Heer und Völkerschicksal: Betrachtung der Weltgeschichte vom Standpunkt des Soldaten [2., verm. Aufl. Reprint 2019] 9783486769852, 9783486769845

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Heer und Völkerschicksal: Betrachtung der Weltgeschichte vom Standpunkt des Soldaten [2., verm. Aufl. Reprint 2019]
 9783486769852, 9783486769845

Table of contents :
Vorwort zur zweiten Auflage
Inhaltsverzeichnis
I. Teil. Einleitung. Alte und neue Quellen. Allgemeines
II. Teil. Asien, Ägypten und Griechenland
III. Teil. Die Römer und ihre Gegner. Völkerwanderung. Byzanz und Islam
IV. Teil. Feudalzeit. Ritter und Landsknechte. Wehrhaftes Bürgertum
V. Teil. Übergangszeit vom Mittelalter zur Neuzeit. Osteuropa
VI. Teil. Berufsheere und Lineartaktik. Friedrich und Napoleon
VII. Teil. Das Jahrhundert der Freiheits- und Einigungs-Kämpfe
VIII. Teil. Der Welt-Krieg
IX. Teil. Militärische Entwickelung Ostasiens
Schlußbetrachtung
Anlagen
Nachträge

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tJoifccsttiictsnl Betrachtung der Weltgeschichte vom Standpunkt des Soldaten

Alfred von Pawlikowski-Cholewa Hauptmann a. D.

Ml einem Anhang von 31 Skizzen

Zweite, vermehrte Auflage

München nnd Berlin 1936

Verlag von R. Oldenbourg

Copyright 1936 by R. Oldenbourg, München und Berlin Druck von R. Oldenbourg, München und Berlin

Vorwort zur zweiten Auflage. Die erste Auflage dieses Werkes hat im In- und Auslande verständnisvolle Aus­ nahme gefunden. Es wurde übereinstimmend anerkannt, daß tatsächlich eine Lücke in der Weltgeschichtschreibung bestehe, die fortgesetztvonKriegen spricht, ohne ein klares Bild von den beteiligten Heeren und von den taktischen und strategischen Gründen der geschilderten Ereignisse zu geben. Mein Versuch, diese Lücke aus­ zufüllen, d. h. unter Verzicht auf die Erörterung von Problemen der Allgemein­ heit kurz und übersichtlich das Verständnis der von der Weltgeschichte berichteten Kriegshandlungen durch Erläuterung der Organisation, Ausstellung und Kampsesweise früherer Heere zu erleichtern oder überhaupt erst zu ermöglichen, wurde in den Kritiken wie in zahlreichen Zuschriften zustimmend begrüßt. Das Buch sagt in der Einleitung, daß es nicht eine gelehrte Weltgeschichte sein, sondern militärische Beiträge zur Weltgeschichte („eine Be­ trachtung der Weltgeschichte") liefern will. Auf das Militärische sich beschrän­ kend gibt es ein aus hunderten von militärischen und nichtmilitärischen Einzel­ werken zusammengetragenes übersichtliches Gesamtbild und erörtert soziale Verhältnisse nur insoweit, als es zum Verständnis der militärischen Dinge ab­ solut erforderlich ist. Unzweifelhaft könnte das Thema durch Berücksichtigung der Verfassungsgeschichte der Staaten und durch Erörterung der Verflochten­ heit und gegenseitigen Abhängigkeit von Staats- und Heeresverfassung noch sehr vertieft werden, das ist und bleibt aber Aufgabe der Historiker. Es würde sich vom eigentlichen Zwecke des Buches entfernen und über den Nahmen der vom Soldaten zu liefernden militärischen Beiträge hinausgehen. Bei einem sich mit der ganzen geschichtlichen Zeit und mit allen geschicht­ lich bekannten Völkern befassenden Werke waren Ratschläge, kritische Bemer­ kungen und Berichtigungen vorauszusehen. Die unverändert bleibende Schluß­ bemerkung aus Seite 463 beweist, daß der ernste Wille besteht, nur objektiv Richtiges zu berichten und daß jede wohlmeinende Hilfe dabei willkommen ist. Die kritischen Bemerkungen betrafen fast ausnahmslos das heikle Kapitel Weltkrieg, und es ist zuzugeben, daß dieses Kapitel zu sehr vom Standpunkte des Reichsdeutschen für Reichsdeutsche, d. h. unter zu geringer Berücksichtigung der Leistungen unseres damaligen österreichisch-ungarischen Verbündeten, ge­ schrieben war. Die diesbezüglichen Bemerkungen des deutschen Mil.-Woch.-Bl. haben bereitwilligst durch Änderungen int Text (S. 394, 398, 410—413, 416) Berücksichtigung gesunden, die wohl auch jenseits der Grenze befriedigen werden. Die 2. Auflage bringt außerdem Nachträge zu den Seiten 18, 142, 155, 158, 161/62 und 206, die sich am Schlüsse des Buches befinden. Ein Werk wie das vor­ liegende kann nicht darauf Anspruch machen, schon auf den ersten Wurf vollständig und abschließend zu sein. Die Erforschung der Geschichte wird auch in militärischer Hinsicht unsere Erkenntnis erweitern. Den freundlichen Helfern sei herzlich gedankt. Rahlstedt, im April 1936.

Alfred von Pawlikowski-Cholewa.

„Kaum ein Kreis irdischer Interessen prägt so scharf die Besonderheit der Jeitbildung aus als das Heer und die Methode der Kriegführung." Gustav Freylag

Inhaltsverzeichnis I.Teil. Allgemeines. Einleitung. Bedeutung der militärischen Mitarbeit für das Verständnis der Geschichte. Überraschende Feststellungen beim Quellenstudium . Alte geschichtliche Quellen............................................................................. Neuere Quellen................................................................................................. Abschnitte der militärischen Entwicklung bezüglich der Kampf­ formation, Bewaffnung, Verwendung von Tieren und bezüglich der Kampfesweise.............................................................................................

Seite 1—7 8—9 10—15

15—20

II. Teil. Asien, Ägypten und Griechenland. Entwicklung und Organisation Chinas seit 2400 v. Chr............................ Geschlechterstaat, Shogunat und Heer in Alt-Jap an. Bushido als Ur­ sache seiner militärischen Erfolge............................................................. Herkunft und Organisation der Hunnen. Geschichtlicher Hintergrund der Nibelungensage............................................................................................. Die Heere Dschengis-Chans und Timurs und ihre Kampfesweise . Die militärische Geschichte Indiens. Politische Ohnmacht bei hohem Kulturstande.................................................................................................. Das Heer der Juden. Einfluß des Handelsgeistes auf Heer und Macht­ stellung .......................................................................................................... Die Vorherrschaft Assyriens als Folge seiner Wehrhaftigkeit und Kriegs­ kunst. Überraschende Ähnlichkeiten mit heutigen Einrichtungen . . . Kriegstüchtigkeit der Skyten. IndianischeSitten bei ihnen................... Das alte Ägypten. Seine politische und militärische Organisation mit ganz neuzeitlicher Heereseinteilung......................................................... Die alten Perser. Thymbra als Urvorbild von Cannä........................ Organisation und Kriegskunst Griechenlands. Militärische Tüchtigkeit und hohe Kultur ohne Nationalbewußtsein........................................ Das Heer Alexanders d. Gr. Neuzeitliche Formationen und neuzeitliche Kampfesweise. Gaugamela das Vorbildfür Leuthen.......................

21—25 25—31 31—33 34—37 37—42 42—45 45—49 49—50 51—57 57—60 60—66 u. 74 66—73

III. Teil. Die Römer und ihre Gegner. Völkerwanderung. Byzanz und Islam. Der römische Militärstaat mit zielbewußt fortschreitender Entwicklung bis zum erreichbaren Höhepunkt.............................................................75—95 Hanni bal und Karthago. Die rein kaufmännische Einstellung des Staates als Ursache seines Unterganges. Cannä das Vorbild f. Tannenberg 78—86 Das Heer der Part her und seine Kampfesweise.....................................95—97 Organisation und Kampfesweise der Kelten und Germanen. . . . 97—102 Wirkliche Ursachen des Verfalls des römischen Weltreiches .... 102—109

VI

Inhaltsverzeichnis. Seite

Die germanischen Reiche der Völkerwanderung. Die Gründe ihres Untergangs................................................................................................. 109—114 Das byzantinisch-oströmische Kaiserreich. Seine militärische Or­ ganisation und die Gründe seiner Dauerhaftigkeit.................................114—121 Alt-Bulgarien und Alt-Serbien. Politische Erfolge als Früchte ihrer Kriegstüchtigkeit......................................................................................... 121—124 Das neupersische Reich als Erbe mazedonischer und parthischer Erfah­ rungen .......................................................................................................... 124—125 Der Islam. Organisation, Kampfesweise und Kultur der Araber. Islami­ tische Toleranz und christliche Intoleranz.............................................126—133 Das arabisch-maurische Reich in Spanien. Hohe Kultur und vor­ bildliche militärische Einrichtungen.........................................................133—138

IV. Teil. Feudalzeit. Staatliche Ohnmacht und wehrhaftes Bürger­ tum. Die „frommen" Landsknechte. Allodial-, Feudal- und Senioratswesen. Dienstmannen und Va­ sallen .............................................................................................................. 139—140 Der Aufstieg der Franken. Germanische Tapferkeit und römische Kriegs­ erfahrung. Sachsen und Awaren als Gegner der Franken . . . 140—146 Entstehung des Rittertums aus Leudes, Ministerialen und Vasallen. Freiheit und Hörigkeit nach altdeutscher Auffassung. Zerstörung der deutschen Wehrhaftigkeit durch die Gesetze Friedrich Barbarossas . . 146—153 Die Kreuzzüge. Ihr Mißerfolg als Folge mangelhafter Organisation. Beurteilung der Fechtweise von arabischer Seite. Die Seldschucken 153—157 Die Heere der Ritterzeit und ihre Kampfesweise.................................157—160 Der Deutsche Orden. Ursachen seines Aufstiegs und Niedergangs . . 160—162 Die deutsche Hanse als Instrument deutscher Seegeltung. Kriegs­ schiffe und Schiffsgesehe.............................................................................162—167 Kriegsverfassung der deutschen Städte............................................. 167—170 Wiederauftreten einer Infanterie. Flandrische Bürger, Schweizer Eidgenossen und deren Erfolge gegenüber der Ritterschaft................ 170—176 Ubergangsformationen in Frankreich und Burgund. Die alt­ deutsche Gleve; Ordonnanzkompanien und fr an cs archers. Deren Unterliegen gegen die Schweizer............................................................. 176—181 Auftreten der Feuerwaffen. Bogen, Armbrust und couleuvrine. Bornbarden, Tarrasbüchsen und Tarras-Streitwagen.....................................181—184 Hussitische Wagenburgen und Kampfesweise. Wehrlosigkeit der Feudal­ heere .............................................................................................................. 185—191 Organisation und Kampfesweise der Landsknechte .............................191—195 Italien im Mittelalter. Kondottieri-Wesen und Kampf um Ober-Italien 196—199 Entstehung des spanischen Staates und Heeres im Kampfe mit Arabern und Mauren.................................................................................................. 199—204

V. Teil. Die osteuropäischen Staaten. Übergangszeit vom Mittel­ alter zur Neuzeit. Militärische Organisation der Osmanen. Ursachen ihres Verfalls . . 205—211 Die Ungarn und ihre Banderien-Organisation. Huszaren und Haiducken 211—216 Der polnische Staat. Seine Szlachta und sein Heer. Ursachen des Ver­ falls..................................................................................................................216—221 Das altrussische Heer bis zur Zeit Peters d. Gr.................................... 221—226

Inhaltsverzeichnis.

V11 Seite

Militärischer Zustand Dänemarks bis zum Dreißigjährigen Kriege. Glefe, Naßdienst und Skibsreede............................................................. 226—229 Schmalkaldischer Krieg und Reichsexekutionsordnung................ 229—231 Neuorganisation der Neiterei in den Hugenottenkriegen. Neitres und Karakol.......................................................................................................... 231—233 Freiheitskampf der Niederlande. Wiederauferstehen des cäsarischen Heeres und seiner Fechtweise................................................................. 233—236 Der Dreißigjährige Krieg. Die Franzosen als tertius gaudens und ent­ scheidender Faktor..................................................................................... 237—254 Der schwedische Militärstaat und Gustav Adolf................................ 23S—240 Das kaiserliche Heer und die Liga............................................................. 241—242 Die Heere der Neichsfürsten ................................................................. 242—245 Feuerexerzitium kaiserlicher Musketiere. Die Artillerie. Organisation und Fechtweise der Neiterei um das Jahr 1600 ............................. 245—249 Zusammenstoß schwedischer und spanischer Taktik. Breitenfeld und Lützen. Rückkehr zur Monophalanx Kaiser Leos........................ 250—254 Altenglisches Heer und englische Revolution......................................... 254—257

VI. Teil. Berufsheere und Lineartakttk. Friedrich und Napoleon. Entstehung des modernen Heeres in Frankreich und seine Benutzung zur Aufrichtung französischer Vorherrschaft............................................ 258—264 Heeresorganisation Brandenburgs unter dem Großen Kurfürsten und deren Schwierigkeiten................................................................................. 264—269 Friedrich Wilhelm I., der Schöpfer des preußischen Heeres................ 270—277 Gleichzeitige Verhältnisse in Österreich, Frankreich, Rußland, Schwe­ den und im Reiche..................................................................................... 277—292 Das Heer Friedrichs d. Gr. und seine Kriegskunst................................ 293—303 Die französischen Revolutionsheere und die Arsache ihrer Erfolge 303—309 Wirkliche Gründe des preußischen Zusammenbruchs 1806 .... 309—312 Napoleonische Kriegskunst. Organisation und Taktik seines Heeres . 312—315 Die Lage 1813/14. Beiderseitige Heeresverhältnisse und beiderseitiges Verfahren. Arsachen der Niederlage Napoleons................................ 316—320 Entwicklung des englischen Heeres bis zur Zeit Napoleons.................... 320—322

VII. Teil. Das Jahrhundert der Freiheits- und Einigungskriege. Miliz oder reguläres Heer..................................................................... 323—324 Amerikanische Heeresverhältnisse zur Zeit der Revolution. Washingtons Verfahren und Steubens Schwierigkeiten............................................. 324—333 Der Freiheitskampf der Spanier und ihr Heer................................. 334—338 Der Volkskrieg in Tirol 1809. Gründe der Erfolge und Mißerfolge 338—343 Freiheitskampf Griechenlands 1821—1828 ......................................... 344—347 Polnischer Aufstand 1830/31 und die Gründe seines Scheiterns . . . 347—351 Der „kranke Mann am Bosporus" und seine Ärzte. Ende der Ianitscharen. Mehemet Ali. Langsame Gesundung des türkischen Heeres 351—360 Die italienischen Einigungskriege. Piemonts Entwicklung zum italieni­ schen Staate und sein Heer..................................................................... 360—366 Nordamerikanischer Sezessionskrieg 1861—65. Arsachen der militäri­ schen Erfolge der Südstaaten..................................................................... 366—371 Südamerikanischer Krieg 1864—68. Überraschende militärische Lei­ stungen Paraguays im Kampfe mit der Koalition Brasilien, Argentina, Uruguay...................................................................................................... 371—373

VIII

Inhaltsverzeichnis. Seite

Die deutschen Einigungskriege 1866 und 1870/71. Organisation und Kampfesweise der beiden Gegner. Molttes Kriegskunst. Die Ursachen der preußisch-deutschen Siege nach dem Urteil des Auslandes .... 373—380 Die Befreiung der Balk anstauten und ihre Heeresorganisation . . 380—388 Der Burentrieg und Burentaktit......................................................... 389—392 Vin. Teil. Der Weltkrieg. Militärische und politische Lage vor Ausbruch des Krieges .... 393—395 Stärke und Organisation der Heere der beiden Mächtegruppen. Ihre Vorzüge und Mängel................................................................................. 395—407 Beiderseitige Lage und beiderseitige Erwägungen bei Ausbruch des Krieges......................................................................................................... 407—408 Der Schlieffensche Operationsplan. Folgen seiner Abänderung. Verfahren Deutschlands im ersten Teil des Krieges......................... 408—411 Der Verlauf im Osten.................................................................................411—413 Kurze Darstellung des Verlaufs im Süd osten und Süden. Gallipoli, Serbien, Isonzo und Rumänien............................................................. 414—417 Der Stellungskampf irrt Westen und seine Technik. Befreiungsversuche und deutsche Versäumnisse. Verdun. Auferstehung des alten Sichel­ wagens in neuer Gestalt.............................................................................418—426 Entscheidende Ursachen des Kriegsausgangs. War ein anderer Aus­ gang möglich?............................................................................................. 427—430 Die Heere der Großstaaten nach dem Kriege............................................. 430—431 IX. Teil. Militärische Entwicklung Ostasiens. Militärische Entwicklung Japans nach Beseitigung des Shogunats . . Militärische Zustände in China am Ausgang des 19. Jahrhunderts . . Japanisch-chinesischer Krieg 1894/95 ..................................................... Organisation Chinas unter den Mandschu-Kaisern. Drangsalierung als Folge militärischer Ohnmacht..................................................................... Der Boxerkrieg und seine Ursachen......................................................... Kampf Japans mit Rußland um die Hegemonie in Ostasien . . . Weitere Entwicklung Japans. Politische und militärische Organisation Rordchinas................................................................................................. China nach dem Voxerkrieg............................................................................. Japans weitere Pläne und ihre Aussichten.........................................

