Handbuch Kommunikationsmanagement im Marketing: 2 Teilbände [1 ed.] 9783428583195, 9783428183197

»Man kann nicht nicht kommunizieren.« Dieses bekannte Postulat von Paul Watzlawick gilt auch und erst recht in der Marke

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Handbuch Kommunikationsmanagement im Marketing: 2 Teilbände [1 ed.]
 9783428583195, 9783428183197

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Werner Pepels

Handbuch

Kommunikationsmanagement im Marketing Teilband I + II

Duncker & Humblot



Berlin

WERNER PEPELS

Handbuch Kommunikationsmanagement im Marketing Teilband I

Handbuch

Kommunikationsmanagement im Marketing Teilband I I. Grundlagen der Marketingkommunikation II. Steuerung der Marketingkommunikation III. Planung der Marketingkommunikation IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung V. Medien der Klassischen Werbung

Von

Werner Pepels

Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2021 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Satz: TextFormArt, Daniela Weiland, Göttingen Druck: CPI buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany ISBN 978-3-428-18319-7 (Print) ISBN 978-3-428-58319-5 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Der erfolgreiche Band „Kommunikationsmanagement“ vom selben Autor aus dem selben Verlag liegt seit geraumer Zeit in fünfter Auflage vor. Bedingt durch rapide Veränderungen sowohl der kommunikativen Inhalte als auch des Umfelds entstand jedoch der Wunsch, dem durch eine inhaltliche Erweiterung und thematische Vertiefung in einem neuen Werk gerecht zu werden. So ist das „Handbuch Kommunikationsmanagement im Marketing“ entstanden, das nun erstmals vorliegt. Wiederum wird angestrebt, die Marketingkommunikation im „State of the Art“ darzustellen. Alle Facetten finden dabei repräsentativ Berücksichtigung. Unterstützend wirken eine fein unterteilte Gliederung, 230 Abbildungen und Übersichten, Literaturhinweise zur Vertiefung und umfangreiche Verzeichnisse. Das Handbuch unterteilt sich in zwölf Oberkapitel, die insgesamt 30 Kapitel umfassen, die sich wiederum in über 110 Unterkapitel gliedern. Ziel aller Darstellungen ist die Schnittmenge aus theoretisch-fundierter, analytischer Darstellung einerseits und praxisbezogen-anschaulicher, systematischer Darstellung andererseits zu realisieren. Unbestritten ist die theoretische Fundierung wissenschaftlicher Fach- und Spezialwerke zur Kommunikationspolitik, jedoch meist zulasten deren Praxisbezugs, größer, sicherlich ist auch der Praxisbezug mancher Managerliteratur enger, jedoch zulasten deren Systematik. Angestrebt ist jedoch, die beiden Pole zu versöhnen, denn Theorie und Praxis treten kombiniert besonders stark auf. Dies entspricht auch dem Erfahrungs- und Kenntnishintergrund des Autors, der über ein Jahrzehnt in der Werbebranche und deutlich über zwei Jahrzehnte in der Lehre tätig war. Der Anspruch eines Handbuchs ist dabei nicht, jeden letzten Modetrend im Fachgebiet aufzugreifen, sondern Inhalte, die als zureichend anzusehen sind, und deren geordnete Zusammenstellung. Handbuch bedeutet dominant Seriosität, Struktur und Relevanz. Diesem Credo fühlt sich auch das vorliegende Werk verpflichtet. Der Autor dankt dem Duncker & Humblot-Verlag für seine Bereitschaft, dieses Werk in Erstauflage zu verlegen. Dafür sei Herrn Dr. Andreas Beck, Programmleitung, und seinem Team, namentlich, Frau Heike Frank, Herstellungsleitung, Frau Anke Geidel, Herstellung, und Frau Simone Ahrberg, Werbung, gedankt. Aufgrund der Komplexität und Volatilität der Materie ist jedoch nicht immer auszuschließen, dass einzelne Inhalte sich zwischen Manuskriptfassung und Drucklegung verändert haben oder in Teilen anders darstellen. Für Verbesserungshinweise ist der Autor daher jederzeit dankbar.

VI

Vorwort

Als Leserzielgruppe sind Studierende der Wirtschaftswissenschaften und verwandter „Bindestrich-“Fächer an wissenschaftlichen und anwendungsbezogenen Hochschulen adressiert. Weiterhin Teilnehmer an anspruchsvollen Fort- und Weiterbildungseinrichtungen für Marketing, Kommunikation und Medien. Außerdem werden Fachkräfte in Industrie, Handel und Dienstleistung adressiert, die dort in Marketing, Kommunikation oder Marketingservice tätig sind sowie Führungskräfte und Aufsteiger in diesen Bereichen sowie Quereinsteiger in diese Bereiche, die sich fundiert in die spannende Thematik der Marketingkommunikation einarbeiten wollen. Verlag und Autor hoffen, dass die Leser dieses Handbuchs wesentliche Einblicke und Anregungen für ihre Arbeiten erhalten und die Inhalte für ihr persönliches Fortkommen nutzen können. Dann hat die Investition in diesen Titel bereits ihren Return on Investment erzielt. Leser, die nicht ganz so tief in die Materie eintauchen wollen oder müssen, finden ebenfalls im Verlag Duncker & Humblot den Titel „Marketing-Kommunikation“, in vierter Auflage, als Einstiegsversion zum Thema. Krefeld, im Januar 2021

Werner Pepels

Inhaltsübersicht Teilband I I.

Grundlagen der Marketingkommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1. Kommunikationsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.1 Grundlagen der Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.2 Begrifflichkeiten der Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 1.3 Marketingkommunikative Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 1.4 Einordnung der Informationspolitik ins Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . 36 2. Marketingkommunikationskanäle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 2.1 Mediengruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 2.2 Werbestatistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 2.3 Intermediavergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 2.4 Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

II.

Steuerung der Marketingkommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 3. Kommunikationsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 3.1 Darstellung des Angebotsumfelds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 3.2 Marktsegmentierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 3.3 Basis der Marketingstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 3.4 Bedeutung des Markenartikels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 3.5 Kaufverhaltenseinflüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 3.6 Beschaffungsverhaltenseinflüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 4. Datenbasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 4.1 Informationsanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 4.2 Sekundärquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 4.3 Primärquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 4.4 Offline-Erhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 4.5 Online-Erhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 4.6 Datenauswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 4.7 Anwendungsbereich Typologien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183

VIII III.

Inhaltsübersicht Planung der Marketingkommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 5. Kommunikationselemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 5.1 Kommunikationsziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 5.2 Kommunikationsbudgetierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 5.3 Ressourcenallokation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 6. Planungsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 6.1 Strukturplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 6.2 Prozessplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 6.3 Entscheidungssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 6.4 Kennzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 6.5 Benchmarking . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245

IV.

Eckpfeiler der Konzeptentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 7. Bestimmung der Zielpersonengruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 7.1 Abgrenzung der B-t-c-Zielgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 7.2 Abgrenzung der B-t-b-Zielgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 8. Parameter der Positionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 8.1 Strategisches Geschäftsfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 8.2 Strategische Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 8.3 Festlegung der Absatzquelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 8.4 Stellgrößen der Positionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 9. Entwicklung des Kampagnenformats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 9.1 Positioning Statement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 9.2 Creative Platform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 9.3 Kreativtechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 9.4 Konzeptverbund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418 9.5 Bewertungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421

V.

Medien der Klassischen Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 10. Medien und Werbemittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 10.1 Mediagattung Print . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 10.2 Mediagattung Elektronik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 10.3 Mediagattung Außenwerbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 10.4 Bewertung der klassischen Mediagattungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486 10.5 Medienprofil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494

Inhaltsübersicht

IX

11. Mediaplanung für Klassische Werbemittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 11.1 Mediastrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 11.2 Intramediavergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505 11.3 Fachwerbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 542 11.4 Best Agers-Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 545 11.5 Problemfelder der Mediaplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 548

Teilband II VI. Internet-Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553 12. Online-Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553 12.1 Digitalkommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553 12.2 Corporate Website . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 572 12.3 Suchmaschinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 582 12.4 WWW-Werbeplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 593 12.5 Newsletter- / E-Mail-Werbeplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 622 13. Social Media-Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 629 13.1 Social Media-Kanäle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 629 13.2 Social Media-Werbeplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 644 14. Mobile-Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 648 14.1 Aktionsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 648 14.2 Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 649 14.3 Mobile-Werbeplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 660 VII. Nicht-klassische Basisinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 665 15. Öffentlichkeitsarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 665 15.1 Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 665 15.2 Traditionelle Formen der PR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 666 15.3 Moderne Formen der PR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 671 15.4 Sonderformen der PR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 696 16. Schauwerbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 724 16.1 Ausstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 724 16.2 Weitere Schauwerbeformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 737 17. Dialogwerbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 755 17.1 Arten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 755 17.2 Telefonische Dialogmedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 757

X

Inhaltsübersicht 17.3 Elektronische Dialogmedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 762 17.4 Geprintete Dialogmedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 768

VIII. Nicht-klassische Zusatzinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 791 18. Informationsliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 791 18.1 Gestaltungsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 791 18.2 Werbemittelausprägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 804 19. Verkaufsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 810 19.1 Begriff und Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 810 19.2 Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 813 19.3 Vkf-Informations-Mix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 825 20. Katalog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 844 20.1 Arten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 844 20.2 Konzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 845 20.3 Planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 848 20.4 Gestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 850 20.5 Produktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 853 20.6 Auftragsabwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 855 20.7 E-Katalog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 857 20.8 Erfolgsmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 860 21. Persönliche Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 864 21.1 Allgemeine Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 864 21.2 Akquisitorische Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 875 21.3 Prozessgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 892 22. Produktausstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 904 22.1 Begriff und Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 904 22.2 Packungsfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 905 22.3 Produktdesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 909 IX.

Implementierung der Kommunikationspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 915 23. Durchführungsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 915 23.1 Kommunikationsgebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 915 23.2 Kommunikationsperiode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 919 23.3 Mediadurchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 925 23.4 Outsourcing an Mediaagentur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 943

Inhaltsübersicht

XI

24. Internationale Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 947 24.1 Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 947 24.2 Einflussfaktor Landeskultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 952 24.3 Optionen der Marktführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 956 24.4 Alternativen der Kampagnenführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 958 X.

Elemente der Identitätspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 963 25. Absenderidentität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 963 25.1 Corporate Identity . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 963 25.2 Ethik der Marketingkommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 991 26. Integrierte Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 995 26.1 Inhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 995 26.2 Arbeitsteilung der Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 996 26.3 Abstimmung der Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1000 26.4 Kommunikations-Mix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1005

XI.

Controlling der Marketingkommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1009 27. Leistungsmessungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1009 27.1 Werbeeffizienzbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1009 27.2 Messverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1017 27.3 Verfahren der Werbewirkungsprognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1026 27.4 Verfahren der Werbeerfolgsprognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1049 27.5 Verfahren der Werbewirkungskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1068 27.6 Verfahren der Werbeerfolgskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1086 27.7 Grenzen der Werbeeffizienzmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1099 27.8 Kaufmännische Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1109

XII. Organisation der Marketingkommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1115 28. Aufbauorganisation der internen Werbeabteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1115 28.1 Stelle und Stellenbeschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1116 28.2 Organisationsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1119 28.3 Formen der Aufbauorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1120 29. Strukturschnittstelle Externe Werbeberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1144 29.1 Rechtsbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1144 29.2 Werbeagenturvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1147 29.3 Historische Entwicklung der Werbeagentur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1157

XII

Inhaltsübersicht 29.4 Merkmale des Werbeagenturgeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1162 29.5 Leistungsgrundsätze von Werbeagenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1165 29.6 Vergütung der Werbeagentur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1167 29.7 Auswahl einer Werbeagentur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1170 29.8 Optionen der Agenturanbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1188 30. Ablauforganisation der Beauftragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1191 30.1 Briefingprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1191 30.2 Hinweise für Werbungsmittler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1205 30.3 Hinweise für Werbungtreibende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1206

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1208

Inhaltsverzeichnis Teilband I I.

Grundlagen der Marketingkommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1. Kommunikationsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.1 Grundlagen der Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.1.1 Bedingungen der Mediengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.1.1.1

Medienlandschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

1.1.1.2

Umfeldbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

1.1.2 Kommunikationsprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 1.1.3 „Merksätze“ der Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 1.1.4 Kommunikationsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 1.1.5 Kommunikationsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 1.1.6 Kommunikationskanäle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 1.2 Begrifflichkeiten der Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 1.2.1 Definitionsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 1.2.2 Ausprägungen der Marketingkommunikation . . . . . . . . . . . . . . 18 1.2.3 Anforderungen an die Marketingkommunikation . . . . . . . . . . . 19 1.2.4 Kategorien der Marketingkommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 1.3 Marketingkommunikative Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 1.3.1 Phasen der Kommunikationswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 1.3.2 Dynamisierung der Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 1.3.3 Informationsverarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 1.4 Einordnung der Informationspolitik ins Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . 36 1.4.1 Marketingidee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 1.4.2 Informationsgestaltung im Marketing-Mix . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2. Marketingkommunikationskanäle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 2.1 Mediengruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 2.2 Werbestatistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 2.3 Intermediavergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 2.3.1 Vergleich der klassischen Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 2.3.2 Vergleich der Online-Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 2.3.3 Vergleich der nicht-klassischen Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 2.4 Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

XIV II.

Inhaltsverzeichnis Steuerung der Marketingkommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 3. Kommunikationsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 3.1 Darstellung des Angebotsumfelds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 3.1.1 Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 3.1.2 Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 3.1.3 Abnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 3.1.4 Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 3.1.5 Angebotsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 3.1.5.1

Stärken-Schwächen-Profil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70

3.1.5.2

Chancen-Risiken-Profil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

3.1.5.3

SWOT-Analyse / TOWS-Matrix . . . . . . . . . . . . . . . . 73

3.1.5.4

Weitere Analyseverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75

3.2 Marktsegmentierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 3.2.1 Marktabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 3.2.2 Marktbearbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 3.2.3 Marktabdeckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 3.2.4 Produkt-Markt-Kombinationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 3.2.5 Ansätze speziell im B-t-c-Sektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 3.2.5.1

Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86

3.2.5.2

Demografische Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88

3.2.5.3

Aktiografische Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90

3.2.6 Ansätze speziell im B-t-b-Sektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 3.3 Basis der Marketingstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 3.3.1 Marktstimulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 3.3.1.1

Präferenz-Position . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97

3.3.1.2

Preis-Mengen-Position . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

3.3.1.3

Marktpolarisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101

3.3.2 Marktverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 3.4 Bedeutung des Markenartikels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 3.4.1 Markeninhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 3.4.2 Markeneigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 3.4.3 Markenzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 3.4.4 Markenauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 3.4.5 Markenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 3.4.6 Markenstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 3.4.7 Markenpflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 3.5 Kaufverhaltenseinflüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123

Inhaltsverzeichnis

XV

3.5.1 Wahlentscheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 3.5.2 Gütertypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 3.5.3 Angebotswahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 3.5.4 Preis-Leistungs-Quotient . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 3.5.5 Nachfrageeffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 3.5.6 Hybrides Kaufverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 3.5.7 Auswahlprogramme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 3.5.8 Kaufvereinfachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 3.5.9 Kaufkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 3.6 Beschaffungsverhaltenseinflüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 4. Datenbasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 4.1 Informationsanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 4.2 Sekundärquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 4.3 Primärquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 4.4 Offline-Erhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 4.4.1 Befragungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 4.4.1.1

Auswahl der Auskunftseinheiten . . . . . . . . . . . . . . . 149

4.4.1.2

Mündliche Befragungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . 150

4.4.1.3

Fernmündliche Befragungsformen . . . . . . . . . . . . . . 154

4.4.1.4

Schriftliche Befragungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . 154

4.4.1.5

Computergestützte Befragungsformen . . . . . . . . . . . 156

4.4.2 Beobachtungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 4.5 Online-Erhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 4.5.1 Auswahlverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 4.5.2 Befragungskanäle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 4.5.3 Befragungstaktik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 4.5.4 Kritische Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 4.6 Datenauswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 4.6.1 Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 4.6.1.1

Reliabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173

4.6.1.2

Validität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174

4.6.1.3

Objektivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176

4.6.1.4

Signifikanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176

4.6.2 Skalierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 4.6.3 Statistische Analysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 4.6.3.1

Strukturprüfende Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178

4.6.3.2

Strukturentdeckende Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . 181

XVI

Inhaltsverzeichnis 4.7 Anwendungsbereich Typologien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 4.7.1 Lifestyle-Typologie von M. C. & L. B. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 4.7.2 Typologie Sozialer Milieus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 4.7.3 Sigma-Milieus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 4.7.4 Roper Socio Styles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 4.7.5 RISC-Typologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 4.7.6 Weitere Typologieansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 4.7.7 Kritische Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196

III.

Planung der Marketingkommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 5. Kommunikationselemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 5.1 Kommunikationsziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 5.1.1 Zielanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 5.1.2 Zieldimensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 5.1.2.1

Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203

5.1.2.2

Gewichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205

5.1.2.3

Richtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207

5.1.2.4

Ausmaß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208

5.1.2.5

Vertikale Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209

5.1.2.6

Horizontale Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209

5.1.2.7

Zeitgeltungsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210

5.1.2.8

Raumgeltungsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211

5.2 Kommunikationsbudgetierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 5.2.1 Erfahrungsbasierte, monovariable Budgetierungstechniken . . . 214 5.2.1.1

Ergebnisanteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214

5.2.1.2

Umsatz / Absatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214

5.2.1.3

Fixbetrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215

5.2.1.4

Ziel-Mittel-Maßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215

5.2.1.5

Konkurrenzabhängige Budgetierung . . . . . . . . . . . . 216

5.2.2 Erfahrungsbasierte, polyvariable Budgetierungstechniken . . . . 217 5.2.2.1

Restwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218

5.2.2.2

Fortschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218

5.2.2.3

Makrogrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219

5.2.2.4

ADBUDG-Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219

5.2.2.5

Kuehn-Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220

5.2.3 Kritik erfahrungsbasierter Budgetierungstechniken . . . . . . . . . . 220 5.2.4 Modellgestützte, monovariable Budgetierungstechniken . . . . . 221 5.2.4.1

Little-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221

5.2.4.2

Koyck-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222

Inhaltsverzeichnis

XVII

5.2.4.3

Share of Advertising / Share of Market-Anteil . . . . . 222

5.2.4.4

Kapitalwertmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224

5.2.5 Modellgestützte, polyvariable Budgetierungstechniken . . . . . . 225 5.2.5.1

Vidale / Wolfe-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225

5.2.5.2

Fischerkoesen-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226

5.2.5.3

Dorfman / Steiner-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227

5.2.5.4

Optimierungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228

5.2.6 Kritik modellgestützter Budgetierungstechniken . . . . . . . . . . . . 228 5.3 Ressourcenallokation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 5.3.1 Budgetdimensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 5.3.2 Budgetzuordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 6. Planungsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 6.1 Strukturplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 6.2 Prozessplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 6.3 Entscheidungssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 6.4 Kennzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 6.5 Benchmarking . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 IV.

Eckpfeiler der Konzeptentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 7. Bestimmung der Zielpersonengruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 7.1 Abgrenzung der B-t-c-Zielgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 7.1.1 Gesellschaftliche Schichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 7.1.2 Intrapersonale Variable . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 7.1.2.1

Aktivierende Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254

7.1.2.2

Individuelle Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258

7.1.2.3

Werthaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260

7.1.2.4

Lebensstil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263

7.1.2.5

Semiometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265

7.1.3 Interpersonale Variable . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 7.1.3.1

Kultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267

7.1.3.2

Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268

7.1.4 Meinungsführerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 7.1.4.1 Two-Step-Flow-Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 7.1.4.2

Two Cycles-Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275

7.1.4.3

Moderne Influencer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277

7.1.5 Wahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 7.1.5.1

Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280

7.1.5.2

Effekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282

XVIII

Inhaltsverzeichnis 7.1.5.3

Gesetzmäßigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286

7.1.5.4

Informationsverarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288

7.1.6 Kognitive Variable . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 7.1.6.1

Lernen durch Einsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290

7.1.6.2

Lernen am Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291

7.1.6.3

Lernen durch Rezeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292

7.1.6.4

Gedächtnisstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293

7.1.6.5

Vergessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297

7.1.7 Biostruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 7.1.8 Prozessmodelle bei Neuerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 7.1.8.1

Adoption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306

7.1.8.2

Diffusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309

7.2 Abgrenzung der B-t-b-Zielgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 7.2.1 Merkmale geschäftlicher Transaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 7.2.2 Spezielle Marktkennzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 7.2.3 Interaktionsrelationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 7.2.4 Einteilungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 7.2.4.1

Produkteigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324

7.2.4.2

Kaufklassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326

7.2.5 Vertikale Partialmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 7.2.5.1 Buying Center-Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 7.2.5.2

Innovatoren-Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332

7.2.5.3

Reagierer-Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334

7.2.5.4

Informations-Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335

7.2.6 Horizontale Partialmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 8. Parameter der Positionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 8.1 Strategisches Geschäftsfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 8.2 Strategische Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 8.3 Festlegung der Absatzquelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 8.3.1 Eigene Kunden mit gleichem Produkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 8.3.2 Eigene Kunden mit anderem Produkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 8.3.3 Fremde Käufer mit gleichem Produkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 8.3.4 Fremde Käufer mit anderem Produkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 8.3.5 Bisherige Nichtkäufer mit gleichem / anderem Produkt . . . . . . . 351 8.3.6 Bisherige Nichtkäufer mit neuem Produkt . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 8.4 Stellgrößen der Positionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 8.4.1 Positionsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 8.4.1.1

Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357

Inhaltsverzeichnis

XIX

8.4.1.2

Angebotsdimensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359

8.4.1.3

Mitbewerberpositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361

8.4.1.4

Eigene Ist- und Ideal-Position . . . . . . . . . . . . . . . . . 364

8.4.1.5

Dateninterpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365

8.4.1.6

Festlegung der Zielposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366

8.4.2 Positionsanlässe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 8.4.2.1

Erstpositionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369

8.4.2.2

Positionsverstärkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370

8.4.2.3

Umpositionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370

8.4.2.4

Positionsaktualisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371

8.4.3 Basispositionsoptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 8.4.3.1 Unique Selling Proposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 8.4.3.2 Unique Advertising Proposition . . . . . . . . . . . . . . . . 373 8.4.3.3

Generic offer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379

8.4.3.4

Me-too offer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379

8.4.4 Zusatzpositionsoptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 8.4.4.1

Kombination an Marktschnittstelle . . . . . . . . . . . . . 380

8.4.4.2

Ausweichen in Marktnische . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381

8.4.4.3

Prägnante Fokussierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383

8.4.4.4

Omnipotente Generalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384

9. Entwicklung des Kampagnenformats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 9.1 Positioning Statement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 9.1.1 Angebotsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 9.1.2 Anspruchsbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 9.1.3 Positionierungsanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 9.2 Creative Platform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 9.2.1 Nutzenversprechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 9.2.2 Umsetzungstechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 9.2.2.1

Verfremdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394

9.2.2.2

Ergänzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395

9.2.2.3

Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396

9.2.2.4

Storytelling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397

9.2.3 Nutzendarlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 9.2.4 Gestaltungsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 9.3 Kreativtechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 9.3.1 Beispiele intuitiv-lateraler Techniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 9.3.2 Beispiele logisch-diskursiver Techniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 9.3.3 Beispiele systematisch-adaptiver Techniken . . . . . . . . . . . . . . . 417

XX

Inhaltsverzeichnis 9.4 Konzeptverbund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418 9.5 Bewertungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421

V.

Medien der Klassischen Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 10. Medien und Werbemittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 10.1 Mediagattung Print . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 10.1.1 Zeitungsanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 10.1.2 Zeitschriftenanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 10.1.3 Sonstige Printwerbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434 10.1.4 Print-Sonderformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436 10.2 Mediagattung Elektronik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 10.2.1 Fernsehspot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 10.2.1.1 Öffentlich-rechtliche Sender . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 10.2.1.2 Privat-wirtschaftliche Sender . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 10.2.1.3 Werberichtlinien in TV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 10.2.1.4 Fernseh-Sonderwerbeformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450 10.2.2 TV-Senderlandschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 10.2.2.1 Senderarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 10.2.2.2 Übertragungsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 10.2.2.3 Programmarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462 10.2.3 Hörfunkspot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464 10.2.3.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464 10.2.3.2 Hörfunk-Sonderwerbeformen . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 10.2.4 Kinospot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472 10.2.4.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 10.2.4.2 Kinowerbetechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 10.3 Mediagattung Außenwerbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 10.3.1 Stationäres Plakat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 10.3.2 Plakatwerbeeinsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480 10.3.3 Mobiles Plakat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 10.3.4 Sonstige Außenwerbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482 10.3.5 Ambient Media . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484 10.4 Bewertung der klassischen Mediagattungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486 10.4.1 Quantitative Beurteilungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486 10.4.1.1 Mediatechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487 10.4.1.2 Mediaökonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 488 10.4.1.3 Medialeistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489 10.4.2 Qualitative Beurteilungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 490 10.5 Medienprofil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494

Inhaltsverzeichnis

XXI

11. Mediaplanung für Klassische Werbemittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 11.1 Mediastrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 11.1.1 Medialeistung des Mitbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 11.1.2 Ableitung der eigenen Mediataktik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500 11.1.2.1 Wettbewerbsverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501 11.1.2.2 Auswahl der Mediagattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 502 11.1.2.3 Auswahl der Werbemittelausstattung . . . . . . . . . . . . 504 11.1.2.4 Auswahl der Werbeträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505 11.2 Intramediavergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505 11.2.1 Datenbasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 506 11.2.1.1 Transparenz der Werbemittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 506 11.2.1.2 Markt-Media-Analysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 508 11.2.1.3 Leser- und Auflagebegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 520 11.2.1.4 TV-Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 522 11.2.2 Zielgruppenoperationalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523 11.2.2.1 Validierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524 11.2.2.2 Segmentierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524 11.2.2.3 Gewichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525 11.2.2.4 Verrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526 11.2.2.5 Ergebnisausgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526 11.2.3 Rangreihung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 527 11.2.3.1 Computerzählung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 527 11.2.3.2 Reichweitenwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 528 11.2.3.3 Kontaktintensitätswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531 11.2.3.4 Affinitätswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531 11.2.3.5 Wirtschaftlichkeitswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532 11.2.4 Plankombination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 535 11.2.4.1 Qualitätssicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 535 11.2.4.2 Evaluierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 536 11.2.4.3 Bruttokontaktsumme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 539 11.2.4.4 Kalkülisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 539 11.3 Fachwerbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 542 11.4 Best Agers-Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 545 11.5 Problemfelder der Mediaplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 548

Abbildungsverzeichnis Teilband I Abbildung I/1:

Kommunikationsebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

Abbildung I/2:

Kommunikationsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

Abbildung I/3:

Kommunikationsfluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

Abbildung I/4:

Analyse von Zeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

Abbildung I/5:

Kommunikationswege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

Abbildung I/6:

Störungen im Kommunikationsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

Abbildung I/7:

Abgrenzung der Marketingkommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

Abbildung I/8:

Kommunikationsanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

Abbildung I/9:

Formen der Kollektivwerbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

Abbildung I/10:

Kategorien der Marketingkommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

Abbildung I/11:

Kommunikationswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

Abbildung I/12:

Phasen der Kommunikationswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

Abbildung I/13:

Marketing-„Generationen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

Abbildung I/14:

Kundenbeziehungs-Kreislauf und Kundenbeziehungs-Erfolgskette 38

Abbildung I/15:

Kundenleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

Abbildung I/16:

Marketinginstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

Abbildung II/17:

Angebotsumfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

Abbildung II/18:

Marktlebenszyklusphasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

Abbildung II/19:

Typische Merkmale der Innovationsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

Abbildung II/20:

Typische Merkmale der Penetrationsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

Abbildung II/21:

Typische Merkmale der Satuartionsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

Abbildung II/22:

Typische Merkmale der Degenerationsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

Abbildung II/23:

Stärken-Schwächen-Profil (Prinzip nach Schulnoten) . . . . . . . . . 71

Abbildung II/24:

TOWS-Matrix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

Abbildung II/25:

Elemente der Marktsegmentierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76

Abbildung II/26:

Optionen der Produkt-Markt-Kombinationen . . . . . . . . . . . . . . . . 81

Abbildung II/27:

Undifferenzierte, totale Markterfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81

Abbildung II/28:

Marktunifizierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82

Abbildung II/29:

Produktunifizierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82

Abbildung II/30:

Differenzierte, totale Markterfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83

Abbildung II/31:

Marktspezialisierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84

Abbildung II/32:

Produktspezialisierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85

Abbildungsverzeichnis

XXIII

Abbildung II/33:

Differenzierte, partielle Markterfassung (Mono Segment / Multi Segments) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85

Abbildung II/34:

Formen der B-t-b-Marktsegmentierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93

Abbildung II/35:

Basis der Marketingstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97

Abbildung II/36:

Präferenz-Position – Preis-Mengen-Position . . . . . . . . . . . . . . . . . 100

Abbildung II/37:

Alternativen der Marktpolarisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102

Abbildung II/38:

Beeinflussungsoptionen des Produktlebenszyklus . . . . . . . . . . . . 106

Abbildung II/39:

Relevant Set of Brands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110

Abbildung II/40:

Optionen der Markenstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115

Abbildung II/41:

Einfluss der Marktfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124

Abbildung II/42:

Preis-Leistungs-Relationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129

Abbildung II/43:

Hybrides Kaufverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

Abbildung II/44:

Auswahlprogramme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132

Abbildung II/45:

Kaufkraftindex Deutschland 2019 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137

Abbildung II/46:

Elemente der Datenbasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144

Abbildung II/47:

Informationsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148

Abbildung II/48:

Sinus-Soziale Milieus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186

Abbildung II/49:

SIGMA-Milieus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188

Abbildung II/50:

Roper Consumer Styles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191

Abbildung II/51:

Schulze-Soziale Milieus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193

Abbildung III/52:

Allgemeine Zieldimensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202

Abbildung III/53:

Objekte ökonomischer Kommunikationsziele . . . . . . . . . . . . . . . 204

Abbildung III/54:

Alternative Budgetierungstechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213

Abbildung III/55:

Prinzip der SoA/SoM-Relation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223

Abbildung III/56:

Kapitalwert-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225

Abbildung III/57:

Optionen bei Budgetrestriktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231

Abbildung III/58:

Optionen der Kommunikationsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235

Abbildung III/59:

Beispiel MPM-Netzplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239

Abbildung III/60:

Beispiel Ablaufplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239

Abbildung III/61:

Beispiel Meilensteinplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240

Abbildung III/62:

Beispiel Projektplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241

Abbildung IV/63:

Einteilungskriterien der B-t-c-Zielgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250

Abbildung IV/64:

Intrapersonale Variable . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254

Abbildung IV/65:

Lambda-Kurve der Aktivierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255

Abbildung IV/66:

Maslow’sche Bedürfnishierarchie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257

Abbildung IV/67:

Einstellungs-Verhaltens-Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258

Abbildung IV/68:

Semiometrie-Basis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266

Abbildung IV/69:

Interpersonale Variable . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267

Abbildung IV/70:

Kaufentscheidungsanteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269

Abbildung IV/71:

Alternative Theorien zur Meinungsführerschaft . . . . . . . . . . . . . . 273

XXIV

Abbildungsverzeichnis

Abbildung IV/72:

Wahrnehmungseffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282

Abbildung IV/73:

Modell der Gedächtnisstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294

Abbildung IV/74:

Basismodell der Gehirnstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299

Abbildung IV/75:

Häusel-Modell der Gehirnstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301

Abbildung IV/76:

Stufen des Adoptionsprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306

Abbildung IV/77:

Diffusionskurve (kumuliert) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310

Abbildung IV/78:

Geschäftsarten im B-t-b . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316

Abbildung IV/79:

Merkmale geschäftlicher Transaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322

Abbildung IV/80:

Neuroökonomische Produkteigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324

Abbildung IV/81:

Kaufklassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326

Abbildung IV/82:

Vertikale Partialmodelle im B-t-b . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328

Abbildung IV/83:

Optionen des Strategischen Geschäftsfelds . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338

Abbildung IV/84:

Optionen der Strategischen Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340

Abbildung IV/85:

Absatzquellenoptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343

Abbildung IV/86:

Positionsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356

Abbildung IV/87:

Idealpunkt-Modell – Idealvektor-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358

Abbildung IV/88:

Formular Copy-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362

Abbildung IV/89:

Zielpositionen nach der Feldtheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367

Abbildung IV/90:

Positionsanlässe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369

Abbildung IV/91:

Basis-Positionsoptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372

Abbildung IV/92:

Zusatz-Positionsoptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380

Abbildung IV/93:

Optionale Endbenefits . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390

Abbildung IV/94:

Nutzenleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391

Abbildung IV/95:

Techniken der Nutzendarlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399

Abbildung IV/96:

Konzeptverbund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419

Abbildung IV/97:

Optionale Konzeptdesigns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420

Abbildung IV/98:

Punktwertverfahren (Beispiel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422

Abbildung IV/99:

Konstantsummenskala (Beispiel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423

Abbildung IV/100: Checklist-Verfahren (Beispiel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 Abbildung IV/101: Prinzip des Paarvergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 Abbildung IV/102: Dominanzprüfung (Beispiel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 Abbildung V/103:

Klassische Werbemittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427

Abbildung V/104:

Formen der Mediagattung Print . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428

Abbildung V/105:

Zeitschriftenarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431

Abbildung V/106:

Auswahl Special Interest-Titel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432

Abbildung V/107:

Auswahl Professional Interest-Titel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432

Abbildung V/108:

Sachgruppen für Special Interest- und Special Segment-Titel . . . . 433

Abbildung V/109:

Sachgruppen für Professional Interest-Titel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433

Abbildung V/110:

Formen der Mediagattung Elektronik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439

Abbildungsverzeichnis

XXV

Abbildung V/111:

TV-Sender (Auszug) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442

Abbildung V/112:

ZDF-Preisliste 2020 – Auszug: „Heute-Uhr“ . . . . . . . . . . . . . . . . 444

Abbildung V/113:

Senderarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455

Abbildung V/114:

Übertragungsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458

Abbildung V/115:

Programmarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463

Abbildung V/116:

Hörfunk-Sendertypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466

Abbildung V/117:

Formen der Außenwerbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478

Abbildung V/118:

Quantitative Beurteilung der klassischen Mediagattungen . . . . . . 486

Abbildung V/119:

Qualitative Beurteilung der klassischen Mediagattungen . . . . . . . 490

Abbildung V/120:

Profil der klassischen Mediagattungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494

Abbildung V/121:

Ableitung der Mediataktik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501

Abbildung V/122:

Optionen des Wettbewerbsverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501

Abbildung V/123:

Profil klassischer Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503

Abbildung V/124:

Gruppen von Markt-Media-Analysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 508

Abbildung V/125:

Verlags-Typologien (Auswahl) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513

Abbildung V/126:

Beispielseite Markt-Media-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 516

Abbildung V/127:

Zielgruppenoperationalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523

Abbildung V/128:

Beispiel Rangreihung, Kurzform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 527

Abbildung V/129:

Medialeistungswerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 528

Abbildung V/130:

Media-Unterdeckung / -Überdeckung / -Übersteuerung . . . . . . . . . . 530

Abbildung V/131:

Reichweitenstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 536

Abbildung V/132:

Optionale Mediapläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 538

Abbildung V/133:

Schema der linearen Programmierung in der Mediaplanung . . . . 540

Abkürzungsverzeichnis A-t-l Above the Line (Klassische Werbung) ADC Art Directors Club Annoncen-Expedition (Agenturprovision) AE AGB Allgemeine Geschäfts-Bedingungen AG.MA Arbeitsgemeinschaft Mediaanalyse AIDA Attention, Interest, Desire, Action (Stufenmodell der Werbung) AIO Activities, Interest, Opinions (Werthaltungen) American Standard Code for Information Interchange (Zeichencodierung) ASCII B-t-b Business-to-Business (Gewerbekundengeschäft) B-t-c Business-to-consumer (Privatkundengeschäft) B-t-l Below-the-Line (Nicht-klassische Werbung) BSC Balanced Score Card (Performance measurement) Cash and Carry (Selbstbedien- / Abholgroßhandel) C & C CAPI Computer Assisted Personal Interviewing (mündliche Befragung) CASI Computer Assisted Self Interviewing (schriftliche Befragung) CATI Computer Assisted Telephone Interviewing (telefonische Befragung) CBA Control Group Before – After (Testdesign) Corporate Design CD CI Corporate Identity CJM Conjoint Measurement (Präferenzmessung) CMS Content Management System (Verwaltungssystem für digitale Inhalte) c. p. ceteris paribus CPFR Collaborative Planning Forecasting Replenishment CRM Customer Relationship Management (Kundenbeziehungsmanagement) CSR Corporate Social Responsibility (Gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen) CSS Cascading Style Sheet (elektronische Gestaltungsanweisungen) DAB Digital Audio Broadcasting (digitaler Hörfunk) Digital out of Home DooH DPMA Deutsches Patent- und Marken-Amt DPP Direkte Produkt-Profitabilität (Handelserfolgskennziffer) DPR Direkte Produkt-Rentabilität (Handelserfolgskennziffer) DR-R Direct Response Radio DR-TV Direct Response Television Desktop Publishing DTP Digital versatile Broadcasting DVB Einstellung – Verhalten (High Involvement-Hierarchie) E – V EBA Experimental Group Before – After (Testdesign) ECR Efficient Consumer Response EDR Elektrodermale Reaktion EEG Elektroenzephalogramm

Abkürzungsverzeichnis

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EH Einzelhandel ERP Enterprise Resource Planning FAQ Frequently Asked Questions Film, Funk, Fernsehen FFF FMCG Fast Moving Consumer Goods (Produkte des täglichen Bedarfs) FSK Freiwillige Selbst-Kontrolle FTP File Transfer Protocol Geschlossene Benutzer-Gruppe (Intranet) GBG Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische VervielfältiGEMA gungsrechte GH Großhandel GI General Interest (Zeitschrift) GRM Generic Relationship Management (generisches Beziehungsmanagement) GRP Gross Rating Point (Bruttokontaktsumme)  GTIN Global Trade Item Number Gesamtverband Kommunikationsagenturen GWA Geschlossenes Waren-Wirtschafts-System GWWS HF Hörfunk HGB Handels-Gesetz-Buch Hostmann-Steinberg / Kast-Ehinger / Schmincke (Farbskala) HKS HTML Hypertext Markup Language HTTP Hypertext Transfer Protocol International Financial Reporting Standards IFRS IKP Interessen-Kontakt-Programm IM Instant Messaging Internet of Things (Web 4.0) IoT IP Internet Protocol Investor Relations IR IRC Internet Relay Chat ITV Interactive Television Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern IVW Künstliche Intelligenz KI Kontakt-Intensität (Medialeistungswert) KI KKP Kunden-Kontakt-Programm KPI Key Performance Indicator (Schlüsselkennzahl) Kontinuierlicher Verbesserungs-Prozess KVP Kurzzeitspeicher (Gedächtnis) KZS LEH Lebensmittel-Einzelhandel LNB Low Noise Block (Satelittenempfang) Leser pro Ausgabe LpA Leser pro Exemplar LpE LTE Long Term Evolution (Mobilfunkstandard) LZ Lesezirkel Langzeitspeicher (Gedächtnis) LZS MA Media-Analyse MAZ Magnetaufzeichnung Mobiles Daten-Erfassungsgerät MDE MPM Metra Potential Method

XXVIII

Abkürzungsverzeichnis

NFC Near Field Communication NGO Non-Governmental Organisation (Nicht-Regierungs-Organisation) OEM Original Equipment Manufacturer (Originalteilehersteller) OLAP On-Line Analytical Processing Öffentlicher Personen-Nah-Verkehr ÖPNV OTH Opportunity to Hear (Kontaktchance / Radio) Opportunity to See (Kontaktchance / Print, Fernsehen) OTS OVA Overhead Value Analysis (Gemeinkosten-Wertanalyse) PDF Portable Document Format Psychogalvanische Reaktion PGR PI Professional Interest (Zeitschrift) PIMS Profit Impact of Market Strategies (Erfolgsfaktorenforschung) Personen-individuelle Nutzerdaten PIN Plakat Media Analyse PMA Point of Sale POS PR Public Relations (Öffentlichkeitsarbeit) Produktions-Verbindungs-Handel (GH) PVH Publikumszeitschrift / Zeitschrift / Illustrierte PZ QR Quick Response Deutsches Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung RAL Recency – Frequency – Monetary – Ratio (Kundenwertkennzahl) RFMR Return on Investment (Eigenkapitalrentabilität) ROI Really simple syndication RSS Reichweite (Medialeistungswert) RW Stimulus – Response (Klassische Konditionierung / Lernmodell) S – R SEM Search Engine Marketing SEO Search Engine Optimization Soziale Fremd-Einstufung SFE Strategisches Geschäfts-Feld SGF SGr Strategische Gruppe SI Special Interest (Zeitschrift) Sensorischer Informations-Speicher (Gedächtnis) SIS SMS Short Message Service Share of Advertising (Werbeanteil) SoA Share of Market (Marktanteil) SoM Special Segment (Zeitschrift) SS Strengths, Weaknesses, Opportunities, Threats (Analyse-Verfahren) SWOT TCP Transmission Control Protocol Qualitätssiegel für Bild-Ton-Wiedergabe THX Telecommunication, Information, Media, Electronics T. I.M. E. Tausend Kontakt Preis TKP Threats, Opportunities, Weaknesses, Strengths (Analyse-Verfahren) TOWS Tageszeitung / Zeitung TZ UAP Unique Advertising Proposition (werbliche Alleinstellung) UCG User Generated Content (Kennzeichen des Web 2.0) UCP Unique Communication Proposition (marketingkommunikative Alleinstellung) UE Unterhaltungs-Elektronik

Abkürzungsverzeichnis UEPV Unter-Einstands-Preis-Verkauf URL Uniform Resource Locator USP Unique Selling Proposition (faktische Alleinstellung) Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb UWG VADM Verkaufs-Außendienst-Mitarbeiter VALS Value and Lifestyle VAS Value Added Service Vkf Verkaufsförderung VMI Vendor Managed Inventory Video on Demand VOD VPS Video Programming System WKZ Werbekostenzuschuss WWW World Wide Web Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft ZAW ZBB Zero Base Budgeting

XXIX

I. Grundlagen der Marketingkommunikation 1. Kommunikationsvoraussetzungen In diesem Kapitel werden die Grundlagen der Kommunikation dargestellt (1.1) sowie die Begrifflichkeiten der Kommunikation (1.2). Weiterhin werden marketingkommunikative Wirkungen diskutiert (1.3), und es wird eine Einordnung der Informationspolitik, modern: Kommunikationsmanagement, in das Marketing vorgenommen (1.4).

1.1 Grundlagen der Kommunikation Nachfolgend werden die Bedingungen der Medienlandschaft erläutert (1.1.1) und wesentliche Kommunikationsprinzipien dargestellt (1.1.2). Daraus folgen leitlinien­hafte „Merksätze“ der Kommunikation (1.1.3). Der Kommunikationsprozess ist im Einzelnen ein sehr komplizierter (1.1.4), der vielfachen Störungspotenzialen unterliegt (1.1.5). Für den medialen Transfer stehen zudem dezidierte Kommunikationskanäle bereit (1.1.6). 1.1.1 Bedingungen der Mediengesellschaft Marketingkommunikation ist Teil der Mediengesellschaft und richtet sich nach deren Umfeldbedingungen. Daher wird im Folgenden zunächst ein Blick auf diese Bedingungen geworfen. 1.1.1.1 Medienlandschaft Das Kommunikationsangebot hat sich innerhalb einer Generation vervielfacht, die menschliche Informationsverarbeitungskapazität ist demgegenüber aber konstant geblieben. Das heißt, es strömt immer mehr Information auf Menschen ein, die diese überhaupt nicht mehr adäquat wahrnehmen, geschweige denn verarbeiten können. Man spricht in diesem Zusammenhang zurecht von einem Information Overload. Unablässig prasseln ungezählte Werbebotschaften auf Zielpersonen ein, davor kann man nur kapitulieren. Daraus gibt es drei prinzipielle Auswege: • Erstens eine konsequente Selektivität in der Mediennutzung mit bewusster und radikaler Ausblendung aller mutmaßlich als nicht relevant angesehenen Informa­

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I. Grundlagen der Marketingkommunikation

tionen, wobei das, was jeweils relevant erscheint, auch situativ bestimmt wird. So kann der immense Informationsüberfluss auf ein beherrschbares Maß reduziert werden. • Zweitens die Bündelung von Informationspaketen anhand dominanter Ein­drücke, indem einzelne Schlüsselelemente (Irradiation) stellvertretend den Gesamteindruck eines Objekts bestimmen, was eine detailliertere Auseinandersetzung mit weiteren Informationen ersparen mag. • Drittens die Auswertung von Metamedien als Publikationen über Publikationen wie Quellendatenbanken, Informationsdienste o. Ä., die entweder als Zusammenfassung oder als Wegweiser gegenüber den beiden erstgenannten Punkten die Verweigerungsgefahr verringern. Der erforderliche Informationsumfang ist im Einzelnen abhängig von Art und Menge der bereits im Gedächtnis abgespeicherten Daten, vom wahrgenommenen Kaufrisiko, von der Komplexität der Entscheidung und dem Aufwand zur Informationsbeschaffung. Die Orientierungsreaktion als Wahrnehmung ist dabei angeboren. Sie löst bei neuartigen Stimuli außerhalb des Bewusstseins einen Mechanismus aus, der die Aufmerksamkeit reflexiv auf diese Reize in Abhängigkeit von ihrer Intensität, Größe, Farbigkeit oder Bewegung richtet, etwa durch Kopfwenden. Dabei sind jeweils nicht die absoluten Werte ausschlaggebend, sondern deren Kontrast zum Umfeld. Aufgrund der Unvollkommenheit der menschlichen Sinnesorgane und der begrenzten Informationsverarbeitungskapazität kommt es daher zu Information Chunks. Dabei handelt es sich um die Zusammenfassung einzelner Informationen zu Blöcken. Diese Schlüsselinformationen sorgen für den Transfer des gebündelten Eindrucks auf einzelne Objektmerkmale, von denen anderweitig keine aussagefähigen Informationen vorliegen. An die Stelle einer umfassenden Verarbeitung aller relevanten Informationen tritt damit die Orientierung an wenigen, als zentral vermuteten Merkmalen. Dazu wird eine verlässliche Beziehung zwischen diesen Schlüsselinformationen und der ganzheitlichen Objektbewertung unterstellt. Die Imagery-These vertritt dabei die Auffassung, dass Bilder früher wahrgenommen werden als Texte, mehr Aktivierung auslösen, größere Gedächtnisleistung bereitstellen und höhere Beeinflussungswirkung haben. Eine wachsende Medienvielfalt bedeutet aber auch, dass das, was an Informationen wahrgenommen, und das, was daraus interpretiert wird, intersubjektiv immer stärker voneinander abweicht. Damit sinkt zugleich die Chance der Konsensfindung, weil eine gleiche Wissensbasis, also der gleiche Informationsstand bei verschiedenen Entscheidern, immer unwahrscheinlicher wird. Dieser Entwicklung kann man nicht durch Medienabstinenz entgehen, denn damit wird der Informationsstand noch unvollständiger, sondern nur durch eine bessere individuelle Organisation des Medienkonsums, mithin über stärkere Selektivität. Dem tragen spezialisierte Medienangebote Rechnung, wie Rezensionsdienste, welche

1. Kommunikationsvoraussetzungen

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die Medienvielfalt aber ihrerseits nochmals vergrößern und damit die richtige Selektion weiter erschweren. Die Entwicklung der Medien ist durch eine kontinuierliche Fragmentierung der Angebote und ihrer Nutzerschaften charakterisiert und tendiert in Richtung Individualisierung. Dann jedoch wird es extrem schwierig, ein solchermaßen atomisiertes Auditorium noch wirtschaftlich zu erreichen. Dies gilt vor allem für solche Werbeobjekte, die für breite Zielgruppen konzipiert und nur in hohen Stückzahlen bei breiten Zielgruppen rentabel zu vermarkten sind. Analog zum Segment of One-Marketing (auch Customized Marketing) kommt es so zu einer Individualisierung des Medienangebots mit auf die jeweiligen Bedürfnisse maßgeschneiderten Informationen. Die Integration von Computertechnologie und Telekommunikation führt zu einer weitgehend zeitlich unabhängigen, non-linearen Mediennutzung ganz nach den Wünschen der Nachfrager. Was dem Einzelnen zu größerer Freiheit und Flexibilität im Umgang mit den Medieninhalten verhilft, erweist sich für die werbungtreibende Wirtschaft freilich als großes Problem. Denn es wird immer schwieriger, Zielgruppen über geeignete Werbeträger noch effizient zu erreichen. Mithin stellt die Kommunikation verbreitet den Engpass für den Vermarktungserfolg dar.

1.1.1.2 Umfeldbedingungen Kommunikation ist das kleinste soziale System, das alle komplexeren Systeme wie Organisationen, erst recht Gesellschaften, hervorbringt und stabilisiert. Die Informationslogistik, also die tatsächliche Verfügbarmachung vorhandenen Wissens, ist in Zukunft nur durch die Vernetzung von Information und die Verstärkung von Mechanismen der Integration, also durch Kommunikation und Medien, darstellbar. Die Vermittlungsprobleme der Kommunikation wachsen dabei schneller als die Spezialisierungsprobleme. Die Integrationsleistung muss demnach immer stärker werden. Das stetig steigende Informationsangebot zwingt damit zu verstärkter Auswahl durch die Nachfrager, so dass, paradoxerweise, Informationsknappheit im Überfluss herrscht. Denn mit steigendem Medienangebot, das so nicht mehr sinnvoll verarbeitet werden kann, wächst die Gefahr der Fehlorientierung als Wahrnehmung sich einerseits posthum als irrelevant herausstellender Botschaften und der Auslassung relevanter Botschaften andererseits. Damit steigt der Anteil der Informationen, die zwar relevant sind, aber nicht wahrgenommen werden. Gleichzeitig fördert diese Entwicklung die Ungleichverteilung von Wissen in der Gesellschaft. Wenn nur die bewusste Ausblendung von Informationen zu einer Bewältigung dieser Probleme führen kann, besteht für werbliche Kommunikation, deren Nutzen nicht unmittelbar einsehbar ist, zuvörderst die Gefahr einer solchen Ausblendung. Damit wird es immer zweifelhafter, inwieweit werbliche Botschaften Zielpersonen

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I. Grundlagen der Marketingkommunikation

noch wirklich erreichen. Man denke nur an das Wegzappen auf einen anderen TVKanal zu Beginn eines Werbeblocks, das bewusste Überblättern meist doppelseitiger Anzeigen als Unterbrechung der redaktionellen Seiten in Zeitschriften oder an das achtlose Passieren von Plakaten mit dort aufgebrachten Werbebotschaften. Gleichermaßen droht Hörfunkwerbung als Hintergrundgeräusch im allgemeinen Grundrauschen unterzugehen, Kinos werden im Wissen um die Werbevorfilme von Besuchern erst später betreten, und vor allem im Internet wird Displaywerbung als störend empfunden. Gleichzeitig ergibt sich aber die Notwendigkeit für Werbungtreibende, und das nicht nur im Konsumgüterbereich, verstärkt und nachhaltig in Kontakt mit Kunden und Interessenten zu treten. Dafür gibt es eine ganze Reihe guter Gründe. Zu denken ist an die zunehmende objektive Austauschbarkeit von Angeboten, die zudem auf immer höherem Niveau stattfindet. Eine adäquate Absetzung vom Mitbewerb und positive Profilierung gegenüber der Nachfrage ist damit aus dem Produktbestand heraus allein nicht mehr möglich. Vielmehr bedarf es der offensiven Auslobung der Angebote über kommunikative Maßnahmen. Hinzu kommt der intensivierte Wettbewerb, der sich im Zuge der Öffnung nationaler Märkte aus immer zahlreicheren, immer potenteren Anbietern rekrutiert, die zudem oft noch preislich oder produktlich überlegene Angebote offerieren. Dagegen ist wenn überhaupt nurmehr mit Kommunikation anzukommen. Aber selbst in den seltenen Fällen solcher objektiv überlegenen Angebote ist die Markttransparenz seitens der Nachfrager zu gering, um diese zuverlässig zu erkennen. Dies liegt auch in der mangelnden Beurteilungsfähigkeit über viele, hoch komplexe Produkte begründet. Und in der mangelnden Zeit, oder auch Bereitschaft, sich für einen intensiven Angebotsvergleich zu engagieren. Hier substituiert die Kommunikation die Sachebene. Insofern erscheint Kommunikation als Meta-Ebene in vielen Fällen schon als viel wichtiger als die Sach- oder Dienstleistung selbst als Real-Ebene.

