichskanzlei an den Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda vom 1. August 1941. Bundesarchiv Berlin, R 43-II/1253. Hans Heinrich Lammers an Oberbürgermeister Richard Imbt vom 25. Oktober 1940. Bundesarchiv Berlin, R 43 II/1243a. Goebbels, Tagebucheintrag vom 11. April 1934. Goebbels, Tagebucheintrag vom 18. April 1934. Goebbels, Tagebucheintrag vom 17. Dezember 1934. Goebbels, Tagebucheintrag vom 27. August 1935. Backes 1988, S. 14. Baumgarten, ohne Paginierung. Nachlass Paul Baumgarten, Landesarchiv Berlin. Loos 1999, S. 159. Ebd., S. 165. Speer 1978, S. 141. Welzer 1995, S. 178. Baur 1977, S. 85f. Zitiert nach Fest 1973, S. 181. Heim 1982, S. 341. Wiedemann 1964, S. 78. Hitler 1933, S. 12.

Einleitung  |

246 247 248 249 250 251 252 253 254 255 256 257 258 259 260 261 262 263 264 265 266 267 268 269 270 271 272 273 274 275 276 277 278 279 280 281 282 283 284 285 286 287 288

Speer 1978, S. 100. Zitiert nach Mann 2005, S. 145. Zitiert nach Hilmes 2009, S. 39. Zitiert nach Barth/Voss 1982, S. 334. Hanslick 1875, S. 221. Chamberlain 1904, S. 61. Schüler 1971, S. 100. Riehl 1891, S. 475. Schüler 1971, S. 53. Zitiert nach ebd., S. 55. Kessler 1935, S. 247. Behrenbeck 1996, S. 103. Chamberlain 1904, S. 61. Grieswelle 1972, S. 46. Zitiert nach Scheffler 1933, S. 28. Kubizek 2002, S. 75. ­Wagner 1976/1977, Band 2, S. 852, Eintrag vom 18. Dezember 1881. Ebd., S. 236f., Eintrag vom 22. November 1878. Schüler 1971, S. 73. Bermbach 2011, S. VII. Beidler 1997, S. 301. Ebd., S. 299. Ebd., S. 278f. Duncker 2009, S. 182. Chamberlain 1904, S. 216. Ebd., S. 220. Large 2000, S. 153. Chamberlain 1903, S. XXV. Ebd., S. XXf. Glasenapp/Stein 1883, S. 329. Zelinsky 2000, S. 335. Kubizek 2002, S. 84. Kubizek, 1. Fassung, S. 31. Ebd., S. 31f. Schroeder 1985, S. 75. Hitler 1933, S. 21. Ryback 2010, S. 174, 237. Riefenstahl 1987, S. 249. Hitler 1933, S. 37f. Heiden 1936, S. 33. Dietrich 1955, S. 163. Ebd., S. 24. Ebd., S. 164.

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|  Anmerkungen

289 290 291 292 293 294 295 296 297 298 299 300 301 302 303 304 305 306 307 308 309 310 311 312 313 314 315 316 317 318 319 320 321 322 323 324 325 326 327 328 329 330 331

Schaub 2010, S. 120. Riefenstahl 1987, S. 249. Institut für Zeitgeschichte, Zeugenschrifttum online, Friedrich Krohn. Hanfstaengl 1970, S. 52f. Ebd., S. 53. Ryback 2010, S. 305 – 307 Ebd., S. 166. Schaub 2010, S. 121. François-Poncet 1962, S. 98. Ebd., S. 409. Ebd., S. 98. Chamberlain 1904, S. 25. Ebd., S. 15. Ebd., S. 35. Hitler 1933, S. 2. Chamberlain 1904, S. 67. Ebd., S. 158. Ebd., S. 151. Ziegler 1964, S. 125. Chamberlain 1904, S. 222ff. Ludwig 1913, S. 7f. Mayer 1933, S. 291. Zitiert nach Gamm 1962, S. 174. ­Wagner 1994, S. 132. Vermerk vom 17. Februar 1939. Bundesarchiv Berlin, R 43-II/1230. »Adolf Hitler in Urfahr«. Bundesarchiv Berlin, NS 26/16. Kubizek 2002, S. 24. Engel 1974, S. 46. Fest 1973, S. 74. Heim 1982, S. 187. Mann 1960, Band 12, S. 775f. Revue vom 11. Oktober 1952. Zdral 2005, S. 141. Institut für Zeitgeschichte, Zeugenschrifttum online, Franz Jetzinger. Wiedemann 1964, S. 60. Ebd., S. 61. Picker 1989, S. 276. Bianchi Bandinelli 1985, S. 31ff. Zitiert nach Schwarz 2009, S. 19. Bianchi Bandinelli 1985, 36f. Goebbels, Tagebucheintrag vom 22. März 1943. Heiden 1936, S. 355. Nietzsche 1983, S. 302.

Wien  |

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Picker 1989, S. 276. Deutsche Worte vom 1. April 1883. Chamberlain 1904, S. 49, 70. Kubizek 2002, S. 84. Ebd. Hamann 1998, S. 63. Tages-Post vom 13. Februar 1908. Tages-Post vom 14. Februar 1908.

WIEN 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30

Kubizek 2002, S. 122. Förster 1955, S. 519. Darmstädter 2011, S. 150. Zitiert nach ebd., S. 160. Alldeutsches Tagblatt vom 31. Maien 1911. Kubizek, 1. Fassung, S. 24. Goebbels, Tagebuch vom 22. Dezember 1940. Specht 1919, S. 37. Foerster 1955, S. 519. Kubizek, 1. Fassung, S. 30. Mahler-Werfel 1960, S. 37. Bauer-Lechner 1984, S. 88. Stefan 1910, S. 45. Specht 1919, S. 45. Specht 1911, S. 336f. Zitiert nach Brusati 1976, Band 1, S. 26. Decsey 1911, S. 145. Slezak 1978, S. 126. Pester Lloyd vom 16. November 1898. Decsey 1911, S. 149. Ebd. Specht 1913, S. 102. Zitiert nach Bauer-Lechner 1984, S. 181. Bahr-Mildenburg 1936, S. 5. Ebd., S. 6. Ebd., S. 79f. Brief des Reichsstatthalters in Wien Baldur von Schirach an Joseph Goebbels vom 8. April 1942. Bundesarchiv Berlin, R 55/252. Hamann 1998, S. 59. Ebd., S. 59f. Ebd., S. 60.

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|  Anmerkungen

31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73

Ebd. Ebd., S. 61. Ebd., S. 61f. Frauenfeld 1940, S. 290. Mahler-Werfel 1960, S. 44. La Grange 1999, S. 343. Altenberg 1924, S. 52f. Decsey 1911, S. 148. Graf 1955, S. 165. Alldeutsches Tagblatt vom 5. Maien 1911. Tages-Post vom 16. Oktober 1906, S. 8. Zitiert nach Csáky 1996, S. 92f. Picker 1989, S. 180. Frey 1999, S. 326. Ebd. Zitiert nach Rathkolb 1991, S. 37. Ebd. Zitiert nach Frey 1999, S. 66. Neue Freie Presse vom 21. Dezember 1902. Csáky 1996, S. 220. Specht 1919, S. 95. Neue Freie Presse vom 31. Mai 1906. Frauenfeld 1940, S. 288f. Below 1980, S. 83. Picker 1989, S. 288. Schaumburg-Lippe 1960, S. 33f. Kubizek 2002, S. 226. Rainer Simons an Adolf Hitler vom 10. Mai 1933. Bundesarchiv Berlin, R 43-II/1251. Die Fackel vom 20. Oktober 1906. Ebd. Die Fackel vom 16. Oktober 1907. Neue Freie Presse vom 7. Oktober 1907. Ebd. Schroeder 1985, S. 76. Kubizek, 1. Fassung, S. 31. Signale für die musikalische Welt 66 (1908), S. 1414. Weingartner 1923, S. 16. Hagmann 2009, S. 36. Zitiert nach Brusati 1976, I, S. 29. Zitiert nach Ottner 1991, S. 101. Münzner/Obert 2009, S. 80. [Wiener Staatsoper 2008], S. 36. Ebd., S. 59.

Wien  |

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Weingartner 1928, II, S. 183. Specht 1919, S. 51. Weingartner 1928, II, S. 158. Weingartner 1923, S. 286. Schmidt 2009, S. 360. Ebd., S. 157. Ebd. Alldeutsches Tagblatt vom 12. Hornung 1908. Ebd. Neue Freie Presse vom 7. Februar 1908; 8. Februar 1908. Neue Freie Presse vom 10. Februar 1908. Weingartner 1928, II, S. 163. Weingartner 1928, I, S. 266. Weingartner 1928, II, S. 163. Ebd., S. 161. Ebd., S. 162. Neue Freie Presse vom 17. Juni 1908. Neue Freie Presse vom 18. Juni 1908. Ebd. Alldeutsches Tagblatt vom 20. Brachmond 1908. Alldeutsches Tagblatt vom 23. Brachmond 1908. Alldeutsches Tagblatt vom 28. Hartung 1910. Weingartner 1928, I, S. 141. Ebd., S. 146. Ebd., S. 195. Ebd., S. 249. Weingartner 1923, S. 344. Weingartner 1928, I, S. 250. Voss 1996, S. 327. Ebd., S. 330. Ebd., S. 324. Kubizek, 1. Fassung, S. 33. – Die Chronik der heutigen Wiener Symphoniker bestätigt K ­ ubizeks Angabe, dass das Orchester Ende März 1908 tatsächlich diese Sinfonie gespielt hat; allerdings war nicht der von Kubizek genannte Ferdinand Löwe, sondern Franz Spörr der Dirigent gewesen, während Löwe kurz darauf Bruckners Sinfonie Nr. 9 geleitet hatte. Heim 1982, S. 198. Giesler 1977, S. 216. Kubizek 2002, S. 177f. Ebd., S. 200f. Kubizek, 1. Fassung, S. 44f. Ebd., S. 45. Kubizek 2002, S. 202. Ebd., S. 205ff.