432—434 434—436 437—438 438—440 441—445 446—454 454—456 456—453 458—460

Schlutzbetrachtung. Anlagen (31 Skizzen)........................................................................................... 465—480

Wir Toten, wir Toten sind größere Heere Als ihr auf der Erde, als ihr auf dem Meere. Wir pflügten das Feld mit geduldigen Taten, Ihr schwinget die Sicheln und schneidet die Saaten. Wir suchen noch immer die irdischen Ziele, Drum ehret und opfert, denn unser sind viele! Conr. Ferd. Meyer.

I. Teil.

Einleitung. Alte und neue Quellen. Allgemeines. Einleitung. Volk und Heer waren schon in den ältesten Zeiten gar nicht voneinander zu trennen. Die Erreichung wirtschaftlicher Ziele war stets davon abhängig, daß man sich militärisch behaupten konnte- das Zusammenfinden der Stämme und Völker und die ersten Gesetze dienten einstmals überall weit weniger wirt­ schaftlichen als militärischen Zwecken. Nicht die Menschenzahl und Kultur eines Volkes, sondern seine Wehrhaftigkeit, d. h. seine militärische Organisation, seine Tapferkeit und Kriegskunst, waren zu allen Zeiten maßgebend für seine Selb­ ständigkeit und seine wirtschaftliche Lage. Ein altes arabisches Sprichwort sagt: „Das Schwert vermag mehr, denn Gerechtigkeit und Wissenschaft." Die Kriege waren durchaus nicht immer kulturzerstörend, sondern sehr oft auch kultursördernd, weil sie die Tatkraft der Menschen auf das höchste anspornten und sie zum Nachdenken bezüglich der Benutzbarkeit ihrer Mittel anregten. Fleiß und Tüchtigkeit, Ordnung und Friedfertigkeit können allein niemals die Selbständigkeit eines Staates sichern, sondern nur Wehrhaftigkeit und Kriegs­ kunst. Ohne diese fordern die vorgenannten guten Eigenschaften nur die Be­ gehrlichkeit und die Einmischung stärkerer Nachbarn heraus. Wirtschaftliche Blüte und hohe Kultur werden anderen tributpflichtig, wenn sie nicht durch erhöhte Wehrhaftigkeit, gute Organisation und überlegene Kriegskunst ver­ teidigt werden. Zur Wehrhaftigkeit gehört aber nicht allein der Wille eines Volkes, für seine Freiheit und seine Lebensinteressen im Notfälle mit der Waffe in der Hand einzutreten, sondern auch eine jedem möglichen Gegner mindestens gleich­ wertige militärische Ausbildung und eine niemals, d. h. auch bei Nacht und in den Aufregungen der Schlacht nicht versagende feste Disziplin, die nur durch eine lange Gewöhnung, d. h. nur durch eine möglichst lange aktive Dienstzeit bei der Fahne zu erreichen ist. Man kann in einigen Monaten einem nicht allzu begriffsstutzigen Manne wohl die nötigen Handgriffe und Bewegungen bei­ bringen, ein wirklicher Feldsoldat ist er dann aber noch lange nicht. Es ist eine von Pawlikowski-Cholewa, Heer und Völkerschicksal.

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I. Einleitung. Alte und neue Quellen. Allgemeines.

sehr gefährliche Selbsttäuschung, anzunehmen, daß ein entschlossenes, von Vaterlandsliebe getragenes Milizheer einem in langer Dienstzeit ausgebildeten Heere, oder gar einem Berufsheere, gewachsen sei. Wirklich wehrhaft ist ein Volk erst dann, wenn es nicht nur not­ dürftig, sondern ganz vorzüglich militärisch ausgebildet, gut bewaffnet, gut geführt und an eiserne Disziplin selbst in schwierigster Lage gewöhnt ist. An ein solches Volk wagt sich niemand so leicht heran. Wehe aber den Wehrlosen mit dem Wahlspruch: „Nie wieder Krieg." Der Pazifist ist nicht nur ein Utopist, sondern sogar der Feind seines Volkes, weil er bemüht ist, dessen Wehrhaftig­ keit zu zerstören. Man braucht deshalb noch lange nicht den Krieg zu wollen, der andere soll sich aber fürchten, ihn mit uns anzufangen oder uns respektlos zu behandeln. Sir Jan Hamilton hat ganz recht, wenn er sagt: „Mit unserer antimilitaristischen Erziehung marschieren wir direkt in den Fußstapsen Chinas, das schon vor 1000 Jahren so schlau war, zu finden, daß der Krieg ein Über­ bleibsel barbarischer Zeiten sei. — So ward es zum Kriegsschauplatz für fremde Mächte. Si vis pacem, para bellum." Die Notwendigkeit, im Kriegsfalle selbständig zu denken und zu handeln, ist jetzt nicht nur schon bei jedem Unterführer, sondern sogar schon beim einfachen Soldaten angelangt. Für die Leistungen eines Heeres ist jetzt nicht mehr nur der Drill und die Disziplin seiner Soldaten maßgebend, sondern auch die In­ telligenz jedes einzelnen Mannes. Er soll seine Pflicht nicht mehr nur deshalb als Untergebener tun, weil der Vorgesetzte es befiehlt, sondern mit Überlegung und in dem Bewußtsein, daß es auf seine persönliche Leistung ankommt, und daß er als gleich geachteter und gleich interessierter Staatsbürger zur Verteidigung des Vaterlandes mit reich und arm in Neih und Glied steht. Auch der ärmste Volksgenosse muß einsehen, daß er nicht Kanonenfutter für fremde Interessen ist, und daß Besehlsgewalt und Subordination nicht Tyrannei sind, sondern daß sein eigenes Schicksal von dem seines Vaterlandes abhängt, er also nicht nur für seine Heimat und seine Familie, sondern auch für sein eigenes Wohlergehen wehrhaft sein muß, und daß ohne straffste Disziplin auch das freieste Volk keinen Erfolg erzielen kann. Das jämmerliche Schlagwort: „Nie wieder Krieg", d. h. wehre dich nicht, auch wenn du noch so sehr getreten wirst, muß im ganzen Volke wieder ersetzt werden durch die Überzeugung: „Wenn du Frieden haben willst, so bereite dich aus den Krieg vor, denn es kann der Beste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt." Heute ist ein alter Spruch aus dem 16. Jahrhundert wieder sehr aktuell geworden, der da lautete: „Wer jetzig Zeiten leben will, muß haben ein tapferes Herze, es hat der argen Feind so viel, bereiten großen Schmerze. Da heißt es stehn wohl unverzagt in seiner blanken Wehre, daß sich der Feind nicht an uns wagt, es geht um Gut und Ehre." Das sollen nicht Schlagworte sein, sondern Überzeugungen werden. Solche Überzeugungen gewinnt man nur durch Erfahrungen, und diese Erfahrungen können wir nicht nur aus unserer eigenen jüngsten Vergangenheit schöpfen, sondern auch aus der Geschichte aller Völker und Zeiten, die uns lehrt, daß noch

Einleitung.

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nie ein Volk hat bestehen können, das nicht wehrhaft war, daß aber wirklich wehrhafte Völker nicht nur zu allen Zeiten hochgeachtet gewesen sind, sondern auch ihrem Lande hohe Kultur und wirtschaftliche Blüte brachten. Die Geschichte des Kriegswesens und der Kriegskunst ist die Geschichte der Menschheit, militärische Organisation und Kriegskunst sind aber weit älter als die Kriegsgeschichte. Die ältesten bildlichen und schriftlichen Überlieferungen sind noch keine 5000 Jahre alt, um diese Zeit stoßen wir aber schon an verschiedenen Stellen der Erde auf große und wohlorganisierte Heere mit guter Bewaffnung, an einzelnen Stellen sogar schon auf stehende Heere. Das älteste militärische Dokument ist eine ca. 3200 v. Chr. entstandene Inschrift in dem Grabe des königlichen Richters üna, der das ägyptische Heer bei einem Kriegszuge nach Palästina kommandierte und diesen Kriegszug schildert. Das älteste wirkliche Geschichtswerk, Schu-king genannt, ist chinesisch und reicht bis ca. 2400 v. Chr. zurück. Seit der Dynastie der Hsia, d. h. von ca. 2200 v. Chr. ab, gab es in China, als einzigartige Erscheinung in der Welt, ununterbrochen bis auf unsere Tage das Institut der Reichsgeschichtsschreiber. Wenn man die inzwischen aufgefundenen alten und neuen Quellen und die zahlreichen Weltgeschichtswerke durchstöbert, so macht man einige überraschende Feststellungen: Zunächst die, daß fast alle bekannten Weltgeschichtswerke die Mitarbeit des sachkundigen Soldaten vermissen lassen. Sie schildern den kulturellen Zu­ stand der Völker in chronologischer Reihenfolge und zählen, mit Angabe der Jahreszahlen, die Begebenheiten auf, die doch zum größten Teile Kriegs­ begebenheiten waren, sagen dem Leser aber fast nie, wie die Heere wirklich ausgesehen haben, mit denen diese Begebenheiten erzielt wurden, und geben noch seltener eine gemeinverständliche militärische Erklärung dafür, warum und aus welche Weise der eine siegte und der andere unterlag, warum also manche Völker sich durchsetzen konnten, während andere, oftmals kulturell höher stehende, verschwinden mußten. Schon vor 200 Jahren klagt der däni­ sche Chronist Niels Slangen: „Es ist der allgemeine Mangel bei den Schrift­ stellern der älteren und auch neueren Zeiten, daß sie viel von Kriegssachen reden, ohne deutliche Begriffe davon zu geben." Eine Ausnahme machen nur Griechenland und Rom, das Steckenpferd der Pädagogen, es bleibt aber auch hier nicht nur vieles begrifflich unklar, sondern es hat sich auch bei Unter­ suchung von militärischer Seite sehr oft schon herausgestellt, daß es anders gewesen sein muß, als es geschildert wird. Der Leser kann sich auch hier noch kein richtiges Bild von der militärischen Lage der Völker und dem Zustande ihrer Heere machen und kann sich in die Handlungsweise ihrer Feldherren und deren Gründe kaum hineinversetzen. Das volle Verständnis für die beider­ seitige Heeresorganisation, das beiderseitige taktische Verfahren und die strate­ gischen Überlegungen des Führers zieht den Schleier von vielen bisher dunklen, nicht ganz verstandenen oder unbeachtet gebliebenen Begebenheiten in der Geschichte so manchen Volkes.

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I. Einleitung. Alte und neue Quellen. Allgemeines.

Die zweite Feststellung ist die, daß es zwar Hunderte von militärischen Einzelwerken bzw. Schriften gibt, in denen die Heere gewisser Völker oder ge­ wisse kriegerische Ereignisse eingehend und sachkundig geschildert werden, aber eigentlich nur zwei Werke, in denen zusammenfassend ein Gesamtüberblick über Heeresorganisation, Bewaffnung und Kampsesweise, wenn auch nicht aller Zeiten und Völker, aber doch deren Mehrzahl gegeben wird. Beide Werke, von denen das des deutschen Oberstleutnants Max Zahns unstreitig für uns das wertvollere ist, sind viel zu teuer, zu umfangreich und auch zu rein militärisch-fachwissenschaftlich gehalten, um für die Allgemeinheit in gemein­ verständlicher Ausdrucksweise und zu einem für jedermann erschwinglichen Preise einen kurzgefaßten Gesamtüberblick zu vermitteln. Das Werk des russi­ schen Generals Fürst Galihin ist für den deutschen Leser zu sehr auf Rußland zugeschnitten und weist überdies erhebliche Lücken und Mängel auf. Schon Mitte des vorigen Jahrhunderts erschienen und in 24 Bänden ca. 250 RM. kostend, berücksichtigt es die neueren Quellen und Ausgrabungen nicht, sieht die alttestamentliche Bibel noch als zuverlässigste Quelle an und bringt noch die früheren, längst als falsch erkannten Stärkezahlen der alten Geschichte. Es bleibt für den militärischen Fachmann aber trotzdem sehr wertvoll. Ein drittes kurz zusammenfassendes und auch billiges Werk von Daniels ist zu lückenhaft und viel zu sehr von teilweise anfechtbaren, strategischen Ansichten beeinflußt, um als brauchbares Informationsmaterial für Lehrer und Lernende sowie für die Allgemeinheit dienen zu können, trotz sehr beachtlicher Einzelheiten. Die dritte, jeden Forscher überraschende Feststellung ist die, wie verhält­ nismäßig geringfügig im Grunde genommen die Unterschiede in den militäri­ schen Einrichtungen und in dem taktischen Verfahren zwischen Zeitperioden sind, die Jahrtausende auseinanderliegen. Wie wenig wir also eigentlich Ursache haben, uns und unsere Zeit über weit zurückliegende Zeiten bei manchen Völkern zu erheben. Wir stellen fest, daß schon die alten Assyrer vor 3000 Jahren nicht nur ein ganz vorzüglich organisiertes und ausgerüstetes Heer, sondern auch eine militärische Verwaltung mit Kontrollversammlungen, Pferdemusterungs- und Ankaufskommissionen und mit schriftlichen Rapporten hatten, die sich bezüglich ihrer Rubriken, Bezeichnungen und bezüglich der gebrauchten Abkürzungen nicht von den heutigen unterscheiden. Wir sehen ferner, daß die Chinesen schon vor 2000 Jahren richtige Ministerien besaßen, darunter ein Kriegsministerium mit fast den gleichen Abteilungen, sowie Bezirkskommandos mit genau den­ selben Aufgaben wie heute. Wir sehen auch, daß die Angriffsdispositionen Alexanders bei Gaugamela im Grunde genommen genau dieselben sind, wie die Friedrichs d. Gr. bei Leuthen, und daß die Heereseinteilung in Divisionen bzw. Brigaden, in Regimenter, Bataillone und Kompanien keine Erfindung der Reuzeit, sondern uralt ist. Wir überzeugen uns, daß Heere, die bisher meist für wilde Horden gehalten wurden, in Wirklichkeit wohlgeordnete und disziplinierte Truppen, ja sogar bezüglich Organisation und Disziplin gleich­ zeitigen europäischen Heeren weit überlegen waren. In der Schlacht bei Wahlstatt 1241 fochten beispielsweise auf mongolischer Seite 5 reguläre Armeekorps

Einleitung.