1.1.2 Kommunikationsprinzipien Kommunikation gehört, wie den wenigsten Personen außerhalb der Branche bewusst ist, zu den kompliziertesten Vorgängen überhaupt und führt oftmals geradewegs ins Chaos. Das große Problem ist, dass man sich ihr nicht entziehen kann, denn man kann eben „nicht nicht kommunizieren“ (Watzlawick). Somit gibt es auch nicht die Wahl zwischen Kommunikation oder Nicht-Kommunikation, denn auch die Nicht-Kommunikation ist in sich wiederum Kommunikation. Wobei diese nicht nur verbal, sondern durchaus, und tatsächlich zum weitaus größeren Teil, non-verbal durch Mimik, Gestik und Körperhaltung erfolgt. Diese non-verbale Kommunikation ist sogar noch aufschlussreicher als die verbale. Doch auch sie birgt Gefahren. Denn jede Kommunikation hat nach Watzlawick einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt derart, dass letzterer ersteren bestimmt und daher eine Metakommunikation darstellt. Genauer handelt es sich um eine Inhalts- und drei

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Beziehungsebenen, also vier Ebenen gleichzeitig. Bei der Sachinformationsebene geht es um die wertfreie Kommunikation eines Sachverhalts. Diese ist jedoch nicht von den anderen Beziehungsebenen zu lösen. Bei der Selbstoffenbarungsebene geht es um die wertende Interpretation des Sachverhalts aus subjektiver Sicht. Bei der Fremdeinschätzungsebene geht es um die soziale Relation von Botschaftsabsender und -empfänger zueinander. Und bei der Appellationsebene geht es um die Absicht der Kommunikation zu einer anderen Person (siehe Abbildung I/1: Kommunikationsebenen).

Abbildung I/1: Kommunikationsebenen (Quelle: eig. Darst.)

So hat die an sich einfache und eindeutige Botschaft eines Beifahrers an den Autofahrer: „Du, die Ampel da vorn ist grün!“ gleich mehrere Interpretationsebenen. • Auf einer Sachinhaltsebene geht es um die objektive Darstellung der Fakten. In diesem Fall also um die simple Tatsache, dass die Ampel grünes Licht zeigt. • Auf einer Selbstoffenbarungsebene geht es um die Selbsterklärung des Kom­ munikators; in diesem Fall wohl um den Hinweis, dass der Beifahrer es eilig hat, es ihm also wichtig ist, die Grünphase der Ampelschaltung nicht zu verpassen. • Auf einer Fremdeinschätzungsebene geht es um ein Abbild der Beziehungen zwischen Botschaftsabsender und -empfänger. In diesem Fall signalisiert die Äußerung, dass der Sprecher glaubt, seine Hilfe anbieten zu sollen, damit der Fahrer besser zurechtkommt. • Auf einer Appellationsebene schließlich geht es um die Wirkung, die durch die Aussage erreicht werden soll. In diesem Fall also die Aufforderung, nicht so lange zu trödeln, bis die Ampel wieder auf Rot umspringt, sondern Gas zu geben. Je nachdem, auf welcher Ebene diese Aussage beim Zuhörer ankommt, meldet er auf einer dieser Ebenen zurück: • Sachbezogen bedeutet etwa, durch ein harmloses: „Ja, wirklich praktisch diese grüne Welle.“

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I. Grundlagen der Marketingkommunikation

• Partnerschaftlich etwa, durch eine beruhigende Äußerung wie: „Keine Sorge, wir liegen gut in der Zeit.“ • Emotional etwa durch den an sich selbstverständlichen Hinweis: „Das sehe ich selbst, schließlich fahre ich ja nicht zum ersten Mal Auto.“ • Ausführend etwa, durch einen pflichtgemäßen Satz wie: „Ja, da werde ich wohl mal etwas mehr Gas geben.“ Kommt die Botschaft nun falsch über, meldet der Adressat also auf einer Ebene zurück, die nicht in der Intention des Absenders lag, kommt es, je nach Lage der Dinge, zum Konflikt, der durch Anhäufung von Fehlinterpretationen im Zeitablauf leicht eskalieren kann. Im privaten Bereich bedeutet dies schlechtestenfalls Frustration auf beiden Seiten, im geschäftlichen Bereich konkrete wirtschaftliche Ineffektivität, und im werblichen Bereich schlichtweg verlorenes Geld. Dazu drei kleine Beispiele: Aussage unter Kollegen: „Ich möchte Sie nicht mit zu vielen Informationen belasten.“ • Sachebene: Ich gebe Ihnen keine Detailinformationen, weil sie in diesem Fall nicht nötig sind. • Selbstoffenbarungsebene: Ich habe es nicht nötig, Ihnen Informationen zu geben und kann den Informationsfluss steuern. • Fremdeinschätzungsebene: Ich bin überlegen in einer distanzierten Beziehung. • Appellationsebene: Suchen Sie sich die erforderlichen Informationen selbst, wenn Sie welche benötigen. Aussage Mitarbeiter zu Vorgesetztem: „Von der Auftragsabteilung erhalte ich immer nur unvollständige Informationen.“ Antwort auf der • Sachebene: „Welche Informationen fehlen ihnen denn noch?“ • Selbstoffenbarungsebene: „Können Sie sich da nicht richtig durchsetzen?“ • Fremdeinschätzungsebene: „Sie sollten zu mir kommen, ich kümmere mich darum.“ • Appellationsebene: „Na gut, ich spreche direkt mit dem Abteilungsleiter.“ Aussage Vorgesetzter zu Mitarbeiter: „Mein Lieber, es ist neun Uhr.“ • Sachebene: „Was Sie vielleicht nicht wissen, es ist gerade neun Uhr.“ • Selbstoffenbarungsebene: „In meinem Betrieb gelten auch für Sie die Termin­ verabredungen.“ • Fremdeinschätzungsebene: „Ihr unpünktliches Verhalten stößt mir allmählich sauer auf.“ • Appellationsebene: „Kommen Sie in Zukunft bitte pünktlich.“

1. Kommunikationsvoraussetzungen

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Gelegentlich sind solche Aussagen auch auf allen angesprochenen Ebenen wirksam. Dazu ein Beispiel: • „Ich bin ganz schön geschlaucht (Selbstoffenbarung), jetzt ist da noch ein Vorgang, der unbedingt erledigt werden muss (Sache). Ich kann mich doch da mit einer Bitte an Sie wenden (Fremdeinschätzung), dass Sie das heute ausnahmsweise für mich übernehmen (Appell).“ • „Die Dringlichkeit des Vorgangs sehe ich durchaus ein (Sache) und grundsätzlich können Sie auch immer auf mich zählen (Fremdeinschätzung), aber heute kann ich keine Überstunden machen (Selbstoffenbarung), da müssen Sie sich schon jemand anderen suchen (Appell).“ Neben den beiden genannten Axiomen (Axiom 1: Man kann nicht nicht kommunizieren, Axiom 2: Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt derart, dass letzterer ersteren bestimmt und daher eine Metakommunikation ist), kennt Watzlawick noch drei weitere Axiome der Kommunikation, die jedoch für die Werbung weniger zentral sind: • Axiom 3: Die Natur einer Beziehung ist durch die Interpunktion der Kommunikationsabläufe seitens der Partner bedingt. • Axiom 4: Menschliche Kommunikation bedient sich digitaler (expliziter) und analoger (impliziter) Modalitäten. Digitale Kommunikationen haben eine komplexe und vielseitige logische Syntax, aber eine auf dem Gebiet der Beziehungen unzulängliche Semantik. Analoge Kommunikationen dagegen besitzen dieses semantische Potenzial, ermangeln aber die für eine eindeutige Kommunikation erforderliche Syntax. • Axiom 5: Zwischenmenschliche Kommunikationsabläufe sind entweder symmetrisch oder komplementär, je nachdem, ob die Beziehung zwischen den Partnern auf Gleichheit oder Unterschiedlichkeit beruht. Ein typischer Dialog könnte etwa in mehreren Stufen wie folgt ablaufen: Kunde: „Eigentlich ist der neue Fotokopierer uns zu teuer, denn im Grunde sind wir auch mit dem kleinen Tischgerät ganz gut zurecht gekommen.“ (Sachinhaltsebene) • Selbstoffenbarungsebene: Ich bin enttäuscht, dass Sie mir kein günstigeres Angebot machen. • Fremdeinschätzungsebene: Wir sind jetzt schon so lange Kunde bei Ihnen, dass wir etwas mehr Entgegenkommen erwartet hätten. • Appellationsebene: Machen Sie mir ein besseres Angebot, dann können wir neu verhandeln.

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I. Grundlagen der Marketingkommunikation

Anbieter: „So wie ich Ihren Betrieb kennengelernt habe, werden sich die Zusatzfunktionen, die das neue Gerät bietet, rasch für Sie wieder bezahlt machen.“ (Sachinhaltsebene) • Selbstoffenbarungsebene: Ich nehme Ihnen übel, dass Sie so tun, als könne ich Ihren Bedarf nicht richtig einschätzen. • Fremdeinschätzungsebene: Bisher sind Sie mit meiner Beratung doch ganz gut gefahren. • Appellationsebene: Vertrauen Sie mir, kaufen Sie das neue Gerät und Sie werden zufrieden sein. Kunde: „Aber die Wartungskosten liegen mir im Magen, wissen Sie, bei uns im Betrieb hat sich in letzter Zeit eine Menge geändert.“ (Sachinhaltsebene) • Selbstoffenbarungsebene: Mein Entscheidungsspielraum ist geringer geworden, ich kann nicht mehr ohne Weiteres über höhere Kosten entscheiden. • Fremdeinschätzungsebene: Unsere Kunden-Lieferanten-Beziehung ist nicht so sicher, wie Sie vielleicht glauben. • Appellationsebene: Kommen Sie mir entgegen, und ich werde Ihnen entgegenkommen. Anbieter: „Was halten Sie von einem länger laufenden Wartungsvertrag, dann fallen die Kosten pro Jahr entsprechend geringer aus?“ (Sachinhaltsebene) • Selbstoffenbarungsebene: Ich bin bereit, Ihnen soweit wie möglich entgegenzukommen. • Fremdeinschätzungsebene: Ich habe verstanden und werde um Sie als Kunden kämpfen. • Appellationsebene: Stimmen Sie zu, und wir haben eine für beide Seiten sinnvolle Lösung. 1.1.3 „Merksätze“ der Kommunikation Ein weiterer Kernsatz zum Verständnis der Kommunikation lautet (Spiegel): „Nicht die Realität ist die Realität im Markt, sondern die Vorstellungen der Zielpersonen darüber.“ Dies besagt, dass Marketing-Kommunikation sich auf einer Meta-Ebene vollzieht, welche die darunter liegende Realebene mehr oder minder überlagert. Beide Ebenen können nun, vorübergehend oder auch dauerhaft, voneinander abweichen. Ein Beispiel dafür bildet die Zigarettenbranche. Auf der Realebene handelt es sich bei deren Produkten um nichts anderes als in weißes Papier eingewickelte Tabakröllchen mit Faservorsatz, die zu 20 Stück in Packungen abgefüllt sind, und durch Anzünden abgebrannt werden, wobei der dabei entstehende, extrem gesundheits-

1. Kommunikationsvoraussetzungen

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schädliche Rauch inhaliert wird und Unterschiede zwischen verschiedenen Zigarettenmarken einer Tabakklasse nur schwer bis gar nicht auszumachen sind. Auf Basis dieser Beschreibung wäre wohl kaum jemand bereit, für eine Packung um die sieben Euro auszugeben, Tendenz steigend. Erst die Überlagerung durch die Meta-Ebene der Kommunikation lässt aus diesen profanen Produkten Objekte der Begierde werden, wobei die einzelnen Zigarettenarten dann auch als keineswegs mehr untereinander austauschbar angesehen werden. Statt über eingerollten Schnitttabak wird über die Rocky Mountains, den Urwalddschungel, über Weltanschauung und multikulturellen Austausch kommuniziert. Dass zwischen beiden Ebenen dauerhaft Welten klaffen, beeinträchtigt nicht nur nicht den Markterfolg, sondern ist sogar strikte Voraussetzung dafür. Ähnlich, nur nicht ganz so krass, ist diese Diskrepanz bei den allermeisten Marktangeboten gegeben. Die Gründe liegen auf der Hand. Erstens ist die Realität der weit überwiegenden Mehrzahl der Marktangebote ähnlich langweilig wie die der Zigaretten. Diese auszuloben, lohnt sich daher erst gar nicht. Zweitens sind die Angebote verschiedener Marktteilnehmer sich meist objektiv zum Verwechseln ähnlich, so dass eine Auslobung auf der Real-Ebene kaum Wettbewerbsvorteile zeitigt, auf die esbaber angesichts stagnierender Märkte bei Konkurrenzverdrängung gerade ankommt. Und drittens sind Unterschiede selbst dort, wo sie denn tatsächlich gegeben sind, für Nachfrager meist nicht mehr ohne Weiteres nachvollziehbar, so dass eine reale Auslobung diese leicht in ihrer Verarbeitungskapazität überfordert. Deshalb ist es geradezu unausweichlich, bei der Kommunikation auf die Meta-Ebene abzuzielen. Ebenfalls von immenser Bedeutung für die Kommunikation ist die Aussage: „Der Wurm muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler.“ Sie besagt, dass der Wert einer Botschaft sich allein aus der Sicht deren potenzieller Empfänger her definiert. Das heißt, nicht das Bedürfnis des Absenders darf im Vordergrund der Kommunikation stehen, sondern ausschließlich die mutmaßlichen Bedarfe der Adressaten. Dies wäre nicht weiter tragisch, wenn nicht dieses Interesse der Botschaftsempfänger zumeist signifikant vom Interesse des Botschaftsabsenders abwiche. In der Produktwerbung will dieser die Abnehmer davon überzeugen, sein Produkt anstelle eines anderen oder zusätzlich zu diesem zu kaufen und dafür Kaufkraft als Gegenleistung herzugeben, damit sein Geschäft stimmt. Den Abnehmern aber ist genau dies ziemlich gleichgültig, sie sind vielmehr daran interessiert, nur solche Nutzen zu erwerben, die sie höher einschätzen als das Geldopfer, das sie dafür erbringen müssen. Argumentiert der Botschaftsabsender nun aus seiner Sicht heraus, trifft er damit nicht den Nerv, die Aufmerksamkeit und das Interesse seiner Abnehmer und die Kommunikation verpufft. Für eine erfolgversprechende Kommunikation bedarf es daher vielmehr der Regression eigener Bedürfnisse zugunsten der Bedarfe anderer, nämlich der potenzieller Kunden. Obgleich Kommunikation also das eigene Geld kostet, darf man damit nicht den eigenen, sondern muss fremden Interessen dienen. Nur in dem Maße, wie es gelingt, in der Kommunikation solche Nutzen anzubieten, die Abnehmer attraktiv finden, weil sie ihren Bedürfnissen entsprechen, kann Erfolg erreicht werden.

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I. Grundlagen der Marketingkommunikation

Kommunikation, die primär das Bedürfnis des Anbieters im Auge hat, wird hingegen zwangsläufig scheitern. Oft ist dieser Fehler in Branchen zu finden, in denen die Marketingdenkhaltung noch nicht stabil verankert ist, etwa in der Industriegüterwerbung, die allzu oft noch den Stolz der Produzenten über ihre, zugegeben beachtliche Leistung widerspiegelt, statt zu zeigen, dass man sich erfolgreich in die Motivation der Anwender hineinversetzen und dazu maßgeschneiderte Problemlösungen anbieten kann. 1.1.4 Kommunikationsprozess Kommunikation im Marketing kann auch als Vorgang der akquisitorischen Nachrichten- bzw. Informationsübermittlung bezeichnet werden und findet in mehreren Phasen statt (siehe Abbildung I/2: Kommunikationsprozess).

Abbildung I/2: Kommunikationsprozess (Quelle: eig. Darst.)

Den Ausgangspunkt jeder Signalübermittlung bildet das Kommunikationsziel. Es geht von einer natürlichen oder juristischen Person aus, die für gewöhnlich der Werbungtreibende ist. Dabei handelt es sich um den Sender (Information Source), der diese Signale ausstrahlt. Dieser will eine von ihm intendierte Botschaft (Message) als Inhalt der Kommunikation verbreiten. Die Übermittlung dieser Werbebotschaft vom Sender an seine Zielgruppe erfordert jedoch vorher deren kommunikationsgerechte Encodierung in Schrift, Bild, Zeichen und Wort. Erst dann kann die eigentliche Übertragung erfolgen. Dazu benötigt man ein Sendegerät. Das ist das Werbemittel, also der Spot, das Plakat oder die Anzeige im Rahmen der Klassischen Werbung. Zur Übertragung bedarf es weiterhin eines Transmissionskanals als Werbeträger wie Elektronik- oder Printmedien zum Transport der verschlüsselten Botschaft. Auf der Adressatenseite ist zudem ein Empfangsgerät (Receiver) erforderlich. Dies sind die fünf Sinne der Optik, Akustik, Olfaktorik, Gustation, Haptik, im übertragenen Sinne auch Emotion, also Bauch und Gefühl einerseits und Ratio, also Kopf und Verstand andererseits, zur Wahrnehmung der Signale.

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Im gleichen Zuge erfolgt die Decodierung der Werbebotschaft in subjektiv zu bewältigende Informationseinheiten zu deren Verständnis. Dazu bedarf es eines Empfängers (Destination). Dies ist in der Wirtschaftskommunikation letztlich immer ein Mensch, der möglichst zur Zielgruppe gehört. Den Endpunkt bildet dann die Verarbeitung der übermittelten Botschaft idealerweise in Form deren Abspeicherung. Dies ist ein typisches Beispiel der Einwegkommunikation, wie sie für Klassische Werbung gilt (= Simplexkanal). Daneben gibt es auch die Zweiwegkommunikation, wobei der Signalaustausch wechselseitig unter abwechselndem Senden und Empfangen (= Halbduplexkanal) oder parallelem Senden und Empfangen (= Vollduplexkanal) erfolgt (siehe Abbildung I/3: Kommunikationsfluss). Dies ist bei modernen Formen der Responsewerbung wie der Dialog- oder Telefonwerbung gegeben. Zweiwegkommunikation ist in neuerer Zeit vor allem deshalb aufgekommen, weil die Grenzen der Wirksamkeit der Einwegkommunikation deutlich in Erscheinung treten. So werden Anzeigen als Störung im redaktionellen Umfeld von Zeitschriften und Zeitungen empfunden und überblättert oder allenfalls extrem kurz wahrgenommen, Fernsehspots werden durch Zapping auf der Fernbedienung in eine gerade werbefreie Sendung ausgeblendet, Hörfunkspots werden als Hintergrundgeräuschkulisse überhört und Plakate durch zunehmend hektisches Passieren nicht mehr wahrgenommen. Hier scheint Zweiwegkommunikation ein probater Ausweg, da durch Reaktion leicht festgestellt werden kann, ob Signale bei Zielpersonen als relevant angekommen sind oder nicht. Gleiches gilt für Direct Mailings, die postwendend im Papierkorb landen oder Werbebanner, die gekonnt weggeklickt werden.

Abbildung I/3: Kommunikationsfluss (Quelle: eig. Darst.)

Kommunikation beruht also auf Signalen und deren Übermittlung bzw. Austausch. Als Signale werden dabei alle wahrnehmbaren Reize gewertet, etwa als Sprechton. Signale mit Bedeutungsinhalt sind Zeichen wie Wörter. Werden diese

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I. Grundlagen der Marketingkommunikation

Zeichen unter Einhaltung bestimmter Verknüpfungsregeln sinnvoll untereinander kombiniert, ergeben sie eine Nachricht als Text. Ist diese Nachricht darüber hinaus von Bedeutung für Adressaten, indem ihr Neuigkeitscharakter für diese zukommt, handelt es sich um Information, wie bei einer Ankündigung. Information ist also zweckbezogenes Wissen, mit dessen bestmöglicher Vermittlung Marketingkommunikation sich beschäftigt (siehe Abbildung I/4: Analyse von Zeichen). Was als zweckbezogenes Wissen zu bezeichnen ist, definiert sich allerdings allein vom Empfänger der Nachricht her und nicht vom Absender. Dies wird in der Praxis oft übersehen, wenn Werbungtreibende egozentrisch Botschaften definieren, ohne dabei deren Relevanz für potenzielle Zielpersonen genügend im Auge zu behalten. Kommunikation vollzieht sich auf einer Metaebene, die der Realebene mehr oder minder entrückt ist. Und nur auf diese Wahrnehmungsebene kommt es in der Kommunikation an.

Abbildung I/4: Analyse von Zeichen (Quelle: eig. Darst.)

Zeichen, also Signale mit Bedeutungsinhalt, können semiotisch auf vier Ebenen untersucht werden. Zunächst hinsichtlich ihrer Syntaktik als formaler Zusammensetzung der Zeichen nach Verknüpfungsregeln. Dann in Bezug auf ihre Semantik als Codierung der Zeichen nach Art und Umfang ihres Bedeutungsinhalts. Weiterhin nach ihrer Pragmatik als Wirkung der Zeichen, die ihnen aufgrund ihres Relevanzwerts zukommt. Und schließlich in ihrer Sigmatik als Beziehung der Zeichen zum realen Werbeobjekt (Design Ad) (siehe Abbildung I/5: Kommunikationswege). Hinsichtlich der eingesetzten Medien in der Kommunikation zwischen Menschen kann wie folgt unterschieden werden: • primäre Medien sind solche, die ohne technische Hilfsmittel auskommen, z. B. Persönliche Kommunikation (Face to Face), • sekundäre Medien erfordern entweder auf Sender- oder auf Empfängerseite technische Hilfsmittel, z. B. Zeitschrift, Plakat (durch Druck), • tertiäre Medien erfordern sowohl auf Sender- wie auf Empfängerseite technische Hilfsmittel, z. B. Aufnahmetechnik sowie Fernseh- / Hörfunkgerät, • quartäre Medien haben wechselnde, parallele oder sukzessive Sender- und Empfängereigenschaften, z. B. Online / Internet.

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Abbildung I/5: Kommunikationswege (Quelle: eig. Darst.)

1.1.5 Kommunikationsstörungen Kommunikation ist ein unerhört komplizierter Prozess, der dementsprechend zahlreichen Störquellen unterliegt. Syntaktische Störungen sind technisch verursacht, z. B. Server Downtime, semantische Störungen sind von der Wahrnehmung her verursacht, z. B. Missverständnis, pragmatische Störungen sind psychologisch verursacht, z. B. Ambivalenz, und sigmatische Störungen sind von der Interpretation her verursacht. Intrakommunikative Störungen beruhen auf mangelhafter Abstimmung zwischen Zielsetzung, Verschlüsselung und Übertragung, interkommunikative Störungen beruhen auf mangelhafter Abstimmung zwischen Sender und Empfänger. Wahrscheinlich ist gelungene Kommunikation sogar eines der schwierigsten Unterfangen überhaupt. Mögliche Fehlerquellen innerhalb der Kommunikation liegen in der (siehe Abbildung I/6: Störungen im Kommunikationsprozess): • Zielsetzung, indem ein gegebenes Problem durch Kommunikation nicht adäquat lösbar ist. Dann sind werbliche Maßnahmen von vornherein zum Scheitern verurteilt. Vielmehr müssen andere Unternehmensparameter, im Marketing die anderen Mix-Instrumente, aktiviert werden. • Relevanz, indem der Sender bewusst oder unbewusst Informationen vorenthalten oder verfälscht hat. In diesem Fall bewirkt quantitativ und / oder qualitativ mangelnder Input, dass auch der Output begrenzt bleiben muss. Insofern liegt hier ein gravierender Engpass vor.

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I. Grundlagen der Marketingkommunikation

Abbildung I/6: Störungen im Kommunikationsprozess (Quelle: eig. Darst.)

• Umsetzung, indem der Sender Nachrichten so verschlüsselt hat, dass sie die beabsichtigte Botschaft nicht korrekt wiedergeben. Von daher kann die Botschaft auch nicht korrekt an die Zielpersonen überkommen und dort die gewünschten Wirkungen hinterlassen. • Übermittlung, indem die gewählten Werbemittel Transfermängel in ihrer Eignung aufweisen. Jedes Medium hat spezifische Leistungsschwerpunkte und ist für andere Anforderungen weitgehend ungeeignet. Werden die Stärken nicht genutzt, schlagen die Schwächen voll auf das Ergebnis durch. • Kontakt, indem der Empfänger durch unzweckmäßige Werbeträgerwahl nicht oder nicht ausreichend in Berührung mit der Botschaft gerät. Dies aber ist die notwendige Voraussetzung, damit Kommunikation überhaupt zum Erfolg führen kann. • Verarbeitung, indem der Empfänger die Nachricht unzutreffend interpretiert oder Informationen nicht richtig aufnimmt. Hier führt vor allem ein zwischen Sender und Empfänger abweichender kultureller Background zu Irritationen. • Verwertung, indem der Empfänger ihm angebotene Informationen nicht oder nur unzureichend nutzt. Dies liegt daran, dass deren Bedeutung generell nicht erkannt oder vorübergehend als nicht notwendig angesehen wird. • Speicherung, indem der Empfänger die Information nicht richtig bearbeitet, sie falsch abspeichert oder sie ganz einfach vergisst. Dann ist der Lernerfolg und damit der Erfolg der gesamten Kommunikationsmaßnahme verhindert.

1. Kommunikationsvoraussetzungen

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Die Kommunikationskette muss kumulativ frei von diesen Störungen sein. Bereits eine Störung auf einer dieser Prozessstufen verhindert, dass die nächste Stufe erreicht und die Kommunikation erfolgreich abgeschlossen wird oder mindert zumindest deren Effizienz entscheidend. Diese Probleme werden noch dadurch potenziert, dass eine unüberschaubare Vielzahl von Botschaften der verschiedensten Art aus gänzlich unterschiedlichen Quellen auf die Zielpersonen einströmt. Und dies mit steigender Intensität in Bezug auf Dauer, Frequenz und Stärke werblicher Penetration. Dies führt zu erschwerter Speicherung bzw. hoher Vergessensquote von Informationen. Zudem sind einige Anforderungen an das Zustandekommen werblicher Botschaftswirkungen zu stellen. Zunächst muss ein einheitlicher Code zwischen den Kommunikationspartnern bestehen, wie das auch von der Maschinenkommunikation her bekannt ist. Dann muss eine Übereinstimmung und genügende Größe des Zeichenrepertoires gegeben sein, damit Wahrnehmungsadäquanz und differenzierte Inhalte gewährleistet sind. Darüber hinaus muss Einigkeit über Bedeutung und Verwendung von Zeichen bestehen, es muss also die gleiche Interpretationsebene gegeben sein, was etwa bei abweichenden Kulturräumen schon nicht der Fall ist. Gleiches gilt für die Anforderung der zielgerechten Auslegung vor dem subjektiven Erfahrungshintergrund als Kontext. Schließlich helfen assoziative Gemeinsamkeiten zwischen Sender und Empfänger, denn durch Selbstähnlichkeit wird die Wirkung werblicher Botschaften verstärkt. Vor allem muss einer Nachricht Beachtung und Involvement zukommen, da sie ansonsten den Filter der selektiven Wahrnehmung nicht durchdringen kann. Für werbliche Botschaften ist wichtig, dass die Inhalte lernbar sind, um zum Kaufentscheidungszeitpunkt erinnert werden zu können. 1.1.6 Kommunikationskanäle Die Beeinflussung erfolgt über personale Kanäle durch Promotoren wie Meinungsbildner, durch Berater wie Verkäufer, und soziales Umfeld wie Nachbarn, Kollegen und Bekannte, sowie über apersonale Kanäle durch Massenmedien wie Presse, Atmosphären wie Erlebnisumfeld im Einzelhandel, und Ereignisse wie Aktionsverkauf. Marketingkommunikation soll dabei Mangelempfinden wecken (= Bedarf), wie Durst haben und mit Aktivierungszustand versehen (= Emotion), wie eine Gastwirtschaft suchen. Kommt ein Antriebsmoment hinzu, entsteht Motivation wie eine Gaststätte betreten. Ist diese auf ein bestimmtes Objekt gerichtet, entsteht Einstellung, wie alkoholfreies Bier trinken. Einstellung plus Handlungsabsicht schließlich ergibt Intention, wie Lokal betreten, die Vorstufe zum Kaufentscheid (= Umsetzung), wie Bestellung aufgeben. Dabei handelt es sich um eine klassische Verkettung von Einflüssen. Sollen zahlreiche Zielpersonen diese Phasen der werblichen Ansprache durchlaufen, so spricht man von Massenkommunikation. Ihre wesentlichen Kennzeichen sind, dass sie:

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I. Grundlagen der Marketingkommunikation

• öffentlich durch technische Übertragungshilfsmittel stattfindet, • bei räumlicher und / oder zeitlicher Distanz zwischen Kommunikator und Rezipienten, • an ein disperses Publikum gerichtet und • überwiegend einseitig ausgelegt. Massenkommunikation ist heute in vielen Märkten die einzige Chance, rentabel Zielpersonen zu erreichen. Durch die zunehmende Anonymisierung der Marktkontakte geht der Bezug zwischen Hersteller und Endabnehmer verloren. Zwischengeschaltete Absatzmittler wirken dabei als Filter, konkurrierende Anbieter als Störgröße und allgemeiner Zeitmangel als Hindernis. Individualkommunikation läuft unter weitgehend entgegen gesetzten Vorzeichen ab. Das heißt, sie erfolgt persönlich ohne Übertragungshilfsmittel, bei räumlicher und / oder zeitlicher Einheit zwischen den Partnern, an eine präsente Person / Gruppe gerichtet und überwiegend dialogisch ausgelegt. Auf einen gemeinsamen Nenner gebracht, bedeutet Kommunikation die Beantwortung der Frage: Wer, sagt was, über welchen Kanal, zu wem, mit welchem Ziel? (Lasswell).

1.2 Begrifflichkeiten der Kommunikation Im Folgenden wird der dieser Ausarbeitung zugrunde liegende Definitionsansatz erarbeitet (1.2.1). Außerdem wird die Marketingkommunikation in ihren differenzierten Ausprägungen (1.2.2) dargestellt. Es folgen Ausführungen zu den Anforderungen an funktionsfähige Kommunikation (1.2.3), weiterhin werden geeignete Kategorien der Kommunikation gebildet (1.2.4). 1.2.1 Definitionsansatz Kommunikation deckt bis hierin ein so breites Spektrum ab, dass es nützlich ist, eine weitere Unterteilung zu schaffen, etwa in sachorientierte Kommunikation einerseits und zweckorientierte andererseits (siehe Abbildung I/7: Abgrenzung der Marketingkommunikation). Die damit verbundene Trennung der Realkommunikation ist allerdings gleitend und durchaus unscharf. Bei ersterer steht die Informationskomponente im Vordergrund. Ihre Absicht besteht darin, Inhalte quasi wertfrei, neutral, ohne Manipulation überzubringen, als Beispiel mag hier die „Tagesschau“ gelten. Genau diese Komponente fehlt der zweckorientierten Kommunikation. Sie will vielmehr mit der Abgabe von Information die Rezipienten gleichzeitig hinsichtlich ihrer Meinung bewusst oder unbewusst beeinflussen. Und dies erreicht sie durch die Art ihrer Gestaltung. Sofern der Zweck ein wirtschaftlicher ist, ist speziell von Wirtschaftskommunikation die Rede, sofern es sich um absatzwirtschaftliche Kommunikation handelt, wird der Begriff „Werbung“ verwendet.

1. Kommunikationsvoraussetzungen

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Abbildung I/7: Abgrenzung der Marketingkommunikation

Sie ist abzugrenzen von Propaganda, die weltanschaulichen Zwecken dient statt wirtschaftlichen, und Reklame, die bei alledem marktschreierisch auftritt und daher nicht überzeugend wirkt. Unterformen hingegen bilden Public Relations als Werbung um öffentliches Vertrauen statt konkreter Angebote sowie Absatzwerbung, die sich von der Beschaffungswerbung, die auf Betriebsmittel, Finanzen und Personal ausgerichtet ist, abgrenzt. Als Definition folgt daraus: Marketingkommunikation ist die bewusste Beeinflussung von marktwirksamen Meinungen mittels Instrumentaleinsatz und mit der Absicht, die Meinungsrealität im Markt den eigenen Zielvorstellungen darüber anzupassen. Im Folgenden werden Marketingkommunikation und (Absatz-)Werbung als Wechselvokabeln benutzt. Marketingkommunikation ist insofern als Sozialtechnik anzusehen, d. h. als systematische Anwendung sozialwissenschaftlicher und / oder verhaltenswissenschaftlicher Erkenntnisse zur Gestaltung der Umwelt, insb. der Menschen und Medien. Darin stecken mehrere Erklärungselemente: • „bewusste Beeinflussung“, also die strategisch so gewollte Einflussnahme ohne Rücksicht auf deren Wirksamkeit sowie permanent stattfindende zufällige Einflussnahmen, • „von marktwirksamen Meinungen“, es handelt sich also um eine intellektuelle, freie Beeinflussung hinsichtlich Faktoren, die für Marktwirkungen entscheidend sind wie Einstellung, Verhalten oder Bekanntheit,

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I. Grundlagen der Marketingkommunikation

• „mit der Absicht“, demnach als gestalterische, politische Maßnahme verstanden, die korrigierend und dynamisch eingreift, • „die Meinungsrealität den eigenen Zielvorstellungen darüber anzupassen“, also aktive Beeinflussung statt passiver Übernahme der Marktgegebenheiten, • „mittels Instrumentaleinsatz“, also über die Instrumente des KommunikationsMix im Marketing. Eines dieser Instrumente ist die Klassische Werbung. Daneben gibt es weitere Instrumentalvariable der Nicht-klassischen Werbung wie Dialogwerbung, Schauwerbung oder Verkaufsförderung, auf die ebenfalls die Definition von Absatzwerbung zutrifft, nämlich die Beeinflussung von Meinungen im Sinne des Absenders der Maßnahmen. Kommunikation in diesem engeren Sinne ist somit definiert als ein Instrument des Marketing-Mix. 1.2.2 Ausprägungen der Marketingkommunikation Hinsichtlich der Anlage der Kommunikation können, allerdings mit fließenden Übergängen, unterschieden werden: • Basiswerbung als Maßnahmen, die dem Aufbau bzw. der Festigung von Produkt / ​ Marke und Unternehmen / Organisation in der Zielgruppe dienen und formale Bekanntheit und inhaltliche Vertrautheit mit dem Angebot, der Leistung und der Idee, die sie ausloben, für gezielte Absatzwirkungen und profilierte Image­ dimensionen schaffen. Sie laufen zeitlich kontinuierlich, räumlich umfassend und mit nennenswerten Finanzmitteln dotiert ab. • Ereigniswerbung als Maßnahmen, die eher fallweisen Charakter aufweisen. Sie betreffen absolute oder relative Neuheiten im Programm bzw. Sortiment mit Ankündigungs- und Aufklärungswert. Das neue Angebot wird zum Anlass genommen, darüber werbliche Botschaften zu verbreiten. • Überbrückungswerbung als Maßnahmen, denen aktualisierende Wirkung zukommt, wenn im Angebot selbst sachlich kein Anlass für auslobende Maßnahmen zu finden ist, man aber einen punktuellen Akzent setzen will oder muss, um spezifische Attraktivität auszustrahlen. Auf diese Weise werden vor allem lang laufende Angebote aktualisiert. Die Meinungsbildung durch Werbung geschieht in verschiedenen Formen der Kommunikation als: • Transmissionswerbung zur Übertragung von Signalen an anonyme Empfänger mit dem Ziel deren Einstellungs- und Verhaltensbeeinflussung in gewünschter Weise in Einwegkommunikation. Diese wird alternativ als Klassische Werbung bezeichnet und bedient sich der Werbemittel Anzeige, Spot und Plakat. • Dialogwerbung zur Aufnahme des Austauschs über relevante Themen mit den Zielpersonen in gesteuerter Weise zu deren planmäßiger Aktivierung. Sie um-

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fasst alle Maßnahmen zur Erzeugung definierter Reaktionen sowie zur Identifizierung von Interessenten als Vorbereitung zu Information und / oder Absatz über mediale oder persönliche Ansprachekanäle. • Aktionswerbung zur Initiierung von Aktionen mit der Absicht der vor allem punktuellen, also sachlich und raumzeitlich begrenzten Unterstützung von Unternehmens- und Marketingzielen. Sie umfasst zugleich alle Maßnahmen zur Förderung des Verkaufs von Waren / Diensten im Absatzkanal. Unter Berücksichtigung der Inhalte der Marketingkommunikation können unterschieden werden: • Angebotswerbung als alle von der physischen Präsenz eines Produkts bzw. dessen Informationsmaterials und akquisitorischer Aufmachung ausgehenden Wirkungen. Diese ist konstitutiv und untrennbar mit dem Angebot verbunden. • Leistungswerbung als Maßnahmen, die auf die Erreichung nennenswerter Breitenbekanntheit und positiver Imageprofilierung für Marke und Produkt abzielen. Sie umfasst alle Maßnahmen, die einen Anbieter und / oder ein Angebot bekanntmachen sowie als Folge davon Vertrautheit und Profil für dieses schaffen. Sie ist ihrer Natur nach kontinuierlich angelegt. • Ideenwerbung als Möglichkeiten zur attraktiven Darstellung eines Organisationszwecks und -selbstverständnisses sowie deren Durchsetzung und Akzeptanz am Meinungsmarkt. Dies betrifft vor allem Bereiche des Non-Profit-Marketing. 1.2.3 Anforderungen an die Marketingkommunikation Zur Zielerreichung sind bestimmte Anforderungen an Werbemaßnahmen zu stellen, die im Folgenden ausgeführt werden (siehe Abbildung I/8: Kommunikationsanforderungen).

Abbildung I/8: Kommunikationsanforderungen

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Marketingkommunikation / Werbung muss eigenständig und unverwechselbar sein, um das eigene Angebot vom relevanten Wettbewerb positiv zu differenzieren. Jede Verwechslungsfähigkeit der Kommunikationsmaßnahmen eines Werbungtreibenden mit solchen anderer, insb. konkurrierender Werbungtreibender, muss weitestgehend ausgeschlossen werden können. Denn sonst bedeutet Werbung bestenfalls unproduktive Mittel­verwendung, schlechtestenfalls – bei Übereinstimmung innerhalb einer Produktgattung – sogar Unterstützung des direkten Mitbewerbs. Die positive Differenzierung wird nur durch die Eigenständigkeit des werblichen Auftritts erreicht. Dadurch bekommt das Angebot Profil und wird unverwechselbar. Kurz, die Werbung gibt Persönlichkeit. Mit Charakterisierungen, die durchaus menschliche Zuge annehmen können. Mit bestimmten Vorzügen, um deren Willen man womöglich bereit ist, bestimmte Nachteile in Kauf zu nehmen wie Preis, Verfügbarkeit oder Styling. Werbung muss kontinuierlich angelegt sein, da nur stete, konsistente Einwirkung Lernerfolge zeitigt. Damit sich das Profil eines Angebots als Produkt und / oder Marke entwickeln und halten kann, in Konkurrenz zu allen anderen täglich zu verarbeitenden und im Regelfall wichtigeren Informationen, müssen die Werbemaßnahmen längerfristig gleichartig angelegt sein. Dauert es schon, bis ein Hersteller sein formales Profil aufgebaut und durchgesetzt hat, so sollte der weitere Zeitablauf der inhaltlichen Verfeinerung und Intensivierung dieses Eindrucks dienen und nicht mit fallweiser „Profilchirurgie“ vertan werden. Werbung muss Inhalte vermitteln, die plausibel, attraktiv und interpersonell argumentierbar sind. Es reicht nicht, jedenfalls nicht auf Dauer, nur ein schönes „Gesicht“ zu zeigen. Spätestens, wenn die Zielgruppe feststellt, dass sich dahinter nur wenig Substanzielles verbirgt oder etwas ganz anderes als eigentlich erwartet, lässt die Begeisterung spürbar nach. Auf Dauer vermögen nur Inhalte, für die Interesse und womöglich auch Sympathie empfunden werden, zu binden. Inhalte, mit denen sich die Zielgruppe identifizieren kann und die vielleicht sogar zu ihrer persönlichen Imagebildung nach außen beitragen. Werbung muss vor allem Kaufsicherheit als Äquivalent zum investierten Geldbetrag erzeugen. Und zwar umso mehr, je höher der Kaufpreis ist. Aus den Aspekten der Kontinuität und Persönlichkeitsbildung folgt ein gewisser Gewöhnungseffekt mit der Sach- oder Dienstleistung. Es entsteht ein Vertrautheitsverhältnis zwischen Abnehmer und Produkt, fast wie zwischen „alten Bekannten“. Vertrauen, das so weit geht, dass die Käuferschaft den Anfechtungen konkurrierender, partiell oder total überlegener Produkte widersteht und „ihrem“ Produkt treu bleibt. Grundlegende Voraussetzung dafür ist aber, dass das Zielpublikum nicht über die Persönlichkeit des Angebots in Zweifel gerät. Etwa indem es sich fragen muss, ob das Produkt wirklich noch das alte ist, ob es noch die von ihm besonders geschätzten und bewusst gesuchten Eigenschaften hat oder vielleicht doch schon nicht mehr. Dies kann sehr schnell geschehen, etwa wenn ein Produkt sich plötzlich und / oder häufiger anders darstellt als gewohnt.

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Werbung muss flexibel angelegt sein, um zwanglos auf aktuelle Marktströmungen und Nachfragetrends eingehen zu können. Die Werbung muss auf zeitablaufbedingte Veränderungen adaptiv reagieren können, ohne ihre Typik zu verlieren. Starrheit wäre hier gefährlich und würde das Angebot schnell veralten lassen. Die Anforderung der Konfliktreduktion erfordert dabei jedoch in jedem Einzelfall ein schrittweises, überlegtes, ja beinahe unmerkliches Vorgehen, so dass Veränderungen vollzogen werden können, ohne die Zielgruppe zu irritieren. Dies gibt die gewünschte Sicherheit und das Gefühl, bei der Wahlentscheidung zugunsten des beworbenen Angebots kein Risiko einzugehen. Werbung muss sich auf eine zentrale Aussage konzentrieren, denn bei der weit verbreitet zu unterstellenden, kurzen Betrachtungszeit haben mehrere Botschaften kaum eine nennenswerte Chance, wirksam überzukommen. Gestalterische Anpassungsfähigkeit darf jedoch nicht mit konzeptioneller Unstetigkeit verwechselt werden. Denn Unsicherheitsreduktion setzt neben der profilierten Persönlichkeit des Anbieters / Angebots eine charakterisierende Merkmalseigenschaft voraus, die typbestimmend, dominant und relevant ist. Kurz, die Kernaussage der Kommunikation. Sie ist das Konzentrat aller werblichen Bemühungen mit dem Ziel, die typprägenden Eigenschaften eines Angebots im Verbraucherbewusstsein zu verfestigen, um ein besseres Verständnis und die Erinnerbarkeit der Werbeaussage zu erzeugen. Werbung sollte die Kernaussage beweisen, weil man geneigt ist, werblichen Aussagen skeptisch gegenüber zu treten. Nicht erst seit Verstärkung konsumeristischer Tendenzen im Markt ist es notwendig, die Kernaussage durch solche Beweise abzustützen. So ohne Weiteres glaubt man Behauptungen schließlich nur selten, erst recht, wenn es sich dabei offensichtlich um Werbung handelt. Der Beweis muss glaubhaft und stimmig geführt werden, also auch wirklich der vollständigen Unterstützung dessen dienen, was behauptet wird. Hilfreich ist es, wenn die Beweise umfassend und abwechslungsreich sind. Werbung muss eine Begründung für die Produktwahl liefern, die überzeugend und nachvollziehbar ist, damit sie glaubhaft wirkt. Oft reicht die Anführung von Beweisen allein nicht aus. Zur Rationalisierung eines möglichen positiven Wahlentscheids zugunsten des eigenen Produkts muss darüber hinaus eine nachvollziehbare und einleuchtende Erläuterung geliefert werden, warum und evtl. wie die besonders vorteilhaften Eigenschaften eines Angebots zustande kommen. Damit wird der Wahlentscheid zugleich kommunizierbar, weil nunmehr rationalisierte Argumente genannt werden können. Das schafft Glaubwürdigkeit und Überzeugung. Werbung muss den Angebotsnutzen erlebbar machen, denn nur das Nutzenversprechen reizt zur Auseinandersetzung mit dem Angebot. Dieser Nutzen muss durch Werbung begehrenswert dargestellt werden, damit davon hohe Anziehungskraft am Markt ausgeht. Letztlich ist für das Publikum nur der Nutzen aus der Wahl eines bestimmten Angebots interessant. Je unmittelbarer, einleuchtender sich dieser Nutzenaspekt demonstriert, desto höher wird er vom potenziellen Kunden bewertet, desto eher fällt die persönliche Preis-Leistungs-Rechnung positiv

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I. Grundlagen der Marketingkommunikation

aus. Allerdings darf die Auslobung nicht überzogen oder gar unglaubwürdig sein. Werbung muss vielmehr „ehrlich“ bleiben, dabei nicht unbedingt objektiv wahr, sondern vielmehr im Sinne von nicht subjektiv augenfällig täuschend. Die Auslobungen dürfen vor allem keinen Zweifel über die Integrität des Absenders aufkommen lassen. Werbung muss den Absender (Firma / Marke) deutlich machen, um die affektive Zuwendung auf das richtige Angebot zu kanalisieren. Alle zugeschriebenen positiven Eigenschaften müssen eindeutig auf den Namen des Absenders zurückgeführt werden können. So wie man Menschen durch Namen voneinander unterscheidbar macht und nicht durch vage Beschreibungen von Eigenschaften, die zudem auf mehrere Personen zutreffen können und daher missverständlich sind, so werden Produkte erst durch den Markennamen differenzierbar und bewusst wählbar. Daher hat die Marke zentrale Bedeutung schlechthin innerhalb der Kommunikation. In Zeiten hoher Diversität der Medien und Ansprachekanäle ist es entscheidend für die Kommunikation, dass sie multimedial durchdeklinierbar ist. Denn Zielgruppen sind zu fraktioniert, als dass man sie noch mit wenigen Medien erreichen und erst recht für sich einnehmen könnte. Vielmehr ist eine Vielzahl von Ansprachekanälen zu nutzen und die Botschaft dort jeweils medienadäquat aufzubereiten. Dabei ist einerseits eine zielgruppenspezifische Spreizung der Ansprache über die Kanäle anzustreben, andererseits aber auch der Erhalt einer kommunikativen Klammer, welche die Identität absichert. Den Absender chamäleonhaft je nach Zielgruppen metamorphosieren zu lassen, ist hingegen sicherlich keine belastbare Lösung. Und schließlich und vor allem muss Werbung auffallen, denn das ist die notwendige Voraussetzung für jede Werbeaktivität. Alle Bemühungen, die Werbung unter Marketingaspekten optimal zu gestalten, bleiben allerdings weitgehend erfolglos, wenn es nicht gelingt, mit der Botschaft in das Bewusstsein der Zielperson einzudringen bzw. zur weiteren Beschäftigung mit den Werbeinhalten anzuregen. Aufmerksamkeit allein ist aber zu vordergründig. Über die Aufnahme der Werbebotschaften hinaus muss die Umsetzung so gehalten sein, dass sie zur Auseinandersetzung mit den Werbeinhalten anreizt. Erst dies führt zur nachhaltigen Verarbeitung der Kernaussage von Marke und Produkt. 1.2.4 Kategorien der Marketingkommunikation Werbung ist in vielfältigen Kategorien üblich, die im Weiteren dargestellt werden. Nach dem Werbungtreibenden gibt es Alleinwerbung und Kollektivwerbung. Alleinwerbung kann dabei namentlich erfolgen, was regelmäßig wohl der Fall ist, oder anonym wie „T“ für Tankstelle an der Autobahn, „A“ für Apotheke oder „V“ für Tierarzt an der Fassade an der Kollektivwerbung ist wiederum nach verschiedenen Auslegungen möglich (siehe Abbildung I/9: Formen der Kollektivwerbung).

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Abbildung I/9: Formen der Kollektivwerbung (Quelle: eig. Darst.)

Gemeinschaftswerbung ist dadurch charakterisiert, dass sie anonym für die Beteiligten und branchenweit stattfindet. Als Beispiele gelten die Kampagnen der Interessenverbände, so der Landwirtschaft / CMA, der Pharmazeutischen Industrie /  BPI, der Chemischen Industrie / VCI oder der Rauchtabakindustrie / VdR. Sammelwerbung ist dadurch charakterisiert, dass jeder Beteiligte namentlich erwähnt wird, die Teilnehmerzahl begrenzt ist und die beworbenen Angebote nur in loser Beziehung zueinander stehen. Als Beispiel kann die Werbung von Einkaufszentren, Ladenpassagen oder Stadtteilzentren gelten, die in gemeinsamen Werbemitteln, aber jeweils individuell ausgewiesen, erfolgt. Die einzelnen Teilnehmer versprechen sich von ihrem gesammelten Auftritt eine stärkere Attraktion als von einem isolierten eigenen Auftritt. Gruppenwerbung erfolgt branchenweit, indem alle Anbieter substitutive Angebote kollektiv unter ihrer Namensnennung bewerben. Sie kann horizontal oder vertikal angelegt sein: • Horizontal handelt es sich um Aktivitäten mehrerer, potenzieller Wettbewerber, die stufengleich agieren, um die dadurch generierte Wirkung unter sich aufzuteilen. Dabei handelt es sich zumeist nicht um kompetitive Anliegen, sondern die individuelle Unterstützung übergeordneter, gesellschaftlicher Anliegen wie Energiesparen, Tierwohl, Abfallvermeidung o. Ä.

