Heidegger und die Gottesfrage (Das Denken Martin Heideggers 4) (German Edition) 3689119995, 9783689119997

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Heidegger und die Gottesfrage (Das Denken Martin Heideggers 4) (German Edition)
 3689119995, 9783689119997

Table of contents :
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Titelei
Impressum
Inhaltsverzeichnis
§ 1 Einleitung - Religion, Theologie und Seinsfrage - Die Bahnrichtung und der Sachbereich von Heideggers Denken
I. Zwischen Ausdruck und Einklammerung der religiösen Erfahrung - Die Ehrlichkeit gegenüber Gott
§ 2 Von der Neuscholastik zur Philosophie des lebendigen Geistes
a) Auf der Suche nach einem Weg zu Gott
b) Der Einbruch der Geschichte
§ 3 Die „christliche Theologie“ und die Hermeneutik der Faktizität
a) Die hermeneutische Eidetik der Mystik
b) Die Philosophie der Religion und das Verständnis des Gotteserlebnisses
c) „Christliche Philosophie“ versus „Wissenschaft von Gott“
d) Paulus und die Zeitlichkeit des urchristlichen Lebens
e) Augustinus und die Bekümmerung des faktischen Lebens
§ 4 Der methodologische „A-theismus“ in der Fundamentalontologie
a) Die Definition des Menschen im Verhältnis zu Gott und ihre „Destruktion“
b) Die „Korrektion“ der Theologie durch die Analytik des Daseins
II. In Erwartung des „kommenden“ Gottes - Die „Gnade“ einer „dürftigen“ Zeit
§ 5 Die Verortung der metaphysischen Gottesauffassung
a) Die fruchtbare Abgrenzung des Glaubens und des Denkens voneinander
b) Das „Jesumäßige“ außerhalb des „Metaphysischen“
c) Die „Entsetzung“ der alten Götter durch das „höchste Seiende“
d) Der Tod Gottes und die Hybris des (Über-)Menschen
§ 6 Die „re-ligio“ im Denken des Ereignisses
a) Das „Gottes-“ und „Seinsbedürfnis“ als „Letztes“ der Geschichte
b) Der Augenblick des Vorbeiganges zum „anderen“ Anfang
c) Das „Ver-Hältnis“ zu der „Göttin des Seyns“
d) Das schweigende Gebet des Denkens
Bibliographie
a) Schriften Heideggers
b) Schriften anderer Autoren
Namensregister

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Heidegger und die Gottesfrage

Martin Maria Strohmayer, Lufthoheiten

Rosa Maria Marafioti

Heidegger und die Gottesfrage

Das Denken Martin Heideggers IV 4 herausgegeben von Hans-Christian Günther † fortgeführt von Ivo De Gennaro und Gino Zaccaria

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ‹http://www.dnb.de› abrufbar.

Der Text wurde einem Peer-Review-Verfahren unterzogen und mit der finanziellen Förderung des „Dipartimento di Lettere, Filosofia, Comunicazione“ der Universität Bergamo gedruckt.

© Verlag Traugott Bautz GmbH 99734 Nordhausen 2024 ISBN 978-3-68911-000-0

Meinen Eltern

Gott hört auch, was man in Gedanken singt.

Friedrich Hebbel

Inhalt § 1 Einleitung Religion, Theologie und Seinsfrage. Die Bahnrichtung und der Sachbereich von Heideggers Denken 9

I. Zwischen Ausdruck und Einklammerung der religiösen Erfahrung. Die Ehrlichkeit gegenüber Gott 15

§ 2 Von der Neuscholastik zur Philosophie des lebendigen Geistes a) Auf der Suche nach einem Weg zu Gott b) Der Einbruch der Geschichte

15 15 19

§ 3 Die „christliche Theologie“ und die Hermeneutik der Faktizität a) Die hermeneutische Eidetik der Mystik b) Die Philosophie der Religion und das Verständnis des Gotteserlebnisses c) „Christliche Philosophie“ versus „Wissenschaft von Gott“ d) Paulus und die Zeitlichkeit des urchristlichen Lebens e) Augustinus und die Bekümmerung des faktischen Lebens

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§ 4 Der methodologische „A-theismus“ in der Fundamentalontologie 43 a) Die Definition des Menschen im Verhältnis zu Gott und ihre „Destruktion“ 43 b) Die „Korrektion“ der Theologie durch die Analytik des Daseins 48 II. In Erwartung des „kommenden“ Gottes. Die „Gnade“ einer „dürftigen“ Zeit 53 § 5 Die Verortung der metaphysischen Gottesauffassung 53 a) Die fruchtbare Abgrenzung des Glaubens und des Denkens voneinander 53 b) Das „Jesumäßige“ außerhalb des „Metaphysischen“ 58 c) Die „Entsetzung“ der alten Götter durch das „höchste Seiende“ 62 d) Der Tod Gottes und die Hybris des (Über-)Menschen 66 § 6 Die „re-ligio“ im Denken des Ereignisses a) Das „Gottes-“ und „Seinsbedürfnis“ als „Letztes“ der Geschichte

71 71

b) c) d)

Der Augenblick des Vorbeiganges zum „anderen“ Anfang Das „Ver-Hältnis“ zu der „Göttin des Seyns“ Das schweigende Gebet des Denkens

Bibliographie a) Schriften Heideggers b) Schriften anderer Autoren

Namenregister

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§ 1 Einleitung Religion, Theologie und Seinsfrage Die Bahnrichtung und der Sachbereich von Heideggers Denken

Ich möchte werden wie die ganz Geheimen: Nicht auf der Stirne die Gedanken denken, nur eine Sehnsucht reichen in den Reimen, mit allen Blicken nur ein leises Keimen, mit meinem Schweigen nur ein Schauern schenken. Rainer Maria Rilke

In einigen Briefen an seine Frau aus dem Jahr 1918 geht Heidegger auf seine Bestimmung zur Philosophie ein, indem er sie als „große Berufung zu einer überzeitlichen Aufgabe“ bezeichnet, die die Beschäftigung mit den Problemen fordere, auf die er „in der Fortführung des Prinzips vom historische[n] Bew[usstsein] gestoßen“1 sei. Diese Probleme deuten schon auf die „Grundfrage“ des heideggerschen Denkens hin, und zwar auf die Frage nach dem Sein. Sie wird seit der sogenannten „Kehre“ in der Mitte der 1930er Jahre durch die „Vorfrage“ nach der Wahrheit eingeleitet.2 Heidegger ist zu diesen „Fragen“ seines Denkens und deren Zusammenhang aufgrund seiner inneren religiösen Erfahrung und durch sein Theologiestudium gelangt. In dem Brief an seine Frau vom 12. Mai 1918 schreibt er nämlich: „Aus einer solchen Athmosphäre [sic!] persönlichen Zusammenlebens mit den ständig wirksamen Perspektiven religiöser Verinnerlichung wird mir […] das Philosophieren überh[aupt] erwachsen“3. Im Rückblick auf dem Weg von 1937/38 gibt Heidegger weitere Auskunft über den Beginn seines Denkweges. Er bezeichnet den Gehalt seiner Habilitationsschrift Die Kategorien- und Bedeutungslehre des Duns Scotus (1915/16) als „ein[en] einzelgängerische[n] Versuch […] gegen die bisherige Auslegung der Scholastik mit Hilfe der von ihr in ganz weiter Folge und 1

Briefe Martin Heideggers an Elfride vom 01.09.1919 und vom 27.10.1918, in Heidegger/Petri 2005: 97, 87. Vgl. die Briefe Heideggers an Engelbert Krebs vom 09.01.1919 (in Denker/Zaborowski 2004: 67) und an Elisabeth Blochmann vom 15.06.1918 (in Heidegger/Blochmann 1990: 7). Im Brief Ernst Laslowskis an Heidegger vom 02.12.1911 (wiedergegeben in Denker/Zaborowski 2004: 31) erkennt der Freund Heideggers „inner[e] Berufung zur Philosophie“ bereits an. 2 Vgl. GA 45: 200-201. Pierfrancesco Stagi hält die Seinsfrage für typisch katholisch, und deshalb sei Heidegger „ein katholischer Philosoph“, „wenngleich ein ‚Grenzgänger‘“ (Stagi 2012: 43). 3 Heidegger/Petri 2005: 66.

Religion, Theologie und Seinsfrage Entleerung abhängigen Neuscholastik“4. Er präzisiert weiter, dass sein dem mittelalterlichen Theologen gewidmetes Buch und die ihm vorausgehende Dissertation Die Lehre vom Urteil im Psychologismus (1913) die Frage nach der Wahrheit in der Form der Geltung des Sinnes eines Satzes und die Frage nach dem Sein in seiner sprachlichen Fassung durch das Kategorienproblem bereits hätten durchscheinen lassen. Heidegger erläutert schließlich seinen bis Mitte der 1930er Jahre zurückgelegten Denkweg als eine verschwiegene Auseinandersetzung mit dem Christentum – eine Auseinandersetzung, die er als eine „Wahrung der eigensten Herkunft – des Elternhauses, der Heimat und der Jugend – und [als die] schmerzliche Ablösung davon in einem“5 bestimmt. Das so beschriebene zwiespältige Verhältnis zum Christentum, bei dem es nicht um Dogmen und Rituale geht, hat sich aus der Beibehaltung der Fragen ergeben, die Heidegger sich aufgrund seiner Verwurzelung in einem katholisch geprägten familiären und gesellschaftlichen Milieu stellte, wobei er sich von den Antworten, die er von diesem Milieu geerbt hatte, nach und nach nicht mehr zufriedenstellen ließ, da sie ihm vielmehr als Verdeckung der eigentlichen Problematik und als Ausdruck desjenigen Nihilismus erschienen, gegen den sie sich hätten richten sollen. Die Zusammengehörigkeit von religiös-theologischen und philosophischen Motiven im gesamten heideggerschen Denken wird 1953/54 bestätigt, als Heidegger – aus Anlass des Besuches von Prof. Tezuka aus Tokio – bezüglich der Entwicklung seiner Überlegungen sagt, dass jedes „Vorwärts“ im Denken tatsächlich nur ein „Rückwärts“ im Sinne einer vertiefenden Rückkehr in „das Anfangende“6 sei. Dasselbe drückt er im Jahre 1959 aus, indem er die folgenden Verse Hölderlins zitiert: „Wie du anfiengst, wirst du bleiben, / So viel auch wirket die Noth / Und die Zucht, das meiste nemlich / Vermag die Geburt, / Und der Lichtstral, der / Dem Neugebornen begegnet.“7 Er fügt hinzu, dass das Licht dieses Lichtstrahls „selten“ und höchstens „sehr spät erblickt“8 wird. Mit diesen Worten bezieht er sich implizit auch auf sich selbst, der die tiefere Inspiration seiner Schriften nicht gleich begriffen hat. Das christliche Erbe in der Philosophie Heideggers wurde jedoch sehr früh von der Forschung erkannt. Schon die katholischen Rezensenten seiner Habilitationsschrift lobten Heidegger, weil er, obzwar „Nicht-Scholastiker“, die 4

GA 66: 412, vgl. 411; GA 1: 55. GA 66: 415. Heidegger gesteht, dass ihn die Auseinandersetzung mit dem Christentum – von Anfang an mit dem Katholizismus und seit der Marburger Zeit auch mit dem Protestantismus – nie losgelassen habe, und schreibt: „Es handelt sich aber auch nicht um einen bloß ‚religiösen‘ Hintergrund der Philosophie, sondern um die Eine Frage nach der Wahrheit des Seins“ (415-416). 6 GS: 94. Zu dieser Vorgehensweise vgl. Harries 1966. 7 H: 149. 8 GA 16: 561. 5

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Heidegger und die Gottesfrage Gegenwartsbedeutung der mittelalterlichen Philosophie aufgezeigt habe. 9 Nur ein Jahr nach der Veröffentlichung von Sein und Zeit (1927) hob Erich Przywara die christliche Wurzel der Daseinsanalytik Heideggers hervor; Rudolf Bultmann und Karl Löwith hielten diese in den beiden darauffolgenden Jahren für eine Säkularisierung der christlichen Existenzauffassung. 10 Zahlreiche Studien haben in der Folge die religiös-theologische Dimension des heideggerschen Denkens unter mehreren Gesichtspunkten erkundet. Einige haben das religiöse Klima von Meßkirch und Heideggers erste Annäherung an die Theologie erforscht, 11 andere haben die Frage nach Gott und dem Heiligen im heideggerschen Denken untersucht.12 Heideggers Verhältnis zur Theologie wurde sowohl aus der katholischen als auch aus der protestantischen Perspektive betrachtet. Zum einen haben einige Studien Heideggers Einfluss auf theologische Überlegungen herausgestellt und nach dessen Grund gefragt. Sie haben hervorgehoben, dass die Theologie auf der vom heideggerschen Denken angebotenen Möglichkeit aufgebaut habe, Geschichtlichkeit und Transzendenz zu vereinigen; weiterhin haben die Theologen wertgeschätzt, dass Heidegger der hermeneutischen Tragweite der Sprache gerecht geworden sei, indem seine Phänomenologie es ermöglicht habe, theologische Begriffe in einer allgemein verständlichen Weise mitteilbar zu machen.13 Zum anderen wurden mehrere Arbeiten der umgekehrten Frage gewidmet, in welchem Maße sich theologische Motive und Denkansätze für Heideggers philosophische Anfänge und seinen späteren Denkweg als prägend erwiesen haben.14 Schließlich haben viele Forscher Heideggers Verhältnis zu einzelnen Theologen erkundet.15 Eine erneute Behandlung dieser Thematik ist jedoch nötig, weil eine Monografie noch fehlt, welche die Stellung zu Gott, zur Religion und zur

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Vgl. die wissenschaftlichen Rezensionen von Heideggers Habilitationsschrift in Denker/Zaborowski 2004: 79-91. 10 Vgl. Przywara 1928; Kuhlmann 1929; die zwei Schriften von Löwith aus dem Jahr 1930 Phänomenologische Ontologie und protestantische Theologie und Grundzüge der Entwicklung der Phänomenologie zur Philosophie und ihr Verhältnis zur protestantischen Theologie (in Löwith 1985: 1-32, 33-95); Bultmann 1967. 11 Vgl. Casper 1980; Denker 2003. 12 Vgl. Marion 1982; Kovacs 1990; Strube 1994; Kearney/O’Leary 2009. 13 Zu Heideggers implizitem und explizitem Einfluss auf die Theologie des 20. Jahrhunderts vgl. Stagi 2013b. Zu der Möglichkeit, die Theologie ausgehend von Heideggers Denken, welches die „Destruktion“ der traditionellen Kategorien von „Grund“ und „Subjekt“ unternommen habe, die auch von der zeitgenössischen Theologie infrage gestellt würden, mit neuen begrifflichen Mitteln auszustatten, vgl. Anelli 2008. 14 Vgl. Ott 1959, ein Buch, auf das Heidegger selbst in einem Brief an Otto Pöggeler vom 29.01.1960 verweist (vgl. Heidegger/Pöggeler 2021: 70); Capelle 2001; Gethmann-Siefert 1998; Wolfe 2014. 15 Vgl. Bonsor 1987; Großmann 1998; Wildermuth 2006; O’Regan 2010.

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Religion, Theologie und Seinsfrage

Theologie, die Heidegger in allen verschiedenen Phasen seines Denkweges einnimmt, betrachtet und knapp darstellt. Eine solche Arbeit muss die in den letzten Jahrzehnten erschienenen Briefwechsel, Abhandlungen und Aufzeichnungen mit berücksichtigen, die ab Mitte der 1930er Jahre verfasst wurden, da sie ein neues Licht auf die früher erschienenen Schriften Heideggers werfen. Ausgehend von ihnen wird es möglich, das implizite „theologische“ Erbe des heideggerschen Denkens deutlicher zu erhellen und auch auf einige Schwerpunkte von Heideggers Biografie noch einmal zurückzukommen. 16 Die dadurch eröffnete Perspektive wird es ermöglichen, den bedeutenden Einfluss der Existentialanalytik Heideggers sowie seiner späteren Seinsauffassung auf die Theologie besser zu erfassen und begriffliche Instrumente zu entwickeln, die zu einem neuen und fruchtbaren Verhältnis zwischen Philosophie und Theologie beizutragen vermögen. Heideggers Beschreibung des persönlichen Verhältnisses zur Gottheit und seine Rekonstruktion des Zusammenhanges zwischen den historischen Gestalten Gottes sowie seine Verortung des Heiligen innerhalb der Weltgegenden kann schließlich eine Richtung aufzeigen, in der der Sinn für das Göttliche unabhängig von der Befolgung einer Religion oder der Zugehörigkeit zu einer Kirche offengehalten werden kann. Die Untersuchung wird in Heideggers Denkweg vier Abschnitte von unterschiedlicher Länge umgrenzen. Zuerst ist die frühe Übernahme des heimatlichen Katholizismus sowie das darauffolgende Zusammenwachsen von Gotteserlebnis und Philosophieauffassung bei Heidegger in den 1910er Jahren und zu Anfang des folgenden Jahrzehntes zu erforschen. Daran anknüpfend soll die phänomenologische Auslegung religiöser Texte im Rahmen der Hermeneutik der Faktizität in Erinnerung gerufen werden. Heideggers Stellung zur Gottesfrage und seine Bestimmung des Verhältnisses von Philosophie und Theologie nach seiner Abstandnahme von einem institutionellen Glaubensbekenntnis im Rahmen der Existenzialanalytik wird im dritten Teil dieser Arbeit erörtert, der damit zum vierten und längsten Abschnitt des heideggerschen Denkweges überleitet. Zusammen mit seinem „seynsgeschichtlichen“ bzw. „Ereignis-Denken“ arbeitet 16

Viele Autoren haben die These vertreten, dass Heidegger Nazi und Antisemit wegen seines problematischen Verhältnisses zur eigenen „theologischen Herkunft“ geworden sei – unter anderen: Gianni Vattimo, nach dessen Meinung Heidegger durch seine Abkehr von Luther und Paulus zugunsten Hölderlins sowie durch seinen Verzicht darauf, eine normative Ethik zu entwickeln (wegen seiner Berufung auf Kierkegaards Abraham-Deutung), zum Nationalsozialismus getrieben worden sei (vgl. Vattimo 2016); Hans Ruin, laut dem die Lektüre des Paulus für die Entwicklung nationalistischer und antisemitischer Tendenzen bei Heidegger eine wichtige Rolle gespielt habe, wohingegen Hans Jonas Paulus als einen jüdischen und existenzialistischen Denker geschätzt habe; George Pattison, der Heideggers Kritik am Katholismus als einen „Krieg“ gegen seinen eigenen Schatten ansieht; Ward Blanton, nach dessen Auffassung Heidegger sich von sich selbst habe befreien wollen, indem er vergeblich gegen das Christentum gekämpft habe (vgl. die Beiträge von Ruin, Pattison und Blanton in Björk/Svenungsson 2017: 49-129).

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Heidegger und die Gottesfrage

Heidegger einen außerkonfessionellen Gottesbegriff aus, der nach der Behandlung seiner späten Auseinandersetzung mit der Theologie erläutert werden soll. Da die ersten drei Phasen von Heideggers religiöser Reifung und seiner Auseinandersetzung mit der Theologie vom Leben bzw. Dasein als dem Untersuchungsfeld der Philosophie ausgehen, während die vierte im Kontext eines umfassenderen Nachdenkens über das Sein selbst erfolgt, gilt es, die Darstellung von Heideggers Fortschreiten im Fragebereich des Göttlichen insgesamt in zwei Hauptteile zu gliedern.

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I. Zwischen Ausdruck und Einklammerung der religiösen Erfahrung Die Ehrlichkeit gegenüber Gott § 2 Von der Neuscholastik zur Philosophie des lebendigen Geistes Homo desiderium dei. Aurelius Augustinus

a)

Auf der Suche nach einem Weg zu Gott

Als Sohn eines Mesners,17 geboren im katholischen Meßkirch und 1909 Theologiestudent an der Universität Freiburg sowie Alumnus des theologischen Konvikts, wird Heidegger am Beginn seines Denkweges durch Fragen angetrieben, die aus dem Inneren seiner Seele erwachsen und ihm in einer theologischen Formulierung begegnen. Er gibt ihnen sowohl in Prosa als auch in Poesie Ausdruck und fühlt sich der augustinischen Tradition und dem pauperistischen Ethos nicht fremd, obwohl er sich in seinem akademischen Studium vertieft mit Aristoteles und dessen Interpretation durch Thomas von Aquin befasst, zusammen mit dem Werk dieses Scholastikers selbst.18 Die Berufung auf die Gnade taucht in Heideggers frühen Schriften häufig auf, in denen eine anti-immanentistische und anti-subjektivistische Haltung vorherrscht. Bis Mitte der 1910er Jahre teilt Heidegger nämlich den Antimodernismus der katholischen Kirche, die sich in der Folge des Ersten Vatikanischen Konzils und des Pontifikats von Papst Pius X. hin zu einem strengen Konservativismus entwickelt hatte.19 Gegen den Relativismus schließt er an den neuthomistischen

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Zur tiefen Religiosität von Heideggers Eltern vgl. Fritz Heideggers Bericht im Geburtstagsbrief an seinen Bruder vom 26.11.1969 (wiedergegeben in Heidegger 1969: 58-63). In GA 94: 320, Nr. 14 erinnert sich Heidegger an die Mutter als eine „fromme Frau, die ohne Bitterkeit den Weg des scheinbar gottabgekehrten Sohnes im ahnenden Vorblick ertrug“, und in dem Brief an seine Frau vom 13.12.1915 behauptet er, ein Nachkomme des Theologen Johann Heinrich Heidegger zu sein (vgl. Heidegger/Petri 2005: 22). 18 Heidegger beschäftigt sich mit der Rezeption der beiden Denker (vgl. seine Buchbesprechung aus dem Jahr 1912 zu Gredt 1899–1901 in GA 16: 29-30). Casper 2001: 12 bemerkt, dass Heidegger bis zu einem gewissen Grade sogar die Sprache seiner theologischen Umwelt spricht. 19 Zu den Positionen der Kirche am Anfang des 20. Jahrhunderts und zu Heideggers Einstellung zu ihr vgl. Schaber 2004; Arnold 2017.

Von der Neuscholastik zur Philosophie des lebendigen Geistes

Realismus an, indem er die Existenz sowie die Erkennbarkeit einer einzigen Wahrheit behauptet, die Gott in seine Schöpfung eingeschrieben habe. All dies lässt sich schon anhand der ersten Veröffentlichung Heideggers erweisen, die 1909 im „Heuberger Volksblatt“ erscheint und mit Allerseelenstimmungen betitelt ist. In ihr bezeichnet Heidegger „die Menschen von heute“ als „schwach“ und kritisiert sie, weil sie „im Finstern tappen“ und „die Brücke […] ins Land der Wahrheit“ nicht finden „wollen“20. Er spielt auf den „Willen zur Macht“ der Modernen an, die er mit der „blonden Bestie“ und den „Herrenmenschen“ Nietzsches21 in Verbindung bringt. Seine kurze Schrift endet mit dem Bild eines jungen Sünders, der um Barmherzigkeit fleht. Heidegger wendet sich ferner im Jahr 1910 gegen den „Individualismus“ und den „schrankenlosen Autonomismus“22 der Moderne, und zwar in einer Rezension zu Friedrich Wilhelm Försters Autorität und Freiheit, in der er dem „schärfsten Gegensat[z]“ innerhalb des Modernismus, nämlich dem „Wirklichkeitsfanatismus der naturalistisch-sozialistischen Lebensordnung“ und der „neue Gedankenwelten und Daseinswerte konstruierende[n] Immanenzphilosophie“ die „alt[e] Weisheit der christlichen Tradition“ 23 entgegenstellt. In seiner Buchbesprechung zu Johannes Jörgensens Lebenslüge und Lebenswahrheit aus demselben Jahr stellt Heidegger die Bekehrung des Autors als einen Kampf vor, in dem der „Darwinist“ in ihm von Gott besiegt worden sei, der Jörgensen kraft seiner „übernatürlichen Gnade“ habe „auferstehen“24 lassen. Heidegger nennt Jörgensen „ein[en] moderne[n] Augustinus“ und würdigt ihn für sein Interesse an den Mystikern und am „Poverello“ (Franz von Assisi). Er wendet sich schließlich gegen den Freidenker, der „die Wahrheit niedertreten“ möchte, insofern er „nicht glauben“ 25 will. In Zur philosophischen Orientierung für Akademiker (1911) spricht Heidegger von den „Grundwahrheiten des Christentums“, die „in ihrer ewigen Grösse […] vor die Seele“ treten, „Begeisterung“ wecken und gegen die Degeneration der Philosophie wirken. Diese habe die Form einer aus „einander widersprechendsten Gedanken“ zusammengesetzten Weltanschauung eingenommen und sei wegen der „feinfühligen modernen Seele“ „zum ‚Erlebnis‘“26 geworden. Es gebe jedoch Theologen, „die philosophische Studien ernstlich in Angriff“ nähmen, insofern „sie nicht auf eine gründliche

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Heidegger 2004a: 18. Vgl. KSA 5: 275. Zur frühen Auseinandersetzung Heideggers mit Nietzsche vgl. Vetter 1998. GA 16: 7. 23 Ebd.: 8, 7. 24 GA 16: 5 25 Ebd.: 6, 5. 26 GA 16: 11-12. 21 22

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Heidegger und die Gottesfrage Fundamentierung ihrer theologischen Kenntnisse verzichten“27 wollten. Die Philosophie, mit der sie sich beschäftigen müssten, sei „ein Spiegel des Ewigen“28, und Heidegger identifiziert sie noch 1915 mit „der christlichen Weltanschauung“29. In dem in diesem Jahr geschriebenen Bericht Das KriegsTriduum in Meßkirch lobt er weiter die Aufforderung des deutschen Episkopates zur Abhaltung eines Triduums, das er zu einem Aufruf zu derjenigen Besinnung versteht, vor der der moderne Mensch sich fürchtet. Heidegger beginnt seinen Text mit einem Nietzsche-Zitat, um die „Verworrenheit, Unsicherheit und Ziellosigkeit“ des modernen Menschen zu betonen, und schließt ihn mit einem Lob auf den Prediger, der sich auf „[d]ie schlichte Gottinnigkeit des hl. Franz von Assisi“ sowie auf „de[n] psychologische[n] Tiefblick und“ auf „die unerbittliche Gedankenschärfe […] des großen Franziskanertheologen Bonaventura“30 berufen habe. Ein „apologetischer“ Zug verbindet die Schriften, die Heidegger während seines Theologiestudiums verfasst, mit denjenigen, die er als Philosophiestudent schreibt,31 nachdem er 1911 die theologische Fakultät verlassen hat, um sich zuerst der Mathematik und den Naturwissenschaften und danach ganz der philosophischen Forschung zu widmen, ohne die Universität zu wechseln. Als Student der philosophischen Fakultät 1911–1913 hält Heidegger in Meßkirch schon Vorträge, durch die er die modernistischen Thesen, die mit den christlichen Grundinhalten in der Zeit des Kulturkampfes schwer verträglich waren, als haltlos erweisen will.32 Gegen den Darwinismus betont Heidegger z. B. den Unterschied zwischen den Tieren und dem Menschen, der die „Krone der Schöpfung“ sei. Er setzt sich auch mit Nietzsche, mit dem Sozialismus (den er „von wissenschaftlicher Seite aus“ betrachtet) und mit dem Spiritismus dadurch auseinander, dass er sein altes Interesse an der Biologie wieder weckt.33 Neben dem Einsatz für das Christentum durch die Wissenschaft verfasst Heidegger in den Jahren 1910–1916 Gedichte, die seine innere religiöse Reifung widerspiegeln. In ihnen folgt das Gebet um Gottes Gnade, die aus der Ewigkeit 27

Ebd.: 13. Ebd.: 11. 29 Heidegger 2004b: 25. 30 Ebd.: 23, 25. Heidegger zitiert Nietzsches Vorrede zu Der Wille zur Macht (KSA 13: 189). Hiermit bekennt Heidegger sich nicht zur Kriegsideologie der 1910er Jahre, die an Nietzsche anknüpfte, denn er kritisiert das bloß reaktive Kriegserlebnis seiner Zeitgenossen. Auf S. 24 erwähnt Heidegger die wörtliche Bedeutung von „Besinnung“, auf die er 1953 in dem Aufsatz Wissenschaft und Besinnung zurückgreifen wird (vgl. GA 7: 63). 31 Die „apologetische“ Fähigkeit Heideggers wird in den Briefen Ernst Laslowskis an ihn vom 20.04.1911 und vom 20.01.1913 unterstrichen (vgl. die Sätze Laslowskis in Denker/Zaborowski 2004: 29, 36). 32 Vgl. die Zeitungsberichte in Denker/Büchin 2005: 126-129. 33 Vgl. L: 37. 28

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Von der Neuscholastik zur Philosophie des lebendigen Geistes

durch die Engel herunterkommt, der Erfahrung der Kontingenz alles Geschaffenen. In seinen „Ölbergstunden“ fühlt Heidegger, „wie Gottesliebe aufflammen will“; er ruft und wartet „nie vergebens“, „bis die silberhellen / Glocken der Herden / zum Weltchoral der Freude werden“.34 Der Inhalt seiner Vorträge und Verse kehrt in den gleichzeitigen Briefen an seine Frau wieder, in denen Heidegger schreibt, dass „der Mensch von allen Naturhaften so ganz getrennt [ist], daß er in sich selbst nun eigenen Wert darstellt“35. Heidegger zufolge muss unser Dasein „de[n] unendlich[en], persönlichst[en] Geist Gottes“ als „letztes Ziel und Ende“36 haben und im Auge behalten, dass das „,wahr[e] Gotterlebnis‘ […] eine wundersame, seltene Gnade [ist], deren man nur würdig wird durch Leid“37. Die so beschriebene Erfahrung der Gottesnähe mündet jedoch nicht in die Ruhe eines unwiderruflichen Erwerbs: In dem Gedicht Einsamkeit (1916) wird Heidegger umschwirrt von seinen „klagenden Sünden“, während „[e]s schneit“, und in dem Brief an Elfride vom 3. Januar 1916 gesteht er: „[A]lles Große und Tiefe hat den Zug des Tragischen.“38 Die Unrast, die Heideggers frühe Beschäftigung mit der Gottesfrage prägt, zeugt davon, dass seine Einstellung von Anfang an eher diejenige des Philosophen als die des überzeugten Gläubigen ist. In der Tat schreitet Heidegger während seiner Studienjahre auf einem Weg fort, den er am Ende seiner Gymnasialzeit eingeschlagen hatte, als er Vom Sein. Abriß der Ontologie (1896) (verfasst von dem Professor für Dogmatik Carl Braig) und Von der mannigfachen Bedeutung des Seienden nach Aristoteles (1862) (Franz Brentanos Dissertation, auf die er durch Braig hingewiesen worden war) gelesen hatte. Um sich einer Antwort auf die Frage nach der leitenden Grundbedeutung des Seins und somit nach der Wahrheit anzunähern, die eine Alternative zu derjenigen bieten konnte, welche er in der neutestamentlichen Exegese seiner Professoren an der katholischen Fakultät heraushören wollte, liest Heidegger Husserls Logische Untersuchungen (1900/01), die von Brentano inspiriert waren. 39 Zu Husserl nach

34

Vgl. Heideggers Gedichte Ölbergstunden, Wir wollen warten, Trost und Einsamkeit in GA 13: 6 und GA 16: 36, 40. Diese und andere Gedichte verraten ein bestimmtes Interesse an der Mystik, das Heidegger parallel zu seiner Auseinandersetzung mit dem Neuscholastik entwickelt. Vgl. dazu van Buren 1994: 62-64. Zu Heideggers frühen Gedichten vgl. Cassinari 2000: 37-54. 35 Brief Heideggers an Elfride vom 01.01.1916, in Heidegger/Petri 2005: 28. 36 Ebd.: 29. Trotzdem hat die ganze Natur die Abhängigkeit von Gott mit den Menschen gemeinsam (vgl. die Gedichte Julinacht – in GA 16: 17 – und Sterbende Pracht – in GA 13: 5). 37 Brief Heideggers an Elfride vom 03.01.1916, in: Heidegger/Petri 2005: 29-30. Von „Gnade“ spricht Heidegger auch in dem Brief vom 12.03.1917 (vgl. 54). In seinen Zeilen an Elisabeth Blochmann vom 01.05.1919 erkennt er den „Gnadencharakter allen Lebens“ an, und am 12.09.1929 sagt er, „daß unser Herz […] sich der Gnade offenhalten muß“ (Heidegger/Blochmann 1990: 14, 32). 38 GA 16: 40; Heidegger/Petri 2005: 30. 39 Vgl. V: 41; GA 14: 93.