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mit je 3 Divisionen zu je 10 Regimentern mit 10 Schwadronen, die in Korporalschasten zu 10 Mann eingeteilt waren. Dieses Heer verfügte nicht nur über Brückentrains, sondern auch über eine gute, von geschulten Feuerwerkern be­ diente Artillerie, die aus Rohren das sog. griechische Feuer schleuderte. Wenn man alles dieses und noch vieles andere mehr feststellt, ist man ganz gewiß bereit, sein Überlegenheitsgesühl über frühere Zeiten und „barbari­ sche" Völker, zum mindesten aus militärischem Gebiete, stark zurückzuschrauben. Das gilt auch bezüglich des taktischen und strategischen Verfahrens, wobei nicht übersehen werden darf, daß die Verhältnisse einstmals weit schwieriger waren als heute, weil es weder Flugzeuge zur Aufklärung noch Telefon und Telegraf noch Eisenbahnen, ja nicht einmal überall gute Wege gab, weil die Ernährung in den noch sehr dünn bevölkerten Ländern weit schwieriger war und weil der Soldat sich mit sehr schweren Schußwaffen abschleppen mußte, um dem mör­ derischen Rahkampse gewachsen zu sein. Berücksichtigt man alles dieses, so steigt die Hochachtung vor den Leistungen früherer Feldherren und ihrer Heere, sogar vor Dschengis-Ehan und Timur ins ungeheure. Auch die Heere des letzteren waren keineswegs regellose Horden, sondern wohlorganisierte und gutbewaffnete Truppen mit straffster Disziplin. Wendet man aus die Truppenteile alter Heere die modernen Bezeichnungen an und zeichnet man sich deren Ausstellung zur Schlacht sowie die einzelnen Phasen ihres Angriffs einmal auf, so ergeben sich ganz überraschende Ähnlich­ keiten zwischen Altertum und Reuzeit. Man sehe sich z. B. einmal die Mono­ phalanx des byzantinischen Kaisers Leo und die Schlachtordnung Friedrichs d. Gr. an und benenne die alten Truppenteile einmal wie heute. Wir erkennen dann sofort in der Monophalanx ein Armeekorps, in deren 4 Phalangarchien mit je 2 Merarchien die 4 Brigaden zu 2 Regimentern, jedes Regiment, wie zu Friedrichs Zeiten, mit 2 Bataillonen (Chiliarchien) zu je 4 Kompanien (Tagmen). Sogar die Kompaniestärke von 256 Mann stimmt genau mit der Kriegsstärke einer neuzeitlichen Infanteriekompanie überein. Der byzantinische „Comes" war der Kampaniechef, dem 3 Centurionen als Zugführer zur Seite standen, und der „Decurio" stand an der Spitze seiner Korporalschast als Unteroffizier. Sie bildete in der Ausstellung eine Rotte, deren Schließender der stellvertretende Decurio, d. h. der Gefreite, war. Zwischen den Bataillonen standen, wie bei Friedrich d. Gr., als leichte Regimentsgeschütze die Toxoballisten, Mangonen und Alakaten, während die schwere Artillerie in gleicher Weise, wie mehr als ein Jahrtausend später, in Batterien vereinigt wurde. Die Schlachtordnung bestand, wie später, aus zwei Treffen und die Kavallerie stand, wie bei Friedrich d. Gr., zum größeren Teil aus beiden Flügeln, zum kleineren Teile in Reserve. Daß das holländische Heer im zweiten Teile des Freiheitskampfes der Niederlande gegen Spanien, bewußt und gewollt, eine Nachahmung des alt­ römischen Heeres in seiner Glanzzeit war, dürste schon mehr bekannt sein. Die alten Landsknechts-Feldhauptleute haben Wilhelm Ludwig von OranienNassau ausgelacht, als er sich mit Professoren und einsichtigen Offizieren an einen Tisch setzte, um sich mit Hilfe von Bleisoldaten die Taktik der Römer genau

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I. Einleitung. Alte und neue Quellen. Allgemeines.

nach deren Exerzierreglement klarzumachen. Bald daraus aber scheiterten alle Angriffe der gefürchteten spanischen Tertios an den Schützengräben der wie die Römer schanzenden, holländischen Fähnlein. Außerordentlich interessant und überraschend sind auch bezüglich der Ge­ fechtsführung die Entwicklungsreihen, die einerseits bezüglich des Aufmarsches zum Gefechte einem weit überlegenen Feinde gegenüber von der Entscheidungsschlacht bei Thymbra zwischen Cyrus und Krösos über Gaugamela nach Cannä und Tannenberg, andererseits bezüglich der Durchführung des Angriffs einem überlegenen Feinde gegenüber von der Schlacht bei Mantinea des Epaminondas über Gaugamela nach Leuthen führen. In den letztgenannten drei Fällen beruhte die Angriffsdisposition übereinstimmend auf der schrägen Schlachtordnung, und man kann nicht einmal von einer er­ heblichen taktischen Fortentwicklung dieses Gedankens in den 2000 Jahren zwischen Gaugamela und Leuthen sprechen, während zwischen Mantinea und Gaugamela, trotz eines zeitlichen Zwischenraumes von nur ca. 30 Jahren, ein ganz erheblicher Unterschied besteht. Alexander d. Gr. hatte also offensichtlich bereits den Höhepunkt der Entwicklungsmöglichkeit so ziemlich erreicht. Das Studium der zum Teil erst in neuester Zeit aufgedeckten und be­ arbeiteten alten geschichtlichen Quellen ist im höchsten Grade anregend. Be­ trachtet man diese mit militärischen Augen, so bringt es fortgesetzt Überraschungen, und man kann mit Fug und Recht behaupten: „Wo ihr es packt, da ist es inter­ essant." Die frühere Lehrweise der Geschichte mit der einfachen Aufzählung der Ereignisse und dem Auswendiglernen möglichst vieler Jahreszahlen war vielen langweilig und nicht geeignet, ein wirkliches Bild von den tatsächlichen Verhältnissen und den tatsächlichen militärischen Vorgängen zu geben. Die Lehrweise hat sich inzwischen ja sehr geändert, und kritische Untersuchungen von militärischer und nichtmilitärischer Seite haben viele Irrtümer berichtigt und auch in militärischer Beziehung manche organisatorische Einzelfrage geklärt. Sie haben aber viele Ereignisse von entscheidender Bedeutung doch noch nicht genügend verständlich gemacht und manchmal sogar taktische und strategische Ansichten entwickelt, die einer militärischen Nachprüfung nicht standhalten. Ein richtiges Bild vom Leben der Völker und den Gründen ihres Auf- und Abstieges, in nicht ermüdender, sondern jedermann interessierender und gemein­ verständlicher Weise, kann die Geschichtsschreibung nur bei Zusammenarbeit des Historikers mit dem Volkswirtschaftler und dem militärischen Fachmann bieten. Um insbesonders die heutige Jugend für ihre Aufgabe als Vaterlands­ verteidiger auch geschichtlich vorzubereiten, sie zur Beschäftigung mit militärischen Fragen und militärgeschichtlicher Lektüre anzuregen und der gedankenlosen pazifistischen Propaganda entgegenzuwirken, ist es notwendig, die organisa­ torischen Einrichtungen in der Vorzeit, die Entwicklung der Kriegskunst und der Militärtechnik sowie die in der Vergangenheit mit den verschiedenen Organi­ sationen und Methoden gemachten Erfahrungen gemeinverständlich vor Augen zu führen. Es wird dann manches Volk und mancher Vorgang ganz anders erscheinen, als man sie sich bisher nach den Geschichtsbüchern vorgestellt hat,

Einleitung.

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und man wird für die Jetztzeit manche Lehre aus der Vergangenheit schöpfen können. Friedrich d. Gr. sagt in seinem politischen und militärischen Testament: „Das Leben eines Menschen genügt nicht, um eine vollkommene Erkenntnis und Erfahrung zu erlangen. Darum mutz man auf die Geschichte zurückgreifen, die der Jugend eine frühreife Erfahrung gibt und sie gewandt macht durch die Fehler anderer. Wer die Feldzüge liest, darf sich nicht damit begnügen, sein Gedächtnis mit militärischen Daten zu belasten, er muß vielmehr bemüht sein, die großen Gesichtspunkte zu erfassen und vor allem ebenso zu denken." Die nachstehende Arbeit soll weder eine eigentliche Weltgeschichte noch ein fachwissenschaftliches Werk über Kriegskunst und Kriegstechnik sein, sondern nur ein militärischer Beitrag zur Weltgeschichte. Sie macht keinen Anspruch daraus, völlig erschöpfend zu sein, sondern greift nur das militärisch Wesentliche heraus, was jeder Gebildete wissen müßte, um die Völkerschicksale und gewisse Vorgänge in früherer Zeit sowie sich damit befassende Bücher, Zeitungsartikel und Darstellungen im Theater oder Kino richtig zu ver­ stehen. Es ist also nicht der Zweck dieser Arbeit, Kriegsereignisse und Jahreszahlen aneinanderzureihen, wie es Geschichtswerke meist tun, und es ist auch nicht ihr Zweck, Stärkeangaben und Lokalfragen tiefsinnig nachzuprüfen, wie es mit großem Fleiß und teilweise auch mit Erfolg in manchen kritischen Werken ge­ schehen ist, oder organisatorische und technische Einzelsragen zu behandeln, sondern es soll gemeinverständlich in gedrängter Kürze gezeigt werden, wie es bei den einzelnen Völkern in militärischer Beziehung zu den verschiedenen Zeiten ausgesehen hat, welcher militärischen Organisationen und welches Ver­ fahrens sich die uns bekannten Völker zur Verteidigung ihrer Selbständigkeit oder zur Erreichung ihrer politischen Ziele bedienten und wie eng ihr Werden und Vergehen mit ihrer Wehrhaftigkeit und ihrer Kriegskunst verknüpft war. Bei der Erwähnung entscheidender Ereignisse soll gemeinverständlich gezeigt werden, warum es so gekommen ist und nicht anders und wie sehr oft durch eine gute Idee und durch scheinbar unbedeutende Mittel große Erfolge gezeitigt worden sind. Die Arbeit hat ihren Zweck erfüllt, wenn sie den Werdegang der Völker und die Entwicklung der Dinge dem Verständnis der Allgemeinheit näher gebracht hat und möglichst weite Kreise zu weiterem Studium anregt. Das hier Gebotene wurde im einzelnen schon von anderer Seite bearbeitet, befindet sich aber in zahlreichen Einzelwerken zerstreut, die zum Teil der All­ gemeinheit gar nicht bekannt, zum Teil zu umfangreich und kostspielig, zum Teil überhaupt schwer zu beschaffen sind. Das Wesentliche aus diesen vielen Einzel­ werken wurde in langjähriger Arbeit hier zu einem, wie wir hoffen, recht in­ teressanten Gesamtbilde zusammengetragen. Wir haben dabei nicht, wie es sonst fast immer geschieht, nur den europäischen und vorderasiatischen Völkerkreis berücksichtigt und erst mit der Zeit der griechischen Perserkriege begonnen, sondern es wurde zeitlich und räumlich ein weiterer Aberblick über die hoch­ interessante alte außereuropäische Welt gegeben, insbesonders über das heute

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I. Einleitung. Qütc und neue Quellen. Allgemeines.

ja jedermann interessierende Ostasien. Wir hoffen damit vielen etwas Neues sagen und manche Vorgänge verständlich machen zu können. Das nachstehende Quellenverzeichnis soll Interessenten auf die in erster Linie für eingehendere Studien in Betracht kommenden Einzelwerke aufmerk­ sam machen, die bei großen staatlichen Bibliotheken oder mit deren Hilfe er­ reichbar sind. Es wird dadurch die zeitraubende Mühe der Quellenaufsuchung erspart. Selbst große Geschichtswerke von Ruf enthalten über militärische Dinge meist nichts oder nur sehr wenig, und die Kataloge der Bibliotheken geben nur die Spezialwerke an, die an Ort und Stelle vorhanden sind. Der in Arbeit befindliche, alle deutschen Bibliotheken umfassende große Gesamtkatalog steckt erst in seinen Anfängen und wird bis zu seiner Vollendung noch viele Jahre auf sich warten lassen. Für Fachleute und Forschungen aus einzelnen Spezial­ gebieten kommen selbstverständlich noch viele andere Quellen von Bedeutung in Betracht, für ein größeres Publikum dürften die angeführten genügen.

Alte geschichtliche Quellen. Militärische Organisation und Kriegskunst sind, wie schon vorher erwähnt, weit älter als die Kriegsgeschichte. Die ältesten bildlichen und schriftlichen Über­ lieferungen sind erst ca. 5000 Jahre alt. Um diese Zeit stoßen wir aber schon an verschiedenen Stellen der alten Welt auf große und wohlorganisierte Heere mit guter Bewaffnung, an einzelnen Stellen sogar schon aus stehende Heere. Auch aus bildlichen Darstellungen der Kleidung, Bewaffnung und des dar­ gestellten Ereignisses kann der militärische Fachmann schon ganz gute Rück­ schlüsse auf die Organisation und Fechtweise des betreffenden Volkes ziehen. Das beste Material bezüglich der alten Geschichte Vorderasiens und Ägyp­ tens lieferten die alten Denkmäler und die in der Neuzeit erfolgten Ausgrabungen alter Wohnstätten und Gräber, deren Ergebnisse uns Maspero, Delitzsch, Brugsch und Woenig am übersichtlichsten mitgeteilt haben. Die ältesten schriftlichen Überlieferungen bieten die in Mesopotamien gefundenen Keilschriften, ein­ gegraben in das ziemlich unzerstörbare Material gebrannter Klinkerziegel. Die alten Denkmäler Indiens haben auf militärischem Gebiete so gut wie nichts geliefert, weil die Inder militärische Ereignisse nicht darzustellen pflegten. In die alte Geschichte Ostasiens haben uns erst unlängst englische, japanische und deutsche Werke einen tieferen Einblick gegeben, unter denen wir die vorzüglichen Werke von Rosthorn und Nachod besonders hervorheben möchten. Auch der hebräischen Bibel ist einiges zu entnehmen, es ist aber völlig irr­ tümlich, wenn selbst bedeutende Schriftsteller, wie z. 93. Fürst Galitzin, die Bibel „das älteste und zuverlässigste Geschichtswerk" nennen. Das Alte Testament der Bibel ist nachweisbar erst zwischen 450 und 130 v. Chr. entstanden, denn der Redaktor der zuerst kodifizierten Teile des Alten Testamentes (Gesetz usw.), Esra, kehrte erst 458 v. Chr. aus der babylonischen Gefangenschaft zurück, und

Alte Quellen«

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erst 130 v. Chr. ist das erste vollständige Alte Testament nachweisbar aufgetaucht. Das Alte Testament der Bibel ist also nur zum Teil einigermaßen sichere Über­ lieferung, zum größeren Teil aber reine Legende und bezüglich dieser Über­ lieferungen und Legenden überdies nachweislich gar nicht israelitischen, sondern chaldäischen Ursprungs, also aus Babylon mitgebracht. Die chaldäischen Ur­ texte der Schöpfungsgeschichte, der Sintflut, der Aussetzung Moses im Nil u. a. sind in Keilschrift ausgegraben worden. Die jüdische Zeitrechnung seit Er­ schaffung der Welt (angeblich 6./7. Oktober 3761 v. Chr.) stammt erst aus dem 11. Jahrhundert n. Chr. Das älteste wirkliche Geschichtswerk finden wir in China, denn dieses, Schu-king genannte Werk reicht bis ca. 2400 v. Chr. zurück und seit der chinesi­ schen Dynastie der Hsia, die von 2207 v. Chr. bis 1767 v. Chr. regierte, besteht in China das Institut der Neichsgeschichtsschreiber. Ein großer Teil der alten chinesischen Bücher ist leider unter der Negierung des militärisch und organi­ satorisch hervorragenden, den Gelehrten aber feindlich gesinnten Kaisers Hwangti verlorengegangen. Er konnte die Federfuchser nicht leiden, ließ ca. 400 Ge­ lehrte hinrichten und alle erreichbaren alten Werke zur Verbrennung zusammen­ schleppen. Verfasser dieses hat aber selbst einmal bei einem Sammler das uralte militärwissenschaftliche Werk eines alten chinesischen Heerführers mit zahlreichen Abbildungen gesehen. Die älteste europäische Kriegsgeschichte ist die Ilias Homers, die von dem Trojanischen Krieg um ca. 1200 v. Chr. erzählt. Erst später schrieb Herodot, genannt der Vater der Geschichte, um 450 v. Chr. eine den Zeitraum von 750 bis 450 v. Chr. umfassende Geschichte Vorderasiens und der griechischen Perser­ kriege. Thukydides, ebenfalls ein Grieche, schrieb die Geschichte des Peloponnesischen Krieges. Um 400 v. Chr. verfaßte der griechische General Aenophon, der nach der Schlacht bei Kunaxa in Mesopotamien die 10000 griechischen Söldner Cyrus des Jüngeren in die Heimat zurückführte und dann unter dem Spartanerkönig Agesilaos, einem ganz hervorragenden Heerführer, in Griechen­ land diente, mehrere sehr anschauliche militärische Werke, von denen seine „Anabasis" („Der Rückzug der Zehntausend") seine „Cyropädie" (ein Lehr­ buch der Taktik) und zwei Bücher über Reitkunst am bekanntesten sind. Dann folgte als bedeutendster Militärschriftsteller des Altertums Polybios (202—121 v. Chr.), der zuerst unter dem tüchtigen griechischen Heerführer Philopömen in Griechenland gedient hatte, dann als Geisel nach Rom kam, sich dort mit Scipio Äemilianus anfreundete und mit ihm die Eroberung Kar­ thagos und den Feldzug in Spanien mitmachte. Er behandelte in 40 Bänden die römische und karthagische Geschichte von 264 bis 146 v. Chr. und gab ein Buch über Taktik heraus. Der nächste Militärschriftsteller von wirklicher Be­ deutung ist Julius Cäsar. Vor und nach ihm haben auch noch andere alte Schrift­ steller beachtliche Geschichtswerke geliefert, unter denen hauptsächlich Diodor und Arian zu nennen wären. Alle alten Berichte ohne Ausnahme leiden an Übertreibungen, vor allem bezüglich der angegebenen Zahlen. Es ist dieses teils auf die damals allgemein

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I. Einleitung. Alte und neue Quellen. Allgemeines.