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262

|  Anmerkungen

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118 119 120 121 122

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Hamann 1998, S. 53. Kubizek 2002, S. 263. August Kubizek an die Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 10. August 1949. Nachlass Jetzinger, Oberösterreichisches Landesarchiv. Im Neuen Theater-Almanach werden die Leitungsfunktionen des Marburger Theaters namentlich genannt. Für 1911/12 werden »Leo Körner, I. Kpllm.; Rud. Wallner, II. Kpllm.; Adolf Lutz, Musdir. u. Konzertm.« genannt, 1912/13 waren es »Leo Liepold, I. Kpllm. Franz Stahl, II. Kpllm. Anton Hubert, Musdir., Chordir. u. Konzertm.«, und für 1913/14 nennt das Bühnenjahrbuch »Adolf Siege jun., I. Kpllm. Josef Eckl, II. Kpllm. Anton Stanek, Musdir.« Neuer Theater-Almanach 23 (1912), S. 539; 24 (1913), S. 538; 25 (1914), S. 548. Kubizek wird auch in Rezensionen der Marburger Tagespresse nicht erwähnt. Kubizek 2002, S. 193. Joachimsthaler 2000, S. 23. Heiden 1936, S. 35. Hamann 1998, S. 206. Dem wurde mit Hinweis auf die nach 1938 als Führerwohnung vermarktete Unterkunft in der Simon-Denk-Gasse 11 widersprochen, um zu enthüllen, er sei nie obdachlos gewesen (­Sigmund 2006, S. 157ff., Bavendamm 2009, S. 191ff.). Allerdings handelt es sich bei der Adresse weder um eine Neuigkeit, noch widerspricht eine mögliche vorübergehende Unterkunft dort späterer Obdachlosigkeit: Bereits 1936 wusste Konrad Heiden zu berichten, Hitlers »letzte Wohnung in der Simon-Denkgasse muß er im November 1909 verlassen. Ein paar Nächte irrt er obdachlos umher, schläft erst in Kaffeehäusern und dann in der Herbstkälte auf Bänken in Parkanlagen« (Heiden 1936, S. 35). Anna Maria Sigmund verweist auf ein Foto im Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek aus dem Jahr 1938, dessen Beschriftung mitteilt, dass Hitler in dem Haus »vom 16. September – November 1909 als Untermieter wohnte«, und leitet daraus merkwürdigerweise ab, dass daher die Zeit bis Dezember (!) 1909 lückenlos belegt sei. Siehe Sigmund 2006, S. 157f. Heiden 1936, S. 50; Hamann 1998, S. 247. Hanisch 1939, S. 271. Heim 1982, S. 294. Hitler 1933, S. 21. Hamann 1998, S. 236. Zitiert nach Joachimsthaler 2000, S. 58. Heim 1982, S. 153. Hamann 1998, S. 393 – 435. Wiedemann 1964, S. 70. Alldeutsches Tagblatt vom 12. Ostermond 1908. Frank 1955, S. 205. Hitler 1933, S. 60. Zitiert nach Hamann 1998, S. 498. Hamann 1998, S. 250. Ebd., S. 511f. Ebd.

Wien  |

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Heiden 1936, S. 40. Ebd., S. 41. Alldeutsches Tagblatt vom 22. Gilbhart 1907. Kipper 2002, S. 353. Lanz 1905, S. 147f. Ebd., S. 150. Ebd., S. 140. Hitler 1933, S. 316. Ebd., S. 397. Daim 1958, S. 15. Hamann 1998, S. 294. Ebd., S. 302. List 1922, S. 38. Ebd., S. 47. Ebd., S. 5. Fest 1973, S. 73. Daim 1958, S. 20f. Ebd., S. 21f. Hipper 2002, S. 349. Daim 1958. Zitiert nach Daim 1958, S. 45. Ebd., S. 171. Ebd., S. 99. Zitiert nach ebd., S. 97. Daim 1958, S. 123. Hitler 1933, S. 444f. Daim 1958, S. 143. Zitiert nach Hamann 1998, S. 316. Ebd. Lanz 1905, S. 152. Hitler 1933, S. 357. Ostara 1 (Reprint 1930), Vorwort. Hamann 1998, S. 315. Lanz 1905, S. 153. Ebd., S. 28. Ebd., S. 121. Ebd., S. 96f. Ebd., S. 156f. Picker 1989, S. 298. Ostara 73 (1913), S. 3f. Ebd., S. 5. Ebd., S. 13f. Ebd., S. 14.

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264

|  Anmerkungen

Ebd., S. 14f. Ebd., S. 15. 184 Ostara 69 (1913), S. 14f. 185 Daim 1958, S. 140. 186 Rauschning 1940, S. 216. 182 183

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Neue Freie Presse vom 22. Mai 1913. Fest 1973, S. 90. Goebbels, Tagebucheintrag vom 22. März 1943. Hitler 1933, S. 138. Large 2001, S. 71. Fest 1973, S. 725f. Münchner Tagblatt vom 13. November 1908. Bayerischer Courier vom 24. Mai 1913. Zitiert nach Schläder/Braunmüller 1996, S. 16. Ebd., S. 19. Mann 2005, S. 17. Hilmes 2009, S. 119. Heiden 1936, S. 52. Zitiert nach Joachimsthaler 2000, S. 80. Hamann 1998, S. 568. Revue vom 15. November 1952, S. 39. Large 2001, S. 52. Joachimsthaler 2000, S. 84. Zitiert nach ebd., S. 82f. Ebd., S. 89. Schläder/Braunmüller 1996, S. 31. Heim 1982, S. 115. Walter 1950, S. 284. Hamann 1998, S. 117. Picker 1989, S. 251. Specht 1919, S. 77f. Münchner Neueste Nachrichten vom 9. Juli 1913. Ebd. Münchner Neueste Nachrichten vom 14. August 1913. Justizrat Max Gaenssler an Generalintendant Clemens von Franckenstein vom 8. Oktober 1913. Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Generalintendanz der Bayerischen Staatsthea­ ter 998 (Personalakte Bruno Walter).

München  |

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Justizrat Max Gaenssler an Generalintendant Clemens von Franckenstein vom 20. Oktober 1913. Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Generalintendanz der Bayerischen Staatsthea­ ter 998 (Personalakte Bruno Walter). Kgl. Amtsgericht München an Generalintendanz der Hoftheater und Hofmusik [Zeugenvorladung]. Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Intendanz der Bayerischen Staatsoper 622. München-Augsburger Zeitung vom 14. Dezember 1914. Umfangreiche Korrespondenz und Zeitungsausschnitte finden sich im Bayerischen Hauptstaatsarchiv München, Generalintendanz der Bayerischen Staatstheater 998 (Personalakte Bruno Walter). Large 2001, S. 26. Ebd., S. 11. Mann 2005, S. 329. Walter 1950, S. 287, 335. Vaget 1994, S. 60. Völkischer Beobachter vom 17. September 1926. Norddeutsche Allgemeine Zeitung vom 27. Mai 1914. Königlich bayerische Hofmusikhandlung Otto Bauer an Generalintendant Clemens von Franckenstein vom 8. März 1917. Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Generalintendanz der Bayerischen Staatstheater 998 (Personalakte Bruno Walter). Bruno Walter an die Auslands-Abteilung der Obersten Heeresleitung vom 23. Oktober 1918. Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Generalintendanz der Bayerischen Staatstheater 998 (Personalakte Bruno Walter). Bayerischer Courier vom 12. November 1908. Münchner Neueste Nachrichten vom 17. August 1915. Rundschreiben Hans Knappertsbusch von 3. April 1933. Bayerisches Hauptstaatsarchiv ­München, Intendanz Bayerische Staatsoper 1312. Zitiert nach Münchner Neueste Nachrichten vom 6. Mai 1933. Münchner Neueste Nachrichten vom 6. Oktober 1927. Neue Freie Presse vom 2. Dezember 1927. Ebd. Münchner Neueste Nachrichten vom 6. Oktober 1927. Münchner Tagblatt vom 6. Oktober 1927. Neue Freie Presse vom 2. Dezember 1927. Feuchtwanger 1975, S. 32. Ebd., S. 210. Large 2001, S. 268. Below 1980, S. 370. Fest 1973, S. 64. Joachimsthaler 2000, S. 192. Zitiert nach Hilmes 2009, S. 182. Toller 2011, S. 127. Heims 1980, S. 128. Large 2001, S. 148.

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266

|  Anmerkungen

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Toller 2011, S. 128f. Heiden 1936, S. 89. Reuth 2009, S. 151. Ostara 1 (Reprint 1930), S. 5f. Eckart 1924, S. 6. Ebd., S. 48. Ebd., S. 26. Zitiert nach Reuth 2009, S. 96. Ebd. Toller 2011, S. 131. Joachimsthaler 2000, S. 210. Toller 2011, S. 154. Joachimsthaler 2000, S. 218. Zitiert nach ebd., S. 184. Wiedemann 1964, S. 33. Herbst 2010, S. 121. Institut für Zeitgeschichte, Zeugenschrifttum online, Friedrich Krohn. Zitiert nach Jäckel 1983, S. 68. Hitler 1933, S. 71. Large 2001, S. 167. Zitiert nach Joachimsthaler 2000, S. 241. Müller 1954, S. 338. Ebd., S. 339. Heiden 1936, S. 104. Ebd., S. 77. Ebd., S. 78. Institut für Zeitgeschichte, Zeugenschrifttum online, Friedrich Krohn. Grunsky 1919, S. 7. Ebd., S. 52. Ebd., S. 54. Ebd., S. 64. Ebd., S. 69f. Festspielführer 1924, S. 173ff. Wagener 1978, S. 213. Feder 1919, S. 5. Ebd., S. 11. Hitler 1933, S. 229, 232.