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Heidegger und die Gottesfrage

Göttingen wäre er wohl bereits 1911 gegangen, wenn er nicht aus finanziellen Gründen in Freiburg hätte bleiben müssen. Während seines Philosophiestudiums macht sich Heidegger jedoch die phänomenologischen Argumente zu eigen, die Husserl gegen den Psychologismus richtete,40 der die logischen Phänomene mit den sie vollziehenden psychischen Akten identifizierte und dadurch die Allgemeingültigkeit der Erkenntnis – und damit den Wahrheitscharakter des Wissens – in Gefahr brachte. Schon früher hatte Heidegger durch das „Selbststudium der scholastischen Lehrbücher“ eine „gewisse formale logische Schulung“ gewonnen, die ihm „den Einblick in das Wesen der Logik“ 41 durch die Vorlesungen von Heinrich Rickert erleichtert. Er befasst sich mit der Logik, auch um die Wahrheit des Christentums zu verteidigen, obwohl er von der Kirchendoktrin allmählich Abstand nimmt. Denn offiziell tritt Heidegger aus dem theologischen Konvikt aus, weil ihn sein Herzleiden daran gehindert habe, nach dem Hochschulabschluss einen kirchlichen Beruf auszuüben. 42 In Wirklichkeit beginnt er sich in seinen ersten Universitätsjahren von dem dogmatischen Ansatz der Neuscholastik und der antimodernistischen Einstellung der katholischen Kirche zu entfernen.

b) Der Einbruch der Geschichte Schon in der Vita vom Jahr 1922 gibt Heidegger zu, dass er 1911 „das theologische Studium deshalb aufgegeben hatte, weil [er] den damals zur ausdrücklichen Forderung erhobenen ‚Modernisteneid‘ nicht auf [sich] nehmen konnte.“43 Für Heideggers Perspektivenwechsel wird wohl Franz Overbecks Kritik an der Theologie bedeutsam gewesen sein, durch die er die protestantische dogmengeschichtliche Forschung kennengelernt hatte. Entscheidend ist jedenfalls die Lektüre von Nietzsches Wille zur Macht, der Werke Kierkegaards und Dostojewskijs und der Gesammelten Schriften Diltheys.44 Bei Dilthey findet Heidegger eine Anwendung der hermeneutischen Methode, die seinen Bedürfnissen eher entspricht als die Art von Hermeneutik, mit der er während seines Theologiestudiums vertraut gemacht worden war – auch wenn ihn seine

40

Zur Widerlegung des Psychologismus vgl. Kaiser-el-Safti/Werner 2011; zur Kritik an ihm bei Husserl und Heidegger vgl. Marafioti 2011: 45-48, 74-76. 41 L: 37-38. 42 Vgl. ebd.: 38. 43 V: 41. 44 Vgl. GA 1: 56.

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Von der Neuscholastik zur Philosophie des lebendigen Geistes

ersten Versuche der Auslegung der Bibel bereits durchaus auf das Verhältnis zwischen Sprache und Sein verwiesen hatten.45 Dilthey ist für Heidegger bei seiner Suche nach seinem eigenen Weg auch deswegen hilfreich, weil sein Leben Schleiermachers (1870) Heideggers Verständnis dieses Philosophen, für den der Bezug des Bewusstseins zum Unendlichen ganz geschichtlich ist,46 beeinflusst und weil es einer seiner Schüler war, Herman Nohl, der 1907 Hegels Theologische Jugendschriften veröffentlicht hatte.47 Hegels „Theologie“ erlaubt es Heidegger, einen Einblick in die „lebendige Geschichtlichkeit“ der Wahrheit zu nehmen. Die hegelsche „Philosophie des Geistes“ im Allgemeinen sowie Schellings Denken werden Heidegger unmittelbar nach dem Verlassen der theologischen Fakultät zugänglich durch Carl Braig, der die katholische Theologie in der Tradition der Tübinger spekulativen Schule und in Distanz zur Neuscholastik betreibt.48 Heideggers Abstandnahme von der neuscholastischen Tradition kann sich dadurch vollenden, dass er sich erneut mit ihren Bezugsautoren auseinandersetzt, aber unter einer neuen Perspektive, die veranlasst ist durch den Besuch der Vorlesungen Heinrich Finkes über die Geschichte des Mittelalters und Heinrich Rickerts über die neuere Philosophie seit Immanuel Kant: Während Finke Heidegger in die Methode der Geschichtsforschung einführt, lehrt Rickert Heidegger, die im strengen Sinne „philosophischen“ Probleme kennenzulernen und der Geschichte den Status einer Wissenschaft zuzumessen.49 Unter der neu gewonnenen Perspektive wendet sich Heidegger der Spätscholastik zu – zuerst Wilhelm von Ockham und dann Johannes Duns Scotus –, um ihr Denken außerhalb jeglicher kirchlich-konfessioneller Ziele zu entschlüsseln. Heideggers Habilitationsschrift Die Kategorien- und Bedeutungslehre des Duns Scotus stellt deswegen eine Art Wasserscheide zwischen den frühen „apologetischen“ Schriften und den späteren Arbeiten dar, in denen die religiöse Thematik philosophisch behandelt wird.50

45

Vgl. GS: 91-92. Vgl. Dilthey 1970; dieses Buch zu lesen schlägt Heidegger Elisabeth Blochmann in seinem Brief vom 07.11.1918 vor (vgl. Heidegger/Blochmann 1990: 11). Vgl. auch Heideggers Notizen zu Schleiermachers zweiter Rede Über das Wesen der Religion, in denen er schreibt: „Geschichte […] ist der höchste Gegenstand der Religion, mit ihr hebt sie an und endigt mit ihr“ (GA 60: 322). 47 Vgl. Hegel 1907. Zu Heideggers erster Annäherung an Hegel vgl. Strube 1993: 90. 48 Vgl. WS: 57; GA 14: 94. 49 Vgl. L: 38-39; V: 42, wo Heidegger seine Beschäftigung mit Rickerts Werk Die Grenzen der naturwissenschaftlichen Begriffsbildung (1902) erwähnt. 50 Zur „Grenzstellung“ der Arbeit über Duns Scotus, in welcher die beginnende Abstandnahme von der kirchlichen Doktrin klar hervortritt, vgl. Marafioti 2008: 156-158. Zur Versöhnung der theologischen und der philosophischen „Seele“ Heideggers in seiner Habilitationsschrift vgl. Denker 2012: 44-45. 46

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Heidegger und die Gottesfrage Schon aus der Einleitung seiner Abhandlung über den „doctor subtilis“ wird tatsächlich ersichtlich, dass Heideggers Anliegen weder theologisch im strengen Sinne noch rein historisch ist. Denn Heidegger beabsichtigt nicht, das scholastische Denken philologisch zu rekonstruieren oder einen Vergleich zwischen ihm und der zeitgenössischen Philosophie zu ziehen. Er will vielmehr seine „Untersuchung auf das Niveau einer systematisch-philosophischen Betrachtung“51 heben, indem er Duns Scotus’ Kategorien- und Bedeutungslehre mit den Auslegungsmitteln der modernen Logik und im Hinblick auf die Probleme der Philosophie am Anfang des 20. Jahrhunderts „flüssig macht“ (neu zum Sprechen bringt). Heidegger konzentriert sich nicht auf die theologischen Aspekte von Scotus’ Philosophie, für die sich die katholischen Forscher interessierten. Im Unterschied zu ihnen untersucht er vertieft die Behandlung der gnoseologischen Probleme beim Doctor subtilis, um den Begriff der Wahrheit neu zu bestimmen.52 Sein Ausgangspunkt ist die Debatte um die Definition der Kategorien. Diese Diskussion wurde vom Neukantianismus in den Vordergrund gestellt und war auch durch den Beitrag des Neuhegelianismus am Beginn des 20. Jahrhunderts bereichert worden, der den Kategorien einen metaphysischen Zug zugeschrieben hatte.53 Heidegger verbindet den neukantianischen Ansatz von Rickert, der der Gutachter seiner Habilitationsschrift ist, mit der phänomenologischen Methode, um seine Untersuchung mit einer ontologischen Ausrichtung ausführen zu können. Er lässt sich von der Kategorien- und Urteilslehre Emil Lasks inspirieren, der Neukantianismus und Phänomenologie vermittelt und ein originelles Licht auf die aristotelische Logik geworfen hatte, dank dessen auch Kants Kritizismus nicht mehr ausschließlich als Symbol des Subjektivismus der modernen Philosophie bzw. als das Gegenteil des thomistischen Realismus erschien. Die Veränderung von Heideggers Einstellung gegenüber Kant, den er in dem Aufsatz Das Realitätsproblem in der modernen Philosophie54 (1912) als den GA 1: 204; vgl. 399. Heidegger verwendet den Ausdruck „Flüssigmachung“, mit dem er Hegels Wendung „flüssig machen“ aufnimmt. Darunter versteht Hegel die schrittweise Rekonstruktion der Entstehungsgeschichte eines Begriffes, durch die die volle Bedeutung eines Wortes ans Licht trete (vgl. Hegel 1970: 37). 52 Vgl. GA 1: 410, Fn. 8; Poggi 2006: 87, Fn. 63. Heidegger versucht, die Thematiken, die für ihn relevant sind, durch die Beschäftigung mit einem Philosophen zu vertiefen, dessen Wahl als Thema seiner Habilitationsschrift zugleich auch von finanziellen Motiven beeinflusst wurde (seine Arbeit konnte dank des „Schätzler“-Stipendiums, das mit der Gestalt des Thomas von Aquin verbunden war, und zwecks der Teilnahme am Wettbewerb um den Lehrstuhl für christliche Philosophie an der Universität Freiburg verfasst werden). 53 Vgl. Poggi 2006: 74. 54 Vgl. GA 1: 1-15. Zur Anerkennung von Lasks Einfluss auf Heideggers Habilitationsschrift vgl. den Brief Rickerts an Heidegger vom 02.12.1916, in Heidegger/Rickert 2002: 33. Zu Ähnlichkeiten und Unterschieden zwischen der Theorie Heideggers und derjenigen Lasks vgl. Demmerling 1992. 51

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Von der Neuscholastik zur Philosophie des lebendigen Geistes

Hauptvertreter des Phänomenalismus stark kritisiert hatte, spiegelt die heideggersche Auseinandersetzung mit Luther, insofern Kant eine der Schlüsselfiguren des modernen liberalen Kulturprotestantismus war. Die eingehende Beschäftigung mit Luther – der den das Gesetz und den Glauben voneinander trennenden Abgrund hervorgehoben hatte – und mit Kierkegaard – von dem die Macht der kirchlichen Institutionen zugunsten der persönlichen und echten religiösen Erfahrung kritisiert worden war55 – treibt Heidegger immer mehr dazu, die innere religiöse Erfahrung von ihrer theologischen und sogar philosophischen Konzeptualisierung sowie von ihrer Gestaltung in Riten und Bekenntnissen zu unterscheiden. Dies wird ihn dazu bringen, dem religiösen Erlebnis einen grundsätzlichen Vorrang vor seinem Ausdruck in der offiziellen Sprache einer Kirche zuzumessen. Schon am Ende des Schlusskapitels von Die Kategorien- und Bedeutungslehre des Duns Scotus, das der Habilitationsschrift für ihre Veröffentlichung im Jahr 1916 hinzugefügt worden ist, fordert Heidegger zur Ausarbeitung einer „Philosophie des lebendigen Geistes, der tatvollen Liebe, der verehrenden Gottinnigkeit“56 auf. Damit bezieht er sich implizit auf Hegels Theologische Jugendschriften, wo es heißt: „In der Liebe ist das Getrennte noch, aber nicht mehr als Getrenntes – als Einiges und das Lebendige fühlt das Lebendige.“57 Heidegger stellt sich nämlich die „Aufgabe einer prinzipiellen Auseinandersetzung mit dem […] System einer historischen Weltanschauung, als welches es alle vorausgegangenen fundamentalen philosophischen Problemmotive in sich aufgehoben hat, mit Hegel.“58

55

Heidegger verweist schon im Wintersemester 1919/20 auf Luther und Kierkegaard (vgl. GA 58: 205), er zählt sie im Jahr 1923 zu den grundlegenden Quellen seines eigenen Denkens (vgl. GA 63: 5) und bestätigt das rückblickend in dem Brief an Rudolf Bultmann vom 31.12.1927 (vgl. Bultmann/Heidegger 2009: 48). Zu der maßgeblichen Rolle, die Luther bei der Ausarbeitung der Grundbegriffe des frühen Heidegger gespielt hat, vgl. Surace 2014. 56 GA 1: 410. 57 Hegel 1907: 379; vgl. 345-351, 377-382. Hegel wird Heidegger wohl einen Anstoß zum Weiterdenken des Verhältnisses von Realem und Idealem gegeben haben. Diesbezüglich schreibt der Theologe Romano Guardini im Frühjahr 1916 an Heidegger, dass er sich auf demselben Weg befinde, insofern er der Ansicht sei, dass der „Geist des Katholizismus […] in der lebendigen Ineinssetzung bzw. Beziehung von höchster bzw. empirischer Realität und Idealität“ (Denker/Zaborowski 2004: 70) bestehe. 58 GA 1: 411.

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§ 3 Die „christliche Theologie“ und die Hermeneutik der Faktizität

Alles, was vergangen ist, alles, was gegenwärtig ist, alles, was zukünftig ist, das erschafft Gott im Innersten der Seele. Meister Eckhart

a) Die hermeneutische Eidetik der Mystik In den Jahren nach 1916 wird Heidegger Hegels religiöse Auffassung nicht mehr in demselben Ausmaß schätzen wie in der Habilitationsschrift, insofern er sie in einer Linie mit Kants Herabstufung der Religion zum Instrument der Moral sehen wird.59 Hegels Idee der geschichtlichen Versöhnung des Gegensätzlichen im Geiste wird bei ihm jedoch wohl als Vorbild für die Neudeutung von Husserls Begriff der Intentionalität als Zusammengehörigkeit von Subjekt und Objekt, noesis und noema gewirkt haben. Richtungsweisend für die Erarbeitung des Begriffes eines ursprünglichen vortheoretischen Zusammenhangs muss auch die mystische Vereinigung des Asketen mit Gott gewesen sein. In der Tat geht Heidegger auf die Mystik schon in der Einleitung zu seiner Habilitationsschrift ein, in der er die Notwendigkeit behauptet, die „mystischen, moraltheologischen und asketischen“60 Schriften der Scholastik einer phänomenologischen Auslegung zu unterziehen, um aufzuweisen, dass die scholastische Deutung der Bewusstseinsakte nahe an derjenigen der Phänomenologie und weit entfernt von der „unphilosophischen“ Erklärung des Psychologismus ist. Am Ende der Kategorien- und Bedeutungslehre des Duns Scotus befreit Heidegger die Mystik, die er auch durch das Gespräch mit Engelbert Krebs immer besser kennengelernt hat, von der sie diskreditierenden Gegensätzlichkeit zur Scholastik. Er sagt nämlich, dass sich die vermeintlichen „Gegensatzpaare“ Rationalismus – Irrationalismus und Philosophie – Leben nicht mit der Dyade Scholastik – Mystik deckten,61 und plädiert für ein Neudenken der Grundgedanken der Scholastik ausgehend vom Sinnzusammenhang der Mystik. Heidegger ändert seine Meinung sehr früh. Auch wenn er am 7. Januar 1917 an Martin Grabmann schreibt, dass er den Einwand, sein Buch zu Duns Scotus 59

Vgl. GA 60: 328. GA 1: 205. 61 Vgl. ebd.: 410; GA 60: 311. 60

Die „christliche Theologie“ und die Hermeneutik der Faktizität sei bloß „systematisch“ und nicht „historisch“ orientiert, als „Ansporn für weitere Arbeiten auf dem Gebiet der mittelalterlichen Scholastik und Mystik“ 62 nehme, beschäftigt er sich in den Jahren danach nie wieder intensiv mit der scholastischen Philosophie, die er nicht mehr für vereinbar mit der mystischen Einstellung hält. Heidegger sieht die Mystik sogar als „Gegenbewegung“ zur mittelalterlichen Scholastik an, die wegen ihres theoretischen Ansatzes „die Unmittelbarkeit religiösen Lebens stark gefährdete und über Theologie und Dogmen die Religion vergaß“63. Zu dieser Ansicht kommt Heidegger vor allem auch dank jener „Auseinandersetzung mit der Wertphilosophie und Phänomenologie von innen heraus“64, die er im Brief an Grabmann als unumgänglich erachtet, um über die mittelalterliche Philosophie weiterhin und umfassender schreiben zu können. Die vertiefte Beschäftigung mit beiden philosophischen Richtungen leitet Heidegger über sie hinaus, und zwar zur Idee einer „Philosophie des lebendigen Lebens“, die – wie er am 5. März 1916 an seine Frau schreibt – „dem Rationalismus den Kampf […] erklären darf – ohne dem Bannstrahl der Unwissenschaftlichkeit zu verfallen“65. Obwohl er glaubt, dass das „Leben […] zu reich und zu groß“66 ist, als dass es von der „engen“ und „blutlosen“ Phänomenologie Husserls beschrieben werden könnte, entschließt sich Heidegger zur Zusammenarbeit mit Husserl, als dieser 1916 die Nachfolge Rickerts an der Universität Freiburg antritt und ihn 1919 als seinen Assistenten will. Auf Wunsch Husserls beginnt Heidegger, eine Phänomenologie der Religion auszuarbeiten – ein Projekt, das auch seine Lehrtätigkeit als Privatdozent prägt und seine eigene religiöse Reifung fördert.67 Für das Wintersemester 1919/20 kündigt Heidegger eine Vorlesung mit dem Titel Die philosophischen Grundlagen der mittelalterlichen Mystik an, die er dann aber nicht hält. Für die Vorbereitung dieser Vorlesung verfasst Heidegger jedoch Notizen, in denen er die mittelalterliche Mystik als die klarste Ausdrucksform des religiösen Erlebnisses aufweist, in welchem sich der Vollzugscharakter des Lebens im Allgemeinen zeigt. Heidegger sieht Meister Eckharts Einstellung als 62

Heideggers Brief ist wiedergegeben in Denker/Zaborowski 2004: 74. Heidegger erwähnt dabei eine „begonnene Arbeit, eine Gegenüberstellung von Thomas und Scotus bezüglich der logischen Probleme“, die jedoch „durch den Krieg unterbrochen“ worden sei und die im Nachlass nicht auffindbar ist. Heideggers Habilitationsschrift lässt sich als partielle Erfüllung des Vorhabens verstehen, das Heidegger in seinem Brief an Joseph Sauer vom 17.03.1912 erwähnt, nämlich der „Inangriffnahme der weitverzweigten Untersuchung der mathematischen Logik“ (ebd.: 58). 63 GA 60: 314. 64 Heideggers Brief an Martin Grabmann vom 07.01.1917, in: Denker/Zaborowski 2004: 74. 65 Heidegger/Petri 2005: 36. 66 Heideggers Brief an Elfride vom Pfingstsonntag 1917, ebd.: 56. Vgl. die Briefe vom 30.08.1919 und vom 13.09.1919, ebd.: 95, 101. 67 Vgl. Heideggers Brief an Elfride vom 30.08.1919, ebd.: 96; Pöggeler 1999: 249-264.

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Heidegger und die Gottesfrage

beispielhaft an und verweilt vor allem auch bei dessen Begriff des Irrationalen. Das Irrationale bedeute nicht das Unübersehbare oder das Formlose – die verworrene Mannigfaltigkeit, die vor allem Rationalen liege und ihm entgegengesetzt sei –, sondern die Form des Allgemeinen, die nach der „Ausschaltung von Besonderungen“ und „Gegensätzlichkeiten“68, in die hinein sich das Leben zerstreuen könne, übrig bleibe. Das „Irrationale“ werde durch eine „Rückkehr“ zum Inneren der Seele erreicht, durch welche die Gegenständlichkeit der Dinge so überformt werde, dass diese auf die Quelle allen Wertes zurückgeführt würden und zum „Urgegenstand“, zum „Absolute[n]“ verschmölzen. Diese Ureinheit sei das Ziel der „Abgeschiedenheit“, die Heidegger durch eine Auslegung des dritten Sermo Bernhards von Clairvaux – des Begründers der „Christusmystik“ – zum Hohelied (um 1135) erläutert.69 Von der Welt „abgeschieden“ zu sein bedeute nicht ein repulsives, bloß negativ bestimmbares Verhalten, in dem der Mystiker getrennt von den Dingen sei, die er mit den äußeren Sinnen schaue, um von ihnen auf Gott verwiesen zu werden. Es bestehe vielmehr in einer Zurückwendung auf die Erlebnissphäre, die von der Liebe zu allem Geschaffenen sowie zu dessen Schöpfer geleitet sei und die zur Einheit mit Gott durch die Erfahrung des eigenen Selbst führe. Heidegger nennt das Sichversetzen in den persönlichen Bewusstseinsstrom – den er in den Jahren 1918–1921 mit dem vortheoretischen Vollzug des faktischen Lebens, das er zum Hauptthema der Philosophie erhebt, zusammenfallen lässt – „Grunderfahrung“, da sie als der Ursprungsboden aller anderen Erfahrungen angesehen werden muss. Zu ihr stößt die phänomenologische Erforschung des religiösen Bewusstseins vor, die Heidegger nicht als ein theoretisches Verfahren versteht, das die Erfassung eines apriorischen religiösen Eidos anstrebt.70 Auch wenn Heidegger Husserl das Verdienst zuschreibt, die

68

Vgl. GA 60: 315-318, 333. Obwohl Heidegger Eckhart nach der Kehre der 1930er Jahre oft als einen Vertreter der Willensmetaphysik ansieht (vgl. GA 77: 109), lässt sich seine fortdauernde Hochschätzung daraus entnehmen, dass viele Grundbegriffe des Denkers und des Mystikers (z. B. die Grunderfahrung der im Nichts wurzelnden Gegebenheit des Seins) Analogien aufweisen (vgl. Helting 1998: 96, 98). Zur heideggerschen Auslegung Eckharts vgl. Moore 2020. 69 Vgl. den dritten Sermo in Bernhard von Clairvaux 1957: 14 (dt. Übers. 1937: 23); GA 60: 334-336, 314-318, 308-309 (wo Heidegger darauf hinweist, dass die Abgeschiedenheit diejenige humilitas animi hervorzubringen vermag, in der sich Luther zufolge die persönliche Heilsgewissheit zeigt). Zu dieser und den anderen grundlegenden Einstellungen der Mystik, dargestellt in ihren Ausgestaltungen bei verschiedenen Autoren, vgl. von Rohr 2005. 70 Vgl. GA 60: 312-314. Heidegger verortet das Problem des Apriori in der Transzendentalphilosophie und in der Struktur des Systems, das „ein ursprüngliches genuines religiöses Werterlebnis“ (313) ausschließe. Vgl. 323, 320, wo er anmerkt: „Gott […] als Grund des Erkennens […] ist nicht dasselbe wie des Frommen Art, Gott zu haben“.

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Die „christliche Theologie“ und die Hermeneutik der Faktizität Fundierungszusammenhänge im Bewusstsein herausgestellt zu haben, 71 denkt er die Konstitution des religiösen Erlebnisses nicht als die Einklammerung der Fülle der Erfahrung zwecks der Schau eines neutralen reinen konstituierenden Ich. Denn Heidegger kontextualisiert den Konstitutionsprozess – den er als mit dem Phänomen der Gnade nicht unvereinbar erachtet – im geschichtlichen Lebensvollzug, in dessen Sphäre auch die Frage nach der Gegebenheit Gottes gestellt werden muss.72 Das Ich ist für ihn von Anfang an historisch und von einem vortheoretischen Wert geprägt, weswegen die Gegenwart Gottes im Ich als „ein originäres“ Phänomen angesehen werden muss. Heidegger erinnert an die Feststellung der hl. Teresa von Ávila, nach der Gott bzw. das Religiöse und Heilige überhaupt in der Seele wohnt, und kommentiert: „[D]ie hl. Teresa sieht als Mystikerin phänomenologisch“. „Das Leben als religiöses ist bereits da“, und die „intuitive Eidetik“ kann „als hermeneutische“ „nie neutral-theoretisch“ sein: Sie kann sich nicht auf ein „neutrales Sachbewußtsein“ beziehen, „sondern in allem ist die spezifische Sinnbestimmtheit [im Erlebnisstrom] herauszuhören“ 73. Dadurch kann sie den Zweck einer Phänomenologie der Religion erfüllen, nämlich „die Ausdrucksformen des religiösen Erlebens“ als „Ausdruck von Erleben überhaupt“ untersuchen und darum eine „Ontologie“ sein, die keinerlei Ähnlichkeit mit einer „konstruktive[n] Religionsphilosophie“74 hat.

b) Die Philosophie der Religion und das Verständnis des Gotteserlebnisses Im Wintersemester 1920/21 nennt Heidegger die Methode der Phänomenologie der Religion „Ex-plikation“, wobei er präzisiert, dass sie in einem Verfahren besteht, das das religiöse Phänomen zeigen und dadurch explizit machen kann,75 damit sich eine angemessene Sprache für seine Mitteilung entwickeln lässt. Eine solche Sprache hilft indirekt der Theologie, indem sie „formal anzeigend“ ist, insofern sie die Richtung anzeigt, in der die „Sache selbst“ der Religion zu finden ist.76 Im Wintersemester 1919/20 setzt Heidegger die Aufgabe der Philosophie (die er nun mit seiner eigenen Phänomenologie identifiziert) gegenüber der Religion und der Theologie gleich mit dem Verstehen

71

Vgl. ebd.: 331. Vgl. ebd.: 303, 305, 307-310, 336. Ebd.: 336. 74 Ebd.: 306, 309, 303. 75 Vgl. ebd.: 128-131. 76 Zur „formalen Anzeige“ als Eigentümlichkeit der philosophischen Begriffe vgl. ebd., 55-65; GA 61: 31-33, 141-143; Cimino 2013: 185-209. 72 73

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Heidegger und die Gottesfrage des religiösen Erlebnisses, in dem sich die Struktur des Erlebnisses als solchen – die Subjektzugehörigkeit77 – zeigt. Heidegger zufolge erreicht die Philosophie durch die Zurücknahme des religiösen Erlebnisses in die innere Einheit des Bewusstseinslebens ein dreifaches Ziel. Erstens zeigt sie, wie sich die Gegenstände des religiösen Erlebnisses – auch Gott selbst – als phänomenologische Gegenstände konstituieren. Zweitens lässt sie die Historizität der religiösen Erlebniswelt und der Intentionalität als solcher erscheinen, weil sie den Bewusstseinsstrom als wesenhaft geschichtlich enthüllt. Drittens „baut“ sie die theologische Begrifflichkeit, die aus der Metaphysik stammt und daher Ausdrücke wie „absolut“, „Höchstmaß“, „grenzenlos“ verwendet, die im Bereich der inneren religiösen Erfahrung unsachgemäß sind, 78 „ab“, indem sie die Sprache der Theologie im erlebnismäßigen Bewusstsein gründet und ihr so einen neuen Sinn verleiht. Auf diese Weise antwortet die Philosophie als Religionsphänomenologie auf die Frage, wie die religiöse Erfahrung und (ursprünglicher) die Struktur eines Erlebnisses überhaupt vermittelt werden kann. Mit diesem Problem befasst sich Heidegger zufolge die ganze Religionsphilosophie von Hegel bis zum Neukantianismus, die jedoch das religiöse Erlebnis nur theoretisch von außen her betrachtet und dadurch „entlebt“.79 Heidegger schreibt zwar einigen Theologen das Verdienst zu, die Frage nach der Allgemeingültigkeit der inneren religiösen Erfahrung ausgearbeitet zu haben, doch ist er der Meinung, dass sie auf halbem Wege stehen geblieben seien, weil sie den Prozess der Konstitution nicht in seiner lebendigen Historizität erfasst hätten. Das gelte besonders für Adolf Reinach, dessen Fragment Das Absolute80 (1917) Heidegger auslegt. Heidegger schätzt Reinachs Versuch, das originäre und genuine Erlebnis vor seiner logischen Rationalisierung zu bewahren. Er ist jedoch der Meinung, dass es Reinach nicht gelinge, die Historizität dieses Erlebnisses zu begreifen. Denn Reinach bestimme das Absolute als das Überirdische, dessen Abstand vom Irdischen bzw. Historischen durch keine Analogie überbrückt werden könne. Nach Reinach vermag der Mensch das Absolute erlebnismäßig nur dank einem 77

Vgl. GA 60: 313. Vgl. ebd.: 323. Heideggers Meinung nach ist die Frage, wie das Leben als „Urphänomen“ verstanden und begriffen werden kann, charakteristisch für die Philosophie am Ende des 19. und zu Anfang des 20. Jahrhunderts, als deren zwei Hauptrichtungen er den Neukantianismus und die Lebensphilosophie ansieht. Heidegger kritisiert die Methode Natorps, die in der Objektivierung des Erlebnisses und der späteren Wiederherstellung seiner Konkretion besteht, in GA 59: 92-148, wo er aus Natorp 1912 zitiert. Vgl. dazu Zahavi 2003. 80 Vgl. Reinach 1989, interpretiert in GA 60: 324-327. Zu Reinachs Aufzeichnungen zur Phänomenologie der Religion vgl. Stagi 2015. 78 79

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Die „christliche Theologie“ und die Hermeneutik der Faktizität „Geschenk“ Gottes zu erfassen. Er habe jedoch nicht erklärt, wie der Mensch das „absolute“ Gewicht des Erlebnisgehaltes in der religiösen Erfahrung ertragen könne. Heidegger steht besonders dem zentralen Satz von Reinachs Phänomenologie des Absoluten kritisch gegenüber. Ihm gemäß soll „die Stellung zu Gott […] richtungsgebend für unser erlebnismäßiges Verhalten“81 zu ihm sein, wohingegen für Heidegger das Gegenteil gilt: „Unser erlebnismäßiges Verhalten zu Gott“, d. h. unsere der Gnade sich öffnende Einstellung zu ihm, „ist richtungsgebend für die spezifisch religiöse Konstituierung Gottes als eines phänomenologischen Gegenstandes“82, da ein Zugang zum Absoluten allein in der historischen Erfahrung desselben gefunden werden kann. Heideggers Ansicht nach wird diese Erfahrung auch von Rudolf Otto nicht berücksichtigt, dessen Werk Das Heilige (1917) zwar einen schwächeren Ansatz aufweise als die gleichnamige Schrift Windelbands (1919), mit diesem jedoch die starke Rationalisierung der gesamten religiösen Problematik teile. 83 Heidegger wirft Otto vor, das Heilige als das Irrationale bestimmt und es dadurch im Vergleich mit dem Rationalen und nicht an sich selbst erfasst zu haben. Aus diesem Grund sei das Heilige für Otto das Numinose, das nur im Gefühl des Mysteriums zu erfahren und schließlich als eine aus den bestimmten Aufgaben der menschlichen Kultur erwachsene Idee zu verstehen sei. Das Heilige werde so zu einem „theoretischen Noema“, das ausgehend von einer kulturkritischen Analyse von Weltanschauungen gedeutet werden solle und nicht im Hinblick auf seine Konstitution im Bewusstsein, d. h. in einer in „ursprünglichen Welten“ verwurzelten „genuinen personalen Existenz“84, wo seine Erfahrung eigentlich gemacht werde. Ottos Theologie falle unter denselben prinzipiellen Mangel an Selbstständigkeit wie die übrige zeitgenössische Religionsphilosophie, die sich mehr oder weniger unbewusst von bestimmten Weltanschauungen leiten lasse: Otto und Windelband folgten dem Neukantianismus, William James (dessen moralphilosophische Theorie der Religion den Glauben aus der psychischen Erfahrung entstehen lasse)85 dem Pragmatismus, Troeltsch dem Historismus.

81

Reinach 1989: 607, zitiert in GA 60: 324. Reinach rechtfertigt seine These auf der Basis der Kluft zwischen Mensch und Gott, aufgrund deren nur Gott den menschlichen Beziehungen ihre absoluten Sinnrichtungen geben kann. 82 GA 60: 324. 83 Vgl. ebd.: 334. Heidegger bezieht sich auf Otto 2014 und auf Windelband 1919. Zu Heideggers Auseinandersetzung mit Otto vgl. Caputo 2002. 84 GA 60: 333. Gegenläufig zu dieser Einschätzung zeigt Annalisa Caputo, dass Otto unter „dem Heiligen“ diejenige vor-theoretische Dimension versteht, die Heidegger „das Religiöse“ nennt. Außerdem charakterisiert Otto das Heilige mit Stimmungen, denen Heidegger seit der 1930er Jahren eine entscheidende Rolle zusprechen wird (vgl. Caputo 2018: 108-109, 112-115). 85 In GA 60: 20-21 verweist Heidegger auf James’ Studie über die Vielfältigkeit der religiösen Erfahrung aus dem Jahr 1902 (vgl. James 1985).

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Heidegger und die Gottesfrage

Mit Troeltschs Thesen setzt sich Heidegger im Wintersemester 1920/21 ausführlich auseinander, da er in ihnen die Haupttendenzen der Religionsphilosophie seiner Zeit widergespiegelt sieht. Er übernimmt die Einteilung der Religionsphilosophie, die Troeltsch seinerseits ausgehend von Rudolf Otto entwickelt und nach der sich das Gebiet der Philosophie der Religion in drei Felder gliedern lässt: Psychologie, Geschichtsphilosophie und Erkenntnistheorie.86 Heidegger stellt heraus, dass Troeltsch diese drei Richtungen synthetisiere und eine „Metaphysik der Religion“ entwickle, sodass sich ein „vierfacher“ Wesensbegriff der Religion ergebe.87 In Anlehnung an James’ Psychologie gehe Troeltsch von den psychischen Prozessen aus, die zum Gegenstand der religiösen Erfahrung führten. Er interpretiere die Mannigfaltigkeit dieser Erfahrung auf der Basis einer „Typenlehre der historischen Religionen“88, in der die inneren Aspekte des Glaubens eine allgemeine Gültigkeit beanspruchen könnten. Der religiösen Erfahrung liege nämlich eine „vernunftmäßige Gesetzlichkeit“89 zugrunde, insofern Troeltsch behauptet, dass die psychische Anwesenheit Gottes durch ein transzendentales religiöses Apriori garantiert werde. Aus allen faktisch möglichen religiösen Erfahrungen könne deshalb eine (induktive) allgemeingültige Metaphysik der Gottesideen entwickelt werden, in der Heidegger dieselbe Aporie erkennt wie in der neukantianischen Religionsphilosophie (er verweist auf Wilhelm Windelband): die anfängliche Trennung des Faktischen vom Allgemeingültigen, die dann auf unbefriedigende Weise wieder zusammengeführt würden, ohne dass man die innere Geltung der faktischen Lebenserfahrung begreife. 90 Mit dem Ansatz Troeltschs kritisiert Heidegger auch die allgemeine Einstellung der modernen Religionsphilosophie, die das religiöse Erlebnis mithilfe der kategorisierenden Aktivität der Vernunft analysiere und dazu die griechische Wissenschaft zu Hilfe rufe. Denn Troeltschs Wiederaufnahme des Gottesbeweises belege, dass seine Metaphysik auf dem Boden der griechischen 86

Vgl. Troeltsch 1918, worauf Heidegger in GA 60: 26 verweist. Über die heideggersche Auslegung vgl. De Vitiis 2007. 87 Vgl. GA 60: 19-30. Heidegger kritisiert dabei die Einbeziehung der psychologischen und erkenntnistheoretischen Betrachtungen in die Beschreibung des Phänomens des Glaubens und zitiert aus Troeltsch 1905. 88 GA 60: 24. 89 Ebd.: 21. 90 Vgl. ebd.: 38-45, wo Heidegger Natorp (implizit) in den ersten Weg (den „platonischen Weg“), Windelband und Rickert (explizit) in den dritten Weg der Versöhnung des Zeitlichen mit dem Überzeitlichen einordnet; GA 56/57: 29-62, wo Heidegger die Methode des Neukantianismus anhand einer Auslegung von Rickerts Werk Der Gegenstand der Erkenntnis (1915) als „teleologisch-kritisch“ bezeichnet und ungenügend dazu hält, die Gesetzlichkeit des Psychischen als des Materials der Erkenntnis zu beweisen, da sie die Norm und das Empirische, für das die Norm gilt, getrennt lasse.