übliche Renommisterei, teils aber auch auf den Mangel an Übersicht zurückzuführen. Es ist ja auch heute noch sehr schwer, die Menschenzahl großer Versammlungen richtig abzuschätzen. Sie wird fast immer ganz erheblich überschätzt. Die falschen Zahlen bezüglich der Heeresstärken wurden nicht nur von allen früheren Schul­ büchern, sondern sogar von der epochemachenden „Kriegsgeschichte aller Völker und Zeiten" des Fürsten Galitzin übernommen und sind bezüglich der griechischen und römischen Geschichte erst in der neuesten Zeit durch die kritischen Unter­ suchungen Delbrücks berichtigt worden. Teilweise ergab sich auch aus den ört­ lichen Verhältnissen bei Besichtigungen von militärischer Seite die Unmöglich­ keit der früheren Zahlen. Ganz abgesehen davon, daß die überlieferten Menschen­ massen unter den damaligen Wege-, Transport- und Bebauungs-Verhältnissen gar nicht zu ernähren gewesen wären.

Außer den vorher genannten alten Quellen wurden noch nachstehende neuere Werke benutzt und werden für eingehendere Studien empfohlen. Propyläen-Weltgeschichte. ^Prop.-Derlag, Berlin.]*) Prof. A. Cartellieri: Weltgeschichte als Machtgeschichte (382—911 n. Chr.). München, Oldenbourg 1927.] Fürst Galitzin: Allgemeine Kriegsgeschichte aller Zeiten und Völker. Deutsch von Major Streccius. ^Cassel 1874.] Oberstlt. Max Jahns: Handbuch einer Geschichte des Kriegswesens. ^Leipzig 1878—80.] v. Berneck: Grundriß der Geschichte des Kriegswesens. [1861.] Dr. E. Daniels: Geschichte des Kriegswesens. ^Leipzig, Göschen 1910.] A. Demmin: Historische Entwickelung der Kriegswaffen. ^Leipzig, Seemann 1869.] W. Rüstow: Geschichte der Infanterie. fGotha 1857.] G. T. Denison: Geschichte der Kavallerie. ^Anmerkungen und Zusätze von Oberstlt. Brix.]*) ^Berlin 1879.] I. Friedrichson: Geschichte der Schiffahrt. ^Hamburg 1890.] Tj. Schwarz: Die Entwickelung des Kriegsschiffbaues. ^Leipzig, Göschen 1909.] Dr. Meynert: Geschichte des Kriegswesens und der Heeresverfassungen in Europa seit dem frühen Mittelalter bis zur Gegenwart. Mien 1868.] F. W. Varthold: Geschichte der Kriegsverfassungen und des Kriegswesens der Deutschen. ^Leipzig 1864.] Major a. D. Dr. v. Frauenholz: Deutsche Kriegs- und Heeresgeschichte. München 1827.] G. Günther: Deutsches Kriegertum im Wandel der Geschichte. Mandsbek, H.V.A. 1935.] Fr. Kurz: Österreichs Militärverfassung in älteren Zeiten?) Mnz 1825.] W. Stavenhagen: Heer- und Befestigungswesen bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts. fBerlin 1910.] A. Rosthorn: Geschichte Chinas?) ^Stuttgart, Perthes 1923.] Dr. A. Conrady: China (in Allsteins Weltgeschichte). Ferd. Heigel: Religion und Kultur Chinas. ^Berlin 1900.] Hisho Saito: Geschichte Japans. ^Berlin 1912.] Gen. Haushofer: Dai Rihon (Groß-Iapan). ^Berlin, Mittler 1913.] O. Rachod: Geschichte von Japan?) ^Gotha 1906—30.] Thom. Keightley: Geschichte von Indien. ^Leipzig 1874.] K. Fr. Reumann: Geschichte des englischen Reiches in Asien. ^Indische und persische Ge­ schichte. Leipzig, Brockhaus 1857.]

Neuere Quellen.

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O. Oppert: Weapons Army Organisation and political macims of the ancient Hindus. Madras 1880.] Dr. Sam. Spitzer: Heer- und Wehrgesetze der alten Israeliten. fWien 1879.] D. E. Schürer: Geschichte des jüdischen Volkes im Zeitalter Christi. ^Leipzig 1890.] G. Maspero: Morgenländische Völker im Altertum. ^Leipzig 1877.] Fr. Delitzsch: Geschichte Babyloniens und Assyriens?) ^Stuttgart, Vereinsbuchh. 1891.] M. Pankritius: Assyrische Kriegsführung von Tiglat-Pilesar 1. bis Samsi-adar III. ^Königsberg 1904.] Ioh. Hunger: Heerwesen und Kriegführung der Assyrer auf der Höhe ihrer Macht, aus Heft 4, Iahrg. XII der Zeitschrift „Der alte Orient". ^Leipzig 1911.] O. Schroeder: Dokumente des assyrischen Militarismus, aus der Orientalischen LiteraturZeitung, Heft 7 u. 8 des gahrg. 1920. Ad. Biller deck: Der Festungsbau im alten Orient. ^Leipzig 1900.] Ed. Meyer: Ägyptische Geschichte. fBerlin 1887.] Prof. Dr. G. Steindorff: Die Blütezeit des Pharaonenreiches. Z. A. Vre aste d: Geschichte Ägyptens. fBerlin, Curtius 1910.]1) Vrugsch-Pascha: Aus dem Morgenlande. fReclam, Leipzig.^) Franz Woenig: Bilder aus der Kulturgeschichte Ägyptens 3000—1000 v.Chr. ^Leipzig, Reclam.]^) Saint Cyr: Notes sur le g6nie, la discipline militaire et la tactique des anciens peuples. fParis 1783.] F. G. Droysen: Geschichte Alexander d. Gr?) fBerlin, Decker 1917.] Bork v. Wartenburg: Feldzüge Alexanders d. Gr. fBerlin, Mittler 1897.] Alfr. v. Domaszewski: Die Phalangen Alexanders und Cäsars Legionen. ^Heidelberg 1926.] Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst der Griechen und Römer?) fBerlin 1900—02.] Mil. Wochenblatt: Das Heer des römischen Kaiserreiches?) F. Jung: Leben und Sitten der Römer in der Kaiserzeit. ^Leipzig, Freytag 1883.] H. Helmes: Römische Militärkolonisation. fBerlin, Mittler 1898.] Dr. W. Pfitzner: Geschichte der römischen Kaiserlegionen von Augustus bis Hadrian. ^Leipzig 1881.] Gen. Wahle: Bei den Auxilien am Limes. fBerlin, Mittler 1914.] Ad. Günther: Beiträge zur Geschichte der Kriege zwischen den Römern und den Parthern. fBerlin 1922.] Gen. Wolf: Die Schlacht im Teutoburger Walde. fBerlin, Mittler 1902.] Prof. Th. Arldt: Germanische Völkerwellen. ^Leipzig, Dietrich 1917.] E. Schmidt: Die germanischen Reiche der Völkerwanderung. ^Leipzig, Quelle u. Meyer 1918.] 0. Seeck: Geschichte des Unterganges der antiken Welt. fBerlin 1910.] E. F. Gautier: Geiserich (auch für Römer und Germanen). ^Frankfurt, Societ.-Druckerei 1934.] Dr. G. F. Herhberg: Geschichte der Byzantiner und Osmanen. fBerlin 1883.] Kaiser Leo: Byzantinische Strategie und Taktik?), überseht u. mit Erläuterungen von F. W. von Bourscheid, 5 Bd. fWien, Kurzbök 1781.] H. Gelzer: Genesis der byzantinischen Themen-Verfassung. fSächs. Ges. d. Wissenschaften 1899.] K. Schenk: Kaiser Leo III. Walten im Inneren. fByzantinische Zeitschrift 1896.] 1. Hell: Die Kultur der Araber. ^Leipzig, Quelle u. Meyer 1919.] Prof. Jos. Aschbach: Geschichte der Omaijaden in Spanien?) ^Frankfurt 1829—30.] — Geschichte Spaniens und Portugals zur Zeit der Herrschaft der Almoraviden und Almohaden?) ^Frankfurt 1833—37.] Gen. v. Witzleben: Zur Vorgeschichte des osmanischen Kriegswesens. fBerlin.] gourn. asiatique: La chevalerie chez les Arabes. C. Aug. Curio: Sarazenische Geschichte und Kriegsrüstung. fBasel 1580.]

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I. Einleitung. Alte und neue Quellen. Allgenieines.

Dr. K. Noth: Geschichte der christlichen Balkanstaaten. [Leipzig, Göschen 1907.] Const. Iirecek: Geschichte der Bulgaren. [Prag 1876.] ders. Geschichte der Serben. [Gotha 1911.] Brosien: Karl der Große. [Leipzig 1885.] K. a$ Jahrhundert der Freiheits- und Einigungs-Kämpfe.

Von den Zuständen im amerikanischen Kontinentalheere, also bei den geworbenen Truppen, gibt einen Begriff ein Bericht, den Steuben im Frühjahr 1779 erstattete. Er sagt: „Die Leute sind fast nackend. Offiziere, die überhaupt Röcke hatten, hatten sie von beliebigem Schnitt und Farbe. Bei einer Parade zogen Offiziere in einer Art Schlafrock aus Wache, der aus einer Decke oder aus einem Bettüberzug gemacht war. Ein Ding, wie Disziplin, existierte gar nicht. Ein Regiment hatte 3, eins 5, eins 8 oder 9, eins sogar 21 Glieder. Jeder Oberst hatte sein eigenes System. Rur in einem einzigen Punkte herrschte Gleichförmigkeit, sie bedienten sich alle des Reihenmarsches, wie die Indianer. Kein Oberst oder Kapitän hatte die entfernteste Ahnung, wieviel Leute unter seinem Kommando standen. Die Offiziere glaubten, daß ihre einzige Pflicht darin bestände, auf Wache zu ziehen und sich an die Spitze zu stellen, wenn es in den Kampf ginge. Innere Verwaltung war ein unbekanntes Ding. Für Lager- und Wachtdienst gab es keine Vorschriften, jeder Oberst lagerte sich da, wo es ihm gefiel. Kapitäne gaben nach Belieben Urlaub und sogar die Entlassung, ohne jemand zu fragen usw." Erst Ende 1776 aus der Höhe der Krisis sah der Kongreß, der stets die Furcht hatte, zu viel Macht in militärische Hände zu legen, endlich auf ganz energische Vorstellungen Washingtons ein, daß man ohne reguläre Truppe dem starken englisch-deutschen Heere gegenüber niemals zum Ende kommen könne, und ge­ nehmigte die Anwerbung von 88 Bataillonen zu 750 Mann bis zum Kriegs­ ende bzw. für 3 Jahre, indem jedem Eintretenden neben reichlicher Löhnung und Prämie, 100 Acker Land, dem Offizier ein noch größerer Besitz versprochen wurde. Die Unlust, sich so lange zu binden, war aber so groß, daß angeblich niemals mehr wie 36000 Mann beisammen gewesen sein sollen. Man dachte an die zu Hause liegenbleibende Arbeit und meldete sich nicht als aktiver Soldat, kam aber, wenn die Heimat bedroht war, als Milizmann. Der freie Amerikaner achtete den geworbenen Soldaten weit geringer als den freien Milizmann und bestand auf seinem Urlaubsrechte manchmal aus Grundsatz selbst vor dem Feinde. Sehr störend war auch die ganz verschiedene Gesetzgebung in den einzelnen Kolonien, die ganz verschiedenen Bedingungen, unter denen die Mannschaften angeworben waren, und die ganz verschiedene Höhe der Bezahlung. Die Ernennung der Offiziere war in der ersten Zeit Sache der einzelnen Staaten, was zu großen Ungleichheiten bezüglich Alter und Qualität innerhalb der gleichen Charge und zu Eifersüchteleien führte, die die Disziplin untergruben. Erst von 1777 ab konnte Washington die Führer­ stellen vom Brigadegeneral abwärts besetzen, während die Divisionskommandeure vom Kongreß ernannt wurden. Anfang 1779, als Steuden begann Washingtons Armee zu reorganisieren, hatte diese 6 Divisionen zu je 2 Brigaden mit 46 Regimentern und im ganzen 11067 Mann. Die Stärke der „Regimenter" war nur 150—430 Mann, es handelte sich also eigentlich nur um Kompanien. Steuden nahm aus den stärksten Truppenteilen zunächst die tüchtigsten Leute heraus und bildete aus diesen 8 leichte Kompanien, die die Mustertruppe wurden. Mit ihnen wurde Haupt-

Nordamerikanischer Freiheitskampf.

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sächlich bae> Gefecht in zerstreuter Ordnung mit Rückhalt an geschlossenen Ab­ teilungen eingeübt. Aus den übrigen Mannschaften wurden 35 Bataillone zu durchschnittlich je 278 Mann gebildet. Die Einteilung in 6 Divisionen blieb mit Rücksicht aus die maßgebenden Generale und auf die Staaten, die diese Divisionen ins Feld gestellt hatten. Jede der leichten Kompanien hatte: 1 sog. „Feldoffizier", 4 Kapitäne, 8 Subalternoffiziere, 12 Sergeanten und 164 Ge­ meine, also einen Überfluß an Offizieren, weil diese irgendwie untergebracht werden mußten. Es ist dieses eine Erscheinung, die sich auch bei anderen Volks­ heeren, z. B. später bei Garibaldi, wiederholte, weil jeder, der ein paar Leute brachte oder sonst einflußreich war, eine entsprechende Stellung verlangte. Die leichten Kompanien Steudens zählten zusammen 1312 Mann, und er suchte die Offiziere und Mannschaften auch anderer Truppenteile dadurch etwas an Ordnung zu gewöhnen, daß er bei jeder Inspektion persönlich jede Waffe und jedes Ausrüstungsstück genau nachsah bzw. über dessen Verbleib von dem Manne und seinen Vorgesetzten Auskunft verlangte. Bei allen Unternehmungen der ersten Kriegsjahre spielten also die Milizen als Schützen eine sehr wichtige Rolle, während die Bataillone des Kontinental­ heeres den Rückhalt bildeten und für die Entscheidung bzw. an entscheidender Stelle eingesetzt wurden. Aus dieser Fechtweise hat sich die spätere Taktik der französischen Revolutionsheere entwickelt. Die strategische Lage im amerikanisch-englischen Kriege war sehr einfach und beiden Parteien durchaus klar. Die am dichtesten bevölkerten Kolonien und der Hauptherd des Aufstandes lagen im Norden, während die von großen aristokratischen Pflanzern besetzten und erheblich dünner bevölkerten Kolonien des Südens mit einem erheblichen Teile ihrer Bevölkerung zu England hielten. Einem Vorgehen von dort aus stellten sich aber viele, ein starkes Hindernis bildende Flußtäler entgegen, die linke Flanke war in dem unübersichtlichen Gelände dauernd gefährdet und die Anlehnung der rechten Flanke an die eng­ lische Flotte wegen der außerordentlich zerrissenen, zu weiten Umwegen nötigen­ den Küste nicht immer gesichert. Dagegen gab es im Norden einen Weg, auf dem man gleichzeitig von zwei Seiten aus in das Herz des Aufstandes gelangen, die aufständischen Kolonien voneinander trennen und dann einen Teil nach dem anderen überwältigen konnte. Von New Dork aus führt in direkter Richtung auf Montreal, das an dem auch für Kriegsschiffe benutzbaren Lorenzstrome liegt, der weit hinauf auch für größere Schiffe benutzbare Hudson. Von Montreal aus gelangt man in genau südlicher Richtung durch den Nichelieufluß in den ca. 200 km langen Champlain-See, der mit dem etwas westlich von seinem Südende liegenden Georg-See in Verbindung steht. Dieser ist nur 30 km vom oberen Hudson entfernt und liegt genau auf der Mitte der Entfernung zwischen Montreal und New Pork. Seit lange schon pflegten die Indianer ihre leichten Canoes von einer Wasserstraße zur anderen hinüberzutragen. Wegen der Wichtigkeit der Verbindung lag am Champlain-See das Fort Ticonderoga und am oberen Hudson das Fort Edward. Die beiden Endpunkte dieser strategischen Linie

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VII. Das Jahrhundert der Freiheits- und Einigungs-Kämpfe.