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I. Grundlagen der Marketingkommunikation

• Vertikal sind zwei- oder mehrstufige Ausprägungen gegeben. Dies ist etwa bei der Händlergemeinschaftswerbung der Automobilhersteller der Fall. Dort sind in einem Werbemittel nicht selten alle Händler eines Marktverantwortungsgebiets mit dem Angebot ihrer Marke aufgeführt. Dies macht aber nur Sinn, wenn eine selektive Distribution vorliegt (z. B. Rolex und Wempe) und ist nur durchführbar, wenn eine exklusive Distribution gegeben ist. Verbundwerbung ist gegeben, wenn branchenverschiedene Anbieter komplementäre Produkte kollektiv unter ihrem Namen bewerben. Sie kann ebenfalls horizontal oder vertikal angelegt sein: • Horizontal handelt es sich um Aktivitäten gleicher oder verschiedener Betriebsformen einer Wirtschaftsstufe. Dies ist etwa der Fall, wenn mehrere Hersteller oder Absatzmittler unterschiedliche Produkte für einen gemeinsamen Einsatzzweck bewerben, wie Wohnungseinrichtung, Gartenparty, Geschenkanlass. • Vertikal sind zwei- oder mehrstufige Ausprägungen innerhalb eines gemeinsamen Bedarfsbereichs gegeben. Das heißt, das Angebot erfolgt parallel durch Hersteller und Großhandel und / oder Einzelhandel. In Bezug auf die Kollektivwerbung können mehrere Intensitäten unterschieden werden, aufsteigend wie folgt durch: • allgemeinen Erfahrungsaustausch zu marketingkommunikativen Themen, kooperative Realisation die Alleinwerbung ergänzender Maßnahmen, kooperative Werbung infolge anderweitiger betrieblicher Kooperationen, kooperative Realisation der gesamten Werbemaßnahmen. Als wesentliche Vorteile der Kollektivwerbung sind quantitativ die Kostenersparnis und qualitativ Synergieeffekte zu nennen. Ersteres führt dazu, dass einzelnen Werbungtreibenden im Kollektiv ein Auftritt zugänglich ist, den sie mit eigenen Finanzmitteln allein nicht erreichen könnten. Dies bezieht sich sowohl auf die Werbeträgerwahl als auch die Werbemittelausstattung. Dafür muss die Aufmerksamkeit des Werbeauftritts mit mehr oder minder vielen Kollegenunternehmen geteilt werden. Letzteres entsteht, indem ein gemeinsamer Auftritt im Vergleich zu addierten einzelnen überproportional Interesse zu wecken und auch Überzeugung zu leisten vermag. Dafür ist hinsichtlich der Durchführung immer ein Kompromiss der Entscheidungen aller Beteiligten hinzunehmen. Im Grundsatz geht es um die Abwägung dieser Vor- und Nachteile gegeneinander. In der Praxis überwiegen zumeist die Nachteile des kleinsten gemeinsamen Nenners, was sowohl an der geringen Verbreitung der Kollektivwerbung als auch an deren zweifelhaften inhaltlichen Umsetzungen abzulesen ist. Dies ist bedauerlich, liegen darin doch nennenswerte Potenziale, wie z. B. die Aktivitäten lokaler Werbegemeinschaften zeigen. Weitere Kategorien betreffen folgende (siehe Abbildung I/10: Kategorien der Marketingkommunikation). Nach den Anlässen lässt sich Werbung zur Einführung eines Angebots, für die Erhaltung der Marktpräsenz und zur Reaktivierung als

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Variation unterscheiden. Einführungswerbung dient der Etablierung eines neuen Angebots am Markt, Erhaltungswerbung dient dem Bestand dieses Angebots und Reaktivierungswerbung kommt beim Relaunch zum Zuge. Dies entspricht dem typischen Ablauf im Produktlebenszyklus. Die Einführungswerbung ist ein besonderer Anlass, da davon der Erfolg eines des neuen Angebots abhängt. Wenn es nicht gelingt, in überschaubarer Frist einen positiven Markteffekt zu erzielen, bleibt die Perspektive, wie das bei der übergroßen Mehrzahl der Neueinführungen der Fall ist, eng begrenzt. Die Erhaltungswerbung soll ein Angebot gegen den üblicherweise bei Verdrängungswettbewerb vorzufindenden Konkurrenzdruck am Markt halten. Und die Reaktivierungswerbung soll ein zurückgedrängtes Angebot wieder in den Vordergrund rücken.

Abbildung I/10: Kategorien der Marketingkommunikation

Nach dem Objekt gibt es Produktwerbung für Konsumgüter des Ge- und Verbrauchs, Produktwerbung für Produktivgüter als Investition und Einsatzstoffe, Dienstleistungswerbung für selbstständige und produktbegleitende Services, Werbung für öffentliche und ideelle Leistungen, also Non Profit / Non Business und Werbung für Unternehmen / Organisationen, also Imagewerbung. Dienstleistungswerbung macht angesichts des übergroßen Anteils des tertiären Sektors am BIP einen hohen Anteil der Werbeobjekte aus. Hinsichtlich der Stellung im Wirtschaftsprozess fungieren als Absender der Werbung • Hersteller oder Importeur als Herstellerwerbung oder • Absatzmittler oder Absatzhelfer als Handelswerbung. In neuerer Zeit hat vor allem der Handel als Marktakteur an Bedeutung gewonnen, speziell im Online-Bereich. Zumal der Einzelhandel, vor allem für Konsumgüter, sich in einem hart umkämpften Marktfeld behauptet muss. Folglich gehören die wenigen, großen LEH-Ketten zu den Big spenders im Werbemarkt. Dabei steht die Propagierung der Geschäftsstättenmarke im Vordergrund, d. h. im Kaufent-

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scheidungsprozess soll zuerst die Wahl der Einkaufsquelle, also Ladengeschäft oder Website, erfolgen und innerhalb dieser dann erst die Produkt- und Markenwahl, statt wie vorher zuerst eine Produkt- / Markenwahl und dann erst die Wahl der Einkaufsquelle. Dadurch emanzipieren sich Absatzmittler von Herstellern. Als Empfänger der Werbung kommen in Betracht: • Haushalte oder einzelne natürliche / private Personen als Publikumswerbung bzw. • gewerbliche Zwischen- und Endabnehmer etc. als Fachwerbung. Die werbliche Auslobung differiert für gewöhnlich zwischen privaten Abnehmern und Fachleuten, ob dies allerdings zwangsläufig ist, ist fraglich. Häufig ist die Fachwerbung daher an die Publikumswerbung angelehnt. Bedenkt man, dass der B-t-b-Geschäftsumfang gut zweieinhalb größer ist als der B-t-c-Geschäftsumfang (nach Backhaus et al.), kann die Bedeutung der Fachwerbung kaum hoch genug eingeschätzt werden. Das zeigt etwa auch der Bestand an erfolgreichen Fachzeitschriften. Dennoch kommen hier vorwiegend andere Kommunikationskanäle zum Einsatz wie Messen / Ausstellungen, Dialogwerbung oder Persönliche Kommunikation. Dies mag daran liegen, dass der technisch vorgeprägte B-t-c-Sektor marketingbezogenen und vor allem werblichen Aktivitäten sehr skeptisch gegenübersteht. Eine weitere Unterscheidung betrifft die kommunikative Absicht: • Eigenwerbung, die der Absender autonom für das eigene Angebot betreibt, oder • Fremdwerbung, die der Absender im Eigennutz für Angebote anderer, ihm geschäftlich verbundener Anbieter betreibt. Diese kann sowohl auf gleicher Stufe erfolgen wie bei „Renault empfiehlt Elf Motorenöl“, als auch vor- oder nachgelagert. Als Beispiel kann dabei die Werbung des Einzelhandels für die Präferenz bestimmter Herstellerprodukte gelten oder umgekehrt die Werbung der Hersteller für die Präferenz bestimmter Einkaufsstätten, die von ihm distribuiert werden wie bei Automobilherstellern. Weiterhin gilt es, nach der Stufigkeit (= Tiefe) zu unterscheiden zwischen: • stufenübergreifender Publikumswerbung vom Hersteller an private Endabnehmer als passive Elemente im Absatzkanal als Pull-Effekt durch Sprungwerbung oder • zwischenstufige Fachwerbung vom Hersteller als Push-Effekt durch Folgewerbung, jeweils an primär aktive Elemente im Absatzkanal als Absatzmittler, sekundär aktive Elemente als Absatzhelfer oder tertiär aktive Elemente als professionelle Promotoren wie Influencer. Sprungwerbung ist weit verbreitet bei Produkten für private Endabnehmer, also Konsumgütern, und bei mehrstufigen Marken in der Supply Chain. Sie soll eine Zangenbewegung auf zwischengeschaltete Weiterverarbeiter- und Wiederverkäufer-Zielgruppen ausüben, indem zusätzlich zum Push-Effekt des Hineinverkaufs ein Pull-Effekt des Herausverkaufs initiiert wird. Im Push-Effekt wird das Angebot propagiert, im Pull-Effekt wird nach der Order dafür Sorge getragen, dass sich

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diese Ware auch absetzen lässt, so dass der nächste Zyklus starten kann. Je besser der Hineinverkauf gelingt und je zügiger der Herausverkauf erfolgt, desto mehr Absatz / Umsatz kann mit einem Abnehmer innerhalb einer gegebenen Zeitspanne erreicht werden. Allerdings darf es dabei zu keiner Übersteuerung kommen, d. h. zum Hineinverkaufsdruck ohne ausreichende Lieferfähigkeit oder zum Herausverkaufsog ohne ausreichende Warenbevorratung in der Pipeline. Nach der umworbenen Adressatenzahl (= Breite, s. u.) unterscheidet man in • Massenansprache als apersonale Mehrheitsumwerbung oder • Individualansprache als personale Einzelumwerbung. Eine Massenansprache setzt einigermaßen homogene Adressaten in Bezug auf das gewünschte Zielgruppenmerkmal voraus. Allerdings ist dies aufgrund ausgeprägter Diversität moderner Gesellschaften immer weniger gegeben. Vielmehr lassen sich Adressaten nurmehr schwierig unter einem gemeinsamen Zielgruppenmerkmal versammeln, stattdessen besteht ein Trend zur Individualisierung, die dann auch entsprechend eine Einzelumwerbung erfordert. Dabei entsteht ein Konflikt zwischen Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit der Umwerbung. Eine Massenansprache ist aufgrund von Kostendegressionseffekten i. d. R. deutlich kostengünstiger je Adressat gerechnet als eine Individualansprache, dafür erscheint letztere als deutlich erfolgversprechender. Insofern ist eine Abwägung im Einzelfall erforderlich, vielleicht aber auch eine Kombination aus beidem. Als Wahrnehmungssinne für werbliche Ansprachen kommen in Betracht: • visuelle / optische, etwa als Anzeigen, Packungsabbildungen oder Plakate, • akustische / auditive, etwa als Hörfunkspots, • olfaktorische, etwa als Duft bei Parfüms, • gustative, etwa als Geschmack bei Süßwaren, • haptische, etwa als Tastsinn bei Warenproben. Nach den angesprochenen Wahrnehmungskanälen gibt es • unisensorische Werbung, die nur an einen Wahrnehmungssinn, einzeln oder sukzessiv, appelliert, oder • multisensorische Werbung, die an zwei oder mehr Wahrnehmungssinne simultan appelliert. Nach der Wirkung wird unterschieden in • informative, sachorientierte oder • suggestive, zweckorientierte Werbung (siehe Abbildung I/11: Kommunikationswirkung).

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Abbildung I/11: Kommunikationswirkungen

Aufgabe der Marketingkommunikation ist nicht zweckfreie „Kunst“, sondern handwerklich-akquisitorische Beeinflussung. Als Beispiel für informative Wirkung werden häufig Nachrichtensendungen („Tagesschau“) angeführt. Aber der Vergleich dieser Sendungen an ein und demselben Tag offenbart, dass Inhalte, Schwerpunkte und Tonalität der Nachrichten auf verschiedenen Kanälen erheblich voneinander abweichen. In neuerer Zeit ist die Fake News-Thematik hinzugekommen. Dies zeigt nur, dass es eine objektive „wahre“ Information nicht gibt, da die „Wahrheit“ interindividuell abweichend erst vor dem Hintergrund der jeweiligen Kenntnisse und Erfahrungen entsteht. Dies gilt sowohl für die Informationsadressaten als auch die Informationsabsender. Werbung als kaufmännische Zweckveranstaltung soll von den vielen Wahrheiten, die es so gibt, diejenige, immer im Rahmen strenger Limitation aus ethisch-sozialen und Lauterkeitsgesichtspunkten, berichten, die dem Auftraggeber der Werbung nutzt. Innerhalb der suggestiven Werbung gibt es die unterschwellige, subliminale Werbung. Sie erreicht Rezipienten, ohne dass diese sich der Wahrnehmung der Werbung bewusst sind. Das klassische Beispiel (Vicary / Packard) ist die Kurzzeitdarbietung von Werbeeinblendungen für Softdrinks und Popcorn während einer Kinofilmvorführung. Die Darbietungszeiten waren dabei so kurz bemessen, dass die natürliche Trägheit des Auges die Einblendungen nicht wahrnehmen konnte. Dennoch soll die Nachfrage nach Softdrinks (thirsty?) und Popcorn (hungry?) am Ende der Vorstellung signifikant höher gewesen sein als bei einer Vergleichsgruppe ohne diese Kurzzeitdarbietungen. Nachgewiesen wurden zwischenzeitliche erhebliche methodische Mängel in der Testanlage. So ist die Testsituation nicht belegt (das Kino ist längst abgerissen), die genauen Testbedingungen sind unklar (Reihenfolge der Darbietungen, Dauer, zeitlicher Abstand etc.), die Teilnehmerzahl und -struktur ist willkürlich (nicht repräsentativ) etc. Neue Meinung ist, dass man auf diese Weise allenfalls generischen Bedarf wecken, diesen jedoch nicht auf bestimmte Marken lenken kann. Davon sehr zu unterscheiden sind die: • bewusste Werbung, die falls sie nicht auf Anhieb als solche erkennbar ist, in den Medien zum Schutz des Publikums mit einem entsprechenden, deutlichen Hin-

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weis versehen werden muss, damit klar wird, dass sie letztlich Kaufwirkungen verfolgt, z. B. bei redaktionell aufgemachten Anzeigen oder bezahlten InfluencerPosts, • unbewusste Werbung, bei der die Botschaft zwar wahrnehmbar ist, aber nicht als Werbung erkannt wird. Dies gilt etwa für die Bereiche der Schleichwerbung, des Sponsoring und des Placement. Hier ist Werbung integrativer Bestandteil von Redaktion oder Ereignissen und partizipiert an deren Aufmerksamkeit. Die Erwähnung von gewerblichen Waren oder Diensten bzw. deren Anbietern außerhalb von Werbesendungen ist u. U. erlaubt, sofern sie aus überwiegend programmlich-dramaturgischen Gründen sowie zur Wahrnehmung von Informationspflichten erfolgt. Unter Schleichwerbung versteht man die Erwähnung oder Darstellung von Waren, Diensten, Namen, Marken oder Tätigkeiten eines Herstellers, wenn sie vom Medienveranstalter (Publisher) absichtlich zu Werbezwecken in der Redaktion vorgesehen und geeignet ist, die Allgemeinheit hinsichtlich des eigentlichen Zwecks der Erwähnung / Darstellung zu täuschen. Dies gilt vor allem, wenn dem Veranstalter für die Präsentation Geld bezahlt oder Sachmittel bereitgestellt werden. Dies entspricht auch dem Trennungsgebot von Werbung und Programm. Dagegen steht jedoch der Programmauftrag im Publikumsinteresse. Sanktionen erfolgen abgestuft über Bußgeld, Abschöpfung der somit erlangten Einnahmen bis hin zum Lizenzentzug. Der Publisher ist dennoch verpflichtet, auf eine Platzierung deutlich hinzuweisen.

1.3 Marketingkommunikative Wirkungen Nach ihrer Bedeutung können verschiedene Phasen der Kommunikationswirkung unterschieden werden (1.3.1), die zu einer Dynamisierung verbunden werden können (1.3.2). Es folgen grundlegende Ausführungen zur werblichen Informationsverarbeitung (1.3.3). 1.3.1 Phasen der Kommunikationswirkung Es gibt vielfältige Versuche, die Werbewirkung in Stufenmodellen zu erfassen. Dem liegt die Anschauung zugrunde, dass werbliche Wirkungen erst das Ende einer Kette von Wirkungen bilden, die aufeinander aufbauen und alle in dieser Folge und vollständig durchlaufen werden müssen. Ist eine vorlaufende Stufe nicht gegeben, wird auch die nachfolgende nicht erreicht. Der Wirkungsgrad einer vorgelagerten Stufe begrenzt damit den Wirkungsgrad der nachgelagerten. Am bekanntesten ist hier die AIDA-Formel für Attention, Interest, Desire, ­ ction (Lewis/1898). Diese „Formel“ entbehrt jedoch jeder Aussagefähigkeit. ErsA tens ist zweifelhaft, ob innerhalb der Stufen nicht einzelne fehlen, genannt wird

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I. Grundlagen der Marketingkommunikation

hierzu häufig die Überzeugung / Conviction. Zweitens fehlt die gerade aktuell bedeutsame Nachkaufphase völlig, denn nach dem Kauf ist vor dem Kauf. Drittens werden durchaus nicht immer alle Stufen durchlaufen, sondern es gibt verkürzte Abfolgen, etwa bei habitualisierten Käufen. Und viertens werden einzelne Stufen evtl. mehrfach durchlaufen, etwa bei extensiven Kaufentscheiden. Insofern kommt diesem und anderen Stufenmodellen allenfalls eine anschauliche Aufgabe zu, sie machen deutlich, dass Werbewirkung erst in Abfolge verschiedener Filter entsteht, sie beschreiben jedoch keineswegs die Realität. Ein vermeintlicher Vorteil liegt zudem in der Merkfähigkeit der Formulierung. An dieser Stelle sollen jedoch folgende Phasen der Beeinflussungswirkung auf den Kaufentscheid, ohne Aussage über die Abfolge oder Bedeutung, durch Werbung unterschieden werden (siehe Abbildung I/12: Phasen der Kommunikationswirkung):

Abbildung I/12: Phasen der Kommunikationswirkung (Quelle: eig. Darst.)

• Aufmerksamkeit. Zunächst muss die grundsätzliche Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit dem beworbenen Angebot geweckt werden. Dies erfolgt über die Setzung von Reizsignalen, die erst zur Beschäftigung mit einer problem­lösenden Botschaft motivieren und in der Bereitschaft zur weiteren Informationsaufnahme resultieren. Voraussetzung für den Erfolg dieser Phase ist also in erster Linie die Provozierung von Aufmerksamkeit. Schafft es ein Produkt / Dienst nicht, auf sich aufmerksam zu machen, sei es durch Medienwerbung im Vorfeld, durch Mund zu Mund-Propaganda oder auch erst am POS, bleiben alle weiteren Akquisitionsversuche fruchtlos. • Akzeptanz. Erst nach wiederholter Wahrnehmung der Botschaft kann es zu markenbezogenen, ein Image aufbauenden Wirkungen kommen. Und nach einer

1. Kommunikationsvoraussetzungen

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Vielzahl von Werbeanstößen schließlich zu einer Verarbeitung oder gar Übernahme der werblichen Botschaftsinhalte. Dies schafft in der Summe eine grundlegende Akzeptanz vornehmlich für den Anbieter und seine Markenkernaussage. Diese Einstellung wirkt konditionierend. Formale Bekanntheit reicht also allein nicht aus. Die Zielgruppe muss vielmehr inhaltlich mit den Eigenschaften / Besonderheiten des Angebots vertraut sein und jene als attraktiv erachten. Wobei diese Akzeptanz entweder durch rationale Elemente begründet sein kann, wie PreisLeistungs-Verhältnis, oder durch emotionale, wie Identifizierung mit Markeninhalten. • Interesse. Nun bedarf es weiterhin der Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit einem spezifischen, klar umrissenen Angebot, für das Interesse geweckt werden soll. Dazu muss zunächst verständlich werden, was das Angebot will, welchen Anspruch es erhebt, wie es sich gegenüber Abnehmern und Wettbewerb positioniert. Werbliche Aussagen bedürfen darüber hinaus meist der inhaltlichen Begründung, damit sie bei prinzipiellem Misstrauen dennoch glaubhaft werden. • Überzeugung. Daran schließt sich bei erfolgreich ablaufendem Kommunikationsprozess die Überzeugung an. Vor allem indem der Angebotsnutzen emotional wirksam dargestellt und die präsentierte Nutzenableitung außerdem einleuchtend bewiesen bzw. abgesichert wird. Bei vielen, insb. hochwertigen, langlebigen Gebrauchsgütern, ist diese allgemeine Sympathie zu ergänzen durch die Überzeugung vom Angebot, um das mit dem Kaufentscheid verbundene subjektive Risiko auszugleichen, wie Geldbetrag, Bindungsdauer oder Außenwirkung. Das heißt, es muss eine wesentliche Verstärkung des emotionalen und intellektuellen Engagements erreicht werden, gerade auch durch Informationen, die der Absicherung dienen. • Kaufakt. Bei erfolgreicher Kommunikation kommt es schließlich zum auslösenden Faktor in Form des Kaufakts. Zur Einleitung dieses entscheidenden Schrittes dient normalerweise ein stillschweigendes oder ausdrückliches Verhandlungsangebot, das sich konkret auf ein individuell festgelegtes Produkt bezieht. In den meisten Fällen ist damit der Kaufentscheidungsprozess keineswegs abgeschlossen, da ja Folge- bzw. Ersatzkäufe gewünscht werden. Insofern mündet diese Phase in einen neuen Durchgang des Kreislaufs. Eine Erkenntnis, die noch allzu oft vernachlässigt wird. • Nachbereitung. Damit sind die kaufanbahnenden Aktivitäten beendet. Es beginnen die lange Zeit vernachlässigten, aber extrem bedeutsamen kaufnachbereitenden Aktivitäten. Dazu gehören sachlich u. a. After sales Services. Etwaigen kognitiven Dissonanzen wird informell durch Bestätigung der Richtigkeit der getroffenen Entscheidung vorgebeugt. Es beginnt die Anbahnung der Folgeakquisition mit der Reaktivierung des Kaufwunsches und damit der nächste Zyklus der Kommunikation. • Kundenkontakt. Eine kontinuierliche Kontaktbrücke zum Kunden sollte aufrecht erhalten werden, welche die Marke / den Absender präsent hält, also immer wie-

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I. Grundlagen der Marketingkommunikation

der in Erinnerung ruft, damit dann zum gegebenen Zeitpunkt potenzielle Käufer leichter zugänglich sind. • Reaktivierung. Die Reaktivierung schließlich stellt genau genommen schon die erste Phase des Folgezyklus dar. Der Bedarf wird aktuell, die vorher aufgrund selektiver Wahrnehmung ausgefilterten Informationen zu einem Produktbereich werden wieder registriert bzw. sogar bewusst gesucht.

1.3.2 Dynamisierung der Kommunikation Bei jedem Kaufakt durchlaufen alle Produkte und Dienste die Phasen eines subjektiven Kaufentscheidungsprozesses, der sich mehr oder minder intensiv und bewusst vollzieht. Natürlich wird die Bedeutung der einzelnen Phasen je nach Art des Produkts / Dienstes stark variieren. Etwa bei Convenience-Goods, also Spontan- und Gewohnheitskäufen, anders, nämlich kürzer und weniger intensiv, als bei Speciality Goods, bei denen eine bewusste Auseinandersetzung mit dem Angebot erfolgt. Die einzelnen Stufen sind allerdings weder überschneidungsfrei, noch nach objektiven Maßstäben eindeutig zuzuordnen. Dennoch sind diese Phasen nachvollziehbar und von elementarer Bedeutung für die Werbewirkung. Deshalb können Operationalisierungsprobleme allein kein Hindernis für deren Auswertung darstellen. Offensichtlich ist, dass in jeder der genannten Phasen eine andere Interessenlage seitens der Zielpersonen vorliegt. Zu Beginn besteht Bedarf nach allgemeinen Marken- und Angebotsinformationen, die der Orientierung dienen. Mit fortschreitender zeitlicher und sachlicher Entwicklung werden diese Anforderungen immer konkreter und umfassender, verdichtet bis zum Kaufentscheid und wieder verbreitert danach. Informationsangebote, die zu früh oder zu spät kommen, haben dabei das Nachsehen. Optimal wäre es daher, wenn der Absender / Werbungtreibender im Zeitablauf jeweils diejenige Art von Informationen übermittelte, die für die Adressaten / Zielpersonen typischerweise gerade dann von Interesse sind. Und zwar zu Beginn des Phasenablaufs nun einmal andere als zu dessen Ende. Das Ziel muss also sein, in jeder Phase eine optimal nach Form und Inhalt abgestimmte Kommunikation zu betreiben, denn damit besteht die größtmögliche Chance erfolgreicher Verkettung bis hin zum Kaufakt. Dem gilt es, sich unter pragmatischen Gesichtspunkten wegen der hohen Relevanz des Käuferverhaltens für die Werbeeffizienz anzunähern. Und dies führt weg von einer Strategie des Mengendenkens / Share of Mind hin zu differenziertem Medieneinsatz in den einzelnen Phasen. Nun können die Zielpersonen für bestimmte Botschaften chronologisch nicht identifiziert werden. Weil man aber weiß, dass alle Zielpersonen sich zu jedem Zeitpunkt in einer der genannten Phasen befinden, nur ist unbekannt, in welcher, können Werbungtreibende Botschaften so konzipieren und gestalten (lassen), dass sie für Abnehmer in definierter Disposition / Interessenlage attraktiv und überzeugend wirken, und zwar genau dann, wenn Informationsbedarf und -angebot sub-

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jektiv kongruent sind. Das bedeutet, dass zeit- und raumgleich unterschiedliche Botschaftsschwerpunkte innerhalb desselben Konzeptrahmens gesetzt werden. Das heißt, die einzelnen Botschaften suchen sich durch Inhalt, Umsetzung und Ansprachekanal ihre jeweilige Teilzielgruppe als Adressaten selbst. Vorausgesetzt, diese Maßnahmen sind lückenlos, mögen sie zu einer sukzessiven Verkettung im Zeitablauf bis hin zum Kaufakt führen. Dies erfordert allerdings die Aktivierung über die Klassische Werbung hinausgehender Instrumente mit Interaktionsangebot. Als Parameter stehen dafür Informationsmenü, Visualität, Tonalität und Medienwahl zur Verfügung.

1.3.3 Informationsverarbeitung Jedes Signal, das von einem Absender abgegeben wird bzw. von diesem motorisch reflexiv ausgeht, führt im Falle erfolgter Wahrnehmung bei Empfängern zu einer Informationsverarbeitung, die deren Einstellung und Verhalten beeinflussen kann. Ziel jedes Absenders ist es normalerweise, solche Signale auszustrahlen, die geeignet sind, die Aufmerksamkeit der gemeinten Empfängergruppe zu erregen und dort wahrgenommen zu werden, sowie aktive Beeinflussung in der gewünschten Art und Intensität zu erreichen. Außerdem soll die beabsichtigte Botschaft auch so schnell und präzise wie möglich überkommen. Beeinflussungsgrößen der Signale sind deren Form, die primär den Absender sofort und unzweifelhaft identifiziert, deren Inhalt, der primär die eigentliche Nachricht übermittelt, sowie deren Intensität, die den Lernerfolg erst sichert. Form, Inhalt und Intensität sind als Kommunikationselemente untereinander partiell substituierbar. Zum Beispiel hat die Form eine mehr oder minder starke Kraft der Anmutung und Ästhetik, während der Inhalt eine möglicherweise signalhafte Komponente der Tonalität aufweist. Die maximale Übertragungseffizienz wird erreicht, wenn alle drei Größen harmonisch aufeinander abgestimmt sind. Dann kann die Intensität, weil meist mit Kosten verbunden, zurückgenommen bzw. bei gleicher Intensität eine bessere Mittelausstattung erreicht werden. Dies verbessert wiederum das Kosten-Leistungs-Verhältnis von Maßnahmen und motiviert damit zu einer ausgewogenen Abstimmung der Einzelelemente. Die Erfolgsaussichten für Kommunikation steigen durch eine optimale Aufbereitung der Botschaften bei Wahrnehmung und Verarbeitung, durch ihre Konsistenz als sachliche Widerspruchsfreiheit, und Kontinuität als raum-zeitliche Durchgängigkeit. Das bedeutet im Effekt, dass eine Botschaft bei unterstellter Nutzenrelevanz für die gegebene Zielgruppe und geeignetem Medieneinsatz verspricht, umso wirkungsvoller zu sein, je wahrnehmungsfreundlicher sie aufbereitet wird, je einheitlicher sie den Absender intermedial übermittelt und je langfristiger und raumübergreifender sie angelegt ist. Jeder Meinungsgegenstand strahlt permanent über vielfältige, persönliche und unpersönliche, kontrollierte und unkontrollierte, direkte und indirekte Sendeka-

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I. Grundlagen der Marketingkommunikation

näle Signale ab, die Wirkungen hinterlassen. Wobei raum- und zeitgleich einander überschneidende Zielgruppen verschiedenartige Botschaften des gleichen Absenders gewahr werden. Um daraus resultierende Irritationen bei Empfängern zu vermeiden, müssen daher alle Kommunikationsaktivitäten harmonisiert sein, also überall und jederzeit aufeinander abgestimmte Signale verbreiten. Dies wird gemeinhin im übergreifenden Konzept der Corporate Identity zusammengefasst und gesteuert. Die Kommunikationsmittel treten grundsätzlich an allen Schnittstellen des Unternehmens / der Organisation mit der sozialen Umwelt, insb. den Ziel­ gruppen, auf. Vor allem im Wege faktischer Mittel als durch sachliche Umstände manifestierter Medien, persönlicher Mittel als durch Mitarbeiter verkörperter Medien und formaler Mittel als durch Schrift-Wort- und / oder Zeichen- / Bildform bedingter Medien. Was deren inhaltliche und formale Ausgestaltung anbelangt, sind aus Effizienzgründen die Ziele der Validität, also Stimmigkeit und Richtigkeit von Aussagen, der Konsistenz und Kontinuität zu verfolgen. Als Gegenreaktion zum Informationsüberschuss / Information Overload hat sich der Mensch mit der Gabe zu selektiver Wahrnehmung ausgestattet, die es ihm erlaubt, in der unendlichen Vielfalt der Signale wenigstens subjektiv und hinlänglich den Überblick zu behalten. Diese wirkt als Empfangssperre, so dass die weitaus meisten Signale auf Bewusstseinsebene ausgefiltert werden. Dass dabei immer wieder auch wichtige Signale als potenziell uninteressant ausgeblendet werden, gehört zu den akzeptierten Ungerechtigkeiten dieses Verfahrens. Werbliche Beeinflussung kommt erst zustande, wenn Signale bewusst oder unbewusst, also unter Umgehung der kognitiven Filterung, wahrgenommen, also empfangen, und verarbeitet, also reflektiert, werden. Nur dann kann ein bewusster Response erfolgen. Ausnahmen stellen unwillkürliche Reaktionen dar, die auf psychomotorischer Ebene erfolgen und sich damit der Körper- und Geisteskontrolle entziehen. Aus dieser Abfolge entstehen alle folgenden Emulationen der Verfolgung von Kommunikationseffizienz: • Die Wahrnehmung eines Signals ist nicht nachvollziehbar, etwa wenn sie auf unterbewusster Ebene erfolgt und daher nicht kontrollierbar bleibt. • Die Verarbeitung eines Signals ist nicht nachprüfbar, etwa wenn rein kognitive oder affektive Reaktionen vorliegen, die keine konative Wirkung zeitigen. • Es gibt Time lags zwischen erfolgter Wahrnehmung und Verarbeitung eines Signals, etwa wenn Depotinformationen erst eines bestimmten Kontextes zur Einstellungsrevision bedürfen. • Es gibt Time lags zwischen Verarbeitung und beobachteter Reaktion auf ein Signal, etwa wenn Depoteinstellungen erst eines gegebenen Anlasses zur Verhaltensauslösung bedürfen. Untersucht man die Beeinflussung, die ein Signal hinterlässt, so ergeben sich vier verschiedene Gruppen als: • Informationseffekt, indem ein Signal zwar den Wahrnehmungsfilter überwindet, aber ansonsten weder zur Signalverarbeitung noch zur Reaktionsbildung führt,

1. Kommunikationsvoraussetzungen

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• Kommunikationseffekt, indem ein Signal nicht nur den Wahrnehmungsfilter überwindet, sondern zusätzlich zu Depotaufbau oder Sofortverarbeitung führt, jeweils mit erkennbarer oder nicht erkennbarer Reaktionsbildung zu einem späteren Zeitpunkt, oder zur Sofortverarbeitung mit erkennbarer oder nicht erkennbarer unmittelbarer Reaktionsbildung, • Suggestionseffekt, indem ein Signal zunächst zwar am Wahrnehmungsfilter scheitert, dann jedoch auf unbewusstem Wege zum Depotaufbau oder zur Sofortverarbeitung führt, jeweils mit erkennbarer oder nicht erkennbarer Reaktionsbildung zu einem späteren Zeitpunkt, oder zur Sofortverarbeitung mit erkennbarer oder nicht erkennbarer unmittelbarer Reaktionsbildung, • Reflexeffekt, indem ein Signal nicht auf dem Wahrnehmungswege wirkt, sondern zu einer sofortigen, unkontrollierbaren, motorischen Körperreaktion führt, die mit Hilfe apparativer Methoden gemessen werden soll. Für diese vier Gruppen können Normaussagen hinsichtlich ihrer Kommunikationseffizienz getroffen werden. Im ersten Fall kommt Kommunikation nicht zustande, da das Signal zwar technisch-rezeptiv wahrgenommen wird, jedoch zu keinerlei Involvement führt. Damit ist jeder mit der Signalaussendung verbundene Aufwand zwar nicht umsonst, so aber doch vergebens. Im zweiten Fall kommt Kommunikation zustande, die jedoch nicht zu unmittelbarer, nachvollziehbarer Reaktion führen muss. So können Signalinhalte zunächst ohne oder nur mit begrenzter Reflexion im Gedächtnis abgespeichert werden, um sie dann zu gegebenem Anlass oder in einem neuen Kontext abzurufen und zu verarbeiten, etwa bei Ersatzbeschaffung eines langlebigen Gebrauchsguts. Solche Reaktionen müssen dabei nicht einmal erkennbar sein. Alternativ können Signalinhalte zwar sofort verarbeitet werden, jedoch zu keiner unmittelbaren Reaktion führen, sondern ebenfalls erst zu einem gegebenen Anlass oder in einem neuen Kontext aktualisiert werden und in erkennbarer oder nicht erkennbarer Reaktion resultieren, etwa bei größeren Anschaffungen mit Zielsparerfordernis. Schließlich können Signalinhalte nicht nur sofort verarbeitet werden, sondern auch zu einer unmittelbaren Reaktion führen, die erkennbar ist, etwa beim Spontankaufentscheid. Für den Fall des Depotaufbaus mit Signalen, die sich erst später auswirken, ist wegen des Verbundes mit weiteren Gedächtnisleistungen nicht mehr zurechenbar, aufgrund welcher Signalinhalte in welchem Zeitpunkt / Kontext es zu einer Reaktion kommt. Das gleiche gilt, wenn Signalinhalte zwar sofort verarbeitet werden, sich aber erst später und mittelbar in Reaktionen manifestieren. Inwieweit Gedächtnisleistungen aktivierbar sind, hängt zudem von der subjektiven Virilität der Zielperson ab, von der Zeitdifferenz zwischen Signalabgabe und Reaktionszusammenhang sowie von der Tiefe / Impact des Signals. Im dritten Fall kommt Kommunikation zustande, die jedoch vom Intellekt unbeeinflusst stattfindet und damit womöglich umso wirksamer ist. So können Signale durchaus am bewussten Wahrnehmungsfilter scheitern, jedoch auf anderen,

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I. Grundlagen der Marketingkommunikation

nicht bewusst kontrollierbaren Wegen zu Reaktionen führen. Auch hier gilt, dass es sowohl Signalinhalte gibt, die im Gedächtnis unbearbeitet oder nur oberflächlich bearbeitet abgelegt werden, um sie dann zu gegebenem Anlass oder in einem neuen Kontext abzugreifen, etwa bei Affektions- oder Motivationsreaktionen, wobei beide auch nicht erkennbar sein können. Ebenso Signale, die zwar sofort in die Gefühlsebene eingehen, dort aber erst zu späteren Reaktionen führen, etwa in Abhängigkeit von sozialem Umfeld oder psychologischer Verankerung, ebenfalls als erkennbare oder nicht erkennbare Reaktionen. Sowie Signalinhalte, die nicht nur sofort genutzt werden, sondern auch zu einer unmittelbaren, erkennbaren oder nicht erkennbaren Reaktion führen, etwa bei Impulsentscheiden in Abhängigkeit von Instinkten. Damit sind sich Personen einer Werbewirkung aber gar nicht bewusst, wobei die Extreme zwischen völliger Ablehnung der Möglichkeit einer solchen Form der kommunikativen Beeinflussung als Souveranitätsthese und der Unterstellung der völligen Auslieferung an sie als Manipulationsthese liegen. Im vierten Fall kommt Kommunikation zwar zustande, da das Signal technisch-rezeptiv wahrgenommen wird, jedoch handelt es sich lediglich um eine generische, physiologische Reaktion, die den Anforderungen der Marketingvalidität nicht standhält. Evtl. Aufwand, der mit der Signalaussendung verbunden ist, bleibt insofern ineffektiv, da die Ursächlichkeit eines ermittelten Signalinhalts für ein vorher beabsichtigtes Verhalten nicht gegeben ist. Zumal ein Signal nicht unbedingt zu einer erkennbaren Reaktion führen und kumulativ dazu diese Reaktion nicht in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Signalaussendung stehen muss.

1.4 Einordnung der Informationspolitik ins Marketing Nachfolgend wird die Marketingidee, in die das Kommunikationsmanagement eingebettet ist, kurz skizziert (1.4.1). Die Gestaltung erfolgt im Rahmen eines Marketing-Mix (1.4.2), dessen Instrumente ebenso kurz dargestellt werden. 1.4.1 Marketingidee Marketing hat im Zeitablauf einen steigenden Stellenwert in der Betriebswirtschaft eingenommen. Zunächst lag der Schwerpunkt nicht in der Marketingorientierung, als Engpass galt vielmehr die Beschaffung von Kapital, Abhilfe wurde durch Kapitalgesellschaften / A ktienbörsen geschaffen, von Personal, Abhilfe wurde durch Duale Ausbildung / Qualifizierung geschaffen und von Gütern, Abhilfe wurde durch Kolonialisierung / Außenhandel geschaffen. Dies änderte sich mit dem Wandel vom Verkäufermarkt zum Käufermarkt, in dem es den Nachfragern leichter fällt, einen Anbieter zu finden als es dem Anbieter fällt, Nachfrager zu finden. Innerhalb der daraus folgenden Marktorientierung dominierte zunächst die Transaktionsphase durch Absatz, dann die Vorkaufphase durch Akquisition und schließlich nunmehr die Nachkaufphase durch Kundenzufriedenheit.

1. Kommunikationsvoraussetzungen

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Folglich hat Marketing verschiedene Entwicklungsstufen durchlaufen (siehe Abbildung I/13: Marketing-„Generationen“). Nach der Vor-Marketing-Ära (= Absatzwirtschaft) lag der Fokus auf der Stimulierung des Flusses von vor allem Waren, aber auch Geldern und Informationen, im Absatzkanal als Vertrieb, in Deutschland mit Ursprüngen in der Handelsbetriebslehre. Darauf folgte die passive Marktanpassung als Marktorientierte Unternehmensführung der Outside inPerspektive, die auch heute noch weit verbreitet als Marketingdenkhaltung postuliert wird, abgelöst von der aktiven Marktgestaltung der Inside out-Perspektive, die massive Probleme der Marktanpassung vermeidet. Heute dominiert das Kundenbeziehungsmarketing (auch Kundenbeziehungsmanagement / CRM) zum Austausch mit unternehmensinternen und -externen Partnern, insb. auf Absatz- und Beschaffungsmärkten sowie in der allgemeinen Öffentlichkeit. Für die Zukunft ist Marketing wohl als generisches Beziehungsmanagement (Generic Relationship Management / GRM) für jegliche Austauschbeziehungen mit Sozialpartnern aufzufassen. Auf dem Weg dahin kam es bereits zu einem Deepening des Marketing als Non-Profit-Marketing für nicht-gewinnorientierte Unternehmen und als Non Business-Marketing für Öffentliche Organisationen, Vereinigungen, sowie zu einem Broadening des Marketings als Ökologisches Marketing im Wertstoffkreislauf und als Corporate Social Responsibility / CSR zur Berücksichtigung humanitärer / sozialer und gesamtgesellschaftlicher / nachhaltiger Anforderungen.

Abbildung I/13: Marketing-„Generationen“

Marketing bedeutet insofern die Planung, Organisation, Durchführung und Kontrolle aller Aktivitäten mit der Absicht der Erreichung psychografischer und / oder ökonomischer Vorgaben durch Aufbau, Unterhalt, Ausbau oder Wiederherstellung (= Pflege) von Geschäftsbeziehungen mit jeweils relevanten Anspruchsgruppen in Beschaffung, Produktion, Absatz, Umfeld und Medien. Marketing als allgemeines Beziehungsmanagement unterhält Kontakte zu verschiedenen Anspruchsgruppen (= Stakeholders). Zu unterscheiden sind nicht ganz überschneidungsfrei nach der Intensität interne Partner, Beziehungspartner (ohne Kauf), Transaktionspartner (mit Spotgeschäft) und Interaktionspartner (mit Verbundgeschäft). Diese Stakeholders haben jeweils Interessen und auch Machtmittel,

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I. Grundlagen der Marketingkommunikation

diese Interessen durchzusetzen, sie scheuen zudem vor dem Einsatz ihrer Machtmittel zur Durchsetzung egoistischer Zwecke im Zweifel nicht zurück, wie bei Fluglotsen, Zugführern, Piloten zu besichtigen. Aktuell steht jedoch noch die Bedarfsbefriedigung bei Kunden und deren Kunden im Fokus (siehe Abbildung I/14: Kundenbeziehungs-Kreislauf und -Erfolgskette). Marketing als spezifisches Kundenbeziehungsmanagement strebt dabei einen Beziehungskreislauf (4 Rs) wie folgt an: • Kundenakquisition als Customer recruitment durch Kontaktaufbau in der Vorkaufphase mit dem Ziel des Erstkaufs, • Kundensicherung als Customer retention für Wiederholungskäufe in der Nachkaufphase, wie auch die folgenden, • Kundenentwicklung als Customer reinforcement zur Kundenwertsteigerung, • Kundenrückgewinnung als Customer recovery durch Interaktion nur mit profitablen Kunden.

Abbildung I/14: Kundenbeziehungs-Kreislauf und Kundenbeziehungs-Erfolgskette

Dafür wird eine Erfolgskette im Kundenmanagement behauptet, die aus folgenden Gliedern als Erfolgskette (4 Ks) besteht: • Kundennähe als gedankliche und auch tatsächliche Proximität zu Kunden, denn nur, wer in die Denkwelt seiner Kunden und vor allem deren Kunden eintaucht, ist in der Lage, diese wirklich zu verstehen, • Kundenzufriedenheit, meist nach dem C-D-Paradigma, also keine Begeisterung, aber auch auf gar keinen Fall eine Enttäuschung, sondern möglichst volle Zufriedenheit, • Kundenbindung durch freiwillige Verbundenheit zu einem oder unfreiwillige Gebundenheit an einen Anbieter, letzteres durch Vertrag, Technologie, Wirtschaftlichkeit, Spezifität oder Institution, • Kundenwert durch Entwicklung einer Kundenleiter vom Erstkäufer der Gattung zum Probierkäufer der Marke über Wiederkäufer, Exklusivkäufer, Intensivkäufer und Aufstiegskäufer zu Mehrfachkäufer und Empfehlungskäufer.

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Das Ziel ist die Erreichung einer Kundenleiter mit progressiven Sprossen, die sich wie folgt darstellt (siehe Abbildung I/15: Kundenleiter):

Abbildung I/15: Kundenleiter (Quelle: eig. Darst.)

• Eine Person / Organisation ist potenzieller Nachfrager als Nichtverwender (ohne Problem, mit Problem, aber ohne Problemlösungsbewusstsein bzw. mit Problem­ lösungsbewusstsein, aber ohne Lösungsbedarf)  und erhält die Verwendungskenntnis. Sie wird bei Nichtwissen um die Problemlösung, aber Informations­ interesse zum Problemlösungsinteressenten. Voraussetzung ist, dass das Problem bereits wahrgenommen wird, denn ansonsten kommt es zu keiner Beschäftigung mit einer möglichen Problemlösung. Tatsächlich bleiben in saturierten Wirtschaften nur sehr wenige Probleme ungelöst, so dass es häufig erforderlich erscheint, Probleme zu generieren, damit überhaupt eine Auseinandersetzungsbereitschaft mit werblichen Botschaften besteht. • Die Person / Organisation entwickelt sich bei Problemlösungsbedarf zum Kauf­ interessenten für das entsprechende Produkt. Zum Interesse kommt also die

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I. Grundlagen der Marketingkommunikation

konkrete Kaufabsicht für eine Gattung. Somit wird das Problem nicht nur erkannt, sondern das Produkt als Problemlöser auch als relevant erachtet. Dies ist ein entscheidender Schritt. • Eine Person / Organisation wird Erstkäufer der Gattung, indem sie die Gattung akzeptiert und eine Marke kennenlernt. Sofern die andere Marke erstgekauft wird, wird eine wichtige Voraussetzung für den Markterfolg verfehlt. Das eigene Produkt kann dann erst bei Enttäuschung, Versehen oder Überdruss zum Zuge kommen. • Eine Person / Organisation wird Probierkäufer der Marke / des Herstellers. Nunmehr kommt es auf die Nutzungserfahrung an, ob sie markentreu wiederkauft oder nicht. Damit ist die wichtige erste Hürde passiert, ein Kunde ist gewonnen, allerdings gilt es jetzt, ihn gegen alle Anfechtungen der Konkurrenz zu schützen und zu entwickeln. • Eine Person / Organisation präferiert günstigenfalls die gewählte Marke / den Hersteller und wird Wiederholungskäufer. Wiederholt sich der markentreue Kauf häufiger, wird sie damit zum Stammkunden. Unternehmen leben letztlich nur von diesen Stammkunden, denn die Akquisition neuer Kunden verbrennt zunächst einmal nur Geld, erst die Entwicklung bestehender Kunden schafft Wert. • Der Kunde wird Exklusivkäufer (Stammkäufer) und er entwickelt günstigenfalls eine Monoloyalität zu seiner Marke / seinem Hersteller. Nunmehr kann man sich daranmachen, das Potenzial des Kunden auszuschöpfen, denn das eigene Unternehmen genießt bereits eine relative Monopolisierung im Einkaufskontext. • Der Kunde wird Intensivkäufer und seine Kaufmenge steigt als Heavy User, indem der Bedarf stimuliert wird (More Buying). Die Gewinnmaschine im Marketing kann zu arbeiten beginnen. Jetzt darf nicht der Fehler passieren, dass man sich in Sicherheit wiegt und stattdessen neuen, spekulativen Kunden zuwendet. Solange der bestehende Kunde nicht ausgeschöpft ist, bildet er das sicherste Neugeschäft. • Der Kunde wird Aufstiegskäufer, er kauft also nunmehr wertigere Produktversionen im Up Buying innerhalb der gleichen Kategorie derselben Marke. Dazu bedarf es allerdings des aktiven Angebots dieser Aufstiegsprodukte. Es ist durchaus üblich, dass die Ansprüche der Nachfrager mit der Zeit steigen und die Investitionsbereitschaft zunimmt. Dies gilt es auszunutzen. • Der Kunde wird Mehrfachkäufer und kauft außer dem betrachteten Produkt weitere Produkte anderer Kategorien desselben Herstellers als Cross Buying, in denen er bisher keine Produkte oder aber Produkte konkurrierender Hersteller gekauft hat. Auch dazu ist ein aktives, nutzenfokussiertes Angebot erforderlich. • Der Kunde wird Weiterempfehler, indem er seinerseits weitere Erstkäufer für die Marke gewinnt. Jetzt erst ist die höchste Stufe der Kundenleiter erreicht und die Akquisition wird zugleich erfolgversprechender, weil das Angebot vertrauensvoll vorverkauft ist.

1. Kommunikationsvoraussetzungen

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1.4.2 Informationsgestaltung im Marketing-Mix Für die Umsetzung im Marketing stehen nach allgemeiner Ansicht vier Instrumente (auch 4 Ps: Product, Price, Place, Promotion / Borden-McCarthy) zur Verfügung. Es handelt sich um Instrumente in Mix der Leistungsgestaltung durch Produktpolitik und Programmpolitik, der Gegenleistungsgestaltung durch Preispolitik und Konditionenpolitik und der Informationsgestaltung durch Kommunikationspolitik und Identitätspolitik (siehe Abbildung I/16: Marketinginstrumente).