KULTURPOLITIK 1 2

Adorno 1970, S. 79f. Bermbach 2000, S. 42.

Kulturpolitik  |

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Rede Adolf Hitlers zur Eröffnung des Hauses der Deutschen Kunst in München am 18. Juli 1937. Giesler 1977, S. 401. Schwarz 2009, S. 19. Speer 1969, S. 73. Walter 1950, S. 111. Speer 1969, S. 73. Schlösser 1935, S. 81. Schäfer 1984. Sponheuer 1997, Sp. 33. Ebd. Völkischer Beobachter vom 12. Februar 1929. Ziegler 1934, S. 39. Walter 1995, S. VIIIf. Busch 2001, S. 301. Picker 1989, S. 110. Goebbels, Tagebucheintrag vom 18. Juni 1938. Goebbels, Tagebucheintrag vom 17. November 1935. Reichspropagandaamt Oberdonau an Propagandaministerium vom 17. April 1942. Bundesarchiv Berlin, R 55 – 20386a. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 16. Januar 1934. Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, MK 7, 40961. Rundschreiben Joseph Goebbels vom 23. Oktober 1936. Bayerisches Hauptstaatsarchiv ­München, Reichsstatthalter Epp 669. Haken 2007, S. 26. Zitiert nach Prieberg 2009, S. 3812. Goebbels, Tagebucheintrag vom 11. Juni 1933. Goebbels, Tagebucheintrag vom 22. Mai 1939. Levi 1994, S. 73. Goebbels, Tagebucheintrag vom 24. Januar 1935. Zitiert nach Wulf 1983, S. 115. Goebbels, Tagebucheintrag vom 5. Juni 1938. Schlösser 1935, S. 17. Levi 1994, S. 35. Schwarz 2009, S. 25. Prieberg 2009, S. 3349. Below 1980, S. 32. Zelnhofer 2002, S. 121. Intendant Oskar Walleck an Gauleiter Adolf ­Wagner vom 10. Januar 1938. Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Intendanz Bayerische Staatsoper 289, Personalakte Clemens Krauss. Bundesarchiv Berlin, R 43-II/1252. Hans Heinrich Lammers an Intendanz der Volksoper Berlin vom 17. Dezember 1937. Bundesarchiv Berlin, R 43-II/1243a. Bundesarchiv Berlin, R 43-II/1252.

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|  Anmerkungen

41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73

Bundesarchiv Berlin, R 43-II/1252a. Auszahlungsanordnung vom 1. August 1940. Bundesarchiv Berlin, R 43-II/1252a. Dankschreiben Erbprinz Heinrich XLV. Reuss vom 9. August 1937. Bundesarchiv Berlin, R 43-II/1243. Hans Severus Ziegler an Hans Heinrich Lammers vom 8. Februar 1937. Bundesarchiv Berlin, R 43-II/1243. Martin Bormann an Hans Heinrich Lammers vom 10. Juli 1941. Bundesarchiv Berlin, R 43-II/1253. Reichswirtschaftsminister an Reichsminister und Chef der Reichskanzlei vom 15. Juli 1941. Bundesarchiv Berlin, R 43-II/1253. Korrespondenz Intendant Ignaz Brantner mit der Reichskanzlei aus den Jahren 1941 – 1943. Bundesarchiv Berlin, R 43-II/1243. Hans Severus Ziegler an die Privatkanzlei des Führers vom 12. März 1936. Bundesarchiv Berlin, R 43-II/1243. Hans Severus Ziegler an Hans Heinrich Lammers vom 30. September 1937. Bundesarchiv Berlin, R 43-II/1243. Hans Severus Ziegler an Hans Heinrich Lammers vom 8. August 1938. Bundesarchiv Berlin, R 43-II/1243. Hans Severus Ziegler an Hans Heinrich Lammers vom 2. Oktober 1944. Bundesarchiv Berlin, R 43-II/1243. Vermerk vom 12. Juni 1941. Bundesarchiv Berlin, R 43-II/1111. Backes 1988, S. 89. Vermerke vom 21. Juni 1938; 8. Juli 1942. Bundesarchiv Berlin, R 43-II/1111. Reichskanzlei an Frida Weitzel vom 24. Juli 1942. Bundesarchiv Berlin, R 43-II/1111. Herbst 2010, S. 81. Speer 1969, S. 55. Picker 1989, S. 146. Dietrich 1955, S. 165. Hamann 1998, S. 92. Rede Adolf Hitlers zur Eröffnung des Hauses der Deutschen Kunst in München am 18. Juli 1937. Rede Adolf Hitlers auf der NSDAP-Versammlung in München am 26. Januar 1928. Geißmar 1985, S. 117. Die Musik 26 (1933), S. 150. Fest 2006, S. 62f. Rundschreiben Martin Bormann vom 14. Januar 1944. Bundesarchiv Berlin, NS 19/1244. Ebd. Richard Strauss an Adolf Hitler vom 16. Januar 1944. Bundesarchiv Berlin, NS 19/1244. Hans Pfitzner an Adolf Hitler vom 21. November 1933. Bundesarchiv Berlin, R 43-II/1244. Willy Meerwald an Hans Pfitzner vom 25. November 1933. Bundesarchiv Berlin, R 43-II/1244. Busch 2001, S. 147f. Ebd., S. 271. Clemens von Franckenstein an Hans Pfitzner vom 9. März 1934. Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Intendanz Bayerische Staatsoper, Personalakten 405.

Kulturpolitik  |

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Oskar Walleck an Hans Pfitzner vom 11. Dezember 1935. Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Personalakten 405. Busch 2001, S. 131. Ebd., S. 134f. Vaget 1999, S. 224. Aktennotiz vom 9. Juni 1943. Bundesarchiv Berlin, R 5001/231. Pfitzner 1987, S. 337ff. Franz Adam an die Gauleitung München-Oberbayern vom 11. März 1940. Landesarchiv Berlin, A Rep 242 – 01, Band 287. Stellungnahme der Gauleitung München-Oberbayern vom 20. Februar 1940. Landesarchiv Berlin, A Rep 242 – 01, Band 287. Münchner Zeitung vom 17. August 1910. Busch 2001, S. 307f. Hans Pfitzner an Clemens von Franckenstein vom 5. November 1930. Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Intendanz Bayerische Staatsoper, Personalakten 405. Denkschrift Hans Pfitzner, Landesarchiv Berlin, A Rep 242 – 01, Band 289, S. 1, 3. Ebd. Busch 2001, S. 315. Goebbels, Tagebucheintrag vom 1. Januar 1934. Zitiert nach Bair 1984, S. 83. Staatskommissar Julius Lippert an Adolf Hitler vom 8. März 1934. Bundesarchiv Berlin, R 43-II/1251. Goebbels, Tagebucheintrag vom 28. Februar 1934. Goebbels, Tagebucheintrag vom 24. März 1934. Meyer-Heringsdorf 1988, I, S. 65. Schlesinger 1997, S. 54. Berliner Tageblatt vom 31. Oktober 1932. Goebbels, Tagebucheintrag vom 2. August 1932. Lebenslauf Wilhelm Rode vom 2. Juli 1934. Bundesarchiv Berlin, R 55/22756. Zeitungsausschnitt ohne Herkunftsangabe. Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Intendanz Bayerische Staatsoper 449, Personalakte Wilhelm Rode. Vermerk vom 1. April 1933. Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Intendanz Bayerische Staatsoper 449, Personalakte Wilhelm Rode. Kater 1998, S. 31. Pressedienst Bayerische Staatsoper vom 13. Oktober 1939. Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Intendanz Bayerische Staatsoper 449, Personalakte Wilhelm Rode. Schreiben des Finanzministeriums vom 1. November 1934. Bundesarchiv Berlin, R 55/22756. Lebenslauf Wilhelm Rode vom 2. Juli 1934. Bundesarchiv Berlin, R 55/22756. Zitiert nach Wulf 1983, S. 28. Ebd. Ebd., S. 29. Ebd. Goebbels, Tagebucheintrag vom 2. September 1938.