hielten während des größten Teiles des Krieges die Engländer, des für die Trennung der Kolonien entscheidenden Mittelstückes haben sie sich nicht bemäch­ tigen können. Das Gefecht bei Lexington war das erste Gefecht ausgeschwärmter Schützen gegen festgeschlossene Bataillone, und der Verlauf hat große Ähnlichkeit mit dem des ersten Gefechtes der Peltasten des Iphikrates mit einer, bisher für un­ überwindlich gehaltenen spartanischen Mora bei Korinth. Schon in der Nacht nach dem Gefechte strömten von allen Seiten die Milizen herbei, um die Eng­ länder, die sich schleunigst in Boston verschanzten, aus dem Lande zu werfen. Der englische General Gage wurde durch Howe erseht, und es gingen Ver­ stärkungen von England nicht nur nach Boston, sondern unter dem General Bourgoyne auch nach Montreal. Der englische Oberst und Indianeragent Johnson formierte aus kanadischen Royalisten ein Jäger-Regiment und bot mit Hilfe des ihm befreundeten Häuptlings der Mohawk-Indianer auch die anderen Indianerstämme auf, wurde aber von den deutschen Ansiedlern des Mohawk-Tales geschlagen, die darauf das Fort Ticonderoga durch Überfall eroberten. Am 17. Juni groff Howe mit über 5000 Mann vor Boston die auf den Bunkershill stehenden 1200 Milizen an, wurde aber auf allernächste Entfernung zweimal abgeschlagen, trotzdem die Verteidiger nur 3—4 Schuß pro Mann hatten. Als diese verfeuert waren, mußte die Stellung geräumt werden, die Engländer hatten aber über 1100 Mann verloren, darunter 157 Offiziere. Die Einschließung von Boston wurde aufrechterhalten. Anfang August rückten in die Stellung die ersten geworbenen 12 Schützen-Kompanien ein, die zum Teil 1000—1200 km Fußmarsch hinter sich hatten. Ende des Jahres ging aber das erste Heer Washingtons nach Ablauf seiner Verpflichtung nach Hause, und es mußte mit Hilfe eiligst herbeigerufener 5000 Mann Milizen die Stellung ge­ halten werden, bis neue 10000 Mann geworbener Leute beisammen waren. Als die Amerikaner dann näher an die Stadt herangingen, gab Howe Boston auf und ging mit Hilfe der Flotte bis Halifax zurück. Washington ging nach Rew Dort. Das amerikanische Nordheer unter dem Irländer Montgomery, einem früheren englischen Offizier, zog am 12. November in Montreal ein. Mit nur 1200 völlig abgerissenen Leuten standen die Amerikaner dann am 3. Dezember vor Quebek und stürmten dieses trotz seiner Befestigungen in der Nacht vom 30. zum 31. Dezember, weil wieder die Dienstzeit eines Teiles der Leute mit dem Jahresschluß zu Ende ging. Sie gelangten auch wirklich in die Stadt, mußten aber, nachdem Montgomery gefallen, mit nur noch 400 Mann weichen, blieben jedoch vor der Stadt. Sie verstärkten sich zwar wieder auf ca. 2000 Mann, es brachen aber die Pocken aus, und die englische Flotte brachte den General Bourgoyne mit englischen und deutschen Regimentern, so daß in Ouebek jetzt ca. 10000 Mann versammelt waren. Canada mußte geräumt werden. Im Süden hatten die Amerikaner vor Charleston auf dem Sullivan-Island schnell ein primitives Fort errichtet und mit 26 Geschützen armiert, für die aber

Nordamerikanischer Freiheitskampf.

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nur je 28 Schutz vorhanden waren. Trotzdem konnte mit 500 Mann und nur 22 Artilleristen der Angriff der englischen Flotte und eines Landungskorps von ca. 3000 Mann abgeschlagen werden. Am 4. Juli 1776 erklärte die amerika­ nische Union ihre Unabhängigkeit unter Berufung auf die allgemeinen Menschen­ rechte und unter dem Beifall Friedrich d. Gr., der Frankreich anfeuerte, zu helfen, da er selbst ohne Flotte nicht helfen konnte. Er war ergrimmt, weil England ihn gegen Ende des Siebenjährigen Krieges so schmählich im Stiche gelassen hatte, so daß Preußen verloren gewesen wäre, wenn nicht zufällig gleichzeitig der Regierungswechsel in Rußland eintrat. Das englische Oberkommando versammelte sein Hauptheer in Stärke von ca. 30000 Mann auf Staaten-Island in der Bai von Rew Pork und nahm Ende August 1776 Long-Island, am 15. September auch Rew fyoxt Das ca. 15000 Mann starke amerikanische Heer mußte Rew tyovt ausgeben und nach Norden zurückgehen, um auf der Insel Manhattan nicht durch die Flotte ab­ geschnitten zu werden. Die deutschen Hilsstruppen der Engländer eroberten im November auch die nördlich von New Bork am Hudson angelegten Befesti­ gungen, und um die Jahreswende stand das englische Heer mit ca. 40000 Mann zwischen dem Delaware und Hudson. Am 1. Januar verließ wieder ein großer Teil der amerikanischen Mannschaften das Heer, weil ihre Verpflichtung ab­ gelaufen war. Wiederum wurde nur aus diesem Grunde schnell noch Ende Dezember ein erfolgreicher Überfall aus den linken Flügel der englischen Aus­ stellung ausgeführt. Die englische Nordarmee unter Bourgoyne versammelte sich zum Vormarsch nach Süden im Sommer 1777 in Stärke von ca. 8000 Mann und ca. 500 In­ dianern bei Montreal und in Stärke von ca. 800 Mann mit ca. 1500 Indianern beim Fort Niagara. Letztere sollten das Mohawk-Tal hinunter marschieren und sich am Hudson mit Bourgoyne vereinigen, wurden aber von ca. 800 deut­ schen Ansiedlern geschlagen, trotzdem diese unvermutet von den Indianern überfallen waren. Zwei von Bourgoyne zur Rekognoszierung vorgesandte deutsche Bataillone mit 2 Geschützen und 150 Indianern wurden ungefähr gleichzeitig bei Bellington von ca. 1400 Milizen mit einem Verluste von ca. 1000 Mann zurückgeschlagen. Trotzdem ging Bourgoyne weiter vor, in der Hoffnung, bei Albany mit dem von Süden kommenden General Howe zu­ sammenzutreffen. Dieser war aber schon im August mit der Hauptmasse seines Heeres nach Süden gefahren, weil der englische Staatssekretär vergessen hatte (!), den ihn nach Norden weisenden Befehl rechtzeitig abzusenden. Die Amerikaner boten angesichts der Gefahr alles auf, um ihre Nordarmee auf ca. 13000 Mann zu verstärken. In der Mehrzahl Milizen, jedoch mit einem kleinen Kern etwas ausgebildeter Truppenteile der Kontinentalarmee. Bourgoyne erfuhr zu spät die tatsächliche Sachlage, mußte, auf allen Seiten von den amerikanischen Schützen umschwärmt, in dem waldigen Gebiete zurückgehen und schließlich am 17. Oktober 1777 bei Saratoga mit seinem ganzen Heer die Waffen strecken. Der Eindruck dieser Niederlage in der ganzen Welt war ungeheuer. Frank­ reich und Spanien schlossen ein Bündnis mit der Union, und ersteres half nicht

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VII. Das Jahrhundert der Freiheits- und Einigungs-Kampfe.

nur mit Geld, sondern sandte später, als der Sieger von Saratoga, General Gates, im Süden geschlagen wurde und das englisch-deutsche Heer von Süden her vordrang, während der Eifer der Kolonien für den Krieg zu erlahmen drohte, auch ein Hilssheer. Seit 1778 half der preußische General von Steuden, dem amerikanischen Heere eine wirkliche Ausbildung und einige Disziplin zu geben, hat dabei aber, wie wir sahen, ganz ungeheuere Schwierigkeiten zu überwinden gehabt. Zurückzuführen nicht nur auf das Selbständigkeitsgefühl der Kolonisten und den Widerwillen gegen alle Fremden, sondern auch aus die Eifersucht der amerikanischen Generale und die dauernde Furcht vor dem Einreihen eines Militarismus. Der Kongreß hat aber, wie schon vorher erwähnt, endlich ein­ gesehen, daß man die Mannschaft nicht immer nur für ein paar Monate an­ werben könne, und es wurde seit 1779 wenigstens überhaupt exerziert und nach einem von Steuden ausgestellten „Reglement für den Dienst und die Disziplin der Truppen der vereinigten Staaten" gedrillt. Das Gefecht in zerstreuter Ordnung mit Rückhalt an geschlossenen Truppenteilen wurde ganz systematisch eingeübt. Die Franzosen, die unmittelbare Zeugen dieser Ausbildung waren, haben das Wesen dieser Kampsesweise schnell begriffen und sie, wie wir gesehen haben, mit großem Erfolge in ihren Revolutionskriegen angewendet. Auf Grund der Erfahrungen bei Saratoga formierten auch die Engländer leichte Truppen und bildeten diese im zerstreuten Gefecht aus. Washington hielt sich 1779/80 unentwegt an der gefährdetsten Stelle am mittleren Hudson bei Westpoint aus, die stark verschanzt wurde. Er konnte mit seinen jetzt besser ausgebildeten Truppen sogar die Schanzen der Engländer stromabwärts erstürmen, wobei ihm große Beute an Geschützen und Munition in die Hände fiel. Trotzdem war die Lage der Amerikaner 1780 sehr bedenklich. Das amerikanische Papiergeld (Gold und Silber war damals dort noch nicht gesunden) hatte einen bedrohlichen Tiefstand erreicht, und die Neigung der Kolonisten, sich für lange Zeit anwerben zu lassen, war nach dem Auftreten eines Bundesgenossen noch geringer, als zuvor. Die Tatsache außerdem, daß die Kontingente einzelner Staaten gut gekleidet, ausgerüstet und bezahlt waren, während andere äußersten Mangel litten, führte zu weit verbreiteter Unzu­ friedenheit, so daß Ende Mai 1780 sogar 2 Regimenter meuterten, indem sie mit der Drohung des Abmarsches Lebensrnittel und den rückständigen Sold forderten. Als die Engländer aber, unter Hinweis auf die glänzenden Ver­ hältnisse bei ihnen, diese Regimenter zur Desertion zu verleiten suchten, erfuhren sie eine derbe Zurückweisung. Die unerquicklichen Verhältnisse lagen an der Selbständigkeit der einzelnen Staaten. Der Kongreß konnte nicht befehlen, sondern nur ersuchen und hatte nicht das Recht Steuern auszuschreiben, um Besoldung, Bekleidung und Bewaffnung einheitlich zu regeln. Das Heer krankte auch geradezu an der Gewöhnung an englische Verhältnisse, die überall als Muster dienten, aber keineswegs musterhaft waren. Bei zielbewußtem und energischem Vorgehen der Engländer wäre der Ausstand wahrscheinlich in diesem Stadium unterdrückt worden. Sie hatten die Hoffnung aber schon ausgegeben und sich seit einiger Zeit und zwar aus ausdrückliche Anweisung ihrer Regierung,

Nordamerikanischer Freiheitskampf.

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auf systematische Ausplünderung und Verwüstung des nicht mehr zu haltenden Landes verlegt. Alle Ortschaften, die sie erreichen konnten, gingen in Flammen aus, und es wurde ebenso gründlich und brutal geplündert wie im Dreißigjährigen Kriege. Washington war sich darüber klar, daß der Krieg möglichst bald so oder so zu Ende gebracht werden müsse. Die Unlust weiterzukämpfen wurde immer allgemeiner, und es war nur einem Zufall zu verdanken, daß die starke am Hudson geschaffene Festung nicht durch Verrat des Kommandanten, eines vorher her­ vorragend tüchtigen Generals, in die Hände der Engländer geriet. Auch aus dem Süden kamen bedrohliche Nachrichten. Charleston ging nach vierzigtägiger Belagerung am 12. Mai 1780 verloren, und der im Süden kommandie­ rende Sieger von Saratoga wurde bei Camden vernichtend geschlagen. Im Nordwesten hausten die von raublustigen Engländern geführten Indianer ganz fürchterlich, und die Engländer schämten sich nicht, einen Preis von 8 Dollar auf jeden eingebrachten Skalp zu setzen. Einer 1782 gegen die Wilden ausge­ sandten Expedition fielen 8 an den Gouverneur von Canada adressierte Pakete mit genauem Inhaltsverzeichnis in die Hände, enthaltend 1062 getrock­ nete Skalpe, davon 85 von Frauen, 407 von Kindern und 122 von Säuglingen und ganz Kleinen. Endlich erschien das französische Hilfsheer, mit dem vereint Washington sich nach Süden in Bewegung setzte. Eine französische Flotte lief nach Be­ siegung einer englischen in die Chesapeak-Bai ein, der englische General Cornwallis wurde in Yorktown mit seiner Virginia-Armee eingeschlossen und mußte nach dreiwöchiger Belagerung am 19. Oktober 1781 kapitulieren. Washington kehrte zum Hudson zurück, es dauerte aber noch über 1 Jahr, bis nach sieben­ jährigem Kampfe endlich zu Paris Friede geschlossen wurde. Trotz persönlicher Wehrhaftigkeit der einzelnen Ansiedler haben uns die Vereinigten Staaten bezüglich der Wehrhaftigkeit des Gesamtvolkes damals kein gutes Beispiel gegeben, denn das Volk im ganzen hat sich weder zur Auf­ bringung eines der Volkszahl und den militärischen Erfordernissen entsprechen­ den Heeres noch zur Unterordnung der Einzelinteressen unter das Gesamt­ interesse, d. h. zu Subordination und Disziplin bereitfinden lassen. Anderen­ falls wäre der Krieg weit schneller zu Ende gegangen, und dem Volke wären viele Leiden erspart geblieben. Der Krieg schleppte sich, wie beim Dreißig­ jährigen Kriege, hin, bis beide Parteien in der Erkenntnis der Nutzlosigkeit weiterer Opfer, die Sache aufgaben. Bezüglich der Kriegskunst haben die Engländer, wie fast immer, versagt, während bei den Amerikanern ein Unterschied zwischen Ober- und Unterführung zu machen ist. In der Oberleitung war nur allein Washington seiner Aufgabe gewachsen, von seiner Person hing das Schicksal des Krieges ab, die anderen Generale hatten eigentlich nur die Eignung zum Bandenführer. Diese, also die Unterführung, und die Leistungen des einzelnen Mannes waren allerdings hervorragend, und ihnen verdankt die Kriegskunst eine Entwicklung in ganz neuer Richtung. Im übrigen wurde die alte Erfahrung bestätigt, daß Milizen

334

VII. Das Jahrhundert der Freiheits- und Einigungs-Kämpfe.

ohne festen Rückhalt an disziplinierten und systematisch ausgebildeten Truppen einem gutgeführten regulären Heere niemals auf die Dauer gewachsen sind. Gegenüber dem vorerwähnten Volkskriege zeigt der

Freiheitökampf der Spanier ein ganz grandioses Ausmaß bezüglich seiner Zeitdauer, bezüglich der beider­ seitig aufgebotenen Menschenmassen, bezüglich der Wildheit der Kampsesweise und bezüglich seiner wirtschaftlichen Zerstörungen, welch letztere sich nur mit den Folgen des Dreißigjährigen Krieges in Deutschland vergleichen lassen. In Spanien regierten, ebenso wie in Frankreich, Ende des 18. Jahrhunderts die Bourbonen, die ein Familientraktat zur gegenseitigen Unterstützung ge­ schlossen hatten. Aus Grund dieses Traktates griff der spanische König Karl IV. nach der Ermordung Ludwig XVI. zu den Waffen, wurde aber derartig ge­ schlagen, daß er nicht nur Frieden schließen, sondern sogar ein Bündnis mit dem republikanischen Frankreich eingehen mußte. Der schwache Karl IV. wurde Anfang des 19. Jahrhunderts durch einen Ausstand zur Abdankung gezwungen und sein Sohn Ferdinand VII. zum König ausgerufen. Daraus mischte sich Napoleon ein, lockte sowohl Karl als auch Ferdinand zur Verhandlung nach Bayonne, zwang dort beide zur Abdankung und machte seinen Bruder Joseph zum König, woraus sich 1808 das Volk in Südspanien erhob. Die Volkserhebung dehnte sich allmählich auf ganz Spanien und Portugal aus, war aber weder einheitlich noch von einheitlichen Beweggründen und Absichten geleitet. Ein Teil des Volkes hielt es mit Frankreich gegen das bourbonische Herrschergeschlecht, ein Teil mit diesem, ein dritter Teil war republikanisch und ein vierter Teil separatistisch gesinnt. So kam es, daß jeder Landesteil getrennt für sich vor­ ging und auch innerhalb desselben Landesteils sich die Parteien aus das bitterste bekämpften. Es bildeten sich mehrere völlig voneinander getrennte Kriegs­ theater, und es ist lediglich dem überaus brutalen und räuberischen Vorgehen der Franzosen zu verdanken, daß schließlich alle Parteien an allen Orten in dem wilden Hasse gegen den französischen Eindringling und in dem Bestreben, ihn hinauszuwerfen und Vergeltung zu üben, einig waren. Auch das bei Ausbruch des Krieges vorhandene Heer spaltete sich in zwei Teile. 1808 bestand es an Infanterie aus 40 Regimentern mit 119 Bataillonen, sowie 12 leichten Bataillonen Spaniern und 6 Regimentern mit 12 Bataillonen Schweizern. Dazu kamen 50 Bataillone Provinzial-Miliz. Im ganzen waren an Infanterie also 193 Bataillone mit einer Sollstärke von 108800 Mann vor­ handen. Die Kavallerie bestand aus 12 Linien-Reiterregimentern, 8 Regi­ mentern Dragoner und 4 Regimentern reitende Jäger. Der größte Teil dieses Heeres hat sich nach und nach dem Aufstande angeschlossen. Ein Teil befand sich als Bundesgenosse Napoleons in Hamburg und Dänemark unter dem Kommando Bernadottes, erfuhr trotz Festhaltung aller Briefschaften von seiten der Franzosen durch die vor den dänischen Inseln kreuzende englische

Freiheitskampf der Spanier.