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Die „christliche Theologie“ und die Hermeneutik der Faktizität

erwachsen sei, die besonders die katholische Tradition geprägt habe. Heidegger beurteilt so die Religionsphilosophie Troeltschs, der eigentlich Protestant war, als eine stark vom Katholizismus geprägte Metaphysik und bringt mit ihren griechischen Voraussetzungen auch diejenigen der offiziellen Religion ans Licht, von der er im Jahre 1919 zugunsten des evangelischen Glaubens Abstand nimmt. c) „Christliche Philosophie“ versus „Wissenschaft von Gott“ In der zweiten Hälfte der 1910er Jahre nähert sich Heidegger aus vielerlei Gründen dem Protestantismus an. Der Wandel seiner religiösen Einstellung lässt sich nicht nur im Ausgang von seiner Ehe mit der Protestantin Elfride Petri im Jahre 1917 erklären,91 sondern auch durch die Erarbeitung seiner eigenen Auffassung der Philosophie, die ihn zur Wertschätzung der Mystik anhält, deren Grundstellung dann von Luther übernommen und vertieft worden ist. Heidegger gibt jedoch die katholische Religion nicht auf, um zum Protestantismus überzutreten: Er wird nie offiziell aus der Kirche austreten. 92 Ihm liegt ausschließlich daran, eine Weise zu finden, wie eine innere außerkonfessionelle Glaubensweise praktiziert werden kann. Dies macht begreiflich, warum Heidegger verschiedenen Beobachtern in der Zeit von 1916 bis 1919 von Fall zu Fall bald katholisch und bald evangelisch erscheint: Wenn Edmund Husserl am 5. März 1919 Rudolf Otto über „radikale Wandlungen“ in Heideggers „religiösen Grundüberzeugungen“ berichtet und diese wie folgt kommentiert: „Ich habe auf den Übergang Heideggers […] auf dem Boden des Protestantismus nicht den leisesten Einfluß geübt, obschon er mir als freiem Christen und als ‚undogmatischem Protestanten‘ nur sehr lieb sein

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Der Widerstand der Eltern Martin Heideggers gegen die Verlobung ihres Sohnes wegen der anderen religiösen Konfession Elfrides lässt sich aus den Briefen Heideggers an Petri vom 03.04.1916 und vom 06.04.2016 entnehmen, die in Heidegger/Petri 2005: 38-40 wiedergegeben sind. Zur Überwindung der Bedenken von Heideggers Eltern spielte die Vermittlung von Engelbert Krebs eine entscheidende Rolle (vgl. die Briefe von Elfride an ihre Schwiegereltern vom 15.03.1917; von Martin Heidegger an seine Eltern vom 20.03.1917 und vom 04.06.1917; von Krebs an Martins Vater vom 16.03.1917, publiziert in Heidegger 2012: 18-21, 29, 159-160). 92 Vgl. Heidegger 2006: 30-31, wo Hermann Heidegger unterstreicht, dass sein Vater nach katholischem Ritus beerdigt werden wollte. Der Neffe Martin Heideggers, Heinrich, behauptet sogar, dass sein Onkel „grundsätzlich […] die Institution der“ katholischen Kirche bejaht habe, „sonst hätte er seinen Austritt erklärt“ (Heidegger/Stagi 2012: 122; vgl. 78). Zu Heideggers Beurteilung des protestantischen Glaubens als „Korrektiv“ und „Raffinement“ (Heidegger/Bultmann 2009: 271) des Katholizismus und als eine Form des Christentums, die der Moderne ehrlicher gegenüberstehe als die katholische Kirche, vgl. Stagi 2012: 24-25. Mit der Zeit wird Heidegger sich jedoch auch gegenüber Luther kritisch äußern und von einer „protestantischen Scholastik“ (GA 60: 282) sprechen.

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Heidegger und die Gottesfrage kann“93, hält Heinrich Rickert Heidegger mit den folgenden Worten von seiner Absicht ab, zwecks einer Umhabilitation zu ihm nach Heidelberg zu gehen: „Sie sind auch als Philosoph überzeugter Katholik und müssen auf jeden Fall an einer Universität bleiben, an der eine katholisch-theologische Fakultät ist.“94 Heideggers Antwort an Rickert lautet jedoch: „Ich bin nie auf dem engen katholischen Standpunkt gestanden, daß ich die Probleme, ihre Auffassung und Lösung an außerwissenschaftlichen Gesichtspunkten traditioneller oder sonstwelcher Art orientiert hätte und je orientieren würde. Nach freier persönlicher Überzeugung werde ich die Wahrheit suchen und lehren.“ 95 Schließlich schreibt Heidegger am 19. Januar 1919 an Engelbert Krebs: „Erkenntnistheoretische Einsichten, übergreifend auf die Theorie geschichtlichen Erkennens, haben mir das System des Katholizismus problematisch und unannehmbar gemacht – nicht aber das Christentum und die Metaphysik (diese allerdings in einem neuen Sinne).“96 Somit vollzieht Heidegger keinen eigentlichen „Bruch“ mit dem Katholizismus, 97 einerseits deswegen, weil die Abstandnahme von ihm schon vor einigen Jahren begonnen hatte, und andererseits, weil er den Wert dieser Religion nicht verleugnen will. An Krebs schreibt er außerdem, dass „die Hochschätzung der katholischen Lebenswelt“ bei ihm noch lebendig sei. Mit diesen Worten bestätigt er, was er seinen Eltern bereits ein Jahr zuvor mitgeteilt hatte: „Es wird mir […] nie in den Sinn kommen, die Religiosität echter überzeugter Katholiken gering zu schätzen, im Gegenteil, was Wertvolles im Katholizismus liegt, werde ich ebenso würdigen wie alles Wahrhafte, das ich finde“98. Heidegger ist auch davon weit entfernt, das Christentum, die Glaubenserfahrung und die Theologie als solche geringschätzen zu wollen. Er möchte vielmehr ein Rangverhältnis festlegen, nach dem die religiöse Erfahrung 93

Husserl 1994: 206. Brief Rickerts an Heidegger vom 03.02.1917, in: Heidegger/Rickert 2002: 40. Brief Heideggers an Rickert vom 27.02.1917, ebd.: 42. Vgl. V: 43, wo Heidegger bekräftigt: „Schon bei Beginn der akademischen Lehrtätigkeit wurde mir klar, daß eine echte wissenschaftliche Forschung […] bei wirklicher Festhaltung des katholischen Glaubensstandpunktes“ unmöglich ist. Trotzdem wird Karl Jaspers feststellen, dass in Heidegger „nicht die Eigenschaften entlaufener Katholiken“ vorhanden sind, „die katholisch noch bleiben in der totalen Verneinung des Katholischen“ (Jaspers 1989: 236). 96 Brief Heideggers an Krebs vom 19.01.1919, in: Denker/Zaborowski 2004: 67. 97 Während Heideggers Kritik am „System des Katholizismus“ im Brief an Krebs lange als scharfer „Bruch“ interpretiert wurde (vgl. Ott 1988: 106-119), zeigt Holger Zaborowski, dass diese These nicht haltbar ist, da sich die Einstellung Heideggers zur katholischen Religion schon seit dem Jahr 1915 gewandelt habe, ohne dass er jedoch ein für alle Mal mit seinem ursprünglichen Glauben gebrochen habe (vgl. Zaborowski 2004: 153-158). Zur Debatte um Heideggers „Bruch“ mit dem Katholizismus vgl. Cercel 2005: 364-371. 98 Brief Heideggers an seine Eltern und Geschwister vom 09.12.1918, in: Heidegger 2012: 36. Vgl. die Briefe vom 21.12.1918 und vom 05.01.1919, ebd.: 38, 41. 94 95

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Die „christliche Theologie“ und die Hermeneutik der Faktizität

das Ursprüngliche ist und sich keinesfalls vollständig theoretisch ausdrücken lässt. Deshalb schreibt er am 7. November 1918 an Elisabeth Blochmann, dass „vom religiösen Urerlebnis“ „ein Weg zur Theologie“ führen könne, während dieser Weg „nicht von der Theologie zum religiösen Bewußtsein und seiner Lebendigkeit leiten“99 müsse. Insofern Heidegger die Religiosität in einer persönlichen Urerfahrung und nicht in einer theoretischen Weltsicht oder in einem Lehrsystem verortet,100 wird er wohl der Meinung gewesen sein, dass die traditionelle Theologie sie verdeckt habe. Einen Zugang zum Wesen der Religion zu finden ist nämlich eines seiner Ziele. Auf dem Weg zur Entwicklung einer eigenen Auffassung der Philosophie durch die Umgestaltung der transzendentalen Phänomenologie Husserls zu einer „hermeneutischen“ strebt Heidegger nämlich in der Vorlesung Phänomenologie der Anschauung und des Ausdrucks. Theorie der philosophischen Begriffsbildung (SS 1920) eine Vorbereitung auf „die positiv entscheidende Destruktion der christlichen Philosophie und Theologie“101 durch den „Abbau“ der griechischen und der neuzeitlichen Philosophie seit Descartes an. Um das Thema seiner Vorlesung ausführen zu können, muss Heidegger zuerst zeigen, dass sich die philosophischen Begriffe während eines geistesgeschichtlichen Prozesses bilden, in dem ihre echte Bedeutung jedoch nicht notwendig bewahrt wird. Damit die Phänomenologie auf den ursprünglichen Sinn der überlieferten Begriffe zurückgreifen kann, weist Heidegger ihr deshalb die Methode der „Destruktion“ zu, deren Aufgabe die Beseitigung der „Schleier“ ist, die sich im Laufe der Zeit über das eigentliche Wesen eines Phänomens gelegt haben.102 Da Heidegger die entscheidende Rolle des Christentums in der Geschichte der Philosophie erkennt und zugleich meint, dass diese Religion die Erfahrung des Glaubens zu Unrecht durch die Begrifflichkeit der griechischen Philosophen ausgedrückt habe, behauptet er „die Notwendigkeit einer prinzipiellen Auseinandersetzung mit der griechischen Philosophie und der Verunstaltung der christlichen Existenz durch Heidegger/Blochmann 1990: 10. In GA 60: 310 trennt Heidegger „scharf […] das Problem der Theologie und das der Religiosität“, weil die Theologie immer von der Philosophie und von der Theorie abhängig bleibe. 100 István Fehér betont, dass die Verknüpfung zwischen dem Wesen der Religion, dem Erlebnis und der Geschichte, die Heidegger sieht, tiefe Wurzeln in der deutschen Philosophie hat (er führt als Beispiele Luther, Hegel, Schelling, Dilthey, Nietzsche, Schleiermacher und Natorp an) (vgl. Fehér 2007a: 181-184). In dem Brief vom 07.11.1918 legt Heidegger Elisabeth Blochmann Schleiermachers Werke wärmstens ans Herz (vgl. Heidegger/Blochmann 1990: 11). Er hatte auch geplant, Schleiermachers zweite Rede Über das Wesen der Religion (1799) in der nie gehaltenen Vorlesung des Wintersemesters 1919/20 zu behandeln (vgl. GA 60: 319-322). 101 GA 59: 12. 102 Zur „phänomenologischen Destruktion“, deren Grundidee schon in der Vorlesung Grundprobleme der Phänomenologie (WS 1919/20) eingeführt wird (in GA 58: 255, 257), vgl. GA 59: 33-41, 180184; GA 2: 27-36; Lilie 1992. 99

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Heidegger und die Gottesfrage sie“103. Er will die „wahrhafte Idee der christlichen Philosophie“ sichtbar machen und somit den „Weg zu einer ursprünglichen christlichen – griechentumfreien – Theologie“104 finden. In den Jahren unmittelbar danach führt Heidegger das Projekt einer Destruktion der Geschichte der Theologie nicht aus. Er stellt sich jedoch die Aufgabe, eine Reflexion zu vollziehen, die er als „theologisch“ – obzwar in einem gewissen „philosophischen“ Sinne – bezeichnet. Dies wird in einem Brief vom 19. August 1921 an Karl Löwith bestätigt, in welchem Heidegger es ablehnt, sich als einen „Philosophen“ zu definieren. Er schreibt es dem allgemeinen geistigen Kontext seiner Herkunft zu, dass er ein „christlicher Theologe“105 geworden sei. Die Bedeutung dieses Ausdrucks klärt sich ausgehend von Hans-Georg Gadamers Bericht, dass Heidegger 1923 in einer theologischen Diskussion seinem Denken das Ziel zugewiesen habe, „das Wort zu finden, das imstande ist, zum Glauben zu rufen und im Glauben zu bewahren“106. Mit diesem Satz spielt Heidegger auf seine Absicht an, das Göttliche neu zu denken und auszudrücken: nicht als Gegenstand einer zeitlosen theoretischen Erkenntnis (so sei Gott von der traditionellen Theologie betrachtet worden), sondern als das, was zum Glauben ruft und zu einer Um-wendung der ganzen Existenz führt. Die von ihm entworfene Theologie möchte ein λόγος sein, der die innere Geschichtlichkeit des Glaubenserlebens aufzeigt, ohne es durch eine theoretische Begrifflichkeit verblassen zu lassen. Bis etwa Mitte der 1930er Jahre sind in Heideggers Denken demnach zwei verschiedene Auffassungen des Wortes „Theologie“ gegenwärtig: eine negative, welche die „Wissenschaft von Gott“ als ein dogmatisches Lehrsystem darstellt, das sich an das Kategoriensystem der aristotelisch-scholastischen Tradition hält, und eine positive, gemäß welcher die Theologie (so jedenfalls in den ersten Lehrveranstaltungen) dazu tendiert, mit der Philosophie selbst zusammenzufallen, indem sie in der Gestalt der Seinsfrage eine wesentliche Funktion bekleidet.107 103

GA 59: 91. Ibidem. Friedrich-Wilhelm von Herrmann hebt hervor, dass das Ziel der frühen Vorlesungen Heideggers darin bestehe, im Ausgang von der phänomenologisch-hermeneutischen Beschreibung des faktischen Lebens den Grund für eine neue christliche Theologie zu legen, auf deren Basis alle philosophischen Fragen (einschließlich der Gottesfrage) neu ausgearbeitet werden sollten (vgl. von Herrmann 2008: 17-19). 105 Heidegger/Löwith 2017: 53. In seinem Brief vom 20.10.1920 hatte Heidegger bereits zugegeben: „Ich selbst werde schon gar nicht mehr als ‚Philosoph‘ genommen, ich sei ‚eigentlich noch Theologe‘.“ (24). Vgl. den Brief vom 08.05.1923 auf S. 87 und dazu Kisiel 1988; Fehér 2009: 100101. 106 Gadamer 1987: 315. 107 Die Zweideutigkeit des Wortes „Theologie“ kommt noch am Ende der 1940er Jahre in den Fragen zu einem Brief von Jean Beaufret vor, abgedruckt in GA 82: 587. Zu Heideggers „positivem Verständnis“ der Theologie vgl. Fehér 2007b: 147-148. 104

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Die „christliche Theologie“ und die Hermeneutik der Faktizität

d) Paulus und die Zeitlichkeit des urchristlichen Lebens In den Vorlesungen über die Phänomenologie der Religion (WS 1920/21) nimmt Heidegger die Haltung eines „christlichen Theologen“ ein. In ihnen unterscheidet er die Glaubenserfahrung des Urchristentums von ihrer späteren „Verunstaltung“ durch die Patristik und Scholastik, die sich einer theoretisierenden griechischen, aus den Werken des Aristoteles gewonnenen Begrifflichkeit bedient habe, welche das von den Gläubigen Erlebte auf spekulative Weise ausgedrückt und so dessen eigenen Sinn verdeckt habe.108 Heidegger eignet sich die Methode der „Formgeschichte“ an, nach der verschiedene Redaktionsschichten im Neuen Testament identifiziert werden müssen, um den ursprünglichen Kern der Evangelien von den ihnen später hinzugefügten historischen oder dogmatischen Inhalten befreien zu können. So wie die formgeschichtliche Schule, die beabsichtigt, zu dem „Sitz im Leben“ (dem Lebenskontext) zurückzugehen, in dem die Texte der Evangelien entstanden sind, interessiert Heidegger sich nicht für den theoretisch-doktrinären Aspekt der Bibel. Er sucht vielmehr nach einem „ursprünglichen Weg des Zugangs“, der „nur im genuinen religiösen Erleben gegeben werden“109 könne. Im Gegensatz zu den bisherigen Auffassungen in der Theologie, die Paulus entweder als denjenigen ansahen, der die Lehre Jesu in einer Doktrin systematisiert hatte und daher als der erste Theologe des Christentums gelten konnte, oder den Inhalt seiner Briefe für die erste Phase der Hellenisierung des Christentums hielten,110 behauptet Heidegger, dass das Wissen, das in den Briefen des Paulus an die Galater, an die Thessalonicher und an die Korinther mitgeteilt wird und welches auch die Bekenntnisse (um 400) des Augustinus prägt, nicht theoretisch sei, sondern Ausdruck des Selbstverständnisses des Lebens. In der Vorlesung Einleitung in die Phänomenologie der Religion (WS 1920/21) nimmt er darum Abstand von der Religionswissenschaft. Er interpretiert die Paulusbriefe ausgehend von seiner Konzeption des „faktischen Lebens“, des Lebens als eines als immer schon in einen bestimmten Bedeutungszusammenhang versetzten, der „zunächst und zumeist“ sein (Selbst-)Verständnis bedingt. Sein Ziel ist die Vertiefung dieser Konzeption durch die Ausarbeitung einer „Hermeneutik der Faktizität“. Da er durch die Analyse der religiösen Lebenserfahrung das faktische 108

Vgl. GA 60: 171, 192-193, 209-210, 280-282. Heinrich Heidegger teilt mit, dass sein Onkel bei seiner Arbeit mit der Bibel wohl die Lutherbibel benutzt habe, weil er den katholischen Ausgaben nicht getraut habe (vgl. Heidegger/Stagi 2012: 129). 109 GA 60: 67; vgl. 116-117. Die formgeschichtliche Methode wurde gleichzeitig mit den Vorlesungen Heideggers von Martin Dibelius im Jahre 1919 (vgl. Dibelius 1971) und von Rudolf Bultmann im Jahre 1921 (vgl. Bultmann 1995) auf das Neue Testament angewandt. 110 Eine Widerlegung der Einordnung der Paulusbriefe in ein hellenisiertes Christentum zugunsten ihrer Auslegung als Zeugnisse jüdischer Eschatologie findet sich in Schweitzer 1981 und 2004.

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Heidegger und die Gottesfrage

Leben im Allgemeinen erläutern möchte, verweilt er nicht bei der Besonderheit des religiösen Lebens und leistet eine selektive Lektüre, in der jedoch religiöstheologische Motive durchscheinen.111 Bereits im Wintersemester 1919/20 hatte Heidegger den Beitrag des Urchristentums zur Problematik der faktischen Lebenserfahrung darin gesehen, dass sich in den ersten christlichen Gemeinden „eine radikale Umstellung der Tendenzrichtungen des Lebens“112 vollziehe. Bei den Urchristen spitze sich das Leben auf die „Selbstwelt“ zu, d. h. auf den Bedeutungszusammenhang, in dem man lebe: Das Leben zentriere sich historisch im eigenen Selbst. 113 Daran anknüpfend erforscht Heidegger ein Jahr später die Charaktere des Lebens in seiner „Zugespitztheit“, indem er die Grunderfahrung der Lebenswelt in der Religiosität der Urgemeinden hervorhebt. Heidegger sieht vollkommen davon ab, dass das religiöse Erlebnis auf die göttliche Transzendenz verweist, und klammert die Frage nach dem Wesen Gottes ein: Er fragt nur, auf welche Weise die Gottheit in der religiösen Lebenserfahrung erscheint.114 Er gibt jedoch keine „finitistische“ Interpretation dieser Erfahrung, da er der Überzeugung ist, dass sich die Sinnfülle Gottes durchaus im faktischen Leben ausdrückt, obzwar sich die Gottheit im Wesentlichen entzieht. Heidegger identifiziert die religiöse Erfahrung mit der Praxis schlechthin, indem er sie als die ursprüngliche Bewegtheit des Lebens auffasst. So kann er das Leben des Urchristentums – nicht mehr das mystische Bewusstsein, das in der Umarmung Gottes Ruhe finden kann – zum Paradigma des Lebens im Allgemeinen erheben. Dadurch erarbeitet er eine eigene Phänomenologie, deren Absicht darin besteht, zur „Sache selbst“ – zu der Zeit als dem Sinn des Lebens – zu gelangen, insofern sie über das zeitlose Bewusstsein Husserls hinausgeht. Heidegger sagt, dass die Lebenserfahrung der Urchristen sich mit ihrer Religiosität als solcher decke, die deshalb „historisch“ sei: „Die christliche Religiosität lebt die Zeitlichkeit als solche“115, insofern sie die ursprüngliche Historizität des Lebens durch die Annahme der Verkündigung Christi (κήρυγμα)

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Vgl. dazu Höfner 2008: 287, 309, 312-316, 325. Zu Heideggers Auslegung des Paulus vgl. Brejdak 1996; Molinaro 2008. 112 GA 58: 61. 113 Vgl. ebd.: 61-62, 205, 212. Heidegger nimmt implizit Diltheys Überlegungen wieder auf, gemäß denen das Christentum die Entstehung des geschichtlichen Bewusstseins unter zwei Gesichtspunkten vorbereitet habe: die Betonung der Historizität durch einen neuen Offenbarungsbegriff und die Durchsetzung des Prinzips der Innerlichkeit (vgl. Dilthey 1990: 250-255, und dazu Kisiel 1986/87: 104-105). 114 Vgl. Stagi 2010: 145-148. Zum Begriff der „religiösen Erfahrung“ und zu seiner Auffassung bei Heidegger vgl. Fischer 2013. 115 GA 60: 80.

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Die „christliche Theologie“ und die Hermeneutik der Faktizität

sich ursprünglich vollziehen lässt. Heidegger zufolge ist das, was von den Urchristen empfangen und angeeignet wird, kein bestimmter Gehalt, sondern das „Wie“, die Weise, wie sich die Anhänger Christi verhalten sollen. Die Verkündigung fordere also eine Umkehrung des Lebensvollzuges, die sich dank einer Entscheidung verwirkliche, durch die man zum Jünger Christi werde. Das Wissen um dieses „Geworden-sein“ begleite die Urchristen ständig, deren Seinsweise jedoch zugleich ein „neues Werden“ sei: Sie müssten auch nach der Verkündigung immer wieder neu umkehren wegen der Faktizität des Lebens, die eine „abfallende Tendenz“ verursache, die zur Zerstreuung in die Welt führe. 116 Der Lebenswandel (περιπατεῖν) nach der Bekehrung sei derart, dass es sich „um eine absolute Umwendung, näher um eine Hinwendung zu Gott und eine Wegwendung von den Götzenbildern“117 handele, die sich in zwei Richtungen entfalte: „δουλεύειν und ἀναμένειν, ein Wandeln vor Gott und ein Erharren“ 118. Heidegger interpretiert dieses Letztere als die Erwartung der παρουσία, der Wiederkunft Christi am Ende aller Zeit. Er spricht der παρουσία die klassischgriechische Bedeutung dieses Begriffes als Anwesenheit ab, auch um sich von der Tradition in der christlichen Theologie zu distanzieren, die sich griechischer Auslegungsmittel bediente. Außerdem nimmt Heidegger Abstand von der religionsgeschichtlichen Schule, indem er betont, dass die apokalyptischen Motive des paulinischen Textes nicht als eschatologische „Vorstellungen“ zu verstehen seien,119 als ob die Wiederkunft Christi als ein Ereignis in der „objektiven“ Zeit geschehen sollte. Denn das „Wann“ der Parusie lässt sich nicht genau bestimmen. Dies habe zur Folge, dass die Umwendung am Ursprung des christlichen Lebens eine Wende in die Not, „eine absolute Bekümmerung“120 sei, der nur widerstanden werden könne, indem man wache und nüchtern bleibe. 121 Heidegger bespricht auch die beiden Weisen, die Parusie zu erwarten, von denen in den paulinischen Briefen die Rede ist: Die Menschen, die das genaue „Jetzt“ der Wiederkunft Christi feststellen wollten, seien auch diejenigen, die ihr eigenes Selbst vergäßen, indem sie sich an die Welt hängten, um Frieden und Sicherheit zu finden.122 Die Urchristen dagegen, die die Kürze der Zeit erführen, lebten im „ὡς μή“ (das ein „Nur-Noch“ sei), also in einem Bezug zu ihrer Umwelt, in dem sie diese nicht verabsolutierten, sondern in den Vollzugszusammenhang der Lebenswelt zurücknähmen, auf die sich das ganze 116

Vgl. ebd.: 146, 205-206. Ebd.: 95. 118 Ibidem. 119 Vgl. ebd.: 111. 120 Ebd.: 98; vgl. 105. 121 Vgl. 1 Thess 5, 6 (in: Die Bibel 2002: 1242), ausgelegt in GA 60: 104-105. Zur Wachsamkeit als vom frühen Christentum geprägter prägnanter Metapher vgl. Jacobi 2015: 165-173. 122 Vgl. GA 60: 103. 117

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Heidegger und die Gottesfrage Leben nun zentriere.123 Das „νῦν“, der „καιρός“ der Bekehrung, enthüllt sich für Heidegger also in den paulinischen Briefen als der Fokus einer kairologischen Zeit,124 die durch ihre Erwartung in die Parusie „vorläuft“, ohne dass das faktische Gewordensein des Christen, der immer neu zu einem solchen werden muss, beiseitegelassen werden könnte.

e) Augustinus und die Bekümmerung des faktischen Lebens Eine tiefgreifende Auffassung der Zeit des Lebens findet Heidegger auch im 10. Buch der Bekenntnisse des Augustinus. Er bezieht sich auf dieses Buch nicht so sehr wegen der Zeitthematik als aus dem Grund, dass es das Zeugnis einer Religiosität außerhalb jeglicher Kirche und theologischen Lehre darstelle und einen Überblick über das gesamte faktische Leben seines Verfassers biete.125 Erst in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre wird sich Heidegger besonders für die augustinische Frage nach der Zeit interessieren und nicht dem 10. Buch, sondern dem 11. Buch der Bekenntnisse – wo die Zeiterfahrung in den Vordergrund tritt – seine Aufmerksamkeit widmen. Er wird Augustinus zwischen Aristoteles (der die „gemessene“ Zeit der Natur erforscht habe) und Kant (der die ekstatische Zeitlichkeit des Daseins geahnt habe) verorten, 126 indem er betonen wird, dass 123

Vgl. ebd.: 118-120. Einige Monate nach der Auslegung des Paulus wird Heidegger sich auf den καιρός bei Aristoteles konzentrieren (vgl. GA 62: 383), sodass in Sein und Zeit zwei verschiedene Begriffe von „Augenblick“ zu finden sind (vgl. Seubold 1989: 33-34). Zur kairologischen Auffassung der Zeit beim frühen Heidegger vgl. Haar 1996: 69-71; zu ihrer Verbindung mit der Zeit des Ereignisses beim späten Heidegger vgl. Gorgone 2005: 77-90; zu Heideggers „Eschatologie ohne Eschaton“ vgl. Wolfe 2013; dies. 2017: 24-25, 38-40. Für Heideggers Auffassung der Eschatologie nach der „Kehre“ der 1930er Jahre vgl. GA 5: 327; GA 73.2: 1020, 1041, 1174-1182, 1192; GA 97: 244, 271, 283-284, 288, 290, 293, 302, 329, 331, 335, 391-392, 408-409. 125 Heidegger findet die Ausarbeitung der Themen der Faktizität und der Zeit im 10. bzw. 11. Buch der Bekenntnisse, deren Einheit er in einem Brief an Elisabeth Blochmann vom 12.04.1933 betont (vgl. Heidegger/Blochmann 1990: 62). Augustinus’ Verortung des Verhältnisses zu Gott in der Seele wird für Heidegger zum Vorbild für die Scheu vor Gott, wie er in einem Brief an Hannah Arendt vom 13.05.1925 schreibt (vgl. Heidegger/Arendt 2013: 31). Eine solche Scheu wird Heidegger wohl zum Schweigen bezüglich vielen religiösen Themen veranlasst haben (vgl. Fischer 2007: 73-77). 126 Vgl. GA 64: 42. In GA 2: 53 wird Heidegger die augustinische Zeitauffassung nicht unter denjenigen aufzählen, die er im zweiten Teil von Sein und Zeit zur Aufweisung der Zeit als Sinn von Sein überhaupt untersuchen will (Kants Lehre vom Schematismus und Aristoteles’ Definition der Zeit in der Physik). Er nennt sie jedoch auf S. 564. Dagegen wird Augustinus’ Frage nach der Zeit am Anfang der Abhandlung über den Zeitbegriff und auch des entsprechenden Vortrags aus dem Jahre 1924 erwähnt (vgl. GA 64: 18, 111). Sie steht außerdem im Mittelpunkt der Übungen vom Wintersemester 1930/31, wo Heidegger ausführt, dass in Augustinus’ Untersuchung der Zeit zwei verschiedene Einstellungen vorzufinden seien: diejenige, die eine ursprüngliche Zeiterfahrung ermögliche, und diejenige, die diese theoretisch verhülle (vgl. GA 83: 41-82). 124

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Die „christliche Theologie“ und die Hermeneutik der Faktizität sich die Frage „Was ist die Zeit?“ bei Augustinus in die Frage „Wie begegnet sie uns?“127 verwandelt. Er wird den augustinischen Zeitbegriff als eine Alternative zur aristotelischen Definition der Zeit als das „Gezählte“ „an der Bewegung, sofern diese im Horizont des Früher und Später gesehen wird“128, betrachten, da Augustinus die Zeit unter Berufung auf das Erinnern, Gegenwärtigen und Vorwegnehmen bestimmt, die er „phänomenologisch“ als Verhaltungsweisen der Seele versteht, welche bereits auf den Sinn der Existenz hindeuten. In der Vorlesung Augustinus und der Neoplatonismus (SS 1921) berücksichtigt Heidegger eher die augustinische Frage „Was bin ich?“, die er mit der anderen Frage „Wie bin ich?“ zusammenfallen lässt 129 und folgendermaßen umschreibt: „Wie vollziehe ich mein faktisches Leben?“. In seinen Ausführungen folgt er der durch den Satz „Quaestio mihi factus sum“130 angezeigten Richtung. Heidegger macht darauf aufmerksam, dass Augustinus zuerst Gott als ein Bild auffasst, das in der „memoria“ (im Gedächtnis) vorhanden ist, dann das persönliche Verhältnis der Seele zu Gott betrachtet und schließlich zu dem Ergebnis kommt, dass die Suche nach Gott zugleich die Suche nach dem Sinn der eigenen Existenz ist. Auf die tiefste Dimension des Selbst verwiesen, identifiziere Augustinus den Grundcharakter des faktischen Lebens mit dem „curare“ (der „Bekümmerung“), das davon abhänge, dass das Leben so beschaffen sei, dass „es in seinem vollen Eigenvollzug um es selbst, um sein Sein geht“131. Diese Situation mache das Leben zur Last für sich selbst und werde im Begriff der „molestia“ (von „moles“, das auch „Last“ oder „Gefahr“ bedeutet) ausgedrückt. Heidegger untersucht den Zusammenhang von „molestia“ und „curare“, indem er zwei Vollzugsweisen des „curare“ auslegt: die „unechte“ und die „echte“ Bekümmerung,132 die von Augustinus so genannte „defluxio in multa“ und die „continentia“ (die sich aus der defluxio zurücknimmt), das Aufgehen in der Welt aufgrund der „tentatio“ (die sich in die „concupiscentia carnis“, die „concupiscentia oculorum“ und die „ambitio saeculi“ gliedert)133 und das Gewinnen des eigenen Selbst. Durch seine Analyse arbeitet Heidegger Kategorien heraus, die er in Sein und Zeit wieder aufnehmen wird. Noch bevor in dem Werk von 1927 die Uneigentlichkeit und die Eigentlichkeit als Existenzmodi 127

GA 83: 46. Zum Beitrag der Auseinandersetzung mit Augustinus zur Entstehung der heideggerschen Seinsauffassung vgl. Esposito 1996; zur Rezeption des augustinischen Begriffs der Zeit als „distentio animi“ in der Phänomenologie Husserls und Heideggers vgl. von Herrmann 1992. 128 GA 24: 349. Vgl. Heideggers Auslegung der Zeitabhandlung des Aristoteles ebd.: 327-361. 129 Vgl. GA 83: 246. Vgl. dazu von Herrmann 2001. 130 Vgl. Augustinus 1981: X, 33, 50 (dt. Übers. 1987: 566). Zur Analyse der „memoria“ vgl. GA 60: 182-192. 131 GA 60: 243. 132 Vgl. ebd.: 271. 133 Zu den Weisen der „tentatio“ vgl. ebd.: 210-237; Ardovino 1998: 120-131.