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|  Anmerkungen

109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142 143 144 145 146

Goebbels, Tagebucheintrag vom 23. Juni 1939. Goebbels, Tagebucheintrag vom 9. Juli 1942. Goebbels, Tagebucheintrag vom 23. September 1943. Goebbels, Tagebucheintrag vom 20. August 1942. Rübsaat 2009, S. 57f. Goebbels, Tagebucheintrag vom 4. Oktober 1942. Junge 2002, S. 143. Ziegler 1964, S. 53. Speer 1978, S. 154f. Zitiert nach Wulf 1983, S. 20. Völkischer Beobachter vom 14. Juli 1937. Arent 1938, ohne Paginierung. Vermerk vom 12. Juni 1935. Bundesarchiv Berlin, R 55/23155. Lebenslauf Benno von Arent vom 9. Oktober 1935. Bundesarchiv Berlin, R 55/23155. Vermerk vom 14. Mai 1942. Bundesarchiv Berlin, R 55/001032. Wulf 1983, S. 120. Goebbels, Tagebucheintrag vom 9. Oktober 1939. Klee 2007, S. 19. Wulf 1983, S. 120. Goebbels, Tagebucheintrag vom 2. Dezember 1944. Mayer 2011, S. 364. Goebbels, Tagebucheintrag vom 7. November 1941. Vermerk vom 9. September 1942. Bundesarchiv Berlin, R 55/20386. Picker 1989, S. 49. Schroeder 1985, S. 107. Junge 2002, S. 143. Ebd. Benno von Arent an Alexander Golling vom 23. Mai 1938. Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Intendanz Bayerisches Staatsschauspiel 11, Personalakte Benno von Arent. Goebbels, Tagebucheintrag vom 15. April 1937. Goebbels, Tagebucheintrag vom 17. April 1937. Dienstvertrag Clemens Krauss vom 1. September 1936. Bayerisches Hauptstaatsarchiv ­München, Intendanz Bayerische Staatsoper 289, Personalakte Clemens Krauss. Clemens Krauss an Adolf Hitler vom 13. Februar 1941. Bayerisches Hauptstaatsarchiv M ­ ünchen, Intendanz Bayerische Staatsoper 289, Personalakte Clemens Krauss. Clemens Krauss an Adolf ­Wagner vom 21. April 1939. Bayerisches Hauptstaatsarchiv M ­ ünchen, Intendanz Bayerische Staatsoper 1314. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an den Münchner Stadtrat vom 18. Juni 1934. Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, 50186/I. Picker 1989, S. 251. Denunziation des Attachés Faber vom 25. Januar 1935. Bundesarchiv Berlin, R 43-II/1252. Goebbels, Tagebucheintrag vom 23. Januar 1936. Prieberg 2009, S. 1876ff.

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Goebbels, Tagebucheintrag vom 25. Dezember 1934. Prieberg 2009, S. 1905. Ebd., S. 1906. Vermerk vom 4. Dezember 1937. Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, MK 41010. Prieberg 2009, S. 4227. Völkischer Beobachter vom 23. Juli 1938. Alfred Wekherlin an Clemens Krauss vom 13. Februar 1939. Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Intendanz Bayerische Staatsoper 1314. Alfred Wekherlin, »Münchner ­Wagner-Tradition einst – und heute?«. Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Intendanz Bayerische Staatsoper 1314. Herbert Gerigk an Hauptamt Wissenschaft vom 30. August 1944. Bundesarchiv Berlin, NS 15/74. Martin Bormann an Oberbürgermeister Karl Fiehler vom 1. April 1942. Zitiert nach Prieberg 2009, S. 4231. Clemens Krauss an Adolf ­Wagner vom 12. Dezember 1936. Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Intendanz Bayerische Staatsoper 289, Personalakte Clemens Krauss. Clemens Krauss an Adolf Hitler vom 13. Februar 1941. Bayerisches Hauptstaatsarchiv M ­ ünchen, Intendanz Bayerische Staatsoper 289, Personalakte Clemens Krauss. ­Wagner 1994, S. 74. ­Wagner 2002, S. 51. Heim 1982, S. 224, 308. Heer 2012, S. 157. Ebd., S. 75. Hamann 2002, S. 146. Schüler 1971, S. 85. Rundschreiben Marianne Lange [1934]. Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, MK 40973. Hamann 2002, S. 84. Ebd., S. 87. Ebd., S. 82. Zitiert nach Hamann 2002, S. 261. Adolf Zinstag an Adolf Hitler vom 2. September 1933. Bundesarchiv Berlin, R 43-II/1244. Ebd. ­Wagner 1976/1977, Band 2, S. 181, Eintrag vom 23. September 1878. ­Wagner 1980, S. 412. Wiener Akademischer ­Wagner-Verein an Adolf Hitler vom 7. Dezember 1933. Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Intendanz Bayerische Staatsoper 1312. Wiener Akademischer ­Wagner-Verein an die Leitung der Bühnenfestspiele vom 7. Dezember 1933. Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Intendanz Bayerische Staatsoper 1312. Ebd. Ebd. Hamann 2002, S. 130. Stresemann 1933, S. 513f. Geißmar 1990, S. 265. Völkischer Beobachter vom 1. August 1937.

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|  Anmerkungen

183 184 185 186 187 188 189 190 191 192 193 194 195 196 197 198 199 200 201 202 203 204 205 206 207 208 209 210 211 212 213 214 215 216 217 218 219 220 221 222

Hamann 2002, S. 256. Zitiert nach Schlesinger 1997, S. 47. Hamann 2002, S. 256, 259. Zitiert nach Mann 2005, S. 150. Ziegler 1964, S. 175. Gutachten der Kommission für Kulturschaffende über die Weiterführung der Wagnerfestspiele in Bayreuth vom 21. Juni 1947. Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, MK 50444. Ebd. Picker 1989, S. 372. Zitiert nach Hamann 2002, S. 479ff, 566. Speer 1975, S. 549f. Heim 1982, S. 225. Zitiert nach ebd., S. 160. Ebd. Zitiert nach Heer 2012, S. 90. Ebd. Zitiert nach Hamann 2002, S. 19, 169f. Zitiert nach ­Wagner 2002, S. 146ff. Stunz 2007, S. 245ff. Wilhelm Furtwängler an Joseph Goebbels vom 3. April 1933. Prieberg 2009, S. 1948. Hamann 2002, S. 246. Ebd., S. 253. ­Wagner 2002, S. 117. Heer/von Haken 2010, S. 40. SD-Berichte zu Inlandsfragen vom 27. September 1943 (Rote Serie: Kulturelle Gebiete). Protokoll vom 8. Juli 1933. Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, MK 50449. Stunz 2007, S. 256f. Stadtrat Karl Keller an Staatsminister Hans Schemm vom 27. August 1933. Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, MK 50450/I. SD-Berichte zu Inlandsfragen vom 27. September 1943 (Rote Serie: Kulturelle Gebiete). Staatsminister Hans Schemm an Oberbürgermeister Karl Fiehler vom 14. November 1934. Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, MK 40991; MK 41010. Bundesarchiv Berlin, R 43-I/824. Ebd. Vermerk Hans Heinrich Lammers vom 15. August 1935. Bundesarchiv Berlin, R 43-II/1251. Kubizek, 1. Fassung, S. 32. Münchner Neueste Nachrichten vom 24. April 1933. Bayerische Staatszeitung vom 26. April 1933. Ebd. Scheffler 1933, S. 33. Völkischer Beobachter vom 24. Mai 1933. Bayerische Staats-Zeitung vom 23. Mai 1933. Levi 1994, S. 192.

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Brinkmann 2000, S. 121, 124. Speer 1969, S. 73. Ebd. Zitiert nach ­Wagner 2002, S. 290. Zelnhefer 2002, S. 188. Zitiert nach ebd., S. 190. Zitiert nach Junge 2002, S. 93. Völkischer Beobachter vom 12. Juni 1935. Below 1980, S. 22. Zitiert nach Brinkmann 2000, S. 121. Zitiert nach Karbaum 1976, S. 112f. Ebd., S. 113. Rosenberg 1934, S. 434ff. Picker 1989, S. 213. Schlösser 1935, S. 73. Chamberlain 1904, S. 33. Festspielführer 1924, S. 162. Günther 1926, S. 81, 83. Ebd., S. 37. Brinkmann 2000, S. 121. Ebd., S. 122. Ehrenfels 1931, S. 5. Ebd., S. 12. Ebd., S. 6. Ebd., S. 7. Ebd., S. 9f. Ebd., S. 11. Nietzsche 1983, S. 428. Spitzer 1906, S. 24. Ebd., S. 81f. Zitiert nach Hamann 2002, S. 251. Ebd., S. 441. Dazu ausführlicher Werr 2012. Gedanken und Richtlinien betreffend die geplante Einrichtung einer »Deutschen Stelle für Richard-­ Wagner-Forschung« durch die Stadt Bayreuth. Bundesarchiv Berlin, R 43-II/1230. Otto Daube an Winifred ­Wagner vom 8. April 1942. Bundesarchiv Berlin, NS 19/3318. Ebd. Ebd. Winifred ­Wagner an Heinrich Himmler vom 10. April 1942. Bundesarchiv Berlin, NS 19/3318. Beatrix Reinhart an Otto Daube vom 12. Mai 1942. Bundesarchiv Berlin, NS 19/3318. Hamann 2002, S. 469. Winifred ­Wagner an Heinrich Himmler vom 6. Januar 1943. Bundesarchiv Berlin, NS 19/3318.

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274

|  Anmerkungen

264 265 266 267 268 269 270 271 272

Stab des Reichsführers-SS an Reichskabinettsrat Hans Ficker vom 31. August 1943. Bundesarchiv Berlin, R 43-II/1232. Otto Georg Thierack an Hans Heinrich Lammers vom 13. Oktober 1943. Bundesarchiv ­Berlin, NS 19/3318. Joseph Goebbels an Hans Heinrich Lammers vom 10. November 1943. Bundesarchiv B ­ erlin, NS 19/3318. Otto Georg Thierack an Hans Heinrich Lammers vom 18. März 1944. Bundesarchiv Berlin, NS 19/3318. Wolfgang ­Wagner 1994, S. 104. Hamann 2002, S. 619. Winifred ­Wagner an Hans Heinrich Lammers vom 16. Mai 1938. Bundesarchiv Berlin, R 43-II/1230. Hans Heinrich Lammers an Winifred ­Wagner vom 21. Juli 1938. Bundesarchiv Berlin, R 43-II/1230. Vermerk vom 13. Juli 1944. Bundesarchiv Berlin, R 43-II/1232.