Abbildung I/16: Marketinginstrumente

Die Kommunikations- und Identitätspolitik stellt somit ein Instrument der Absatzvorbereitung im Rahmen des Marketing-Mix dar. Sie beschäftigt sich mit der Informationsgestaltung und wird auch als Kommunikationsmanagement (oder Kommunikationspolitik) bezeichnet. Weiterhin gibt es das Instrument zum Absatzvollzug in Form der Verfügbarkeitsgestaltung durch Distributionspolitik und Verkaufspolitik. Für Services speziell werden fünf Ps propagiert, durch Hinzunahme der Personalpolitik, hier konkret des personalen internen Servicefaktors. Bei sieben Ps für Services werden noch die Prozesspolitik und die Präsentationspolitik einbezogen. Diese Instrumente sollen im Marketing-Mix individuell und zielorientiert kombiniert werden. Dabei entstehen zahlreiche Beziehungen untereinander, so vor allem funktional, zeitlich, abfolgebezogen, hierarchisch, intensitätsmäßig, räumlich, streuungsorientiert, quantitativ und adressatenorientiert. Aus der Vielzahl der zur Verfügung stehenden Instrumente und deren vielfältigen Ausprägungen ergibt sich eine immense Anzahl von Kombinationsmöglichkeiten. So geht es nicht nur um die Allokation der vier Submixes zueinander (= interinstrumenteller Abgleich), sondern auch um die Allokation der einzelnen

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I. Grundlagen der Marketingkommunikation

Stellgrößen innerhalb jedes Submixes (= intrainstrumenteller Abgleich). An der Aufgabe, den optimalen Marketing-Mix herauszufinden, scheitert die Praxis daher verständlicherweise bislang. Und theoretische Modelle sind vor allem wegen ihrer unrealistischen Prämissen nicht anwendbar. Zumal es genügend Beispiele gibt, dass ganz unterschiedliche Kombinationen erfolgreich sind, immer wieder auch solche, bei denen jede rationale Analyse eigentlich nur zum Ergebnis eines prospektiven Misserfolgs kommen kann (IKEA, The Body Shop, McDonald’s etc.). Tatsächlich helfen hier nur Trial & Error, d. h., ein bestimmter Marketing-Mix wird heuristisch bestimmt und durch realen Test partiell optimiert, ohne freilich jemals ein absolutes Optimum zu erreichen. Dies verhindert allein schon die Dynamik der Märkte. Ursachen für die Unbestimmbarkeit von Wirkungen im Instrumental-Mix sind die vielfältigen Beziehungen der Stellgrößen untereinander, die mit jeder neuen Kombination von neuem in vorab unbestimmbarer Weise miteinander in Verbund treten. Reduziert auf bilaterale Beziehungen ergeben sich die folgenden Möglichkeiten. Marketing ist ein äußerst komplexer, vielschichtiger und ineinander verzahnter Themenbereich. Entscheidungen in einem solchen Umfeld zu treffen, ist besonders anspruchsvoll. Dabei kommen weitere Faktoren erschwerend hinzu. Marketing ist dynamisch, weil die Märkte, die deren Gegenstand bilden, sehr schnelllebig sind. Und das Tempo der Veränderung nimmt eher noch zu, damit auch die Notwendigkeit, absatzpolitische Beschlüsse rasch zu fassen und konsequent zu revidieren. Es gibt eine Vielzahl möglicher Kombinationen von Aktivitäten im Marketing, die in unterschiedlicher Beziehung zueinander stehen und sich gegenseitig aufschaukelnd oder kompensierend beeinflussen sowie nur schwer gegeneinander abzugrenzen sind. Es liegen keine linearen Zusammenhänge zwischen unabhängigen (Nachfrage, Wettbewerb) und abhängigen Variablen (Marketinginstrumente) vor. Vielmehr bleiben diese Zusammenhänge unstetig und kaum prognostizierbar, weil sie meist qualitativer Natur und deshalb nur schwer nachvollziehbar sind bzw. sich einer Quantifizierung weitgehend entziehen. Es bestehen vielfältige zeitliche Verzögerungen (Carry-over-Effekte), die dazu führen, dass sich in der aktuellen Periode Maßnahmen der mehr oder minder weit zurückliegenden Vergangenheit und der Gegenwart mischen, ebenso wie in zukünf­ tigen Perioden die Maßnahmen der Gegenwart und Zukunft aufeinander einwirken. Dies macht insbesondere Erfolgskontrollen im Marketing nur schwer möglich. Hinzu kommen räumliche Beeinflussungen (Lap-over- / -in-Effekte) durch mobile Marktakteure. So haben Aktivitäten auf einem räumlichen Markt durch Austauschbeziehungen zwischen Märkten kaum kontrollierbare Auswirkungen auf andere, ursprünglich nicht intendierte Märkte. Schließlich bestehen auch mehr oder minder enge sachliche Zusammenhänge (Spill-over- / -in-Effekte). Zu denken ist an Partizipationseffekte innerhalb eines

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Programms oder auch an Substitutionseffekte. Diese sind schwer nachvollziehbar und kaum vorhersehbar. Zusammenhänge sind meist stochastischer Natur, d. h., es liegen keine deterministischen Ursache-Wirkungs-Aussagen wie in Teilen der Betriebswirtschaftslehre vor, sondern nur Hypothesen mit daraus abgeleiteten Übergangswahrscheinlichkeiten für Auslöse-Folge-Wirkungen. Marktrelevante Größen sind in vielfältiger Weise verwoben. Denn Marketing hat zu allererst mit Menschen und ihren Bedürfnissen zu tun. Und diese sind eben nur ausnahmsweise vernünftig begründet. Es bestehen vielfältige, zunehmend rigidere Restriktionen in der Mikro- und Makroumwelt, die bei der Marketing-Entscheidung zu berücksichtigen sind (z. B. solche sozialer, ökologischer, politischer, rechtlicher Art). Marketing verfolgt in der Regel ein mehrdimensionales Zielsystem, so dass sich bei häufigst vorkommenden Zielkonflikten Präferenzprobleme ergeben, die ständig das Erfordernis zur Kompromissschließung beinhalten, damit also nicht eindimensional gefasst werden können. Es handelt sich im Marketing meist um mehrstufige Entscheidungsprozesse, denen schlecht strukturierte Problemstellungen zugrunde liegen. Das Gewicht verlagert sich demnach vom objektiven Kalkül auf subjektive Intuition. Damit sind Entscheidungen im Marketing weniger berechenbar, als vielmehr von Erfahrung und Sensibilität getragen. In den verschiedenen Stadien sind meist mehrere, selbstständige Entscheidungsträger involviert, die durchaus verschiedenartige egoistische Interessen verfolgen (z. B. Handelsstufen). Deren konstruktive Einbindung bereitet große Probleme. Hier entscheidet letztlich die Marktmacht darüber, wer sich mit seinen Interessen gegen den anderen durchzusetzen vermag. Es ergeben sich Abnutzungserscheinungen in der Wirkung einzelner Marketingaktivitäten. Deren überzogener Einsatz führt zu Wear-out-Effekten bis hin zur Reaktanz (z. B. in der Kommunikationspolitik). Die Instrumente im Marketing sind in mehr oder minder großem Umfang substituierbar. So kann eine Absatzsteigerung sowohl durch Preissenkung als auch durch Verkaufsförderung zu erreichen gesucht werden. Andererseits stehen sie jedoch auch in einem Komplementärverhältnis zueinander. So ist etwa ein Hochpreisniveau an Spitzenproduktqualität gebunden, soll es auf Dauer Erfolg haben. Es bestehen Wirkschwellen, die dazu führen, dass Aktivitäten unterhalb eines gewissen Niveaus keine Wirkungen zeitigen und bereits vergleichsweise kleine Erhöhungen oder Senkungen des Intensitätsniveaus zu sprunghaften Veränderungen führen, nämlich dann, wenn solche Wirkschwellen über- oder unterschritten werden.

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I. Grundlagen der Marketingkommunikation

Der Erfolg der eigenen Marketingaktivitäten wird immer auch vom Wettbewerb beeinflusst. Insofern ist zusätzlich auch die Relation zum Konkurrenzumfeld einzubeziehen. Die mangelnde Abgrenzung des Effekts eigener Aktivitäten zu den autonomen Aktivitäten des Wettbewerbs erschwert eine zielgerichtete Marketingsteuerung. Ebenso ist ein Erfolg nur ungenügend gegenüber autonomen Verhaltensänderungen der Nachfrager abzugrenzen. Trends (z. B. Paradigmawechsel) schlagen vielmehr voll durch.

2. Marketingkommunikationskanäle Für den Transport der kommunikativen Botschaft zu den Zielpersonen stehen verschiedene Mediengruppen (2.1) zur Verfügung, die in der Werbestatistik auch entsprechend ausgewiesen werden (2.2). Früher konzentrierte sich die Transportkapazität auf die Medien der Klassischen Werbung in Form von Anzeigen in Zeitungen, Zeitschriften und sonstigen Printtiteln, von Spots in Fernsehen, Hörfunk und Kino sowie von Außenwerbung stationär, mobil und in Sonderformen. Nachdem im Zuge des wirtschaftlichen Aufschwungs dort aber einerseits nennenswerte Kapazitätsgrenzen, andererseits aber auch Reaktanzen in der Aufnahmewilligkeit der Zielpersonen erreicht wurden, wurden neue Ansprachekanäle gesucht und gefunden. Die Nicht-klassischen Instrumente gewannen erheblich an Bedeutung und tragen heute die Mehrzahl der Last in der Kommunikationslogistik. Dabei handelt es sich um Öffentlichkeitsarbeit, Schauwerbung und Dialogwerbung sowie Informationsliteratur, Verkaufsförderung, Katalog und Persönliche Kommunikation. In neuester Zeit hat sich zwischen Klassischer Werbung und Nicht-klassischer Kommunikation die Internet-Kommunikation (OMD für Online, Mobile, Digital) zu erheblicher Bedeutung entwickelt. Sie vereint Elemente Klassischer Werbung mit denen Nicht-Klassischer Instrumente. Diese Mediengruppen sollten untereinander verglichen werden (2.3). Dabei sind jeweils verschiedene Akteure am Kommunikationsmarkt aktiv (2.4).

2.1 Mediengruppen Im Wesentlichen lassen sich drei Gruppen von Kommunikationskanälen unterteilen: • Klassische Werbung (auch Above the Line-Advertising) umfasst Mediawerbe­ mittel (Kapitel 10. + 11.) in den Gattungen Print, Elektronik und Außenwerbung. • Internet-Kommunikation (Kapitel 12.–14.) umfasst im Einzelnen Online-Werbung, Social Media-Kommunikation und Mobile-Kommunikation (man spricht auch von On the Line-Advertising). • Nicht-klassische Kommunikation (auch Below the Line-Advertising) setzt sich aus Basisinstrumenten und Zusatzinstrumenten zusammen. Bei den Basisinstrumenten handelt es sich um Öffentlichkeitsarbeit (Kapitel 15., Public Relations / PR), Schauwerbung (Kapitel 16., auch Live Communications) und Dialogwerbung (Kapitel 17., auch Direct Response Advertising). Bei den Zusatzinstrumenten handelt

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I. Grundlagen der Marketingkommunikation

es sich um Informationsliteratur (Kapitel 18.), Verkaufsförderung (Kapitel 19., Sales promotions), Katalog (Kapitel 20.), Persönliche Kommunikation (Kapitel 21.) und Produktausstattung (Kapitel 22.). Dieser Unterscheidung liegt einerseits ihre historische Entwicklung zugrunde, andererseits ihre Preisberechnung. Bei den Klassischen Werbemitteln handelt es sich um die zuerst entstandenen. Erst als diese allein als nicht mehr ausreichend angesehen wurden, hinreichende werbliche Wirkungen zu erreichen, kamen später die Nicht-klassischen Instrumente hinzu. Im Zuge des Wirtschaftswunders war es zu einem starken Anstieg der Werbeaufwendungen gekommen und in den Zielgruppen regte sich zunehmend Widerstand gegen einen als Übermaß empfundenen Handlungsdruck. Dies führte zur bewussten Vermeidung von Werbung, worauf die werbungtreibende Wirtschaft mit einer weiteren Steigerung des Werbeaufwands reagierte, was aber nur zu verstärkter Reaktanz führte. Daher wurde zusätzlich zu den bereits genutzten Mediagattungen Print, Elektronik und Plakat, heute die Klassischen Medien, die erkennbar an ihre Wirksamkeitsgrenzen gelangten, nach weiteren Wegen gesucht, Zielpersonen werblich zu erreichen. Dazu wurden die seither nur peripher genutzten, heute nicht-klassisch genannten Medien intensiviert. Und zwar einerseits im Budgetniveau ihres Einsatzes, aber andererseits auch in der Tiefendifferenzierung ihrer Ausprägungen. Dabei können mehrere „Wellen“ beobachtet werden und immer wenn eine Mediagattung wieder an ihre Reaktanzgrenzen stieß, wurde eine andere aktiviert, so dass heute Werbung alle Lebensbereiche durchdringt, man ihr kaum mehr ausweichen kann (z. B. durch Adblocker am PC) und sie unverzichtbarer wirtschaftlicher Träger vieler alltäglichen Lebensbereiche geworden ist (z. B. Sportsponsoring). Insofern entsteht eine Ambivalenz, einerseits weiß man, dass ohne Werbung vielfältige Informationsund Unterhaltungsangebote, ja sogar lebensnotwendige Bereiche, nicht möglich wären, anderseits nervt sie, weil sie penetrant stört. Der Anteil nicht-klassischer Werbemittel an den gesamten Werbeaufwendungen steigt kontinuierlich an. Nur zwei Generationen zurück wurden praktisch 95 % der Werbeaufwendungen nur im klassischen Bereich angesiedelt. 5 % waren dann vornehmlich für Verkaufsförderungsmaßnahmen und weitere Aktivitäten vorgesehen. Daher kommt auch der Begriff „Below the Line“, denn beim Budget wurde ein Additionsstrich nach Verplanung aller klassischen Werbemittel gezogen. Diese Medien waren „Above the Line“. Unterhalb des Strichs / Below the Line wurden dann Nicht-klassische Werbemittel dotiert. Alle anderen Erklärungen der Begriffe, die häufiger zu lesen sind, sind hinstorisch unzutreffend. Heute schätzt man den Anteil nicht-klassischer Werbemittel an den gesamten Werbeaufwendungen auf ca. 55 %, aus einer eher marginalen Mediengattung ist infolge limitierender Wahrnehmungsbedingungen in der Summe der Medien die dominante Gattung geworden, und das mit weiter steigender Tendenz. Schätzbar ist dieser Anteil nur, weil den Below the Line-Maßnahmen keine Preislisten, sondern Einzelkalkulationen zugrunde liegen, die extern nur begrenzt nachvollzieh-

2. Marketingkommunikationskanäle

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bar sind. Dennoch werden klassische Medien auch in Zukunft, vor allem für den Markenaufbau, unverzichtbar bleiben. Allerdings folgt aus der Vielzahl und Verschiedenartigkeit dieser Medien die Erfordernis zu deren integrierter Abstimmung. Eine gewisse Sonderstellung nehmen Online-Medien ein. Sie vereinen Merkmale klassischer wie nicht-klassischer Werbemittel und gewinnen rasant an Bedeutung. Für den Kampagnenaufbau sind Online-Medien zwar nicht unbeschränkt zu empfehlen. Allerdings gibt es genügend Kampagnen, die nur auf Internet-Kommunikation basieren, zu denken ist an Jugendliche und junge, vornehmlich männliche, Erwachsene als Zielgruppe, Großstädter, besser Ausgebildete und Verdienende. Für Produkte / Marken, die sich an diese Zielgruppe wenden, sind Online-Medien präferenziell angezeigt. Das individuell zur Verfügung stehende Budget ist daher zunächst danach aufzuteilen, welcher Anteil für Klassische und welcher für Nicht-klassische Werbemittel eingesetzt werden soll. Gelegentlich sind diese Bereiche zwar noch getrennt budgetiert, zunehmend löst jedoch die Problemorientierung die Medienorientierung bei Werbungtreibenden ab. Dabei wird vielmehr ein Problem definiert, etwa Produktneueinführung, Relaunch oder Line Extension, und insgesamt mit Geldmitteln dotiert. Für welche Bereiche diese Geldmittel dann eingesetzt werden, sollte sich an der komparativen Leistungsfähigkeit der einzelnen Medien für die Zielerreichung bemessen und nicht an abstrakt vorgegebenen Budgetgrenzen für einzelne Gattungen. Weit verbreitete Vorgaben in der Wirtschaftspraxis haben daher als untauglich zu gelten. Praktisch keine Kampagne kann mehr allein auf Klassische oder Nicht-klassischer Werbung basieren, sondern erfordert einen Mix dieser Kommunikationsinstrumente. Dabei geht es nur um eine grobe Zuweisung der Geldmittel zu diesen beiden Bereichen. Die Feinsteuerung erfolgt erst bei der Realisation. Trotz des starken Trends zu Nicht-klassischen Werbemitteln muss betont werden, dass der Aufbau und Erhalt von Markenartikeln als wesentliche Voraussetzung für Marketing-Kommunikation auf absehbare Zukunft tatsächlich wohl nur durch den Einsatz Klassischer Werbemittel möglich ist.

2.2 Werbestatistik Um einen Überblick über die Situation der Mediengruppen zu erhalten, ist es hilfreich, die Werbestatistik zurate zu ziehen. Die zur Verfügung stehenden Angaben sind wegen der Vielfalt der Werbemittel und Kommunikationsinstrumente allerdings wenig belastbar. Den besten Überblick bietet noch der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft / ZAW. Für 2018 ergeben sich dort folgende Daten, wobei die Aufteilung der Angaben leicht verändert der Struktur dieses Bandes angepasst wurden. Dabei ergibt sich Folgendes (alle Daten lt. ZAW Werbung 2019/ Aufteilungen gegenüber der Vorlage leicht verändert und angepasst).

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I. Grundlagen der Marketingkommunikation

Die Werbeinvestitionen betrugen 2018: 36,01 Mrd. €. Davon entfielen auf • Klassische Werbung: • Online / Mobile / Digital:

14,06 Mrd. € = rd. 39 %, 5,55 Mrd. € = rd. 15 %

• Nicht-klassische Instrumente: 16,40 Mrd. € = rd. 46 %. Die Klassische Werbung teilt sich wiederum wie folgt auf (Rundungsdifferenzen): • Zeitung / Supplement

2,44 Mrd. € = 17 %,

• Publikumszeitschrift:

0,92 Mrd. € = 7 %,

• Fachzeitschriften:

1,69 Mrd. € = 12 %,

• Anzeigenblätter:

1,72 Mrd. € = 12 %,

• Verzeichnismedien: 0,74 Mrd. € = 5 % (enthält auch Anteile digitaler Werbung), • Fernsehen

4,58 Mrd. € = 32 %,

• Hörfunk:

0,79 Mrd. € = 6 %,

• Kino:

0,08 Mrd. € = 1 %,

• Außenwerbung / Lichtwerbung: 1,20 Mrd. € = 8 %. Die Angaben zur Klassischen Werbung sind infolge der Nielsen-Statistik recht gut belastbar. Die Anteile bei Online / Mobile / Digital lauten wie folgt: • Keyword Advertising

3,79 Mrd. € = 68 %,

• Banner Ads

1,76 Mrd. € = 32 %.

Sonstige OMD-Formen sind derzeit nicht erfassbar, insofern bestehen erhebliche Unschärfen infolge der Diversität der Erscheinungsformen moderner OMDKanäle. Vor allem liegen hier variable, erfolgsabhängige Abrechnungsformen vor, die schwer bis gar nicht nachvollziehbar sind. Nicht-klassische Instrumente teilen sich wie folgt auf: • Sponsoring

4,96 Mrd. € = 30 %,

• Direct Mailing

2,97 Mrd. € = 18 %,

• Kataloge / Werbedrucke

4,45 Mrd. € = 27 %,

• Werbeartikel

3,58 Mrd. € = 22 %.

Sonstige Basis- und Zusatzinstrumente sind nicht erfassbar, insofern bestehen auch hier erhebliche Unschärfen infolge der Diversität der Erscheinungsformen Nicht-klassischer Instrumente. Viele Daten werden schlichtweg nicht veröffentlicht, viele Werte werden aber auch abweichend zugeordnet oder unterliegen unüblichen Abrechnungsformen.

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2. Marketingkommunikationskanäle

Legt man den Split innerhalb der drei Gruppen auf die einzelnen Ansprache­ kanäle um, so ergeben sich folgende Werte (ausgehend von 36,01 Mrd. €, mit Rundungsdifferenzen): • Zeitung / Supplement

7 %,

• Fernsehen

• Publikumszeitschrift

3 %,

• Hörfunk

• Fachzeitschriften

5 %,

• Anzeigenblätter

5 %,

• Kino

0,2 %,

• Verzeichnismedien

2 %,

(Spots total:

15 %)

(Anzeigen total:

22 %)

• Online / Mobile / Digital

15 %

• Direct Mailing

• Außenwerbung

13 %, 2 %,

3 %.

8 %

• Kataloge / Werbedrucke

12 %

• Werbeartikel

10 %

Im internationalen Vergleich stellt Deutschland damit den fünftgrößten Werbemarkt dar. Größter Werbemarkt sind die USA, dominante Mediagattungen Internet und TV, vor China, dominant Internet, Japan, dominant TV, und Großbritannien, dominant Internet. Nach Deutschland, dominant Internet und TV, folgen Frankreich, Brasilien, Australien, Kanada, Russland, Südkorea, Italien, Indien, Indonesien, Argentinien, Spanien, Hongkong, Mexiko, Niederlande, Schweiz. Die Aussagefähigkeit dieser Angaben ist jedoch sehr begrenzt, da abweichende Medienzuordnungen erfolgen, unterschiedliche Abrechnungen und auch Erfassungszeiträume vorliegen (alle Angaben ZAW, Status 2018). Dabei sind die Mediaschwerpunkte recht unterschiedlich verteilt. In USA, Großbritannien, Niederlande, Schweiz, Australien, Russland und China dominiert Internet. In Brasilien, Mexiko, Portugal Fernsehen, Hörfunk spielt in Kanada eine große Rolle, Plakat in China, Japan und Hongkong sowie Kino in Südkorea. Schwach ist Internet in Österreich, Portugal, Indien und Hongkong, Fernsehen in Schweiz, Niederlande und Großbritannien, Hörfunk in Südkorea, Brasilien, Japan sowie Kino in Hongkong, Kanada und Japan. Deutschland gilt dabei traditionell als das Printwerbeland schlechthin. Getrieben werden die Werbeaufwendungen vor allem von den großen Konsumgüterkonzernen (FMCG). Größte Werbungtreibende auf Basis der Klassischen Werbung waren in Deutschland 2018: • Procter & Gamble 1.008 Mio. €, Ferrero 477,3, L’Oréal 347,7, Lidl 318,4, Amazon 309,0, Media-Saturn 282,7, Telekom 274,3, Sky 262,9, Volkswagen 262,8, Kaufland 244,6, Beiersdorf 200,2, Dr. Oetker 189,5, Rewe 188,9, Telefonica / ​ O2 188,2, Edeka 185,4, McDonald’s 184,9, Coca-Cola 183,9, Reckitt-Bencki­ ser 182,7, Check24 172,0, Adam Opel 170,8, Tipico 162,7, Samsung 149,0, Seat 150,8, Unilever 145,1, Daimler 143,6.

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I. Grundlagen der Marketingkommunikation

Nicht erfasst werden die Instrumente der Nicht-klassischen Kommunikation, da diese sich einer Inventur weitgehend entziehen. Insofern kann nur äußerst unvollkommen auf die Werbebudgets der entsprechenden Unternehmen hochgerechnet werden. Allerdings werden die Daten für jede Marke im Unternehmensportfolio getrennt erfasst und im Mediensplit ausgewiesen. Diese Zahlen sagen insofern nichts über das absolute Kommunikationsbudget der Unternehmen und ihrer Marken, denn die Angaben zu Nicht-klassischen Instrumente fehlen. Deren Anteil weicht je nach Branche bzw. Produktgruppe erheblich voneinander ab, so dass das Rating sich dann anders darstellen dürfte. Dennoch kann zumindest ein guter Eindruck der Situation gewonnen werden.

2.3 Intermediavergleich Der Intermediavergleich befasst sich mit der Beantwortung der Frage, welche Mediagattung unter den gegebenen Rahmenbedingungen am besten zur Erfüllung einer werblichen Aufgabe geeignet ist. 2.3.1 Vergleich der klassischen Medien Für die Beurteilung der klassischen Werbung sind vor allem die nachfolgenden Kriterien heranzuziehen: • Markenprofilierung für Schaffung und Erhalt eines Markenwerts (Marke) (ökonomisch / reaktiv), Zielgruppen sind private und gewerbliche Endabnehmer, Zwischenabnehmer, jegliche Anspruchsgruppen, • Vertrauensbasis durch Schaffung und Erhalt des Absenderimage (Hersteller) (vorökonomisch / reaktiv), Zielgruppen sind alle Anspruchsgruppen in Beschaffung, Produktion, Absatz, Marktumfeld, Medien, • Absatzförderung für die punktuelle Aktivierung zur Transaktion (ökonomisch / interaktiv), Zielgruppen sind Verkaufsmitarbeiter, Zwischenabnehmer, private und gewerbliche Endabnehmer, • Beziehungspflege mittels Schaffung und Erhalt einer nachhaltigen Beziehungsbrücke zwischen Anbieter und Abnehmer (vorökonomisch / interaktiv), Zielgruppen sind alle Anspruchsgruppen als Transaktionspartner, • Gestaltungs- und Ausdrucksmöglichkeiten, gegeben durch Parameter wie Format, Platz, Länge, Farbigkeit, Wiedergabequalität etc., • Aufnahmesituation als statuarisches (autonom wiederholbarer Kontakt wie z. B. bei Zeitschriftenanzeige)  oder transitorisches Medium (fremd vorgegebener Kontakt wie z. B. TV-Spot),

2. Marketingkommunikationskanäle

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• Penetrationskraft, gegeben durch Einwirkungskraft auf Nutzer (Leser, Seher, Hörer) zur Interesseweckung und Überzeugung, • Kostenhöhe absolut, bestehend aus den marktwirksamen Schaltkosten und internen, häufig absolut hohen Vorkosten, • Raumsteuerbarkeit zur Anpassung der Ausdeckung an das Verfügbarkeitsgebiet einer Sach- oder Dienstleistung, • Zeitsteuerbarkeit zur Anpassung der Ausdeckung an Nachfrageschwankungen für eine Sach- oder Dienstleistung. Zur Klassischen Werbung gehören die Mediagattungen Print, Elektronik und Außenwerbung. Diese werden seit jeher als „klassisch“ (modern: Above the Line)  bezeichnet, weil sie auf Tarifpreisen (Preisliste)  beruhen, die wiederum 15 % AE-Provision eingerechnet haben. Darin unterscheiden sie sich von Nichtklassischer Werbung, die auf Einzelkalkulation beruht und durch 17,65 % Service Fee-Aufschlag abgegolten wird. Die AE-Provision wird von den Werbungdurchführenden, also Verlagen, Sendern und Pächtern, an die Werbungsmittler / Agenturen vergütet als Gegenleistung für deren Vermittlung von Anzeigen-, Spot- und Plakatplatzierungen. Zwischenzeitlich wird diese Provision allerdings mehr oder minder umfangreich von den Werbungsmittlern an die Werbungtreibenden (Unternehmen / Organisation) rückvergütet, die dadurch ihre Streukosten auf bis zu 85 % des offiziellen Tarifpreises drücken können. Insofern entsteht ein hohes Maß an Intransparenz in den vorher sehr gut strukturierten Prozessen. Denn wiederum steht zu vermuten, dass Empfehlungen der Agentur sich zumindest nicht nur an objektiven Ergebnissen orientieren, sondern zumindest auch am Ausmaß evtl. erhaltener und womöglich verborgen gehaltener Entgelte der Verlage, Sender und Pächter.

2.3.2 Vergleich der Online-Medien Internet-Kommunikation ist im Wesentlichen durch folgende Merkmale charakterisiert: • Interaktivität umschreibt die Fähigkeit zur wechselseitigen Kommunikation zwischen Sender und Empfänger und damit die grundsätzliche Dialog- bzw. Rückkopplungsfähigkeit. Möglich sind sowohl persönliche Dialoge zwischen zwei oder mehreren Nutzern über das Medium als auch Interaktionen mit dem Medium selbst. Dadurch ergibt sich die Möglichkeit des aktiven und individuellen Gestaltens des Kommunikationsprozesses durch den Nutzer bzw. Empfänger unabhängig von vorgegebenen Ablaufmustern. • Multifunktionalität kennzeichnet die Fähigkeit, je nach Situation unterschiedliche Kommunikationsformen über das Medium abzuwickeln. Die Möglichkei-

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I. Grundlagen der Marketingkommunikation

ten reichen optional von den verschiedenen Arten der Individualkommunikation (bilateral / multilateral, synchron / asynchron, linear / nicht-linear) bis zur Massenkommunikation mit gleichem Informationsangebot für alle. • Aktualität, denn Informationen lassen sich über prinzipiell unbegrenzte Distanzen und unabhängig von der zeitlichen Präsenz eines Kommunikationspartners übermitteln und abfragen. Informationen sind damit jederzeit an beliebigen Orten verfügbar. • Digitalisierung erfolgt mit Zugriff auf eine Fülle von Daten und Programmen, die auf Rechnersystemen abgelegt sind, wodurch ein bisher unbekanntes Informationspotenzial entsteht. Dies wird erst durch die Darstellung der Daten in digitaler Form machbar. • Individualität durch modularisierte Nachrichten und Informationen, auch personalisiert, diese werden aus vorgefertigten Modulen variabel und flexibel zusammengestellt bzw. abgerufen und schaffen damit eine punktgenaue Ansprachemöglichkeit. • Ubiquität, denn durch die grundsätzlich unbegrenzte Sende- und Empfangsmöglichkeit ist prinzipiell ein Zugriff von Jedermann für Jedermann darstellbar. Dies bedeutet zwar eine technisch komplexe, zugleich aber für Nutzer einfache Kommunikationsform. • Einfachheit bedeutet, dass mächtige Kommunikationsinstrumente komfortabel genutzt werden können. Damit steht eine Breite und Tiefe an Informationen zur Verfügung, die vordem noch unfassbar schien. Dies eröffnet völlig neue Wege zur Ansprache. • Multioptionalität geht darauf zurück, dass die einzelnen Online-Medien einander in ihren Funktionalitäten zunehmend überlappen, so dass mehrere Kommunikationsziele nicht mehr auch mehrere Ansprachewege erfordern, sondern jedes Medium in sich infolge immer leistungsfähigerer Technik eine Vielfalt von Einsatzmöglichkeiten eröffnet. • Non-Linearität hat zur Konsequenz, dass nicht mehr das Medium bestimmt, wann, wo und wie Informationen konsumiert werden, sondern die Rezipienten. Inhalte sind somit auf Vorrat, ubiquitär und endgeräteneutral verfügbar. Als generischer Vorteil von Online-Medien ist die Messbarkeit des Werbemittelkontakts anzuführen. Damit ist es erstmals prinzipiell möglich, nicht mehr auf das Prinzip Hoffnung der Werbeträger- bzw. Werbemittelkontaktchance zu setzen, das angesichts einer zunehmenden Informationsüberfrachtung zudem auch immer geringer wird, sondern nur tatsächlich stattgefundene Werbemittelkontakte an Werbungsmittler zu buchen und zu bezahlen. Über diesen offensichtlichen, quantitativen Vorteil wird aber weithin vergessen, dass die Qualität des erreichbaren Werbemittelkontakts, wie aus den Interaktionsdaten ablesbar, weit überwiegend als sehr gering einzuschätzen ist. Dies hängt vor allem mit der Schnelllebigkeit

2. Marketingkommunikationskanäle

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dieser Medien zusammen, die wenig Muße zur Beschäftigung mit Werbebotschaften bieten und Werbung generell, wie in anderen Medien auch, überwiegend als störend empfinden. Insofern ist die Euphorie über diese neuen Kanäle zu dämpfen. Dies wird auch begünstigt durch die scheinbar vorteilhafte, einseitige Preisfixierung in der Kampagnenplanung, die Aspekte der Kontaktqualität vernachlässigt.

2.3.3 Vergleich der nicht-klassischen Medien Es gibt eine ganze Reihe sehr unterschiedlicher Medien der Nicht-klassischen Kommunikation als Öffentlichkeitsarbeit, Schauwerbung, Dialogwerbung sowie Produktausstattung, Verkaufsförderung, Katalog, Informationsliteratur, Persönliche Kommunikation. Analog zur Auswahl der Medien der Klassischen Werbung stellt sich daher auch hier, bei begrenzten Ressourcen, die Frage nach der Auswahl im Intermediavergleich. Dazu bietet es sich wiederum an, Beurteilungskriterien zur Charakterisierung jeder Form zugrunde zu legen. Dabei kann es sich etwa um folgende handeln: • Das Kriterium Produktvorteile meint, inwieweit ein Medium in der Lage ist, die spezifischen Vorteile eines Angebots darzustellen und auszuleben. Dies ist auch wichtig für seine Eignung zur Positionierung eines Angebots. • Das Kriterium Interaktivität meint, ob das Medium eine Zweiwegkommunikation erlaubt oder nur eine Einwegkommunikation zulässt. Dabei wird unterstellt, dass eine Zweiwegkommunikation per se wirkungsvoller ist. • Das Kriterium der multisensorischen Ansprache meint, ob das betreffende Medium parallel mehr als einen Wahrnehmungssinn anzusprechen in der Lage ist oder nicht. Dabei wird unterstellt, dass die parallele Ansprache mehrerer Wahrnehmungssinne wirkungsvoller ist. • Das Kriterium Verbindung zum Kaufentscheid meint, wie nahe das Medium sachlich, formal, räumlich und zeitlich einem Kaufentscheid zugunsten des beworbenen Produkts ist. Je näher, als desto wirkungsvoller wird es eingeschätzt. • Das Kriterium der Emotionalität im Umfeld bezieht sich darauf, inwieweit ein Medium eine erlebnisorientierte Gestaltung der Werbebotschaft zulässt oder nicht. Je emotionaler das Umfeld ist, als desto besser wird ein Medium eingeschätzt. • Das Kriterium der Gestaltungsfläche/-zeit bezieht sich auf die Menge der in einem Medium einsetzbaren Informationen und Gefühle. Je freigiebiger dieser Rahmen gesteckt ist, desto besser kann er für eine wirkungsvolle Werbung genutzt werden. • Das Kriterium der Zwangsläufigkeit des Kontakts erfasst, in welchem Maße es möglich ist, das Medium bewusst zu vermeiden oder in welchem Maße es geradezu unausweichlich ist. Je weniger man ihm ausweichen kann, desto besser.

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I. Grundlagen der Marketingkommunikation

• Das Kriterium der Zielgruppensteuerbarkeit/-ausschöpfung bezieht sich auf die Zielung des Mediums auf eine abgegrenzte Zielgruppe. Je besser die Zielung und je weiter die Abdeckung, als desto besser ist das Medium generell einzuschätzen. • Das Kriterium der Flexibilität im Einsatz bezieht sich auf die Verfügbarkeit des Mediums für den werblichen Einsatz. Je mehr Freiheitsgrade die Einsatzgestaltung dabei erlaubt, als desto besser wird es insofern angesehen. • Das Kriterium der Demonstration zielt auf die Möglichkeit eines Mediums ab, ein Produkt bzw. seine Vorteile „begreifbar“ zu machen (Hands on Experience). Je unmittelbarer dieses Demonstrationserlebnis möglich ist, desto besser. • Das Kriterium der Aktualität / Reagibilität bezieht sich auf die Fähigkeit eines Mediums, auf aktuelle Entwicklungen flexibel einzugehen. Dies hängt vor allem von den Vorlaufzeiten des Einsatzes ab, je kürzer diese sind, desto besser. • Das Kriterium des Vorverkaufs bezieht sich nicht auf die Endabnehmer eines Angebots, sondern auf die Mittler im Absatzkanal. Es ist zu prüfen, inwieweit ein Medium speziell zur Ansprache dieser Absatzmittler in der Lage ist oder nicht. Geht man diese Kriterien durch, kann man die nicht-klassischen Medien hinsichtlich jedes dieser Kriterien beurteilen. Naturgemäß ist eine solche Beurteilung kaum generalisierbar, sondern von den konkreten Umständen des Einzelfalls, also Sachleistung, Dienstleistung, Konsumgut, Industriegut, Sozialgut, abhängig und immer subjektiv.

2.4 Akteure Für die Marketingkommunikation bedarf es des komplexen Zusammenwirkens verschiedener Akteure in der „Werbeindustrie“. Dabei sind vier große Gruppen zu unterscheiden, Werbungtreibende, Werbungdurchführende, Werbungsmittler, Service Provider. Werbungtreibende bieten Sach- und Dienstleistungen im Privat- oder Gewerbekundengeschäft, national und international an und stellen dafür Kommunikationsbudgets zur Verfügung. Sie wählen Mediagattungen, Werbeträger, Werbemittel und Platzierungen aus oder lassen sich dabei durch Servicers beraten. Die größten Werbungtreibenden stammen aus dem Konsumgüterbereich, meist mit FMCGs, da dort breite, disperse Zielgruppen gegeben sind. Seit geraumer Zeit treten Internet-Unternehmen als Offline-Werbungtreibende auf den Plan. Je nach Branche können die Werbeaufwendungen erhebliche, steigende Anteile am Verkaufspreis ausmachen. Insofern verteuert Werbung die Waren tendenziell, schafft aber im positiven Fall zugleich die Preisakzeptanz dafür. Werbungdurchführende (modern: Publisher) organisieren die Schaltung der Werbung auf eigenen Werbeträgern mit unterschiedlichen Werbemitteln, im Regelfall gegen direktes Entgelt. Hierbei handelt es sich vor allem um

2. Marketingkommunikationskanäle

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• öffentlich-rechtliche und privat-wirtschaftliche Sender im Fernsehen und Hörfunk, • Printverlage für Zeitschriften, Zeitungen, sonstige Printtitel u. Ä., • Pächter von Filmtheatern / Kino und Außenwerbungsmedien / Plakat, die sich in privater oder öffentlicher Hand befinden, • Online-Verlage, sie liefern werbeunterstützten / Paid Content an und erhöhen dadurch die Attraktivität der Nutzung, • Social Media-Plattformen im Web 2.0, also Social Networks, Plattformen für Weblogs, Filehostings, Communicatings, Aggregation, Social Commerce, sofern diese gewerbsmäßig agieren, • Suchmaschinenbetreiber, die für Optimierung der Ergebnissuche und finanzierende Werbeschaltung zugänglich sind. Werbungsmittler, gemeinhin als Agenturen bezeichnet, übernehmen, je nach Geschäftsmodell, die Konzeption, Entwicklung, Planung, Beschaffung und Abwicklung der Werbeeinschaltungen. Sie sind vielfach spezialisiert und treten auf als • Marketingagenturen mit Fokus auf der Analyse und Konzeption einer Marketingkommunikations-Strategie, • Kreativagenturen für die Entwicklung der bildlichen, textlichen oder sonstigen Gestaltung von Werbemitteln, • Mediaplanungsagenturen nur für die Planung / Optimierung von Werbeplätzen bei Werbungdurchführenden, • Mediaeinkaufsagenturen nur für Einkauf / Trading von Werbeplätzen bei Werbungdurchführenden. Werbe-Servicers stellen spezialisierte Dienstleistungen bereit, die im Umfeld des Werbeeinsatzes („Ökosystem“ / Infrastruktur) benötigt werden. Dabei handelt es sich etwa um folgende: • Online tool-Anbieter, etwa für Web metrics oder Traffic-Analyse, sie schaffen Transparenz über die Wirkung / den Erfolg von Online-Werbemitteln und -Werbe­ trägern, • Displaynetzwerke für Affiliations, sie monetarisieren Online-Präsenzen für die Banner-Werbung Dritter, • Data Management-Plattformen für Programmatic Advertising (DSP / SSP), sie führen automatische Buchungen / M-t-m nach festgelegten Algorithmen / KI durch, • Adresshändler für E-Mail-Newsletters, die autorisierte Zieladressen verkaufen, meist aber nur zur einmaligen Nutzung verpachten, • Adresshändler für Direktaussendungen, die eigenrecherchierte, aufgekaufte oder vermittelte Adressbestände verkaufen, meist aber nur zur einmaligen Nutzung verpachten, die Rückläufer gehören dann dem Auftraggeber,

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• Datennetzwerke für die Sammlung, Strukturierung, Veredelung und Segmentierung von Daten / Big Data, • Influencer als Meinungsbildner / Opinion Leader vor allem im Viralmarketing, • Marktplatz-Betreiber für E-Commerce verschiedenster Art, die sich teils oder ganz aus Werbeplatzierungen finanzieren, • Plattform-Betreiber für Social Commerce verschiedenster Art, die sich teils oder ganz aus Werbeplatzierungen finanzieren, • Mobilkommunikations-Anbieter mit Netz als Befähiger / Enablers und Content als Ergebnisse / Results, letztere stellen Information und / oder Unterhaltung zur Verfügung, • App-Anbieter für die komfortable Nutzung von Mobile Content, • Design-Agenturen zur Gestaltung des Produkt-, Marken- und Firmenauftritts. Weiterhin kommen Spezialanbieter hinzu wie Eventveranstalter, SponsoringAgenturen, PR-Agenturen, Ausstellungs-Servicer, Packungsgestalter, PromotionsOrganisatoren, Druckereibetriebe, Fotografie- / Video- / TV-Studios, Tonstudios, Pressebüros, Bildarchive, Musikverlage etc. Literaturhinweise Bruhn, Manfred: Unternehmens- und Marketingkommunikation, 3. Auflage, München 2014 Bruhn, Manfred: Kommunikationspolitik, 9. Auflage, München 2018 Bruhn, Manfred: Marketing, 14. Auflage, Wiesbaden 2019 Busch, Rainer / Fuchs, Wolfgang / Unger, Fritz: Integratives Marketing, 4. Auflage, Wiesbaden 2008 Fill, Chris: Marketing-Kommunikation, München 2001 Heun, Thomas: Werbung, Wiesbaden 2017 Hofbauer, Günter / Hohenleitner, Christina: Erfolgreiche Marketing-Kommunikation, München 2005 Huth, Rupert / Pflaum, Dieter: Einführung in die Werbelehre, 7. Auflage, Stuttgart u. a. 2005 Khabyuk, Olexiy: Kommunikationsmodelle, Stuttgart 2018 Kloss, Ingomar: Werbung, 5. Auflage, München 2012 Kotler, Philip / Armstrong, Gary / Harris, Lloyd C. / Piercy, Nigel: Grundlagen des Marketing, 7. Auflage, Hallbergmoos 2019 Meffert, Heribert / Burmann, Christoph / Kirchgeorg, Manfred / Eisenbeiß, Maik: Marketing, 13. Auflage, Wiesbaden 2018

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Pepels, Werner: Kommunikations-Management, Stuttgart 1994 Pepels, Werner: Einführung in die Kommunikationspolitik, Stuttgart 1997 Pepels, Werner: Marketingkommunikation, 2. Auflage, Konstanz / München 2011 Redler, Jörn: Grundzüge des Marketing, 2. Auflage, Berlin 2019 Rogge, Hans Jürgen: Werbung, 6. Auflage, Ludwigshafen 2004 Runia, Peter / Wahl, Frank / Geyer, Olaf / T hewißen, Christian: Marketing, 5. Auflage, München / Wien 2019 Schneider, Karl (Hrsg.): Werbung in Theorie und Praxis, 6. Auflage, Waiblingen 2003 Schnettler, Josef / Wendt, Gero: Kommunikationspolitik, 4. Auflage, Berlin 2015 Schweiger, Günter / Schrattenecker, Gertraud: Werbung, 9. Auflage, Stuttgart 2016 Tropp, Jörg: Moderne Marketing-Kommunikation, 3. Auflage, Wiesbaden 2019 Unger, Fritz / Fuchs, Wolfgang / Michel, Burkard: Management der Marktkommunikation, 6. Auflage, Heidelberg 2012

II. Steuerung der Marketingkommunikation 3. Kommunikationsrahmen In diesem Kapitel geht es um zentrale Elemente jedes Kommunikationsmanagements, vor allem um die Darstellung des Angebotsumfelds, dem man sich in seinen Bemühungen gegenüber sieht (3.1), die Segmentierung des Marktes, der bearbeitet werden soll (3.2), die Marktstrategie in ihren Basiszügen (3.3), die Bedeutung des Markenartikels (3.4) und die Kaufverhaltenseinflüsse im B-t-c- und B-t-b-Markt (3.5/3.6). Im Folgenden finden sich dazu deutlich vertiefte Ausführungen.

3.1 Darstellung des Angebotsumfelds Um eine Kampagnenentwicklung erfolgversprechend bearbeiten zu können, ist es dringend erforderlich, dass sich Verantwortliche mit dem Umfeld des zu bewerbenden Angebots intensiv auseinandersetzen und bestens auskennen. Dabei geht es zunächst um die Erkenntnisse aus dem Markt (3.1.1), eine Transparenz über das Wettbewerbsumfeld (3.1.2) sowie direkte und indirekte Abnehmer (3.1.3). Weiterhin sind die vorzufindenden Kommunikationsgegebenheiten relevant (3.1.4) sowie die Analyse des zu bewerbenden Angebots (3.1.5) (siehe Abbildung II/17: Angebotsumfeld). Diese Inhalte werden im Folgenden konkretisiert.

Eigenes Angebot

Abbildung II/17: Angebotsumfeld

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II. Steuerung der Marketingkommunikation

3.1.1 Markt Branchen, Märkte und Produkte unterliegen zyklischen Veränderungen im Zeitablauf. Der Marktlebenszyklus betrachtet die Ergebnisentwicklung in Abhängigkeit vom Zeitablauf, wobei idealtypisch eine Normalverteilungskurve als Gaußsche Glockenkurve unterstellt wird. Es handelt sich also um ein zeitbezogenes Marktreaktionsmodell. Betrachtungsobjekt können eine Branche (Marktlebenszyklus) oder ein Produkt (Produktlebenszyklus) sein. In Bezug auf den Marktlebenszyklus entsteht folgende Einteilung in Phasen, die bereits typische Bestimmungsgrößen für Strategien enthalten (siehe Abbildung II/18: Marktlebenszyklusphasen).

Abbildung II/18: Marktlebenszyklusphasen (Quelle: eig. Darst.)

Zunächst ergibt sich die Vorbereitungsphase. Hier wird das Angebot noch nicht marktwirksam. Vielmehr arbeiten Anbieter an der Marktreifung ihrer Forschungsund Entwicklungsvorhaben. Erste Ankündigungen werden in den Medien lanciert. Für das Unternehmen laufen jedoch zuerst nur hohe Vorkosten auf. In der Innovationsphase erfolgt die Marktetablierung bzw. Produkt-(gruppen-) einführung. Das Marktwachstum ist sehr hoch, wenngleich auf kleiner Basis. Die Preiselastizität der Nachfrage ist gering und bietet die Chance zu Abschöpfungspreisen. Die Zahl der Konkurrenten bleibt niedrig, wenn es sich nicht sogar um ein temporäres Monopol handelt. Das Betriebsergebnis der Anbieter ist infolge der Vorkosten noch negativ (siehe Abbildung II/19: Merkmale der Innovationsphase).

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Abbildung II/19: Typische Merkmale der Innovationsphase

Die Nachfrager sind Innovatoren, die aus ihrem Selbstverständnis heraus immer das neueste haben wollen. Andere Anbieter müssen den Marktzugang erzwingen. Das Preisniveau ist hoch, um die Konsumentenrente abzuschöpfen, zum Teil gibt es jedoch auch niedrige Probierpreise als Penetrationsstrategie. Die Distribution ist selektiv, da Produktions- und Absatzkapazitäten erst noch sukzessiv aufgebaut werden. Die Werbung richtet sich vorwiegend an Meinungsbildner über die Special Interest-Presse, und den Handel zur Listungs- und Platzierungsunterstützung. Insgesamt sind die absatzpolitischen Aktivitäten als hoch anzusetzen. Der Markt ist durch Übernachfrage gekennzeichnet. Noch sind hohe Produktionskosten bei niedrigerem Standardisierungsgrad gegeben. Produkte werden in die Großserienreife überführt. Der Absatz erfolgt über spezialisierte Absatzkanäle. Es kommt zu intensiver Produktverbesserung durch Design- und Werkstoffwech-

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II. Steuerung der Marketingkommunikation

sel, mit der Folge hoher Forschungs- und Entwicklungskosten. Es besteht ein großes Innovationsrisiko. Trotz Abschöpfungspreispolitik bleiben kaum Gewinne. Die Strategie ist auf Marktanteilswachstum gerichtet. In der Penetrationsphase erfolgt eine weitere Marktentwicklung. Die Wachstumsrate des Marktes ist hoch, verläuft jedoch bald degressiv. Der Break-even-Punkt wird erreicht. Die Gewinne steigen stark an, zugleich steigen jedoch auch die Preiselastizität der Nachfrage und die Zahl der Konkurrenten. Dennoch wird erstmalig ein positiver Cashflow erreichbar (siehe Abbildung II/20: Merkmale der Penetrationsphase).

Abbildung II/20: Typische Merkmale der Penetrationsphase

Der Wettbewerb ist noch nicht intensiv. Als Käufergruppe kommen die Früh­ adopter in Betracht. Ziel der am Markt beteiligten Unternehmen muss eine bessere Marktdurchdringung oder Marktausweitung sein. Das Preisniveau ist hoch, da ausreichend Nachfrage vorhanden ist. Die Frühadopter stellen ein weitaus größeres Potenzial dar als die Innovatoren. Die Distribution wird im Zuge des Produkt­ erfolgs ausgeweitet. Die Kommunikation ist durch hohe Werbeanstrengungen ge-

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kennzeichnet. Durch die Pull-Strategie wird Nachfrage in den Handel gezogen, durch die Push-Strategie gleichzeitig Ware in den Absatzkanal hineingedrückt. Ziel ist es, ein Markenbewusstsein aufzubauen, um sich gegen spätere Mitbewerber profilieren zu können. Die Kapazitäten werden infolge starker Nachfrage überbelastet. Es entstehen hohe Produktionskosten, etwa durch Überstunden. Das Qualitätsniveau der Produkte ist latent gefährdet. Die Marketingkosten bleiben eher gering. In der Saturationsphase normalisiert sich die Wachstumsrate, und es kommt schließlich zur Stagnation. Die Gewinne erreichen ihr Maximum und verfallen danach infolge hoher Nachfrageelastizität und Wettbewerbsintensität. Der Mittelrückfluss erreicht durch Aufwandsbeschnitt auf Reinvestitionen und hohe Abschreibungen sein Maximum (siehe Abbildung II/21: Merkmale der Saturationsphase).