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Heidegger und die Gottesfrage

des Daseins (die vollzugsmäßig, d. h. zeitlich verstanden werden müssen) beschrieben werden, behauptet Heidegger bereits in seiner Interpretation der „molestia“, dass sie bei Augustinus eine „‚Gelegenheit‘ des Ernstes“ bedeute, die „mir“ die Faktizität „als Faktizität“ „erfahrbar“ mache und die „existenziell“ zu ergreifen sei, damit das Leben „in Erinnerung und Erwartung“ 134 so gehabt werden könne, dass der Ernst gesteigert werde. Das „Haben“ des faktischen Lebens ist für Heidegger nie eine Erlösung von der darin liegenden „Sorge“, die vielmehr nur dann „echt“ wird, wenn sie erfahren und angenommen wird. Dies gilt jedoch nicht für Augustinus. Heidegger sieht in der augustinischen Beschreibung der Selbsterfahrung des Lebens, die sich in der Begegnung mit Gott bzw. in der vita beata zuspitzt, eine konstitutive Zweideutigkeit. Zum einen schreibe Augustinus, dass die vita beata „im Erhoffen“, „hoffend“ gehabt werde, sodass nur ein „entscheidende[s] Hoffen […] das echte Bemühen um continentia“ gewähre, „das nicht ans Ende komm[e]“ 135 und deshalb die Bekümmerung des Lebens um sich selbst nie völlig zu tilgen vermöge. Zum anderen lasse er offen, ob die continentia dank der Gnade Gottes ein für alle Mal erreicht werden könne. Heidegger bemerkt weiter, dass Augustinus seine Überlegungen vom existenziellen Bereich in den theoretischen verlagere, insofern er die Frage nach Gott sich zu derjenigen nach der beatitudo entwickeln lasse, die sich mit dem wahren Leben und daher mit der Wahrheit decke.136 Die Suche nach der Wahrheit führe zur Ausarbeitung einer Theorie des Zugangs zu Gott, nach der die Begegnung mit ihm als das Ende eines erkenntnistheoretischen Prozesses vorgestellt werde, durch den das Leben allmählich Halt und Sicherheit gewinne, bis hin zur vollen contemplatio Dei. Die fruitio Dei werde also als eine stille dilectio „griechisch“ vorgestellt und stehe an der Spitze eines axiologischen Systems, in dem jegliches Ding und jeder existenzielle Zustand aus dem Blickwinkel zweier verschiedener Existenzweisen – des „uti“ und des „frui“, des Besorgens und des Genießens – betrachtet und bewertet werde.137 Sogar die Liebe werde als ein berechenbarer Wert oder als der Beginn eines theoretischen Weges behandelt. GA 60: 254. Heidegger unterscheidet die Weise, in der das Leben sich in der Bekümmerung „hat“, von der Selbstgewissheit; daher betont er die Differenz zwischen Augustinus und Descartes (vgl. GA 17: 305; GA 58: 205; GA 59: 94; GA 60: 298-299). 135 GA 60: 194, 205. In der Vorlesung über Augustinus spielt die Hoffnung dieselbe zeitliche Rolle (im Sinne der Erwartung) wie in der Vorlesung über Paulus. Sie wird ebenfalls als „erwartend“ (205) bestimmt und steht in einer gewissen Weise mit dem „desiderium“ in Verbindung, in dem ihrerseits eine Erwartung mitgegeben ist (vgl. 251). Zum Verhältnis zwischen der Zeitauffassung Heideggers und derjenigen des Augustinus vgl. Brachtendorf 2007. 136 Vgl. GA 60: 193. 137 Vgl. ebd.: 272, 281. 134

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Die „christliche Theologie“ und die Hermeneutik der Faktizität

Im Sommersemester 1921 legt Heidegger zum ersten Mal die Liebesauffassung des Augustinus aus, die er ab Mitte der 1920er Jahre in dem Satz „Amo heißt volo, ut sis“138 zusammengefasst sehen wird. Für den frühen Heidegger macht die Liebe bei Augustinus den Wendepunkt aus, an dem Gott vom Vollzug des christlichen Lebens isoliert wird: Die Liebe zu Gott objektiviere diesen, indem sie ihn zum „Korrelat einer Bedeutsamkeit“139 mache, die metaphysisch die ganze Welt so durchdringe, dass sich das Leben durch die Gottesliebe an etwas Festes klammern, sich aus der Unsicherheit der alltäglichen Umstände herausnehmen und so einen „Halt“ gewinnen könne. Nach Heidegger begreift Augustinus das Lieben als eine Erscheinungsweise der Neigung des Liebenden, sein eigenes Sein zu sichern, indem er eigentlich als Geliebter leben möchte. Heidegger fasst den Liebesbegriff des Augustinus weiterhin als denjenigen Schlüsselbegriff, der es ermögliche, Gott durch die Wahrheit zu ersetzen, insofern die vita beata, das wahre Leben, die Antwort auf die Frage „Quid autem amo, cum te amo?“140 sei. Heideggers Meinung nach eignet sich Augustinus also die neuplatonische Definition des summum bonum an, die durch eine allgemeine Wertlehre motiviert sei, welche für ein verhängnisvolles Missverständnis des Satzes aus dem paulinischen Römerbrief: „Das Unsichtbare Gottes wird seit der Schöpfung der Welt an seinen Werken durch das Denken gesehen“141 verantwortlich sei. Indem die christliche Dogmatik auf der axiologischen Auslegung der Worte des Paulus sowie auf der augustinischen Bestimmung der fruitio Dei aufgebaut habe, in der die urchristliche Erfahrung der Faktizität des Lebens zugunsten des griechischen Ideals der theoria verdeckt werde, sei das ursprüngliche (Selbst-)Verständnis des Lebens im Laufe der Geschichte der Theologie – die unrettbar in die Metaphysik verstrickt sei – verloren gegangen. Während Heidegger im Sommersemester 1921 noch glaubt, dass die augustinische Besinnung auf das Leben sich zum Teil vom Einfluss der griechischen Metaphysik habe freihalten können und dass ein Zugang zur Erfahrung der Urchristen vor allem durch eine gemäße Auslegung der Schriften

138

Das Zitat ist bei Augustinus nicht wörtlich nachweisbar, auch wenn im Corpus Augustinianum Parallelstellen zu finden sind (vgl. dazu den Anhang zu Heidegger/Arendt 2013: 269, 288). Heidegger wird die vermeintlich augustinische Wendung auch später oft zitieren und sie im Wintersemester 1938/39 mit Nietzsches Satz: „Sagt, wo findet sich die Gerechtigkeit, welche Liebe mit sehenden Augen ist?“ (KSA 4: 88) in Verbindung bringen (vgl. GA 46: 183-184). 139 Vgl. GA 60: 122. 140 Augustinus 1981: X, 6, 8 (dt. Übers. 1987: 497); vgl. GA 60: 193. 141 Röm 1, 20 (in: Die Bibel 2002: 1175), zitiert nach GA 60: 281. Unter den Auslegungen zu diesem Brief schätzt Heidegger nur den Kommentar Luthers, dank dem er „das Mittelalter und die Entwicklung der christ. Religiosität ganz neu“ verstehe (Brief an Elfride vom 09.09.1919, in Heidegger/Petri 2005: 100).

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Heidegger und die Gottesfrage

des Paulus nach dem Vorbild des jungen Luther gefunden werden könne, kommt er ab dem Wintersemester 1921/22 immer mehr zu der Überzeugung, dass das Christentum von Anfang an vom Griechischen durchsetzt gewesen sei. Es geht für Heidegger jedoch nicht allein um eine „Hellenisierung des Christentums“ 142, da auch die griechische Philosophie in der Begegnung mit der neuen Religion „kontaminiert“ worden sei und im Neuplatonismus eine gewisse „Christianisierung“ erfahren habe:143 Aus der verwandelnden Vereinigung des Griechischen und des Christlichen sei die abendländische Kultur entstanden, in der die vorherrschende Definition des Menschen als „animal rationale“ im Ausgang von seiner christlichen Bestimmung als das vornehmste Geschöpf Gottes und seinem aristotelischen Verständnis als „ζῷον λόγον ἔχον“144 zu verstehen sei.

Heidegger wird die These von der „Hellenisierung“ wohl aus Adolf Harnacks Dogmengeschichte (1889/91) und Wilhelm Diltheys Einleitung in die Geisteswissenschaften (1883) übernommen haben. (vgl. Harnack 1983 und Dilthey 1990: 255-267, wo der Autor auf Augustinus eingeht). 143 Vgl. GA 60: 171; GA 61: 6-7. 144 Vgl. GA 63: 21-29. 142

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§ 4 Der methodologische „A-theismus“ in der Fundamentalontologie

Nur ein Atheist kann ein guter Christ sein, nur ein guter Christ kann ein Atheist sein. Ernst Bloch

a)

Die Definition des Menschen im Verhältnis zu Gott und ihre „Destruktion“

Besonders in der ersten Hälfte der 1920er Jahren spricht Heidegger Aristoteles eine herausgehobene „Grenzstellung“ zu. Einerseits sei er „die Vollendung“ der vorangegangenen philosophischen Auffassungen und seine Idee des Menschen lege das Fundament für die späteren Bewusstseinsphilosophien; andererseits habe er „in seiner ‚Physik‘ einen prinzipiellen neuen Grundansatz“145 gefunden, indem er die Bewegung als „universale[n] Seinscharakter“146 entdeckt habe, ausgehend von dem er dann in der Rhetorik und der Ethik das menschliche Leben bestimmt habe. Heidegger erkennt in der aristotelischen Auffassung der κίνησις einen Begriff der ursprünglichen Bewegtheit des Lebens, einer Bewegtheit, die er bereits durch die Auslegung der „Bekümmerung“ bei Paulus und Augustinus hervorgehoben hatte und die er als einigenden Sinn des Lebens genauer bestimmen will. Anfang der 1920er Jahre kehrt er so zu den Texten des Aristoteles zurück und versucht, sie im Hinblick auf die Probleme der eigenen Gegenwart und in Absetzung von ihrer neuscholastischen Auslegung neu zu interpretieren.147 In der Vorlesung Phänomenologische Interpretationen zu Aristoteles (WS 1921/22) „destruiert“ Heidegger phänomenologisch das aristotelische Denken, um in ihm die „Kategorien des Lebens“ freizulegen, in denen sich die ursprüngliche Bewegung der Faktizität einheitlich ausdrückt. Dabei liest er aus den aristotelischen Texten eine Anthropologie heraus, die es ihm ermöglicht, das Vorhaben einer Dekonstruktion der durch die „griechisch-christliche

145

GA 62: 371. Vgl. GA 22: 146-148; GA 61: 4-9; Figal 2009: 64. GA 22: 170. Vgl. 147, 172-175; GA 18: 283-329; GA 62: 117-120, 371. 147 Vgl. Gadamer 1987: 313, 315; ders. 1989: 229, 232-234. Auf S. 232 behauptet Gadamer, dass die Antriebe, die die heideggersche Auslegung des Aristoteles in den Jahren 1921/22 beleben, die Kritik am aristotelischen Begriff des Seins und des Göttlichen sowie der Aufruf zu einem eigentlichen Leben (den Heidegger von der protestantischen Theologie übernehme) seien. Zur Tragweite der Auseinandersetzung mit Aristoteles für die Ausarbeitung des heideggerschen Denkens vor Sein und Zeit vgl. Volpi 1994; ders. 2010; Figal 2007. 146

Der methodologische „A-theismus“ in der Fundamentalontologie Lebensauslegung“148 geprägten traditionellen Idee des Menschen zu verwirklichen, deren Notwendigkeit auch in dem Text betont wird, den er 1922 Paul Natorp zwecks der Erlangung einer ordentlichen Professur ad personam in Marburg zusendet. Im sogenannten Natorp-Bericht listet Heidegger die Wendepunkte in der Geschichte der Auslegung des Aristoteles auf, unter welche die „griechisch fundierte patristische Theologie“, die „Gottes-, Trinitäts-, Urstands-, Sünden- und Gnadenlehre der Spätscholastik“ und die reformatorische Theologie (die „nur in ganz geringem Ausmaß eine genuine Explikation der neuen religiösen Grundstellung Luthers“149 sei, aber andererseits die philosophische Anthropologie Kants und des deutschen Idealismus entscheidend beeinflusst habe) fallen. Die Neuinterpretation der Philosophie des Aristoteles im Ausgang von einer ursprünglichen Konzeption des „Daseins des Lebens“ wird von Heidegger mit dem Ziel einer Erneuerung sowohl der Philosophie als auch der Theologie unternommen. Er ist sich aber durchaus dessen bewusst, dass Philosophie und Theologie sich selbst nur unter der Voraussetzung treu sein können, dass sie voneinander unabhängig bleiben, obwohl beide ein fruchtbares Gespräch miteinander führen sollen. Seit der Vorlesung Phänomenologische Interpretationen zu Aristoteles behauptet er deshalb, dass die „Philosophie […] prinzipiell a-theistisch“150 sein müsse, insofern sie eine präzise methodologische Haltung einnehmen solle, die aus einem radikalen Selbstverständnis und aus der Treue zur eigenen Aufgabe – die Heidegger nunmehr mit der Frage nach dem Sein des Lebens bzw. des Daseins identifiziert – entspringe: Nur im Verzicht auf jedwede Bezugnahme auf „eine ‚Ahnung‘ von Gott“ könne sie „ehrlich, d. h. gemäß der ihr als solcher verfügbaren Möglichkeit“ „vor Gott“151 stehen. Die Philosophie sei „gott-los, d. h. sie maß[e] sich nicht an, von sich aus Gott zu entdecken“. Gott sei nur „entdeckbar“, „sofern er sich selbst offenbart. Auf Offenbarung zu hören“ fehle jedoch „der Philosophie jedes Organ […]. Von Gott“ könne nur die Theologie „handeln“, „so zwar, daß diese nie das Seiende (Gott) ontologisch eigens zum Thema mach[e], sondern nur ontisch, d. h. als Seiendes in seinem seienden Bezug zum Menschen“152. Die Theologie solle sich deswegen von der Begrifflichkeit, die sie aus der philosophischen Tradition

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GA 62: 369. Ebd.: 369-370. GA 61: 197. Vgl. 198-199; GA 20: 109-110. Heideggers philosophischer „Atheismus“ trägt aber schon in den 1920er Jahren eindeutig theologisch-religiöse Züge. Vgl. dazu Löwith 1986: 45; Fehér 1995: 210-222. 151 GA 62: 363. 152 GA 23: 77, 79-80. 149 150

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Heidegger und die Gottesfrage

geerbt habe, befreien und zu einer ursprünglichen Deutung des Verhältnisses des Menschen zu Gott gelangen.153 Dem prinzipiellen „A-theismus“ der Philosophie entsprechend stellt Heidegger in Sein und Zeit seine eigene Frage, die Frage nach dem Sein überhaupt, indem er nicht von Gott, sondern vom Dasein – dem einzigen Seienden, das das Sein verstehen kann – seinen Ausgang nimmt. Seiner Ansicht nach muss man für die Ausarbeitung der Seinsfrage eine „Doppelaufgabe“ erledigen: die Durchführung der Analytik des Daseins – die phänomenologische Beschreibung der Existenz, d. h. des Seins des Daseins – und die Destruktion der Geschichte der Ontologie.154 Heidegger grenzt die Daseinsanalytik von anderen Weisen des Zugangs zum Sein des Menschen ab, vor allem von der anthropologischen, psychologischen und biologischen, und geht auch auf die Theologie ein, indem er bemerkt, dass die Anthropologie die christlichtheologische Definition des Seins des Menschen übernommen habe.155 Die christliche Dogmatik habe zwar verstanden, dass der Mensch „transzendent“ sei, d. h. dass er über sich „hinauslange“. Sie habe jedoch diese Transzendenz nicht als solche erfasst, da sie das Möglichsein des Daseins (das dasjenige Seiende sei, das immer „zu sein“ habe und darum über sich hinausgehe)156 nicht gedacht habe. „Transzendent“ sei für die Theologie eigentlich nur Gott, auf dessen Bestimmung die Definition des Menschen bezogen bleibe, insofern dieser als „ens creatum“ im Vergleich zu Gott (dem „ens increatum“) begriffen werde. Die Definitionen von Mensch und Gott, die von der Idee der „creatio“ abhingen, rührten von der antiken Bestimmung des Seins als Hergestelltheit her157 und setzten das Verständnis desselben als Vorhandensein voraus, das auch noch beibehalten worden sei, als der Ausgangspunkt der Reflexion nicht mehr die Natur – wie in der Antike – oder Gott – wie im Mittelalter – gewesen sei. Heidegger weist seine Thesen anhand der cartesischen Bestimmung der Welt als res extensa nach. Er betont die Doppeldeutigkeit von Descartes’ Definition der substantia: „Per substantiam nihil aliud intelligere possumus, quam rem quae ita existit, ut nulla alia re indigeat ad existendum. Unter Substanz können wir nichts anderes verstehen als ein Seiendes, das so ist, daß es, um zu sein, keines 153

Vgl. GA 17: 118. Vgl. GA 2: 21-53; von Herrmann 1987: 151-277. 155 Vgl. GA 2: 65-66. 156 Vgl. ebd.: 17. Zu der Transzendenz des Daseins als einer bestimmten Form der „ontologischen Transzendenz“, die verschieden von der „ontischen Transzendenz“ Gottes ist und die bereits auf die Inständigkeit des Da-seins in der Offenheit des Seienden hindeutet, in der sich das Sein selbst dem Menschen zuwirft, vgl. GA 65: 217; Esposito 2020: 64-68. 157 Vgl. GA 24: 167-168 und, zur Ausarbeitung dieser These durch die Auslegung des Aristoteles, Marafioti 2022: 64-65. 154

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Der methodologische „A-theismus“ in der Fundamentalontologie anderen Seienden bedarf.“158 Insofern die Unbedürftigkeit das Sein einer Substanz charakterisiert, solle nur Gott „substantia“ genannt werden. Descartes lasse aber zwei weitere Substanzen neben Gott bestehen, und zwar die res cogitans und die res extensa, die so beschaffen seien, dass sie für ihre Herstellung und Erhaltung nur Gottes bedürften. Außerdem werde das Verhältnis zwischen Gott, Ich und Welt in den Schriften Descartes’ nicht geklärt. All dies sei ein Zeugnis dafür, dass Descartes den Sinn von Sein unbestimmt lasse und nach ihm nicht einmal frage. Dasselbe hätten die Philosophen in der Geschichte der Ontologie getan. Sie hätten deshalb die wesenhafte Endlichkeit des Daseins nie begriffen und die existenziale Rolle der „Befindlichkeit“ – die die Geworfenheit des Daseins in die Welt bekunde – übersehen. Nur innerhalb der christlichen Theologie – so gibt Heidegger zu – sei die ontologische Tragweite von Phänomenen wie Furcht und Angst (die das „In-der-Welt-sein“ des Daseins als solches erschließe) ans Licht gebracht worden, „wenn das anthropologische Problem des Seins des Menschen zu Gott einen Vorrang gewann“.159 Die Suche „nach einer ursprünglicheren, aus dem Sinn des Glaubens selbst vorgezeichneten und innerhalb seiner verbleibenden Auslegung des Seins des Menschen zu Gott“160 ist nach Heidegger eine der Weisen, in denen sich die Tendenz zum methodologischen Neuansatz in der Theologie Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts zeigt, als die „Wissenschaft von Gott“ sowie die anderen Wissenschaften in eine „Grundlagenkrise“ geraten sind. Heidegger begrüßt die Problematisierung der dogmatischen Systematik (die dank einer „Rückkehr“ zur ursprünglichen Position Luthers erfolgt sei, von der sich das Lehrsystem der Reformation entfernt habe) und verweist auf Luther unmittelbar nach Augustinus und vor Kierkegaard, als er diejenigen erwähnt, die eine tiefgreifende Auffassung von Angst und Furcht erreicht hätten. 161 Augustinus (die „augustinisch[e] – das heißt griechisch-christlich[e] Anthropologie“)162 wird ebenfalls unter den Philosophen genannt, die Heidegger zur Bestimmung des Seins des Daseins als Sorge angehalten haben. Seinen eigenen Begriff der Sorge einführend, beruft Heidegger sich nochmals auf die Gegenüberstellung von Mensch und Gott in der Bestimmung beider, die im Laufe der Philosophiegeschichte üblich geworden sei, indem er aus der 124. Epistula ad Lucilium Senecas zitiert: „Unter den vier existierenden Naturen (Baum, Tier, 158

GA 2: 123. Heidegger zitiert den lateinischen Text aus Descartes 1905: 24, n. 51. GA 2: 252, Fn. 3. Zum Vermögen der Angst, die alltägliche Welt verschwinden zu lassen und das Dasein in eine neue Einstellung zum Seienden zu versetzen, vgl. Brisart 1991: 129, 153; Corbeil 2001: 27, 35-36. 160 GA 2: 13. 161 Vgl. ebd.: 252, Fn. 3, 13-14; GA 62: 369. 162 GA 2: 262, Fn. 3; vgl. GA 64: 44, Fn. 10. 159

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Heidegger und die Gottesfrage

Mensch, Gott) unterscheiden sich die beiden letzten, die allein mit Vernunft begabt sind, dadurch, daß Gott unsterblich, der Mensch sterblich ist. Bei ihnen nun vollendet das Gute des Einen, nämlich Gottes, seine Natur, bei dem andern, dem Menschen, die Sorge (cura): unius bonum natura perficit, dei scilicet, alterius cura, hominis.“163 Heidegger erinnert an diese Sätze, um zu zeigen, dass seine Bestimmung des Seins des Daseins als Sorge nicht eine unbeweisbare Erfindung sei, da sie von der vorontologischen Selbstauslegung des Menschen bestätigt werde, die sich in der These Senecas sowie in der von Hyginus wiedergegebenen alten Fabel ausspreche, die erzählt, dass der Mensch von der mythischen Figur der „Sorge“ aus Erde geformt wurde. Nach einer „Bezeugung“ in der Erfahrung des faktischen Daseins selbst sucht Heidegger auch hinsichtlich von dessen Möglichkeit, eigentlich zu existieren. 164 Da er die Eigentlichkeit mit der Existenzweise des „Vorlaufens in den Tod“, d. h. mit der Übernahme der Nichtigkeit bzw. der Endlichkeit des Daseins identifiziert, müsste die Bezeugung einer eigentlichen existenziellen Möglichkeit in einem ontischen Seinkönnen liegen, das der ontologischen Möglichkeit eines existenziellen eigentlichen Seins zum Tode entspricht. Dieses ontische Seinkönnen soll also die Nichtigkeit des Daseins ans Licht treten lassen. Heidegger trennt den phänomenologischen Aufweis der gesuchten eigentlichen Möglichkeit radikal von der Untersuchung des Verhältnisses zwischen Mensch und Gott, indem er feststellt: „Den Fragen einer Biologie, Psychologie, Theodizee und Theologie des Todes ist die existenziale Analyse methodisch vorgeordnet.“165 Dementsprechend unterscheidet er das Gewissen, mit dem er dasjenige ontische Seinkönnen identifiziert, das die Möglichkeit der Eigentlichkeit des Daseins bezeugen kann, von einem „unmittelbaren Gottesbewußtsein“166. Er gibt jedoch zu verstehen, dass die alltägliche Selbstauslegung des Daseins schon auf das existenzielle Phänomen des Gewissens hindeutet, indem sie die „Gewissensstimme“ auf Gott zurückführt und sich den Rufer als etwas anderes als den Menschen – der angerufen und dazu aufgefordert wird, gut zu sein und nicht schuldig zu werden 167 – vorstellt. Das, was das alltägliche Dasein „Gott“ nennt, sei in Wirklichkeit sein Sein (als Sorge), das das Dasein aufruft, sich aus der Verlorenheit in das Man 163

GA 2: 264. Für den von Heidegger übersetzten Text vgl. Seneca 1965: 536 (ep. 124,14). Zur Entstehung und Mehrdeutigkeit des heideggerschen Sorgebegriffs vgl. Caputo 2020; zur Sorge als der Weise, in der Heidegger die ontologische Differenz zwischen Dasein und innerweltlichem Seienden denkt, vgl. Esposito 2017: 80. 164 Vgl. GA 2: 355-358. Zum Problem der Bezeugung in Sein und Zeit vgl. Marafioti 2011: 173-177. 165 GA 2: 330; vgl. GA 82: 314. 166 GA 2: 357. Heidegger unterscheidet seine Gewissensauffassung auch von der kantischen „Gerichtshofvorstellung“ (vgl. 360). 167 Vgl. ebd.: 366, 386.

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Der methodologische „A-theismus“ in der Fundamentalontologie zurückzuholen, indem es ihm seine ursprüngliche „Schuld“ aufzeigt. Heidegger formalisiert den Begriff der „Schuld“, die er nicht juridisch, moralisch oder religiös auslegt, indem er dessen Bedeutung als „Grundsein einer Nichtigkeit“168 definiert. Unter „Nichtigkeit“ meint er die zweifache Endlichkeit des Daseins als eines „geworfenen Entwurfs“: Das Dasein kann nur die Möglichkeiten der Situation, in der es sich befindet, wählen, und es kann sich nur für eine von ihnen entscheiden (es muss also zwangsläufig die anderen ausschließen).169 Durch diesen Schuldbegriff klärt sich die Besonderheit des Daseins gegenüber dem anderen Seienden, nämlich dass es dem Dasein „in seinem Sein um dieses Sein selbst geht“170, weswegen sich in ihm ein Unterschied zwischen Seiendem und Sein zeigt und vollzieht. b) Die „Korrektion“ der Theologie durch die Analytik des Daseins Heidegger bezeichnet den Unterschied von Sein und Seiendem im Sommersemester 1927 als „ontologische Differenz“171, und zwar in einer Vorlesung (Die Grundbegriffe der Phänomenologie), die eine neue Ausarbeitung des dritten, nie veröffentlichten Abschnittes von Sein und Zeit hätte sein sollen.172 In einem Brief an Max Müller vom 4. November 1947 teilt er mit, dass er in der ersten Fassung dieses Abschnittes neben dem ontologischen Unterschied auch eine „theologische Differenz“ (zwischen Sein und Gott) eingeführt habe. 173 Aus dieser Angabe kann man entnehmen, dass die Gottesfrage, die nach der Vorlesung über Paulus und Augustinus „eingeklammert“ worden war, in den 1920er Jahren von Heidegger nicht vollkommen außer Acht gelassen wurde. Trotzdem wird Heidegger wohl geplant haben, sich mit ihr erst nach der Ausführung der Daseinsanalytik intensiv zu beschäftigen, da er bis Anfang der 1930er Jahre das Verstehen der Existenz – des Seins des Daseins – als unerlässlich für das Ebd.: 376. Vgl. 391, wo Heidegger präzisiert, dass er kein Urteil „über die existenzielle ‚moralische Qualität‘“ des in der alltäglichen Gewissenserfahrung sich haltenden Daseins fällen möchte. Auf S. 57 unterstreicht Heidegger, dass die Ausdrücke „Eigentlichkeit“ und „Uneigentlichkeit“ als terminologisch im strengen Wortsinne zu verstehen sind. Über „Schuld und Verantwortung im Spannungsfeld von Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit“ vgl. Neumann 2019: 146-152. 169 Vgl. GA 2: 376-379; GA 20: 440-441; GA 80.1: 144-145. Zur Nichtigkeit als Endlichkeit und als Konstitutivum der Totalität des Daseins, das anzueignen sei, um die Eigentlichkeit erreichen zu können, vgl. Fehér 1990: 40-41. 170 GA 2: 16; vgl. 256, 380, 394, 440. 171 Vgl. GA 24: 452-469. 172 Vgl. von Herrmann 1991: 13-52. 173 Vgl. Heidegger 2003: 15. Zur Bedeutung der Tatsache, dass diese Differenz während Heideggers „theologischer Epoché“ in den 1920er Jahren eingeführt wurde, vgl. von Herrmann 2011: 38-39; zu Heideggers „Schweigen“ über Gott vor den 1930er Jahren vgl. Thurnher 1998. 168

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Heidegger und die Gottesfrage Verstehen des Seins überhaupt und des Seins des „nicht daseinsmäßigen“ Seienden – darunter Gott – einschätzt. Tatsächlich sieht er die Ontologie des Daseins – die „Fundamentalontologie“ – als Voraussetzung auch für die Erforschung des Seins Gottes und seines Verhältnisses zum Menschen an und erläutert die Gründe für diese Hierarchie ausführlich in dem Vortrag Phänomenologie und Theologie (1927), in welchem seine Auseinandersetzung mit der Theologie in den 1920er Jahren gipfelt. In Phänomenologie und Theologie bezieht sich Heidegger auf Luthers Auffassung des Glaubens und vertritt die These, dass die Thematisierung der religiösen Erfahrung durch die Theologie deren eigentümliche Geschichtlichkeit nicht tilgen dürfe. Eine neue Art von Theologie skizzierend, die sich von der mehrfach kritisierten unterscheiden soll, schreibt Heidegger, dass sie als „begriffliche Selbstinterpretation der gläubigen Existenz […] nie ein an sich gültiges System theologischer Sätze über allgemeine Sachverhalte innerhalb eines u. a. auch vorhandenen Seinsgebietes“174 zum Ziel haben könne. Die Theologie solle sich vielmehr nur auf „die christliche Existenz selbst in ihrer Konkretion“175 richten. Denn die Theologie als positive Wissenschaft habe als ihr „Positum“ bzw. Vorliegendes die „Christlichkeit“. Sie lasse sich weder apriorisch verständlich machen noch theoretisch vergegenständlichen, weil ihr „Konstitutivum“ der Glaube sei.176 Heidegger bestimmt das Wesen des christlichen Glaubens formal als „eine Existenzweise des menschlichen Daseins“, die sich auf das Geglaubte, d. h. auf „Christus, de[n] gekreuzigte[n] Gott“177, ausrichte. Im Glauben werde die Existenz vor Gott gestellt und somit „umgestellt“: Sie gewinne eine neue Orientierung, erfahre eine „Wiedergeburt“178, insofern sie im Offenbarungsereignis der Kreuzigung Christi erlöst werde. Insofern der Glaube in diesem lebendigen Bezug zum Gekreuzigten bestehe und die Theologie aus dem Glauben heraus entstehe, sei die Theologie eine „historische“ Wissenschaft. Sie solle den Glauben und das durch ihn Enthüllte bzw. „Offenbare“ zum Thema machen. Deswegen gehe der Glaube, also das Existieren selbst, der Theologie voraus und liege ihr zugrunde. Außerdem erhalte die Theologie einen Sinn nur in 174

PT: 56. Ibidem. Vgl. ebd.: 52, 63. Im Glauben gibt Gott sich und bezeugt sich selbst in der Geschichte durch Christus, dessen historische Offenbarung sich nicht anhand eines allgemeingültigen metaphysischen Prinzips erklären lässt, aber auch nicht aufgrund eines spirituellen Wertes, der sich nur im Inneren des Menschen findet (vgl. dazu Tommasi 2011: 363). 177 PT: 52. 178 Ebd.: 53. Vgl. dazu Pietropaoli 2016: 155-156, wo betont wird, dass die Wiedergeburt durch den Glauben eine existenziale Wandlung mit sich bringe, die sich auf einer weit tieferen Ebene als derjenigen der Moral und der Erkenntnis vollziehe. 175 176

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Der methodologische „A-theismus“ in der Fundamentalontologie ihrem Rückbezug auf die gläubige Existenz, zumal sie sich als „Wissenschaft des Glaubens“ nach vier Hinsichten bestimmen lasse: Sie sei Wissenschaft vom Geglaubten; Wissenschaft vom „glaubenden Verhalten selbst, der Gläubigkeit“; Wissenschaft, die „aus dem Glauben entspringt“; Wissenschaft, deren Ziel es sei, „die Gläubigkeit selbst an ihrem Teil mit auszubilden“179. Offenbar fasst Heidegger das Verhältnis zwischen Theologie und Existenz analog zum Bezug der Philosophie zum Dasein auf, da er in Sein und Zeit die Existenzialanalytik als „das Ende des Leitfadens alles philosophischen Fragens“ bzw. als das bezeichnet hatte, „woraus es entspringt und wohin es zurückschlägt“180 . In Phänomenologie und Theologie präzisiert Heidegger das Verhältnis zwischen Philosophie (Daseinsontologie) und Theologie als wesentlich für die Letztere. Er sagt, dass die Theologie hinsichtlich der „Begründung und primären Enthüllung ihrer Positivität, der Christlichkeit“181, zwar selbstständig sei, da der Sachbereich der Theologie, nämlich die Christlichkeit, in der Offenbarung gründe. Die Theologie bedürfe jedoch der Existenzialontologie des Daseins „mit Rücksicht auf ihre Wissenschaftlichkeit“182. Denn wenn die Christlichkeit bzw. der Glaube ein spezifischer Existenzmodus sei, setze sie bzw. er die Existenz als solche voraus, welche in ihrem Verhältnis zur christlichen Existenz als das „Vorchristliche“ bezeichnet werden könne. Es komme darauf an, dass „alle theologischen Grundbegriffe“ sowohl einen christlichen als auch einen „sie ontologisch bestimmenden vorchristlichen und daher rein rational faßbaren Gehalt“183 hätten. Dieser rational fassbare, ontologische (vorchristliche) Gehalt der theologischen Grundbegriffe werde von der Philosophie als Existenzialontologie formal angezeigt. Daraus folgert Heidegger, dass die theologischen Kategorien ihre „primäre Direktion (Herleitung)“, was so viel heiße wie „den Ursprung [ihres] christlichen Gehaltes“, aus dem Glauben

179

PT: 55; vgl. 61. GA 2: 51. István Fehér stellt die These auf, dass Heidegger das Verhältnis von Theologie und Glaube als analog zum Verhältnis von Hermeneutik und Faktizität (das in Sein und Zeit die Form einer wesenhaften Zugehörigkeit der Philosophie zum Dasein annehme) verstehe. Aus diesem Grund sei es nicht nur möglich, sondern auch notwendig, von einer „theologischen Herkunft“ des heideggerschen Denkens zu sprechen (vgl. Fehér 2008: 137-144). 181 PT: 61. 182 Ibidem. Derjenige, der die Existenzialanalytik von Sein und Zeit fruchtbar für die Theologie im Sinne von Heideggers Vortrag Phänomenologie und Theologie gemacht hat, ist Rudolf Bultmann. Zu Ähnlichkeiten und Verschiedenheiten von Heideggers und Bultmanns Begriff der Theologie als positiver Wissenschaft, die dadurch bedingt seien, dass Bultmann den transzendentalphilosophischen Begründungsanspruch der Fundamentalontologie gegenüber den Einzelwissenschaften übernehme, aber zugleich abschwäche, vgl. Jung 1990: 170-180. 183 PT: 63. 180

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Heidegger und die Gottesfrage empfingen, aber sie einer „Korrektion (d. h. Mitleitung)“ 184 durch die existenzialen Begriffe bedürften. Die Leitfadenfunktion dieser Begriffe für die theologischen Kategorien bestehe darin, dass die Ersteren den ontologischen Charakter der Seinsregion anzeigten, in der sich die Letzteren halten sollten. Heidegger warnt beide, Philosophie und Theologie, vor der Überschreitung der Grenzen ihres je eigenen Sachgebiets, indem er behauptet, dass einerseits zur Daseinsontologie als solcher keine „korrektivische Funktion für die Theologie“ gehöre, da sie der Theologie lediglich „die Möglichkeit“ biete, als formal anzeigendes ontologisches Korrektiv (im Sinne einer mitleitenden Anweisung) ihrer Begriffe aufgenommen zu werden; andererseits dürfe die Theologie „die Kategorien ihres Denkens und die Art ihrer Sprache“ nicht „durch Anleihen bei der Philosophie […] beziehen“, insofern ihre Aufgabe darin bestehe, „sachgerecht aus dem Glauben für diesen zu denken und zu sprechen“185. Das entscheidende Ergebnis des Vortrags Phänomenologie und Theologie lautet also, dass die Theologie ihre sachliche Thematik (ihre „Direktion“) aus der Offenbarung empfange, aber eine „Korrektion“ (Mitleitung) durch die phänomenologische Daseinsontologie brauche. Man darf vermuten, dass Heidegger in den Jahrzenten danach an diesem einmal erarbeiteten Verhältnis zwischen phänomenologischer Daseinsanalytik und Theologie festhält, obwohl er die Einschätzung der Theologie als Wissenschaft ab den 1930er Jahren infrage stellt. Der späteren Publikation des Vortrags Phänomenologie und Theologie in den 1960er Jahren fügt Heidegger Hinweise auf Hauptgesichtspunkte für das theologische Gespräch über „Das Problem eines nichtobjektivierenden Denkens und Sprechens in der heutigen Theologie“ (1964) bei, an deren Ende er bestätigt, dass es „die positive Aufgabe für die Theologie [ist], in ihrem eigenen Bereich des christlichen Glaubens aus dessen eigenem Wesen zu erörtern, was sie zu denken und wie sie zu sprechen hat.“186 Er fügt jedoch hinzu: „In dieser Aufgabe ist zugleich die Frage eingeschlossen, ob die Theologie noch eine Wissenschaft sein kann, weil sie vermutlich überhaupt nicht eine Wissenschaft sein darf.“187 In einem fast gleichzeitigen Brief an Rudolf Bultmann – den Veranstalter einiger Tagungen, 184

Ebd., 64. Heidegger führt das Beispiel des Begriffes der Sünde an, den er auf das ontologische Konzept der Schuld zurückbezieht. Zur „korrektiven Funktion der Philosophie“ vgl. Pöltner 2011: 7882. 185 PT: 69; vgl. 65. Zu den Theologen, die von der Zusammenarbeit zwischen Heidegger und Bultmann geprägt wurden, und zu dem Versuch, die „hermeneutische Theologie“ zu definieren, vgl. Pöggeler 2009. 186 PT: 77. 187 Ibidem. Heidegger hatte diese Problematik bereits am Ende der 1910er Jahre angegriffen (vgl. GA 60: 310).