POLITISCHE BÜHNE 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24

Hitler 1933. Heiden 1936, S. 96. Zitiert nach Brockhaus 1997, S. 210. Neebe 1981, S. 76. Kershaw 1999, S. 282. Zitiert nach Heiden 1936, S. 374. Sofsky 1993, S. 32. Brockhaus 1997, S. 58. Zitiert nach Aly 2011, S. 187f. Rauschning 1938, S. 81. Benjamin 1980, S. 506. Fest 1973, S. 78. Kubizek, 1. Fassung, S. 10f. Hitler 1933, S. 83. Riefenstahl 2000, S. 222. Heuss 1932, S. 131. Herbst 2010, S. 122. Dietrich 1955, S. 156. Fischer-Lichte 2009, S. 24. Speer 1978, S. 609. Olden 1981, S. 88. Heiden 1936, S. 347. Grieswelle 1972, S. 125. Heim 1982, S. 390.

Politische Bühne  |

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Koschorke 2002, S. 73. Zitiert nach ebd., S. 74. Ebd., S. 75. Ebd., S. 77. Fest 2006, S. 69. Heim 1982, S. 55. Weber 1922. Lepsius 1993, S. 96f. Ebd., S. 102. Ebd., S. 111. Behrenbeck 1996, S. 595. Picker 1989, S. 301. François-Poncet 1962, S. 45. Wagener 1978, S. 39. Speer 1969, S. 71. Zelnhefer 2002, S. 248f. Ebd., S. 171. Ebd. Herbst 2010, S. 210. Paul 1990, S. 13. Heuss 1932, S. 27. Hanfstaengl 1970, S. 95. Brecht 1967, Band 16, S. 564f. Frank 1955, S. 32. Hitler 1933, S. 538ff. Müller 1966, S. 144f. Ebd. Ebd., S. 149. Frauenfeld 1978, S. 26. Böhme 1995, S. 87. Hitler 1933, S. 531. Ebd., S.532. Six 1936, S. 10. Ebd., S. 40. Ebd., S. 41. Frank 1955, S. 308. Speer 1978, S. 136. Speer 1969, S. 41f. Decsey 1911, S. 148. ­Wagner 2002, S. 213. Walter 1950, S. 202. Fest 2006, S. 61f. Ebd., S. 62.

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Goebbels, Tagebucheintrag vom 15. Dezember 1937. Speer 1969, S. 124. Wiedemann 1964, S. 194. Schroeder 1985, S. 107. Eckert 1998, S. 117. Ziegler 1964, S. 54. Ebd., S. 57. Speer 1969, S. 145. ­Wagner 2002, S. 213. Kubizek 2002, S. 184f. Kubizek 2002, S. 22. François-Poncet 1962, S. 406. Fest 1973, S. 708. Schroeder 1985, S. 85. Below 1980, S. 144. Misch 2009, S. 71. Ebd., S. 263. Speer 1969, S. 123. Bauer-Lechner 1984, S. 168. Wiedemann 1964, S. 24, 29. Ebd., S. 26. Ebd., S. 54f. Fest 1973, S. 287. Hedin 1949, S. 8. Fest 1973, S. 228. Heiden 1936, S. 135. Müller 1966, S. 129. Hoffmann 2008, S. 131. François-Poncet 1962, S. 342. Picker 1989, S. 181. Heim 1982, S. 225. Speer 1978, S. 140. Auch seiner Sekretärin erzählte Hitler vom täglichen Training mit dem Sportgerät. Schroeder 1985, S. 73. Schwerin-Krosigk 1951, S. 220. Kubizek 2002, S. 34. Zitiert nach Frey 1999, S. 328. Ebd. Schroeder 1985, S. 67. Eberle/Uhl 2005, S. 165. Giesler 1977, S. 368. Speer 1978, S. 199. Zoller 1949, S. 10. Fest 1973, S. 609.

Politische Bühne  |

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|  Anmerkungen

150 151 152 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171 172 173 174 175 176 177 178 179 180 181 182 183 184 185 186 187 188 189 190 191 192

Ebd., S. 95. Ebd., S. 28. Nietzsche 1983, S. 109. Tages-Post vom 18. Dezember 1906. ­Wagner 1911, Band 8, S. 573f. Zitiert nach ­Wagner 1994, S. 69. Ebd., S. 68. Zitiert nach Mann 2005, S. 64. Klemperer 2007, S. 9. Ebd., S. 12ff. Dahn o. J., S. 42. Kubizek 2002, S. 82f. Hanfstaengl 1970, S. 158. Frank 1955, S. 233. Schenck 2000, S. 131. Zitiert nach Mann 2005, S. 178. Roberts 1937, S. 10. Zitiert nach Vaget 1994, S. 45. Klemperer 1931, S. 77f. Amodeo 2007, S. 9. Zitiert nach Hilmes 2009, S. 274. Rathenau 1929, S. 171. Nietzsche 1983, S. 108, 302, 437, 460. Mann 1918, S. 371f. Ebd., S. 379. Zitiert nach Bartezko 1985, S. 18. Bekker 1924, S. 19. Nietzsche 1983, S. 112f. Neumann 1907, S. 9f. Knust 2007, S. 419. Bekker 1924, S. 11. Ebd., S. 16. François-Poncet 1962, S. 129. Ebd. Ebd., S. 130. Wagener 1978, S. 17. Ebd., S. 17. Ebd. Ebd., S. 18. Fest 1973, S. 699. Nietzsche 1983, S. 387. Münkler 2007, S. 742. Picker 1989, S. 115.

Politische Bühne  |

193 194 195 196 197 198 199 200 201 202 203 204 205 206 207 208 209 210 211 212 213 214 215 216 217 218 219 220

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Behrenbeck 1996, S. 67. Münkler 2007, S. 742. Speer 1969, S. 115. Fest 2006, S. 57. Hitler 1933, S. 180f. Heiden 1936, S. 55. Zitiert nach Brockhaus 1999, S. 274. Ebd., S. 275. Brockhaus 1999, S. 274. Schroeder 1985, S. 130. Fest 1973, S. 273. Leverkuehn 1938, S. 194f. Brockhaus 1997, S. 200. Gilbert 1962, S. 192. Prieberg 2009, S. 7992. Nietzsche 1983, S. 98. Welzer 1995, S. 166ff. Mann 1960, Band 10, S. 926. Shaw 1978, S. 122. Mann 2005, S. 47. Fischer 2000, S. 131. Viereck 1941. Eine erweiterte Ausgabe erschien 2004. Fest 2000, S. 25. Köhler 1999, S. 30. Ebd., S. 29. Kempka 1976, S. 76. Schroeder 1985, S. 191. Zitiert nach Schroeder, S. 294. Allerdings leitet sich »Adolf« von »Adalwolf« (= edler Wolf ) ab, während »Aarwolf« (Arnulf ) »einen dem Wodan geweihten [benennt], da ja Aar und Wolf die hl. Tiere des Wodan sind«. Vollmann 1908, S. 84. Köhler 1999, S. 416. Brockhaus 1999, S. 47. Zitiert nach Aly 2011, S. 262. Heim 1982, S. 224. Hamann 2002, S. 346. Zitiert nach Hanfstaengl 1970, S. 109. Fest 2006, S. 168f. Hitler 1933, S. 535ff. Eberle/Uhl 2005, S. 36. Heuss 1932, S. 26. François-Poncet 1962, S. 35. Herbst 2010, S. 82.

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BILDNACHWEISE Archiv des Autors: 129, 170

Bayerisches Hauptstaatsarchiv: 166, 194, 226 Bayerische Staatsbibliothek: 145, 220

Bundesarchiv Berlin: 65, 74, 151, 216, 217, 237, 243

Deutsches Historisches Museum: 148 Klassik Stiftung Weimar: 221

Nationalarchiv der Richard-Wagner-Stiftung: 247

Österreichische Nationalbibliothek: 22, 37, 59, 89, 92, 96, 99, 100, 103 Oberösterreichisches Landesarchiv: 53, 55, 69, 91 Oberösterreichisches Landesmuseum: 49

Wikipedia: 87, 138

Tradition mit Zukunft. 100 Jahre Prinzregententheater München, hg. von Jürgen Schläder und Robert Braunmüller, München 1996: 133, 177

Charles Hamilton, Leaders & Personalities of the Third Reich, Band 2, San Jose 1996: 174

Richard Wilhelm Stock, Richard Wagner und die Stadt der Meistersinger, Nürnberg und Berlin 1938: 181

PERSONENREGISTER

A Adam, Franz  167 Adorno, Theodor W.  31, 35, 153 Altenberg, Jakob  117 Altenberg, Peter   97 Aly, Götz   32 Amann, Max  223 Amodeo, Immacolata   234 Andersen, Robin Christian  113 Appia, Adolphe  98, 184 Arco auf Valley, Anton Graf  141, 142 Arent, Benno von   161, 172, 173, 174, 175, 176, 216, 217 Astner, Karl   48 Auber, Daniel François Esprit   241 B Bach, Johann Sebastian   124 Badeni, Kasimir Graf  24, 27 Bahr, Hermann  25, 93 Bamberger, Ludwig  140 Bamberger, Rudolf  140 Basil, Friedrich  225 Baudelaire, Charles   231 Bauer-Lechner, Natalie   34 Bauernfeld, Eduard von   52 Baumgarten, Paul Gotthilf Reinhold 66 Baumgarten, Paul Otto August   66, 67, 68 Bechstein, Edwin  149 Beethoven, Ludwig van  33, 107, 124, 136 Behrenbeck, Sabine  210 Beidler, Franz  129 Beidler, Franz Wilhelm  17, 45, 72 Bekker, Paul   8, 35, 236 Bellini, Vincenzo   241 Below, Nikolaus von  103, 197  Benjamin, Walter  7, 206 Bermbach, Udo   72, 153 Bernhardi, Friedrich von   78