Abbildung II/21: Typische Merkmale der Satuartionsphase

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II. Steuerung der Marketingkommunikation

Es herrscht starker Wettbewerb. Als Käufer sind die frühe bzw. späte Mehrheit zu bezeichnen. Ziel ist die Durchsetzung gegenüber dem Mitbewerb und eine Marktanteilserhaltung. Das Preisniveau sinkt. Es werden zunehmend Zugeständnisse an den Handel erforderlich, da Hersteller oft auf einen hohen Distributionsgrad angewiesen sind. Die Werbeaufwendungen steigen, die Werbeaussagen sind implizit auf Diskriminierung des Mitbewerbs ausgerichtet. Hinzu kommen häufige Aktionen. Die absatzpolitischen Aktivitäten intensivieren sich. Es herrschen Massenproduktion und -vertrieb vor. Die Standardisierung der Produkte ist hoch. Es kommt zu Preiskämpfen. Hohe Werbekosten werden in die Induzierung von Wiederholungskäufen und in Marktsegmentierung gesteckt. Dies erfordert Produktdifferenzierung und hohen Distributionsaufwand. Es kommt zu Prozessinnovationen. Angesichts rückläufiger Margen / Gewinne werden Wettbewerbsvorteile aktiviert. Es herrscht Verdrängungswettbewerb. Importkonkurrenz aus Billiglohnländern verschärft diese Situation. In der Degenerationsphase kommt es schließlich zum Umsatz- und Gewinneinbruch. Verluste laufen auf, der Cashflow sinkt schnell ab und Konkurrenten scheiden vom Markt aus. Ziel des Marketing ist die Vermeidung dieser misslichen Situation durch rechtzeitigen Relaunch als Produktvariation, durch Rückzug des Produkts als Produktelimination oder durch Phasenablaufbeeinflussung. Der Markt ist durch Verdrängungswettbewerb gekennzeichnet. Als Käufer kommen Spätadopter bzw. Nachzügler zum Zuge. Unternehmen bereiten die Produkt­ elimination in Anschluss an das Ausmelken der Produkte vor. Das Preisniveau ist eher niedrig. Gleichzeitig sinkt die Distribution, da Handelsgeschäfte das Produkt zunehmend auslisten bzw. austauschen. Aus Kostengründen wird die Werbung reduziert. Die absatzpolitischen Aktivitäten sind eher niedrig einzuordnen (siehe Abbildung II/22: Merkmale der Degenerationsphase). Es herrschen Überkapazitäten und branchenweiter Umsatzrückgang trotz Massenproduktion und -vertrieb vor. Es kommt zum Preisverfall, worunter die Markentreue leidet. Statt technischen Fortschritts dominiert Kostenkontrolle. Es kommt zum Marktaustritt von Wettbewerbern, die sich auf die Entwicklung neuer Produkte konzentrieren. Der Marktlebenszyklus ist hier idealisiert dargestellt. Reale Marktverläufe weichen vielfach davon ab, jedoch kann regelmäßig eine Ähnlichkeit zur modellhaften Einteilung gesehen werden, so dass die Aussagen zu typischen Merkmalen und Ablauf durchaus verallgemeinerungsfähig sind. Problematisch bleibt vor allem, dass im Analysezeitpunkt schwer abzuschätzen ist, in welcher Marktphase man sich gerade befindet. Dies ist vielmehr erst im Nachhinein beurteilbar, so dass der momentane Eindruck zu Fehlschlüssen führen kann. Oft erfährt ein Markt durch technische Neuerungen, regulatorische Einflussnahme, Eintritt neuer Mitbewerber o. Ä. eine Wendung und was vorher wie der Peak des Marktes aussah, ist plötzlich nur eine Zwischenphase oder was vorher nur eine Zwischenphase schien, war dann noch der Peak. Vor allem ist es schwierig, die jeweiligen Marktpotenziale abzuschätzen, die eine wesentliche Grundlage für den werblichen Rahmen bilden.

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Abbildung II/22: Typische Merkmale der Degenerationsphase

3.1.2 Wettbewerb Hinsichtlich des Mitbewerbs kann in aktuelle, substitutive und potenzielle Wettbewerber unterschieden werden (nach Porter). Aktuelle Wettbewerber sind in derselben Strategischen Gruppe aktiv wie das eigene Unternehmen. Der Einfluss durch aktuelle Wettbewerber des Unternehmens hängt ab von: • der Wettbewerbsintensität eines Marktes, die wiederum eng mit dem Konzentrationsgrad dort zusammenhängt, je intensiver die Situation, desto mehr muss bei eigenen Aktivitäten auf die Position der Konkurrenten und deren mögliche Reaktionen geachtet werden, • der Ansicht der Marktpartner, vor allem Kunden, über die Uniqueness von Angeboten hinsichtlich Qualität, Image und Preis, ein als alleinstellend wahrgenommenes Produkt kann sich dem Wettbewerb zumindest partiell entziehen,

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II. Steuerung der Marketingkommunikation

• der Kapazitätsauslastung der Anbieter, ist diese gering, besteht die Tendenz zu Teilkostenangeboten zur Vermeidung von Leerkosten, eine Situation, die in weiten Teilen der Märkte angesichts allseitiger Restriktionen, Strukturkrisen, Wachstumsphantasien und Übersättigung gegeben ist, • dem Leistungsgefälle zwischen den Mitbewerbern hinsichtlich Technologie, Inno­vation und Management, bei starken Abweichungen sind häufig auch verschiedene Relevante Märkte gegeben, also eher eine monopolistische Konkurrenz, • der Höhe der Marktaustrittsschranken, diese bestimmen den Verteidigungszwang der bestehenden Anbieter zum Markterfolg, denn hohe Austrittsbarrieren zwingen zum Verbleib auf Gedeih und Verderb im Markt, • der Transparenz der Branche, um unbeabsichtigte Affronts zu vermeiden, je intransparenter ein Markt, desto höher ist die Gefahr, durch eigene Aktivitäten ungewollt Konkurrenten herauszufordern, so dass diese sich zur Reaktion veranlasst sehen, • dem Wachstum der Branche, da Stagnation Konkurrenzverdrängung zur Erfüllung individueller Expansionsziele erfordert, dies umso mehr, je unrealistischer Wachstumsvorgaben sind, bis hin zur Verleitung zu Marktmanipulation oder Einsatz unerlaubter / straffähiger Mittel. Relevante Größen betreffen in diesem Zusammenhang etwa: • die Marktanteile aktuell und im Zeitablauf, • die Marktanteile nach Menge und Wert, • die Mitbewerberprofile mit ihren Stärken und Schwächen, • die Marketingeinstellung und Aktivität der Mitbewerber, • die Bekanntheit und Vertrautheit der Wettbewerbsangebote, • die Imagedimensionen und Kompetenzen der Wettbewerbsangebote, • den Parametereinsatz im Marketing, insb. die Preisstellung, • die Markenpolitik der Konkurrenz, • den Beitrag ausländischer Wettbewerber. Substitutive Wettbewerber lösen dasselbe Nachfrageproblem, jedoch mit einem anderen Produkt als das eigene Unternehmen. Auch sie gehören demselben Relevanten Markt an. Der Einfluss durch substitutive Wettbewerber des Unternehmens hängt ab von: • Ausmaß und Umsetzung des technischen Fortschritts, kurze Innovationszyklen bergen hierbei Gefahren, weil Angebotskonstellationen sich rasch verändern und für Unruhe bis hin zur existenziellen Gefährdung sorgen,

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• gewerblichen Schutzrechten, die eine prozessuale Monopolstellung gewährleisten, so werden zumindest gleichartige Angebote ferngehalten, allerdings nicht andersartige, die durch Schutzrechte nicht verhindert werden können, • dem Preis-Leistungs-Verhältnis der zueinander in Beziehung stehenden Angebote, dies ist vor allem wichtig bei stagnierenden Nachfragereinkommen, denn desto wichtiger wird die Preisgünstigkeit und Preiswürdigkeit eines Angebots jenseits aller Vorteilsargumentationen, • der absoluten Preishöhe, denn je höher der Preis ist, desto intensiver wird nach Alternativen gesucht und je stärker wird die Notwendigkeit einer Anschaffung hinterfragt, dies gilt nur bei ausgesprochenen Luxusprodukten nicht mehr, • dem Grad der Produktloyalität / Markentreue am Markt, ist diese etwa durch intensive Werbung ausgeprägt, steigt die Marktplanbarkeit, da davon ausgegangen werden kann, dass ein bestimmter Anteil der Nachfragerschaft stetig zugunsten des eigenen Angebots kaufaktiv wird, • der subjektiven Nähe der Substitutionsangebote, woraus sich deren Austauschbarkeit letztlich ergibt, es kommt insofern nicht unbedingt auf eine objektive, angebotsseitige Nähe an, sondern vielmehr auf die subjektive, nachfragerseitig so empfundene Nähe, • dem Lebenszyklusstadium, je weiter dieses fortgeschritten ist, desto wahrscheinlicher wird die Ablösung durch ein Neuprodukt, so dass es ohnehin im Zuge der Vorsorge gilt, sich darauf einzustellen. Potenzielle Wettbewerber sind noch nicht am Markt aktiv, aber es ist nach den Umständen absehbar, dass sie in den Markt eintreten werden. Insofern ist ihre Berücksichtigung aus Gründen der Vorausschau sinnvoll. Der Einfluss durch potenzielle Wettbewerber des Unternehmens hängt ab von: • der Möglichkeit und dem Grad der Wahrscheinlichkeit deren Markteintritts, • der Intensität der erwarteten Reaktionen der bisherigen Marktanbieter, diese sind umso stärker, je geringer das Marktwachstum ist, je höher die Marktaustrittsbarrieren sind, je größer die Finanzkraft der bisherigen Anbieter ist und je höher die Profitabilität der Branche ist. Eine weitere Einflussgröße sind die Markteintrittsschranken. Diese sind umso höher, je • bedeutsamer die Größendegression ist, also das Absinken des proportionalisierten Fixkostenanteils an den gesamten Stückkosten, sei es aufgrund zwangsläufiger oder aber bewusst so herbeigeführter Entwicklung, • höher Umstellungskosten für Kunden bei Lieferantenwechsel sind, etwa durch Neukonfiguration von Schnittstellen, Änderungen in den betrieblichen Prozessen oder auch Formen der Kundengebundenheit, die Exit-Kosten verursachen,

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• schwieriger der Distributionszugang ist, denn dieser stellt in der Marketingrealität jenseits aller intellektuellen Pläne und Konzepte einen nur schwer überwindlichen Engpass dar. Weitere Faktoren, die Einfluss auf den Markteintritt nehmen, betreffen • den Grad der Produktdifferenzierung, geringe Ausprägung verursacht hierbei mögliche Kundenfluktuation, da es wenig Anlass gibt, bei einem Anbieter zu verharren, • die Ausschließungswirkung von natürlichen Monopolen wie Gewerblichen Schutzrechten, Standorten etc., welche die Konkurrenzgefahr zumindest vorüber­ gehend relativieren, • die Höhe des Kapitaleinsatzes, der im Misserfolgsfall verloren geht, je höher der Betrag, desto intensivere Erwägungen sind erforderlich, • die vermutete Gewinnhöhe in der Branche, die gegen die dafür einzugehenden Risiken zu stellen ist, dabei ist gemeinhin eine enge Korrelation zwischen Gewinnrate und Barrierenausmaß zu unterstellen. 3.1.3 Abnehmer Der Einfluss der direkten und indirekten Abnehmer des Unternehmens hängt ab von: • der Unternehmenskonzentration und damit der Möglichkeit des Ausweichens auf andere Lieferanten, ist die Anzahl hier gering, bleiben Abnehmern selbst im Falle der Unzufriedenheit wenig Optionen zum Wechsel, • dem Geschäftsumfang, der mit einzelnen Kunden getätigt wird, vereinen relativ wenige Kunden hohe Absatzanteile auf sich, haben sie für den Unternehmenserfolg einen großen Stellenwert, • der Abweichung der eigenen Produkte von denen der Konkurrenz, dabei geht es weniger um objektive, als um subjektiv so empfundene Unterschiede, die zur Kundenbindung führen, • den Kosten eines Lieferantenwechsels auf Abnehmerseite, diese bestehen aus Kosten der Organisation oder aus Einnahmeausfall bei der Umstellung, die im Einzelfall erhebliche Höhen annehmen können, • der Ertragslage der Abnehmer, ist diese als eher schlecht einzuschätzen, sind ihre Möglichkeiten im Konfliktfall begrenzt, insofern bleibt die Ausübung von Abnehmermacht dann begrenzt, • der Transparenz am Markt über Kosten und Preise, je höher die Übersichtlichkeit, desto eher können alternative Lieferquellen ausgemacht werden, so dass die Gefahr der Kundenabwanderung besteht,

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• der Möglichkeit zur Eigenfertigung, diese ist im Wesentlichen abhängig von Gewerblichen Schutzrechten und Know-how, sofern diese verfügbar sind, bleibt die Möglichkeit begrenzt, • der Rückwärtsintegration, mit der Abnehmer glaubhaft drohen können, dies bedeutet, dass Abnehmer auf ihrer Lieferantenstufe, also der des betrachteten Unternehmens, tätig werden und ihm so Konkurrenz machen oder zumindest als Abnehmer im Weiteren ausfallen, • der Preisempfindlichkeit auf Abnehmerseite, ist diese hoch ausgeprägt, können bereits geringe Preisveränderungen zur Abwanderung führen (hohe Preiselastizität der Nachfrage). Relevante Größen betreffen in Bezug auf Absatzmittler als Zwischenkunden etwa die: • Anzahl der Absatzmittler, Autonomie der Handelsstufe, Betriebsformen des Handels, Distribution (numerisch und gewichtet), regionale Verteilung des Absatzes, Organisation des Absatzes (Absatzsystem, -weg, -form), Außendienststruktur, Handelspolitik oder Warenplatzierung. Relevante Größen in Bezug auf private und gewerbliche Endkunden betreffen etwa: • Angebotskenntnis und -einstellung, Informations- und Entscheidungsverhalten, Qualitätserwartung und Qualitätsbedarf, Markenakzeptanz und -treue, Käufer- / Verwenderschaftsstruktur, Kaufsituation nach Person, Intervall und Intensität, Lifestyle-Orientierung oder Einkaufsstättenwahl. 3.1.4 Kommunikation Relevante Größen betreffen hier etwa: • Medienselektion und -nutzung im Relevanten Markt, hierbei geht es um den Einsatz der Kommunikationskanäle nach der Art und der Anzahl. Dabei ist zunächst an Klassische und Nicht-klassische Medien zu denken. Innerhalb beider Gruppen gibt es verschiedene Mediagattungen und innerhalb jeder Gattung wiederum verschiedene Medien, die zur Nutzung selektioniert werden können. • Mediataktik der Anbieter auf diesem Markt, dabei ist an die zeitliche, räumliche und situative Verteilung der Werbeaktivitäten gedacht. Dies betrifft sowohl die autonome Gestaltung des Mediaeinsatzes als auch die konjekturale, also in Bezug auf den Mitbewerb. • Werbeaufwendungen dieser Anbieter aktuell und im Trend, diese quantitative Sicht gibt Auskunft über den gegebenen Werbedruck auf einem Markt, • Content-Analyse der Mitbewerberwerbung, diese qualitative Sicht gibt Auskunft über Aussage und Argumentation der werblichen Ansprache. Daraus lassen sich wiederum die mutmaßliche Zielgruppe, die angepeilte Absatzquelle, die kommunizierte Positionierung und die erlebbare Copy-Strategie ableiten.

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Diese Inhalte stellen eine wesentliche Erkenntnisquelle dar, die im Weiteren noch erheblich zu vertiefen ist. In der Praxis hat es sich bewährt, dazu relevante Beispiele von Werbemitteln zu sammeln und vergleichend zu betrachten. Die Materialien werden von Clipping-Servicers bereitgestellt, die Auswertung erfolgt im Team. Es ist immer wieder frustrierend zu sehen, dass Werbungtreibende sich nicht einmal genügend mit den Botschaften und Auftritten ihrer direkten und indirekten Konkurrenten auseinander gesetzt haben, denn sonst wäre etwa austauschbare Kampagnen im Bereich Mode, Duftwässer oder Schmuck nicht denkbar. Alles schöne Menschen, schöne Dinge, schöne Umfelder, aber mitnichten eine zureichende Differenzierung und Profilierung. 3.1.5 Angebotsanalyse Zur Beschreibung des beworbenen Angebots gehört dessen Analyse anhand geeigneter Verfahren. Aus der Vielzahl der dabei zur Verfügung stehenden Optionen wird im Folgenden auf die drei sicherlich häufigsten eingegangen. 3.1.5.1 Stärken-Schwächen-Profil Hierbei handelt es sich um die Gegenüberstellung der Ist-Position des eigenen Unternehmens / Produkts im Vergleich zum stärksten Wettbewerber / den stärksten Wettbewerbern anhand eines Kriterienkatalogs zum Konkurrenzvergleich. Aus der jeweiligen relativen Bewertung ergeben sich zwei oder mehr Polaritätenprofile, aus denen ersichtlich ist, wo eigene komparative Vor- und Nachteile liegen, die Aktivitätenfelder anzeigen. Als Stärke wird ein von Konkurrenten nur schwer einholbarer Vorsprung bezeichnet, als Schwäche ein nur schwer einholbarer Vorsprung der Konkurrenten (siehe Abbildung II/23: Stärken-Schwächen-Profil (Prinzip nach Schulnoten). Die konkrete Ausformung erfolgt in folgenden Schritten. Es werden die für die Beurteilung der relativen eigenen Unternehmenssituation relevanten Kriterien ausgewählt. Dies bedarf äußerster Umsicht. Der stärkste / die stärksten Mitbewerber wird / werden definiert. Es wird ein Bewertungssystem für die Skalierung festgelegt, meist als Schulnotenskala oder bipolare Skala. Für jedes Kriterium werden die für die Beurteilung relevanten Teilaspekte für das eigene Unternehmen ermittelt und bewertet. Dies erfolgt anhand von Fakten oder Expertenurteil, wobei letzteres subjektiv verzerrt sein kann. Die Beurteilung für jedes Kriterium wird auf einer Skalierung als Wert für das eigene Unternehmen abgetragen. Für jedes Kriterium werden die gleichen Teilaspekte für den / die ausgewählten Mitbewerber ermittelt und bewertet. Dies erfolgt anhand von Fakten oder qualifizierter Schätzung, letzteres kann wiederum verzerrt sein. Die Beurteilung für jedes Kriterium des / der ausgewählten Mitbewerber(s) wird ebenfalls als Wert auf der Skalierung abgetragen. Für eine grafische Darstellung werden die Beurteilungen über alle Kriterien

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Abbildung II/23: Stärken-Schwächen-Profil (Prinzip nach Schulnoten) (Quelle: eig. Darst.)

getrennt für das eigene und das / die Mitbewerbsunternehmen durch je eine Linie verbunden. Es ergeben sich Kriterien, bei denen das eigene Unternehmen besser beurteilt wird als der / die Mitbewerber. Dies ist eine Stärke. Und es ergeben sich Kriterien, bei denen der / die Mitbewerber besser beurteilt wird / werden als das eigene Unternehmen. Dies ist eine Schwäche. Der Abstand der Linien für das eigene und das / die Mitbewerbsunternehmen zeigt das Ausmaß der Stärken und Schwächen an. Daraus ergeben sich zwei mögliche Konsequenzen. Abbau der komparativen Schwächen durch vermehrte Anstrengungen zum Gleichziehen mit der Konkurrenz ist die eine, Halten oder Ausbau der komparativen Stärken vor der Konkurrenz die andere. Letztere stellt im Übrigen die generelle Empfehlung dar. Kriterien, die der Beurteilung zugrunde liegen können, sind etwa • Management in Bezug auf Führungskräftequalität, Entscheidungsfindung, Planungseffizienz, Mitarbeitermotivation oder Organisationsrahmen, • Technologie in Bezug auf Entwicklungsstand, Investitionen oder Innovationen, • Beschaffung in Bezug auf Methodik, Netzwerk oder Kooperationen, • Produktion in Bezug auf Kapazitätsauslastung oder maschinelle Ausstattung,

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II. Steuerung der Marketingkommunikation

• Marketing in Bezug auf Vertriebsmannschaft, Distributionsnetz, Marktforschungsmethoden, Serviceumfang oder Werbeaufwand, • Finanzen in Bezug auf Mittelfristigkeit, Liquiditätsstand, Cashflow oder Kapi­ talquellen, • Produktangebot in Bezug auf Leistungsfähigkeit, Preisniveau, Marktanteil oder Imageprofil. In der Praxis ist immer wieder zu beobachten, dass so gesehene Angebotsvorteile als Stärken ausgewiesen werden und so gesehene Angebotsnachteile als Schwächen. Dies ist jedoch nicht der Sinn der Analyse, es geht nicht um allgemeine Vor- und Nachteile, sondern um komparative Vor- und Nachteile. Ein eigener Vorteil kann aber im Vergleich zum direkten Mitbewerb durchaus eine komparative Schwäche darstellen, wenn dieser einen solchen Vorteil in stärkerem Maße aufweist und ein eigener Nachteil kann durchaus eine komparative Stärke, wenn er in der wettbewerbsgemeinsamen Zielgruppe nur von untergeordneter Bedeutung ist. Ebenso ist in der Praxis häufig zu sehen, dass eigene Stärken subjektiv verstärkt werden und eigene Schwächen subjektiv abgeschwächt. Dann aber bleibt diese Analyse geringer Aussagekraft. Vielmehr muss versucht werden, eine objektivierte Sicht einzunehmen. Dabei ist es hilfreich, Personen aus verschiedenen Domänen, gerade auch externe, zu befragen und daraus einen Durchschnittswert zu bilden. Schließlich ist es bedeutsam zu versuchen, bei der Analyse die Perspektive der Zielgruppe einzunehmen, denn nur auf deren Sicht kommt es für die Ergebnisauswertung an. 3.1.5.2 Chancen-Risiken-Profil Unter Chancen-Risiken-Profil versteht man die Beschreibung der Umfeldfaktoren der Vermarktung für die Zukunft. Im Unterschied zur Stärken-SchwächenAnalyse, die ausschließlich die relative Situation des eigenen Unternehmens betrifft, wird hier vollständig die absolute Marktsituation betrachtet. Dabei wird die Gegenwart häufig durch Szenarios in die Zukunft fortgeschrieben. Als Chance wird eine Umweltsituation definiert, die ein Unternehmen positiv nutzen kann, als Risiko eine solche, die einem Unternehmen schaden kann. Als Analysegröße gelten natürliche, demografische, gesamtwirtschaftliche, kulturelle, politische, technologische Gegebenheiten. Die Vorgehensweise ist die Folgende. Es werden die für den Unternehmenserfolg relevanten Umfeldfaktoren gesichtet und selektiert. Für jeden dieser Faktoren wird die voraussichtliche zukünftige Entwicklung zu bestimmen versucht. Diese Entwicklung wird auf den Markt / die Märkte zurückbezogen, auf dem / denen das Unternehmen tätig ist. Aus den generellen Entwicklungen werden hypothetische Auswirkungen auf das Marktumfeld abgeleitet. Dabei ergeben sich Entwicklungen, die positiv für das Marktumfeld sind. Diese zeigen Chancen an. Umgekehrt ergeben sich Entwicklungen, die negativ für das Marktumfeld sind. Diese zeigen Risiken an. Chan-

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cen und Risiken werden katalogisiert. Sie können dabei mit Eintrittswahrscheinlichkeiten und Gewichtungen versehen werden. Die Unwägbarkeiten der Zukunft schlagen notwendigerweise voll auf die Aussagefähigkeit dieser Analyseform durch. In der Praxis ist die Konkretisierung der Chancen und Risiken problematisch. Häufig wird dazu die Szenario-Technik eingesetzt. Dabei wird versucht, die Einflussfaktoren auf die zukünftige Markt-, Nachfrage- und Wettbewerbsentwicklung festzustellen und deren Auswirkungen auf den Markt abzuschätzen. Dabei kann hinsichtlich der Schwankungsbreiten von drei „Zukünften“ ausgegangen werden, einer durchweg positiven Entwicklung (Best Case), einer durchweg negativen (Worst Case) und eine gemittelten (Medium Case). Daraus ergibt sich eine Entwicklungslinie, die mit wachsender Gegenwartsferne zwar immer unbestimmter wird, aber zumindest mittelfristig gute Anhaltspunkte für die Dimensionierung und Struktur werblicher Aktivitäten bietet. Dass es dann in der Realität doch anders kommen kann als prognostiziert, enthebt übrigens nicht von einer Prognose. Man kann nur bestmöglich steuern, alles andere wäre Fatalismus und ohnehin existenzbedrohend für das Unternehmen. Zugestanden sei, dass die Prognose angesichts komplexer und volatiler Umfeldbedingungen ein schwieriges Unterfangen bleibt. 3.1.5.3 SWOT-Analyse / TOWS-Matrix Die SWOT-Analyse, oft auch SOFT genannt, beinhaltet die Kombination der Erkenntnisse der Stärken-Schwächen-Analyse einerseits und der Chancen-RisikenAnalyse andererseits (englisch für Strengths, Weaknesses / Failures, Opportunities, Threats). Die Umkehrung führt zum TOWS-Begriff (Palindrom) für Threats, Weak­nesses, Opportunities, Strengths. Die Vorgehensweise ist dabei die Folgende. Die aus dem Konkurrenzvergleich herausgearbeiteten Stärken und Schwächen des Unternehmens werden kata­ logisiert. Die aus dem Prognoseszenario herausgearbeiteten Chancen und Risiken des Marktumfelds werden katalogisiert. Nun werden beide Merkmalskataloge in Beziehung zueinander gesetzt. Dazu werden Themenkomplexe gebildet, auf die sich sowohl Stärken bzw. Schwächen als auch Chancen bzw. Risiken beziehen. Für jeden Themenkomplex werden diese Größen in Form einer Matrix zugeordnet. Hier eine SWOT am Beispiel der Werbung für ein Herrenkosmetik-Produkt: • Stärken: gute Marktposition international, Topmarke, in Wachstumsmärkten vertreten, starke Finanzkraft des Unternehmens, Erfahrungswissen Hautpflegemarkt, innovative Produkte, großes Produktportfolio, hohes Verbrauchervertrauen, • Schwächen: breites Programm ohne Fokussierung, Produktschwerpunkt im Rasurbereich, nur ein Produkt im Pflegebereich positioniert, in Wachstumssegmenten noch nicht vertreten, Nischenpositionierung,

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• Chancen: hohes Wachstum im Herrenkosmetikmarkt, vor allem Gesichtspflege, Online-Handel als Absatzkanal, veränderte Körperpflegegewohnheiten / Pflegebewusstsein, naütrliche Produkte werden immer wichtiger, ebenso Anti-Aging, • Risiken: Rasierprodukte rückläufig, Marktanteilsgewinne des Mitbewerbs durch Innovationen, Marktanteilsgewinne von Handelsmarken, Produktversionen für verschiedene Hauttypen erforderlich, komplette Pflegeserie erforderlich. Daraus ergeben sich vier Felder, denen im Rahmen der TOWS-Matrix Normverhaltensweisen zugeordnet werden können (siehe Abbildung II/24: TOWS-Matrix): • Unternehmensstärken (Firma / Marke) bei gleichzeitigen Umfeld-Marktchancen bedeutet Forcieren des Angebots zur Nutzung aller Chancen mit Hilfe der „eige­ nen“ komparativen Stärken, – im Beispiel oben: Online-Vertrieb intensivieren, neue Marke aufbauen, • Unternehmensstärken (Firma / Marke) bei gleichzeitigen Umfeld- / Marktrisiken bedeutet Absichern der Position zur Vorbeugung gegen aus Umfeldrisiken resultierenden Rückschlägen, – im Beispiel oben: eigene Herrenserie aufbauen, Innovation stärken, • Unternehmensschwächen (Firma / Marke)  bei gleichzeitigen Umfeld- / Marktchancen bedeutet Aufholen von Rückständen, damit sich für das Unternehmen bietende Chancen nicht entgehen, – im Beispiel oben: Line Extensions, • Unternehmensschwächen (Firma / Marke)  bei gleichzeitigen Umfeld- / Markt­ risiken bedeutet Meiden des Aktivitätsfelds zur Abwehr von Gefahren für das Unternehmen durch den Markt, – im Beispiel oben: Abwehrstrategie gegen Mitbewerber.

Abbildung II/24: TOWS-Matrix (Quelle: eig. Darst.)

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3.1.5.4 Weitere Analyseverfahren Darüber hinaus sind weitere Analyseverfahren einsetzbar. Die Umfeld-Analyse bezieht sich auf als relevant erachtete Einflussfaktoren, indem diese aufgeführt und beschrieben werden. Dabei wird auf die Bereiche • Soziales, • Technologie, • Ökonomie, • Politik (STEP-Analyse) sowie zusätzlich auf • Ökologie (STEEP-Analyse) und • Recht (PESTEL-Analyse)  abgehoben. Diese werden mit einer gewissen Vollständigkeit deskriptiv erfasst. Hierbei geht es vor allem um eine gewisse Vollständigkeit der Datensammlung. Die Einteilungen sollen vornehmlich verhindern, dass relevante Daten aus dem Blickfeld geraten. Allerdings ist die Ordnung weitaus zu gering, als dass auf dieser Basis bereits strategische Entscheide zu treffen wären. Die Anteilsstruktur-Analyse bezieht sich auf Ausweis von Anteilen für Produktzahl, Kundenzahl und Umsatz. Die Umsatzanteilsanalyse beruht auf der 80 : 20-Regel (Pareto) und weist aus, welche relativ wenigen Produkten den größten Anteil des kumulierten Umsatzes auf sich vereinen (A-Produkte) und welche zahlreichen Produkte zusammen nur für einen geringen Umsatz stehen (B- und C-Produkte). Wird statt der Produktzahl die Kundenzahl betrachtet, ergeben sich analog A-Kunden (Key-Accounts), B- und C-Kunden, zuweilen auch in Bezug auf Deckungsbeiträge D-Kunden, die ihre direkten Kosten im Umsatz nicht verdienen. Jeweils ist es zwingend, den A-Produkten bzw. -Kunden ein besonderes Augenmerk zu widmen. In Anbetracht des Produktlebenszyklus ist es zudem wichtig, die Dauer der Marktpräsenz zu unterlegen. Diese wird für jedes Produkt ausgewiesen und mit dessen Umsatz gespiegelt. Wichtig sind viele Produkte im Zenit ihrer Marktfähigkeit sowie jeweils wenige Produkte kurz vor dem Ausscheiden aus dem bzw. kurz nach dem Eintritt in den Markt. In gleicher Weise können Absatzgebiete danach ausgewiesen werden, welchen Anteil sie am Umsatz, Absatz, Gewinn etc. ausmachen. Entsprechend ergeben sich A-, B- und C-Länder. Gemeinhin wird empfohlen sich auf die A-Produkte, -Kunden, -Absatzgebiete zu konzentrieren. Eine solche Schwerpunktsetzung ergibt sich zumeist selbsttätig aus dem Geschäftsumfang. Allerdings ist damit immer auch ein hohes Maß an Abhängigkeit verbunden. Außerdem zeigen empirische Analysen (PIMS) in Bezug auf Kunden, dass die Ertragskraft mittelgroßer Abnehmer (B) höher liegt als bei Großabnehmern (A), die aufgrund ihrer Nachfragemacht die Konditionen drücken können oder bei Kleinabnehmern (C), bei denen die Prozesskosten stark negativ ins Gewicht fallen.

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II. Steuerung der Marketingkommunikation

Die Ressourcen-Analyse betrifft die Beurteilung des Leistungspotenzials des eigenen Unternehmens in Relation zum wichtigen Mitbewerb in derselben Strategischen Gruppe. Im Unterschied zur Stärken-Schwächen-Analyse wird dabei nicht die aktuelle Leistungsfähigkeit betrachtet, sondern vielmehr die realistisch maximale. Dies zeigt Wachstumsbereiche auf, die es zu nutzen gilt. Die RelationsAnalyse zeigt das bereits genutzte Potenzial des eigenen Unternehmens im Verhältnis zum nutzbaren Potenzial aus der Ressourcen-Analyse aus. Auch dadurch lassen sich Wachstumsbereiche identifizieren. Die Beurteilung erfolgt jeweils anhand der wichtigsten Unternehmensparameter, zumeist auf Basis einer Skalierung. Dies bietet den Vorteil, dass die jeweils erreichten Positionen grafisch zu einem Profil verbunden werden können, was die interne Vermittlung der Ergebnisse erheblich erleichtert. Die Strategische Bilanz-Analyse geht analog zur Stärken-Schwächen-Analyse vor, jedoch werden die Ausprägungen nicht saldiert, sondern getrennt nach „Aktiva“ und „Passiva“ ausgewiesen. Dadurch entsteht eine pointiertere Aussage, vor allem kann der Engpassbereich erkannt werden, der nach dem Ausgleichsgesetz der Planung (Gutenberg) das gesamtbetriebliche Aktivitätenniveau begrenzt. Das bedeutet konkret, dass eine Forcierung immer beim limitierenden Funktionsbereich im Unternehmen ansetzen muss, wohingegen Forcierungen in anderen Bereichen, wenn diese untereinander verbunden sind, verpuffen. Insofern handelt es sich bei der Strategischen Bilanz um ein sehr mächtiges Analyseverfahren.

3.2 Marktsegmentierung Die Marktsegmentierung setzt eine Abgrenzung des zu betrachtenden Markts voraus (3.2.1). Dazu gehört die Entscheidung über die Bearbeitung dieses Markts (3.2.2) ebenso wie die Abdeckung dieses Markts (3.2.3). Daraus ergeben sich dann Produkt-Markt-Kombinationen (3.2.4) (siehe Abbildung II/25: Elemente der Marktsegmentierung). Hierbei sind Besonderheiten der Segmentierung im Bt-c-Sektor (3.2.5) ebenso wie im B-t-b-Sektor (3.2.6) zu berücksichtigen. Für die weitere Analyse ist es zunächst erforderlich, den Markt abzugrenzen, auf den sich die nachfolgenden Erkenntnisse beziehen sollen.

Abbildung II/25: Elemente der Marktsegmentierung

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3.2.1 Marktabgrenzung Theoretisch ergeben sich kumulativ folgende Optionen zur Marktabgrenzung des beworbenen Angebots: • Sachlich bedeutet, dass zu einem gemeinsamen Relevanten Markt alle Angebote zu zählen sind, welche die gleiche oder eine ähnliche Funktion erfüllen, unabhängig davon, wie sie preislich, personell und räumlich im Einzelnen einzuschätzen sind. Ausgangspunkt dieser Überlegung ist es, dass ein Bedarf nach einer Problemlösung besteht und dahinter alle anderen Erwägungen zurücktreten. • Preislich bedeutet, dass zu einem gemeinsamen Relevanten Markt alle Angebote zu zählen sind, welche die gleiche oder eine ähnliche Funktion erfüllen und zusätzlich in der selben Preisklasse angesiedelt sind, unabhängig davon, wie sie personell und räumlich einzuschätzen sind. Dabei wird unterstellt, dass realistischerweise nur solche Angebote als vergleichbar angesehen werden, die preislich nahe beieinander liegen. • Personell bedeutet, dass zu einem gemeinsamen Relevanten Markt alle Angebote zu zählen sind, welche die gleiche oder eine ähnliche Funktion erfüllen, in der selben Preisklasse angesiedelt sind und sich zusätzlich an dieselbe Personengruppe wenden, unabhängig davon, wie sie räumlich einzuschätzen sind. Hierbei wird auch berücksichtigt, dass verschiedene Nachfrager ganz unterschiedliche Einschätzungen zu Funktion und Preis haben dürften, es also auf das angestrebte Marktsegment ankommt, etwa B-t-b oder B-t-c. • Räumlich bedeutet, dass zu einem gemeinsamen Relevanten Markt alle Angebote zu zählen sind, welche die gleiche oder eine ähnliche Funktion erfüllen, in der selben Preisklasse angesiedelt sind, sich an dieselbe Personengruppe wenden und zusätzlich im selben Marktgebiet angeboten werden. Dabei wird auf die tatsächliche Verfügbarkeit von Angeboten abgehoben. Jedoch ist dies aufgrund der Raumüberbrückung durch Medien und Logistik von immer geringerer Bedeutung. Mit zunehmender kumulativer Abgrenzung wird der relevante Markt immer präziser, aber zugleich auch immer kleiner. Alle Optionen kranken an mangelnder Operationalität der Abgrenzung. Als generelle Empfehlung ergibt sich die Tendenz zu einer eher weiten Abgrenzung von Märkten ohne „Marketing myopia“ / Levitt. So können auch neue Einsichten über das Angebot gewonnen werden, beispielsweise Duplo / Ferrero als längste Praline der Welt oder Obstgarten / Gervais als gesunder Ersatz für das Mittagessen. Ohne Abgrenzung des relevanten Marktes ist eine zielgerichtete Kommunikationsarbeit dennoch schwerlich möglich. Insofern kommt es hier auf eine pragmatische Vorgehensweise an. Die Marktabgrenzung kann je nach Lage der Dinge anhand nur eines Kriteriums, also sachlich oder preislich oder personell oder räumlich, vorgenommen werden oder anhand von zwei oder mehr Kriterien kombiniert. Dabei kann wiederum si-

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multan oder sukzessiv vorgegangen werden. Je mehr Kriterien zur Abgrenzung zugrunde gelegt werden, desto exakter ist die konzeptionelle Marktabgrenzung, desto kleiner wird allerdings auch das Potenzial des diesen relevanten Markts. Insofern will dies gut abgewogen sein. Da die Abgrenzung volatil auf vielfältige Einflussfaktoren reagiert und auch Mess- und Erfahrungseinschränkungen unterliegt, wird im Umfeld des als relevant identifizierten Marktes ohnehin weiterhin Kaufkraft im privaten Sektor bzw. Budget im gewerblichen Sektor eingesammelt. 3.2.2 Marktbearbeitung Für die Bearbeitung des Relevanten Markts können zwei Arten unterschieden werden: • undifferenziert, indem ein Markt bzw. vorhandene Segmente am Markt mit einem einheitlichen Marketing-Mix bearbeitet werden, • differenziert, indem vorhandene oder gebildete Segmente am Markt mit abweichenden Marketing-Mixes bearbeitet werden. Die differenzierte Marktbearbeitung ist typisch für das Marketing. Ihre wesentlichen Vorteile liegen in Folgendem: • Abweichende Käuferwünsche können durch hohe Entsprechung des Angebots mit dem Bedarf durch hohen Aufforderungsgradienten befriedigt werden, wodurch eine Fehljustierung durch nicht vollständige Entsprechung vermieden wird. • Diese Differenzierung begünstigt die Bildung akquisitorischen Potenzials, wodurch wiederum der Freiraum für eine überdurchschnittliche Akzeptanz und Preissetzung am Markt entsteht. • Die Marktstruktur kann durch die starke Angebotsstellung aktiv gesteuert werden, während ansonsten nur die passive Anpassung an von anderen Anbietern gesetzte Markttrends bleibt. • Der Preis als dominanter Aktionsparameter kann zunehmend durch die Leistung ersetzt werden. Diese ist dabei sowohl objektiv als vor allem subjektiv zur individuellen Bedarfsbefriedigung wirksam. Nachteile aus einer differenzierten Marktbearbeitung betreffen vor allem folgende: • Etwaige Größendegressionsersparnisse in der Produktion können nur noch eingeschränkt genutzt werden, da die differenzierten Produkte meist fertigungs­ relevante Abweichungen voneinander aufweisen. • Der Marketing-Mix-Einsatz wird kompliziert und letztlich auch verteuert. Statt eines durchschnittsorientierten, vereinfachten Marketing-Mix ist die jeweilige Anpassung an Marktsegmente erforderlich. Dies erfordert zugleich großes Knowhow.

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• Das Potenzial gegebener Märkte wird bei partieller Abdeckung nur teilweise ausgeschöpft. Dadurch besteht die Gefahr, dass Zusatzerlöse aus differenzierter Marktbearbeitung durch Auslassung ganzer Segmente überkompensiert werden. • Nur bei exakter Justierung auf Marktspezifika sind Segmentierungsvorteile wirklich nutzbar. Dazu aber bedarf es der aufwändigen, kontinuierlichen Anpassung an sich wandelnde Segmente. Die Vor- und Nachteile der undifferenzierten Marktbearbeitung ergeben sich entsprechend spiegelbildlich. Marktsegmentierung beabsichtigt die bessere Bearbeitung seither nicht optimal genutzter Segmente eines bestehenden Gesamtmarkts. Als Voraussetzung für eine solche Umsetzung gilt, dass Segmente operationalisierbar, außerdem zugänglich, trennscharf abgrenzbar, wirtschaftlich tragfähig und zeitlich beständig sinnvoll bearbeitbar sind. Ziel ist die Bildung von Segmenten möglichst hoher interner Homogenität bei gleichzeitiger externer Heterogenität. Gemäß diesen Segmenten kann dann ein spezielles Eignungsprofil erstellt werden, das eine möglichst hohe Übereinstimmung mit dem Anforderungsprofil der Nachfrager dieses Segments hat. Daraus wiederum resultieren ein hoher Aufforderungsgradient und damit die Chance zur Abschöpfung der Konsumentenrente über höheren Preis. Meist deckt ein Anbieter nicht alle Segmente eines Marktes ab, sondern nur das / die vielversprechendste(n). Über differenzierte Produkte kann somit in benachbarte Segmente eingedrungen und dort Umsatz abgeschöpft werden. 3.2.3 Marktabdeckung In einer zweiten Dimension können zwei Arten der Marktabdeckung unterschie­ den werden: • total, dabei werden alle verfügbaren Segmente eines Gesamtmarkts bearbeitet, • partiell, dabei werden nur ausgewählte Segmente eines Gesamtmarkts bearbeitet. Für eine totale Marktabdeckung spricht, dass Kostendegression erst bei großen standardisierten Mengen entsteht, die häufig aber nur abgesetzt werden können, wenn der komplette Markt beliefert wird. Hinzu kommen Synergieeffekte, indem Know-how aus einem Teilmarkt in anderen Teilmärkten kapitalisiert wird. Solange hinreichende Gemeinsamkeiten zwischen diesen Teilmärkten gegeben sind, können auch ähnliche Marktmechaniken unterstellt werden. Es kommt zur Potenzialausschöpfung, und es erfolgt keine Verengung der Sichtweise auf konstruierte Teilmärkte, die sich dann womöglich als unwirtschaftlich herausstellen. Zumal solche Teilmärkte raschen Veränderungen unterworfen sind, so dass für selbstbeschränkende Aktivitäten eine kontinuierliche Erosionsgefahr besteht. Außerdem kann auch die Kaufkraft mobiler Nachfrager, die zwischen Teilmärkten durch Multiloyalität wechseln, für einen Anbieter genutzt werden, wohingegen dies an-

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sonsten nur möglich ist, wenn die Nachfrager mehr oder minder zufällig in einen ebenfalls vom Anbieter bearbeiteten Teilmarkt wechseln. Für eine partielle Marktabdeckung spricht, dass einer Fehljustierung des Angebots durch nicht hinreichend vollständige Entsprechung mit den Käuferwünschen vorgebeugt wird, was ansonsten durch eine mangelnde Profilierung des ­Programms aus generalisierender Ansprache denkbar ist. Denn wenn alle gemeint sind, fühlt sich letztlich womöglich niemand angesprochen. Durch die Nutzung des akquisitorischen Potenzials aus der Profilierung kann ein Preisspielraum generiert werden. Eine solche Profilierung ist aber letztlich nur durch Absetzung von der Masse erreichbar und mit auf die Nachfragerbedürfnisse in Teilmärkten zugeschnittenen Angeboten besser realisierbar als mit notwendigerweise generalisierten. Spezia­ lisierungsvorteile / Economies of scope können genutzt werden, denn es wird mehr Wissen über den jeweiligen Teilmarkt akquiriert als wenn alle Teilmärkte bearbeitet werden. Dies verkürzt die Marktreaktionszeiten und erhöht damit die Existenzsicherung des Unternehmens. Beide Dimensionen, Marktbearbeitung und Marktabdeckung, haben hohe konzeptionelle Bedeutung. So können im Vorfeld verschiedene Hypothesen für Marktbearbeitung und -abdeckung formuliert werden, unter denen dann später die Entscheidung fällt. Vor allem aber sind unterschiedliche Kombinationen aus relevanten Produkten / Märkten denkbar, die im Folgenden auszugsweise näher behandelt werden. 3.2.4 Produkt-Markt-Kombinationen Hinsichtlich der Produkt-Markt-Kombinationen ergeben sich nach der Marktabgrenzung (partiell, total) und der Marktbearbeitung (undifferenziert, differenziert) folgende Optionen zur Markterfassung (siehe Abbildung II/26: Optionen der Produkt-Markt-Kombination). Die undifferenzierte totale Markterfassung betrifft das Angebot • aller Produkte • in allen Marktsegmenten, aber • mit einem gemeinsamen Marketing Mix (siehe Abbildung II/27: Undifferenzierte, totale Markterfassung). Als Beispiel dafür kann Nivea Creme dienen. Nivea ist eine Universalcreme mit omnipotentem Anspruch. Sie ist ideal für Mann und Frau, für jung und alt, für feuchte und trockene Haut, für Tag und Nacht. Sie wird als die „Übercreme“ dem Gesamtmarkt einheitlich angedient. Eine solche Position ist nur vor dem historischen Hintergrund erklärbar und wäre heute so gar nicht mehr aufzubauen. Es bedarf allerdings großen Geschicks, sie gegen leistungsoptimierte Spezialangebote zu verteidigen. Diese Form der Marktbearbeitung ist daher recht selten geworden.

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Abbildung II/26: Optionen der Produkt-Markt-Kombinationen

Abbildung II/27: Undifferenzierte, totale Markterfassung (Quelle: eig. Darst.)

Die undifferenzierte partielle Markterfassung betrifft das Angebot • aller oder mehrerer Produkte • in einem Marktsegment mit • einem gemeinsamen Marketing-Mix als Marktunifizierung (siehe Abbildung II/28: Marktunifzierungen). Als Beispiel können die verschiedenen Produkte eines Parfümherstellers dienen. Sie werden parallel zueinander durch dieselben Aktivitäten unterstützt wie Depotparfümerie, Premiumpreis, elitäre Werbung und aufwändige Packung. Dabei decken sie verschiedene Bedarfe derselben Nachfrager ab. Für den Fall ihrer Präferenzänderung können sie damit weiterhin vom selben Anbieter bedient werden.

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Abbildung II/28: Marktunifizierungen (Quelle: eig. Darst.)

Eine Alternative dazu stellt das Angebot: • eines Produkts • in allen oder mehreren Marktsegmenten mit • einem gemeinsamen Marketing-Mix als Produktunifizierung dar (siehe Abbildung II/29: Produktunifizierungen).

Abbildung II/29: Produktunifizierungen (Quelle: eig. Darst.)

Ein Beispiel hierfür ist (ursprünglich) Oil of Olaz. Dabei handelte es sich um ein Beauty Fluid für die reife Haut. Das heißt, für jüngere Frauen ist es das falsche

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Produkt. Damit wird nur ein Teilbereich des Gesamtmarkts abgedeckt (spezifiziert nach Alter und Geschlecht), der jedoch wiederum in vielfältige Segmente zerfällt (feuchte / trockene Haut, Tag- / Nachtpflege etc.). Diese Segmente werden allerdings nicht weiter differenziert, sondern im Übrigen gleichartig behandelt (= konzentrierte Segmentbearbeitung. Die differenzierte totale Markterfassung betrifft das Angebot: • aller Produkte • in allen Marktsegmenten mit • jeweils einem eigenen Marketing-Mix (siehe Abbildung II/30: Differenzierte, totale Markterfassung).

Abbildung II/30: Differenzierte, totale Markterfassung (Quelle: eig. Darst.)

Als Beispiel kann der Volkswagen-Konzern gelten. Volkswagen ist ein Volumenanbieter, der durch sein Programm (23 Modellreihen) eine breite Vielfalt von Bedarfen, vom Kleinstwagen bis zum Sportcoupé abdeckt. Das beginnt in der A00 -Klasse (Up, Polo, T-Cross), geht über die A0 -Klasse (Golf, T-Roc, T-Roc Cabrio, Golf Sportsvan, Golf Variant) über die B-Klasse (Touran, Sharan) bis zur C-Klasse (Passat, Passat Variant) und endet erst in der D-Klasse (Arteon, Arteon Shooting Brake) und den SUVs (Tiguan, Tiguan Allspace, Touareg). Da zugleich auch die verschiedenen Karosserieformen (Steilheck, Stufenheck, Fließheck, Cabrio, Kombi, Coupé), Motorisierungsklassen (von 60 bis 421 PS), Motorenkonzepte (Otto, Strom, Erdgas, Hybrid, Diesel, Lader) und Antriebsformen (einachsig, zweiachsig) angeboten werden, wird der gesamte Markt mit einem differenzierten Angebot abgedeckt. Darunter findet beinahe jeder Käufer, so er nur will, ein relevantes Angebot. Die differenzierte partielle Markterfassung betrifft das Angebot • mehrerer oder aller Produkte • in einem Marktsegment mit • jeweils einem eigenen Marketing-Mix als Marktspezialisierung (siehe Abbildung II/31: Marktspezialisierungen).

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Abbildung II/31: Marktspezialisierungen (Quelle: eig. Darst.)

Als Beispiel seien die Effem-Produkte Sheba und Kitekat genannt. Bei beiden handelt es sich um Feuchtfutter für Katzen. Objektiv, also von der Konsistenz her, sind beide kaum zu unterscheiden. Subjektiv jedoch trennen sie Welten. Sheba ist für Katzenbesitzer gedacht, die ein verschmustes, gönnerhaftes Verhältnis zu ihrem Haustier haben, für welche die Katze eher Kindersatz ist, daher erfolgt primär eine Frauenansprache. Während Kitekat sich an Katzenbesitzer wendet, die ein rationales, kumpelhaftes Verhältnis zu ihrem Haustier hegen. Durch die marketingmix-bedingte Spreizung der Konzepte für an sich gleichartige Produkte kann der Markt besser ausgeschöpft und eine gegenseitige Kannibalisierung vermieden werden. Bei Hundefutter wird dieses Konzept durch Cesar / für kleine Hunde mit großen Ansprüchen und Pal / die gesunde Vollnahrung vom selben Hersteller praktiziert. Eine Alternative dazu besteht im Angebot: • eines Produkts • in mehreren oder allen Marktsegmenten mit • jeweils einem eigenen Marketing-Mix als Produktspezialisierung (siehe Abbildung II/32: Produktspezialisierungen) Als Beispiel kann der VW Golf dienen. In Deutschland war er jahrzehntelang das klassenneutrale „Jedermann-Automobil“. In den meisten Exportmärkten hingegen war er ein ausgefallenes Understatement-Auto, was durch die dort höheren Anschaffungskosten bedingt ist. Daraus resultierte die Notwendigkeit zur unterschiedlichen Vermarktung. Eine andere Alternative besteht im Angebot: • eines Produkts

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• in einem Marktsegment mit • einem einzigen Marketing-Mix in Mono Segment (siehe Abbildung II/33: Differenzierte, partielle Markterfassung).

Abbildung II/32: Produktspezialisierungen (Quelle: eig. Darst.)

Abbildung II/33: Differenzierte, partielle Markterfassung (Mono Segment / Multi Segments) (Quelle: eig. Darst.)

Als Beispiel für eine mono-selektive Spezialisierung kann Verpoorten angeführt werden. Es handelt sich im Wesentlichen um ein Einprodukt- und Einmarkt-Unternehmen. Weitere Beispiele sind die Matratzenprodukte Bodyguard / Bett1 und One / Emma. Dabei erfolgt sowohl eine produkt- als auch eine marktbezogene Konzentration.