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Der methodologische „A-theismus“ in der Fundamentalontologie bei denen sich Heidegger „in eingehenden Diskussionen“ mit dem „weitläufig[en] Thema“ des Verhältnisses von Theologie und Philosophie befasst hat188 – präzisiert er, dass die Theologie keine „Wissenschaft“ sei, wenn „Wissenschaft“ „zusehends im westlichen Sinne als technische Naturwissenschaft verstanden“189 werde. Die Frage, ob die Theologie, als Wissenschaft des Glaubens, Gott begrifflich angemessen und nicht bloß vergegenständlichend ausdrücken kann, wird von Heidegger nach der Mitte der 1930er Jahre jedenfalls nicht mehr so explizit gestellt und so artikuliert behandelt wie früher. Denn seine Weise, die Gottesfrage zu stellen, erfährt eine bedeutsame Veränderung, als die Existenzialanalytik nicht mehr als die Voraussetzung für die Ausarbeitung der Seinsfrage erachtet wird.

188

Vgl. den Brief Heideggers an Otto Pöggeler vom 26.02.1973 (in Heidegger/Pöggeler 2021: 157) und die Fotografie (abgedruckt in Bultmann/Heidegger 2009: 222), die Heidegger und Bultmann bei der Tagung der „Alten Marburger“ in Bethel (17.–21.10.1960) abbildet. 189 Brief Heideggers an Rudolf Bultmann vom 17.08.1964, in Bultmann/Heidegger 2009: 227. Schon in einem Brief an Elisabeth Blochmann vom 08.08.1928 hatte Heidegger geschrieben: „Zwar bin ich persönlich überzeugt, daß Th[eologie] keine Wissenschaft ist – aber ich bin heute noch nicht im Stande, das wirklich zu zeigen“ (Heidegger/Blochmann 1990: 25).

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II. In Erwartung des „kommenden“ Gottes Die „Gnade“ einer „dürftigen“ Zeit § 5 Die Verortung der metaphysischen Gottesauffassung

Was ist Gott? unbekannt, dennoch Voll Eigenschaften ist das Angesicht Des Himmels von ihm. Die Blize nemlich Der Zorn sind eines Gottes. Jemehr ist eins Unsichtbar, schiket es sich in Fremdes. Friedrich Hölderlin

a) Die fruchtbare Abgrenzung des Glaubens und des Denkens voneinander Seit der Mitte der 1930er Jahre stellt Heidegger die Seinsfrage nicht mehr „fundamentalontologisch“, sondern „seynsgeschichtlich“: Statt bei der Existenz als dem Sein des Daseins (des „ausgezeichneten“ Seienden) anzusetzen, um dann aus dem Befund seiner phänomenologischen Beschreibung Schlussfolgerungen zu ziehen, die für das Sein des anderen Seienden und das Sein überhaupt gelten, fragt Heidegger nach dem Sein selbst (Seyn), dessen Entfaltung er als ein sich durch das Da-sein ereignendes Geschehen auffasst. Während dieser „Kehre“ überdenkt Heidegger das Verhältnis zwischen Sein und Gott und sieht sich dadurch zu einer Neuformulierung der Gesamtproblematik des Göttlichen veranlasst. Seiner Meinung nach fällt jetzt der Bereich, in dem Gott erscheinen kann, nicht mehr nur mit der Existenzweise des Glaubens zusammen, sondern eher mit derjenigen Lichtung, in der das Dasein als Ex-sistierendes inständig ist.190 Erst in einer solchen Lichtung kann jedwede Art von Seiendem – von dem aber das Göttliche nun zu unterscheiden ist – zum Vorschein kommen, insofern das Sein selbst an sich hält und mithin sich der Entbergung entzieht. Die Lichtung, in der das Seiende durch verschiedene auf es gerichtete Verhaltensweisen des Vgl. HB: 326, 329-330. Zur „Inständigkeit“ in der Lichtung als einer tieferen Weise, in der Heidegger das Existenzial der „Geworfenheit“ des Daseins ausgehend vom „Zuwurf“ des Seyns denkt, indem er die Wahrheit des Seins selbst als „Ereignis“ erfährt, vgl. von Herrmann 1994: 70-73. 190

Die Verortung der metaphysischen Gottesauffassung

Daseins entborgen wird, verbirgt deswegen das Sein. Aus diesem Grund denkt Heidegger die Eröffnung der Lichtung als einen Urstreit zwischen Verborgenheit und Unverborgenheit und nennt sie „Wahrheit“ – als deutsche Übersetzung des griechischen Wortes „ἀ-λήθεια“, „Un-verborgenheit“ – des Seyns. Insofern sich die Lichtung nicht ohne den Beitrag des Menschen öffnen kann, bestimmt Heidegger das Geschehen der Seynswahrheit als „Ereignis“ und versteht darunter den ursprünglichen Bezug zwischen Seyn und Menschenwesen, dank dessen jedes von ihnen in sein Eigenes – das für den Menschen das „Da-sein“ ist – kommen kann. Heidegger ist der Ansicht, dass das bestimmte Denken des Seins, das sich im Laufe der Philosophiegeschichte entwickelt hat, das Sein nie an sich selbst erfasst hat: geblendet vom Licht des in der Lichtung anwesenden Seienden, hat sich die Philosophie als „Meta-physik“ gestaltet und die Verborgenheit des Seyns, die der Unverborgenheit zugrunde liegt, allmählich vergessen. Dies hat zur Vergessenheit des gesamten Wahrheitsgeschehens geführt und das Erscheinen des Göttlichen als eines solchen unmöglich gemacht. Deshalb schreibt Heidegger in dem Aufsatz Wozu Dichter? (1946), dass nicht nur das Heilige (was so viel heißt wie die Spur zur Gottheit) im Zeitalter der Vollendung der Metaphysik – der „dürftigen Zeit“191 – unsichtbar geworden sei, sondern sogar die Spuren zum Heiligen „beinahe ausgelöscht“192 seien. Im Brief über den „Humanismus“ (1946) führt Heidegger aus: „Erst aus der Wahrheit des Seins läßt sich das Wesen des Heiligen denken. Erst aus dem Wesen des Heiligen ist das Wesen von Gottheit zu denken. Erst im Lichte des Wesens von Gottheit kann gedacht und gesagt werden, was das Wort ‚Gott‘ nennen soll.“193 Daraus folgt, dass es so lange nicht möglich ist, irgendeinen λόγος an Gott zu richten, wie die Vergessenheit der Seynswahrheit (die in der vollendeten Metaphysik vollständig verdunkelt ist) nicht erfahren wird. Aus diesem Grund und gleichzeitig mit der Entstehung von Heideggers Begeisterung für Hölderlin und für die griechische Auffassung des Göttlichen, die sich dieser Dichter produktiv angeeignet hatte, vermehren sich in den heideggerschen Schriften ab den 1930er Jahren die Aussagen gegen die kirchlichen Institutionen und die traditionelle Theologie. Heideggers Kritik an der Letzteren wird von einer philosophischen Analyse begleitet, die auf eine „Verortung“ des Christentums in der Geschichte der Metaphysik ausgerichtet ist Heidegger übernimmt von Hölderlins Elegie Brod und Wein die Frage: „Wozu Dichter in dürftiger Zeit?“ (H: 94) und führt die Dürftigkeit der heutigen Zeit auf die Vollendung des Nihilismus zurück (vgl. GA 5: 275). Er wird wohl von Rilkes Erfahrung der „Gottverlassenheit“ beeinflusst worden sein, die in Hannah Arendts und Günther Stern-Anders’ Analyse von Rilkes Duineser Elegien aus dem Jahre 1930 hervorgehoben wird (vgl. Arendt/Stern-Anders 1982). 192 GA 5: 272; vgl. 319. 193 HB: 351; vgl. 351-352, 338-339. 191

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Heidegger und die Gottesfrage

und die sich in Heideggers Aufzeichnungen deutlicher nachweisen lässt als in den veröffentlichten Schriften. Heidegger eignet sich Franz Overbecks Idee der Unmöglichkeit einer „christlichen Theologie“ an, d. h. eines Wissens, das sich anmaßt, das „wahre Urchristentum“, das im „historischen Christentum“ seit den Kirchenvätern verunstaltet worden sei,194 zu begreifen. Er wird wohl wegen der eingehenden Auseinandersetzung mit Nietzsche in den 1940er Jahren über Overbecks These mehr als zuvor nachgedacht haben. Tatsächlich wird er im Vorwort zu Phänomenologie und Theologie aus dem Jahr 1970 sowohl auf das Werk Über die Christlichkeit unserer heutigen Theologie (1873) von Overbeck als auch auf das gleichzeitig erschienene „erste Stück“ der Unzeitgemäßen Betrachtungen von Nietzsche verweisen, womit er „das vielfältig Frag-Würdige der Christlichkeit des Christentums und seiner Theologie […] wiederholt zu bedenken“ 195 geben möchte. Die Neuausgabe des das Verhältnis zwischen Phänomenologie und Theologie behandelnden Vortrages aus dem Jahr 1970 ist Rudolf Bultmann gewidmet, dessen Schrift Neues Testament und Mythologie. Das Problem der Entmythologisierung der neutestamentlichen Verkündigung196 (1941) Heidegger schon Mitte der 1940er Jahre in einer Notiz erwähnt. Bultmanns Projekt einer „Entmythisierung des Christlichen“197 – einer Befreiung der eigentlichen Botschaft Christi (des Kerygmas) von ihrem mythologischen Überbau, der in einem vorwissenschaftlichen Zeitalter dazu diente, sie verständlich zu machen – wird von Heidegger als eine Anwendung der Methode der phänomenologischen Destruktion auf das Neue Testament eingeschätzt. Heidegger würdigt zwar Bultmanns Versuch, den ursprünglichen Kern der Verkündigung zu enthüllen, und betont die unleugbaren Berührungspunkte seiner Auffassung des Menschen und der Geschichte mit der Marburger Theologie.198 Es liegt ihm jedoch viel daran, die Einzigartigkeit seiner Besinnung gegenüber irgendeiner theologischen Lehre oder Religion zu betonen. Er präzisiert darum, dass sein Denken nicht zum „Anti-Christentum“ gehöre, es sich aber auch nicht als „christlich“ bestimmen lasse. Er gibt zu: „Ich bin nicht Christ, und einzig deshalb […], weil ich, christlich gesprochen, die Gnade nicht habe. Ich werde sie nie haben, solange meinem Weg das Denken“ (das selbst „die Kluft zum 194

Vgl. Overbeck 1873: 11, 16. PT: 45. 196 Dieser Aufsatz ist enthalten in Bultmann 1941: 27-69. 197 GA 97: 198; vgl. 199. 198 In seinem Brief an Bultmann vom 22.12.1948 dankt Heidegger Bultmann für die Zusendung des kurz zuvor erschienenen Buches Theologie des Neuen Testaments (Bultmann 19849) mit den Worten: „Deine ‚Theologie‘ habe ich nur angelesen und mich sogleich an der klaren und scharfen Luft gefreut, die darin weht“ (Heidegger/Bultmann 2009: 205). 195

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Die Verortung der metaphysischen Gottesauffassung Glauben“ ist) „zugemutet bleibt“199. Mit diesen Worten will Heidegger sein Existieren von demjenigen eines Gläubigen unterscheiden, da er den Glauben in Phänomenologie und Theologie als eine Vollzugsweise des Daseins bestimmt hatte, in der sich dieses Seiende ins Offenbarungsgeschehen füge und dank dem auferstandenen Christus wiedergeboren werde.200 Dass das Denken sich außerhalb der Perspektive einer Heilsgeschichte bewegen müsse, wird von Heidegger besonders in den Notizen der Schwarzen Hefte aus den 1940er Jahren betont, die auf die Differenz zwischen der Existenzialanalytik und der Philosophie Kierkegaards eingehen und unter die auch diejenige fällt, die mit Mein Verhältnis zu Kierkegaard betitelt ist.201 In ihr gibt Heidegger zu verstehen, dass gerade das, was Kierkegaards Sonderstellung ausmache (welche ihn dazu bewogen hatte, in Sein und Zeit einige kierkegaardsche Termini zu gebrauchen), den Wesensunterschied zu seinem eigenen Denken hervortreten lasse. Dieser wird von Heidegger in die Feststellung gefasst, dass „für Kierkegaard […] die Absicht auf das christliche Heil“ 202 geht. Für Heidegger kommt es nicht darauf an, ob der Mensch gerettet oder verdammt wird, sondern ob er im Hinblick auf das Wahrheitsgeschehen zum Dasein wird oder sich den Weg zu sich selbst und zur Seynswahrheit versperrt. Schon in Sein und Zeit beabsichtigte die „Besinnung auf das Selbstsein des Menschen“ – so bemerkt Heidegger – die Beantwortung einer Frage, „die weder christlich noch gegenchristlich ist – vielmehr außerhalb des Christentums, außerhalb der Metaphysik überhaupt liegt.“203 Heidegger lehnt eine Auslegung von Sein und Zeit ab, die dieses Werk als eine Wiederholung der Gedanken Kierkegaards mit dem einzigen Unterschied der Weglassung des christlichen Glaubens betrachtet, und fügt hinzu: „Von Jaspers mag gelten, daß er Kierkegaard säkularisiert, sofern er in der Tat […] die Grundhaltung von Kierkegaard übernimmt (vgl. die Dreigliederung von Weltorientierung, Existenzerhellung und Metaphysik), also die Transzendenz theologisch bejaht – aber nicht christlich gläubig vollzieht.“204 199

GA 97: 199. Trotzdem lehnt Heidegger es ab, dem seinsgeschichtlichen Denken das Adjektiv „atheistisch“ zuzuweisen, weil es damit – als dessen Gegensatz – noch an den „Theismus“ gebunden bleibe (vgl. GA 97: 147). Er klagt darüber, dass die Theologen sein Denken missverständen und es als „gott- und glaubenslos“ missachteten (vgl. GA 98: 23, 230). Heidegger spielt auf diesen Vorwurf auch in GA 100: 89 an. 200 Vgl. PT: 53-54. 201 Vgl. GA 96: 215-216. Gegen die „Zuflucht in die christliche ‚Heilsgeschichte‘“ vgl. GA 100: 73. Nach Heidegger vermag „die christliche Wahrheit“ (ebd.: 176) das Wesen der Geschichte sowie das der Metaphysik nicht zu erfassen. 202 GA 96: 215. 203 Ebd.: 215-216. 204 Ebd.: 216. In GA 82: 234 führt Heidegger aus, inwiefern Jaspers Kierkegaard missdeutet habe. Er nimmt von Kierkegaards und Jaspers’ Stellung zur Existenz gleichermaßen Abstand in GA 100: 58.

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Heidegger und die Gottesfrage

Heideggers Ansicht nach sind tatsächlich nicht die Ausführungen Kierkegaards, sondern diejenigen von Jaspers das evidenteste Beispiel einer „christlichen Philosophie“.205 In den Schwarzen Heften nach der Veröffentlichung von Jaspers’ Buch Der philosophische Glaube (1948) verschärft Heidegger einige Einwände, die er bereits in seiner Rezension zu Jaspers’ Psychologie der Weltanschauungen206 (1919–1921) erhoben hatte. Heidegger hatte der Verfahrensweise Jaspers’ das Vorgehen Kierkegaards mit dem Satz gegenübergestellt: „Man gibt gerade das Entscheidende an Kierkegaard aus der Hand, wenn“ sein „Methodenbewußtsein übersehen, beziehungsweise in sekundärer Bedeutung genommen wird.“207 Das, was Heidegger bei Kierkegaard in allen Phasen seines Denkweges uneingeschränkt bejaht hat, wird wohl tatsächlich in der Methode bestehen, da er Mitte der 1940er Jahre noch anmerkt, dass der Däne die Aufgabe, „ein Korrektiv zu sein“, erfüllt „und so zugleich, allerdings für Achtsame, auf das Korrektivische“208 hingewiesen hat. Heidegger weist auf Kierkegaards Unterscheidung zwischen „Christlichkeit“ und „Christentum“ hin, nach der die „Christlichkeit“ den Glauben des Einzelnen beschreibt, während das „Christentum“ die „geschichtlich-kulturell-politische Erscheinungsweise der Christlichkeit“209 bezeichnet und sowohl „die politische Macht der Kirche“210 als auch die katholische und die protestantische Theologie umfasst. Heidegger eignet sich diese Unterscheidung unter zwei Gesichtspunkten an. Zum einen bedient er sich ihrer, um die religiöse Erfahrung aus der Kritik auszuschließen, die er sowohl gegen die Theologie (ausgehend von seiner Auffassung der Metaphysik) als auch gegen die Jesuiten und die katholische Heidegger bezeichnet eine solche Philosophie als „Koppelung zweier ‚Halbheiten‘“ (die Christlichkeit werde mit dem Christentum, die Philosophie mit der Weltanschauung verwechselt) und das „christliche Denken“ als „Falschmünzerei“ (GA 96: 214-215, 268). Dagegen behauptet Heidegger in den 1930er und 1940er Jahren, dass Kierkegaard weder Theologe noch Philosoph noch Metaphysiker gewesen sei (vgl. GA 6.2: 430-431; GA 49: 19; GA 82: 233-234). Heidegger nimmt vielmehr die Selbstdefinition Kierkegaards als „religiöser Schriftsteller“ auf (vgl. GA 5: 249), ohne ihn damit abwerten zu wollen. 206 Vgl. Jaspers 2012; ders. 1994. Zu Heideggers Kritik vgl. GA 97: 62, 91, 138, 199-200, 258, 314, 335; GA 98: 188, 191. 207 GA 9: 41. Vgl. Karl Löwiths Bemerkung dazu in seinem Brief an Martin Heidegger vom 17.08.1921 (in Heidegger/Löwith 2017: 47). 208 GA 97: 245. 209 GA 16: 416; vgl. GA 97: 204. Dieser Unterschied deckt sich nicht mit demjenigen von Christlichkeit (der Glaube als Existenzweise) und Theologie (die Wissenschaft vom Glauben), die bereits im Jahre 1927 in dem Vortrag Phänomenologie und Theologie eingeführt wird (vgl. PT: 5255). Zur Differenz von „Christlichkeit“ und „Christentum“ vgl. GA 82: 582; GA 97: 58, 205, 245. Über Heideggers Anknüpfung an Kierkegaards Unterscheidung von „Christenhed“ und „Christendom“ vgl. Thonhauser: 2016: 460-464. 210 GA 86: 248. Vgl. GA 5: 219. Heideggers Kritik an der Theologie wurde auch von der „LutherRenaissance“ des 20. Jahrhunderts beeinflusst. 205

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Die Verortung der metaphysischen Gottesauffassung Kirche (auf der Grundlage seiner Privatmeinungen)211 vorbringt. Zum anderen versteht er Kierkegaards Differenzierung als die Anzeige eines Auftrags, den er im Bereich des Denkens übernehmen möchte: Während Kierkegaard die Christlichkeit scharf vom Christentum unterscheidet, beansprucht Heidegger, das Denken vom Glauben, der Philosophie und der Theologie bzw. der Metaphysik abzugrenzen.212 Heidegger möchte „ein Korrektiv“ für diejenigen sein, die den absurden Anspruch erheben, Gott zu denken und an das Sein zu glauben.213 Somit will er dem Denken ein Interesse an der Gottesfrage dennoch nicht absprechen. Er verfolgt vielmehr das Ziel, das „Wissen“ von Gott „aufzuheben“, um für den „Glauben“ an ihn „Platz zu bekommen“214. b) Das „Jesumäßige“ außerhalb des „Metaphysischen“ Heidegger möchte nicht nur die Denker, sondern auch die Theologen dazu auffordern, eine sachgemäße Methode zu entwickeln. Seiner Ansicht nach ist sich die Theologie der Nachkriegszeit über ihre Voraussetzungen und Aufgaben weniger im Klaren denn je. Sie bediene sich implizit der Begrifflichkeit der aristotelisch-scholastischen Tradition215 und begehe die größte Verfehlung, wenn sie das Heilige mit der „Transzendenz“ zusammenfallen lasse. Denn die Auffassung Gottes als etwas Transzendentes vergegenständliche den Bezug zwischen dem Gläubigem und der Gottheit: Der Transzendenzbegriff stelle Gott als ein höchstes Seiendes vor, mit dem der Mensch sich wieder zusammenschließen müsse, wobei er „über“ das übrige Geschaffene „hinaus“ gelange.216

211

Zu einigen biographischen Gründen (z. B. die Kontrolle der philosophischen Fakultät durch die katholische Kirche), aufgrund derer Heidegger die kirchliche Institution kritisiert, die sich auf die Seite der jeweilig erfolgreichen Partei stelle, vgl. Wolfe 2017: 25-27. 212 Vgl. GA 97: 245. Zum Verhältnis und zum Unterschied zwischen Wissenschaft, Philosophie, Theologie, Glaube und Denken vgl. 199, 204, 299, 314-315; GA 82: 582, 587; GA 98: 7, 18, 148, 158-159, 238, 297; GA 100: 107, 110, 144. Heidegger skizziert die Grenzen der „Philosophie“ der Religion seit seinen ersten Vorlesungen, in denen er eine andere „Phänomenologie“ der Religion entwickeln wollte (vgl. Stagi 2007: 75-92). 213 Vgl. GA 97: 193. 214 Heideggers Verfahren steht hier demjenigen Kants nahe, der in der Vorrede zur zweiten Auflage der Kritik der reinen Vernunft schrieb: „Ich mußte also das Wi s s e n aufheben, um zum Gl a u b e n Platz zu bekommen“ (Kant 1998: B XXX, 28; vgl. B XXIX, 27). 215 Vgl. GA 97: 193. Heidegger polemisiert gegen die „Pontificia Accademia di San Tommaso d’Aquino“, die 1879 vom Vatikanstaat gegründet wurde. 216 Zur Unzulänglichkeit des Transzendenzbegriffes für die Erfassung des Verhältnisses von Sein und Gott vgl. GA 99: 63.

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Heidegger und die Gottesfrage

Heideggers Meinung nach irrt auch diejenige theologische Auffassung des Verhältnisses zwischen Gott und Mensch, gemäß der keine tiefe Kluft die beiden trennt, da Gott als das Anwesendste und der Mensch als der zu ihm Anwesende vorgestellt würden, insofern sie die Beziehung zwischen Gott und Mensch ähnlich wie den Bezug des Seins zum Seienden, d. h. im Sinne einer „ontologischen Differenz“ denke. 217 Auch der „anthropologische Ausweg“ der Theologie und der sich daraus ergebende Einfluss der Psychologie sei nicht angemessen, da sie das Göttliche in das Menschliche herabziehe, insofern sie das Verhältnis von Gott und Mensch „als ein personales“, d. h. in der Form einer „IchDu-Beziehung“218 beschreibe. In den Stellen aus den Anmerkungen, also den Schwarzen Heften vom Ende der 1940er Jahre, die auf diese Problematik eingehen, bezieht sich Heidegger wahrscheinlich schon auf Martin Buber, der das „dialogische Prinzip“ in seiner Schrift Ich und Du (1923) eingeführt hatte. Auf dieses Buch spielt jedenfalls eine Notiz in der Vigilia I aus dem Jahr 1953 an.219 Heidegger denkt vielleicht auch an Ernst Troeltsch, nach dessen Ansicht die Überlegenheit des Christentums gegenüber den anderen Religionen in seinem personalistischen Charakter liegt. 220 Ein anderer Theologe, auf den sich Heidegger in den Schwarzen Heften möglicherweise beruft, ist Friedrich Gogarten, dessen Theologie Heidegger vor allem aus Schriften der 1920er Jahre kannte. Einige bemerkenswerte Parallelstellen lassen sich jedoch auch zwischen den Anmerkungen und den später publizierten Werken Gogartens Der Mensch zwischen Gott und Welt (1952) und Verhängnis und Hoffnung der Neuzeit. Die Säkularisierung als theologisches Problem221 (1953) feststellen. In ihnen beschreibt Gogarten eine bestimmte Gestalt von „Säkularisierung“ als gottoffene Form der Weltlichkeit: Die Welt sei nicht mehr dem Glauben an Götter, Teufel und Zwischenwesen unterworfen und werde dem Menschen anvertraut, der seinerseits in ihr frei handeln könne. Diese verantwortungsvolle „Verweltlichung“ wird von Gogarten einem atheistischen „Säkularismus“ gegenübergestellt.222 217

Vgl. GA 98: 139; GA 100: 130, 215, 226 (wo Heidegger Thomas von Aquin 1982, 184 [STh I, q. 10, a. 5 ad 3] zitiert und kommentiert: „Gott steht unter dem Satz der Widerspruchslosigkeit als einem Grundzug des Seins.“), 74 (wo der philosophische Begriff von Gott auf Platons „ἐπέκεινα τῆς οὐσίας“ zurückgeführt wird, das noch auf die οὐσία bzw. auf das Sein bezogen bleibt). 218 GA 98: 139; vgl. GA 97: 244. Heidegger verweist auf Carl Gustav Jungs Psychologie und verurteilt die gegenseitige Beeinflussung zwischen dieser und der katholischen Theologie. Gegen die christliche Vorstellung der Beziehung zwischen Mensch und Gott in Form eines „Ich-Du“-Gesprächs vgl. GA 74: 142. 219 Vgl. GA 100: 81. In Martin Bubers Büchlein Ich und Du (1923) wird die konstitutive Rolle des Verhältnisses (des Menschen zu Gott und zum Mitmenschen) dargestellt (vgl. Buber 2006: 9-138). 220 Vgl. Troeltsch 1998. 221 Vgl. Gogarten 1967; ders. 1958. 222 Zu dieser Thematik im Allgemeinen vgl. von Weizsäcker 1968.