335

Flotte von den Vorgängen in der Heimat, feuerte auf die die Eidesleistung für den König Joseph fordernden Franzosen und wurde durch englische Schiffe in die Heimat befördert. Die Auseinandersetzung mit Frankreich fing damit an, daß 1807 von Na­ poleon mit dem, wie vorerwähnt, damals verbündeten Spanien eine Teilung Portugals vereinbart wurde, als dieses dem französischen Verlangen, England den Krieg zu erklären, nicht nachkam. Das gab Napoleon die Möglichkeit, französische Truppen, angeblich zur Belagerung von Gibraltar und zum Kriege gegen Portugal und England, nach Spanien zu senden und nicht nur eine Reihe von Festungen, sondern auch Madrid zu besetzen. Daher wurde, als am 2. Mai 1808 der Aufstand in Madrid ausbrach, dieser blutig niedergeschlagen, in An­ dalusien bildete sich aber eine provisorische Negierung, die mit Hilfe der über­ getretenen Regimenter bei Baylen den General Dupont mit 17000 Mann und in Cadix den Admiral Rossily mit 5 Linienschiffen und 1 Fregatte zur Kapitulation zwingen konnte. Der Angriff des Marschalls Moncey auf Valencia scheiterte mit ganz erheblichen Verlusten, worauf sich die französischen Truppen hinter den Ebro zurückzogen und sich der von England mit Geld und Waffen unterstützte Aufstand über ganz Spanien ausbreitete. Neben regulären Truppen bildeten sich in jeder Provinz unter tapferen, manchmal aber auch nur ehrgeizigen oder räuberischen Führern Guerillabanden, die auf eigene Faust einen er­ barmungslosen Kleinkrieg führten, bei dem die Geistlichkeit kräftig, vielfach sogar mit der Waffe in der Hand mitwirkte. Berühmt ist die Verteidigung von Saragossa unter dem General Palafox, an der sich die gesamte Einwohnerschaft beteiligte. Palafox war zwar aktiver Brigadegeneral, aber mehr ehrgeizig als militärisch tüchtig. Er hat nicht nur bezüglich der Befestigung und Verproviantierung von Saragossa, sondern auch bezüglich der Truppenführung schwere Fehler und Unterlassungssünden begangen, und seine Weigerung, sich dem General Carstannos zu unterstellen, hat der Sache sehr geschadet. Saragossa ist zweimal belagert worden. Das erstemal vergeblich vom 15. Juni bis 14. August 1808 und das zweitemal vom 20. Dezember 1808 bis 21. Februar 1809. Als sich die Stadt schließlich unter ehrenvollen Bedingungen den Franzosen ergeben muhte, waren von 30000 Sol­ daten nur noch ca. 12000 und von mehr wie 100000 Zivilbewohnern nur noch 46000 übrig. Als Napoleon die Kriegführung in Spanien selbst in die Hand nahm, wurden die Aufständischen mit ihren englischen und portugiesischen Verbündeten überall geschlagen, überall erhob sich aber der Aufstand sofort wieder, wo die Franzosen nicht eine starke Besatzung unterhielten und die Etappenlinien nicht stark geschützt waren. Der im ersten Schrecken Ende Juli 1808 nach Vittoria irt Nordspanien geflohene König Joseph konnte am 22. Januar 1809 nach Madrid zurückkehren. Es war hauptsächlich das Verdienst des Paters Rico aus Valencia, dah die spanischen Generale den Widerstand nicht aufgaben. Das englische Hilfskorps unter dem General Moore wurde nach Corunna zurückgedrängt und mußte sich dort einschiffen, die Zentraljunta mußte nach Cadix flüchten.

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VII. Das Jahrhundert der Freiheits- und Einigungs-Kämpfe.

und der Ausstand wäre verloren gewesen, wenn nicht ein neues englisches Heer unter Wellington in Portugal erschien, das portugiesische Heer organisierte, den General gourdan am 27./28. Juli 1809 bei Talavera schlug und sich nachher gegen Massena in den Befestigungen von Torres Bedras zu halten vermochte. Diese, Lissabon deckenden, Befestigungen wiesen 3 Reihen Schanzen aus. Die erste 32 mit 140 Geschützen, die zweite 65 mit 150 Geschützen und die dritte 61 mit 93 Geschützen. Napoleons Feldzug gegen Österreich 1809 brachte den Spaniern nur eine kleine Entlastung, denn die Franzosen schafften viele Rheinbundtruppen nach Spanien, so daß auch dort Deutsche gegen Deutsche kämpfen mußten, weil aus seiten Wellingtons die aus Hannoveranern und Braunschweigern bestehende deutsche Legion den Kern des Heeres bildete. Ende 1809 waren von den Rheinbundtruppen nur noch wenige hundert Mann übrig, die bis auf etwas west­ fälische Artillerie nach Hause geschickt werden mußten. Nach Beendigung des österreichischen Feldzuges wurde das französische Heer in Spanien wieder um 66000 Mann verstärkt. Der Krieg nahm immer schrecklichere Formen an. Napoleon gab nach seiner Gewohnheit auch seinem spanischen Heere keine Lebensmittel und Magazine mit, sondern verwies es, wie überall, auf Requisitionen, d. h. aus rücksichtslose Ausplünderung der durchzogenen Gebiete, wobei Offiziere und Mannschaften wetteiferten, sich aus das schamloseste persönlich zu bereichern. Besetzte Ort­ schaften wurden erst gründlich ausgeplündert und ihnen dann noch ganz un­ geheuere Kontributionen auferlegt. Wurde der Ort erstürmt, so wurden die Weiber entehrt und die Einwohner vielfach ohne Ansehung des Alters und Geschlechtes erschlagen (in Oporto z. B. mehr als 8000 Personen). Gefangene wurden als Rebellen hingerichtet und oftmals noch vorher gemartert. Was nicht mitgeschleppt wurde, wurde ruiniert oder verbrannt, wobei weder Privat­ schmucksachen noch Kirchengefäße verschont wurden. Man schämte sich nicht, die geplünderten Sachen an anderen Orten öffentlich zu verkaufen. Kurz, die Zustände waren durch die Schuld der Franzosen genau so wie im Dreißig­ jährigen Krieg, vielleicht sogar noch schlimmer. Der Marschall Massena hat z. B. für seine Person in wenigen Monaten ca. 800000 Francs zusammen­ geraubt, und wir haben ja auch in Deutschland selbst erlebt, daß französische Führer für sich pro Tag 20 Gedecke verlangten, die mit je 1 Louisdor, also mit ca. 400 Reichsmark pro Tag, abgelöst werden muhten, während für Majore 200, Kapitäns 150 und Leutnants 100 Francs als „douceur“ verlangt wurden (Lüneburg). An den damals aufgenommenen Kriegsschulden haben viele deutsche Städte viele Jahrzehnte gekrankt. Im spanischen Kriege geschah die Ausplünderung so gründlich, daß Stellungen und Bezirke häufig nur deshalb geräumt werden mußten, weil kein Lebensunterhalt mehr auszutreiben war. Die in den Gebirgen versteckten spanischen Guerillabanden antworteten in gleicher Weise, so daß jeder Nachschub und die ganze Etappenlinie durch starke Truppenteile gedeckt werden mußten. Die deutschen Truppen im französischen Dienste verfuhren weit menschlicher, so daß die Behandlung ihrer Gefangenen

Freiheitskampf der Spanier.

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auch auf der Gegenseite sehr viel besser war. Das ganze Land befand sich in Aufruhr und Anarchie. Sicherheit gab es nirgends. Die Franzosen haben in diesen Hexenkessel im Laufe der Jahre 673581 Mann mit 18000 Armeebeamten hineingeworfen, von denen nur 253534 Mann, zum großen Teil krank, ihr Vaterland wiedergesehen haben. Allerorten wurde mit wechselndem Erfolge gekämpft, bis das Jahr 1812 wieder eine Erleichterung für die Spanier und ihr englisch-deutsch-portugiesisches Hilfsheer brachte. Zunächst gelang es zwar dem Marschall Suchet noch, Valencia zu erobern, dagegen wurden die Festungen Ciudad Rodrigo und Badajoz von Wellington genommen und der Marschall Marmont am 22. Juli 1812 bei Salamanca entscheidend geschlagen, worauf Wellington am 12. August in Madrid einziehen konnte. Der König Joseph flüchtete zu Suchet nach Valencia, und unterwegs desertierten ihm fast alle noch in seinem Dienste stehenden Spanier. Die Belagerung von Cadix durch den Marschall Soult muhte auf­ gehoben werden und dieser zuerst auf Granada und dann zur Vereinigung mit Suchet auf Valencia zurückgehen. Wellington, der bis Burgos gelangt war, diese Feste aber nicht erobern konnte, wich vor dem vereinigten Heere der Fran­ zosen dann aber wieder bis nach Portugal zurück. Nach Vernichtung des napoleonischen Heeres in Rußland und der dadurch gebotenen Verminderung des französischen Heeres in Spanien ging Wellington mit einem aus Engländern, Deutschen und Portugiesen bestehenden Heere in Stärke von 71000 Mann, vereinigt mit einem regulären spanischen Heere in Stärke von ca. 50000 Mann aufs neue vor und gelangte, ohne Widerstand zu finden, bis dicht an die Pyrenäen. Er schlug den Marschall Soult bei Vittoria und 1814 noch einmal bei Toulouse. Suchet gab Valencia am 5. Juli 1813 auf, ließ unnötigerweise in verschiedenen Festungen 12000 Mann stehen und hielt sich in Barcelona bis zum März 1814. Spanien war wieder frei, aber völlig verwüstet, verarmt und sittlich verwildert. Das absolute Regiment des aus französischer Gefangenschaft zurückkehren­ den Bourbonenkönigs Ferdinand VII. stand in einem solchen Gegensatze zu dem bis dahin völlig selbständigen Verfahren der Provinzial-Iunten des Krieges, daß schon 1820 ein Aufstand mit allgemeiner Anarchie ausbrach. Überall standen sich nochmals die Parteien mit den Waffen in der $> 3, „ 3: deployiert. 2, „ 2: 58. „ 309, „ 315, .. 1, „ 3: 1600 zwei. „ 326, .. 2, „ 4: Kanadier. „ 335, „ 5, „ 6: Carstanos. 4, „ 9: Coruna. „ 335, „ 341, „ 3, „ 7: herzogt, sächsisches. „ 350, „ 4, „ 3: 1807—13. „ 562, .. 4, „ 5: Radetzky. „ 565, n 3, „13: Sept. 1870. „ 566, .. 2, „ 4: LMtalia farä da se. „ 575, .. 1, „ 13: irrt preußischen. „ 576, .. 4, „ 2: v.s.Gen.-St.-Ehef John. „ 388, .. 1, „11: Bataillonen. „ 393, Überschrift: Weltkrieg. „ 420, „ „ 7: Falkenhayn. „ 433, „ 2, „ 2: Bielen. ,, 2: sogen. (s. fehlt). „ 462, „

Anlagen 31 Skizzen zur Erläuterung der historischen Entwicklung der Schlacht­ ordnung und des Angrifssverfahrens maßgebender Völker und Heerführer sowie alter Lagerungs- und Befestigungsweise.

NB! Die Zeichnungen machen keinen Anspruch darauf, maß­ stabsgerecht und vollständig zu sein, weil anderenfalls der ver­ fügbare Raum zur Deutlichmachung der wichtigen Einzelheiten nicht ausgereicht hätte. von Pawltkowski-Tholewa, Heer und Völkerschicksal.

30

466

Alte Befestigungskunst.

Alte Vefestigungskunst. Ägypter

! Kasematte

Hauptwall

Vorwall

(Fauosebrwt)

Mittelalterliche Stadtbefestigung (Nürnberg).

a Nutzere, b innere Stadtmauer, c Wehrgang, d Überdachung des Wehrganges. e Mauerstärke der Türme.

467

Altrömische Lagerkunst. porfa decumana

Lager einer Legion. a Prätorium. via retentura

b Quästorium. c Forum. d Leibwache und Veteranen. e—e Tribune und Präsekten. /—/ Bogenschützen, Schleuderer, Speerwerfer.

XHfXtp Djjod

g Legions-Reiterei. h—h Legions-Kohorten. i Torwachen. k Lagerwache. ^ l Batterie-Basttone für die ** Ballisten. m—m Bundesgenossen bzw. Hilsstruppen.

Lager einer AuxiliarKohorte am Limes (Holzhausen).

pcria ctextra

a Wohnung des Präfekten und des Zenturio beim Stabe. b Exerzierhaus. c Fahnen-Heiligtum und Altar. d Lagerwache und Büros. e Lazarett und Baderaum. f Verpflegungs-Magazin. g Werkstätten. h Wirtschaftsräume. porfa i Feldwebel. sinisfra k Unteroffiziere. / Mannschafts-Stuben und Waffenkammern mit Veranda. m Artillerie-Basttone. n Überdeckter Wallgang. o Horologiarius mit Wasseruhr (Klepsydra). p Latrinen. 1—111 Manipel. j, 3, 5 Zenturio. 2, 4, 6 zweiter Offizier.

468

Chinesen, Inder und Mongolen.

Wahrscheinliche Aufstellung des alten chinesischen Heeres.

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A—A Bogenschützen. B—B Hellebardenträger. C Mongolische Reiterei. D Artillerie von Katapulten. Es steht folgendes fest: 1. Dah die Reiterei aus den Flügeln stand und von mongolischen Bundes­ genossen gestellt wurde. 2. Dah die chinesischen Heerhausen IO000 Mann zähl­ ten und in Unterabteilungen von je 1000 Mann zerfielen. 3. Dah das Heer teils aus Bogenschützen teils aus Hellebardenträgern bestand. 4. Dah Katapulte vor­ handen waren.

Das indische Heer des Poros am Hydaspes (Dschelam). £ B

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A

A—A. 30000 Mann schwere Infanterie. B—B. 300 Elefanten, dazwischen leichte Infanterie. Elefanten besetzt mit Bogenschützen und Speerwerfern. C.C. Je 100 4 rädrige Kriegswagen mit je 2 Schwerbewaff­ neten und 2 Bogenschützen. D.D. Je 2000 Reiter. E Poros auf Elefant.

Schlachtordnung der Mongolen Dschengis-Chans.

0000000 c

cf a Leichte Artillerie von Flammenwerfern, b Schwere Artillerie von Katapulten, c Brückentrain. d Wagenburg. Es steht fest: 1. Dah ein mongolisches Armeekorps 3 Divisionen zu 10 Regimentern hatte. 2. Dah Flam­ menwerfer, Katapulte und Brückentrain vorhanden waren nach 1236 auch Geschütze. 3. Dah berittene Bogenschützen den Feind umschwärmten und geschlossene Reiterregimenter ihn zum Schlüsse sprengten.

469

Ägypter.

Aufstellung einer altägyptischen Legion.