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Schließlich gibt es noch das Angebot: • mehrerer Produkte • in mehreren Marktsegmenten mit • jeweils einem eigenen Marketing-Mix in Multi Segments. Als Beispiel für eine multi-selektive Spezialisierung können die Fischer-Werke gelten. Es werden Befestigungssysteme, Automobilinterieur, Konstruktionsspielzeug und Prozessoptimierungsberatung verschiedenen Zielgruppen gegenüber angeboten. Die Geschäftsfelder haben keine Verbindung zueinander, sondern entspringen dem Erfindungsreichtum des Gründers. 3.2.5 Ansätze speziell im B-t-c-Sektor 3.2.5.1 Voraussetzungen Zumeist beziehen sich Ausführungen zur Marktsegmentierung auf den Konsumentenmarkt. Dafür lassen sich vielfache objektive und subjektive Abgrenzungskriterien bestimmen. Zu den Rahmenbedingungen jeder Marktsegmentierung gehören folgende: • Vorliegen von Abweichungen physikalisch-chemischer (Material), funktionalreaktiver, ästhetischer (Design), symbolischer (Marke) oder servicegebundener Art im Produkt, die objektiv gegeben sind oder subjektiv so empfunden werden können. • Ein Gesamtmarkt mit mindestens zwei Teilmärkten ohne Arbitrage bei interner Homogenität der Segmente und gleichzeitiger externer Heterogenität. • Ökonomische Vorteilhaftigkeit der Differenzierung, das bedeutet, dass die zusätzlichen Erlöse aus der Marktaufspaltung größer sein müssen als die dazu erforderlichen zusätzlichen Aufwendungen. • Keine diskriminierende Wirkung der Differenzierung, also nicht dem Gerechtigkeitsempfinden widersprechend, da ansonsten die Wettbewerbsgesetzgebung korrigierend eingreift. • Die Marktspaltung muss durchsetzbar sein, bewirkt durch unterschiedliche Reaktionen der Nachfrager und eigene Marktmacht zu deren Kapitalisierung. • Reaktionsunterschiede zwischen Segmenten müssen messbar sein, damit eine zielgerichtete, getrennte Bearbeitung überhaupt möglich wird. • Vorgabe einer hohen Trennschärfe des gewählten Segmentierungskriteriums, damit einerseits keine Streulücken entstehen, die zu Umsatzverlust führen und andererseits keine Überlappungen, die zur Kannibalisierung führen.

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• Tatsächliche Erreichbarkeit der einzelnen Segmente, denn deren Zugänglichkeit ist Voraussetzung für ihre Ausschöpfung. • Hinreichende Stabilität der Segmente, da ansonsten keine operationale Bearbeitung möglich wird. Für die Marktsegmentierung sind einige Anforderungen zu erfüllen. Dabei handelt es sich allgemein um folgende: • Kaufverhaltensrelevanz bedeutet, dass die Marktsegmentierungsvariablen in ­einem kausalen Zusammenhang zum Verhalten der Bedürfnisträger stehen sollen, damit die Segmentierungskriterien zur Bestimmung des zukünftigen Wahlbzw. Kaufverhaltens geeignet, also prädikatorisch einsetzbar, sind. • Aussagefähigkeit für den Einsatz der Marketing-Instrumente bedeutet, dass konkrete Anhaltspunkte für die handlungsfähige Ausgestaltung der Marketing-In­ strumente geliefert werden sollen. • Zugänglichkeit bedeutet, dass die durch die Segmentierungskriterien gebildeten Marktsegmente durch Marketing-Instrumente wirksam erreicht und bedient werden können. • Messbarkeit bedeutet, dass die Variablen, die zur Identifikation von Marktsegmenten herangezogen werden, mit den verfügbaren Marktforschungsmethoden reliabel und valide operationalisiert werden können. • Zeitliche Stabilität bedeutet, dass die Kriterien über einen längeren Zeitraum bestehen bleiben sollen, dies resultiert aus der für die Wirksamwerdung einer segmentbezogenen Strategie insgesamt benötigten Zeit. • Wirtschaftlichkeit bedeutet, dass die eingesetzten Segmentierungskriterien zu Segmenten mit einem genügend großen Absatzpotenzial führen sollen, damit sich eine segmentspezifische Ausgestaltung des Marketing-Mix als ökonomisch erweisen kann. Für die Marktsegmentierung sind geeignete Kriterien zugrunde zu legen. Dabei sind zwei Arten von Segmentierungskriterien zu unterscheiden: • Nachfragerdeterminierte Kriterien machen sich ohnehin gegebene Segmente zueigen, man spricht auch von agglomerativem Vorgehen. Diese sind ihrerseits wieder in zwei Gruppen zu unterteilen, demografische, beschreibende (3.2.5.2) einerseits und aktiografische, verhaltensbezogene andererseits (3.2.5.3). • Anbieterdeterminierte Kriterien führen erst eine solche Segmentierung herbei, man spricht von einem deglomerativem Vorgehen. Diese sind ebenso in zwei Gruppen einteilbar. Eine künstliche Fremdeinstufung erfolgt durch objektive Kriterien, etwa Einkaufsstättenzugang wie im C & C-Handel, Personaleinkauf wie im Vorzugshandel, Privilegierung wie bei Wartelisten von E-Autos, Networking wie bei Kundenclubs etc. Eine künstliche Selbsteinstufung erfolgt durch subjektive, intrapersonale und interpersonale Variable, die sich in Zielpersonen verkörpern (s. u.).

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3.2.5.2 Demografische Kriterien Die immer noch gebräuchlichste Form der nachfragerdeterminierten Marktsegmentierung ist die demografische. Ihr liegen durch deskriptive Statistik feststellbare Daten zugrunde. Dabei handelt es sich im Einzelnen um folgende. Geschlecht, also männlich / weiblich / divers / LGBT (Beispiel: Krankenversiche­ rungstarife / vor Unisex): Auch dies kann als Indikator für das Kaufverhalten gelten, wobei jedoch dessen geschlechtsmäßig übergreifende Angleichung festzustellen ist. Ausgangspunkt ist, dass es dennoch genderspezifische Kaufentscheide gibt. Das heißt solche, die Männer autark treffen sowie Kaufentscheide, die Frauen autark treffen. Dies gilt für geschlechtsspezifische Produkte wie Rasierapparate, Körperpflegeprodukte, Bekleidung etc. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass das geschlechtsspezifische Verhalten sich zunehmend auflöst, Männer übernehmen feminine Werte, Frauen maskuline Werte. In gleichgeschlechtlichen Partnerschaften löst sich das geschlechtsspezifische Verhalten ohnehin weitgehend auf. Vielfach sind geschlechtsspezifische Segmentierungen auch verboten (Diskriminierung). Altersklasse unter 6 Jahre, 6 – unter 14 Jahre, 14–19 Jahre, 20–24 Jahre, 25 –…, … über 70 Jahre (Beispiel: Nahverkehrstarife): Hierbei ist eine deutliche Beschleunigung des „Erwachsenwerdens“ (Akzeleration) zu beachten sowie ein anzahl- und wertmäßiger Schwerpunkt in hohen Altersklassen (Überalterung der Gesellschaft). Insofern wird die Relevanz von Produkten für Nachfrager vor allem als von deren Alter abhängig gesehen. Dabei gewinnen vor allem die „Best Agers“ wegen generativer Veränderungen an Relevanz. Erstens werden sie immer mehr (geburtenstarke Jahrgänge, längere Lebenserwartung), zweitens verfügen sie häufig über nennenswerte freie Kaufkraft (solide Altersversorgung, weniger Kaufbedarfe) und drittens sind sie auch gewillt, diese Kaufkraft für sich auszugeben, statt zu sparen (Kinderlosigkeit, gut versorgte Kinder, Nachholbedarf). Problematisch ist jedoch die Adressierung dieses Segments, denn das biologische und das mentale Alter fallen auseinander. Best Agers (50 +) fühlen sich deutlich jünger, und sind objektiv auch fitter, als kalendarisch ausgewiesen. Insofern ist ein hohes Maß an werblicher Sensibilität erforderlich. Familienstand als ledig, verheiratet, geschieden, verwitwet, zusammen / getrennt lebend, auch daraus kann auf das Kaufverhalten geschlossen werden. Hier ist ein deutlicher Trend zu Alleinstehenden und unkonventionell zusammenlebenden Familien (Patchwork) zu konstatieren. Der Familienstand spielt als Segmentierungskriterium bei vielfältigen Angeboten eine Rolle, z. B. den Familientarifen bei Mobilfunk., Single-Packungsgrößen, verliert aber ständig an Bedeutung. Familiengröße nach eins, zwei, drei, vier, fünf, mehr als fünf Personen im Haushalt lebend (Beispiel: Einpersonen-Packungseinheiten): Naturgemäß stellt sich das Kaufverhalten in Großhaushalten anders dar als in Kleinhaushalten, jedoch ist ein deutlicher Schwerpunkt bei geringeren Familiengrößen festzustellen, z. B. wegen doppelter Berufstätigkeit. Dabei liegt die Überlegung zugrunde, dass viele Pro-

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dukte zunehmend von Kindern allein entschieden werden, etwa im Rahmen steigenden Taschengelds / steigender Geldgeschenke, oder zumindest stark beeinflusst, etwa bei technischen Gebrauchsgütern wie Telekommunikationsgeräten, Computerspielen, Freizeitangeboten etc. Allerdings wird auch der Anteil der Haushalte ohne Kinder immer größer, da sich die Vereinbarkeit von Kindern und Beruf vor allem für Frauen leider nach wie vor als schwierig darstellt. insofern sinken sowohl die Kinderzahl je Haushalt als auch das Erstgebärendenalter. Schulbildung nach Hauptschule ohne / mit Abschluss, Realschulabschluss, Gymnasialabschluss oder gleichwertig, Lehre, Anlernabschluss, Fachschulabschluss, Fachhochschulabschluss, Hochschulabschluss (Beispiel: Studierenden-Abonnement): Hierbei ist eine zunehmende Nivellierung festzustellen, da Abitur und Hochschulabschluss angesichts bildungspolitischer Anstrengungen und auch Privatisierung zum „Regelfall“ werden. Dieses Kriterium kann sowohl allein als auch kombiniert mit Beruf / Einkommen dienen. Einerseits wird dabei wohl an die Vermittlung anspruchsvollerer Produkte gedacht, andererseits an die frei zur Verfügung stehende Kaufkaft. Ersteres hat Einfluss auf die Auslobung von Produkten, letzteres auf deren Ausgestaltung. Die frei verfügbare / diskretionäre Kaufkraft verändert sich seit Jahren real kaum. Vielmehr ist eine Geldillusion verbreitet. Im Rahmen der Ausbildungs-Eskalation wirkt dieses Kriterium jedoch immer weniger differenzierend. So liegt die Abiturientenquote bei knapp 50 % eines Altersjahrgangs, die Akademikerquote bereits bei knapp 40 %. Gesellschaftliches Ziel ist es zudem, beide Quoten noch signifikant zu steigern (Bologna-Abkommen). Berufsgruppe, also in Ausbildung / Schule / Lehre / Hochschule, ganztags berufstätig, teilzeitbeschäftigt, nicht berufstätig, haushaltsführend, Haushaltungsvorstand, ungelernte Arbeiter, Facharbeiter, Landwirte, einfache Angestellte / Beamte, mittlere / gehobene Angestellte / Beamte, freie Berufe, Selbstständige, leitende / höhere Angestellte / Beamte (Beispiel: Beamtenbeihilfetarife in der PKV): Dieses Abgrenzungskriterium hängt eng mit der Ausbildung zusammen und beeinflusst das Einkommen. Insofern ist fraglich, ob es als unabhängige Größe geeignet ist, obgleich es häufig zur Segmentation dient, da es vergleichsweise leicht erfassbar ist. Allerdings ist das dabei angewendete Raster sehr grob gestrickt und trägt der Ausdifferenzierung der Gesellschaft nicht angemessen Rechnung. Außerdem ist der Zugang zu bestimmten Produkten nach Beruf restringiert. Einkommen als Haushaltsnetto-, persönliches, verfügbares, frei verfügbares, ProKopf-Einkommen (Beispiel: Premium-Kreditkarten): Die Einkommenszuwächse der Vergangenheit flachen vor allem infolge der aufklappenden Brutto-NettoSchere, ab. Das Einkommen betrifft die verfügbare / disponible Kaufkraft nach Abzug aller Steuern und Abgaben vom Bruttoeinkommen sowie nach Zuschlag aller Zulagen und Transferbezüge. Dadurch bestimmt sich nicht nur die Quantität möglicher Käufe, sondern auch die Qualität der Produktarten. Dabei ist hierzulande tendenziell eine Spreizung der Extremwerte in Superreiche (aus Vermögenseinkommen) und Superarme (mangelnde Altersvorsorge, alleinstehende Mütter,

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Schicksalsschläge) sowie zudem eine Verdichtung der Mitte zu beobachten. Für letzteres sind die deckelnd wirkende Steuern- und Abgabenbelastung der Mittelschicht sowie Sozialleistungen im Rahmen der gesamtwirtschaftlichen Umverteilung ursächlich. Als weitere Einflussfaktoren sind die relative Ausgabenneigung (bei niedrigeren Einkommen höher), die räumliche Verteilung (West-Ost- und Süd-Nord-Gefälle) und die jeweils betrachtete Produktart (Sättigungseffekt) etc. zu nennen. Problematisch ist die Erfassung des Einkommens. Dies kann mangels Auskunftswilligkeit und Feststellungsmöglichkeit nur über Angaben in Befragungen, allerdings in der Belastbarkeit (Reliabilität) notleidend, oder indirekt über Indikatoren erfasst werden als Soziale Fremdeinstufung / SFE. Die Kaufkraft kann näherungsweise aus der Einkommensteuer-Statistik der Finanzamtsbezirke abgeleitet werden. Diese Erfassungsunschärfen sind von erheblicher Bedeutung, da das Einkommen häufig als Abgrenzungskriterium herangezogen wird. Bevölkerungsdichte des Erstwohnsitzes nach Nielsen-Gebiet, Bundesland, kreisfreie Stadt / Landkreis, Postleitzahlgebiet (Beispiel: Kfz-Haftpflichtversicherungstarife): Die Aussagefähigkeit lässt angesichts hoher Mobilität (Zweitwohnsitz, Wochenendbeziehung, Pendler etc.) deutlich nach. Dennoch werden Kaufentscheide vor allem als von der Raumlage beeinflusst angesehen. So ist der Fischverzehr in Norddeutschland ausgeprägter, der Teigwarenverzehr in Süddeutschland. Dies kann empirisch vielfach bestätigt werden, allerdings wirken dabei moderierende Variable ein wie Ausbildung, Einkommen, Beruf etc. ein. Von weiterem Einfluss ist die Einzelhandelslandschaft in städtischen vs. ländlichen Gebieten, jedoch nivel­ lieren diese Unterschiede angesichts der zunehmenden Verbreitung von E-Commerce, das beinahe gebietsunabhängig (kein „Funkloch“) nutzbar ist. Die Nationalität als deutsch, deutschstämmig, europäisch, andere Abstammung rubriziert werden. Dabei ist eine verstärkte internationale Durchmischung festzustellen, die Veränderungen im Kaufverhalten bei Alteingesessenen wie Zu­ gewanderten herbeiführt, auch im Sinne der Angleichung. Allerdings findet dieses Kriterium zahlreich Anwendung, etwa bei Mobilfunk-Tarifen, Lebensmittelherstellern oder Medien. Im Außenhandel findet es, wenngleich rechtlich umstritten, als Dumping Anwendung. Zugleich muss unbedingt eine Diskriminierung vermieden werden.

3.2.5.3 Aktiografische Kriterien Alternativ oder auch zusätzlich dazu ist es sinnvoll, bei kaufentscheidungsorientierten Kriterien anzusetzen, soweit diese als Datenstamm verfügbar sind. Die Preisbedeutung bezieht sich z. B. auf die Bevorzugung bestimmter Preisklassen beim Kauf oder auf den Kauf von Sonderangeboten nach Preis-LeistungsVerhältnis. Das allgemeine Preisinteresse wird durch Preis-Promotions von Hersteller- und Handelsstufe gefördert und steigt auch durch besseren Zugang der

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Zielpersonen zu Informationsmedien. Ein prägnantes Beispiel sind Sonderangebotskäufer. Für die werbliche Umsetzung bedeutet dies, dass das Preisargument besonders herausgestellt werden sollte. Es gibt aber durchaus auch die umgekehrte Sicht, das mit Niedrigpreisen auch Qualitätseinbußen zu vermuten sind. Die Einkaufsstättenwahl bezieht sich z. B. auf die Präferenz für bestimmte Betriebsformen des (Einzel-)Handels oder einzelne Geschäftsstätten. Dabei ist eine Polarisierung zu verzeichnen, einerseits in High-Level-Outlets, in denen die Leistungskomponente des Angebots promotet wird sowie andererseits Low-Level-Outlets, in denen die Preiskomponente betont wird. Ein Beispiel ist beim Versorgungshandel gegeben, dem gegenüber steht der Erlebnishandel mit Beratung, Auswahl, Dekoration etc. Dieses Kriterium wird angesichts stark steigender ECommerce-Umsätze quer über alle Sortimentsbereich immer weniger bedeutsam. Der Einkaufszeitpunkt bezieht sich z. B. auf inoffizielle Saisonschlussverkäufe als bevorzugte Termine für Modeartikel. Zu denken ist auch an die Wahl der Vorsaison für Urlaubsreisen oder Subskriptionen bei Verlagsprodukten. Die dabei hinzunehmenden Einschränkungen werden von Zielpersonen angesichts der dadurch zugreifbaren Vorzüge als gering eingeschätzt. Dies hat Bedeutung für das Timing der Werbung, das Abstufungen vorsehen sollte. Hier ist ein Ansatzpunkt für Verkaufsförderungs-Maßnahmen im stationären sowohl als auch virtuellen Handel. Die Produktartenwahl bezieht sich z. B. auf den Kauf bzw. Nichtkauf bestimmter Produktgruppen. So werden Cabrios von anderen Käufersegmenten bevorzugt als Jeeps oder Großraumlimousinen, Veganprodukte von anderen als Vollwertprodukte etc. Ein anderes Beispiel sind Designerprodukte. Hier ist im Regelfall eine sehr klare Abgrenzung der Zielpersonengruppe möglich. Allerdings verschieben sich Produktschwerpunkte angesichts gesamtgeellschaftlicher Einflüsse, so werden Kleinwagen für klassische Oberklasselimousinen-Käufer interessant, vegetarische und vegane Produkte, vor allem als Flexitarier für ehemalige Fleischesser (siehe etwa Rügenwalder Mühle) oder Solaranlagen für Hausbesitzer mit konventioneller Heizung. Darauf nehmen auch Faktoren wie Alter, Kinderzahl, Berufswechsel etc. Einfluss. Das Produktvolumen bezieht sich z. B. auf das Kauf- und Verbrauchsvolumen. So werden Großpackungen vorwiegend von Intensivverwendern und Großverbrauchern, Kleinpackungen hingegen von Extensivverwendern und Single-Haushalten gekauft. Insofern können durchaus ähnliche zeitliche Kaufabstände gegeben sein. Ein Beispiel findet sich bei Großpackungen von Verbrauchsprodukten. Leider führen Vorratsgebinde bei Lebensmitteln zur Entsorgung an sich noch brauchbarer Artikel in erschreckendem Ausmaß (MHD). Der Besitzstatus bezieht sich etwa auf Immobilien, Automobile, Gärten, Haustiere etc. Innerhalb dieser Merkmale kann wiederum abgestuft werden, z. B. Rasenmäher für Besitzer kleinerer Gärten und größerer Gärten, Halter von Hunden, Katzen, Nagetieren etc. Dabei ist nicht nur auf den aktuellen Status, sondern

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auch auf absehbare Statusänderungen abzuheben. So haben Gartenerstbesitzer, Tierersthal­ter etc. einen ausgiebigen Initialbedarf an Ausstattungen, den man abschöpfen kann. Im Zeitablauf kommen dann Erweiterungs-, Modernisierungs- und Änderungsanschaffungen hinzu, so dass ein respektabler Kundenwert aufläuft. Die Mediennutzung bezieht sich z. B. auf Art und Anzahl der zur Ansprache nutzbaren Medien sowie auf die Intensität deren Nutzung. Eine bedeutende Rolle spielen Medien wie die meinungsbildende Presse (Info-Elite) oder Soziale Netzwerke. Außerdem ist nach der Nutzungsintensität zu unterscheiden, etwa bei linearem und nicht-linearem TV. Ein Beispiel ist bei Meinungsbildnern gegeben. Dies hat konkrete Folgen für den einzusetzenden Media-Mix. Hierbei ist eine deutliche Verschiebung des Informationskonsums von offline / linearen Medien zu OnlineMedien zu verzeichnen. Dies gilt vor allem für junge Zielgruppen. Diese dort über Werbemittel zu erreichen, stellt sich als herausfordernd dar. Die Verwendungsart bezieht sich z. B. auf Unterschiede in der privaten oder gewerblichen Nutzung ein und desselben Produkts (Haushaltsstrom / Industriestrom, Dieselkraftstoff / Heizöl, Streusalz / Viehsalz etc.). Insofern können erheb­ liche Abweichungen in der Reaktion auf Kommunikationsaktivitäten vorliegen. Im gewerblichen Bereich geht es vor allem darum, die Beschaffung revisionsfest zu machen. Von daher zielen werbliche Auslobungen auf objektiv nachvollziehbare Argumente. Im privaten Bereich kann emotionaler argumentiert werden, erst recht, wenn es um Anschaffungen für den Eigenbedarf geht. 3.2.6 Ansätze speziell im B-t-b-Sektor Die bisherigen Ausführungen bezogen sich primär auf den Bereich privater Abnehmer. Aber auch der Bereich gewerblicher Abnehmer ist der Marktsegmentierung zugänglich. Dafür findet sich eine ganze Reihe von Ansätzen. Die wohl wichtigsten sind die Folgenden (siehe Abbildung II/34: Formen der B-t-b-Marktsegmentierung). Einstufig erfolgt die Marktsegmentierung anhand objektiver oder subjektiver Kriterien. Zu den objektiven, quantitativen Kriterien gehören etwa • Art der Abnehmerbranche, Unternehmensgrößenklasse, Standort des Unternehmens, • Anwenderstatus, Technologiestand, Kundenkompetenz, spezifische Produktanwendungen, • Organisationsstruktur, allgemeine Beschaffungspolitik, Auftragsumfang etc. Zu den subjektiven, qualitativen Kriterien gehören etwa • Bedarfsdringlichkeit, organisationaler Willensbildungsprozess, bestehende Beziehungen, Machtstrukturen,

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Abbildung II/34: Formen der B-t-b-Marktsegmentierung

• Käufer-Verkäufer-Ähnlichkeit, Entscheidungskriterien, • Lieferantentreue, Risikobereitschaft etc. Eine solche einstufige Marktsegmentierung ist einfach handhabbar, allerdings ist ein so bestimmtes Marktsegment noch immer heterogen strukturiert. Vor allem die subjektiven Kriterien unterliegen zudem erheblichen Trennunschärfen. Zweistufig-sukzessiv erfolgt die Eingrenzung anhand einer aufeinander folgenden Makro- und anschließenden Mikrosegmentierung: • Die Makrosegmentierung bezieht sich auf die Beschaffungsorganisation, also die formale Ebene. Sie verschafft eine Grobgliederung zur Segmentierung, zentral / dezentral, nach Branchen / Produkten, nach Ländern etc. Direkt beobachtbare Kriterien sind Unternehmensgröße, Branchenzugehörigkeit, Verwendungshäufigkeit, Standort etc., nur indirekt ableitbar sind Corporate Identity, Leistungsfähigkeit, Entscheidungsstil etc. • Die Mikrosegmentierung bezieht sich auf die entscheidensrelevanten Mitglieder dieser Organisation, also die personale Ebene. Sie setzt als Feingliederung darauf auf. Direkt beobachtbare Kriterien sind Alter, Geschlecht, Ausbildung, Beruf, Rolle der Entscheidungsträger etc., nur indirekt ableitbar sind Kenntnisstand, Entscheidungsstil, Einstellung, Risikoverhalten etc. Diese Form der Segmentierung ist folgerichtig. In einer ersten Stufe wird eine Grobsegmentierung vorgenommen, an die sich in einer zweiten Stufe eine Feinsegmentierung anschließt. Unschärfen ergeben sich durch die Wahl der jeweiligen Kriterien auf diesen beiden Stufen.

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II. Steuerung der Marketingkommunikation

Die dreistufig-sukzessive Marktsegmentierung (Gröne) vollzieht sich nacheinander auf folgenden Stufen: • Auf der ersten Ebene der organisationsbezogenen Kriterien, etwa – organisationsdemografische Merkmale wie Standort (Werden Entscheidungen am Stammsitz oder in ausländischen Dependancen getroffen?), – Betriebsform, bei Kapitalgesellschaften meist risikoscheuer als bei Personengesellschaften, – Institutionalisierung der Einkaufsfunktion durch Zentralisation / Dezentralisation, – Aufgabenbereich (Erfolgt die Beschaffungsentscheidung zentral oder dezentral?), – organisatorische Beschaffungsregeln wie faktengestützte oder emotionsgeleitete Angebotsbewertung, – computergestützte Einkaufshilfsmittel wie Bestellvorschläge / VMI. • Auf der zweiten Ebene der Merkmale des Entscheidungskollektivs, etwa – Größe des Buying Center ausufernd oder konzentriert, – Zusammensetzung des Buying Center mit Dominanz von Fach- oder Funk­ tionsspezialisten, – Willensbildungsanteile nach Funktionen, Abteilungen, Positionen und deren Machtverteilung, • Auf der dritten Ebene der Merkmale des konkret entscheidungsbeteiligten Individuums, etwa – Informationsverhalten faktenorientiert oder imageorientiert, – Einstellungen gegenüber neuen Anbietern / Angeboten als Promotor oder Opponent. Eine Einteilung in drei Stufen vermag bereits, eine sehr feinteilige Marktsegmentierung zu erreichen. Problematisch ist nach wie vor die sukzessive Anlage, die bei einer unzweckmäßigen Wahl auf einer vorgelagerten Stufe zur ungeeigneten Konsequenz auf der nachgelagerten führt. Eine vierstufig-simultane Marktsegmentierung erfolgt gleichzeitig anhand folgender Kriterien: • Wirtschaftsbranche, vor allem – Alter / Entwicklung, also traditionell oder innovativ, – Typus als Industriegut, Konsumgut, Dienstleistung,

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• Unternehmensstruktur, vor allem – Größe / Position und Konzentrationsgrad, – Kulturprägung, • Organisationstypus, vor allem – Struktur / Prozess hierarchisch oder informell, dabei dokumentiert oder improvisiert, – Entscheidung zentralisiert oder dezentralisiert, • Produktart, vor allem – Anlage, System, Rohstoff, – Betriebsmittel, Werkstoff, Teile, Komponente, Gebrauchtware etc. Hierbei werden zum ersten Mal mehrere Kriterien parallel zur Marktsegmentierung angelegt. So entsteht aus vier Teilmengen eine mehrfache Schnittmenge, die eine starke konzeptionelle Tiefe aufweist und daher ein sehr genaues Profil des anvisierten Marktes verschafft. Ob dies praktikabel ist, muss im Einzelfall beurteilt werden. Die fünfstufig-simultane Marktsegmentierung (Nested approach / Bonoma-Shapiro) vollzieht sich gleichzeitig anhand folgender Kriterien (Schalenansatz): • Ökoskopische Merkmale (Welche Branchen, Unternehmen welcher Größe, welche geografischen Gebiete stehen im Mittelpunkt?), • Leistungsbezogene (operative) Merkmale wie Technologien, technische Ausstattungen oder finanzielle Möglichkeiten. (Auf welche Kundentechnologien soll man sich konzentrieren? Soll man sich auf Intensiv-, Medium- oder Extensivverwender oder aber auf Nichtverwender konzentrieren? Soll man sich auf Kunden konzentrieren, die viele produktbeglei­ tende Dienstleistungen benötigen oder auf solche, die nur wenige benötigen?), • Beschaffungs-Merkmale wie formale Organisation, Beschaffungsrichtlinien oder Machtstrukturen. (Soll man sich auf Unternehmen mit stark zentralisierter oder dezentralisierter Beschaffungsfunktion konzentrieren? Soll man sich auf Unternehmen konzentrieren, bei denen die Technikabteilung dominiert, oder auf solche, in denen die Finanzabteilung dominiert oder andere? Soll man sich auf Unternehmen konzen­trieren, zu denen bereits Geschäftsbeziehungen unterhalten werden, oder nur die attraktivsten Kunden ansprechen? Soll man sich auf Kunden konzen­ trieren, die Leasing, Wartungsverträge, Systemkäufe oder die Beschaffung mittels Ausschreibungen bevorzugen? Soll man sich auf Kunden konzentrieren, die

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II. Steuerung der Marketingkommunikation

in erster Linie Wert auf Qualität legen, oder auf Kundendienst, oder auf niedrige Preise?), • Situative Faktoren wie Dringlichkeit des Kaufs, Spezialwünsche oder Auftragsvolumen. (Soll man sich auf Unternehmen konzentrieren, die auf schnelle und kurzfristige Lieferungen angewiesen sind? Soll man sich auf bestimmte Anwendungen eines Produkts konzentrieren, statt auf alle? Soll man sich auf hohe oder geringe Auftragsgrößen konzentrieren?), • Individuelle Charakteristika wie Risikoverhalten, Toleranz oder Image- / Fakten­ reaktion. (Soll man sich auf Unternehmen konzentrieren, deren Mitarbeiter und Wertvorstellungen Ähnlichkeit mit den eigenen aufweisen? Soll man sich auf risikofreudige oder auf vorsichtige Kunden konzentrieren? Soll man sich auf Unternehmen konzentrieren, die ihren Lieferanten gegenüber besonders loyal sind?). Diese simultane Abgrenzung verstärkt noch einmal die Tiefe der Darstellung und führt zu einem pointierten Profil des Marktsegments, häufig auch eines einzelnen, aktuellen oder potenziellen Abnehmers. Dies ist für maßgeschneiderte Kommunikationsaktivitäten, etwa bei Key-Accounts, sinnvoll und auch notwendig, für eine holistische Segmentierung aber wenig praktikabel. Die einstufige Marktsegmentierung ist angesichts komplexer Marktstrukturen wohl überfordert und kann allenfalls zur ersten Orientierung dienen. Die zweioder mehrstufige, sukzessive Marktsegmentierung bietet den Vorteil, bei einer zweckmäßigen Drill down-Stufe stoppen zu können, allerdings werden Potenziale auf Folgestufen möglicherweise bereits durch Weichenstellung auf den Vorstufen ausgeschlossen. Die mehrstufige simultane Marktsegmentierung bietet zweifellos die exakteste Abgrenzung, führt jedoch leicht zu unnötig kleinen Marktsegmenten mit limitiertem Geschäftsumfang. Konsequent führt diese Segmentierung zum Segment of One-Ergebnis, d. h. jeder (geschäftsrelevante) Abnehmer muss individuell adressiert und argumentativ behandelt werden. Damit sind Massenmedien eindeutig überfordert.

3.3 Basis der Marketingstrategie Ausgangspunkt aller kommunikationsstrategischen Überlegungen ist immer eine fundierte Marketingstrategie. Dazu stehen als Hilfsmittel mehrere Systematisierungsansätze zur Verfügung. Die wohl bedeutsamsten sind die Marktstimulierung (3.3.1) mit der Präferenz- und der Preis-Mengen-Position sowie das Marktverhalten (3.3.2) mit der Marktrolle und der Marktinitiative. Diese werden im Folgenden aussagefähig dargestellt (siehe Abbildung II/35: Basis der Marketingstrategie).

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Abbildung II/35: Basis der Marketingstrategie

3.3.1 Marktstimulierung Marktstimulierung betrifft die Art der Akquisition am Markt. Dabei ergeben sich die Alternativen der Präferenz-Position und der Preis-Mengen-Position. Beide sind durch grundlegende Geschäftsprinzipien gekennzeichnet. Zunächst zur Umsetzung der Präferenz-Position. 3.3.1.1 Präferenz-Position Eine Marke ist unerlässliche Voraussetzung für jede Marketingstrategie, die nicht allein auf Preisvorteil aufbaut. Darüber ein Produkt zu verkaufen, ist jedoch das kleinere Problem. Wirklich interessant ist hingegen, Präferenzen im Markt aufzubauen, die fähig sind, sogar einen Preisnachteil zu kompensieren. Dies wiederum ist nur über einen Markenartikel möglich. Und dieser wird erst zu einem solchen durch Kommunikation. Die Maxime Gewinnpriorität vor Umsatz- / Absatzorientierung impliziert ein Wert- anstelle von Mengendenken. Dies mag selbstverständlich klingen, ist aber in einer vordergründig immer noch auf Wachstum fixierten Wirtschaftsordnung eher außergewöhnlich. Zudem wird oftmals fälschlich unterstellt, dass mit steigendem Um- / Absatz Gewinne parallel oder gar überproportional steigen. Dem steht jedoch wachsende Komplexität mit Zunahme organisatorischer, nicht wertschöpfender Aktivitäten entgegen, welche die Rentabilität belasten. Die Durchsetzung eines Hochpreislevels wird erst über Präferenzaufbau in der Nachfragerschaft möglich. Prämienpreissetzung bedeutet, dass der Preis eines Produkts durchgängig über dem durchschnittlichen Preis des Mitbewerbs angesetzt wird. Dadurch wird die Preisbereitschaft der Nachfrager ausgereizt, und es können hohe Stückgewinnspannen erzielt werden. Diese Preisforderung engt den Kreis der Nachfrager ein und führt zur angestrebten Exklusivität. So ist eine schnelle Amortisation des eingesetzten Kapitals erreichbar. Außerdem dient der Preis oft

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II. Steuerung der Marketingkommunikation

als Qualitätsindikator. Allerdings höhlen preisaggressive Mitbewerber die Marktstellung leicht aus, und es besteht die Gefahr, dass Nachfrager sich übervorteilt fühlen. Schließlich ist die Umsetzung nur bei optimiertem Marketing-Mix darstellbar. Beim monopolistischen Preisspielraum geht es um die Erarbeitung eines Bereichs, innerhalb dessen die Preiselastizität der Nachfrage gering ist. Dem liegt das gedankliche Modell einer zweifach geknickten Preisabsatzfunktion zugrunde. Sie stellt damit eine Kombination aus der linear-negativ geneigten Preisabsatzfunktion des Monopols und der voll-elastischen Gerade des Polypols dar und führt zu einem Verlauf, der negativ geneigt in je einen Abschnitt mit relativ geringer negativer Neigung, ähnlich der Situation im Polypol, einen Abschnitt mit großer negativer Neigung, ähnlich der Situation im Monopol, und einen weiteren Abschnitt mit relativ geringer negativer Neigung unterteilt werden kann. Dadurch entstehen zwei Knickstellen in der Preisabsatzfunktion, innerhalb deren ein monopolistischer Bereich liegt. Typisch für viele Märkte ist eine große Anzahl von Anbietern bei hoher Unvollkommenheit jedes Marktes. Diese fehlende Homogenität führt dazu, dass jeder dieser Anbieter eine quasi-monopolistische Stellung einnimmt. Die Grenzen werden durch einen oberen und unteren Grenzpreis markiert. Innerhalb dieser Grenzpreise ist jeder Anbieter relativ frei in der Setzung seiner individuellen Preis-Mengen-Kombination. Die Nachfrager ziehen einen bestimmten Anbieter anderen vor und sind deshalb bereit, einen höheren Preis zu akzeptieren. Marketing hat zum einen zum Ziel, den monopolistischen Bereich möglichst steil verlaufend zu gestalten. Denn je steiler der Verlauf, desto geringer fällt ein Nachfragerückgang bei Preisanhebung aus. Die Steilheit der Kurve ist unmittelbar abhängig vom Ausmaß der Präferenzen. Je größer diese sind, desto inflexibler reagiert die Nachfrage. Zum anderen hat Marketing zum Ziel, die Grenzpreise so weit wie möglich zu spreizen. Dies gilt besonders für den oberen Grenzpreis, der den Preissetzungsspielraum des Anbieters limitiert. Darüber hinaus führen Preisanhebungen zu umfangreichem Absatzrückgang, weil dann die Preisbereitschaft der Nachfrager überstrapaziert wird. Der untere Grenzpreis ist demgegenüber wegen der sich dort ergebenden meist niedrigen Erlöse und etwaiger Kapazitätsrestriktionen weniger interessant. Der monopolistische Preisspielraum wird ganz entscheidend durch die Kommunikation geprägt. Die Gewährleistung hoher Produktqualität ist unerlässliche Voraussetzung für den Präferenzaufbau. Durch ausgefuchste Qualitätssicherungssysteme sollte eine drastische Senkung der Fehlerrate gelingen. Eine potenzielle Schwachstelle ist dabei allerdings nach wie vor der Mensch. Erst dessen Ambition setzt unternehmerische Ansprüche in Realität um. Einer attraktiven Packung kommen wichtige Kommunikationsfunktionen zu. Dazu gehört die adäquate Anmutung in der Zielgruppe, die wirksame Differenzierung und Identifizierung, eine hohe Auffälligkeit zur Selbstverkäuflichkeit, die Auslobung am Produkt durch eine Werbeaussage, die qualitätsabsichernde Markierung, Herkunftskennzeichnung und Produktbezeichnung. Allerdings gibt es auch

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Produkte ohne Packung, bei denen dem Produktäußeren an sich hohe Attraktivität zukommen muss. Dies wird durch Design und Styling zu erreichen versucht. Zu denken ist etwa an technischen Gebrauchsgüter, vornehmlich solche, die sozial auffällig sind. Zudem steht die Packung aus ökologischer Sicht in der Kritik, so dass der Packungsaufwand reduziert und homogenisiert wird. Umfangreiche Mediawerbung dient der Erreichung hoher Bekanntheit und Vertrautheit in der Zielgruppe, sowohl über Klassische als auch Nicht-klassische Medien. Dies stößt insofern auf nicht geringe Schwierigkeiten, als das allgemeine „Grundrauschen“ der Werbung bereits so hoch ist, dass es besonderer Aufwendungen bedarf, sich daraus hervorzuheben. Ansonsten unterliegt man der Neutralisierungswirkung. Dies ist aber nur eine Seite der Medaille. Die andere ist, dass dort, wo eine solche Penetration gelingt, die Zielpersonen mit Reaktanz reagieren, da sie Manipulation wittern. Von daher sind die Erfolge der Mediawerbung fraglich. Die einzige Alternative liegt in der Substitution von Werbebudget durch schlagkräftige Ideen, mit denen die Rezipienten sich auseinander zu setzen bereit sind und die bei ihnen Kompetenz und Sympathie aufbauen. Tatsächlich ist der Leistungsbeitrag der Werbung am wirtschaftlichen Erfolg eines Angebots (Return on Advertising / ROA) nur sehr schwer bis gar nicht feststellbar. Selektive Distribution unterstützt die Sicherung eines angebotsadäquaten Verkaufsumfelds. Dabei wird nur ein Absatzkanal mit ausgewählten Akteuren eingeschaltet. Dies entspricht zwar einer eher geringen Erhältlichkeit im gewählten Absatzgebiet, führt aber zur homogenen Struktur der Absatzmittler/-helfer, etwa nur Fachhandel. Vorteile liegen in der Nutzung der Hebelwirkung bestgeeigneter Akteure und deren gesteigerten Geschäftsinteresses, in der Möglichkeit zu nachhaltiger Kontaktpflege zu diesen Abnehmern sowie in einer überschaubaren Absatzstruktur. Nachteile liegen im hohen Risiko bei Ausfällen und Verschiebungen im Absatzkanal, in niedriger Erhältlichkeit des Produkts mit der Gefahr geringer Kapitalisierung dessen akquisitorischen Potenzials sowie in mangelnder Anpassung an die Dynamik der Absatzwege.

3.3.1.2 Preis-Mengen-Position Die Preis-Mengen-Position ist durch entgegengesetzte Anforderungen gekennzeichnet (siehe Abbildung II/36: Präferenz-Position – Preis-Mengen-Position). Das Preiswettbewerbskonzept drückt sich in aggressiver, kompetitiver Preissetzung durchgängig unter dem durchschnittlichen Preis des Mitbewerbs aus. Dabei handelt es sich um die wirksamste und zugleich für die Konkurrenz empfindlichste Waffe. Bestehende Mitbewerber können dadurch verdrängt, neue vom Markteintritt abgeschreckt werden. Preisbrecher können zudem mit Goodwill und Sympathie in der Öffentlichkeit rechnen. Ein Niedrigpreisimage bewirkt, dass ein Angebot in die engere Auswahl eines breiten Publikums gelangt. Allerdings sind große

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II. Steuerung der Marketingkommunikation

Abbildung II/36: Präferenz-Position – Preis-Mengen-Position

Mengen Voraussetzung, da ein gewinnbringendes Angebot nur bei Nutzung von Stückkostendegression darstellbar ist. Außerdem sind eine langsamere Verzinsung des eingesetzten Kapitals und damit ein erhöhtes Risiko hinzunehmen. Niedrigpreise sind zudem mit fehlendem Prestigewert und Qualitätszweifeln verbunden. Absatzpriorität vor Gewinnorientierung, also Marktanteilsausbau, ist hier als primäres Ziel zu nennen. In der Marktform des Monopols wird dies bei halber Menge zwischen Kaufverhinderung und Verschenken erreicht, in der Marktform des Polypols an der Kapazitätsgrenze jedes Anbieters. Diese kann jedoch durch zeitliche und intensitätsmäßige Anpassung kurzfristig ausgedehnt werden. Dem liegt die Vermutung zugrunde, dass es einfacher ist, Markterfolg durch große Menge bei niedrigem Preis / Stückgewinn zu erreichen als durch geringe Menge bei hohem Preis / Stückgewinn. Tatsächlich steigt für gewöhnlich die Rendite mit steigendem Marktanteil überproportional. Dies haben umfangreiche empirische Analysen im Rahmen des PIMS-Projekts als Kernaussage ergeben. Beim Preis-Leistungs-Verhältnis erfolgt die Kundengewinnung über eine vorteilhafte Kosten-Nutzen-Relation, die durch interne Kostenorientierung bei mittlerer Produktqualität realisierbar wird. Dabei handelt es sich um einen gedanklichen Quotienten aus Preis im Zähler und Leistung im Nenner. Absatzrationalisierung erfolgt durch Effizienzsteigerung bei Akquisition und Logistik. Ersteres impliziert im Wesentlichen den Verzicht auf Formen des Persönlichen Verkaufs, statt dessen etwa die Nutzung medialer Formen der Dialogwerbung. Letzteres betrifft die Optimierung von Transport und Lagerung. Einflussgrößen darauf sind Eigen- oder Fremdbetrieb von Transport und Lagerung sowie Wahl des Transportmittels und des Lagerstandorts.

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Auch erfolgt eine Grundnutzenargumentation unter Verzicht auf profilierende Zusatznutzen. Grundnutzen ist dabei die Eignung eines Angebots, den gestellten Anforderungen gebrauchstechnisch in Bezug auf die objektive Funktionserfüllung, gerecht zu werden. Diese Grundnutzen sind bei der heute allgemein vorauszusetzenden hohen Qualität des Marktangebots zwar überwiegend ohnehin gegeben, werden jedoch in Ermangelung anderer auslobungsfähiger Merkmale bedeutsam. Damit ist ein insgesamt geringerer Marketing-Mix-Einsatz zur Kostenreduktion und deren Weitergabe im Preis verbunden. Denn Marketingkosten gehen über die weit verbreitete Mark up-Kalkulation in den Angebotspreis ein. Jeder Aufwand im Marketingbereich verringert damit die Chance für einen Penetrationspreis. Oder umgekehrt, ein Penetrationspreis wird trotz Degressionseffekten nur durch Einsparung im Marketingbereich überhaupt erst möglich. Die Akzeptierung von Risiken ist unerlässlich, da der Preis das gefährlichste Wettbewerbsinstrument darstellt. Dies betrifft vor allem die Preisuntergrenze, da es bei geringer Gewinnspanne durch Preisnachgiebigkeit rasch zu Verlusten kommt. Dabei ergeben sich mehrere Preisuntergrenzen, diejenige, die nicht nur die Deckung aller Kosten, sondern auch die Erzielung eines Mindestgewinns zulässt, diejenige, die zwar die Deckung aller Kostenelemente erlaubt, jedoch nicht mehr die Erzielung eines Gewinns, und diejenige kurzfristige, die zwar keine Gewinnerzielung mehr erlaubt, aber wenigstens alle ausgabenwirksamen, meist variablen Kosten abdeckt. Breite Distribution bis hin zur Überallerhältlichkeit ist vorteilhaft, um Kontaktchancen zu erzeugen. Dabei sollen möglichst viele, mit vertretbarem Aufwand zu erfassende Akteure in den Absatzkanal einbezogen werden. Im Grenzfall der Ubiquität sollen alle objektiv überhaupt in Frage kommenden Akteure in den Absatzkanal einbezogen werden. Vorteile liegen in der weitgehenden bzw. vollständigen Marktausschöpfung, in umfassender Kapitalisierung der Verkaufsvorbereitungen, in der Initiierung ungeplanter Käufe durch zufälligen Kontakt zwischen Produkt und potenziellen Nachfragern und in der weitgehenden Vermeidung der Abhängigkeit von Absatzmittlern. Nachteile liegen jedoch im hohen Aufwand zum Aufbau und Erhalt, der kostentreibend wirkt, in der nachlassenden Effizienz zuwachsender Absatzstellen und der schwierigen Kontrolle der Präsentationsbedingungen mit Beeinträchtigung des Produktimages durch diffuse Geschäftsstättenimages.

3.3.1.3 Marktpolarisierung Die genannten Erkenntnisse führen zu einem u-förmigen Zusammenhang (Porter-Kurve)  zwischen Unternehmenserfolg, gemessen in Gewinn oder ROI, und Mengenoutput, gemessen in Absatz oder Marktanteil. Danach ist der Unternehmenserfolg hoch, wenn der Mengenoutput entweder sehr niedrig ist oder sehr hoch, und niedrig, wenn der Mengenoutput nur ein mittleres Niveau erreicht (siehe

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II. Steuerung der Marketingkommunikation

Abbildung II/37: Alternativen der Marktpolarisierung). Von daher muss ein Unternehmen entweder anstreben, einen hohen Grad an Exklusivität zu erreichen oder eine extrem hohe Verbreitung. Ersteres ist aufgrund des geringeren Geschäftsvolumens zwar mit höheren Stückmargen, aber absolut mit geringeren Gewinnen verbunden als letzteres.

Abbildung II/37: Alternativen der Marktpolarisierung (Quelle: eig. Darst.)

Diese Polarisierung führt zu einer Überlebensfähigkeit nur noch durch Leistungsführerschaft durch Präferenzstrategie oder Kostenführerschaft durch PreisMengenstrategie, während der Bereich dazwischen / Stuck in the middle durch den Wettbewerb aufgerieben wird. Erstere bedeutet damit Qualitätswettbewerb mit konsequentem Einsatz aller nicht-preislichen Marketing-Instrumente zur Beeinflussung des Marktes. Es handelt sich allerdings um eine „Langsamstrategie“, die kontinuierlichen Aufbau erfordert. Die dadurch gewonnenen Käufer dürften jedoch bei geschickter Markenpflege zum Kundenstamm gerechnet werden und Anfechtungen der Konkurrenz im hohen Maße widerstehen. Letztere stellt den Preis als zentrales Marketinginstrument zur Marktbeeinflussung in den Mittelpunkt. Dabei handelt es sich um eine „Schnellstrategie“, die eine Marktposition kurzfristig aufbaut, allerdings kaum reversibel ist. Zumal sie sich an Käufer wendet, die ein Angebot nicht in erster Linie aus emotionaler Zuwendung heraus bevorzugen, sondern bei noch preisgünstigeren Angeboten leicht zum Mitbewerb abwandern. Sie repräsentieren damit in hohem Maße vagabundierende Kaufkraft. Dazwischen ist weder der Leistungsvorteil am Markt ausgeprägt genug, um die höheren Preise zu akzeptieren, die aufgrund fehlender Degressionseffekte zur Kostendeckung erforderlich sind, noch der Kostenvorteil, um gegen aggressive Mitbewerber kostendeckend erfolgreich anbieten zu können. Man sitzt „zwischen den Stühlen“.