Beurle, Carl  25 Bianchi Bandinelli, Ranuccio   83 Bielholavek, Hermann  104 Bismarck, Otto von   22, 23, 27, 28, 30, 42, 84, 165 Bizet, Georges   179 Bland, Elsa  108, 109 Blech, Leo   190 Bloch, Eduard  25, 51, 52 Blumenau, Alexander  181 Blumentritt, Günther  16 Blümle, Johann  145 Böcklin, Arnold   159 Böhm, Karl   159 Böhme, Gernot   213 Bormann, Martin  18, 153, 160, 180, 196 Boruttau, Alfred  52, 58 Bothmer, Karl Graf von  148 Brahms, Johannes  124 Brantner, Ignaz  27 Braun, Eva  18, 246 Brecht, Bertolt  212, 225 Brinkmann, Reinhold  195, 199 Brinkmann, Woldemar   175, 176 Brockhaus, Gudrun   13 Brod, Max  199 Bruckner, Anton  57, 112, 124, 229 Brückner, Wilhelm  196 Brüning, Heinrich  210 Bülow, Hans von   29 Bülow, Isolde von  129 Bürstinghaus, Ernst   58 Bullock, Alan   15 Busch, Fritz  156 C Caruso, Enrico  105 Cavar, Alfred  43, 46

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|  Personenregister

Chamberlain, Eva   182, 183 Chamberlain, Houston Stewart   41, 45, 70, 71, 72, 73, 74, 77, 78, 79, 84, 118, 182, 183, 198 Chaplin, Charlie  151, 243  Chatrian, Alexandre   26 Churchill, Winston  145 Cimarosa, Domenico  124 Claudel, Paul   234 Clausewitz, Carl von  15, 77, 78 Coppola, Francis Ford   243 Courths-Mahler, Hedwig  78 D D’Albert, Eugen   162 Dahn, Felix  38, 39, 232 Daim, Wilfried   121 Danuser, Hermann  35 Darré, Walter   157 Darwin, Charles  78 Daube, Otto  201 Decsey, Ernst   92, 98 Demuth, Leopold  103 Dereani, Beate   62 Dietrich, Otto   18, 76 Dillmann, Alexander  133, 134, 137 Dollfuß, Engelbert  170 Donizetti, Gaetano  124 Drexler, Anton  114 Duse, Eleonora  93 E Ebert, Carl  168 Eckart, Dietrich  122, 144, 145, 148, 149, 213, 225, 247 Eden, Anthony   223 Egk, Werner  159 Ehrenfels, Christian von   14, 199, 200 Eigruber, August  27, 156 Einstein, Alfred  134, 169 Eisner, Kurt  141, 142, 143, 145 Engels, Friedrich  144 Epp, Franz von  193

Erckmann, Émile   26 Ersfeld, Karla  58 F Fall, Leo   157 Feder, Gottfried  147, 151 Feinhals, Fritz   128 Fellner, Ferdinand  65, 68 Fest, Joachim   11, 15, 81, 121, 127, 219  , 239, 245 Feuchtwanger, Lion  141, 225 Feuerbach, Ludwig   74, 84, 144 Fichte, Johann Gottlieb  42, 78 Fick, Roderich  68 Fischer, Franz  179 Fischer, Jens Malte   32, 245 Fischer-Lichte, Erika  208 Foerster, Josef Bohuslav  90 Fölsch, August  217 Franckenstein, Clemens von  133, 138, 139, 166, 176 Franco, Francisco  229 François-Poncet, André  17, 210, 230, 237, 238, 248 Frank, Hans  17, 154, 193, 233  Franz Joseph von Österreich-Ungarn  51, 104, 107, 116 Frauenfeld, Alfred  96, 103, 213 Freud, Sigmund  200 Freytag, Gustav  33, 38 Frick, Wilhelm  154 Friedländer, Saul   7 Friedrich der Große   12, 77, 247 Fröhlich, Gustav  140 Fuchs, Eduard  77 Funk, Walter  100, 101, 160 Furtwängler, Wilhelm   154, 156, 176, 177, 178, 185, 186, 189, 196 G Gänsbacher, Josef  48 Gamm, Hans-Jochen   14 Garnier, Charles   66

Personenregister  |

Geck, Erwin  150, 151 Geck, Martin  11, 44, 230 Geissendörfer, Hans W.   226 Geißmar, Berta   185 Gerigk, Herbert  178, 180 Giesler, Hermann  17, 23, 68, 153 Gigli, Beniamino  56, 57 Glasenapp, Carl Friedrich  75 Gluck, Christoph Willibald   198, 199 Gobineau, Joseph Arthur von  9, 35, 74, 78, 119 Goebbels, Joseph  10, 14, 17, 66, 67, 88, 104, 127, 154, 155, 156, 157, 158, 159, 161, 168, 169, 171, 172, 173, 174, 175, 176, 177, 189, 192, 197, 203, 205, 214, 216, 223, 241 Goebbels, Magda  173 Goethe, Johann Wolfgang von  17, 44, 77, 204 Göring, Hermann   156, 168, 169, 178, 180, 197, 242 Gounod, Charles  48, 49 Graener, Paul  136, 157 Gramsci, Antonio  234 Gregor, Hans  107 Greiner, Josef  19 Grieswelle, Detlef   12, 208 Grohs, Martha  50 Grube, August Wilhelm   77 Gründgens, Gustaf   176 Grützner, Eduard von  127 Güdemann, Moritz  110 Günther, Hans F. K.  78, 198 Grunsky, Karl  150 H Hácha, Emil   224 Hagmüller, Wilhelm   64 Halévy, Fromental   46, 49, 62, 236 Halder, Franz  16 Hamann, Brigitte  15, 19, 54, 55, 85, 116 Hanfstaengl, Ernst  17, 77, 222, 232 Hanisch, Magdalena  95 Hanisch, Reinhold  56, 114, 115, 116, 117, 118 Hanslick, Eduard  34, 62, 70

Hardy, Oliver  151 Harlan, Veit  140, 241 Hartmann, Georg  179 Hausegger, Siegmund von  139 Haushofer, Karl  78 Häusler, Rudolf   130 Hebbel, Friedrich   44 Hedin, Sven  77, 221 Heesters, Johannes  222 Heger, Robert  165 Heiden, Konrad  15, 76, 83, 115, 144, 149, 205, 208 Heim, Heinrich  17 Heine, Heinrich  118, 200 Helmer, Hermann  65, 68 Henderson, Neville  204 Hepp, Ernst  130 Herbeck, Johann von  28 Herbst, Ludolf  162, 211, 248 Hertz, Alfred  137 Herzl, Theodor  30, 229 Heß, Rudolf  167, 215 Heuss, Theodor  7, 207, 211, 248 Heydrich, Bruno  154 Heydrich, Reinhard   154 Hilberg, Raoul   247 Himmler, Heinrich   18, 37, 40, 122, 174, 202, 203, 204 Hindemith, Paul   164 Hindenburg, Paul von  223, 234 Hirschfeld, Magnus   200 Hitler, Alois  21, 43, 51, 85, 114 Hitler, Klara  21, 43, 51, 85, 95, 104 Hitler, Paula  85, 114 Hobbes, Thomas  209 Hochberg, Hans Heinrich Bolko Graf von106 Hochhuth, Rolf  217 Hölderlin, Friedrich  143 Hoffmann, Heinrich  170, 196, 221 Hoffmann, Johannes  143 Horthy, Miklós  223 Hugo, Victor  234

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I Ibsen, Henrik  148 Isak, Stefanie  52 J Jäckel. Eberhard   19 Jetzinger, Franz  52, 54, 55, 82 Jodl, Alfred  17 Johst, Hanns  240 Junge, Traudl  172 Jungk, Adele  48 Jütte, Daniel   30 K Kafka, Franz  199 Kahr, Gustav von   219 Kaltenbrunner, Ernst   25 Kaltenbrunner, Hugo  25 Kandinsky, Wassily   127 Kant, Immanuel  143 Kapp, Julius  157 Karajan, Herbert von  132 Karpath, Ludwig  101 Katz, Martin   31, 33 Kautsky, Karl  144 Keitel, Wilhelm   16, 76 Keller, Karl   191 Kempfler, Fritz  81 Kerr, Alfred  217 Kershaw, Ian  15 Kessler, Harry Graf  70, 71 Keynes, John Maynard   234 Kienzl, Wilhelm  46, 49 Kipnis, Alexander  190 Kipper, Reiner  119 Kjellén, Rudolf  78 Klee, Paul  127 Kleist, Heinrich von  44 Klemperer, Otto  155 Klemperer, Victor  13, 232, 234 Klimt, Gustav  97 Kluge, Alexander  7