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Die Verortung der metaphysischen Gottesauffassung

Heidegger verfolgt die ganze Diskussion, die im Hintergrund von Gogartens Schriften steht und sich um den Begriff der „Säkularisierung“ im Sinne des Verschwindens der christlichen Prägung der europäischen Kultur dreht. Er hält diesen Begriff für nicht radikal genug, da er nicht bis zum Grund des von ihm angezeigten Vorgangs (zur Seinsvergessenheit der Metaphysik) gelange und demzufolge das Wesen der Welt als Geschehen der Seynswahrheit (welches die eigentliche „Verweltlichung“ sei) nicht erfasse. Gegen Ende der 1940er Jahre merkt Heidegger deswegen an: „Säkularisierung und Verweltlichung – sind nicht das Selbe. […] Verweltlichung: daß das Sein in das Welten von Welt einkehrt; dafür muß erst Welt sich ereignen, ihr Wesen sich lichten […]. Säkularisierung: daß innerhalb von Metaphysik und Christentum das bloß menschliche Tun und Herstellen die Oberhand gewinnt und sich in seiner Weise die christliche Offenbarung zunutze macht und in eine Sittenlehre einbildet.“223 Dasselbe gelte für die „Entchristlichung“, welche von der Theologie als ein durchaus christliches Phänomen erklärt werde, indem sie als Verwirklichung irgendeines unerkennbaren göttlichen Plans gedeutet werde. Somit leiste die Theologie der Kirche gute Dienste,224 da sie die Weltgeschichte so rekonstruiere, dass alles in ihr als notwendig erscheine, wohingegen die Macht der kirchlichen Institutionen in Wirklichkeit nicht nötig und ewig (was so viel heißt wie unbestreitbar) sei. Wenn Heidegger schreibt, man dürfe „auch einmal der Entstehungsgeschichte der Kirchenherrschaft nachgehen“225, greift er auf mehrere Autoren zurück, die die kirchlichen Einrichtungen „genealogisch“ entmachten wollten, unter ihnen Franz Overbeck und Adolf von Harnack. In seinen Aufzeichnungen zu einem „Kirchenlexikon“ weist Overbeck einer echt wissenschaftlichen Theologie den Auftrag zu, eine „profane Kirchengeschichte“ zu rekonstruieren, um zu zeigen, dass sich der christliche Glaube durch eine solche Geschichte gar nicht erklären lasse: Dies könne indirekt die Unmöglichkeit einer christlichen Theologie beweisen. Overbeck distanziert sich dabei auch von Adolf von Harnack, obwohl dieser den griechischen und römischen Katholizismus samt dem Protestantismus (d. h. die gesamte kirchliche Institution mit ihren Riten, Dogmen und Gesetzen) bereits vom „Wesen“ des Christentums unterschieden hatte. Harnack und die Vertreter der liberalen Theologie sind – neben Nietzsche, dessen Antichrist (1888) die Inspirationsquelle aller ist – offenbar die impliziten GA 98: 102; vgl. 42, 132, wo Heidegger mit den beiden Bedeutungen des Wortes „Welt“ (die eine entspreche der Seynswahrheit und die andere dem Saeculum) spielt. 224 Vgl. die Notiz aus dem Jahr 1954, wo Heidegger sowohl den „Gnostizismus“ kritisiert, der „den Willen Gottes zu kennen (γνώμη) meint“ (GA 100: 120), als auch diejenigen, die das Wort „Gnostizismus“ verwenden, ohne seinen Sinn zu klären. Heidegger spielt wahrscheinlich auf die „Gnosis-These“ Eric Voegelins an, der in der Moderne eine Wiederkehr der Gnosis in der Gestalt einer politischen Religion sah (vgl. Voegelin 1956; ders. 2007). 225 GA 98: 106. 223

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Heidegger und die Gottesfrage

Gesprächspartner Heideggers, wenn er Ende der 1940er Jahre eine Notiz mit dem Titel Das Christliche verfasst und schreibt: „Verstehen wir darunter Leben und Predigt Jesu, das von Jesus erfahrene und ausgetragene Gottes- und WeltVerhältnis, dann liegt dieses ‚Christliche‘ vor aller Umdeutung der Person Jesu zum Christus. Das Christliche ist in Wahrheit dann das Vor-Christliche“226. In seinem Werk Das Wesen des Christentums (1899/1900) hatte Harnack eine Identifizierung Jesu mit der Figur des Messias als des Erlösers der ganzen Menschheit klar abgelehnt.227 Ebenso hatte Harnack die Differenz zwischen dem historischen Jesus und der griechischen Auffassung des Messias, d. h. des Christus, hervorgehoben und den Übergang von Jesus zu Christus mit der Entstehung einer katholischen „Lehr- und Gesetzeskirche“ in Verbindung gebracht.228 Harnack hatte für eine Rückkehr zum „Wesen“ des Christentums plädiert, d. h. zur ursprünglichen Botschaft Jesu, die er als lebendigen Glauben verstanden hatte, dessen Kern ethischer Natur sei. Trotz der Nähe einiger Ideen Harnacks zu Heideggers Auffassung des christlichen Glaubens ist die Stellungnahme des Theologen mit derjenigen des Denkers nicht zu verwechseln. Denn Heidegger hatte bereits im Wintersemester 1920/21 klar verneint, dass der Sinn des Neuen Testaments bloß ethisch sein könne.229 In der Notiz über das Christliche vom Ende der 1940er Jahre hält er auch „die rationale Erklärung der christlichen Offenbarungslehren“ 230 für nicht ausreichend. Heidegger deutet an, dass die Christlichkeit einen unableitbaren, echt religiösen (vom Verhältnis zum Göttlichen geprägten) Zug enthalte, den er „Vorchristliches“ nennt. Er nimmt diesen Ausdruck aus dem Vortrag Phänomenologie und Theologie wieder auf, um noch einmal auf die ursprüngliche Ebene der Existenz zu verweisen, die er jedoch jetzt als in das Wahrheitsgeschehen des Seyns einbezogen und deshalb als außerhalb jeglicher Metaphysik – auch der Metaphysik des Daseins – und in keinerlei Bezug zum urchristlichen Leben stehend ansieht. Heidegger unterscheidet nämlich nun die vorchristliche Existenz von der urchristlichen, in der er jetzt metaphysische Züge erkennt. In einer „vorchristlichen“ Weise habe sich schon Jesus verhalten, in dessen Leben Heidegger wohl einen Hinweis auf die eigentliche Existenz des Daseins als des „Sterblichen“ erkannt haben wird. Das „Vorchristliche“ (das auch als das 226

Ebd.: 103. In seinem Werk Der Antichrist hatte Nietzsche bereits eine deutliche Differenz zwischen Jesus und dem Christentum eingeführt, indem er ausgeführt hatte, dass Jesus, ein „heilige[r] Anarchist“ (KSA 6: 198), nicht so stark zu verurteilen sei wie die christliche Mitleidsethik, die Theologie, die davon abhängige (deutsche) Philosophie und der jüdisch-christliche Gottesbegriff. 227 Vgl. Harnack 1999: 146-149. 228 Vgl. ebd.: 188-200, und dazu Stagi 2013: 72-79. 229 Vgl. GA 60: 120. 230 GA 98: 103.

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Die Verortung der metaphysischen Gottesauffassung „Jesumäßige“ bezeichnet werden kann) charakterisiert aber noch nicht das Dasein, das in der Offenheit des Seyns mit der Gottheit in Beziehung steht. Heideggers Ereignis-Denken fasst den Gott so auf, dass er sich in keiner der vergangenen Gestalten der Gottheit verkörpern lässt. Deshalb schreibt er: „Das Christliche ist in Wahrheit dann das Vor-Christliche und vielleicht in gewisser Weise so außerhalb des Metaphysischen – außerhalb vielleicht, doch nie seine seynsgeschickliche Verwindung.“231 Diese „Verwindung“ geschieht durch eine Rückkehr in das „Vorchristliche“, die ein „jesumäßiges“ Verhältnis zu Gott und darum einen lebendigen Glauben aufblühen lässt. Das seynsgeschichtliche Denken trägt dazu bei, insofern es die Metaphysik durch die Erörterung der in ihr entwickelten Seinsauffassungen und der diesen entsprechenden Gottesbegriffe verwindet. Die „Genealogie“ des theologischen bzw. metaphysischen Begriffs von Gott geht in Heideggers Denken seit den 1930er Jahren mit einer Aufwertung der heidnischen Auffassung des Göttlichen einher, die zusammen mit der „Destruktion“ des griechischen Seinsbegriffes erfolgt. c) Die „Entsetzung“ der alten Götter durch das „höchste Seiende“ Die altgriechische Auffassung des Göttlichen betrachtet Heidegger besonders in seiner Vorlesung über Parmenides (WS 1942/43) und in der Vorbereitung auf eine nie gehaltene Vorlesung über Anaximander (1942). Er betont den „visuellen“ Charakter des Erscheinens der griechischen Götter, die sich mit dem Aufgehen der φύσις dargeben, um sie dann dem jüdisch-christlichen Gott implizit entgegenzustellen: Der Gott der Bibel bleibt unnennbar und offenbart sich nur mittels seines Sohnes, indem er sich zuvörderst durch Gebote und Gesetze mit dem Menschen in Verbindung setzt. Heidegger erinnert daran, dass die θεοί als δαίμονες verstanden wurden, die als das Ungeheure in das Geheure hereinbrachen.232 Sich darauf stützend, dass die griechischen Wörter θέα (Blick) und θεά (Göttin) beinahe identisch sind, behauptet er, dass die alten Götter ihren Anblick angeboten bzw. in das Geheure hereingeblickt hätten, um auf ihr Sein, das als solches verborgen geblieben sei, zu verweisen. Das Göttliche habe sich als der Grundzug des Seins selbst – als „anwesenlassende Anwesung“, φύσις – offenbart, insofern das Erscheinen der Götter vom Strahlen eines Lichts begleitet Ibidem. Vgl. GA 99: 139, wo Heidegger den „Gott des christlichen Glaubens“ vom „Göttlich[en]“, das „aus dem Wesen von Welt“ bzw. aus der Seynswahrheit zu erfahren sei, unterscheidet. 232 Vgl. GA 54: 152-168. Um das griechische Göttliche als das Wesen alles Geschehens zu betonen, weist Karl Kerényi darauf hin, dass θεός »ein Prädikatsbegriff« sei (vgl. Kerényi 1963: 153). Das Heraustreten über das Geheure als Zug der griechischen Götter zeigt sich am deutlichsten im Falle des Dionysos, dessen ekstatischer Charakter auf das Andere hinweist. Dazu und zu Heideggers Betrachtung dieser mythischen Figur vgl. Drewniak 2011: 136-137. 231

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Heidegger und die Gottesfrage gewesen sei, das diejenige Lichtung eröffnet habe, in der das Seiende habe „anwesen“ können. Heidegger erläutert die von der Gottheit gewährte Gunst des Seins – die in der Begegnung mit den Göttern geschenkte Huld (χάρις)233 –, indem er Parmenides’ Lehrgedicht und Pindars fünfte Isthmische Ode auslegt. Er identifiziert die Ἀλήθεια – die Wahrheit des Seins – mit der Göttin des Parmenides, die ihren Blick aus der dunklen Verborgenheit heraus erhebe und dadurch ein Offenes lichte, in das sie hineinblicke und so das Seiende sichtbar mache.234 Heidegger interpretiert auf ähnliche Weise die Θεία Pindars, die nicht nur „Mutter des Helios“235, sondern auch die Göttin sei, die allen Göttern das Leben schenke und die Lichtung für das Aufgehen des Seins als φύσις gewähre. Heideggers Ansicht nach haben Parmenides und Pindar schon begriffen, dass der Blick der Götter vom „Entgegen-blicken“ des Menschen zur Vollendung gebracht werden soll. Der Mensch werde jedoch nur vom Anspruch der Gottheit in sein eigenes Wesen gehoben. Beim Vernehmen des reinen göttlichen Scheinens nehme der Mensch die Gottheit „in die Acht“ und könne das durch sie zugelassene Sein von Anfang an im Auge haben.236 Die Angewiesenheit der Gottheit bzw. des Seins und des Menschenwesens aufeinander gestalte sich aber, sobald mit der platonischen Philosophie die Metaphysik beginne, als eine bloße Anmessung des menschlichen Blickes an das Aussehen, das das Sein des Seienden biete. 237 In Abhandlungen und Notizen aus den 1930er und 1940er Jahren betont Heidegger, dass Platon das Sein mit dem εἶδος, der ἰδέα identifiziere, die sich lediglich mit dem Unverborgenen – und nicht mit dem ganzen Geschehen des Aufgangs aus dem Verborgenen – decke. Dem Sein werde dadurch der Charakter, der dem Seienden zukomme, nämlich die Anwesenheit, zugesprochen. Da unter den Ideen diejenige des „Guten“ (τὸ Heidegger bemerkt, dass χάρις (Gunst) und αἰδώς (Scheu) das Erscheinen aller griechischen Götter begleitet hätten und das „An-sich-halten“ in der Zuneigung sowohl den Gott als auch den ihm gegenüberstehenden Menschen charakterisiert habe. Zu Heideggers Auslegung dieser Stimmungen vgl. GA 7: 207-208; GS: 135; AH: 271-272; GA 54: 109-112, 164; GA 96: 273; GA 98: 73; GA 100: 10, 33, 272; GA 101: 167. 234 Die Identifizierung der Göttin mit der Ἀ-λήθεια bleibt im parmenideischen Text implizit. Zu einem Vergleich zwischen Heideggers Auslegung und den klassischen Erörterungen der Schrift des Parmenides vgl. Dunshirn 2017; zu Heideggers Lektüre vgl. Günther 2017; zur Weiterführung der heideggerschen Auslegung vgl. Mikecin 2018. 235 Vgl. Heideggers Kommentar zu den Versen 92-97 von Pindars achter Pythischer Ode in GA 78: 65-98, 284-296. 236 Zur Weise, wie der Mensch dem Anblick der Götter entspricht, und zu der Rolle, die dabei das Auge spielt, vgl. GA 54: 161, 164-174; GA 73.2: 907; GA 78: 80-89, 323-327. 237 Zu dieser Veränderung, die zur Bestimmung der Wahrheit als Richtigkeit führt, vgl. GA 9: 214234; GA 65: 334-335. Platons Idee des Guten als des ausstrahlenden Seins, das die Sicht ermöglicht (vgl. GA 36/37: 195-200), wird wohl Heideggers Begriff der Lichtung beeinflusst haben (vgl. Capobianco 2010: 104-122). 233

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Die Verortung der metaphysischen Gottesauffassung ἀγαθόν) die höchste sei, die den anderen ihre „Seiendheit“ verleihe und sich so als das Vermögende schlechthin bewähre, werde die Idee des Guten als das „höchste Seiende“ verstanden und zum Grund sowie zur Ursache für das Ganze des Seienden erhoben. Somit erbe das Gute den Charakter des Anfangsgrunds (ἀρχή, αἰτία) und die Fähigkeit des Hervorbringens, die bereits zur φύσις gehört habe, insofern diese als ein „Sich-von-selbst-machen“238, als eine Weise der ποίησις („Mache“)239 verstanden worden sei. Die höchste Idee sei auch als „göttlich“ bezeichnet worden. Aus diesem Grund – schreibt Heidegger – habe Platon nicht nur die „Philo-sophie“ eingeleitet, sondern auch die „Theo-logie“, verstanden im weiteren Sinne des Begreifens des höchsten Seienden als des Gottes.240 Die Philosophie – als Metaphysik – sei „onto-theo-logisch“ verfasst, insofern sie nach dem Sein frage, das bestimmt werde als das vom höchsten Seienden (θεός) begründete Seiende im Ganzen. 241 Wegen ihres Ansatzes lasse die Metaphysik das Sein selbst und das es durchdringende Göttliche außer Acht. Demzufolge veranlasse die platonische „Ideenauslegung des Seins“ den „Abschied des [alten] Götterwesens“ und werde „zum Wahrheitsbereich für das Christentum und den Schöpfergott“ 242. Denn die Eigenart des jüdisch-christlichen Gottes, deretwegen er den griechischen Göttern entgegengesetzt werden könne, sei sein Vermögen, aus dem Nichts zu schaffen. Heidegger, der sich nie mit der jüdischen Religion als solcher beschäftigt 243 und nach der Mitte der 1920er Jahre auch die ertragreiche phänomenologische Erfahrung eingeklammert hat, die mit dem Christentum verbunden ist, konzentriert sich nur auf diejenigen Inhalte der jüdischen Lehre, die die christliche Religion aufgenommen hat, und versteht sie ausgehend von ihrer Interpretation durch Nietzsche. Er betrachtet vor allem diejenigen Aspekte des Judentums, deren Rezeption in der Geschichte der Metaphysik eine entscheidende Rolle bei der Zunahme der Vergessenheit des Seins selbst und 238

GA 65: 126. GA 69: 47. Bereits im Sommersemester 1927 hatte Heidegger hervorgehoben, dass die antike Ontologie durch eine „Interpretation des Seienden mit Rücksicht auf das herstellende Verhalten“ (GA 24: 147) geleitet worden sei. 240 Vgl. GA 42: 87. 241 Vgl. GA 11: 64-68, 76-77. Zu Heideggers Bezeichnung der Metaphysik als „Ontotheologie“ – ein Begriff, der sich bereits in der Kritik der reinen Vernunft (Kant 1998: A 632/B 660, 700) findet – vgl. GA 32: 140-145; GA 66: 374; GA 100: 147, 151, 159; über Heideggers Stellung zu ihr vgl. Fehér 2000. 242 GA 73.1: 819; vgl. 820. 243 Vgl. die Antwort Heideggers auf den Einwand Paul Ricœurs, dass das Seinsdenken das jüdische Erbe und die Beziehungen zwischen jüdischer und griechischer Welt vernachlässige, in Beaufret 1985: 40. Trotzdem haben viele Interpreten darauf aufmerksam gemacht, dass Heidegger implizit vom Judentum eigene Thematiken und Denkweisen übernehme (vgl. Zarader 2013; Lapidot/Brumlik 2018; Chighel 2020). 239

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Heidegger und die Gottesfrage

seiner Wahrheit gespielt hat. Er ist der Meinung, dass die Allmacht, die sich im Befehlen und Verbieten zeigt, derjenige Wesenszug des einen jüdischchristlichen Gottes sei, welcher sich im Hellenismus mit der griechischen Seinsauffassung verschmolzen habe.244 Das höchste Seiende sei dadurch mit dem Gott der Religion identifiziert worden. Der daraus entstandene Begriff der Gottheit, der „Gott der Philosophen“, habe den Weg versperrt sowohl zum „göttlichen Gott“245 – dem „lebendigen“ Gott, der das Ganze beseelt – als auch „zum Gott des christlichen Glaubens, der Gott in Christus lehrt.“246 Der metaphysische Gott, der auch nicht als existent bewiesen zu werden brauche, da er als „causa sui“ sich selbst rechtfertige,247 verbürge die Existenz des Seienden im Ganzen, das im Mittelalter als „ens creatum“ bestimmt worden sei. Die „Vergötterung des Ursacheseins als solchen“248 mittels der Auslegung der Gottheit durch die griechischen Begriffe mache also den „Ursache-WirkungsZusammenhang […] zum allbeherrschenden“ und vollziehe den „Übergang zum Hervorkommen der Machenschaft“249, d. h. der Interpretation der Seiendheit als etwas „im Meinen und Rechnen“ Zugängliches, das „vorbringbar in der Herstellung“250 und total steuerbar sei. Die Machenschaft, die bereits im griechischen Zusammenhang von φύσις und ποίησις implizit gewesen sei, komme dann in der Neuzeit zur Entfaltung. Als „Un-Wesen“ des Seyns (dessen Wesen sie verbiete), bediene sie sich der Wissenschaft und der Technik, um das Sein des Seienden zu entwerfen und anzufertigen. Sie verberge sich dennoch hinter dem Erlebnis (der Erregung der Sinnlichkeit, der αἴσθησις), das alles unter die Kontrolle des Subjekts (nämlich in dessen Inneres) bringe.251 In dem Aufsatz Die Zeit des Weltbildes (1938) zählt Heidegger fünf „wesentliche Erscheinungen der Neuzeit“ auf: die Wissenschaft, die Maschinentechnik, die Ästhetik, die Kultur und die Entgötterung. Unter

244

Vgl. GA 35: 143; GA 65: 211; GA 88: 67. Zu Heideggers Rekonstruktion des Weges, der von der griechischen Auffassung des Göttlichen zum Begriff des Schöpfergottes geführt habe, vgl. Schüßler 2017: 243-261. 245 GA 11: 64, 67, 77, wo Heidegger erklärt, „wie der Gott in die Philosophie kommt“. Zum „Eintritt“ des Gottes in die Philosophie und zur Geschichte seines Begriffes vgl. GA 73.1: 593-594. 246 GA 99: 139. Heidegger plädiert jedoch nicht für den Gott Pascals, dessen Denken er nicht als das Gegenteil, sondern als „Ergänzung“ von Descartes’ Philosophie ansieht (vgl. GA 96: 39, Nr. 18; GA 95: 343-344, Nr. 63; GA 100: 223; GA 102: 101). 247 Zur Kritik an den Gottesbeweisen vgl. GA 94: 240, Nr. 104; 457, Nr. 60; GA 95: 8, Nr. 7; GA 96: 39, Nr. 19. Zu Heideggers Auseinandersetzung mit dem von Leibniz vorgetragenen Beweis vgl. Neumann 2020: 58-61. 248 GA 66: 240; vgl. GA 100: 37. 249 GA 65: 127; vgl. 132. 250 Ebd.: 109. Zur „Machenschaft“ vgl. 107-109, 126-132; GA 69: 16-24, 46-47, 173. 251 Vgl. GA 65: 127-129; GA 66: 173. Zur gegenseitigen Beziehung von Wissenschaft und Technik, deren Wesen Heidegger ab Mitte der 1940er Jahre „Ge-stell“ nennt, vgl. Neumann 2023.

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Die Verortung der metaphysischen Gottesauffassung Letzterer versteht er nicht einen „groben Atheismus“, sondern den „doppelseitige[n] Vorgang, daß einmal das Weltbild sich verchristlicht, insofern der Weltgrund als das […] Absolute angesetzt wird, und daß zum anderen das Christentum seine Christlichkeit zu einer Weltanschauung […] umdeutet“ 252. Daher bezeichnet Heidegger in den Schwarzen Heften „[d]ie Formen des neuzeitlichen Christentums als die eigentlichen Gestalten der Gott-losigkeit“253 und spricht dessen Theologie sogar die Fähigkeit ab, nach Gott zu fragen, indem er sagt: „[W]er denn ein Gott sei? –; diese Frage aber ist […] der Schrecken aller ‚Theologie‘, die sich im Bezirk der Machenschaft des Seienden […] gesichert weiß.“254 Wegen der Entgötterung – so liest man in Die Zeit des Weltbildes – wandelt sich „der Bezug zu den Göttern in das religiöse Erleben“ 255 ab. „Ist es dahin gekommen, dann sind die Götter entflohen.“256

d) Der Tod Gottes und die Hybris des (Über-)Menschen Die Auflösung der göttlichen Dimension in ein inneres Gefühl bringt den Verlust desjenigen Verständnisses der Gottheit zur Vollendung, das im alten Griechenland erreicht wurde und mit der Erfahrung der Wahrheit des Seyns verbunden war. Heidegger bezeichnet den gegenwärtigen Mangel an einem ursprünglichen Bezug zum Göttlichen als „Flucht der Götter“ und „Gottes Fehl“, indem er Ausdrücke aus Hölderlins Gedichten Dichterberuf, Brod und Wein und Germanien257 übernimmt. Heidegger hört den Anklang der „Entgötterung“ auch in Nietzsches Wort „Gott ist todt“258. Mit dieser Wendung meint Nietzsche die Entwertung der höchsten Werte – an deren Spitze Gott steht –, die er mit dem Phänomen des Nihilismus identifiziert, dem er wiederum die Setzung neuer (nicht mehr für übersinnlich und absolut gehaltener) Werte durch den Willen zur Macht entgegensetzt. Heideggers Meinung nach verwirklicht die vom Übermenschen als der Verkörperung des Willens zur Macht geleistete „Umwertung aller Werte“ keine echte Überwindung des Nihilismus, vorausgesetzt, dass der eigentliche Nihilismus nicht im Verschwinden der verbindlichen Kraft der traditionellen 252

ZW: 75-76. GA 94: 522, Nr. 180. 254 GA 95: 302, Nr. 36. 255 ZW: 75. 256 Ebd.: 76. Vgl. GA 98: 406: „Die Gottheit des Gottes ist zum Erlebnisgehalt […] geworden […], zum Bestand des Bestellens“ im Gestell. 257 Vgl. H: 48, 94, 149. 258 Die bekanntesten Textstellen mit diesem Ausruf finden sich in Die fröhliche Wissenschaft (KSA 3: 467, Nr. 108; 481, Nr. 125). 253

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Heidegger und die Gottesfrage

Werte besteht, sondern in der Zurückführung des Seins auf einen Wert, die das Sein selbst zum Nichts macht.259 In dem Aufsatz Nietzsches Wort „Gott ist tot“ (1943) schreibt Heidegger deshalb: Wenn „der Wert das Sein nicht“ als es selbst „sein läßt […], dann ist die vermeintliche Überwindung allererst die Vollendung des Nihilismus“, wegen deren Gott „nicht aus dem Sein selbst gedacht“260 werden kann. Er schließt: „Der letzte Schlag gegen Gott […] besteht darin, daß Gott“, dessen Wesen schon missverstanden wurde, seitdem er mit dem Sein schlechthin identifiziert wurde, als „das Seiende des Seienden“ bestimmt und trotzdem „zum höchsten Wert herabgewürdigt wird.“261 Die daraus entstandene Notlage liegt nach Heidegger der Krise Europas zugrunde, die er bereits Ende der 1920er Jahre als eine Folge der Seynsvergessenheit gedeutet hatte und der er nicht nur durch das „Andenken“ an die Wahrheit des Seyns entgegentreten wollte, sondern auch mithilfe einer politischen Bewegung, und zwar des Nationalsozialismus. 262 In der Hoffnung, eine Universitätsreform und folglich eine geistige Erneuerung einführen zu können, ließ sich Heidegger am 21. April 1933 zum Rektor der Universität Freiburg wählen. Schon am 23. April 1934 trat er jedoch enttäuscht von seinem Amt zurück. Am 1. Juli 1935 schrieb er an Karl Jaspers, sich Paulus’ Metapher vom „Stachel im Fleisch“ zu eigen machend, dass er unter „zwei Pfähle[n]“ leide: „nämlich die Auseinandersetzung mit dem Glauben der Herkunft und das Mißlingen des Rektorats.“263. Mit diesen Worten spielte Heidegger auf seine Unfähigkeit an, in den tiefsten Grund der abendländischen Überlieferung hineinzuschauen, in der die christliche Gottesauffassung eine grundlegende Rolle bei der Entfaltung des Nihilismus gespielt habe. Demnach hatte er nicht begriffen, dass „ein Wandel“ im Lauf der Dinge „nicht durch Wirken‘“264 geschaffen werden kann, und hatte das Wesen des Nationalsozialismus – den er dank der Auseinandersetzung mit Nietzsche in den 259

Zum eigentlichen Nihilismus vgl. GA 6.2: 319; Müller-Lauter 2000: 231-348. NG: 259. Heidegger beruft sich auf Nietzsches Aphorismus vom „tollen Menschen“ in Die fröhliche Wissenschaft (KSA 3: 480-482, Nr. 125). Für seine Interpretation vgl. Brachtendorf 2011. Heidegger paraphrasiert auch den Satz aus Der Antichrist: „Zwei Jahrtausende beinahe und nicht ein einziger neuer Gott“ (KSA 6: 185, Nr. 19) in GA 95: 302, Nr. 36, wo er Nietzsches Einsicht mit der Hölderlins in Verbindung bringt. 261 NG: 259-260; vgl. 263. 262 Vgl. GA 29/30: 103-116, 243-244, wo Heidegger sich mit den verbreitesten Auslegungen Nietzsches auseinandersetzt. Zu Heideggers „politischer Erfahrung“ vgl. Marafioti 2016: 64-97; zu seiner Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus vgl. Zaborowski 2010; über seine Einstellung zum Politischen vgl. Medzech/Zaborowski 2022. 263 Heidegger/Jaspers 1992: 157. Vgl. 2 Kor 12, 7-10, in: Die Bibel 2002: 1218. 264 Vgl. GA 97: 98. Zur Bezeichnung der Rektoratserfahrung als „Irrtum“ und zum Eingeständnis der Fehlschätzung des Nationalsozialismus vgl. GA 94: 198, Nr. 219; 286, Nr. 257; GA 95: 408, Nr. 53; 433, 84; GA 96: 172; GA 97: 64, 98, 127, 147-148, 174, 258, 274. 260

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Die Verortung der metaphysischen Gottesauffassung 1940er Jahren als Erscheinungsform des Willens zur Macht erläutert – missverstanden. In der darauffolgenden Überzeugung, dass nur eine „denkerische“ Rekonstruktion der kulturellen Tradition als eines allmählich zunehmenden Seynsentzugs einen „anderen“ Anfang der Geschichte vorbereiten könne, verbindet Heidegger seine Auslegung der Historie des Gottesbegriffes mit der Interpretation der politischen Situation und der Weltgeschehnisse Mitte der 1940er Jahre. Er verortet seine Zeit im Kontext der Vollendung des Nihilismus, in der das Wesensmerkmal der herstellenden Allmacht, das dem alttestamentlichen Gott eigen gewesen sei und das der christliche Gott geerbt habe, dem Subjekt übertragen werde. Letzteres versuche, sich durch eine imperialistische Machtpolitik weltweit zu behaupten und den inneren sowie den äußeren Zustand des Menschen zu beherrschen. Dieses Phänomen – der vom Imperialismus vorbereitete Totalitarismus – wird von Heidegger als das Ende eines Weges angesehen, der zur technischen Zivilisation des Abendlandes geführt und im Judentum begonnen habe. Demgemäß notiert er, indem er die „zweite Quelle“ des Abendlandes, Griechenland, verschweigt: „Die modernen Systeme der totalen Diktatur entstammen dem jüdisch-christlichen Monotheismus.“265 Diese Systeme hätten sich einer „Tötungsmaschinerie“266 bedient, deren zerstörerisches Vermögen im Holocaust vollständig erschienen sei. Heidegger bezieht sich implizit auf die Shoah, indem er den Ausdruck „Selbstvernichtung“ verwendet, also die von der Technik beherrschte Welt, die Machenschaft und die ihnen zugrunde liegende Metaphysik samt der Ontotheologie in einer tatsächlich unschicklichen Weise als „das wesenhaft ‚Jüdische‘“ (wegen ihres Ursprungs in der Rezeption der jüdischen Gottesauffassung) bezeichnet. Er formuliert: „Wenn erst das wesenhaft ‚Jüdische‘ im metaphysischen Sinne gegen das Jüdische kämpft, ist der Höhepunkt der Selbstvernichtung in der Geschichte erreicht.“267 Das, was sich 265

GA 97: 438; vgl. GA 99: 116. Die griechische Kultur wird auch in GA 97: 144 nicht erwähnt, wo Heidegger nur „das Christentum, d. h. die paulinisch-gnostisch-römisch-hellenistische Organisation des evangelischen Lebens Jesu“ als „die Vorform Europas“ bezeichnet. Heideggers Vorliebe für Griechenland tritt auch in GA 97: 20 hervor: „Von hier aus ist zu ermessen, was für das Denken in das verborgene anfängliche Wesen der Geschichte des Abendlandes das Andenken an den ersten Anfang im Griechentum bedeutet, das außerhalb des Judentums und d. h. des Christentums geblieben“ ist. 266 GA 97: 148. Heidegger verwendet dieses Wort zwar nicht in Bezug auf die Konzentrationslager, die er jedoch in den beiden einzigen öffentlichen Äußerungen zur Shoah als „Fabriken von Leichen“ bezeichnet, um ihre technische Natur zu betonen (vgl. GA 79: 27, 56). Zur Kritik an Heideggers Ausdrucksweise vgl. Caputo 1992. 267 GA 97: 20. Diese Aufzeichnung gehört zu den vierzehn Notizen der Schwarzen Hefte, in denen Heidegger dem Zeitgeist zum Opfer zu fallen und sich antisemitischer Stereotypen zu bedienen scheint. Sie wurde von mehreren Autoren (im Anschluss an eine These von Donatella Di Cesare) als die Behauptung einer „Selbstvernichtung der Juden“ und deshalb als erhellendstes Beispiel für den

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Heidegger und die Gottesfrage

selbst vernichte, sei das Sein selbst. Denn es sei sein Unwesen, die Machenschaft, die durch die Selbstvernichtung der von ihr hergestellten Weltzivilisation das eigentliche Wesen (Geschehen) des Seyns verbiete und dadurch eine so grauenhafte Verkennung des Menschenwesens herbeiführe, dass den Juden der Tod – der die Auszeichnung des Menschen als dessen eigentliches Nichts sei, und darum zugleich das Band zum Seyn, das nichts Seiendes sei – entzogen worden sei. In dem Bremer Vortrag Die Gefahr (1939) fragt Heidegger deshalb rhetorisch: „Hunderttausende sterben in Massen. Sterben sie? Sie kommen um. Sie werden umgelegt. […] Sie werden in Vernichtungslagern unauffällig liquidiert.“268 Im Tod des Menschen stirbt auch Gott, beide vernichtet von der Seynsvergessenheit. Wenn man sich jedoch auf das Wesen des Nihilismus besinnen würde, könnte dieser als der äußerste Entzug des Seins selbst erkannt werden und die Wahrheit des Seyns aufblitzen. Ein solcher „Blitz“ würde eine Lichtung für die Begegnung zwischen Mensch und Gott eröffnen. Der Ruf des „tollen Menschen“: „Ich suche Gott! Ich suche Gott!“ wird deswegen bei Heidegger zum Anlass eines Nachdenkens, das vom Tod des „metaphysischen“ Gottes zur Geburt des „göttlichen“ Gottes hinübergeleiten soll. Heidegger führt diese Besinnung vor allem in den Beiträgen zur Philosophie (1936–1938) und in den Schwarzen Heften vom Ende der 1940er Jahre (den Anmerkungen) durch. Weiterentwickelt wird sie dann in der heideggerschen Auffassung der Wahrheit des Seyns als Geviert von Sterblichen und Göttlichen, Erde und Himmel.

Antisemitismus Heideggers ausgelegt. Diese Interpretation trägt jedoch der Bedeutung von „Jüdisches“ (in Anführungszeichen) als Synonym für die metaphysische Tradition und die in ihr wurzelnde Zivilisation nicht ganz Rechnung. Zu der nach der Veröffentlichung von Heideggers Schwarzen Heften neuen Phase des „Falls Heidegger“ (in der es vor allem um die Frage geht, ob Heidegger Nazi und Antisemit war) vgl. mindestens die ersten entgegengesetzten Thesen, die von Trawny 2015, Di Cesare 2016 und von Herrmann/Alfieri 2017 vertreten wurden. 268 GA 79: 56.