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Es steht fest: 1. Die Legion (Division) zählte 10000 Mann mit 100 Streitwagen, aufgestellt 100 Mann breit und 100 Mann tief, mit Unterabteilungen (Bataillonen) von 1000 Mann. 2. Als selb­ ständig auftretender Teil werden genannt: 5000 Mann eingeteilt in 20 Kompanien zu 250 Mann. Der General und sein Stab, die Obersten, Hauptleute und Feldwebel werden genannt. Daraus ergibt sich also sicher: 1. Die Legion hatte 2 Brigaden von je 5 Bataillonen. Brigade standen die Bataillone hintereinander.

2. Zn der

Für die Aufstellung der Kompanien gab es 2 Möglichkeiten: A und B. — B ist handlicher, folglich wahrscheinlicher. Die Kompagnien stehen bei A 50 Mann breit und 5 Mann tief. „ tt * tt B 25 „ „ „ 10 „ Vor der Front der General mit Seneralstabsosfizier, Adjutant und Fntendant sowie Leibwache, dahinter die Streitwagen und der Fahnenträger. Vor der Front jeder der beiden Brigaden stehen je 50 Streitwagen unter einem Oberst. Wahrscheinlich wie bei den Assyrern, in Gruppen zu 10 unter einem Offizier.

470

Entwickelungsreihe bezl. der Aufstellung.

Cyrus bei Thymbra 546 v. Chr Aegypten

Crösos

Aufstellung Alexanders d. Gr. bei Gaugamela 331 v.Chr. IHH^niiniitmiliiii........... .. ** * tt* +$+ + ♦+ *M* +

+ ♦+♦ + ♦ *• +

darjawusch (c/arius) Hetären Toxoten

. Toxoten

g~Q== Agnäner Thessalien

Mazedonier

Griechen

Peftasten

I]

Söldner

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Alexander d Gr.

vÄ Sarrissophoren

Hypaspissen

JJ

Peltasten

[jj Päonien

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Peftasten

1 Menidas Aufstellung der Römer und Hannibals bei Cannä 216 v. Chr. Terentius Harro (Römer)

1 Gallier Z Spanier

3 Leibwache Hannibais H Bogenschützen u. Schleuderte

Mann),

e—e Velites (Bogenschützen und Schleuderer) verschwinden durch die Lücken. Die Manipel der Hastati und Prinzipes zählten je 20 Rotten zu 6 Mann, die der Triarier 20 Rotten zu 3 Mann. Ae 10 Rotten bildeten 1 Zenturie. 2 Pfeilschuhweiten vom Feinde verschwanden die kleinen Zwischenräume.

Aufstellung der Römer in älterer Zeit (2 römische und 2 Bund es-Legionen).

Kohorten-Aufstellung von 4 Legionen zur Zeit Cäsars.

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i—A Jnsanterie-Negimenter mit 2 Bataillonen Musketiere zu 800 Mann. B— B Musketier- und Grenadier-Bataillone, c Grenadier-Bataillone, d e Dragoner. Husaren, g Die „Attacke" und h Settendeckung bei Leuthen (Grenadiere).

Armeekorps) von 28672 Mann des byzantinischen Kaisers Leo.

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Monvphalanx

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Kürassiere.

Die byzantinische Phalanx in neuer Gestalt.

478

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Entwickelungsreihe bezl. des schrägen Angriffs.

Thebaner bei Mantinea 362 v. Chr. Spartaner

Epaminondas

Alexander bei Gaugamela 331 v.Chr.

darjawusch ,

Alexander d. Gr.

Friedrich II bei Leuthen 1757 n.Chr

Friedrich d Gr.

479

480

Die Taktik des 19. Jahrhunderts.

Angriffstaktik einer Division Napoleons zu 3 Brigaden mit je 2 Regimentern. 1111

2

2

2

2

M I und II Brigade in Front, III Brigade in Reserve. Don jedem Frontregtment 1 Bataillon Tirailleure, 1 Bataillon dahinter deploytert, 1 Bataillon in Bataillons-Kolonne. Die Reserve in Batatllonskolonnen nedeneinander.

Angriffstaktik eines preußischen Regiments 1870/71 ♦

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12

M I und II Bataillon in Front, III Bataillon als Reserve in „Kolonne nach der Mitte" (deploylerte zum Angriff). Die Front-Kompanien haben 2 Züge Schützen ausgeschwärmt, 1 Zug aufmarschiert als „Soutien". Dahinter bei jedem Bataillon 1 Kompanie in Kompanie-Kolonne.

Nachträge. Zu Seite 18, Abs. 2. Bewaffnung (Die Artillerie der Alten). Die ersten Geschütze werden in der Bibel erwähnt. Es wird vom König Usia (809 bis 757 v. Chr.) gesagt: „Er machte zu Jerusalem Künste, die auf den Türmen und Ecken sein sollten, zu schiehen mit Pfeilen und großen Steinen." Zu beachten ist aber, daß die Bibel erst viel später entstanden ist. Nach Diodor wurden ca. 400 v. Chr. in Syrakus die Tor­ sions-Geschütze erfunden, d. h. solche, bei denen, wie bei unserer Handsäge, die Spannung durch Zusammendrehung der Spannsehnen erzeugt wurde. 350 v. Chr. erscheinen solche Geschütze schon im Inventar des Zeughauses zu Athen. Das Feldgeschütz (Euthytonon) war eine auf einem Gestell ruhende Armbrust, die 66—167 cm lange Pfeile gegen lebende Ziele verschoß. Das Belagerungsgeschütz (Palintonon) war eine Maschine von 10 m Länge, 5 m Höhe und 4 m Breite, die mit einer Elevation von 40 Grad Balken und Steine gegen gedeckte Ziele schleuderte. Heron beschreibt auch eine zur Jagd verwendete Armbrust. Ein von dem deutschen Artillerieoffizier Schramm rekonstruiertes Euthytonon durchschoß auf 370 m noch einen 3 cm starken Holzschild. Die Schußweite des Palintonon soll bis zu 750 m betragen haben. Alexander d. Gr. hatte 150 Euthytona und 25 Palintona in seinem Heer und die Torsions-Geschütze erreichten in der Diadochenzeit ihre höchste Vollendung. Alexandrinische Techniker stellten bestimmte Regeln für den Geschützbau auf. Die Spannung er­ folgte mit Hilfe einer Winde. Die der Armbrust (Gastaphete) war wesentlich einfacher, als die der mittelalterlichen Armbrust. Die Römer übernahmen diese Geschütze von den Griechen, von denen sie die aus tie­ rischen Nacken- und Sprunggelenk-Sehnen angefertigten Spannsehnen beziehen mußten. Ihre Katapulte waren Pfeil-, die Ballisten Wurf-Geschütze. Später war der Onager das Haupt-Feldgeschütz, von den Byzantinern Mangone genannt, bei dem durch die Sehnenkraft ein Hebelarm gegen einen Block geschlagen und dadurch das Geschoß von ihm gelöst wurde. Die Schußweite betrug 330—350 m, doch wurde gewöhnlich erst auf 150—200 m geschossen. Die Aradahs (Ballisten) und Manganyks (Mangonen) der Araber waren von den By­ zantinern übernommen und zeichneten sich durch Größe und mächtige Wirkung aus. Die schwierige Technik der Herstellung der Spannsehnen ging allmählich verloren und diese muß­ ten durch die Schleuderkraft eines durch Gewichte emporgerissenen Hebelarms ersetzt werden. Die Geschütze des Mittelalters waren die Karrenarmbrust (Ribald, Springarde, Espingole) und der Tribock oder die Blide. Die Karrenarmbrust war ein auf der Achse zweier Räder liegender Balken mit einem Stand zur Leitung eines 5—6 Fuß langen Pfeiles und einem Bogen von 12—15 m Länge bei 12 cm Breite und 6 cm Dicke in der Mitte. Die Sehne bestand aus Tiersehnensträngen. Der Bogen wurde mit einer Winde, vom 14. Jahrhundert ab mit einem Flaschenzug ge­ spannt. Vom 15. Jahrhundert ab durch die Hebelkraft der Wippe. Die Höhenrichtung wurde durch Heben und Senken, die Seitenrichtung durch Drehung des auf einer Tellerscheibe liegenden Balkens genommen. Schußweite ca. 500 m. Es konnten mit einem Schuß 4 bis 5 Mann getötet werden. Als Wurfgeschütz diente vom 13. Jahrhundert ab der Tribock, ein Baum, der durch eine, auf 2 Böcken aufliegende, Achse in einen langen und einen kurzen Hebelarm geteilt war. Der kurze Arm war mit schweren Gewichten belastet, am Ende des langen Armes hing die Schleudertasche. Wurfweite 120—170 m.

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Nachträge.

Zu Seite 23, Abs. 1. China. Ca. 500 v. Chr. schrieben die chinesischen Generale Sunhu und Wutzu das „Buch vom Kriege", das einen Einblick in Bewaffnung, Organisation und Taktik damaliger chinesischer Heere gewährt. Je 8 Familien hatten damals einen Krieger zu stellen, und eine Heeres­ abteilung war 12500 Mann stark, eingeteilt in Bataillone zu 500 und Kompanien zu 50 Mann. Man unterschied normale und anormale, d. h. schwer- und leichtbewaffnete Krieger. Er­ stere trugen einen Metallhelm mit Kinnriemen, Schulterkragen, breite Leibbinde und einen geteilten Rock, alle 3 besetzt mit Schuppen, Metallbändern oder Geflecht. Die Bewaffnung bestand aus Lanze und Bogen oder Hellebarde und Schwert. Der Leichtbewaffnete führte nur den Bogen. Die Bataillone hatten Fahnen mit verschiedenen Farben und Unterschei­ dungszeichen. Die Befehlsübermittlung erfolgte schon damals durch Signalflaggen. Das Zeichen zum Vorgehen wurde mit der Trommel, zum Halten mit der Glocke gegeben. Einen Vorläufer unseres Gasangriffs finden wir in dem Rat, dem Angriff eine Feuerwelle durch Anzünden des Steppengrases vorangehen zu lassen. Zur Zeit der Tschou-Dynastie war China ein Bund von Lehnsstaaten. Die Zahl der von jedem Staat zu stellenden Mannschaften und Kriegswagen war im Lehnsvertrag fest­ gelegt. Am Ende der 900 Jahre regierenden Dynastie tobten heftige Kämpfe unter den Lehnsfürsten, denen der König Tscheng von Tschin ein Ende machte und 221 v. Chr. unter dem Namen Schi-huang-ti den Thron bestieg. Die Lehnsfürsten wurden beseitigt, das Reich in 36 Provinzen (tun) und diese in Kreise (hien) eingeteilt. Zn jeder Provinz stand 1 Armee­ korps, dessen General (kün-wei) unmittelbar dem Kriegsminister (tai-wei) unterstand. Die Hauptstadt bildete einen besonderen Bezirk und die Garden unterstanden dem Palast-Kom­ mandanten (Wei-wei). Am Hwang-ho wurden 24 befestigte Militärkolonien angelegt, Heer­ straßen gebaut und ein Signalwesen zur schnellen Nachrichtenübermittlung geschaffen. Schi-huang-ti war eine ganz kolossale Herrschergestalt. Nach seinem Tode kämpfte aber wieder ein gewandter Abenteurer Liu-pang mit dem rohen, aber militärisch tüchtigen, General Hiang-liang um die Macht, setzte sich durch und begründete 202 v. Chr. als Kaiser Kao-tsu die berühmte Han-Dynastie, deren größter Vertreter der Kaiser Wu-ti gewesen ist. Von den Heeren der Han-Zeit wissen wir nur, daß sie teils aus den angesiedelten Grenz­ truppen, teils aus den vorerwähnten Provinzialtruppen, teils aus einem stets mobilen Feld­ heere und aus den Garden bestanden, also sehr viel Ähnlichkeit mit dem römischen Heer z. Z. Konstantins hatten. Zu Seite 32, Abs. 4. Die Hunnen. Die Hunnen waren mit den, vom Oberlauf des Hwang-ho gekommenen, Chinesen ur­ sprünglich nahe verwandt und keineswegs kulturlose Barbaren. Auch nach den ihnen nicht wohlgesinnten chinesischen Geschichtsschreibern hatten sie schon lange vor unserer Zeitrechnung eine geordnete Staatsverwaltung mit geschulten Beamten und eine ganz vorzügliche mili­ tärische Organisation. Selbst ihre chinesischen Feinde schildern die Hunnen als stolze, tapfere und ehrliebende Krieger mit großzügiger Denkungsweise und haben bezüglich Kleidung, Be­ waffnung und militärischer Organisation viel von den Hunnen angenommen. Zu Beginn der Han-Zeit stand an deren Spitze als Groß-chan der gewaltigste Kriegsheld der Hunnen bis auf Attila, Mao-tun, vor dem die gefürchteten Püetschi nach Westen auswichen und ihrerseits Indien und die Diadochenstaaten in Schrecken setzten. 166 v. Chr. drang der Tanyü mit 140000 Reitern bis zur chinesischen Hauptstadt vor und der Han-Kaiser Kao-tsu sowie dessen Nachfolger muhten ihm Tribut zahlen. Nach der späteren Niederlage der Hunnen wies der Tanyü Ho-han-ye die Aufforderung, sich zu unterwerfen, mit den Worten zurück: „Es war immer die Art der Hiung-nu, Mut und Stärke hoch zu schätzen, Unterwerfung und Knecht­ schaft aber zu verachten. Auf dem Rücken der Pferde kämpfend haben wir das Reich geschaffen

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und Ansehen und Ruhm unter den Völkern erlangt; auch jetzt gibt es noch tapfere Krieger unter uns, die zu kämpfen und zu sterben wissen." Diese Antwort beleuchtet den Charakter des Volkes und macht uns ihren westlichen großen Herrscher Attila sowie die Treue verständ­ licher, die ihm selbst die Germanen bis zu seinem Tode bewahrten. 6 Jahre nach jener Ant­ wort machten furchtbare Kälte und Hungersnot die Unterwerfung der östlichen Hunnen doch unvermeidlich, der Tanyü wurde aber mit großen Ehren vom chinesischen Kaiser emp­ fangen und die in chinesische Dienste tretenden Hunnen erreichten hohe Vertrauensposten.

Zu Seite 35, Abs. 4. Die Heere Dschengis-Chans. Die Iasa handelt im 2. Teil vom Kriege und Heer, und dort im ersten Unterteil von der Art, wie der Krieg geführt werden soll. Schonung des Lebens und Eigentums war streng verboten. Der zweite Unterteil behandelt die Einteilung des Heeres und die Diszi­ plin, der dritte die Jagd als Vorübung zum Krieg und der vierte die Post als Einrichtung zur Befehlsübermittlung. Es wird blindester Gehorsam gefordert, Ausbildung im Reiten, im Bogenschießen, in den Bewegungen zu Pferde und Abhärtung gegen Wetter und schmale Kost vorgeschrieben. Auf Verlassen von Reih und Glied und auf Plündern ohne Erlaubnis stand Todesstrafe. Floh ein Mann der Korporalschaft (Deke), so wurde die ganze Korporal­ schaft niedergehauen, floh eine Deke, die ganze Schwadron. Der gleichzeitig lebende Armenier Haython sagt von den Mongolen: „Sie sind so gut geschult, daß jeder von ihnen auch ohne Führer genau seine Aufgabe in der Schlacht kennt und diese mit Erfolg durchführt. Sie sind außerordentlich erfinderisch, klug und vorsichtig, suchen den Feind zu überraschen und ihn zu überflügeln. Überhaupt verstehen sie es, daß es nur zum Schlagen kommt, wenn sie wollen, und nicht, wenn der Feind es will. Es ist sehr gefährlich, sich mit ihnen in ein Gefecht einzulassen, weil selbst in den kleinsten Treffen mehr Leute verwundet und getötet werden, als bei anderen Völkern in großen Schlachten. Dies ist eine Folge ihrer Geschicklichkeit im Bogenschießen, ihre Pfeile durchdringen alle Arten von Schutzmitteln und Panzern. Sie gehen geordnet zurück, sobald sie im Nachteil sind; sie zu verfolgen, ist aber sehr gefährlich, weil sie auch nach rückwärts zu schießen verstehen. So­ bald sie sehen, daß der Gegner sich bei der Verfolgung zerstreut und seine Reihen in Unord­ nung geraten, wenden sie wieder um und haben sehr oft so den Sieg errungen. Sie rücken so enggeschlossen vor, daß eine Schar von 1000 Mann kaum so groß aussieht wie anderswo eine von 500." Thomas von Spalato schreibt: „Schweigend rücken sie vor und schweigend, ohne das bei den Abendländern gewohnte Geschrei, kämpfen sie auch. Ihre fürchterlichen Pfeile schlagen unfehlbar durch und bringen sicheren Tod. Es gibt keinen Schild und keine Rüstung, die ihr Schuß nicht durchbohren würde. Kein Volk auf der Welt versteht so gut die Feinde zu schlagen, sei es mittels kühner Tapferkeit, sei es mittels verschlagener Klugheit. Ihre Schußwaffen sind aus Rindsleder, von dem mehrere Schichten so fest aufeinander gepreßt werden, daß sie ganz undurchdringlich sind. Die Pferde sind ebenso genügsam wie ihre Herren. 3 Tage ununterbrochen in Anspruch genommen, sind sie mit einer kleinen Menge schlechten Heues vollkommen zufrieden. Das Hauptnahrungsmittel ihrer Herren ist eine Art Käse von geronnener Milch mit Pferdeblut." Auch an anderen Stellen werden die Strategie der Mongolen, ihre Erkundigungen über Land und Leute, ihre Märsche und ihre Operationen „geradezu meisterhaft" genannt und ihre Energie besonders hervorgehoben. Batu legte die 290 km lange Strecke vom Ruszkapaß bis Pest trotz völliger Wegelosigkeit in nicht ganz 4 Tagen zurück und vernichtete bei Mohi das an Zahl überlegene ungarische Heer trotz dessen Tapferkeit, weil die Kriegskunst König Belas und die Disziplin seines Heeres sich nicht im entferntesten mit der Kriegskunst und Disziplin der Mongolen messen konnten. Deren Taktik bestand in unaufhörlichen Angriffen