Knappertsbusch, Hans  136, 138, 163, 176, 177, 193 Knote, Heinrich  137, 140  Köhler, Joachim   245, 246 Kolbenheyer, Erwin Guido  157 Kolland, Hubert  31 Koref, Ernst  38 Korngold, Erich Wolfgang  109, 136 Korngold, Julius  108, 109 Kraus, Karl  105, 122 Krause, Gottfried  59, 60, 231 Krauss, Clemens  57, 138, 156, 176, 178, 179, 180, Krohn, Friedrich  77, 147, 150 Kubizek, August  7, 8, 16, 21, 37, 52, 53, 54, 55, 56, 57, 58, 60, 61, 63, 64, 72, 75, 81, 88, 90, 92, 102, 106, 112, 113, 114, 130, 193, 207, 218, 222, 229, 232, 245 Kujau, Konrad  19 Kun, Béla  145 Kutscher, Artur   217 L Lagarde, Paul de   27 Lammers, Hans Heinrich  66, 80, 160, 192, 203, 204 Lamprecht, Karl   78 Landauer, Paul  143 Langbehn, Julius  122 Lasso, Orlando di  124 Lavaud, Karl  58 Legge, Walter  185 Lehár, Franz   13, 56, 98, 100, 101, 116, 158, 162, 216, 222 Lehmann, Julius Friedrich  135 Lehmann, Lilli  87 Lenin, Wladimir  143, 144, 145 Léon, Victor  100, 101 Leoncavallo, Ruggero  56, 125 Leo XIII. 116 Lepsius, M. Rainer  210 Levi, Erik  158 Levi, Hermann  109, 111, 128, 231

Personenregister  |

Levien, Max  144 Leviné, Eugen  144, 145 Ley, Robert  61 Liebenfels, Jörg Lanz von  119, 120, 121, 122, 123, 124, 125, 144 Liebermann, Max  67 Lincke, Paul   175 Lipp, Franz  143 Lippert, Julius  169 Liß, Ulrich  16 List, Emanuel  190 List, Guido von  40, 42, 120, 121 Littmann, Max  129 Löffner, Siegfried   118 Lorenz, Max  190 Lortzing, Albert  46 Lothar, Mila   58 Ludendorff, Erich  77, 182, 234, 242 Ludwig, Emil  44, 80 Ludwig Ferdinand von Bayern   136 Ludwig II. von Bayern  80, 127, 128, 138, 228 Ludwig III. von Bayern  142 Ludwig XIV. von Frankreich  224 Ludwig XVI. von Frankreich  210 Lueger, Karl  104, 116, 117, 118, 120 Luther, Martin  12, 80, 150 Lutze, Walter   170 M Macke, August  127 Mahler, Gustav  8, 34, 35, 57, 87, 88, 90, 91, 92, 93, 95, 97, 98, 105, 106, 107, 108, 109, 110, 116, 124, 132, 136, 215, 219 Mahler-Werfel, Alma  90 Mahnke, Fritz  173 Maier, Richard  103 Makart, Hans  81 Mann, Heinrich  235 Mann, Thomas  45, 70, 73, 81, 129, 132, 135, 138, 139, 186, 232, 233, 244 Manowarda, Josef von  169 Manstein, Erich von   16 Marc, Franz  127

Marlier, Ernst  67 Marschner, Heinrich  121 Martinez, Wally  58, 62 Marx, Karl  144 Mascagni, Pietro  46, 49 Maser, Werner   226 Massenet, Jules  87 Maximilian I. von Bayern  135 Mayer, August  134, 135 May, Karl  77, 78, 221 Mayr, Karl  146 Mayrhofer, Josef  85, 114 Mendelssohn Bartholdy, Felix  32, 84, 157, 200 Mewes, Emil  247 Meyerbeer, Giacomo  32, 46, 62, 80, 124, 200, 236 Michelangelo   33, 82 Mildenburg, Anna von  92, 93, 108 Möbius, Paul  123 Moeller van den Bruck, Arthur  78 Moltke, Helmuth Graf von  23 Moniuszko, Stanisław   158 Montenuovo, Alfred Fürst von  107 Montesquieu 77 Morell, Theodor  172 Morgenstern, Samuel  117 Motloch, Johanna   95, 96 Mottl, Felix  132, 134, 137, 138, 179, 188 Mozart, Wolfgang Amadeus  84, 87, 88, 103, 115, 124, 134, 160 Muck, Karl  188 Mühsam, Erich  143 Müller, Alexander von  148, 213, 221 Müller, Maria  186 Münkler, Herfried  224, 240 Mussolini, Benito  82, 83, 217, 221, 223, 234, 239, 243 Mutschmann, Martin  156 N Napoleon Bonaparte  69, 247 Neumann, Angelo   29, 235 Neumann, Josef  118

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Neumayer, Josef  104 Nicolai, Otto  87 Niemann, Albert   111 Niessen, Bruno von  170, 171 Nietzsche, Friedrich  14, 70, 77, 78, 200, 230, 235, 239, 243 Noske, Gustav  143 O Offenbach, Jacques  87, 125 158 Olden, Rudolf  208, 225 Ossietzky, Carl von  233 Ottenheimer, Paul   50 P Palestrina, Giovanni Pierluigi da 124 Palm, Johann Philipp  79 Pasetti, Leo  173 Pattai, Robert  104 Paul, Gerhard   7, 211 Perfall, Karl von   128 Petzold, Ernst  217 Pfitzner, Hans  124, 134, 136, 138, 139, 154, 165, 166, 167, 168 Picker, Henry   17 Pierson, Elsa  106 Pierson, Henry   106 Piscator, Erwin  217, 218 Pius XII. 145 Pollak, Jacques  50 Pölzl, Johanna  114 Popp, Josef  130 Possart, Ernst von   128 Pötsch, Leopold  38 Preetorius, Emil  172, 173, 183, 184 Prewatzki, Josef  7 Pringsheim, Alfred  135 Puccini, Giacomo  8, 57, 105, 125  R Rapp, Adolf   198 Rathenau, Walther  234 Ratzel, Friedrich  78

Raubal, Angela   51 Raubal, Leo  85 Rauschning, Hermann   19, 125, 206 Reinhardt, Max  88 Reinhart, Beatrix  202 Rembrandt 122 Riefenstahl, Leni  76, 77, 207, 211 Riehl, Wilhelm Heinrich  71 Rittner, Rudolf  140 Roberts, Stephen  233 Rode, Wilhelm  168, 169, 170, 171, 172, 173, 193 Röhm, Ernst  154, 169, 170, 193, 205, 206 Roller, Alfred  88, 95, 96, 97, 98, 107, 162, 215, 216 Roosevelt, Theodore  17 Rosalewicz, Alexander   47 Rose, Paul Lawrence  30, 35 Rosenberg, Alfred   9, 10, 149, 150, 155, 159, 193, 197, 198, 225 Rossini, Gioacchino   21, 169 Rubens, Peter Paul  81 Ruckdeschel, Willi  81 Rühmann, Heinz  225 Rust, Bernhard  204 S Saint-Saëns, Camille  111, 125 Sandrock, Adele   140 Scarlatti, Alessandro  124 Schäfer, Hans-Dieter  154 Schaub, Julius  15, 196 Scheffler, Siegfried  194 Schemann, Ludwig  71 Schemm, Hans  190 Scheubner-Richter, Max Erwin von  149, 242 Schiller, Friedrich   21, 22, 53, 77, 143, 161 Schillings, Max von  168 Schirach, Baldur von  95 Schirmer, Hans  130 Schlösser, Rainer   154, 158, 198 Schmedes, Erik  92, 103 Schmidt, Ernst  142

Personenregister  |

Schmidt, Franz  91, 106 Schmidt, Lieselotte  190 Schmidt-Isserstedt, Hans   172 Schnitzler, Arthur  30 Schönberg, Arnold  50 Schönerer, Georg von  8, 10, 22, 23, 24, 25, 27, 28, 29, 30, 36, 44, 84, 116, 117, 118 Schopenhauer, Arthur  73, 74, 77 Schramm, Oscar  46 Schreker, Franz  136, 169 Schroeder, Christa  105 Schüler, Winfried  45 Schultze-Naumburg, Paul  67 Schumann, Robert  32, 124 Schurz, Carl  70 Schuschnigg, Kurt  224 Schwab, Gustav  37, 77 Schwarz, Birgit  153 Schwarz, Joseph   51, 86, 103 Scott, Walter  121 Sebottendorf, Rudolf von  122 Seeck, Otto  40 Semper, Gottfried  64, 128 Shakespeare, William   157 Shaw, George Bernard  244 Siebert, Paul  134 Sievert, Ludwig  178, 179 Simons, Rainer  104 Singer, Gustav  217 Six, Franz Alfred  214 Slezak, Leo  91, 103, 104 Slezak, Margarete  103, 104 Sofsky, Wolfgang   206 Sommer, Friedrich  62 Spamer, Adolf  77 Specht, Richard  90, 102, 132 Speer, Albert  14, 17, 68, 69, 154, 162, 164, 187, 195, 208, 211, 215, 216, 218, 222, 228, 240 Speidel, Albert von  134 Spengler, Oswald  77, 78, 239 Spetrino, Francesco  87 Spohr, Louis  124 Sponheuer, Bernd  14

Stalin, Josef   144, 158 Stegemann, Hermann  77 Stein, Leo  100, 101 Stepun, Fedor  217 Stieber-Walter, Paul  225, 226, 227 Stoecker, Adolf  28 Straus, Oscar  44, 125 Strauß, Johann  125, 158, 168, 175, 216 Strauss, Richard  160, 164, 165, 193, 231 Streit, Andreas  217 Stresemann, Gustav   185 Strindberg, August  122 Strobel, Gertrud   81 Strobel, Otto  80, 203, 204 Syberberg, Hans-Jürgen   181 T Tacitus, Publius Cornelius  39, 41 Thierack, Otto Georg   203 Thode, Daniela   182, 183  Thode, Henry  45, 74 Thomas, Ambroise  87 Tietjen, Heinz  178, 183, 184, 187, 197, 215 Tizian  83 Todt, Fritz  242 Toller, Ernst  143 Treitschke, Heinrich von  77, 78 Treumann, Louis  101 Troost, Paul Ludwig  67 U Ucicky, Gustav  239 Uhlig, Theodor   31 Ullrich, Volker   15 Ursuleac, Viorica  180 V Vaget, Hans Rudolf   9, 11 Verdi, Giuseppe  8, 46, 49, 56, 60, 102, 105, 159, 168, 195, 241 Viereck, Peter  245 Viktor Emanuel III. von Italien  223 Völker, Franz  180, 186