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§ 6 Die „re-ligio“ im Denken des Ereignisses

Geh hin, wo du nicht kannst: sieh, wo du siehest nicht; Hör, wo nichts schallt und klingt, so bist du, wo Gott spricht. Angelus Silesius

a)

Das „Gottes-“ und „Seinsbedürfnis“ als „Letztes“ der Geschichte

Heideggers eigene Gottesauffassung wird ab Mitte der 1930er Jahre erarbeitet, parallel zur Entwicklung eines die Metaphysik verwindenden Seynsbegriffs. Bei der Bestimmung sowohl der Gottheit als auch des Seyns hebt Heidegger diejenigen Züge hervor, die Gott und dem Sein früher abgesprochen wurden, und zwar die Endlichkeit bzw. die Nichtigkeit und die Zeitlichkeit bzw. die Geschichtlichkeit. Er nimmt von der Ontotheologie entschieden Abstand, auch insofern er Gott und Sein keineswegs zusammenfallen lässt. Am Anfang der „Fuge“ der Beiträge zur Philosophie, die den Titel Der letzte Gott trägt, ist bereits zu lesen: „Der ganz Andere gegen die Gewesenen, zumal gegen den christlichen“269. Der Gott wird vom Ereignis-Denken so bestimmt, dass er mit den früheren Gestalten der Gottheit unvergleichbar ist, da er weder – wie die griechischen Götter – dem Sein als φύσις entstammt270 noch – wie der jüdischchristliche Gott – das Seiende aus dem Nichts zu schaffen vermag noch – so wie das Eine Plotins – irgendetwas durch Emanation aus sich hervorgehen lassen kann, zumal er auch sich selbst nicht hervorbringt. Denn ihm mangelt es konstitutiv an Sein. Insofern das „Seinsbedürfnis“271 eines solchen Gottes nicht so etwas wie ein logischer Gegensatz ist oder das Fehlen von etwas, was gern besessen würde, vermag Heideggers Gott das Nichts – seine Andersheit gegenüber sowohl dem Seienden als auch dem Sein selbst – keinesfalls zu überwinden. Während der Gott des Christentums im Menschen Jesu stirbt, damit dieser dann aufersteht und dadurch die ganze Menschheit rettet, ist der Gott des Ereignisses ständig – und gerade durch den Menschen – auf den Tod angewiesen. Denn sein Bedürfen ist GA 65: 403. Heidegger nennt „Fugen“ die Kapitel der Beiträge, deren Gesamtheit er als das „Gefüge“ des seynsgeschichtlichen Denkens sowie des Ereignisses bestimmt. Er übernimmt aus Hölderlins Hymnus Der Einzige die Gestalt des „letzten Gottes“ (vgl. H: 154, 158, 162), allerdings ohne sie mit Christus zu identifizieren. Vgl. dazu Strummiello 1995: 313-325. 270 Vgl. GA 54: 151, 163-164; GA 73.2: 1229. Zum Sich-Decken der alten Götter mit dem Sein und dem Leben vgl. Otto 1975; Cattaneo 2019: 161-176. 271 Vgl. GA 65: 413, 438, 470. 269

Die „re-ligio“ im Denken des Ereignisses

doppeldeutig und zwiefältig: Erstens bedarf der Gott des Seyns, weil er kein Seiendes „ist“ und die Wahrheit des Seyns benötigt, um sich geben zu können; zweitens bedarf er des Menschen als desjenigen, der zu sterben vermag und darum das Seyn wahren kann, insofern der Gott die Wahrheit des Seyns braucht.272 Der Gott „west“ (ist anwesend) nämlich im „Vorbeigang“ und der Bereich, in dem er vorbeigeht, ist die Lichtung als Wahrheit des Seyns, 273 die nur durch den Menschen eröffnet wird, der sich seinen eigenen Tod aneignet. Denn der Tod als das äußerste Nichts des Menschenwesens ermöglicht es dem Menschen, in einem ursprünglichen Bezug zum Seyn zu stehen, es geschehen zu lassen und sich selbst als Da-sein zu verwirklichen. Nicht der Gott erlöst also den Menschen, sondern Gott und Mensch werden vom Sein selbst – von dessen Wahrheit als Lichtung – gerettet. Da „retten“ „einholen ins Wesen“274 heißt, gestaltet sich die von Heidegger gemeinte Rettung weder als ein Sieg über den Tod noch als eine Abschaffung des Nichts: Die „Gnade“ des Seyns kann den Menschen nicht unsterblich und den Gott nicht „seiend“ machen, zumal das Nichts zum Sein selbst gehört, das endlich und kein Seiendes ist. Während sich der „letzt[e] Wille“ Zarathustras „am grossen Mittage“ folgendermaßen zusammenfassen lässt: „Todt sind alle Götter: nun wollen wir, dass der Übermensch lebe“275, beschreibt Heidegger einen Gott, der sogar erst nach dem Tod des zum höchsten Seienden erhobenen Übermenschen kommen soll und der nicht fähig ist, sich das Leben zu geben oder sich durch eine Totenerweckung aus dem Nichts herauszuholen: „Hier geschieht keine Er-lösung“276. Der Tod, d. h. das Ende, das Äußerste, das Letzte des Menschenwesens, wird mit der Gottheit bereits am Anfang der ihr gewidmeten „Fuge“ der Beiträge,277 in der der Gott als „letzter“ bezeichnet ist, in Verbindung gebracht.

Vgl. die Erklärung des Wortes „Wahr“ als „Hut“ des Wesens in GA 5: 348; GA 73.1: 51; GA 79: 46. Heidegger gibt dem Stamm „wahr“ sowohl diese Bedeutung als auch diejenige von „echt“ (vgl. GA 102: 164), um darauf anzuspielen, dass die Wahrheit als Entfaltung des Seyns vom Da-sein bewahrt werden muss. 273 Vgl. GA 65: 26-27, 228, 243-244. Heideggers Kenntnis des Alten Testaments zeigt sich auch im Begriff des Vorbeigangs (vgl. die Worte des Herrn über sein stilles Vorübergehen in Ex 33, 22-23 und 1 Kön 19, 11, in: Die Bibel 2002: 102, 403). Zu den uneingestandenen Ähnlichkeiten zwischen Heideggers Gottesbegriff und JHWH vgl. Magris 2023: 296. 274 FT: 29. Der Gott kann uns nur insoweit retten, als er am Geschehnis der Wahrheit des Seyns beteiligt ist. Vgl. dazu SG: 671; Giorgio 1998: 202, wo die Wahrheit des Seyns als der Ort der rettenden Offenbarung des verborgenen Gottes und ihrer unendlichen Auslegung seitens des Menschen angesehen wird. 275 KSA 4: 102. 276 GA 65: 413. Zu dieser „nihilistischen“ Dimension des Gottes und zum Einfluss Schellings auf Heidegger vgl. Esposito 1995: 52; ders. 1988: 70 ff. 277 Vgl. GA 65: 405. Auf S. 230 schreibt Heidegger deutlicher: „Der Ungewöhnlichkeit des Seyns entspricht […] im Da-sein […] die Einzigkeit des Todes. Der furchtbarste Jubel muß das Sterben eines 272

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Heidegger und die Gottesfrage Die „Letztheit“ des vom Ereignis-Denken begriffenen Gottes besteht nicht in einem Abschluss, der zwei ganz verschiedene Zeitstrecken unwiederbringlich voneinander trennen würde. Denn „Letztes“ bedeutet hier dasselbe wie „finis“ und „τέλος“: Es bezeichnet etwas Ekstatisches, das auf einen Bereich gerichtet ist, den es durch seine „hinausreichende“ Bewegung öffnet. Die Ekstase verlässt nicht den eigenen Ursprung, sondern bringt ihn und das aus ihm Entsprungene erstmals zum Vorschein. „Letztes“ bedeutet tatsächlich auch „ἔσχατον“: das, worin sich das Wesen von etwas versammelt und vollendet. In diesem Sinne spricht Heidegger von einer „Eschatologie des Seyns“, womit er die „Versammlung“ beider „Enden“ (des Anfangs und des Abschlusses) der Seynsgeschichte bzw. des Wesens des Seyns – und die angemessene Beschreibung dieser Versammlung – meint. Am ersten „Ende“ des Seyns wurde dessen Entzug übergangen, am anderen Ende soll er beachtet werden. Demgemäß geht die Eschatologie mit einer „Kehre“ in die von der Metaphysik vergessene verborgene Dimension des Seins selbst einher. 278 Die „Letztheit“ des letzten Gottes ist eschatologisch, insofern dieser Gott, als der „äußerste“, das Wesen der vorausgehenden Gestalten des Göttlichen in sich versammelt, sie als „ge-wesen“ (im wörtlichen Sinne) zeigt und dadurch den Zeit-Raum öffnet, in dem das Gotthafte ganz anders geschehen kann. Der letzte Gott ist deshalb „gegen“ die gewesenen nicht im Sinne einer Entgegensetzung, sondern einer Entgegnung,279 d. h. eines Zugewandtseins: Er ist zu den früheren Göttern hingeneigt, sodass er jenen und uns entgegenkommt, indem er sich zurückzieht. Im Unterschied zu den früheren Gestaltungen des Göttlichen, die durch das fortschreitende Vergessen der Entzugsdimension des Seyns hervorgerufen wurden und dementsprechend innerhalb der bloßen Anwesenheit hervorgetreten sind, bewohnt der letzte Gott einen Zwischenbereich, denn er erscheint nur im „Entscheinen“: Er west an, indem er die vorausgehenden Götter als nur noch abwesend erfahren lässt, weil jene „seiende“ Götter waren, wohingegen der letzte Gott nichts Seiendes ist. Der letzte Gott erscheint, indem er sich als dieses Nichts zeigt: Er gibt sich nicht als anwesend, er verweigert sich. Als das „Äußerste“ ist

Gottes sein.“ Im Anschluss an Rainer Maria Rilke schreibt Heidegger dem Tod einen sakralen Zug zu. Vgl. dazu Venezia 2007: 250-264. 278 Zu Heideggers Auffassung der Eschatologie vgl. besonders GA 5: 327; GA 73.2: 1020, 1041, 11741182, 1192; GA 97: 244, 271, 283-284, 288, 290, 293, 302, 329, 331, 335, 391-392, 408-409; GA 98: 35, 38, 75, 80-81, 87; GA 99: 63, 84, 134. 279 Vgl. Heideggers Erklärung der Präpositionen „gegen“ und „entgegen“ in GA 10: 121; GA 78: 174175, und der Bedeutung von „Ent-gegnen“ (aus der der Sinn von „Gegend“ abzuleiten ist) in GA 13: 46-48; GA 55: 325, 335-337; GA 73.2: 902; GA 77: 113-114; GA 78: 252-257; GA 100: 111.

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Die „re-ligio“ im Denken des Ereignisses der letzte Gott „die höchste Gestalt der Verweigerung“280 und trägt zur Eschatologie des Seyns bei, insofern er auf die „zögernde Versagung“ des Seyns281, auf seinen Entzug hin „winkt“, damit das im ersten Anfang der Seynsgeschichte vergessene Nichts des Seyns erfahrbar wird. Da der Wink des letzten Gottes auf das Nichts hin die Weise ist, wie dieser Gott den Menschen angeht und im Ausbleiben „vorbei-geht“, west der letzte Gott im Wink.282 Wenn der Mensch den Wink empfängt, erfährt er die Kehre im Seyn – die Zusammengehörigkeit von Sein und Nichtsein sowie die auf ihr basierende von Wesen und Unwesen – und kann die Kehre vom ersten zum anderen Anfang der Geschichte vorbereiten. Denn die Andersheit des „zweiten“ geschichtlichen Anfangs besteht in der Entfaltung der Möglichkeiten, die im ersten Anfang wegen der Verdeckung des Nichts des Seyns verborgen geblieben waren. Der letzte Gott erweist sich darum als „der Gott des Anfangs“283, auf den alles letztlich ankommt: „die Entscheidung über die Götter“ – „welcher Gott und ob ein Gott […] noch einmal […] erstehen werde“284 –, über das Seyn – das „anders“ geschehen kann, sobald seine Entzugsdimension erinnert wird – und über die Menschen – die sich erst dann eigentlich als Da-sein verwirklichen können, wenn sie dem Wink des letzten Gottes Aufmerksamkeit schenken und dadurch fähig werden, die Wahrheit des Seyns als Urstreit von Verborgenheit und Unverborgenheit sich vollenden und die Seynsgeschichte nochmals anfangen zu lassen.

GA 65: 416; vgl. 412. Indem der letzte Gott die „Flucht“ der alten Götter erfahrbar macht, bringt er auch deren „Sich-Verweigern“ zur Erscheinung, welches wiederum auf das „Sich-Entziehen“ des Seyns verweist (vgl. dazu Figal 2009: 154-155). 281 Mit dieser Wendung meint Heidegger den Bezug des sich entziehenden Seyns zum Seienden: Das Seyn versagt sich dem Seienden als dessen fester Grund, obwohl es zugleich zögert, damit das Seiende in seinem Sein dennoch „anwesen“ kann. Zu diesem Zusammenhang im Ereignis vgl. GA 65: 15, 24, 29, 78, 80, 268, 346, 348, 352, 379-388, 392, 411. Zum Verhältnis zwischen der zögernden Versagung als dem Wink des Seyns (vgl. 380, 383) und dem in ihn eingebetteten Wink des letzten Gottes im Sinne einer „theologischen Differenz“ vgl. Coriando 1998: 116-117, 173-174. Zur „theologischen Differenz“ als Unterschied von Wahrheit des Seyns und Gott vgl. von Herrmann 2019: 225-226. 282 Vgl. GA 65: 409. Der „Wink“ wird als die Sprache der Götter bestimmt in Heraklits Fragment 93: »ὁ ἄναξ, οὗ τὸ μαντεῖόν ἐστι τὸ ἐν Δελφοῖς, οὔτε λέγει οὔτε κρύπτει ἀλλὰ σημαίνει« und in Hölderlins Ode Rousseau (H: 13), zitiert in GA 39: 32, 127. 283 GA 100: 119; vgl. 205; GA 65: 416. Trotzdem wirkt der letzte Gott – im Gegensatz zu den vergangenen Göttern, besonders zu den griechischen – nur indirekt auf den Lauf der Geschichte des Seyns und noch mittelbarer auf diejenige des Menschen ein (vgl. ebd.: 399). 284 GA 65: 406, 437-438. Mit dem Plural „Götter“ will Heidegger nicht sagen, dass in der Zukunft eine Vielzahl von Göttern vorhanden sein würden, sondern nur im Allgemeinen vom Gotthaften sprechen. 280

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Heidegger und die Gottesfrage b) Der Augenblick des Vorbeiganges zum „anderen“ Anfang Aus Heideggers Darstellung des letzten Gottes wird ersichtlich, dass dieser keine einfache Umkehrung des christlichen Gottes ist: Es ist nicht so, dass der Gott des Ereignisses das Ebenbild des Menschen und von ihm abhängig wäre, während der Mensch oder das Seyn das Wesen des Gottes entscheiden und sich dadurch als selbstständige Mächte ausweisen würden. Gott, Seyn und Mensch sind vielmehr ursprünglich aufeinander angewiesen; ihr Verhältnis entfaltet sich als Ereignis eines jeden von ihnen sowie als Ereignis der Wahrheit des Seyns, und zwar in einem zirkelhaften Geschehen: Der Mensch lässt sich vom Wink des letzten Gottes angehen und wird von ihm auf sein Eigenes, den Tod, zurückverwiesen, weil er sich selbst als nicht unsterblich und folglich als denjenigen erfährt, dessen der Gott eben wegen seiner Sterblichkeit bedarf. Indem der Mensch sich seinen eigenen Tod aneignet und das Seyn aufgrund seiner eigenen Endlichkeit als endlich versteht, reicht er in das von der Metaphysik vergessene Nichts des Seins selbst hinein. Er wird somit in die Lage versetzt, die Verborgenheit des Seyns zu erinnern und sie zu bergen, indem er den Urstreit von Verborgenheit und Unverborgenheit, verwandelt in den Streit von Welt und Erde, von einem ausgezeichneten Seienden her geschehen lässt und in diesem „gründet“285. Dabei wird das Sein selbst vor der Vernichtung durch sein Unwesen „gerettet“ und „heil“ gemacht, und ebenso das Seiende, das die Wahrheit des Seyns als Urstreit birgt. „Heil“ bedeutet aber so viel wie „das Lichte – Freie“286: Es charakterisiert die Lichtung und erweist sich als die Spur zum Heiligen, das seinerseits die Dimension (der Wesensraum) des Göttlichen ist. In der Tat kann der letzte Gott an dem geheilten Seienden vorbeigehen und sich als das ihm gegenüber ganz Andere – als nicht-seiend und „seinsbedürfend“ – zeigen, indem sich die Wahrheit des Seyns als Lichtung für die Verbergung des Seins selbst ausgehend vom geheilten Seienden entfaltet. Aus dieser Entfaltung heraus fängt die Geschichte anders an, insofern der Augenblick des göttlichen Vorbeigangs den „Sprung“ in den anderen Anfang ermöglicht. Der Wink des letzten Gottes setzt also ein Geschehen frei, das im Ereignis als Wesensverhältnis von Seyn und

Zur „Gründung“ bzw. „Bergung“ der Wahrheit des Seyns vgl. GA 65: 293-392; GA 5: 49, wo Heidegger auf das Verhältnis zum Göttlichen anspielt. 286 GA 102: 162. Zur Verbindung des Heilen mit dem Göttlichen vgl. die Skizze in GA 101: 110 und GA 4: 16; über seinen Bezug zur Wahrheit vgl. GA 77: 144. Marco Viscomi bestimmt das Heilige als ein „trascendentale ontologico“ („ontologisches Transzendentale“), da er es für die Dimension des Ereignisses und deshalb für die unbegründbare Bedingung der Möglichkeit des Seins selbst hält (vgl. Viscomi 2018: 21, 27, 147, 204). Zum „heiligen“ Zug von Heideggers „Lichtung“ und „Gegend“ vgl. Krummel 2022. 285

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Die „re-ligio“ im Denken des Ereignisses

Menschenwesen gipfelt und mit dem Vorbeigang des letzten Gottes und dem Augenblick der Zeitwende schließt. Das Gefüge dieses Geschehens nennt Heidegger „das Gesetz des letzten Gottes“287, dem das innere Gesetz des Ereignisses entspricht, gemäß dem dieses sich in zwei Momente – das Aufblitzen und die Entfaltung – gliedert, die jedoch nicht im Sinne einer chronologischen Folge verstanden werden sollen. Heidegger schreibt nämlich: „Im Herrschaftsbereich des Winkes treffen sich neu zum einfachsten Streit Erde und Welt […] je wieder nur geschichtlich in den Stufen […] der Bergung der Wahrheit im Seienden […]. In solcher Wesung des Winkes kommt das Seyn selbst zu seiner Reife. Reife ist Bereitschaft, eine Frucht zu werden und eine Verschenkung. Hierin west das Letzte, das wesentliche, aus dem Anfang geforderte, nicht ihm zugetragene Ende. Hier enthüllt sich die innerste Endlichkeit des Seyns: im Wink des letzten Gottes. In der Reife, der Mächtigkeit zur Frucht und der Größe der Verschenkung, liegt zugleich das verborgenste Wesen des Nicht, als Noch-nicht und Nicht-mehr.“288 Die „Fruchtwerdung“ im Augenblick des Vorbeigangs findet in der so eröffneten Lichtung statt, die „das Seyn als das innigste Zwischen“ für die „Ent-gegnung“ von Gott und Mensch sich zeigen lässt, insofern in ihr die Verborgenheit des Seyns und mithin die gesparten Möglichkeiten der Geschichte geborgen werden. Hierbei „übermächtigt“ der Gott den Menschen und „übertrifft“ der Mensch den Gott. 289 Nach Heideggers Meinung muss der geschichtliche Augenblick vom „wesentlichen Wissen“ (dem Wissen um das Wesen der Geschichte und des Seyns) vorbereitet werden, das zuerst in den „Wenigen“ und „Seltenen“ aufblüht, welche die „Zu-künftigen“ oder „Rück-wegigen“ zu nennen sind,290 je nachdem, ob sie ausgehend vom anderen Anfang oder von der übergänglichen Epoche her betrachtet werden, in der die Seynsvergessenheit des ersten Anfangs erfahren wird. Die Zukünftigen sind auf dem Weg zurück in das „erste“ Geschehen der Wahrheit des Seyns als ἀ-λήθεια (Un-Verborgenheit) und können deshalb die vergesse λήθη erinnern und sich als die „Unter-gehenden“291 verwirklichen, d. h. als diejenigen, die den „ersten“ Anfang der Seynsgeschichte „untergehen“ lassen und diese zu ihrem anderen Anfang führen. Die Zukünftigen können auch als die 287

GA 65: 408; vgl. 235. Ebd.: 410; vgl. 27, 29, 268, 413, wo Heidegger schreibt: „[G]efordert nicht nur eine Gebotstafel, sondern ursprünglicher […] so, daß sein Vorbeigang eine Beständigung des Seienden […] fordert […], in der erst das Seiende […] (als Werk, Zeug, Tat, Blick und Wort) dem Vorbeigang standhält“. 289 Vgl. ebd.: 415, 27. Es geht um eine „Ent-gegnung“, weil „[d]ie Götter und der Mensch […] ihr Wesen aus der Gegenrichtung in das Seyn“ erstrecken (GA 69: 105). Deswegen bestimmt Heidegger die „Ent-gegnung“ als „Ursprung des Streites“ (GA 65: 470; vgl. 413) und spielt der Streitbegriff eine zentrale Rolle in Heideggers Beschreibung der Gottheit (vgl. Heimann 2021: 266-271, 299-311). 290 Vgl. GA 65: 395, 411, 415-416; GA 66: 229-235, 253-254. 291 Vgl. GA 65: 397. Zu den verschiedenen Bestimmungen der Zukünftigen vgl. Resta 1998: 79-114. 288

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Heidegger und die Gottesfrage „Zukünftigen des letzten Gottes“ bezeichnet werden, weil sie durch die „Grundstimmung“ der Verhaltenheit (vor dem Nichts) gestimmt sind und deswegen vom letzten Gott „be-stimmt“292 werden können. Indem Heidegger schreibt: „Die Zu-künftigen sind jene Künftigen, auf die als die rückwegig Er-wartenden […] der Wink […] des letzten Gottes zu kommt“293, setzt er denjenigen Sinn von „Warten“ voraus, den er Mitte der 1940er Jahre formulieren wird: nämlich dass dieser Ausdruck den Eingang in die „Gegnet“ bzw. in das Offene der Wahrheit des Seyns bedeutet. 294 Er legt diesen Sinn von „Warten“ oft auch in das Wort „Gegen-wart“, dem er die zeit-räumliche Bedeutung einer ekstatischen Bewegung gibt, die zu einer „Ent-gegnung“ führt. Insofern die so bestimmte „Gegenwart“ eine Modalität der eigentlichen Zeit bzw. der „Zeitigung“ des Ereignisses ist, da sie „die Augenblicksstätte der Entscheidung über Nähe und Ferne des letzten Gottes“295 darstellt, wird sie von Heidegger als der Augenblick sowohl des Vorbeigangs des letzten Gottes als auch des Übergangs zum anderen Anfang der Seynsgeschichte gedacht. Heidegger weist auf den „kehrigen“ (wechselseitigen) Bezug sowohl des Gottes als auch des Seyns zum Menschenwesen innerhalb des Ereignisses hin, indem er sich einerseits auf die lexikalische Affinität zwischen θέα (Blick), θεά (Göttin), θεός (Gott) stützt und andererseits unausdrücklich auf die Etymologie von „Ereignis“ verweist, das auf das Verb „er-äugen“ zurückgehe und darum ursprünglich ein „Er-blicken“ bedeute, welches das Wesen von etwas sichte, es ans Licht bringe und ihm erlaube, eigentlich zu werden.296 Daher schreibt Heidegger in einer Aufzeichnung aus der Mitte der 1940er Jahre: „Gegen-wart – die Gegend – […] die Gegenwart des Gottes – […] er in seiner Gegend und aus dieser – blickend – wesend – ent-gegnend […]. In der Gegenwart des Gottes – d. h. im Angesicht – im Hereinblicken – warten – ‚erwarten‘ – und ‚blicken‘. Das Blicken – das uns anblickt und in uns liest und er-liest – das Er-lesen ist […] der Ur-sprung des ‚Wesens‘. […] Gegen-wart: die sich lichtende Innigkeit der Er292

GA 65: 399, 396. Zur Verhaltenheit und den Stimmungen des anderen Anfangs vgl. 14-16, 20-22, 31-34, 69, 107, 341, 346, 352, 395-396, 405. Auf S. 15 wird die Verhaltenheit als „Vor-stimmung der Bereitschaft für die Verweigerung als Schenkung“ definiert: Sie ermögliche es, die Vollendung der Seynsvergessenheit als Steigerung des zögernden Sichversagens des Seyns zu erfahren und dadurch die Verborgenheit zu erinnern (vgl. Bulo Vargas 2008). In GA 98: 408 spielt Heidegger auf die Zukünftigen an, indem er sagt: „[W]enige erfahren […] das Wehen der höchsten Gottheit –; einzig sind Gipfel, auf denen im stillen Gespräch der Scheu“ das Sein sich offenbart. 293 GA 65: 395; vgl. 400. 294 Vgl. GA 77: 120-121. Heidegger verwendet das alte Wort „Gegnet“ statt „Gegend“, um das „Sichzurückziehen“ im „Entgegen-kommen“ zu betonen. Über das Verhältnis der Gegnet zur Wahrheit des Seyns vgl. GA 97: 424; zur Gegend vgl. GA 55: 325, 335-337; GA 77: 114-126; GA 97: 344, 347, 366, 458; GA 98: 252-257; GA 100: 111. 295 GA 65: 230; vgl. 323. 296 Vgl. WS: 253, Fn. b; GA 71: 184-185; GA 73.2: 992, 1358; Neumann 2009: 187-189.

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Die „re-ligio“ im Denken des Ereignisses eignung – das Kehrige“297, dessen Erfahrung zur Kehre des Seynsgeschichte führt. Beide Anfänge der Seynsgeschichte werden im Hinblick auf die Gestalten, die das Göttliche in ihnen annimmt, in den Schwarzen Heften aus dem Ende der 1940er Jahre miteinander verbunden. In ihnen gebraucht Heidegger den Ausdruck „die Göttin“, um sich auf die griechischen Götter – deren Wesen er beinahe mit der Ἀ-λήθεια identifiziert – zu beziehen, während er den „Gott im Weltalter des Ereignisses“298 anspricht.

c)

Das „Ver-Hältnis“ zu der „Göttin des Seyns“

Mit der Wendung: „die fernste Göttin als der einstige Gott“299, die sich in einem Eintrag der Schwarzen Hefte aus der Zeit um 1950 findet, formuliert Heidegger den Leitfaden für die Geschichte des Göttlichen. Die Gestalt des Gottes im anderen Anfang – die „Göttin“ – sollte die Möglichkeiten, die in der Erscheinungsweise des Göttlichen im ersten Anfang – „einstig“ – ver- und geborgen geblieben waren, „mehren“300 bzw. zur Entfaltung bringen, wenn auch allerdings nicht ausschöpfen: Das „Göttliche der Götter“ bleibt jeweils „fern“ und „gespart“301, damit sich das Wesen des Gottes noch weiter, „anders“, verwirklichen kann. Während der „einstige Gott“ ein Grundzug des Aufgangs des Seins als Ἀλήθεια gewesen sei und in der Ἀλήθεια die λήθη bzw. die Verborgenheit des Seyns ungedacht geblieben sei, solle bei der „fernsten Göttin“ die Verborgenheit in den Vordergrund treten; während der Platz des „einstigen Gottes“ allmählich von einem Gott besetzt worden sei, der das Sein in die glänzende Helligkeit der Präsenz gezogen und unter eine totale Herrschaft gebracht habe, solle die „fernste Göttin“ im Dunkel bleiben, „sich zögern“ und die Haltung der Verhaltenheit vor dem sich verbergenden Seyn annehmen, damit dieses sich ereignen könne. Deshalb merkt Heidegger an: „Der Gott ist: die Göttin. Ἀ-λήθεια – Λήθη – Ereignis.“302

GA 73.2: 907; vgl. 902, 906. Zum Verhältnis von Gott und Mensch durch das „Blicken“ vgl. GA 66: 248, 252, 254; GA 12: 207. 298 GA 98: 401. Auf S. 405 erinnert Heidegger daran, dass „bei Parmenides die Ἀ-λήθεια als Göttin“ erscheint. 299 Ebd.: 403; vgl. 411: „Der Gott ist: die Göttin […] die Göttin ist der Gott.“ 300 Vgl. ebd.: 405, 411. 301 Zur „Sparnis“ vgl. GA 99: 15, 31-32, 34, 47, 105, 116-117, 122, 157. 302 GA 98: 411. 297

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Heidegger und die Gottesfrage Heidegger identifiziert „de[n] verborgenste[n] Gott“, der „das Dunkel schützt“, mit der „blaue[n] Göttin“303 – der sich verhüllenden Göttin, die die Morgenröte bereits in der Dämmerung bekundet. Er bezeichnet weiterhin die „fernste Göttin“ als „die Zögerin“ und als „Göttin der Scheu“304, deren „Epiphanie“ ihre Göttlichkeit „in das reine Scheinen des dunklen Lichtes“305 versammelt und sie als „Αἰδώς – die in der Huld verhaltene Scheu“ offenbart, während sie ihrerseits zur „innigere[n] Scheu“306 bestimmt und dadurch zur Bewahrung der Verborgenheit des Seyns beiträgt. Während Heidegger in den Beiträgen den Vorbeigang des letzten Gottes für den Augenblick des anderen Anfangs mitverantwortlich macht, beschreibt er in den Schwarzen Heften die „fernste Göttin“ als die Hüterin der „Zeitigung“ der Zeit. Denn insofern die Göttin sich in der Ferne hält, zögert, an sich hält, gibt sie sich nie in reiner Gegenwart. Ihre einzigartige Göttlichkeit besteht deswegen in der Verhaltenheit ihrer Ankunft, die die Dimension der Zukunft eröffnet und so die noch nicht entfalteten Möglichkeiten der Vergangenheit versammelt und befreit, „ge-wesen“ macht. „Im reinen Kommen“ als der Weise, in der die Göttin „an-west“ und die sie mit dem „kommende[n] Gott“307 zur Deckung bringt, „ereignet sich“ also „Zukunft und Ge-Wesen und Anwesen aus ihrer Einheit“308. Jede Zeitdimension spielt sich den anderen beiden zu und schafft den Raum für das Geschehen – die „andere“ Geschichte – des Seyns. Heidegger bestimmt den dadurch entstehenden „Zeit-Spiel-Raum“ als eine „Ortschaft“, in der die Menschen, die sich den Tod bzw. das eigene Nichts angeeignet haben, in der „Nachbarschaft“ – in der „Nähe“ – des sich verbergenden Seyns „wohnen“. Er nennt daher die „Ortschaft“ auch „Nähe“ und denkt sie als den Bereich, in dem sich die Wahrheit des Seyns in vier Bedeutsamkeitsgegenden entfaltet – 303

Ebd.: 411; GA 100: 51. Über die Bedeutung, die Heidegger der Farbe Blau zuspricht, vgl. die Auslegungen zu Trakl und Hölderlin in den Vorträgen Die Sprache im Gedicht. Eine Erörterung von Georg Trakls Gedicht (1952) und Hölderlins Erde und Himmel (1959) (GA 12: 64-67, 70-78; EH: 169-170). 304 GA 98: 404, 411; vgl. 401, 405, 408. 305 Ebd.: 404. Zum Unterschied zwischen der „Dunkelheit“ des von Heidegger beschriebenen Göttlichen und der Helligkeit des von Eckhart mit dem Sein identifizierten Gottes vgl. Vinco 2023: 181-183. 306 GA 98: 401, 411. Vgl. 408; GA 7: 271-273, wo die αἰδώς als das Sichverbergen im An-sich-halten, das die χάρις gewährt, bestimmt wird. 307 GA 98: 402; vgl. GA 100: 263. Heidegger übernimmt diese Wendung aus Hölderlins Elegie Brod und Wein (H: 91). 308 GA 98: 405; vgl. 409. Zu den drei Dimensionen der Zeit vgl. GA 14: 16-20; GA 12: 201-202. Zur Zukunft bzw. Ankunft vgl. GA 97: 286, 472-473; GA 98: 389, 405, 408; zur Gegenwart vgl. GA 55: 338; GA 97: 472; GA 98: 59; zum Gewesen vgl. GA 97: 266, 286; GA 98: 404. Im „Ge-Wesen“ betont Heidegger das Präfix „Ge“, das etwas Vereinigendes bedeutet, um die Versammlung auf das eigene Wesen hervorzuheben, die dem Zusammenhang des „Gewesenen“ eigen ist, indem er das individualisiert, was er von der Vergangenheit bewahrt und noch immer währen lässt.