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3.3.2 Marktverhalten Das Marktverhalten bestimmt sich im Wesentlichen durch die Optionen der Marktrolle und der Marktinitiative. Die Marktrolle meint die Festlegung des kommunikativen Agierens eines Unternehmens auf dem Markt. Dabei ergeben sich zwei Alternativen. In Bezug auf die gleiche Marktseite, also den Mitbewerb, gibt es die passive Begegnung als vollständige oder überwiegende Übernahme des Marketing-Mix eines nachzueifernden Anbieters oder die aktive Absetzung als bewusste Eigenständigkeit des Marketing-Mix im Verhältnis zu allen vergleichbaren Anbietern am Markt. In Bezug auf die andere Marktseite, also die Endnachfrage, gibt es die Aktivität als Marktgestaltung durch initiative Einwirkung auf die Marktsituation im Sinne der Veränderung zu eigenen Gunsten, oder die Passivität als Marktanpassung durch adaptive Reaktion auf eine gegebene Marktsituation, um diese für sich zu nutzen. Aus den Optionen der Marktrolle ergeben sich damit insgesamt vier Kombina­tionen: • Bei der aktiven Absetzung ist eine Abgrenzung in Bezug auf die gleiche Marktseite und Aktivität in Bezug auf die andere Marktseite gegeben als Marktanführer. Dieser ist zumeist auch größter Anbieter am Markt, kann aber auch nachgeordnet sein und diesen dennoch entscheidend beeinflussen. Für den werblichen Auftritt folgt daraus, dass dieser eine Souveranitätsausstrahlung haben muss. Dies wiederum hat Folgen für die Argumentation, die Medien-, Werbeträgerund Werbemittelwahl, konkret z. B. TV-Werbung auch für die Second Audience der Absatzmittler/-helfer oder Mitarbeiter (z. B. Dyson Haushaltsgeräte). • Bei der aktiven Begegnung ist eine Orientierung an der gleichen Marktseite mit Aktivität in Bezug auf die andere Marktseite gegeben als Marktherausforderer. Dies ist ein Unternehmen, das dem Marktanführer seine Leader-Position streitig machen will, dazu muss es ihn erst einmal überholen, was schwierig genug ist. Für den werblichen Auftritt bedeutet dies, dass eine offensive, evtl. auch aggressive Argumentation erforderlich ist. Dazu gehören offene oder verdeckte Vergleiche mit dem Marktanführer (z. B. Emma vs. Bett1 im vorher total verschlafenen Matratzenmarkt). • Bei der passiven Begegnung ist eine Orientierung an der gleichen Marktseite mit Passivität in Bezug auf die andere Marktseite gegeben als Marktmitläufer. Dieser versucht, im Windschatten der anderen Anbieter zu prosperieren, ohne groß aufzufallen oder Aktivitäten der Marktpartner auszulösen. Die werblichen Aktivitäten sind inhaltlich und formal zurückhaltend angelegt, sie nutzen häufig den Windschatten der Marktführeraktivitäten und partizipieren daran (z. B. Tassimo / Caffissimo etc. relativ zu Senseo bei Kapselkaffee). • Bei der passiven Absetzung ist eine Abgrenzung in Bezug auf die gleiche Marktseite mit Passivität in Bezug auf die andere Marktseite gegeben als Marktsegmentierer. Dies ist ein Unternehmen, das sich bewusst auf eine Nische zurück-

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zieht, die für andere Anbieter subjektiv weniger interessant oder auch objektiv nicht ohne Weiteres zugänglich ist. Die werbliche Argumentation und Medienwahl kann auf spezifische Zielgruppen hin optimiert werden, so dass auch kleine Budgets hier große Wirkung hinterlassen können (z. B. Ricola-Kräuterbonbons). Hinsichtlich der Marktinitiative zu Aktivitäten eines Anbieters am Markt ergeben sich folgende Optionen: • Der Innovator nimmt ständig neue Chancen in Angriff und bearbeitet neue Märkte mit neuen Produkten. Verbreitet wird dem ein generischer Vorteil zugeschrieben, die First mover advantage (z. B. Tesla Elektroautos). Allerdings ist zu konstatieren, dass es ebenso erfolglose Innovatoren wie auch erfolgreiche Frühe Folger gibt. Insofern wird die praktische Bedeutung der Innovation womöglich überschätzt, wichtiger ist, rasch reagieren oder Inkrementalneuerungen anbieten zu können. Werblich werden hierzu vielfach nicht-klassische Medien eingesetzt. • Der Frühe Folger wagt zwar nicht den ersten Schritt, ist jedoch viril genug, ohne wesentliche Verzögerung auf den Vorstoß des Innovators mit Verfolgung reagieren zu können. Dadurch können Risiken vermindert werden, allerdings vermindern sich spiegelbildlich auch Chancen. Frühe Folger sind oft Großunternehmen, die zu behäbig sind, Trends frühzeitig aufzugreifen oder versuchen, ihre veralteten Angebote qua Marktmacht weiterhin in den Absatzkanal zu drücken (z. B. deutsche Autohersteller bei Elektromobilität). Werblich geht damit zumeist ein überlegener Budgeteinsatz einher. • Der Späte Folger kapriziert sich auf Detailverbesserungen und kundenspezifische Umsetzungen von Produkten und tritt erst in einem fortgeschrittenen Marktstadium, dann aber mit optimierter Lösung, auf. Problematisch ist die „Zeitfalle“ rascher Innovationszyklen. Diese Unternehmen greifen Neuerungen nur widerwillig und halbherzig auf. Ob sie dabei reüssieren, hängt davon ab, ob die Innovation sich am Markt durchsetzen kann. Häufig ist daher Abwarten keine so schlechte Option (Beispiel: Solartechnik). Werblich werden dazu personell, räumlich, sachlich und zeitlich fokussierte Maßnahmen eingesetzt. • Und der Nachzügler tritt erst am Markt auf, wenn dieser sich bereits in der Degenerationsphase befindet. Meist handelt es sich um mehr oder minder bewusste Kopien von Erfolgsprodukten, die über sehr niedrigere Preise den Markt in seiner Endphase abräumen. Früher war dies eine Domäne der japanischen oder koreanischen Anbieter, heute sind chinesische und indische Anbieter führend. Leider werden dabei aus Gier vielfache ethische, aber auch rechtliche Standards gerissen. Werbliche Aktivitäten spielen, kostensparend, meist keine große Rolle, wichtiger ist der Preis. Diese Einteilung folgt dem allgemeinen Marktlebenszyklus. Für die Beeinflussung des individuellen Produktlebenszyklus ergeben sich darüber hinaus verschiedene Ansatzpunkte für werbliche Absichten, so die Folgenden (siehe Abbildung II/38: Beeinflussungen des Produktlebenszyklus):

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• Steilerer Anstieg der Diffusionskurve zur Forcierung des Umsatzerfolgs durch Maßnahmen profilierender Art als Produktneuheit oder generischer Art als Marktneuheit. Dazu zählen vor allem die rasche Bekanntmachung des neuen Angebots und dessen frühe Übernahme durch aktive Personengruppen. Aus der raschen Progression folgt auch ein Wettbewerbsvorsprung, der über den Lebenszyklus hinweg tragfähig bleibt (= a in Abb. II/38). Ein Teilziel ist vor allem die Schaffung von Fakten gegenüber potenziellen Nachfolgern, z. B. durch effektivere Akquisition. • Gestreckter Verlauf der Diffusionskurve, vor allem in der Penetrations- und Saturationsphase. Daraus resultiert ein positiver Cashflow, weil die Umsätze noch ansehnlich, gleichzeitig die Anlagen vorzeitig abgeschrieben und weitere Investitionen aufgrund des absehbaren Lebenszyklusendes eng begrenzt sind. Häufig werden dazu Produktrevitalisierungen und -differenzierungen eingesetzt (= b). Ein wichtiges Teilziel ist die Erhöhung der Kundenbindung über CRM-Maßnahmen. • Verzögerter Abfall der Diffusionskurve durch Maßnahmen der laufenden Angebotsaktualisierung zur kontinuierlichen Produktpflege (Product care). Dabei gilt es, sich vor allem aufkommenden Mitbewerbs zu erwehren, der Nachfrage vom eigenen Absatz- / Umsatzvolumen abziehen will. Dazu werden häufig leistungsfähigere oder preisgünstigere Angebote eingesetzt (= c). Ein Teilziel ist hier die verlängerte Nutzung getätigter Marktinvestitionen für mehr Periodenrentabilität. • Ein forcierter Abfall der Kurve durch vorzeitige Elimination vermeidet die mit der Degenerationsphase verbundenen Verluste, wenn keine Chance mehr gesehen wird, das Angebot anderweitig aufrechtzuerhalten. Schwache Produkte binden Ressourcen, die anderweitig besser eingesetzt sind, weil sie dort eine höhere Hebelwirkung entfalten (= d). Teilziele sind hier die Marktbereitung für ein Nachfolgeprodukt und die Vermeidung suboptimaler Ressourcenbindung. • Höheres Niveau der Diffusionskurve durch Maßnahmen zur produktlichen Aufwertung in Leistung bzw. Nutzen. Dazu gehören Facelifts, die dem Markt immer wieder verhaltene Wachstumsschübe geben. Dabei geht es sowohl um mehr Menge, etwa durch More Selling, als auch mehr Wert, etwa durch Up Selling. Außerdem können neue Nachfragergruppen attrahiert und Kundenabwanderungen vermieden werden (= e). Ein wesentliches Teilziel ist die bessere Ausschöpfung des monetären Marktpotenzials. • Relaunch bei Umkehr der Wachstumsdynamik durch Produktmodifikationen in Form von Upgrading durch mehr Leistung oder Downgrading durch niedrigeren Preis. Dabei wird das bestehende zugunsten eines variierten Produkts vom Markt genommen. Dadurch soll das Angebot von Nachfragern als neu erlebt werden, so dass eine neue Wachstumsdynamik entsteht (= f). Teilziel ist die Ini­ tiierung eines neuen Lebenszyklus auf höherem Niveau.

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II. Steuerung der Marketingkommunikation

Abbildung II/38: Beeinflussungsoptionen des Produktlebenszyklus (Quelle: eig. Darst.)

3.4 Bedeutung des Markenartikels Der Markenartikel ist von zentraler Bedeutung in der Kommunikation. Die Marke ist allgemein eine formale Kennzeichnung von Waren / Diensten oder Unternehmen / Firma, die Interessenten deren Identität anzeigt, um sie bei ihnen zu identifizieren und zu profilieren sowie von Leistungen anderer Herkünfte / Absender zu unterscheiden und abzugrenzen. Eine Marke bildet materiell zugleich die Persönlichkeit einer Leistung, sie verhält sich komplementär zu ihrem Nutzer und spiegelt dessen Werthaltungen, die damit im sozialen Umfeld spezifisch ergänzt und verstärkt erkennbar werden. Produkte, die mit einer Marke versehen werden, sind, sofern ihnen vom Markt eine entsprechende Geltung zugesprochen wird, Markenartikel. Unter Branding versteht man kommunikative Maßnahmen, die dazu geeignet sind, ein Angebot aus der Masse gleichartiger Angebote herauszuheben und eine eindeutige Zuordnung von Angeboten zu ermöglichen. 3.4.1 Markeninhalte Der Markenartikel wird im Einzelnen durch folgende Inhalte charakterisiert: • Einheitliche Aufmachung, obgleich im Zeitablauf beinahe unmerklich variierend. Dies meint also keinesfalls Starrheit im Auftritt, sondern ganz im Gegenteil kontinuierliche Flexibilität, die sich elegant Zeitströmungen anpasst, ohne seine Unverwechselbarkeit dabei zu verlieren.

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• Gleich bleibende oder verbesserte Qualität, Quantität und Preisstellung. Dies meint das Bemühen um eine stetig verbesserte Leistungsfähigkeit, eine nachfragegerechte Dimensionierung und damit ein günstiges Preis-Leistungs-Verhältnis für ein Angebot. Qualitätszweifel nagen verheerend unmittelbar am Vertrauen zur Marke. • Standardisierte Fertigware für den differenzierten Massenbedarf. Dies meint, dass es sich um ein prinzipiell gleichartiges Serienprodukt handelt, dessen Profil auf bestimmte Marktsegmente zugeschnitten ist. Dies engt Roh- und Halbstoffe sowie Dienstleistungen als markenfähig ein. • Warenzeichen zur durchgängigen Kennzeichnung. Dies meint, dass alle Kommunikationsaktivitäten konsequent mit einem eigenständigen Markenzeichen versehen sind, gleich ob auf der Ausstattung, dem Produkt selbst oder den dazugehörigen Werbemitteln. • Eigenschaftszusage über systematische Kommunikationsmaßnahmen. Dies meint, dass durch substanzielle Werbeaktivitäten konsistente Botschaften über die spezifische Leistungsfähigkeit des Markenangebots verbreitet werden, die aus Publikumssicht als Garantieaussagen zu verstehen sind. • Dichte Distribution bis hin zur Ubiquität im gewählten Verbreitungsgebiet. Dies meint die nennenswerte Verbreitung des Markenartikels innerhalb eines definierten Absatzraumes und / oder -kanals. Dieses Kriterium ist extern nur schwierig zu beurteilen. • Hohe Bekanntheit und Anerkennung im Markt. Dies meint einen hinreichenden formalen Bekanntheitsgrad der Marke verbunden mit inhaltlicher Aufladung in Bezug auf Angebotsanspruch, Nutzenversprechen und Imageausstrahlung. Wichtig ist dabei die richtige Zuordnung der Inhalte zur Marke. 3.4.2 Markeneigenschaften Aus den Inhalten des Markenartikels resultieren wichtige Eigenschaften: • Schaffung eines Kommunikationsmittels vom Hersteller zum Zwischen- und Endabnehmer. Das Vorhandensein einer Marke ermöglicht erst den Dialog des Herstellers mit seinen Abnehmern. • Augenfällige Differenzierung zu Wettbewerbsangeboten. Die Prägnanz einer Marke erlaubt die positive Abgrenzung des eigenen Angebots zu denen der Konkurrenz. • Präferenzbildung zugunsten des eigenen Angebots, damit zugleich Diskriminierung des Mitbewerbs im fairen Parallelwettbewerb. • Orientierungshilfe in der Angebotsvielfalt. Durch die Ausbildung einer Rangordnung innerhalb objektiv gleichartiger Angebote wird die Orientierung in der zunehmenden Vielfalt von Angeboten erleichtert.

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• Sicherheit beim Kauf. Diese Übersicht erzeugt Kaufsicherheit insofern, als eine Marke anderen wegen ihres im Vorhinein bekannten Leistungsprofils vorgezogen wird. • Wiedererkennbarkeit und Wiederholungskaufchance. Die Markierung eines bestimmten Angebots ermöglicht die Wiedererkennung und bietet damit erst die Chance zum Wiederkauf. • Aufbau von Markenbindung und Markentreue. Dadurch wird eine bewusste Loyalität zu einem Angebot bei Übereinstimmung zwischen den subjektiven Erwartungen und der Markenleistung ermöglicht. • Erreichung eines Preissetzungsspielraums. Diese Bindung ermöglicht die Nutzung der daraus resultierenden geringeren Preiselastizität der Nachfrage für die Ausschöpfung höherer Erlöse im Markt, ohne dass Kunden gleich abwandern. • Voraussetzung für Absatzsicherung bzw. -ausweitung. Durch hohe Marken­ bindung und Marktausschöpfung kann die Absatzbasis nachhaltig gesichert, womöglich sogar ausgeweitet werden. • Marktplanbarkeit und Planerfüllungswahrscheinlichkeit. Die hohen Aufwendungen zur Markenbildung werden erst vor dem Hintergrund der Planabsicherung durch die Marke tragbar. • Möglichkeit zu Zielgruppenmarketing. Die Marke ermöglicht die Segmentierung des Gesamtmarkts über den Einsatz eines differenzierten Marketing-Instrumentariums. • Individuelle Bedarfsbefriedigung. Daraus folgt auf der Nachfrageseite die Möglichkeit zur gezielten Nutzenwahl, indem unter mehreren, prägnant und kompetent profilierten Marken genau die wählbar wird, die den eigenen Zielvorstellungen am besten entspricht. 3.4.3 Markenzeichen Das Markenzeichen wird gemeinhin als Logo bezeichnet und kann in verschiedenen Modalitäten auftreten: • Wortmarken sind Marken, die nur aus Text bestehen. Dieser Text kann typografisch, nicht jedoch grafisch, gestaltet sein. Dennoch ist er aufgrund mangeln­der Unterscheidungskraft nur selten schützbar. Beispiele sind Samsung, Siemens oder Sony, wobei hier schon typografische Individualisierungen vorgenommen werden. • Eine Bildmarke besteht nur aus einer Abbildung. Beispiele sind der Anker von Bosch, der Stern von Mercedes oder das S von Sparkasse. Die Abbildung eines Produkts reicht zur Eintragung regelmäßig nicht aus.

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• Eine Wort-Bildmarke ist eine dauerhafte Kombination aus grafischen und textlichen Elementen in einer Darstellung. Dies ist die mit Abstand häufigste Form des Markenzeichens. Beispiele sind Haribo / Goldbär oder TUI / Ikonografie. • Geruchsmarken (auch olfaktorische Marke) sind grundsätzlich, sofern ihnen Unterscheidungskraft zukommt, schützbar. • Gleiches gilt für degustative Marken, also solche, die bestimmte Geschmackseindrücke monopolisieren. • Ein Beispiel für eine Tastmarke (auch taktile Marke) ist die typische Packpapierverpackung der Underberg-Flasche. Darüber hinaus hat Underberg den Markennamen dort in Blindenschrift / Braille aufgebracht und dieses schützen lassen. • Hörmarken (auch akustische Marke) bestimmen sich aus dem Klangbild heraus. Sie sind über die Notenschrift definiert. Problematisch ist, dass Geräusche nicht durch Noten darstellbar sind und Noten wiederum durch zahlreiche Modalitäten wie Dynamik, Klangfarbe oder Instrumentierung variierbar sind. Geschützte Beispiele sind: – die Melodie „Ein schöner Tag“ von Diebels für Bier und alkoholische Getränke (Eggermont / Schoen / Kunze / Wenzel), – die Tonfolge der vier Punkte der Telekom für Telekommunikation (McHale). • Farbmarken sind, wenn sie nach einem Farbklassifikationssystem wie Pantone, RAL oder HKS definierbar sind, als Marken schützbar. Wichtig ist allein die Unterscheidungskraft. Beispiele sind: – das Gelb des ADAC, RAL 1021, für Kfz-Dienstleistungen, – das Magenta der Deutschen Telekom, – das Nivea-Blau von Beiersdorf, – das Milka-Lila von Jacobs-Suchard / Mondolez. • Eine dreidimensionale Marke entsteht durch die körperhafte Darstellung des Markenzeichens. Beispiele sind das gewölbte VW-Zeichen oder der kleine WAnhänger an allen Wellendorff-Schmuckartikeln. • Auch Bewegungsmarken sind schützbar. So ist das Schneidesymbol mit Zeigeund Mittelfinger von Twix / Mars geschützt. Ebenso die Flügeltüröffnungssymbolik für Countach / Lamborghini und das T-Zeichen mit zwei Händen zum seinerzeitigen IPO der Telekom als „Volksaktie“.

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3.4.4 Markenauswahl Von zentraler Bedeutung im Käuferverhalten ist bei der Wichtigkeit des Markenartikels das Markenbewusstsein. Der selektiven Markenauswahl liegt der Relevant Set of Brands zugrunde (siehe Abbildung II/39: Relevant Set of Brands).

Abbildung II/39: Relevant Set of Brands (Quelle: eig. Darst.)

Ausgangsbasis ist der Total Set aller denkbaren Angebote. Dieser unterteilt sich in Available Set und Unavailable Set. Der Available Set ergibt sich als alle in einem gegebenen Zeitpunkt an einem gegebenen Ort innerhalb einer gegebenen Produktgruppe verfügbaren Marken. Zum Beispiel stellt das Available Set im Falle Pkw die Gesamtheit aller überhaupt angebotenen Pkw-Marken dar. Von diesem ist aber nur ein Teil physisch verfügbar, aufgrund des Händlernetzes oder gar vorhanden als Vorratsfahrzeuge. Nicht verfügbare Angebote kommen zur Auswahl nicht in Betracht (= Unavailable Set). Der Available Set unterteilt sich in Awareness Set und Unawareness Set. Zum Awareness Set gehören alle Marken, die dem Käufer bekannt sind. Zum Unawareness Set gehören alle Marken, die dem Käufer unbekannt sind. Diese fallen für den Kaufentscheid schon einmal aus. Daher ist es für Anbieter notwendig, in der Zielgruppe zumindest einmal bekannt zu sein, wenngleich dies ist nicht hinreichend ist. Der Awareness Set unterteilt sich in Marken, die dem Käufer nicht näher vertraut und damit für ihn unwichtig sind, den Foggy Set, und solche, die dem Käufer vertraut und wichtig sind, den Processed Set. Nur diese Marken kommen im Weiteren für einen Kaufentscheid in Betracht. Selbst Personen mit hoher Markttransparenz ist nur ein Teil der tatsächlich verfügbaren bzw. vorhandenen Pkw-Marken präsent. Nur diese bilden also den Processed Set, der Rest verschwindet im Foggy Set.

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Der Processed Set unterteilt sich wiederum in abgelehnte Marken, die den Reject Set (auch Inept Set) ausmachen, und akzeptierte Marken, die den Accept Set darstellen. Abgelehnte Marken scheiden im Weiteren eindeutig aus. Aber nicht alle Angebote im Accept Set sind gleichermaßen für einen möglichen Kauf akzeptiert. Das heißt, von den präsenten Pkw-Marken werden nur begrenzt viele als subjektiv für kauffähig erachtet. Daher unterteilt sich der Accept Set nochmals in vorläufig zurückgestellte Marken, die den Hold Set (auch Inert Set) ausmachen, und schließlich in wenige, präferierte Marken, die den Evoked Set of Brands ausmachen. Nur unter diesen wenigen Marken fällt die tatsächliche Kaufentscheidung. Das heißt, innerhalb der präsenten und grundsätzlich akzeptierten Pkw-Marken sind solche, die man lieber und solche, die man weniger gern kauft. Die solcherart präferierten Pkw-Marken machen den Evoked Set aus, die anderen den Hold Set. Die größte Chance hat die Top of Mind-Marke, also diejenige mit der größten Präferenz in der Zielgruppe. Das Problem besteht darin, dass Käufer aufgrund ihrer begrenzten Datenaufnahme-, Datenverarbeitungs- und Datenspeicherungskapazitäten erfahrungsgemäß allenfalls einige wenige Marken je Warengruppe im Evoked Set präsent haben. Da aber nur unter diesen letztlich der Kaufentscheid fällt, ist es für Anbieter überlebenswichtig, zu diesen wenigen Marken bei einer möglichst großen Anzahl von potenziellen Käufern in jedem Zeitpunkt und an jedem Ort der Verbreitung zu gehören. Dazu bedarf es intensiver Marketinganstrengungen wie: • Schaffung von Verfügbarkeit im Available Set durch geeignete Distributionsmaßnahmen, • Verbesserung des Bekanntheitsgrads im Awareness Set durch Wahl geeigneter Medien, • Erhöhung des Vertrautheitsgrads im Processed Set durch Wahl geeigneter inhaltlicher Botschaften, • Steigerung der Akzeptanz / Kompetenz im Accept Set durch nachhaltige, oft dialogische Kommunikation, • Aufbau der Präferenz / Respektierung im Evoked Set durch Angebot konkreter, attraktiver Nutzen. Vor allem neue Angebote haben nur dann eine Chance, in den Evoked Set aufgenommen zu werden, wenn es ihnen gelingt, zugleich eine dort präsente Marke zu verdrängen, oder aber einen neuen Markt, und damit einen neuen Evoked Set of Brands, zu etablieren, was allerdings außerordentlich selten gelingt. Dagegen wiederum setzen sich die bestehenden Anbieter zur Wehr. Die größte Absicherung gegen Verdrängung besteht für den Marktführer, denn jeder erinnert sich, wer als erster die Mondoberfläche betrat, aber kaum einer weiß, wer der dritte war, dem dies gelang. Markenpräferenzen beruhen auf Sympathie, Überzeugung, Gewohnheit, Risikomeidung, Sozialisation oder Tradition, aber auch auf Distribution / Logistik.

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3.4.5 Markenschutz Der Markenschutz ergibt sich auf dreierlei Weise: • durch Eintragung der Marke in das Markenregister des Deutschen Patent- und Markenamtes / DPMA als Registermarke, • durch Benutzung, sofern die Marke Verkehrsgeltung erworben hat, also ein erheblicher Teil der Abnehmer die Marke einem bestimmten Absender zuordnet als Benutzungsmarke, • durch notorische Bekanntheit, falls eine Marke generisch geworden geworden und damit nicht mehr eintragungsfähig ist wie beispielsweise Tempo, Fön, Nutella, Tesa, Jeep. Bei Notorietätsmarken ist es entscheidend, sie konsequent durchzusetzen, da sie ansonsten ihren Markenschutz verlieren wie bei Lotto für Zahlenglückspiele, Gelbe Seiten für Telefonverzeichnisse oder Post für Postdienstleistungen. Ein Schutz kann durch Warenzeichenhinweis (R oder TM) verdeutlicht werden (z. B. DAX ®). Der Eintrag der, häufigsten, Registermarke erfolgt auf Basis eines Antrags, der Angaben zur Identität des Anmelders, zum zu schützenden Markenzeichen und zu schützenden Waren und Dienstleistungen enthält. Mit dem Anmeldetag bestimmt sich die Priorität. Der Antrag ist auf einem vorgegebenen Formular einzureichen. Zur Wahrung der Priorität kann er zunächst auch formlos eingereicht werden. Die Anmeldung wird veröffentlicht. Das DPMA prüft dann absolute Schutzhindernisse. Dazu gehört u. a., ob die angemeldete Marke unterscheidungsfähig ist, beispielsweise nicht Diesel für Kraftstoffe, wohl aber für Kleidung, ob die Marke grafisch darstellbar ist, ob ein Freihalteinteresse besteht wie etwa Rotes Kreuz, ob die Marke bereits im allgemeinen Sprachgebrauch üblich geworden ist und ob sie zu einer notorisch bekannten Marke verwechslungsfähig oder identisch ist. Bestehen keine Beanstandungen, wird die Marke in das Markenregister eingetragen. Damit entsteht Markenschutz. Nicht geprüft wird zunächst, ob Verwechslungsfähigkeit oder Identität mit einer bereits eingetragenen, nicht-notorisch bekannten Marke besteht. Dies wird erst im Widerspruchsverfahren geklärt. Dazu müssen Markeninhaber mit älterem Zeitrang schriftlich Widerspruch gegen die Eintragung der jüngeren Marke erheben. Die Anforderungen an die Unterscheidbarkeit sind umso höher, je ähnlicher die Waren und Dienstleistungen des zeitälteren Markeninhabers zu denen sind, für die Schutz begehrt wird. Evtl. wird die jüngere Marke dann teilweise oder ganz aus dem Waren- und Dienstleistungsverzeichnis gelöscht. Sofern eingetragene Marken nicht binnen fünf Jahren benutzt werden, verfallen sie. Sie bleiben zwar im Register eingetragen, der Inhaber einer zeitjüngeren Marke kann jedoch die Einrede der Nichtbenutzung erheben, so dass seine Marke eingetragen werden kann, obgleich ein zeitälterer Markeninhaber existiert. Kann

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die Benutzung der Marke von ihm jedoch nachgewiesen werden, wird der Widerspruch verworfen. Die Schutzdauer beträgt zehn Jahre, kann aber gegen Gebühr unbegrenzt jeweils um weitere zehn Jahre verlängert werden. Der Markenschutz einer Registermarke erlischt durch Nichtzahlung der Gebühr, durch Nichtbenutzung binnen fünf Jahren nach Eintrag oder durch Degeneration zu einem Gattungsbegriff. Die Marke ist dann aber ggf. als notorische Marke auch ohne Eintrag geschützt. Ein bekanntes Beispiel ist in diesem Zusammenhang das des französischen Gelegenheitsarbeiters, der 1992 in Frankreich Classe E als Marke u. a. für Fahrzeuge anmeldete, später auch in der Schweiz und in Deutschland. Die Anmeldung von Daimler für E-Klasse / Classe E bei seiner neuen Fahrzeugreihe scheiterte daher wegen zeitlicher Priorität. Der Zeichenberechtigte bot jedoch an, gegen Zahlung eines Abschlagbetrags von damals 150.000 DM eine Nutzungslizenz an seiner Marke zu verkaufen. Gegen diese zweifelhafte Nutzung der Marke klagte Daimler. Das Gericht bestätigte dies, da der Markenhalter keinen auf Kraftfahrzeuge zugeschnittenen Geschäftsbetrieb unterhalte und die Berechtigung von Vorratsmarken als von ihm vorgetragene Existenzgründungsidee ablehnte (zumal der Beklagte auch Marken anderer großer Markenartikler für sich beanspruchte). Zudem war die Marke E-Klasse von Daimler durch entsprechende Presseveröffentlichungen bereits publik gemacht worden war. Der Ansatz wiederholte sich für zahlreiche Web-Marken wie Gelbe Seiten, Epson, Eltern, Brockhaus, Heidelberg, Loveparade, Steiff etc. Hier hatten Personen ebenfalls entsprechende Domains angemeldet und für sich reserviert. Die Gerichte sahen darin jedoch eine Kennzeichnungs- bzw. Namensverletzung und sprachen die Rechte an der Domain entsprechend den originären Haltern neu zu. Der Markenschutz wird durch Piraterie unterlaufen. Diese tritt als Produkt- und Markenpiraterie sowie Plagiat auf. Unter Produktpiraterie versteht man das Angebot eines gleichen Produkts, das von einem Urheber geschützt ist, unter einer anderen Marke. Unter Markenpiraterie versteht man das Angebot eines anderen Produkts, das von einem Urheber geschützt ist, unter Verwendung der gleichen Marke. Kommen Produkt- und Markenpiraterie zusammen, handelt es sich um ein Plagiat / Counterfeiting. Ziel ist jeweils die beitragsfreie Partizipation am Image einer bekannten Marke durch Versehen der Produkte mit einem geschützten oder zu diesem verwechslungsfähigen Zeichen bzw. die Irreführung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft der Waren. Markenpiraterie ist an sich nichts Neues, die Besonderheit liegt vielmehr im Ausmaß durch planmäßige, gezielte und massenhaft professionell angelegte Verletzungen. Dadurch entstehen enorme, praktisch schwer zu beziffernde, gesamtwirtschaftliche Schäden, etwa durch Verlust von Arbeitsplätzen in entwickelten Hochlohnländern zugunsten von Billiglohnländern oder Hemmung von Innovationen, wenn der Originalhersteller damit rechnen muss, kopiert

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zu werden. Bevorzugte Herkunftsländer von Piraterieprodukten sind Tschechien, China, Hongkong, Taiwan, Vietnam, Polen, Thailand und Türkei, bevorzugte Piraterieprodukte sind Luxusgüter, Computer, Bild- und Tonträger, Textilien und Automobilteile. Zur Abwehr bestehen ungewöhnlich umfangreiche Rechte. Insbesondere darf verdächtige Ware an den Außengrenzen der EU, auf gebührenpflichtigen Antrag des Markenhalters hin, angehalten werden. Der Rechtsinhaber kann dann Einzelheiten zur Identifizierung der Ware liefern. Innerhalb von zehn Tagen entscheidet die Zollbehörde, ob eine Schutzrechtsverletzung vorliegt oder ob sie die Ware freigibt. Piratenware kann vernichtet werden. Darüber hinaus sind weitere Rechte ein verschuldensunabhängiger Folgenbeseitigungsanspruch sowie ein verschuldensabhängiger Schadensersatzanspruch. Weiterhin ein Auskunftsanspruch über Herkunft und Vertriebsweg der Ware, die Anwendung einschlägiger Strafvorschriften, die Grenzbeschlagnahme, ja sogar die Vernichtung der Betriebsmittel zur Fertigung der Piratenware, sofern der Pirat auch deren Eigentümer ist, nicht etwa nur Leasingnehmer. Grundsätzlich besteht weiterhin die Möglichkeit, gefälschte Ware, die im Einzelhandel auftaucht, auf Antrag des Markenhalters durch Polizei oder Zollfahndung beschlagnahmen zu lassen. Der Antrag kann formlos sein, besser aber mit Stellungnahme zu Fälschungsmerkmalen, und ist nicht kostenpflichtig. Üblich ist etwa vorab ein Testkauf mit Quittung im Handel zur Beweismittelsicherung. Außerdem besteht ein Auskunftsanspruch hinsichtlich der Ermittlungsergebnisse, wenn die Behörden von sich aus als Offizialdelikt ermitteln. Diese Sanktionen sind erforderlich, weil die Marke einen signifikanten Markenwert (Brand Equity) repräsentiert. Dieser macht bei den meisten Unternehmen den weitaus größten Teil des Unternehmenswerts aus. Gründe sind verbreitete Dienstleistungsunternehmen, die über kein signifikantes Anlagevermögen verfügen, Sachleistungshersteller, die sich vertikale Lieferketten bedienen (Outsourcing) oder Netzwerkunternehmen, die im wesentlichen ohne eigene Wertschöpfung koordinativ tätig sind (z. B. im Internet). Zu den wertvollsten internationalen Marken gehören lt. Kantar 2020 Amazon, Apple, Microsoft, Google, Visa, Alibaba, Tencent, Facebook, McDonald’s, Master​ Card. Zu den wertvollsten deutschen Marken gehören lt. Statista Mercedes-Benz, BMW, SAP, Volkswagen, Audi, Allianz, Adidas, Porsche, Siemens.

3.4.6 Markenstrategien Hierbei sind unterschiedliche Ausprägungen denkbar (siehe Abbildung II/40: Optionen der Markenstrategie). Eine Dach- / Firmenmarke (auch Branded House  / ​ Aaker, Marke gleich Firma) bedeutet, dass das gesamte Angebotsprogramm in Modelllinien unter einer einer einheitlichen Marke offeriert wird (Beispiel: Tchibo, Rewe, Fielmann). Es gibt vor allem folgende Vorteile:

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Abbildung II/40: Optionen der Markenstrategie

• Der Profilierungsaufwand der Marke wird von allen Produkten gemeinsam getragen, eine schnelle Akzeptanz für Neueinführungen im Handel scheint gesichert, die Markeninvestitionen sind nicht auf den Lebenszyklus einzelner Produkte beschränkt und gehen danach verloren. Ein Konzept der integrierten Corporate Communications wird möglich. Es ergeben sich Synergieeffekte zwischen Öffentlichkeitsarbeit für das Unternehmen und Werbung für das Produktmarketing. Dem stehen folgende Nachteile gegenüber: • Bei hohem Diversifikationsgrad verwässert die Markenkompetenz im Kern, Entscheidungen für ein Produkt betreffen immer auch sämtliche anderen, es besteht das Risiko negativer horizontaler Ausstrahlungseffekte, die einzelnen Produkte bleiben eher schwach profiliert, da das Markendach generalisierend wirkt. Negative Unternehmensnachrichten schlagen unvermindert auf das Markenprodukt durch. Und negative Markennachrichten schlagen voll auf das Unternehmen durch. Eine Familienmarke (auch Endorsed oder Subbrand / Aaker, Marke und Firma integriert) bedeutet, dass komplette Programmausschnitte eigene, selbstständige Marken tragen (Beispiele: Persil von Henkel, iPhone von Apple, Aspirin von Bayer). Es gibt vor allem folgende Vorteile: • Die gegenseitige Unterstützung der Produkte sorgt für deren bessere Durchsetzung bei Handel und Endabnehmern, die Kosten der Markenbildung und -pflege können durch Synergieeffekte geringer gehalten werden, starke Produkte lassen sich durch Imagetransfer auf neue Produkte „melken“, durch Aufbau von „Satel­ liten“ um die Basismarke herum kann diese leicht verjüngt werden. Die Herstel-

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lerkompetenz wird voll in die Marke mit eingebracht. Ein Markenlaunch profitiert von Anfang an vom dahinter stehenden Image des Herstellerabsenders. Dem stehen folgende Nachteile gegenüber: • Die spitze Profilierung der Rangemarke gerät mit jedem „Satelliten“ in Gefahr, die Markenkompetenz lässt nurmehr die Aufnahme verwandter Produktbereiche unter die Markenfamilie zu, außenstehende Produkte sind kaum isoliert durchsetzbar. Die Notwendigkeit der doppelten Namensnennung überlädt die Kommunikation und kompliziert diese. Hersteller und Produkt sind auf Gedeih und Verderb aneinander gekettet. Eine Produkt-Monomarke (auch Fantasiemarke, Marke isoliert von Firma) bedeutet, dass das gesamte Angebotsprogramm nur aus einer Marke besteht, die verschieden von der Firmierung ist (Beispiel: Jägermeister / Mast). Es gibt vor allem folgende Vorteile: • Die volle Konzentration aller Aktivitäten auf eine Produktmarke ist möglich, durch Fehlen des „Bauchladeneffekts“ von Multimarken-Anbietern entsteht ein klares Profil bei Absatzmittlern, eine gegenseitige Kannibalisierung differenzierter Produkte findet nicht statt. Die Separierung von Unternehmen und Produkt vermeidet negative vertikale Übertragungseffekte. Dem stehen folgende Nachteile gegenüber: • Es besteht beinahe völlige Abhängigkeit des Unternehmenserfolgs von der Monomarke, es fehlt die Basis für den Ausgleich saisonaler oder geografischer Disparitäten, es ist eine potenzielle Erpressbarkeit durch Absatzmittler gegeben, wenn die Alleinstellung erodiert, die Ansprache unterschiedlicher Nachfragersegmente ist stark eingeschränkt, Synergieeffekte aus Gemeinsamkeiten zwischen Produktangeboten entfallen. Produkt-Multimarken (auch House of Brands / Aaker, Marken ungleich Firma) bedeutet, dass das Angebotsprogramm aus mehreren unabhängigen Marken besteht (Beispiele: Procter & Gamble, Nestlé, Unilever). Die Einzelmarkenstrategie verfolgt dabei das Ziel, je relevantem Markt eine eigene Marke zu platzieren. Bei der Mehrmarkenstrategie wird hingegen beabsichtigt, je relevantem Markt mehr als eine eigene Marke zu platzieren, wobei sich dann das Problem der effizienten Abgrenzung stellt. Es gibt vor allem folgende Vorteile: • Die gezielte Ansprache einzelner Kundensegmente wird durch individuelle Profilierung möglich, es entsteht ein größerer Handlungsspielraum durch fehlende Verbundwirkung der Marken untereinander, es besteht keine Gefahr negativer Ausstrahlungseffekte auf andere eigene Marken im Falle des Flops einer Marke, Markenwechsler können durch Produktvarietät beim Unternehmen gehalten werden, ohne sie an Wettbewerber zu verlieren, durch die Einführung von Price off-Marken können die übrigen Marken weitgehend aus einem Preiskampf herausgehalten werden. Individuelle Justierung jeder Marke auf das jeweilige

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Nachfragesegment für mehr Erfolg. Möglichkeit zur Abdeckung durchaus gegensätzlicher Märkte, ohne Gefahr zu laufen, die Corporate Identity zu verlieren. Dem stehen folgende Nachteile gegenüber: • Die Gefahr von Kannibalisierungseffekten bei nicht ausreichender Trennung der Angebote voneinander ist gegeben, es besteht die Gefahr der Übersegmentierung, wodurch das jeweils ausbeutbare Marktpotenzial zu klein bleibt, es erfolgt keine Addition der Markenimages zu einem geschlossenen Absenderimage, jedes Produkt fordert für sich allein bereits hohe Kommunikationsaufwendungen, es drohen Restriktionen im Regalplatz des stationären Handels, da dieser absenderorientiert denkt. Notwendigkeit zu einer anderweitig ungestützten Etablierung am Markt. Aufsplittung der Aktivitäten auf mehrere Märkte lässt eine geringe Effizienz bzw. hohen Marketingaufwand vermuten. Die Zweitmarke ist innerhalb des Programms eines Herstellers unterhalb der Erstmarke positioniert. Die Drittmarke vertritt den Gattungswaren ähnliche Angebote unterhalb der Zweitmarke. Es gibt vor allem folgende Vorteile: • Bessere Ausschöpfung des Marktpotenzials über zweigleisiges Angebot je nach individueller Preisbereitschaft, Realisierung von Kostenvorteilen durch statische und dynamische Kostendegression, Möglichkeit der absatzkanalspezifischen Abdeckung mit Produkten. Dem stehen folgende Nachteile gegenüber: • Es besteht die Gefahr des negativen Imagetransfers von der Zweit- auf die Erstmarke, sofern deren Zusammenhang ruchbar wird, es erfolgt eine latente Verdrängung schwacher (Zweit-)Marken durch starke Handelsmarken, Gefahr der Aufreibung zwischen Handelsmarken einerseits und Gattungsware andererseits. Beispiele finden sich bei Hotels, etwa als Ibis-Klasse (Zweitmarke) zu MercureKlasse (Erstmarke) im Accor-Konzern. Die Premiummarke ist innerhalb des Programms eines Herstellers oberhalb der Erstmarke positioniert. Die Luxusmarke ist noch darüber in der Markenhierarchie angeordnet. Von Vorteil ist die Nutzung der höheren Preisbereitschaft imagedeterminierter Nachfragersegmente. Als Nachteil ergibt sich die Gefahr des Cascading als „Herunterziehens“ des Produkts im Markt durch Absatzmittler, etwa über Sonderangebote. Beispiele finden sich bei Kreditkarten, etwa als Amexco Platinium Card (Premiummarke) zu Amexco Green Card (Erstmarke). Diese Markenstrategien treten real durchaus kombiniert auf, sind also nicht überschneidungsfrei, sondern hier nur aus didaktischen Gründen getrennt dargestellt. Bei der Handelsmarke (Private Label) fungiert der Handel bei unechter Handelsmarke nur als Absender der Ware oder bei echter Handelsmarke auch als deren Produzent.

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Als Vorteile aus Herstellersicht ergeben sich folgende: • Bessere Auslastung vorhandener Produktionskapazitäten, gesteigerte Kosten­ degression für alle Erzeugnisse eines Auftragsloses durch einheitliche Produktion in großen Losen bei später Heterogenisierung, Vermeidung von Leerkapazitäten bzw. Auslastung großzügig dimensionierter Kapazitäten. Als Nachteile aus Herstellersicht ergeben sich folgende: • Verlust der preissensitiven Nachfragersegmente, möglicherweise unter Kanniba­ lisierung eigener Zweit- / Drittmarken, kein Beitrag zum Aufbau von Markenbekanntheit und -vertrautheit zugunsten des eigenen Absenders, Gefahr der Substitution der Nachfrage für erlösträchtigere eigene Produkte in problemlosen Bedarfsbereichen, das Preisbewusstsein der Nachfrager wird allgemein unnötig geschärft. Beispiele sind Sweetland / Katjes-Fassin, Choceur / Storck, Erlenbrunn / Dr. Oetker, Grandessa / Nestlé (alle Aldi). Gattungsware (No name) ist streng genommen nicht markenfähig, sondern firmiert als Generic / Weiße Ware. Eine Subsidiärmarke (Ingredient Brand) trägt ein Vorprodukt, das in ein Endprodukt als Komponente / Teil / Modul eingeht, dabei aber seine Identität erkennbar behält. Idee ist dabei die Übertragung des Push & Pull-Ansatzes in das Industriegütermarketing. Per Pull wendet sich der Hersteller an die Kunden seines Kunden-Stufe und schafft dort Nachfragesog durch Markenbegehrlichkeit, per Push wendet er sich an seine direkten Abnehmer mit dem Hinweis, dass dessen Kunden in der Subsidiärmarke einen Wettbewerbsvorteil sehen. Dadurch kann deren Nachfragemacht vermindert werden. Untergehende Marken (auch Quasi-Marken) gehen jedoch auf dem Weg der Veredelung durch die Wertschöpfung verloren und verlieren infolgedessen ihre Markeneigenschaft. Beispiele sind Dolby Rauschunterdrückungssysteme, Gore-Tex Kunststofftextilien, Intel Mikroprozessoren, Lycra Stretchfasern, Ceran Glaskeramik-Kochflächen, Tetra Pak Kartonverpackungen, Bosch Scheibenwischerblätter / A BSSystem, Shimano Fahrradegangschaltungen, Michelin Autoreifen, Nutrasweet Süßstoffe, Teflon Antihaftbeschichtungen, Recaro Autositze. Eine Transfermarke entsteht infolge horizontaler Diversifikation im Hersteller­ programm. Nutzengeprägte, konnotative Marken erleichtern einen Transfer, produktgeprägte, denotative erschweren ihn hingegen. Es gibt vor allem folgende Vorteile: • Übertragung der Bekanntheit und Vertrautheit aus einem Produktbereich in einen verwandten anderen des eigenen Programms. Mehrfache Liquidation eines einmal aufgebauten Markenimages, wechselseitige Aktualisierung der Angebotsinhalte zwischen Original- und Lizenzprodukt.

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Dem stehen folgende Nachteile gegenüber: • Es besteht die Gefahr, dass die Tragfähigkeit der Leader-Marke überstrapaziert wird. Gefahr von Markenstress bei nicht zueinander passenden Angeboten, Bume­rangeffekt auf die Lizenzgebermarke bei nicht imageadäquaten Transfer- /  Lizenzprodukten. Beispiele sind Milka als Riegel, Praline, Bonbon, Saisonartikel etc. oder Nivea als Shampoo, Kosmetik, Haarpflege etc. Eine Lizenzmarke entsteht durch den Transfer einer Marke von einem Anbieter in den verwandten Leistungsbereich eines anderen Anbieters mittels Lizenzvergabe oder -annahme. Voraussetzung ist ein starker imagebezogener, konnotativer Zusammenhang zwischen Lizenzgeber und Lizenznehmer. Beispiele finden sich bei Mövenpick durch Eis / Tiefkühltorten (als Lizenz bei Schöller), Kaffee (Darboven), Tee (Messmer), Fruchtaufstrich (Schwartau), Pralinen / Schokolade (Trumpf), Fruchtsaft (Underberg) oder bei Davidoff durch Uhren (als Lizenz bei SMH), Duftwasser (Lancaster), Brillen (Menrad), Zigaretten (Reemtsma), Lederwaren (Goldpfeil), Kaffee (Jacobs). Es gibt vor allem folgende Vorteile: • Mehrfache Liquidation eines einmal aufgebauten Markenimages durch Abstrahlungseffekt, gegenseitige Aktualisierung der Angebotsinhalte zwischen Stamm- und Lizenzprodukt ist möglich (Rückstrahlungseffekt), ansonsten kaum bekannte Produkte erhalten einen Akquisitionsschub, die Kosten einer neuer Markenentwicklung können eingespart werden. Dem stehen folgende Nachteile gegenüber: • Bei unzweckmäßiger Auswahl der Lizenzprodukte entsteht Markenstress für das Stammprodukt, bis hin zu einem Bumerangeffekt, Lizenzgeber und -nehmer sind in ihrem Markterfolg aneinander gekettet, bei Lizenznahme entstehen zusätzliche Kosten, bei Lizenzgabe zusätzliche Risiken über das anderweitig autonome Ausmaß hinaus. Bei der Kollektivmarke bedienen sich mehrere Hersteller zur Vermarktung derselben Marke, wie bei Gütezeichen oder Verbänden wie CMA / Deutsche Agrarwirtschaft. Die Beteiligten agieren dabei gleichberechtigt als Absender. Es gibt vor allem folgende Vorteile: • Damit entsteht die Möglichkeit zum Markenauftritt auch für Anbieter, die ansonsten allein nicht markenfähig sind, es erfolgt eine Hervorhebung der Kollektivmarkenverwender gegenüber gleichartigen anderen Anbietern der Strategischen Gruppe, die gemeinsame Markenführung erlaubt die Aufteilung der Kosten des Markenauftritts unter den Beteiligten.

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Dem stehen folgende Nachteile gegenüber: • Es kann ein diffuses Markenbild entstehen, da werbliche Aussagen immer für alle Beteiligten gelten müssen, ein individueller Vorsprung für einzelne Anbieter ist dadurch nicht erreichbar, es besteht der implizite Zwang zu Kompromissen („kleinster gemeinsamer Nenner“), Fehler eines einzelnen Mitglieds fallen auf das ganze Kollektiv zurück. Speziell beim Co-Branding ist ein Markengeber dominant, der andere unterstützt, z. B. • Philadelphia-Mondolez / Milka, H&M / Versace, Langnese-Unilever / Oreo-Mondolez, Philips / Alessi, Sega / TDK, Bacardi / Lipton, Wasa / Du darfst, Visa / Lufthansa. Bei einer Systemmarke handelt es sich um die Kombination einer Hersteller- und einer Händlerleistung. Beide Teilleistungen gemeinsam erbringen erst die Markenleistung. Es gibt vor allem folgende Vorteile: • Dabei erfolgt eine substanzielle Flankierung der Markenleistung der Herstellerstufe durch die ergänzende Markenleistung der Handelsstufe, die stufenübergreifende Pflege der Systemmarke erlaubt eine gegenseitige Kostenreduktion bzw. eine Erhöhung der Marktdurchdringung. Dem stehen folgende Nachteile gegenüber: • Interessenkonflikte zwischen Hersteller- und Handelsstufe(n) führen zur Schwächung der Führung von Systemmarken, die reale Streuung der Handelspartner im Markt führt zu einem heterogenen Herstellerbild, dies kann durch selektive / exklusive Distribution eingedämmt werden. Beispiele finden sich in Vertragshändler- oder Franchisesystemen, erstere etwa in Bezug auf viele Automobilhersteller, letztere insb. im Dienstleistungsbereich. Hier arbeiten Hersteller und Händler eng zusammen, um gemeinsam die Markenleistung bei Nachfragern darzustellen. Dabei herrscht einerseits eine gegenseitige Abhängigkeit vor, andererseits können symbiotische Effekte erreicht werden. Die Geschäftsstättenmarke bezieht sich auf die Markierung einer Absatzstelle durch einen Händler als Retailbrand oder einen Hersteller-Filialisten (auch Verticals) als Storebrand. Filialen sind, im Unterschied zu Franchisenehmern, Niederlassungen o. Ä., rechtlich und wirtschaftlich unselbstständig (daher auch Regiebetriebe), sie führen, im Unterschied zu Absatzmittlern, ganz oder überwiegend eigene Produkte bzw. Marken. Als Beispiele für Retailbrands sind Hornbach, Bauhaus, MediaMarkt / Saturn, Douglas o. Ä. zu nennen. Als Beispiele für Store Brands sind C&A, H&M, Primark o. Ä. zu nennen.

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Ziel der Geschäftsstättenmarke im stationären Einzelhandel ist die Umkehrung der gemeinhin stattfindenden Kaufentscheidung, die zuerst die Produkt- / Markenwahl vorsieht und dann die Wahl der Bezugsquelle, man spricht hier von einer Interbrand Competition, bei der alle Geschäftsstätten, welche die präferierten Produkte / Marken nicht führen, für den Kauf schon einmal ausfallen. Vielmehr soll zuerst die Wahl der Bezugsquelle erfolgen und der Kauf dann innerhalb der dort verfügbaren Produkte / Marken (Intrabrand Competition). Dies lässt sich auf ECommerce übertreiben. Die Wahl soll nicht mehr von der Hersteller-Website ausgehend an die dort angeführten Bezugsquellen gehen, sondern von der Absatzmittler- / -helfer-Website unter den dort gelisteten Angeboten. 3.4.7 Markenpflege Die Markenpflege betrifft das Bemühen um die kontinuierliche Erhaltung von Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität der Marke durch sorgsamen, sachverständigen Umgang mit ihr. Dabei ist besonders zu berücksichtigen, dass die Marke eine Persönlichkeit ist, die durch ihre Funktion und Problemlösung, Kompetenz und Image sowie das Angebotsumfeld geprägt ist. Eine starke Marke stellt einen unbezahlbaren Wert dar. Die Marke bedarf der stetigen Aktualisierung, damit sie in der Wahrnehmung der Zielpersonen „lebt“. Dabei kann ihr Potenzial noch durch wohl überlegte Relaunches gesteigert werden. Diese können oberhalb des Vorgängerangebots durch Upgrading, unterhalb durch Downgrading oder auf gleicher Ebene durch Side grading angesiedelt sein. Der Relaunch ist eine häufige Aktivität, mit der die Hoffnung verbunden ist, dass mit dem neuen Angebot zugleich auch ein neuer Lebenszyklus beginnt. Denkbar ist auch die Wiederbelebung nicht mehr werblich unterstützter Marken (Revitalisierung) bzw. die Erneuerung vorübergehend bereits vom Markt genommener Marken (Revival). Beispiele sind Ahoj-Brause, Tritop-Sirup, Carrera-Modellautobahn, Creme 21, Mini / BMW, 4711, Sinalco-Limonade oder Afri-Cola. Häufig ist die Markenablösung Gegenstand werblicher Aktivitäten. Sie erfolgt, indem der Name des Produkts durch einen anderen abgelöst wird. Dies ist immer mit erheblichen Aufwendungen verbunden. Im Zuge der Globalisierung von Marken ist jedoch ein einheitlicher Produktname weithin unerlässliche Voraussetzung für den rationellen Marketing-Mix-Einsatz etwa in Bezug auf Packung, Verkaufsliteratur oder Werbekampagne. Dabei sind verschiedene Ansätze denkbar. Die erste Möglichkeit ist die abrupte Umbenennung ohne Ankündigung an die Zielgruppe, wie M&M’s statt Treets, New Mag statt Lui, Downy statt Lenor oder Dawn statt Fairy Ultra. Dabei wird eine Marke schlagartig und überraschend vom Markt genommen und durch die ihr nachfolgende ersetzt, was für Zielpersonen aber nicht als Nachfolger erkennbar ist, sondern als Markeninnovation erlebt wird.