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Vollerthun, Georg  157 Voss, Egon  111 W Wächtler, Fritz   81 Wagener, Otto  16, 61, 210, 238 Wagner, Adolf  175, 180 Wagner, Cosima   28, 31, 33, 35, 72, 73, 74, 93, 109, 111, 128, 137, 142, 183, 188, 203 Wagner, Friedelind  17, 181, 182, 215 Wagner, Minna  70 Wagner, Richard  8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 16, 17, 19, 21, 22, 27, 28, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 37, 42, 43, 44, 45, 46, 47, 48, 49, 50, 51, 53, 54, 56, 57, 58, 60, 61, 62, 63, 64, 69, 70, 71, 72, 73, 74, 75, 78, 79, 80, 83, 84, 85, 86, 87, 88, 90, 92, 98, 102, 103, 105, 108, 109, 110, 111, 112, 113, 115, 124, 125, 127, 128, 129, 131, 133, 134, 135, 137, 138, 139, 140, 149, 150, 151, 153, 154, 160, 162, 165, 168, 175, 179, 182, 183, 184, 185, 186, 187, 190, 191, 192, 193, 194, 195, 197, 198, 199, 200, 201, 202, 203, 204, 215, 218, 228, 229, 230, 231, 234, 235, 237, 238, 239, 240, 241, 242, 243, 244, 245, 246, 248 Wagner, Siegfried  17, 50, 181, 182, 185, 188, 189, 203 Wagner, Verena  182 Wagner, Wieland  182, 187, 201 Wagner, Winifred  13, 17, 50, 60, 80, 81, 135, 172, 180, 181, 182, 183, 184, 186, 188, 189, 190, 201, 202, 203, 204, 218, 247 Wagner, Wolfgang  12, 182, 187 Wallace, Edgar  78 Walleck, Oskar  159, 166, 176, 177, 178 Wallner, Carl  46 Walter, Bruno  59, 86, 87, 131, 132, 133, 134, 135, 136, 137, 154, 179, 215 Warlimont, Walter  16 Wartenberg, Maximilian Graf von77

Weber, Carl Maria von  87 Weber, Max  209 Weidt, Lucie   108 Weill, Kurt  155 Weiner, Marc A.  35 Weingartner, Felix von  106, 107, 108, 109, 110, 111,   Weininger, Otto  33, 123 Weis, Karel   26 Weiss, Peter  217 Weiß Ferdl   135 Wekherlin, Alfred  179 Welzer, Harald  244 Werfel, Franz   178 Wessel, Horst  241 Westernhagen, Curt von  197 Widhalm, Lina  47 Wilensky, Anna  50 Wilensky, Edith  50 Wilensky, Julian  48, 49, 50 Wilhelm I. von Deutschland  23, 24 Wilhelm II. von Deutschland  234 Willigut, Karl Maria  122 Winkelmann, Hermann  59, 86, 87, 102 Winter, Anni   222 Winternitz, Arnold  47, 50 Winternitz, Leopold  50 Woltmann, Ludwig  78 Wolzogen, Hans von  72, 125 Z Zelinsky, Hartmut  9, 11, 75 Zeller, Carl  195 Zemlinsky, Alexander von  108 Ziegler, Hans Severus  18, 155, 161, 218 Zinstag, Adolf  183 Zuckerkandl, Fritz  178 Zumpe, Herman   179 Zweig, Stefan  164

BIRGIT SCHWARZ

GENIEWAHN: HITLER UND DIE KUNST 2., DURCHGES. AUFLAGE

Zu den folgenreichsten Eigenschaften Hitlers gehörte, dass er sich für ein Genie hielt. Übernommen hatte er die Genievorstellung bereits in seiner Jugend aus Künstlerbiographien des 19. Jahrhunderts. Nach seiner Ablehnung an der Wiener Akademie verinnerlichte er sie im Konzept des verkannten Künstlers. Das romantische Geniekonzept, das sich längst ideologisiert und mit nationalistischen, rassistischen und antisemitischen Inhalten aufgeladen hatte, bildete die Basis seiner Weltanschauung und Selbstkonzeption als »Führer«, Künstler-Politiker und Stratege. Künstlertum und Geniewahn erzeugten auch die Notwendigkeit der ständigen Selbstbestätigung und Selbstdarstellung als Kunstfreund und Mäzen und bildeten damit die Grundlage für die Kulturbesessenheit des Dritten Reiches. War die Architektur das Medium des NS-Staates, so dienten historische Gemälde Hitlers persönlicher Imagepflege. Erstmalig werden die Gemäldekollektionen in Hitlers Wohnungen und diversen Residenzen vorgestellt und ihre Bedeutung rekonstruiert, die die Hauptwerke für den Diktator hatten. 2011. 397 S. 114 S/W-ABB. GB. 170 X 240 MM. ISBN 978-3-205-78819-5

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ERIK LEVI (ED.)

THE IMPACT OF NAZISM ON TWENTIETH-CENTURY MUSIC (EXIL.ARTE-SCHRIFTEN, BAND 3)

The impact of Nazism on twentieth-century music was immense as evidenced by this volume featuring seventeen essays by a group of internationally recognised scholars. The range of enquiry is extraordinarily wide, covering the issue of „Inner Emigration“ during the Third Reich and remigration in the Netherlands after the Second World War, as well as the work of exiled composers such as Korngold, Weill, Weigl, Ullmann, Eisler, Achron, Goldschmidt and Gál. In addition, there are penetrating discussions of the employment of Handel’s music in the Jewish Cultural League, Nazi musical censorship in occupied Poland and the fate of émigré musicians and musicologists in wartime Britain. Three chapters detail the musical relationship between Franco’s Spain and the Third Reich. 2014. 354 S. ZAHLR. NOTENBSP. GB. 170 X 240 MM. | ISBN 978-3-205-79543-8

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ULRICH DRÜNER, GEORG GÜNTHER

MUSIK UND „DRITTES REICH“ FALLBEISPIELE 1910 BIS 1960 ZU HERKUNFT, HÖHEPUNKT UND NACHWIRKUNGEN DES NATIONALSOZIALISMUS IN DER MUSIK

In der Musik beginnt das „Dritte Reich“ nicht erst 1933 und endet nicht wirklich 1945. Dies ist die Einsicht , wenn man die Musik der Zeit von 1900 bis 1960 studiert. Der Band ist aus einem Antiquariatsprojekt von etwa 700 Dokumenten entstanden und begnügt sich nicht , wie bisher üblich , die musikalischen Makrostrukturen des „Dritten Reichs“ anhand von 30 bis 40 Titeln zu illustrieren. Vielmehr wird in breiter dokumentarischer Fülle den Fragen nachgegangen , aus welchen Traditionen Musik und Musikwissenschaft der Nazis kamen , worin ihre ideologisch-ästhetische „Eigenart“ besteht und wie sie nach 1945 weiter wirken. Ferner werden die „Entartete Musik“ und die auf ihre Autoren gerichtete „Eliminierungs-Literatur“ sowie die Musik in Exil und Emigration dargestellt. Viele Dokumente zeigen in erschütternder Direktheit , mit welchen Problemen die Musiker jener Zeit konfrontiert waren. 2012. 390 S. 45 S/W-ABB. GB. 170 X 240 MM | ISBN 978-3-205-78616-0

This is an admirable book based on meticulous research and immense knowledge. […] It has to be essential reading for all those interested in the subject. Journal of Contemporary European Studies

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FRITZ TRÜMPI

POLITISIERTE ORCHESTER DIE WIENER PHILHARMONIKER UND DAS BERLINER PHILHARMONISCHE ORCHESTER IM NATIONALSOZIALISMUS

Vor der Folie eines Vergleiches zwischen den Wiener und Berliner Philharmonikern im »Dritten Reich« liefert Fritz Trümpi eine detailreiche Studie über nationalsozialistische Musikpolitik. Die Politisierung der beiden Konkurrenzorchester, welche überdies den Städtewettbewerb zwischen Wien und Berlin repräsentierten, diente beiderseits der nationalsozialistischen Herrschaftssicherung, war in ihrer Ausführung aber von signifi kanten Unterschieden geprägt. Ausgehend von einem vergleichenden Aufriss der Frühgeschichte der beiden Orchester untersucht der Autor Kontinuitäten und Brüche im Musikbetrieb nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten und dem »Anschluss« Österreichs an NS-Deutschland. Dazu greift Trümpi auf ebenso brisante wie vielfältige Archivmaterialien zurück, die hier zum Teil erstmals der Öffentlichkeit präsentiert werden. 2011. 357 S. 5 TAB., 17 GRAF. UND 9 S/W-ABB. BR. 170 X 240 MM. ISBN 978-3-205-78657-3

»[…] Ein Buch, das in Berlin und Wien für Aufsehen sorgt […] und einen spannenden Einblick in die nationalsozialistische Musikpolitik [eröffnet].« Aargauer Zeitung böhlau verlag, wiesingerstrasse 1, a-1010 wien, t: + 43 1 330 24 27-0 [email protected], www.boehlau-verlag.com