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aufeinanderfolgender Abteilungen. Hatte die erste Abteilung sich verschossen, so wurde sie von der nächsten abgelöst, ergänzte hinten ihre Munition und schloß sich wieder an. Es ist nicht genau festzustellen, ob die Mongolen 1241 schon richtige Geschütze verwendeten, es spricht dafür aber sehr viel. Es steht nämlich fest, daß 9 Jahre vorher in der Entscheidungs­ schlacht zwischen Mongolen und Chinesen letztere schon Geschütze hatten und daß sich im Heere Petas 1000 chinesische Feuerwerker befanden. Da der mongolische Großchan seit 1234 Kaiser von China war, war es eigentlich das Heer des chine­ sischen Kaisers, das 1241 bei Wahlstatt focht. Die Fahnen der Mongolen waren weiß, rot, gelb und blau und die Befehlshaber führ­ ten, wie bei den Türken, als Standarte Roßschweife in verschiedener Anzahl. Auch die Feld­ musik war der türkischen ähnlich und bestand aus Pauken, Trommeln, Becken, Trompeten und Schalmeien. Es gab Heeresrichter und Polizei, Aushebungs- und Kriegskommissare, Leibwachen, Vortrab und Nachtrab, Vorposten, Schildwachen, Losung und Feldgeschrei, ja sogar Ehrenzeichen in Gestalt eines Löwenkopfes und Beförderungen durch Übergabe der entsprechenden Standarte und Heerpauke. Zu Seite 94, Abs. 4. Röm. Kaiserzeit. In Bononia (Boulogne) befand sich, zur Verbindung mit Britannien, eine selbständige Flotte von Transportschiffen und kleineren Kriegsschiffen, die auch die Flüsse befahren konn­ ten. Um das Jahr 400 wurden besondere Flottenabteilungen in Antiochia, Alexandria und für das Ägäische Meer geschaffen. Die Kriegsschiffe waren jetzt nicht mehr große Drei- bis Fünfruderer, sondern wendige Liburnen mit nur 50—60 Ruderern. Im Notfälle bildete man Neuformationen aus Veteranen und Rekruten. Die von den Legionen abzugebenden Formationen nannte man Vexillationen. Cäsar hatte die Not­ wendigkeit einer stets verfügbaren Heeresreserve richtig erkannt und 6 Legionen dafür be­ stimmt, die wirtschaftliche Erschöpfung der Mittelmeerländer durch die Bürgerkriege zwang Augustus aber zur starken Einschränkung des Heeresetats. Erst Aurelian bildete wieder eine mobile Reserve aus den Prätorianern und den illyrischen Legionen mit illyrischer und afrikanischer Reiterei. Zu Seite 107, Abs. 3. Ursachen des Werfalles des röm. Heeres. Die palatini standen in den Residenzen der jetzt nebeneinander regierenden 4 Kaiser in Nicomedia, Sirmium, Mailand und Trier, die comitatenses waren gruppenweise auf die Hauptorte des Binnenlandes verteilt. Der Unterschied zwischen römischen und barbari­ schen Truppen bezüglich Bewaffnung, Ausbildung und Disziplin verlor sich immer mehr und auch das Schanzen hörte auf, weil die freien Germanen und die Gallier dafür nicht zu haben waren. Dadurch verlor die mobile Truppe den festen Rückhalt des befestigten Lagers. Selbst das urgermanische Gefolgschaftswesen, die scara, fand im römischen Heere Eingang. Aller­ dings nicht in der Form der freien gleichberechtigten Vankgenossen, sondern in der, von den östlichen Goten übernommenen, Form der Hörigen-Leibwache. Narses hatte eine solche in Stärke von 400 Mann, Valerian als Heermeister 1000 Mann und der reiche Velisar hatte sogar eine derartige Privattruppe von 7000 Mann, bestehend größtenteils aus Germanen und Hunnen. Erst um 700 n. Chr. wurden diese Privattruppen im byzantinischen Heere auf­ gelöst und in reguläre Truppenteile umgewandelt. Während den Germanen im römischen Heere zuerst nur das Exerzitium und die einfache Taktik ihres Truppenteils gelehrt wurde und ihnen die höheren Kommandostellen verschlossen waren, finden wir sie zuletzt als Heer­ meister in den höchsten Führerstellen (Arbogast, Stilicho, Ricimer u. a.). Der Kaiser kom­ mandierte das Heer nicht mehr persönlich, sondern überließ dieses dem magistcr militum, von dessen Tüchtigkeit das Schicksal des Reiches abhing.

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Zu Seite 130, Abs. 3. Die Araber. Der Kampf zwischen Abbasiden und Omaijaden war einerseits die Auseinander­ setzung zwischen Schiiten und Sunniten, andererseits der Kampf um die Gleichstellung der Iranier mit den Arabern. Es gab im arabischen Heere schon lange iranische Regimenter unter iranischem Kommando, die im Gegensatz zu den Arabern zu Fuß fochten. Sie haupt­ sächlich stellten die Infanterie der arabischen Heere und bekamen Sold sowie Anteil an der Beute, aber nicht an der Verteilung der Steuern der Ungläubigen, waren sogar nicht einmal von der Untertanensteuer befreit. Der Auseinandersetzung der alt- und strenggläubigen und intoleranten Richtung der Schia von Medina mit der freigeistigen und toleranten Richtung der Omaijaden von Mekka schlossen sich auch viele Araber an. Der grünen Fahne von Mekka wurde die schwarze Fahne der Abbasiden gegenübergestellt, die die Privatfahne Moham­ meds gewesen sein soll. Mit dem Siege der Iranier änderte sich die Regierungsweise und die Struktur des Staates von Grund aus. Bisher hatte sich bei den Arabern ein Groß- und Kleinadel heraus­ gebildet, an dessen Spitze die Omaijaden standen. Die arabischen Grundbesitzer Ägyptens und Syriens und nach deren Muster auch die seldschukischen Kleinasiens waren eine prächtig gerüstete Ritterschaft, die sich von der christlichen Ritterschaft vorteilhaft auch dadurch unter­ schied, daß sie neben Lanze, Schwert, Streitkolben und Schild, auch den Bogen meister­ haft zu benutzen wußte. Das arabische Regiment war verwaltungstechnisch etwas primitiv, aber aristokratisch großzügig, vornehm und tolerant, während das abbasidische nach alt­ persischem Vorbilde zwar technisch besser organisiert, aber orientalisch willkürlich, grausam und intolerant und radikal demokratisch war. Alle Standesunterschiede verschwanden, an die Stelle einer Aristokratie von Fürsten, Häuptlingen und Rittern trat eine Beamtenhierar­ chie, und die Gesamtheit der Untertanen war nur noch Sklave des Kalifen, der sich auf ein Praetorianerheer von türkischen Söldnern stützte. Die Verwaltung lag in den Händen von bestechlichen Kreaturen, die nach Laune aus dem Staube emporgehoben und wieder in ihn zurückgestoßen wurden. Das Recht über Leben und Tod sowie das Eigentum aller Unter­ tanen war ebenso ein Erbteil persischer Willkürherrschaft, wie der Hofastrologe und die der Beamtenüberwachung dienende Post. Während die Araber keinen Henker gekannt hatten, war dieser vom abbasidischen Herrscher unzertrennlich und eine Lederdecke neben dem Thron diente dazu, Todesurteile sofort vollstrecken zu können. Zu Seite 149 hinter Abs. 2. Entstehung des Rittertums. Eine Verordnung Heinrichs IV. vom Jahre 1073 spricht von „milites und viri militares, qui dicuntur ministeriales“. Unter einem Ritter, miles genannt, verstand man zuerst nur einen freigeborenen Vasallen. Es geht dieses klar hervor aus der ,.restitutio de pace tenenda“ vom Jahre 1156, wo gesagt wird, daß der miles legitimus nur dem Satisfaktion zu geben brauchte, der seine Ritterbürtigkeit nachweisen konnte. Di«. Ministerialen waren z. T. schon rittermäßig, aber nicht ritterbürtig. Erst Mitte des 12. Jahrhunderts kam in Deutsch­ land die Sitte auf, auch Ministerialen den Rittergürtel zu verleihen und Kaiser Lothar 111. befahl 1135 Benefizien nicht mehr an freigeborene Nichtvasallen zu vergeben, sondern nur noch an Dienstleute. Seit 1166 verstand man unter milites auch ritterliche Ministeriale, und erst 1168 unterzeichnen auch Ministeriale als Ritter. Sie wurden aber noch Ende des 13. Jahrhunderts als mediocres, d. h. als halber Adel bezeichnet. In Frankreich als bacheliers (bas Chevaliers). Es gab in Deutschland Landschaften, deren Ritterschaft fast nur aus Mini­ sterialen bestand. Brandenburg hatte z. B. nach Droysen nur einen einzigen Freiherrn. Auch in den deutschen Dichtungen des 12. Jahrhunderts (Hartman von Aue, Alexanderlied, Wigalois usw.) wird der rittermähige Ministeriale vielfach noch Knecht genannt. Freie nicht

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ritterliche Vasallen hießen im Mittelalter armiger. In England deutet der Titel knight (Knecht) des niederen Adels ganz unmißverständlich auf dessen Ursprung hin. Dabei ist freilich zu beachten, daß auch die vordem freien angelsächsischen Thane sich nach dem Einfall der Normannen ihren Besitz nur durch Übergang in den Stand der Dienstleute erhalten konnten. 1086 erklärten sich sämtliche Thane zu Dienstleuten des Königs, der gesamte nie­ dere Adel (knights und squires) distanzierte sich aber von den Lords, woraus sich erklärt, daß er in der englischen Revolution nicht auf der Seite des Königs stand. Daß die Ritterschaft aller Länder sich zu einer alle Christlichen Ritter umfassenden Ge­ nossenschaft mit gleichen Sitten und gegenseitiger Achtung ausbildete, ist den Kreuzzügen und dem Papste zu verdanken. Dieser hatte gehofft, sich durch die Verpflichtung jedes Ritters, die Kirche zu verteidigen, eine kriegerische Gefolgschaft zur Beherrschung der Fürsten zu schaffen, die Ritterschaft ging aber ihren eigenen Weg. Zu Seite 155. Kreuzzüge. Der Name Sarazen ist eine Abänderung des Wortes Seradsen. So hießen damals bei Arabern und Türken die regulären Reiter, die Vorläufer der Sipahi. Das Wort kommt vom persischen Serendscham (3manen. Lehnsgüter mit mehr als 20000 Asper Ertragswert hießen Saym. Nach Haynes „Kriegskunst der Türken" waren Mitte des 18. Jahrh, in Europa vorhanden 5239 Siamet und 24413 Timarli, in Asien 1450 Siamet und 28 236 Timarli, die 62272 bzw. 69782 i. Sa. also 132054 Reiter zu stellen hatten. Die Gesamtzahl der türkischen Reiterei be­ rechnet Hayne für jene spätere Zeit auf ca. 240000 Mann. Da ganz erhebliche Heeres­ teile zur Deckung der anderen Grenzen zurückbleiben mußten, viele Dienstpflichtige auch nicht erschienen, ergibt sich aus diesen Feststellungen die Unsinnigkeit der angeblichen Stärke türkischer Heere. Der Begler-beg von Rumili residierte in Sofia, der von Anadoli in Kutahija, ein dritter für den Osten in Damaskus. Die Regiments-Kommandeure der Timarli und Siamet hießen Beg und führten 1—2 Roßschweife, der Begler-beg 3. Der Großvezier war Oberbefehlshaber mit 5 Roßschweifen, eigenem Hofstaat und dem Titel Hoheit. Die Provinzgouverneure waren Paschas von 3 Rohschweifen, unter denen als „Sandschaken" Paschas von 1—2 Rohschweifen standen. Sie kommandierten die Aufgebote der Asaben, Akindschi usw. Militär- und Zivilverwaltung wurden erst unter Suleiman I getrennt, konnten aber auch später in einer Hand liegen. Suleiman schuf eine Gesetzsammlung (Kanun oder Teschrifat) für Heer, Krieg, Hos und Gericht, die u. a. bestimmte, daß ein Friede nur im Feldlager, d. h. aus Gnade, geschlossen werden durfte. Die nur den Paschas zu­ stehende Feldmusik (Taebilchane) bestand aus 9 Pauken und Trommeln, 7 Trompeten, 9 Schalmeien, 4 Becken und Triangeln und 1 Schellenbaum (Tug) mit der zuständigen Zahl von Rohschweifen. Dazu gehörten die Bayraks und Sandschakfahnen. Im Gefecht mußte die Musik dauernd spielen. Hörte sie auf, so nahmen die Truppen dieses als Zeichen, daß die Schlacht verloren war (Salankemen). Das türkische Heer war zunächst eine reine Miliz, auch die Leibwachen des Sultans hatten friedliche Beschäftigungen. Die Leibgarde des Sultans zu Fuß bildeten die Bostand­ schy und Baltahdschy, Hellebardiere, die die äußeren bzw. inneren Wachen der kaiserlichen Paläste stellten und daneben die kaiserlichen Gärten in Ordnung halten, Feuermaterial heranschaffen, die Boote rudern und auch Strafgerichte vollziehen mußten. Die Bostandschy unter dem Bostandschy-baschi standen im Rang höher und gingen nur ins Feld, wenn der Sultan selbst auszog. Sie bewachten dann die kaiserlichen Zelte, wurden allmählich auf ca. 12000 Mann verstärkt und haben Anfang des 19. Jahrh, unter Mahmud den Kern für die Modernisierung des Heeres geliefert. Für eine besondere Elitetruppe wurden zuerst aus den Bostandschy junge Leute ausgewählt, die nicht heiraten durften (Aessabli — die Ehelosen), also die Vorläufer der Fanitscharen waren. Die Wache am äußeren Haupttor des Serail, der hohen Pforte, stellten die Kapudschy (kapu^-Tor) in Stärke von 400 Mann unter dem Kapudschy-baschi. Sie waren daneben Boten, Scharfrichter und Überbringer der seidenen Schnur. 500 Sipahi aus guten Familien (Muteferikeh) bildeten eine berittene Leibwache. Auch sie gingen nur mit dem Sultan ins Feld und waren daneben Adjutanten und Kuriere. Muteferikeh-bascha war der Sultan selbst. Der Vascha hatte Generalsrang, der Baschi war nur Stabsoffizier. Die Leibwachen unterschieden sich durch ihren Kaftan sowie durch Farbe und Form des Turbans. Zum Abstecken, Aufschlagen und Abreißen des Lagers gab es eine besondere Truppe von Fourieren (Metherdschy), die Zelte und Lagergerät in Ordnung zu halten und zu transportieren hatte. Die Bedeckung der Bagage war Sache der Seradschy, die mit Flinte und Säbel bewaffnet und sonst die Leibwachen der Paschas waren. Die Veglerbegs und Provinz-Gouverneure hatten noch andere Leibtruppen. Die zu Pferde hießen Agalaries, die zu Fuß Arnauten, weil sie bis in die neueste Zeit aus Albanesen und Bosniern bestanden. Der Großvezier hatte als Boten und bewaffnete Diener außerdem 400 Tschausche, die an einem langen Stabe und ihrer hohen Kopfbedeckung erkennbar waren.