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Die „re-ligio“ im Denken des Ereignisses Sterbliche und Göttliche, Erde und Himmel, versammelt im „Ge-viert“ der Welt – ausgehend von einem ausgezeichneten Seienden, dem „Ding“309. Da die „fernste Göttin“ so etwas wie die Seele des ganzen Wahrheitsgeschehens ist, nennt Heidegger sie auch „Göttin der Nähe“310 und beschränkt sie nicht allein auf die Gegend des Göttlichen. Ihre Gottschaft ist vielmehr das göttliche Wesen, das im Heilen des „Er-eignisses“ der Seinswahrheit, verstanden als „Ver-hältnis“311 von Seyn und Geviert durch das von den Sterblichen geschonte Ding, jedes der Vier und ihren ganzen Zusammenhang unversehrt „behält“, hütet. Deshalb spricht Heidegger von der „Nachbarschaft in der Gottheit des Ver-Hältnisses, das an sich ‚haltend‘ das Seyn im Wesen hält (hütet)“312. Da Heidegger seit der Mitte der 1940er Jahre das Wort „Seyn“ durchgestrichen schreibt, um den Entzug des Seins selbst im Geschehen seiner Wahrheit durch das Geviert und mittels des Dinges auszudrücken, nennt er die Göttin „des Ver-Hältnisses“ auch „Göttin des Seyns“313 und bezeichnet sie als die dem Seyn „eigentlich Zugetraut[e]“314. Heidegger, der seinen Begriff von „Geviert“ und „Ver-Hältnis“ ausgehend von einer Auslegung der Lyrik und der theoretischen Schriften Hölderlins ausarbeitet,315 übernimmt die hölderlinsche Metapher des Brautfestes, um den Bezug des Seyns zu der Göttin bzw. zu dem ihm gemäßen Göttlichen zu bestimmen. Er merkt an: Das „Hereinblicken und Erblitzen der Ankunft des NieKommens ist das Ereignis des Bräutlichen schlechthin, ist das Wesende der Braut, ist die Göttin […]. In der Braut ist die Gottheit der Göttlichen zugetraut dem Zur Etymologie von „Ding“ (es stamme von „thing“, das „Versammlung“ bedeute) vgl. das in den Vorträgen Das Ding (1950) und Bauen Wohnen Denken (1951) Ausgeführte (GA 7: 155, 176-179). Für die „Vier“ des „Welt-Gevierts“ vgl. ebd.: 151-152, 179-180. Zum Geviert als verwandelnde Neufassung der Dualismen Verborgenheit – Unverborgenheit und Wesen – Existenz vgl. Harman 2007: 132-135. 310 GA 98: 401, 404. In GA 97: 312 bestimmt Heidegger den Menschen folgendermaßen: „‚Bauer‘ – […] bowen = als wohnen, wohnend gedeihen lassen […]. Der Bauer: – der Nähe: der Nach-bauer, Nachbar des Todes.“ Zur Nähe als der „vierten“ (eigentlich der „ersten“, weil der ursprünglichen) Dimension der Zeit, die deren Zusammengehörigkeit mit dem Raum offenbar macht, vgl. GA 14: 20; GA 98: 60; GA 99: 65; GA 100: 257; GA 102: 138, 188. Zu den nicht immer anerkannten Analogien zwischen Heideggers vierdimensionaler Zeit-Raum-Auffassung und der Relativitätstheorie vgl. Giannetto 2010: 323-349. 311 Vgl. GA 98: 255-256, 275-276, 293. Zu den Bedeutungen dieses Wortes, das ein gesammeltes Halten (Hüten) im An-sich-Halten bezeichnet, vgl. GA 99: 20; GA 100: 20 sowie den Anhang zu Das Ding in GA 79: 22. 312 GA 98: 408. Als zum „Ver-Hältnis“ gehörend stehen die Menschen immer in Beziehung zur Gottheit; deshalb schreibt Heidegger: „Der Gott, er sei noch so fern verborgen, verläßt uns nie – kann Es nicht, weil wir als die Sterblichen in sein Wesendes eingelassen sind“ (GA 101: 153-154). 313 GA 98: 408. 314 Ebd.: 411. 315 Vgl. die Übernahme des Ausdrucks „unendliches Verhältnis“ aus Hölderlins Aufsatz Über die Religion (Hölderlin 1943: 263) in EH: 163, 170-177; GA 101: 166, 168. 309

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Heidegger und die Gottesfrage Seyn.“316 Heidegger hatte in der Vorlesung (WS 1941/42) und dem Aufsatz (1943), die Hölderlins Hymne Andenken gewidmet sind, bei dem Vers aus Der Rhein verweilt: „Dann feiern das Brautfest Menschen und Götter“317. Er hatte das Eigentümliche des hier erwähnten Festes im Heiligen verortet, das er jedoch in dem Vortrag Hölderlins Erde und Himmel (1959) nicht mit der Hochzeit in Verbindung bringen wird. Dort wird er nochmals auf das Bild der Ehe, das sich in Hölderlins Dichtungen Griechenland, Der Rhein und … Der Vatikan … findet, zurückkommen und alle Vier des Gevierts durch die folgenden Sätze in das Brautfest mit einbeziehen: „Die Braut ist die Erde, zu der das Lied des Himmels kommt. […] Die Hochzeit ist das Ganze der Innigkeit von: Erde und Himmel, Menschen und Göttern.“318 In den Schwarzen Heften vom Ende der 1940er Jahre deutet Heidegger auf eine „ursprünglichere“ Ehe hin, und zwar auf die Beziehung der Gottheit zum Seyn, welche die von den Vier des Gevierts gefeierte Hochzeit, d. h. das „Ver-Hältnis“ der Vier zueinander und zum Sein selbst, heilig macht. Deshalb nennt Heidegger die Göttin „[d]ie ewige Braut“319 und meint, dass sie dem Gott bzw. den Göttern, die an der Hochzeit im Geviert teilnehmen, ihre Göttlichkeit gewähre.320

d)

Das schweigende Gebet des Denkens

Die „Göttin des Seyns“ kann dieses nur ehelichen, indem sie ebenso wie ihr Bräutigam verborgen bleibt, sich nur als das unscheinbare Wesen der möglichen Gottesgestalten ankündigt: Die „fernste“ Göttin entzieht sich genauso wie der letzte Gott und lässt keine Rede zu, die sie unmittelbar anspricht. Das, was Heidegger im Zusammenhang des Ereignisses sehr knapp über den Gott kundgibt, soll deswegen als eine Andeutung auf ein göttliches Unsagbares verstanden werden, das mit dem Seyn eng verwandt ist. In den Beiträgen bestimmt Heidegger die Logik, die die Wahrheit des sich entziehenden Seyns erfassen kann, als „Sigetik“, d. h. als „Erschweigung“ des Seins selbst. „Die Erschweigung“ – GA 98: 411. Das „Zutrauen“ charakterisiert das Verhältnis von Seyn und Gottheit ebenso, wie der „Brauch“ den Bezug des Seyns zum Menschenwesen kennzeichnet. Heidegger beruft sich auf Hölderlins Bild des Brautfestes, das sich in Der Rhein, … Der Vatikan … und Griechenland findet (vgl. H: 147, 253, 256). 317 H: 147. Zu Heideggers Auslegung vgl. GA 4: 103-107; GA 52: 67-71. 318 EH: 173. Heidegger verdankt Hölderlin auch seine Auffassung des Heiligen, wie aus seinen Auslegungen zu diesem Dichter entnommen werden kann. Das Heilige wird von Heidegger als das Band zwischen Gott und Mensch verstanden, insofern jeder von diesen seinen eigenen Bezug zum Heiligen nicht allein vollziehen kann (vgl. GA 4: 68-69). 319 GA 98: 401. 320 Vgl. ebd.: 411. 316

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Die „re-ligio“ im Denken des Ereignisses schreibt er – „entspringt aus dem wesenden Ursprung der Sprache selbst“321, der in dem Anspruch zu verorten ist, welchen das Seyn an den Menschen richtet, damit dieser dessen stille Stimme im verlautenden Wort anklingen lässt. Das Entstehen der menschlichen „Ant-Wort“ im Dialog des Seyns mit dem Menschen wird von Heidegger in zwei weiteren Gesprächen kontextualisiert, die die Menschen miteinander und (als Sterbliche) mit den anderen drei des Gevierts zugleich führen. Hölderlins Hymne Griechenland auslegend, stellt Heidegger dieses letzte Gespräch als eine „Fuge“ dar, in der sich die vier „Stimmen des Geschicks“ verflechten.322 Da er mit „Geschick“ das Seyn meint, das sich durch den „Anspruch“ an die Sterblichen, die seine Botschaft an die anderen drei des Gevierts weiterleiten, in der Welt gibt, kann Heidegger schreiben, dass diese Stimmen heute nicht mehr „tönen“ könnten: Im Zeitalter der Technik verweigere sich das Seyn am meisten, und der Mensch habe kein Ohr mehr für dessen lautlose Stimme. Trotzdem „geht das Geschick den Menschen“ auch auf diese Weise „an“, und zwar „tonlos“323: Sogar die Technik ist nach Heidegger eine Weise der Entbergung des Seienden in seinem Sein, ein Geschick des Seyns. Wenn der Mensch das Wesen der Technik als denjenigen „Brauch“ des Menschenwesens durch das Sein selbst erführe, welcher der Vollendung der Metaphysik eigen ist, könnte er eine „freie“ (d. h. gemäße) „Beziehung“324 zur Technik einleiten und nicht mehr an der Vernichtung teilhaben, sondern wäre in der Lage, zur „Rettung“ des Seyns, zur Wiederherstellung des Heilen und daher zur Ankunft des kommenden Gottes beizutragen. Aus diesem Grund stellt Heidegger im SpiegelGespräch (1966) fest: „Nur noch ein Gott kann uns retten“. Die „Philosophie und 321

GA 65: 79; vgl. 78-80; Gonzalez 2008. Vgl. EH: 166-170. Heidegger zitiert oft die Verse aus der dritten Fassung von Hölderlins Versöhnender, der du nimmergeglaubt…: „Viel hat erfahren der Mensch. Der Himmlischen viele genannt, / Seit ein Gespräch wir sind / Und hören können voneinander.“ (H: 137), um das konstitutive Miteinandersein der Menschen sprachlich zu kennzeichnen. Aus den Schriften, die Heidegger Hölderlin gewidmet hat, lässt sich entnehmen, dass Heidegger das umfassendere Gespräch im Ereignis zirkelhaft folgendermaßen bestimmt: Dank ihres Sprachvermögens, das sich im sinnlichen Element der „Erde“ (im weiteren Sinne) verwirklicht, artikulieren die Sterblichen den Ruf des Seyns und geben ihn an die Göttlichen weiter. Durch diese (als Vermittler) erreicht der ursprüngliche Anspruch den Gott, der vom Himmel her als der Sichverbergende enthüllt wird, indem der Himmel die Weisungen des Gottes an die Sterblichen übermittelt, die dadurch das „Maß“ ihres Aufenthalts auf der Erde erhalten. Zur Sprache als dem Element, in dem die Entfaltung der Welt ausgehend vom Ding geschieht und durch das die Einheit des Gevierts gewährleistet wird, vgl. Steinmann 2008: 323-389. 323 EH: 178. 324 FT: 7. Diese Beziehung wird von Heidegger in dem Vortrag Gelassenheit (1955) dahingehend beschrieben, dass sie „gleichzeitig ‚ja‘ und ‚nein‘ […] zu den technischen Gegenständen“ sagt (GA 16: 527). Zum Übergang vom versklavenden Gebrauch der Technik zur befreienden Gelassenheit zu den Dingen und zu der Rolle, welche die Dichter in ihrem Verhältnis zum Göttlichen dabei spielen, vgl. Claxton 2019. 322

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Heidegger und die Gottesfrage der einzelne könnten nichts tun außer“ der „Vorbereitung der Bereitschaft des Sich-Offen-Haltens für die Ankunft oder das Ausbleiben des Gottes. […] Zu einer Vorbereitung der genannten Bereitschaft gehört die Besinnung auf das, was heute ist.“ „In dem, was das Eigenste der modernen Technik ausmacht, verbirgt sich gerade die Möglichkeit der Erfahrung, des Gebrauchtseins und des Bereitseins für […] neue Möglichkeiten.“325 Das Verständnis des heutigen Geschehens des Seyns sei unverzichtbar, um sich an das Wesen bzw. an die vergessene Wahrheit des Seyns zu erinnern und den „seynsgeschichtlichen A-theismus“326 zu überwinden. Heidegger nennt „seynsgeschichtlich“ den Mangel („A-“) am Göttlichen („-theismus“), der in der Abwesenheit des Gottes bestehe, die sich durch die Definition der Gottheit als das höchste Seiende während der Metaphysik durchgesetzt habe, weil er die Metaphysik als eine Epoche der Seynsgeschichte bestimmt, wobei er die „Epoche“ ausgehend vom Griechischen ἐποχή („Aussetzung“, „An-sich-Halten“ des Seyns) definiert.327 Mit der metaphysischen Seynsvergessenheit hänge die Gottlosigkeit zusammen, die Heidegger in der Ontotheologie, den offiziellen Kirchen und den öffentlichen Kulten erkennen will. Während Heidegger glaubt, dass sich nur ein „beredtes“ Schweigen auf das sich entziehende Seyn richten kann, kommt er immer mehr zu der Überzeugung, dass „der Gott […] gesagt und [zugleich] beschwiegen“ werden sollte. Das Denken, das „dem Anklang der Göttlichkeit des unsäglichen Gottes“ „die Offenbarkeit“328 zu bereiten vermag und das der späte Heidegger nicht mehr „Theo-logie“ zu nennen wagt, geht in die Religion über, vorausgesetzt, dass „religio“ einen λóγος bedeutet, der sich als die „Rück-versammlung, das zurück-

325

SG: 671-673. Vgl. GA 73.2: 1000, wo Heidegger präzisiert, dass sein Denken lediglich den Anspruch erhebt, ein „Bedenken zu erwecken“, ohne sich anzumaßen, das Verhältnis von Sein und Gott erklären zu können. Zu diesem Bedenken gehört auch die Rekonstruktion der „Vorgeschichte“ der „Gottschaft der Götter“ (vgl. GA 66: 242-245). 326 Zur Verteidigung Heideggers gegen den Vorwurf, sein Denken sei gott- und glaubenlos, da es die Metaphysik überwinden wolle („atheistisch“ sei vielmehr der metaphysische Gottesbegriff) vgl. GA 54: 166-167; GA 66: 249; GA 96: 23-24, Nr. 11; GA 98: 23, 230; GA 100: 89, 130; Remete 2015: 95; Vedder 2007: 27-29, 267, wo Heideggers Haltung als „pious atheism“ („frommer Atheismus“) bezeichnet wird. 327 Vgl. GA 14: 13-14; GA 82: 227, 260-264. 328 GA 100: 70. Vgl. GA 74: 131; Gadamer 1987: 331, wo die Meinung geäußert wird, dass Heidegger keine Antwort auf die Frage finde, „wie man von Gott reden könne“; er stelle aber diese Frage in einer solchen Weite, dass der Gottesbegriff der Philosophen und Theologen von ihm aus dem Spiel genommen werde. Anderer Ansicht ist Otto Pöggeler, der bemerkt, dass Heidegger über das Verhältnis zwischen der dem Heiligen angemessenen Sprache und dem Wortschatz der Theologie bis in die 1970er Jahre nachgedacht habe (vgl. Pöggelers Briefe an Heidegger vom 20.12.1973 und vom 14.11.1974 in Heidegger/Pöggeler 2021, 159, 164).

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Die „re-ligio“ im Denken des Ereignisses erlesende Bergen in die Götterstille“329 vollzieht. Das „Gebet“ dieses „Denkens“ erweist sich als ein „Sichsammeln“ auf die Bitte, „behütet zu sein in der Huld“330, weswegen es sich als ein „Ver-halten“ vollzieht, das Heidegger als untrennbar von der „Ge-lassenheit“ zum Seyn bzw. der Teilnahme am Geschehen von dessen Wahrheit im Geviert der Welt erachtet. 1947 weist Heidegger dem Denken seine eigene Aufgabe mit dem Vers zu: „Auf einen Stern zugehen …“. Dabei verleiht er dem „Licht des Seyns“331 einen Zug des Heiligen. Ende der 1950er Jahre spielt er nochmals auf die Zusammengehörigkeit von Seins- und Gottesfrage an, indem er den heutigen Menschen dazu auffordert, in die „Konstellation“ des Ereignisses hineinzublicken und sich auf ihr „Sternen-Spiel“ einzulassen. Dieses Spiel bricht den Lichtstrahl des „Welt-Sterns“, um ihn unfassbar zu machen, damit er immer neu untergehen und auferstehen kann. Sich auf dem Schweif eines Kometen zu setzen: Durch dieses Bild lässt sich Heideggers Botschaft veranschaulichen, die er der „kommenden“ Menschheit – uns – als das vermittelt, was es weiterzudenken gilt.

GA 100: 274. Heidegger spielt mit der ursprünglichen Bedeutung von „λóγος“ als „Lesen“, „Sammeln“, die er erwägt, indem er Heraklit auslegt. Vgl. dazu Gregorio 2021: 139-156. 330 GA 101: 166-167. 331 GA 13: 76; vgl. GA 81: 137. Heidegger lässt einen Stern an den Ausguss des Brunnens vor seiner Hütte in Todtnauberg setzen. Er verwendet die Metapher des Sterns besonders in den Schwarzen Heften der Jahre 1957–1959, in denen die Ausdrücke „Welt-Stern“, „Stern der Innigkeit“, „Stern der Fuge“, „Meerstern“, „Sternen-Blick“, „Sternen-Spiel“ auftauchen und auf den Stern von Bethlehem angespielt wird (vgl. GA 101: 52, 56, 62-63, 67, 118-120). 329

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Bibliographie a)

Schriften Heideggers

Die Werke Martin Heideggers, die im Rahmen der Gesamtausgabe bei Klostermann (Frankfurt am Main 1975 ff.) (abgekürzt mit GA) erschienen sind, werden mit Band- und Seitenzahl zitiert. Die dabei verwendeten Abkürzungen sind die folgenden: GA 1 = Frühe Schriften (2018), hg. von F.-W. von Herrmann (2. Auflage) GA 2 = Sein und Zeit (2018), hg. von F.-W. von Herrmann (2. Auflage) GA 4 = Erläuterungen zu Hölderlins Dichtung (2012), hg. von F.-W. von Herrmann (3. Auflage); darin enthalten: EH = ‚Hölderlins Erde und Himmel‘, 152-181 GA 5 = Holzwege (2003), hg. von F.-W. von Herrmann (2. Auflage); darin enthalten: ZW = ‚Die Zeit des Weltbildes‘, 75-113 NG = ‚Nietzsches Wort „Gott ist tot“‘, 209-267 GA 6.2 = Nietzsche II (1997), hg. von B. Schillbach GA 7 = Vorträge und Aufsätze (2000), hg. von F.-W. von Herrmann; darin enthalten: FT = ‚Die Frage nach der Technik‘, 5-36 GA 9 = Wegmarken (2004), hg. von F.-W. von Herrmann (3. Auflage); darin enthalten: PT = ‚Phänomenologie und Theologie‘, 45-78 HB = ‚Brief über den „Humanismus“‘, 313-364 GA 11 = Identität und Differenz (2006), hg. von F.-W. von Herrmann GA 12 = Unterwegs zur Sprache (2018), hg. von F.-W. von Herrmann (2. Auflage); darin enthalten: GS = ‚Aus einem Gespräch von der Sprache‘, 79-146

Bibliographie WS = ‚Der Weg zur Sprache‘, 227-257 GA 13 = Aus der Erfahrung des Denkens (1910–1976) (2002), hg. von H. Heidegger (2. Auflage) GA 14 = Zur Sache des Denkens (2007), hg. von F.-W. von Herrmann GA 16 = Reden und andere Zeugnisse eines Lebensweges (2000), hg. von H. Heidegger; darin enthalten: L = ‚Lebenslauf‘, 37-39 V = ‚Vita‘, 41-45 SG = ‚Spiegel-Gespräch mit Martin Heidegger‘, 652-683 GA 17 = Einführung in die phänomenologische Forschung (1994), hg. von F.-W. von Herrmann GA 20 = Prolegomena zur Geschichte des Zeitbegriffs (1994), hg. von P. Jaeger (3. Auflage) GA 23 = Geschichte der Philosophie von Thomas von Aquin bis Kant (2006), hg. von H. Vetter GA 24 = Die Grundprobleme der Phänomenologie (1997), hg. von F.-W. von Herrmann (3. Auflage) GA 32 = Hegels Phänomenologie des Geistes (1997), hg. von I. Görland (3. Auflage) GA 35 = Der Anfang der abendländischen Philosophie. Auslegung des Anaximander und Parmenides (2012), hg. von P. Trawny GA 36/37 = Sein und Wahrheit (2001), hg. von H. Tietjen GA 42 = Schelling: Vom Wesen der menschlichen Freiheit (1809) (1988), hg. von I. Schüßler GA 45 = Grundfragen der Philosophie. Ausgewählte „Probleme“ der „Logik“ (1992), hg. von F.-W. von Herrmann (2. Auflage)

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Heidegger und die Gottesfrage GA 46 = Zur Auslegung von Nietzsches II. Unzeitgemässer Betrachtung: „Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben“ (2003), hg. von H.-J. Friedrich GA 49 = Die Metaphysik des deutschen Idealismus (2003), hg. von G. Seubold GA 54 = Parmenides (2018), hg. von M.S. Frings (3. Auflage) GA 56/57 = Zur Bestimmung der Philosophie (1999), hg. von B. Heimbüchel (2. Auflage) GA 58 = Grundprobleme der Phänomenologie (2010), hg. von H.-H. Gander (2. Auflage) GA 59 = Phänomenologie der Anschauung und des Ausdrucks. Theorie der philosophischen Begriffsbildung (2007), hg. von C. Strube (2. Auflage) GA 60 = Phänomenologie des religiösen Lebens (2011), hg. von M. Jung, T. Regehly und C. Strube (2. Auflage) GA 61 = Phänomenologische Interpretationen zu Aristoteles. Einführung in die phänomenologische Forschung (1994), hg. von W. Bröcker und K. BröckerOltmanns (2. Auflage) GA 62 = Phänomenologische Interpretationen ausgewählter Abhandlungen des Aristoteles zur Ontologie und Logik (2005), hg. von G. Neumann GA 63 = Ontologie. Hermeneutik der Faktizität (2018), hg. von K. BröckerOltmanns (3. Auflage) GA 64 = Der Begriff der Zeit (2004), hg. von F.-W. von Herrmann GA 65 = Beiträge zur Philosohie (Vom Ereignis) (2003), hg. von F.-W. von Herrmann (3. Auflage) GA 66 = Besinnung (1997), hg. von F.-W. von Herrmann GA 73 = Zum Ereignis-Denken (2013), hg. von P. Trawny, 2 Bde. GA 74 = Zum Wesen der Sprache und Zur Frage nach der Kunst (2010), hg. von T. Regehly

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Bibliographie

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luterane

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Erkenntnistheorie

in

der

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104

Heidegger und die Gottesfrage

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106

Namenregister Alfieri, F.: 69 Anm. 267 Anaximander: 62 Anelli, A.: 11 Anm. 13 Ardovino, A.: 38 Anm. 133 Arendt, H.: 37 Anm. 125, 40 Anm. 138, 54 Anm. 191 Aristoteles: 15, 34, 37 mit Anm. 124 u. 126, 38 Anm. 128, 43 mit Anm. 147, 44, 45 Anm. 157 Arnold, C.: 15 Anm. 19 Augustinus, A.: 15f., 34, 37 mit Anm. 125f., 38 mit Anm. 127 u. 130, 39 mit Anm. 134f., 40 mit Anm. 138 u. 140, 41 Anm. 142, 43, 46, 48 Beaufret, J.: 33 Anm. 107, 64 Anm. 243 Bernhard von Clairvaux: 25 mit Anm. 69 Björk, M.: 12 Anm. 16 Blanton, W.: 12 Anm. 16 Bloch, E.: 43 Blochmann, E.: 9 Anm. 1, 18 Anm. 37, 20 Anm. 46, 32 Anm. 99f., 37 Anm. 125, 52 Anm. 189 Bonaventura da Bagnoregio: 17 Bonsor, J.A.: 11 Anm. 15 Brachtendorf, J.: 39 Anm. 135, 67 Anm. 260 Braig, C.: 18, 20 Brejdak, J.: 35 Anm. 111 Brentano, F.: 18 Brisart, R.: 46 Anm. 159 Brumlik, M.: 64 Anm. 243 Buber, M.: 59 mit Anm. 219 Bulo Vargas, V.: 77 Anm. 292

Bultmann, R.: 11 mit Anm. 10, 22 Anm. 55, 30 Anm. 92, 34 Anm. 109, 50 Anm. 182, 51 mit Anm. 185, 52 Anm. 188f., 55 mit Anm. 196 u. 198 Buren, J. van: 18 Anm. 34 Büchin, E.: 17 Anm. 32 Capelle, P.: 11 Anm. 14 Capobianco, R.: 63 Anm. 237 Caputo, A.: 28 Anm. 83f., 47 Anm. 163 Caputo, J.D.: 68 Anm. 266 Casper, B.: 11 Anm. 11, 15 Anm. 18 Cassinari, F.: 18 Anm. 34 Cattaneo, F.: 71 Anm. 270 Cercel, G.: 31 Anm. 97 Chighel, M.: 64 Anm. 243 Cimino, A.: 26 Anm. 76 Claxton, S.: 82 Anm. 324 Corbeil, Y.: 46 Anm. 159 Coriando, P.-L.: 74 Anm. 281 De Vitiis, P.: 29 Anm. 86 Demmerling, C.: 21 Anm. 54 Denker, A.: 9 Anm. 1, 11 Anm. 9 u. 11, 17 Anm. 31f., 20 Anm. 50, 22 Anm. 57, 24 Anm. 62 u. 64, 31 Anm. 96 Descartes, R.: 32, 39 Anm. 134, 45, 46 mit Anm. 158, 65 Anm. 246 Di Cesare, D.: 68f. Anm. 267 Dibelius, M.: 34 Anm. 109 Dilthey, W.: 19, 20 mit Anm. 46, 32 Anm. 100, 35 Anm. 113, 41 Anm. 142 Dostojewskij, F.M.: 19 Drewniak, T.: 62 Anm. 232

Namensregister

Duns Scotus, J.: 20 mit Anm. 50, 21, 23, 24 Anm. 62 Dunshirn, A.: 63 Anm. 234

Hebbel, F.: 6 Hegel, G.W.F.: 20 mit Anm. 47, 21 Anm. 51, 22 mit Anm. 57, 23, 27, 32 Anm. 100 Heidegger, F.: 15 Anm. 17 Heidegger, Heinrich: 30 Anm. 92, 34 Anm. 108 Heidegger, Hermann: 30 Anm. 92 Heidegger, J.H.: 15 Anm. 17 Heimann, M.: 76 Anm. 289 Helting, H.: 25 Anm. 68 Heraklit: 74 Anm. 282, 84 Anm. 329 Herrmann, F.-W. von: 33 Anm. 104, 38 Anm. 127f., 45 Anm. 154, 48 Anm. 172f., 53 Anm. 190, 69 Anm. 267, 74 Anm. 281 Höfner, M.: 35 Anm. 111 Hölderlin, F.: 10, 12 Anm. 16, 53, 54 mit Anm. 191, 66, 67 Anm. 260, 71 Anm. 269, 74 Anm. 282, 79 Anm. 303 u. 307, 80 mit Anm. 315, 81 mit Anm. 316 u. 318, 82 mit Anm. 322 Husserl, E.: 18, 19 mit Anm. 40, 23f., 24f., 30, 31 Anm. 93, 32, 35, 38 Anm. 127 Hyginus, G.I.: 47

Eckhart von Hochheim: 23f., 25 Anm. 68, 79 Anm. 305 Esposito, C.: 38 Anm. 127, 45 Anm. 156, 47 Anm. 163, 72 Anm. 276 Fehér, I.M.: 32 Anm. 100, 33 Anm. 105 u. 107, 44 Anm. 150, 48 Anm. 169, 50 Anm. 180, 64 Anm. 241 Figal, G.: 43 Anm. 145 u. 147, 74 Anm. 280 Finke, H.: 20 Fischer, M.: 35 Anm. 114 Fischer, N.: 37 Anm. 125 Förster, F.W.: 16 Franz von Assisi: 16f. Gadamer, H.-G.: 33 mit Anm. 106, 43 Anm. 147, 83 Anm. 328 Gethmann-Siefert, A.: 11 Anm. 14 Giannetto, E.: 80 Anm. 310 Giorgio, G.: 72 Anm. 274 Gogarten, F.: 59 mit Anm. 221, 60 Gonzalez, F.: 81 Anm. 321 Gorgone, S.: 37 Anm. 124 Grabmann, M.: 23f., 24 Anm. 64 Gredt, J.: 15 Anm. 18 Gregorio, G.: 84 Anm. 329 Großmann, A.: 11 Anm. 15 Guardini, R.: 22 Anm. 57 Günther, H.-C.: 63 Anm. 234

Jacobi, C.: 36 Anm. 121 James, W.: 28 mit Anm. 85, 29 Jaspers, K.: 31 Anm. 95, 56 mit Anm. 204, 57 mit Anm. 206, 67 mit Anm. 263 Jonas, H.: 12 Anm. 16 Jörgensen, J.: 16 Jung, C.G.: 59 Anm. 218 Jung, M.: 50 Anm. 182

Haar, M.: 37 Anm. 124 Harman, G.: 80 Anm. 309 Harnack, A. von: 41 Anm. 142, 60, 61 mit Anm. 227 Harries, K.: 10 Anm. 6

Kaiser-el-Safti, M.: 19 Anm. 40 Kant, I.: 20f., 23, 37 mit Anm. 126, 44, 58 Anm. 214, 64 Anm. 241

108

Heidegger und die Gottesfrage

Kearney, R.: 11 Anm. 12 Kerényi, K.: 62 Anm. 232 Kierkegaard, S.: 12 Anm. 16, 19, 22 mit Anm. 55, 46, 56 mit Anm. 204, 57 mit Anm. 205 u. 209, 58 Kisiel, T.: 33 Anm. 105, 35 Anm. 113 Kovacs, G.: 11 Anm. 12 Krebs, E.: 9 Anm. 1, 23, 30 Anm. 91, 31 mit Anm. 96f. Krummel, W.M.: 75 Anm. 286 Kuhlmann, G.: 11 Anm. 10

Neumann, G.: 48 Anm. 168, 65 Anm. 247 u. 251, 77 Anm. 296 Nietzsche, F.: 16 mit Anm. 21, 17 mit Anm. 30, 19, 32 Anm. 100, 40 Anm. 138, 55, 60, 61 Anm. 226, 64, 66, 67 Anm. 260 u. 262, 68 Nohl, H.: 20 O’Leary, J.S.: 11 Anm. 12 O’Regan, C.: 11 Anm. 15 Ott, H.: 11 Anm. 14, 31 Anm. 97 Otto, R.: 28 mit Anm. 83f., 29f., 71 Anm. 270 Overbeck, F.: 19, 55 mit Anm. 194, 60

Lapidot, L.: 64 Anm. 243 Lask, E.: 21 mit Anm. 54 Laslowski, E.: 9 Anm. 1, 17 Anm. 31 Leibniz, G.W.: 65 Anm. 247 Lilie, F.: 32 Anm. 102 Löwith, K.: 11 mit Anm. 10, 33 mit Anm. 105, 44 Anm. 150, 57 Anm. 207 Luther, M.: 12 Anm. 16, 22 mit Anm. 55, 25 Anm. 69, 30 mit Anm. 92, 32 Anm. 100, 40 Anm. 141, 41, 44, 46, 49, 57 Anm. 210

Parmenides: 62, 63 mit Anm. 234, 78 Anm. 298 Pascal, B.: 65 Anm. 246 Pattison, G.: 12 Anm. 16 Paulus von Tarsus: 12 Anm. 16, 34, 35 Anm. 111, 37 Anm. 124, 39 Anm. 135, 40f., 43, 48, 67 Petri, E.: 9 Anm. 1 u. 3, 15 Anm. 17, 18 mit Anm. 35 u. 37f., 24 Anm. 65ff., 30 mit Anm. 91, 40 Anm. 141 Pietropaoli, M.: 49 Anm. 178 Pindar: 63 mit Anm. 235 Pius X.: 15 Platon: 59 Anm. 217, 63 mit Anm. 237, 64 Plotin: 71 Poggi, S.: 21 Anm. 52f. Pöggeler, O.: 11 Anm. 14, 24 Anm. 67, 51 Anm. 185, 52 Anm. 188, 83 Anm. 328 Pöltner, G.: 51 Anm. 184 Przywara, E.: 11 mit Anm. 10

Magris, A.: 72 Anm. 273 Marafioti, R.M.: 19 Anm. 40, 20 Anm. 50, 45 Anm. 157, 47 Anm. 164, 67 Anm. 262 Marion, J.-L.: 11 Anm. 12 Medzech, M.: 67 Anm. 262 Mikecin, I.: 63 Anm. 234 Molinaro, A.: 35 Anm. 111 Moore, A.: 25 Anm. 68 Müller, M.: 48 Müller-Lauter, W.: 67 Anm. 259 Natorp, P.: 27 Anm. 79, 29 Anm. 90, 32 Anm. 100, 44

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Namensregister

Reinach, A.: 27 mit Anm. 80, 28 mit Anm. 81 Remete, G.: 83 Anm. 326 Resta, C.: 76 Anm. 291 Rickert, H.: 19, 20 mit Anm. 49, 21 mit Anm. 54, 24, 29 Anm. 90, 31 mit Anm. 94f. Ricœur, P.: 64 Anm. 243 Rilke, R.M.: 9, 54 Anm. 191, 73 Anm. 277 Rohr, W. von: 25 Anm. 69 Ruin, H.: 12 Anm. 16

Teresa von Ávila: 26 Tezuka, T.: 10 Thomas von Aquin: 15, 21 Anm. 52, 24 Anm. 62, 59 Anm. 217 Thonhauser, G.: 57 Anm. 209 Thurnher, R.: 48 Anm. 173 Tommasi, R.: 49 Anm. 176 Trakl, G.: 79 Anm. 303 Trawny, P.: 69 Anm. 267 Troeltsch, E.: 28f., 29 mit Anm. 86f., 30, 59 mit Anm. 220 Vattimo, G.: 12 Anm. 16 Vedder, B.: 83 Anm. 326 Venezia, S.: 73 Anm. 277 Vetter, H.: 16 Anm. 21 Vinco, R.: 79 Anm. 305 Viscomi, M.: 75 Anm. 286 Voegelin, E.: 60 Anm. 224 Volpi, F.: 43 Anm. 147

Sauer J.: 24 Anm. 62 Schaber, J.: 15 Anm. 19 Schelling, F.W.J.: 20, 32 Anm. 100, 72 Anm. 276 Schleiermacher, F.: 20 Anm. 46, 32 Anm. 100 Schüßler, I.: 65 Anm. 244 Schweitzer, A.: 34 Anm. 110 Seneca, L.A.: 46, 47 mit Anm. 163 Seubold, G.: 37 Anm. 124 Silesius, A.: 71 Stagi, P.: 9 Anm. 2, 11 Anm. 13, 27 Anm. 80, 30 Anm. 92, 34 Anm. 108, 35 Anm. 114, 58 Anm. 212, 61 Anm. 228 Steinmann, M.: 82 Anm. 322 Stern-Anders, G.: 54 Anm. 191 Strube, C.: 11 Anm. 12, 20 Anm. 47 Strummiello, G.: 71 Anm. 269 Surace, V.: 22 Anm. 55 Svenungsson, J.: 12 Anm. 16

Weizsäcker, C.F. von: 59 Anm. 222 Werner, L.: 19 Anm. 40 Wildermuth, A.: 11 Anm. 15 Wilhelm von Ockham: 20 Windelband, W.: 28 mit Anm. 83, 29 mit Anm. 90 Wolfe, J.: 11 Anm. 14, 37 Anm. 124, 58 Anm. 211 Zaborowski, H.: 9 Anm. 1, 11 Anm. 9, 17 Anm. 31, 22 Anm. 57, 24 Anm. 62 u. 64, 31 Anm. 96f., 67 Anm. 262 Zahavi, D.: 27 Anm. 79 Zarader, M.: 64 Anm. 243

110