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Die zweite Möglichkeit ist die abrupte Umbenennung mit Ankündigung an die Zielgruppe wie Citibank statt KKB, DEA statt Texaco oder Europcar statt Interrent, Nissan statt Datsun, Twix statt Raider, Vodafone statt Mannesmann D2, O2 statt Intercom. Dabei wird eine Marke schlagartig, aber nicht überraschend vom Markt genommen und durch die ihr nachfolgende ersetzt, was von Zielpersonen dementsprechend auch als Markenvariation erlebt wird. Als Anlass dienen meist Aspekte der internationalen Markenführung. Und die dritte Möglichkeit ist die gleitende Umbenennung. Dies kann durch sukzessive Überblendung oder progressive Verschmelzung erfolgen. Dabei wird eine Marke schrittweise überraschend am Markt durch die ihr nachfolgende ersetzt, was Zielpersonen dann je nach Aufklärungsgrad als Markeninnovation oder Markenvariation erleben. Beispiele sind Kukident – Kukident 2-Phasen – Blenda-med 2-Phasen, Melitta – Melitta Toppits – Toppits von Melitta – Toppits oder Pal – Pedigree Pal – Pedigree. Ziel ist jeweils die Nutzung der Vorteile der Umbenennung, ohne deren Nachteile hinnehmen zu müssen, indem jeweils ein Teil der Verkehrsgeltung übernommen wird, aber um einen neuen Anteil ergänzt, der eine Veränderung des Profils zulässt. Die Markeneinstellung bedeutet die dauerhafte Streichung einer Marke aus dem Angebot (z. B. Hamburg-Mannheimer / Leben, DKV / K ranken, Victoria / Sach, ERV / Reise, DAS / Rechtsschutz bei Ergo Versicherung). Dies wird meist in Abhängigkeit von Kriterienkatalogen gesehen, wobei allerdings Verbundeffekte zwischen den Angeboten zu berücksichtigen sind. Allerdings führt die Wegnahme einer Marke vom Markt, sei es durch Ablösung oder Einstellung, immer auch zu einer Vernichtung des in dieser Marke gebunde­ nen Markenwerts / Brand Equity. Für die Berechnung dieses Markenwerts gibt es vielfältige, meist wenig befriedigende Berechnungsverfahren. Als Anlässe für eine Markenwertberechnung sind verschiedene denkbar, so: • die Steigerung der Verhandlungsmacht gegenüber dem Handel, die Leistungsbeurteilung im Personalmanagement, die Bilanzierung übereigneter Marken, die Lizenzierung von Marken, die Festlegung von Schadensersatzforderungen bei Markenmissbrauch sowie der Kauf und Verkauf von Marken bzw. markenführenden Unternehmen. Fraglich ist dabei bereits der Begriff Wert als Voraussetzung zur systematischen Untersuchung dieses Sachverhalts. Ein ökonomisch-preislicher Wert legt finanzorientierten Begriffsbestimmungen des Markenwerts zugrunde, ein subjektiv-nutzenbezogener Wert marktorientierten Begriffsbestimmungen. Finanzorientierte Begriffsbestimmungen nehmen die Sicht des Markenabsenders ein und zielen auf die Ermittlung eines zu berechnenden monetären Werts ab. Dabei werden zumeist Analogien zur Investitionsrechnung, insb. zum Kapitalwertverfahren, gezogen. Die Ansätze unterscheiden sich vor allem danach, ob der Fokus der Betrachtung eher auf den aufgezinsten Einzahlungen in die Marke in der Vergangenheit oder

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den möglichen abgezinsten Auszahlungen aus der Marke in der Zukunft liegt. Auf eine Erklärung des Zustandekommens des Markenwerts oder seiner bestimmenden Elemente außerhalb dieses Geldmittelflusses wird wegen mangelnder Zurechenbarkeit weitgehend verzichtet. Verhaltensorientierte Begriffsbestimmungen nehmen hingegen die Sicht des Markenadressaten ein. Dabei werden überwiegend verhaltenswissenschaftliche Ansätze zugrunde gelegt. Zur Abgrenzung von finanziellen Aspekten wird verbreitet anstelle des Begriffs Markenwert Markenstärke oder Markenkraft verwendet. Insofern wird auf qualitative Größen abgestellt, aus denen sich dann erst eine ordinale Abstufung ergibt. Dabei werden verschiedene, im Einzelnen definierbare und abgrenzbare Einflussfaktoren unterstellt. Als Urheber dieser Modellrechnungen fungieren vor allem Unternehmensberatungen, Werbeagenturen und Marktforschungsinstitute, die diese als Produkte nutzen. Alle Ansätze sind umstritten, denn letztlich ist der Wert einer Marke nicht aus sich selbst heraus zu beurteilen, nach welchen Verfahren auch immer, sondern erklärt sich ausschließlich aus der Sicht von Interessenten, zumal ein originärer Markenwert in der Bilanz auch nach IFRS nicht aktivierbar ist. Der sich daraus ergebende „äußere“ Markenwert, etwa aus der Sicht eines potenziellen Käufers, kann durchaus erheblich über oder unter dem „inneren“ durch Modellrechnungen ermittelten Markenwert liegen. Gerade dies entspricht ja dem Marketinggedanken der Wahrnehmungs- gegenüber der Objektebene. Die Bedeutung des Markenwerts wird am Beispiel des seinerzeitigen Kaufs von Rolls-Royce durch Volkswagen deutlich. Volkswagen hatte zwar die Produktionsstätten von Rolls-Royce und Bentley gekauft, nicht aber die Markenrechte, diese verblieben bei BMW. Volkswagen disponierte also über die Anlagenwerte, BMW aber über die Markenwerte. Damit hätte Volkswagen zwar Rolls-Royce- und Bentley-Fahrzeuge bauen, sie jedoch nicht unter diesen Namen verkaufen dürfen. Am Ende einigten sich Volkswagen und BMW derart, dass die Produktionsstätten von Rolls Royce an BMW gingen, Volkswagen dafür die Markenrechte an der allerdings weit weniger spektakulären Zweitmarke Bentley erhielt. Ausschlaggebend für diesen Erfolg von BMW war also nicht das Eigentum an den Produktionsstätten, sondern das Eigentum an den Markenrechten.

3.5 Kaufverhaltenseinflüsse Hierbei geht es um das Verhalten von Menschen beim Kauf und Konsum wirtschaftlicher Güter, das für die Kommunikation von hoher Bedeutung ist. Dabei spielen, vor allem im B-t-c-Sektor, unterschiedlichste Gesichtspunkte eine Rolle, dazu gehören der Wahlentscheid (3.5.1), die Gütertypen (3.5.2), die Angebotswahrnehmung (3.5.3) und der Preis-Leistungs-Quotient (3.5.4). Weiterhin sind Einflüsse aus Nachfrageeffekten (3.5.5), Erlebnis- bzw. Versorgungskauf (3.5.6)

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und Auswahlprogrammen (3.5.7) von Bedeutung. Den Abschluss bilden Einflüsse der Kaufvereinfachung (3.5.8) und der Kaufkraft (3.5.9) (siehe Abbildung II/41: Einfluss der Marktfaktoren).

Abbildung II/41: Einfluss der Marktfaktoren

3.5.1 Wahlentscheid Kauf ist allgemein der freiwillige Austausch von Geld gegen Sachgüter, Dienstleistungen, Rechte und Vermögenswerte durch Personen, Personengruppen und Organisationen. Ausgeschlossen sind also Leistungen, die unentgeltlich sind, etwa als Geschenk oder gegen Entgelt in Anspruch genommen werden müssen, etwa als Gebühren. Beinhaltet sind hingegen sowohl Entscheidungen, die zum Erwerb von Eigentumsrechten durch Kauf führen, als auch solche, die nur zu Besitzrechten durch Miete führen. Der Kauf umfasst eine Reihe von Wahlentscheiden: • Die Budgetentscheidung bezieht sich darauf, welcher Teil der zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel für Käufe ausgegeben werden soll. Dabei geht es auch um die Aufteilung zwischen Sparen, Kreditaufnahme und Konsum, sowie um die Aufteilung des dem Konsum gewidmeten Budgets auf einzelne Lebensbereiche wie Freizeit, Ernährung oder Hobby. Vergleichbar ist die Situation im gewerblichen Bereich, auch hier geht es darum zu entscheiden, wie viel Geldmittel in Werbung investiert werden und wie viel für andere Investitionsbereiche bereitstehen oder auch einbehalten werden. • Die Produktgruppenentscheidung bezieht sich darauf, für welche Art von Leistung diese finanziellen Mittel verwendet werden sollen. Dabei stehen die Produktgruppen in mehr oder minder enger substitutionaler Beziehung zueinander um die Verwendung der knappen Budgetmittel. Häufig ist es daher vorrangiges Ziel der Marketingkommunikation, zunächst einen Entscheid zugunsten der eigenen Produktgruppe zu erreichen. Diese kann Gebrauchsgüter, im gewerblichen Bereich Betriebsmittel, Verbrauchsgüter, analog Werkstoffe, betreffen, aber auch objektbezogene Arbeit, immaterielle Güter und vor allem Dienstleistungen.

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• Die Markenentscheidung bezieht sich darauf, welche Leistung innerhalb der ausgewählten Art konkret gekauft werden soll. Auch die Marken innerhalb e­ iner Produktgruppe stehen in mehr oder minder enger substitutionaler Beziehung zueinander, wobei allenfalls alleinstellende Positionierungen Abhilfe schaffen. Häufig verengt sich diese Wahl auf eine Verbundenheit zu einer Marke / einem Hersteller oder auch eine Gebundenheit an diese / diesen. Sofern man nicht auf OEMAngebote zugreifen kann / will, kommen dafür auch Drittanbieter in Betracht. • Die Mengenentscheidung bezieht sich darauf, welche Menge des ausgewählten Angebots beschafft werden soll. Für kleine Mengen spricht der geringe Transport- und Lageraufwand, zudem die niedrige Mittelbindung, für große Mengen spricht der meist günstigere Preis je Einheit und die einfachere Einkaufsorganisation. Kalkulatorisch spielen dabei, zumindest in Zeiten nennenswerter Zinssätze, die Opportunitätskosten aus Kapitalbindung eine relevante Rolle. Andere Aspekte sind je nach Produktgruppe technischer Fortschritt oder künstliche Veralterung. • Die Zeitentscheidung bezieht sich darauf, wann diese Menge der gegebenen Marke in der gegebenen Produktgruppe beschafft werden soll. Dabei kann je nach Produkt nach Jahreszeit, Monatsablauf, Wochentag und Tageszeit differenziert werden. Fast alle Branchen sind durch traditionelle Saisonhöhepunkte gekennzeichnet, in denen womöglich auf eine gesonderte werbliche Unterstützung verzichtet werden kann oder aber die gerade eine solche hervorgehobene Präsenz erfordern, weil sich dort große Umsatzanteile ballen und ausfallende Umsätze kaum nachgeholt werden können. • Die Einkaufsstättenentscheidung bezieht sich darauf, wo die Beschaffung erfolgen soll. Dabei stehen nicht mehr die Produkte, sondern die Absatzmittler im Mittelpunkt der Wahl; aus der Interbrand Competition ist damit eine Intrabrand Competition geworden, der Wettbewerb der Händler darum, wo ein präferiertes Angebot nun konkret eingekauft wird. Immer größere Teile des Bedarfs verlagern sich dabei auf virtuelle Einkaufsstätten (E-Commerce), auch solche, die in der Vergangenheit dafür als untauglich angesehen wurden (z. B. Lebensmittel). Allerdings steht der Nachweis aus, dass darauf dauerhafte Geschäftsmodelle basiert werden können. Marketingkommunikation hat die Aufgabe, private wie gewerbliche Kaufentscheider durch diese Phasen zu begleiten und problemlösend auf diese einzuwirken. Eine wesentliche Leistung von Big Data kann darin liegen zu identifizieren, welche Zielpersonen sich mutmaßlich in welcher Phase befinden. Daraus abfolgend können Kontaktkanäle bestimmt werden, wie diese bestmöglich zu erreichen sind, sowie Botschaften, die sie bei ihrem Wahlentscheid anleiten.

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3.5.2 Gütertypen Hinsichtlich der einer Bewerbung zugrunde liegenden Gütertypen kann unterschieden werden in: • Speciality Goods, Shopping-Goods, Preference Goods und Convenience-Goods. Dies basiert auf einer Einteilung nach empfundenem Kaufrisiko und Budget­ anteil. Speciality Goods sind komplexe Güter, die mit beachtlichen Kaufanstrengungen verbunden sind. Shopping-Goods sind relativ selten gekaufte Güter, bei denen meist nur Preis-Leistungs-Vergleiche vorgenommen werden. Preference Goods sind mit wenig Risiko und wenig Aufwand getätigte Routinekäufe. Convenience-Goods sind auf programmierten Entscheiden beruhende und normalerweise mit minimalem Aufwand gekaufte Produkte. Je nach Produktart sind die Kommunikationsaktivitäten anzupassen. • Hightouch-Goods und Hightech-Goods. Beide zeichnen sich durch ein hohes Maß an Attraktivität aus. Hightech-Goods strahlen produktliche Faszination aus und repräsentieren technischen Fortschritt, etwa bei Unterhaltungs-Elektronik, Fotografie, Personal Computer, Automobil. Hightouch-Goods dienen der zutreffenden Profilierung des Individuums im sozialen Umfeld, etwa bei Bekleidung, Schmuck, Genussmitteln, Accessoires, Kosmetika. Beide Produktarten gehören normaler­ weise zu den High-Interest-Products, erfordern also eine substanziierte Auslobung. • High-Interest-Products und Low-Interest-Products. Der Unterscheidung liegt hier das Nachfragerinteresse zugrunde. High-Interest-Products zeichnen sich durch ein hohes Maß an „Produkterotik“ aus. Low-Interest-Products sind solche, mit denen man sich zwar nur ungern oder oberflächlich beschäftigt, die aber gleichermaßen unverzichtbar scheinen. Low-Interest-Products bedürfen normalerweise einer penetranten Auslobung, um die Wahrnehmungsschwelle zu überwinden und sich im Gedächtnis der Rezipienten zu verankern. Gerade sie bedürfen daher der werblichen Unterstützung. • Inferiore-Güter und Superiore-Güter. Auch hier liegt die Unterscheidung nach der Akzeptanz zugrunde. Inferiore Güter sind solche untergeordneter individueller Bedeutung, superiore Güter solche hoher individueller Bedeutung. Entsprechend unterschiedlich ist die Auseinandersetzungsbereitschaft mit diesen, im ersten Fall eher gering, im zweiten eher hoch. Bei steigendem Budget nimmt der Anteil der superioren zulasten der inferioren Güter zu, bei sinkendem Budget vice versa. Vielfach wird von Anbietern versucht, generisch inferiore Güter in den subjektiv superioren Bereich zu transferieren. • Erklärungsbedürftige Produkte und Problemlose Produkte. Sie unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Komplexität. Erklärungsbedürftige Produkte werden als vergleichsweise kompliziert empfunden und bedürfen der werblichen Informationsbegleitung. Problemlose Produkte sind auch ohne besondere Erläuterung marktfähig, weil ihre Leistung bekannt, zumindest aber als risikoarm einzuschätzen ist. Es ist im Allgemeinen schwierig, Aufmerksamkeit für problemlose Pro-

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dukte zu gewinnen, so dass ein peripherer Kommunikationsweg eingeschlagen werden sollte, also Penetration vor Argumentation. • Langlebige Produkte und Kurzlebige Produkte. Hier ist die Abhängigkeit von der Nutzungszeit bedeutsam. Langlebige Produkte haben durch die längere Bindungsdauer ein höheres empfundenes Kaufrisiko. Bei kurzlebigen Produkten fällt der Entscheid leichter, weil er schneller zu korrigieren ist. Langlebige Produkte sind meist teurer und bedürfen daher der Generierung von Sicherheit in der Werbung, etwa über vertrauenswürdige Testimonials, überzeugende Demonstration der Produktvorteile oder Argumentation des Werterhalts. • Inspektionsgüter als Search Goods, Erfahrungsgüter als Experience Goods und Vertrauensgüter als Credence Goods. Hier wird nach Informationsstand relativ zur Transaktion unterschieden. Inpektionsgüter erlauben eine Information bereits vor der Transaktion, Erfahrungsgüter erst nach der Transaktion und Vertrauensgüter nicht einmal danach. Jedes Produkt hat immer alle drei Informationsanteile, aber einer ist jeweils dominierend. Speziell Dienstleistungen sind darüber hinausgehend dominante Erlebnisgüter, die Information ergibt sich dabei in der Transaktion (uno actu), nicht vorab und nicht im Nachhinein.

3.5.3 Angebotswahrnehmung Die Angebotswahrnehmung ist von entscheidender Bedeutung für die Bewertung und erfolgt hinsichtlich mehrerer Dimensionen. Bei der absoluten Einschätzung durch Leistungsgünstigkeit wird ausschließlich die einseitige Preisdimension bewertet und das Angebot mit dem absolut niedrigsten Preis gewählt. Dies ist typisch für standardisierte Angebote und geringwertige Low Interest-Produkte. In vielen Lebensbereichen ist die Preisgünstigkeit von ausschlaggebender Bedeutung. Die Kunst liegt hier vor allem in der betriebswirtschaftlichen Machbarkeit dieser Preise (Preis-Mengen-Position). Diese können durchaus eine erfolgversprechende Basis für die Kommunikation abgeben wie etwa die Werbung preisaggressiver Handelsformen zeigt. Bei der relativen Einschätzung durch Leistungswürdigkeit wird die Preishöhe in dependenter Verbindung zur dafür gebotenen Gegenleistung bewertet und das Angebot ausgewählt, das die beste Preis-Leistungs-Relation aufweist. Diese ist zentral, um die Preishöhe zu relativieren, denn ein Preis kann nur fair beurteilt werden, wenn man ihn gegen die dafür gebotene Leistung stellt. Höhere Preise sollten daher in der werblichen Auslobung, implizit oder explizit, durch die dafür gebotene bessere Leistung relativiert werden, denn eine höhere Leistung ist im Regelfall auch einen höheren Preis wert. Dem mittleren Leistungsempfinden liegt als Annahme die Vorstellung zugrunde, dass die Nachfrage am höchsten bei einem Angebot innerhalb einer allge­

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mein akzeptierten Angebotsnorm ist. Wird diese Zone nach oben oder unten verlassen, nimmt der Grad der Angebotszurückweisung zu. Dabei kann es sich einerseits um Qualitätszweifel handeln, die bei Verlassen der Norm nach unten entstehen, andererseits um Übervorteilungszweifel, die bei Verlassen nach oben entstehen. Werbung kann hier nur bedingt gegensteuern, sofern sich objektive Ankerpunkte finden wie Testergebnis, Expertise o. Ä. Bei der bewussten Leistungskenntnis.werden auftretende Angebote in Bezug zu eigener Erfahrung gesetzt. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass es hinzunehmende Standards für jedes Angebot gibt, die als gültige und zuverlässige Beurteilungsreferenz für die Vorteilhaftigkeit eines Angebots dienen. Tatsächlich ist diese Kenntnis gering verbreitet und bezieht sich nur auf einzelne Produkte / Produktgruppen (im Handel die Eckartikel). Denkbar ist dabei deren werblicher Vergleich mit dem eigenen Angebot, um positive Abweichungsmerkmale herauszustellen. 3.5.4 Preis-Leistungs-Quotient Im Mittelpunkt jedes Kaufentscheids steht ein gedanklicher Quotient aus Preis im Zähler und Leistung im Nenner. Der Wert dieses Quotienten schwankt zwischen 0 und ∞. 0 ist der Wert etwa bei einem Geschenk, ∞ bei mutwilliger Verschwendung. Bis zum Wert = l ist der Kauf gerade noch vorteilhaft, denn dann entspricht die gebotene Leistung genau dem dafür geforderten Preis. Für Werte > l fehlt diese Äquivalenz, die gebotene Leistung wird als niedriger als der dafür geforderte Preis eingeschätzt. Ein Kauf unterbleibt folgerichtig. Innerhalb der angegebenen Grenzwerte für Preis und Leistung ergibt sich für jede zur Kaufentscheidung anstehende Ware ein individueller Quotient, der über deren Preis-Leistungs-Relation Aufschluss gibt. Dieser Quotient unterliegt zwar mannigfachen Schwankungen, jedoch ist wichtig zu wissen, dass ein Preis keineswegs absolut, sondern immer relativ zu sehen ist. Je vorteilhafter die Relation, also je niedriger der Quotient, desto attraktiver ist ein Kauf. Durch Werbung kann gleich mehrfach auf diese Relation Einfluss genommen werden und zwar als: • Verbesserung der wahrgenommenen Leistung bei gleichem Preisopfer (More for the same), • Senkung des Preisopfers bei unveränderter Leistungswahrnehmung (Less for the same), • Verbesserung der Leistungwahrnehmung bei sinkendem Preisopfer (More for less), • überproportionale Verbesserung der Leistungswahrnehmung bei steigendem Preisopfer (More for more), • überproportionale Senkung des Preisopfers bei niedrigerer Leistungswahrnehmung (Less for less).

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Rationalkäufer Schnäppchenjäger

Abbildung II/42: Preis-Leistungs-Relationen (Quelle: eig. Darst.)

Daraus folgen verschiedene Kombinationen, so Emotionalkäufer, System b­ eaters, Smart shoppers, Schnäppchenjäger und unreflektierte Käufer (siehe Abbildung II/42: Preis-Leistungs-Relationen). 3.5.5 Nachfrageeffekte In seltenen Fällen ergeben sich externe, anomale Nachfrageeffekte bezogen auf Preis und / oder Einkommen. Von einem Bandwagon-Effekt spricht man, wenn bestimmte Produkte gekauft werden, weil andere Personen sie kaufen. Vor allem solche der Referenzgruppe, der man sich subjektiv annähern kann, indem man sich der gleichen Produkte bedient wie diese. Dies unterstützt das Zugehörigkeitsgefühl breiter Kreise der Zielgruppe, nicht nur im B-t-c-Sektor, sondern durchaus auch im B-t-b-Sektor („Nobody ever got fired for buying IBM“). Dies kann in der Marketingkommunikation bewusst herausgestellt werden und wirkt häufig überzeugend, da es Sicherheit vermittelt. Der Snob-Effekt bedeutet genau das Gegenteil. Produkte werden von bestimmten Personenkreisen nicht mehr gekauft, weil andere sie kaufen. Damit wiederum kann sich die ursprüngliche Käufergruppe nicht identifizieren. Dabei handelt es sich vor allem um sozial sichtbare Produkte / Marken, mit deren Werten sich ihr Nutzer identifiziert. Ein als abträglich angesehenes Umfeld vermindert dabei deren Attraktivität. Tatsächlich kann eine solche Proliferation nur schwer verhindert werden, wenn dann vor allem durch Vertriebsmaßnahmen wie Selektionierung der Absatzstellen, Aufkauf von Waren, Verhinderung von Marktstörungen etc.

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Der Giffen-Effekt besagt, dass bestimmte Produkte mit höherem Preis, entgegen der sonst üblichen negativen Preiselastizität der Nachfrage, verstärkt gekauft werden. Dies entspricht dem demonstrativen Konsum einer zunehmend dekadenten gesellschaftlichen Ordnung. Das betreffende Produkt profiliert seinen Nutzer umso mehr, je seltener es im Markt vorzufinden ist. Ein hoher / steigender Preis sorgt dabei über eine Verknappung der Nachfrage zur willkommenen Hervorhebung. Ein bekanntes Beispiel ist das iPhone von Apple. Der Engel-Effekt bezieht sich auf die Relation von Nachfrage und Einkommen. Danach nimmt der Anteil höherwertiger Produkte mit steigendem Einkommen zulasten der geringer wertigeren zu. Denn Grundbedarfe bleiben absolut begrenzt und in dem Maße, wie sie befriedigt werden, wird in Zusatzbedarfe investiert, die in ihrem Anspruch nach oben offen sind. Für gewöhnlich wird aber bei hohem Einkommen ein steigender Anteil nicht nachfragewirksam, sondern wird eingespart, vor allem als Reserve in gesellschaftlich volatilen Zeiten und bei Besserverdienenden. Giffen- und Engel-Effekt treten kombiniert als Veblen-Effekt auf. Dieser besagt, dass bestimmte (Luxus-)Produkte bei steigendem Preis verstärkt nachgefragt werden und dies mit steigendem Einkommen koinzidiert. Denn nur dann können Käufer sich den steigenden Preis leisten. Dies war die Realität der letzten Jahrzehnte. Nunmehr kommen jedoch verstärkt Limitationen in Sicht, so dass diese Mechanik immer weniger verfängt. Allerdings zeigt das Exklusivitätssegment am Markt eine stabile Entwicklung (z. B. Immobilien, Schmuck, Mode), weil dieses der Absetzung von der Masse dient. 3.5.6 Hybrides Kaufverhalten Angesichts zunehmend restriktiver Umwelt- und insb. Wirtschaftsbedingungen mit anhaltend stagnierenden oder gar rückläufigen Realeinkommen sehen sich Nachfrager zu selektiver Reaktion hinsichtlich ihrer Kaufentscheidungen gezwungen, wollen sie ihren gewohnten und lieb gewonnenen Lebensstandard halten, der bekanntlich schwer aufzugeben ist (Sperrklinken-Effekt / Ratchet). Deshalb unterscheiden Nachfrager bei Anschaffungen in solche der Kategorie des Grundbedarfs einerseits und solche der Kategorie des Zusatzbedarfs andererseits. Für beide Gruppen entwickeln sie unterschiedliche Handlungsmuster, handeln also nicht mehr konsistent, sondern gespalten, man sagt auch hybrid. Im Bereich des Grundbedarfs wird dabei weit überwiegend nach dem Kriterium absoluter Preisgünstigkeit gekauft. Dafür kommen generell wenig erklärungsbedürftige Low Interest-Produkte in Betracht. Da hier meist keine gravierenden, objektiv nachvollziehbaren Leistungsunterschiede unterstellt bzw. diese, falls doch vorhanden, relativ leicht nachgeprüft und somit Nachteile daraus vermieden werden können, wird der Kauf von Markenartikeln dort leicht verzichtbar. Markenartikel gewinnen erst wieder an Boden, wenn es um objektiv oder subjektiv höherwertige Produktgattungen geht. Oder um besondere Nutzungsanlässe.

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Diesem Grundbedarfsbereich mit seinem eher rational geprägten Käuferverhalten steht der Erlebnisbedarfsbereich gegenüber. Hier geht es um Produkte, die ein hohes Ego-Involvement und damit emotionale Wertigkeit beinhalten, also affektiv geführte Entscheidungen hervorrufen. Deren Bedeutung kann sowohl in der Eignung des betreffenden Produkts zur differenzierten Selbstdarstellung liegen als auch im vordergründigen Statuszweck (siehe Abbildung II/43: Hybrides Kaufverhalten).

Abbildung II/43: Hybrides Kaufverhalten (Quelle: eig. Darst.)

Bei gegebenem, weitgehend konstantem Haushaltsbudget ergibt sich eine Lösungsmöglichkeit nur derart, dass die Finanzierung des begehrten, an sich aber überflüssigen Zusatznutzen-Angebots durch Einsparung im ungeliebten, jedoch notwendigen Basisnutzen-Angebot umsetzbar wird. Daraus folgt ein „hybrides Verhalten“ derart, dass beim Basisbedarf der problemlosen Güter No names oder Handelsmarken bevorzugt werden, um die dabei eingesparten Geldmittel in profilierende Güter mit Statuscharakter zu investieren. Cleverness beim Einkauf von Grundnutzengütern wird damit emotional belohnt. Ziel der Kommunikation muss es sein, Produkte aus dem weitgehend austauschbaren Gattungsleistungsbereich heraus zu Markenartikeln zu stilisieren, die zur Profilierung ihres Anwenders / Besitzers in seinem sozialen Umfeld durch Außenwirkung beitragen und durch Innenwirkung zur Identifizierung mit den Markeninhalten führen, damit also letztlich zur Selbstverwirklichung der Verbraucher beitragen. Das Preisniveau tritt dann bei der Kaufentscheidung in den Hintergrund, sofern hinreichende Produktqualität gegeben ist, was vorausgesetzt werden muss. Folglich dominiert beim Basisbedarf die Preisorientierung mit ökonomisch-rationalen Argumenten, insb. der absoluten Preishöhe, beim Zusatzbedarf jedoch die Erlebnisorientierung mit sozialemotionalen Argumenten, insb. der relativen Erlebnisleistung.

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3.5.7 Auswahlprogramme Entscheidungsregeln beim Kauf als Kaufheuristiken sind vereinfachte Vorge­ hensweisen von Käufern angesichts begrenzter menschlicher Informationsverarbeitungskapazitäten (siehe Abbildung II/44: Auswahlprogramme). Der Kaufentscheid kann nach den Merkmalen Art der Bewertung von Optionen, angelegte Wahlkriterien und Reihenfolge der Informationsverarbeitung charakterisiert werden. Von kompensatorischen Heuristiken spricht man, wenn die Nachteile einer zur Auswahl stehenden Option hinsichtlich einzelner Eigenschaften durch Vorteile bei anderen Eigenschaften ausgeglichen werden können. Man unterscheidet folgende kompensatorischen Heuristiken.

Abbildung II/44: Auswahlprogramme

Das Dominanzmodell führt durch exakte Bewertung und Eigenschaftsgewichtung zur Wahl der absolut besten Option. Dabei werden alle zur Auswahl stehenden Optionen einzeln hinsichtlich aller relevanten Eigenschaften bewertet. Diese Einzelbewertungen werden dann additiv-linear verknüpft. Die Option mit dem höchsten Wert wird präferiert. Dabei kann aber auch eine subjektive Gewichtung jedes Merkmals vorgenommen werden. Zum Beispiel werden für einen Kaufentscheid bei Pkw alle relevanten Kriterien wie PS-Zahl, Kofferraumvolumen und Sicherheitselemente festgelegt. Über diese Kriterien hinweg werden eine Reihe definierter Pkw-Modelle einzeln punktbewertet. Die einzelnen Punkte werden je Modell addiert. Gekauft wird das Modell mit der über alle Kriterien höchsten Punktzahl. Wird keine Eigenschaftsgewichtung vorgenommen, kommt es zunächst zur Wahl der relativ besten Option nach Auswahl. Dabei sind einzelne, im Vorhinein als besonders bedeutsam festgelegte Kriterien für den Kauf ausschlaggebend.

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Diese werden durch Paarvergleiche von je zwei Alternativen verglichen. Es wird also betrachtet, ob die eine oder andere Alternative in Bezug auf die untersuchten Eigenschaften überlegen ist oder nicht. Die Präferenz ergibt sich durch Addition der Überlegenheitsurteile und Wahl der Alternative mit der Mehrheit der Vorzüge. Zum Beispiel werden Pkw-Modelle nur hinsichtlich der Kriterien PS-Zahl und Sicherheitselemente beurteilt und punktbewertet. Die Punkte der beiden Kriterien werden je Modell addiert. Gekauft wird das Modell mit der für diese ausgewählten Kriterien höchsten Punktzahl. Sind, bei ansonsten gleichem Vorgehen, die als bedeutsam erachteten Eigenschaften zusätzlich gewichtet, handelt es sich um die Anwendung der Erwartungsregel. Zum Beispiel wird bei den beiden ausgewählten Kriterien die PS-Zahl für aktive Sicherheit höher gewichtet als die Sicherheitselemente für passive Sicherheit. Die Punkte je Modell werden entsprechend bei diesem ersten Kriterium mit einem Aufwertungsfaktor multipliziert. Gekauft wird das Modell mit der so gewichteten höchsten Punktzahl der ausgewählten Kriterien. Werden Paarvergleiche von Alternativen derart durchgeführt, dass jedes Paar hinsichtlich relevanter Eigenschaften verglichen und dessen Bewertungsdifferenz festgehalten wird, handelt es sich um das additive Differenzmodell. Die Differenzen werden dann analog der subjektiven Bedeutung der verschiedenen Eigenschaften gewichtet und addiert. In Abhängigkeit vom Vorzeichen des Ergebnisses wird die jeweils überlegene Alternative präferiert. Sie kann dann in der nächsten Stufe einer weiteren, noch nicht bewerteten Alternative im Paarvergleich gegenübergestellt werden. Dieser K.-o.-Prozess setzt sich solange fort, bis die beste Alternative übrig bleibt. Zum Beispiel wird das Pkw-Modell gekauft, das hinsichtlich der gewichteten Punkte für ausgewählte Kriterien die höchste positive Differenz bzw. die niedrigste negative Differenz aufweist. Bei nicht-kompensatorischen Heuristiken können die Nachteile einer zur Auswahl stehenden Option hinsichtlich einzelner Eigenschaften bereits zum Ausschluss von der Kaufentscheidung führen. Ein schlechter Eindruck bei einem Detail verdirbt also den Gesamteindruck. Man unterscheidet folgende nicht kompensatorischen Heuristiken. Bei der Wahl einer befriedigenden Option wird nach der konjunktiven Regel für jede relevante Eigenschaft ein gerade noch akzeptables Minimalniveau bestimmt. Optionen, die bereits eine dieser Mindestanforderungen nicht erfüllen, werden von der Kaufentscheidung ausgeschlossen. Es kann dabei passieren, dass am Ende keine oder mehr als eine Option übrig bleiben. Erfüllen mehrere Optionen die gestellten Standards, wird deren Niveau solange erhöht, bis nur noch eine Option übrig bleibt, die dann realisiert wird.

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Zum Beispiel wird für ein Pkw-Modell eine bestimmte Mindest-PS-Zahl bestimmt, die nicht unterschritten werden darf. Damit entfallen alle Optionen mit weniger als der bestimmten Mindest-PS-Zahl. Die disjunktive Regel legt weitergehend fest, dass nur solche Optionen betrachtet werden, die mindestens einem festgelegten Ausschlusskriterium genügen. Dieses ist recht hoch angesetzt. Optionen, die keines der definierten Akzeptanzniveaus erfüllen, scheiden bei der Kaufentscheidung aus. Es kann wiederum passieren, dass am Ende keine oder mehr als eine Option übrig bleiben. Erfüllt keine der Optionen die gestellten Standards, wird deren Niveau solange gesenkt, bis sich eine Option ergibt, die realisiert werden kann. Zum Beispiel wird für ein Pkw-Modell bestimmt, dass es über serienmäßige Seiten-Airbags verfügen soll. Gekauft wird nur eine Alternative, die dieser hohen Anforderung entspricht. Bei der Lexikografieregel werden alle relevanten Eigenschaften nach ihrer Bedeutung gerangreiht. Die wichtigste von ihnen wird bezüglich aller Optionen bewertet. Diejenige Option wird ausgewählt, die, unabhängig von den Ausprägungen der anderen, als weniger wichtig erachteten Eigenschaften, dabei am besten abschneidet. Gibt es mehrere Angebote, welche die Anforderung gleich gut erfüllen, wird die Beurteilung auf das nächst wichtigste Attribut ausgedehnt. Somit wird die relativ beste Option ausgewählt. Zum Beispiel werden für ein Pkw-Modell PS-Zahl, Kofferraumvolumen, Sicherheitselemente in absteigender Folge für wichtig erachtet. Dann erfolgt die Beurteilung für eine Reihe definierter Pkw-Modelle nur nach dem Kriterium PSZahl. Gekauft wird das Modell mit der für dieses Kriterium höchsten Punktzahl. Nach der Eliminationsregel kommt es zur Wahl einer befriedigenden Option. Sie besagt, dass bestimmende Eigenschaften als sequenzielle Ausschlusskriterien (Mindestniveaus) definiert werden. Dabei wird sukzessiv derart vorgegangen, dass nacheinander alle relevanten Eigenschaften betrachtet und jeweils die Alternativen ausgeschieden werden, die nicht leistungsfähig genug sind. Zum Beispiel werden für ein Pkw-Modell bei den Kriterien PS-Zahl, Kofferraum­ volumen, Sicherheitselemente jeweils Minimalstandards bestimmt. Eine Reihe definierter Pkw-Modelle wird dann sukzessiv hinsichtlich jedes dieser Kriterien beurteilt, wobei diese gleichgewichtig sind. Auf jeder Stufe entfallen Optionen. Die verbleibenden werden hinsichtlich eines anderen Kriteriums beurteilt usw. Wird dabei zusätzlich nach der Bedeutung der Eigenschaften vorgegangen, handelt es sich um eine aspektweise Elimination. Zum Beispiel werden die Kriterien PS-Zahl, Kofferraumvolumen, Sicherheitselemente in absteigender Folge für wichtig erachtet. Dann erfolgt die Beurteilung zunächst nach dem Kriterium PS-Zahl, die danach verbleibenden Alternativen werden dann nach dem Kriterium Kofferraumvolumen beurteilt, und danach

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noch verbleibende Alternativen werden nach dem Kriterium Sicherheitselemente beurteilt. Dadurch verringert sich die Zahl der Wahlalternativen rascher und die Situation wird übersichtlicher. 3.5.8 Kaufvereinfachung Bei Entscheiden wird zudem eine Kaufvereinfachung angestrebt, wenn das empfundene Kaufrisiko gering bleibt. Praktische Techniken zur Kaufvereinfachung sind vielfältig vorhanden: • Informationssuche erst bei Kaufdurchführung, nicht bereits zur Kaufvorbereitung, also keine langwierige Recherche, sondern knappe, konzentrierte Informationsaufnahme in der konkreten Entscheidungssituation. Dies gilt vor allem für Produkte / Dienste des notwendigen Grundbedarfs. • Passive Aufnahme von Angebotsinformationen, vor allem, wenn der Zeitdruck beim Einkauf groß, die Einkaufsaufgabe komplex und die Markttransparenz gering sind. Häufig liegt hier eine Überforderung der Nachfrager / Beschaffer vor, die für werbliche Auslobungen genutzt werden kann. • Kauf gemäß Händler- / Referenzempfehlung, wenn die Einkaufsquelle nach Zutrauen und Leistungsfähigkeit ausgewählt ist und der Verkaufsberater als vertrauenswürdiger Experte gilt. Dabei ist etwa an Fachexperten zu denken, an Meinungsführer, aber auch an Influencer, die kaufmultiplikativ wirken. • Generalisierende Kaufregeln, die zu Wiederholungskäufen führen und den Kaufentscheidungsprozess verknappen, dabei werden nicht mehr alle Phasen durchlaufen, sondern nurmehr ausgewählte von ihnen. Dies führt zu einer gewünschten Vereinfachung, macht es aber vor allem Neuanbietern schwer, in den Markt vorzudringen. • Normverhalten, das sich an der Referenzgruppe ausrichtet und die unüberschaubare Vielzahl des Marktangebots auf Markenartikel reduziert. Dies gilt im privaten Bereich durchaus ebenso wie im gewerblichen, der Käufer sucht Sicherheit im Mainstream, sofern er sich davon nicht bewusst absetzen will. • Absicherung durch Angebotsattribute wie Testergebnisse („da kann man nichts falsch machen“), Erfolgszusagen zur Risikoreduktion (… das meistverkaufte Produkt seiner Art) oder Anzahlung für die Rückabwicklungsmöglichkeit • Preisabhängige Qualitätsbeurteilung, vor allem dann, wenn Erfahrungen fehlen oder nicht zugänglich sind, die objektive Qualität schwer abschätzbar ist und erhebliche Qualitätsunterschiede wahrgenommen werden. Dafür gelten Preisbandbreiten und Preisanker zur Orientierung. Die Kaufvereinfachung setzt vor allem im Rahmen der Consumer Confusion ein. Die Komplexität der Angebotslandschaft überfordert Nachfrager zunehmend, vor

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allem im Bereich gering involvierender Produkte. Daher wird eine Komplexitätsreduktion durch verschiedene Formen der Kaufvereinfachung angestrebt. Diese ist umso notwendiger, je weniger Bildungsstand und Abstraktionsvermögen Orientierung in der Marktvielfalt ermöglichen. Dies führt zum Phänomen des „Poor pay more“. Die Käuferverwirrung wird durch ein Übermaß an Werbebotschaften beträchtlich gesteigert (Information Overload), hinzu kommen eine immer unübersichtlichere Anzahl von Produkten, vor allem im E-Commerce (Choice Overload), die zudem als zunehmend gleichartig empfunden werden (Similarity). Weiterhin werden selbst vormals basale Produkte immer komplexer und schwerer verständlich (Lack of information). Unter diesen widrigen Umständen wird die bekannte Marke / der renommierte Hersteller immer mehr zum Ankerpunkt der Verlässlichkeit. 3.5.9 Kaufkraft Unter Kaufkraft versteht man speziell den ausgabefähigen Geldbetrag für private Käufe. Dabei sind mehrere Größen zu unterscheiden: • Die disponible Kaufkraft ergibt sich aus der Summe der laufenden Nettoeinkommen, also Arbeitsentgelt, Nebenerwerb, Versorgungsbezug, Kapitalfonds, Vermögensverzehr und Kreditaufnahme. Diese Beträge stehen als ausgabefähig zur Verfügung • Die diskretionäre Kaufkraft ergibt sich als Saldo aus disponibler Kaufkraft und festen Ausgabebeträgen, also Steuern, Zwangsabgabe, Miete / Nebenkosten, Versicherungsprämie, Gebühren, Unterhaltskosten und Arbeitskosten. Nur dieser Betrag ist für Konsumenten frei verfügbar. Als Basis gelten das Haushaltsnetto- oder das Persönliche Einkommen. Ersteres beinhaltet die addierten Nettoeinkommen aller im Haushalt lebenden Personen, letzteres das Nettoeinkommen einer einzelnen Person im Haushalt. Die Kaufkraft wird über sekundärstatistische Indikatoren wie Lohn-, Einkommen-, Umsatzsteueraufkommen gemessen. Diese Daten unterliegen erheblichen Ungenauigkeiten. Über Spar- und Kreditvolumina fehlt jede verlässliche Aussage. Zum Beispiel wird auf Befragen hin das Einkommen erfahrungsgemäß um ca. 20 % zu hoch angegeben, bei Auskunftsverweigerung soll der Befrager das Einkommen nach Sozialer Fremd-Einstufung / SFE schätzen. Unter diesen Vorbehalten geben Kaufkraftkennziffern / GfK die regionale Verteilung der Kaufkraft auf Land- und Stadtkreise an (siehe Abbildung II/45: Kaufindex Deutschland 2019). Dabei ist jedoch die Gebietsabgrenzung zwischen Einnahmeort und Ausgabeort fraglich, indem Geld, das in einem Gebiet eingenommen wird, in einem anderen Gebiet ausgegeben werden kann (Kaufkraftwanderung). Außerdem bleibt der wachsende Anteil von E-Commerce unberücksichtigt.

137

3. Kommunikationsrahmen Rang 2019 (Vorjahr)

Bundesland

Einwohner

Kaufkraft 2019 pro Einwohner in €

Kaufkraftindex *

1

Hamburg

1.830.584

26.079

109,7

2

Bayern

12.997.204

25.981

109,3

3

Baden-Württemberg

11.023.425

25.734

108,2

4

Hessen

6.243.262

25.063

105,4

5

Schleswig-Holstein

2.889.921

23.701

99,7

6

Nordrhein-Westfalen

17.912.134

23.468

98,7

7

Niedersachsen

7.962.775

23.285

97,9

8

Rheinland-Pfalz

4.073.679

23.274

97,9

9

Saarland

994.187

22.329

93,9

10

Brandenburg

2.504.040

21.743

91,4

11

Berlin

3.613.495

21.689

91,2

12

Bremen

681.032

21.554

90,6

13

Sachsen

4.081.308

20.413

85,8

14

Thüringen

2.151.205

20.377

85,7

15

Sachsen-Anhalt

2.223.081

20.159

84,8

16

Mecklenburg-Vorpommern

1.611.119

20.106

84,6

* Index je Einwohner: 100 = Landesdurchschnitt

Abbildung II/45: Kaufkraftindex Deutschland 2019 (Quelle: GfK, nach: diyonline.de/de/startseite/aktuelles/article/die-deutschen-haben2019-rund-763-euro-mehr-zur-verfuegung//poll/49/)

3.6 Beschaffungsverhaltenseinflüsse Ebenso wie im B-t-c-Sektor sind auch im B-t-b-Sektor Verhaltenseinflüsse auf die Beschaffung zu verzeichnen. Dabei ist eine Reihe von Faktoren relevant, um eine zielgerichtete Marketingkommunikation zu ermöglichen. Die wichtigsten von ihnen seien im Folgenden in aller Kürze dargestellt. Unter dem Aspekt, ob es sich beim zu beschaffenden Produkt oder Dienst um einen solchen mit hohem oder niedrigem Versorgungsrisiko und Gewinneinfluss handelt, gibt es: • Strategische Teile, diese weisen ein hohes Versorgungsrisiko und einen hohen Gewinneinfluss auf. • Engpassteile, diese weisen ein hohes Versorgungsrisiko, aber einen niedrigen Gewinneinfluss auf.

138

II. Steuerung der Marketingkommunikation

• Schlüsselteile, diese weisen ein niedriges Versorgungsrisiko, aber einen hohen Gewinneinfluss auf. • Standardteile, diese weisen ein niedriges Versorgungsrisiko und einen niedrigen Gewinneinfluss auf. Entsprechend intensiv sollte absteigend die Kommunikation mit Lieferanten ausfallen. Weiterhin spielt der Lieferantenstatus beim Abnehmer eine wichtige Rolle. Dabei werden zumeist vier Klassen unterschieden: • Strategische Lieferanten sind solche, für die aus Kundensicht anderweitig keine wirklich akzeptablen Alternativen am Markt zu finden sind und die ein hohes Entwicklungspotenzial darstellen. • Engpasslieferanten sind solche, für die aus Abnehmersicht immerhin Alternativen am Markt bereits vorhanden sind oder herangezogen werden können, auf die jedoch zumindest nicht unmittelbar ausgewichen werden kann. • Kernlieferanten sind solche, die aus Abnehmersicht in ihrer Leistung austauschbar zu vielfältigen anderen sind, allenfalls ein gewisses Potenzial bieten, das sich zur Lieferantenentwicklung anbietet. • Standardlieferanten sind solche, die aus Kundensicht in ihrer Leistung austauschbar zu vielfältigen anderen sind und ein geringes Entwicklungspotenzial aufweisen. Auch hier sollte die Kommunikation mit Lieferanten absteigend ausfallen. Die Lieferanten werden zudem häufig nach ihrer Bedeutung in ABCD-Klassen eingeteilt: • A-Lieferanten sind Preferred Suppliers, die bei jedem einschlägigen Bedarf angefragt werden. Die Kommunikation zu ihnen ist kontinuierlich und intensiv angelegt. • B-Lieferanten sind Accepted Suppliers, die im Set der angefragten Anbieter normalerweise vertreten sind. Mit ihnen wird extensiv, aber kontinuierlich kommuniziert. • C-Lieferanten sind Restricted Suppliers, die allenfalls in bestimmten Beschaffungskonstellationen berücksichtigt werden. Zu ihnen wir nur fallweise kommuniziert. • D-Lieferanten sind solche, zu denen Geschäftsbeziehungen abgebrochen werden sollen. Die Kommunikation entfällt. Im Beschaffungsprojekt selbst gibt das Lastenheft eine objektive (meist technische) Problemdefinition (Was) vor, für die eine Lösung durch Zukauf gesucht wird. Es geht um die Summe der Forderungen, Bedürfnisse und Erwartungen an das zu beschaffende Erzeugnis hinsichtlich Liefer- und Leistungsumfang. Der Pflichtenkatalog enthält dann die denkbare oder präferierte Lösungskonzeption für das technische Problem (Wie). Er beschreibt die Produkteigenschaften / Produktionsverfahren.

3. Kommunikationsrahmen

139

Entscheidungen, die im Zuge des Projekts zu treffen sind, beziehen sich auf das Beschaffungsbudget, die einzukaufende Produktart, den dafür auszuwählenden Lieferanten, die erforderliche Einkaufsmenge und der gewünschte Einkaufstermin. Die Auftragsvergabe erfolgt, wie bei der Werbung auch, durch Ausschreibung (Pitch). Basis ist die Erstellung einer Anfrage. Diese enthält u. a. Angaben • zum genau bezeichneten Erfüllungsort und Gerichtsstand, • zu Art / Güte / Beschaffenheit der Einkaufsobjekte, • zum Nettopreis je Gutseinheit, • zu Lieferungs- und Zahlungsbedingungen, • zur Preissicherung und, bei häufigen Auslandsgeschäften, zur Zahlungssicherung. Generell muss es dabei das Ziel des gewerblichen Abnehmers sein, Kaufrisiken zu senken. Bei diesen handelt es sich mindestens um Risiken in Bezug auf die Qualitätseignung, die Lieferantenkompetenz, die Preisangemessenheit, die Informationslage und die Kompatibilität. Zur Reduktion dienen die Angabe von Referenzen, ein Order splitting, Haftungsvereinbarungen etc., auf die in der werblichen Auslobung Bezug genommen werden kann. Weiterhin muss der Beschaffer seine Sourcing-Taktik festlegen. Dafür gibt es mehrere Optionen: • Mit Single Sourcing ist gemeint, dass der Abnehmer sich in jeder Produktgruppe auf genau einen Lieferanten festlegt, mit dem er kooperativ und langfristig zusammenarbeitet, um dessen Kompetenz zu nutzen. • Mit Dual Sourcing ist gemeint, dass der Abnehmer sich in einer Produktgruppe alternierend zweier Lieferanten bedient, meist im Mengenverhältnis ca. 70 : 30. Motiviert ist diese Sourcing-Strategie durch ein Sicherheitsdenken. Mit Multiple Sourcing ist gemeint, dass der Kaufinteressent sich in jeder Produktgruppe mehrerer Lieferanten bedient, die er einem Angebotsvergleich unterzieht, um beim jeweils günstigsten von ihnen zu bestellen. • Mit Sole Sourcing ist gemeint, dass der Kaufinteressent sich in jeder Produktgruppe nur einem Lieferanten gegenübersieht. Dadurch entsteht in den seltenen Fällen absoluter Monopole eine Angebotsmacht. • Beim Global Sourcing erfolgt eine räumlich unbegrenzte, internationale Lieferantensuche. Wegen zahlreicher rechtlicher, wirtschaftlicher und ökologischer Probleme wird dies jedoch zunehmend restringiert. • Beim Local Sourcing erfolgt eine auf den jeweiligen Betriebsstandort bezogene Lieferantensuche, bei mehreren Standorten also in mehreren Gebieten, etwa wegen des CO2-Footprint.

140

II. Steuerung der Marketingkommunikation

• Beim Domestic Sourcing werden nur inländische Lieferanten berücksichtigt. Dies ist häufig bei Local Content-Vereinbarungen der Fall. • Beim Regional Sourcing werden Lieferanten im benachbarten Ausland beauftragt, um vergleichsweise kurze Wege und schnelle Zeiten zu erreichen. • Hinsichtlich der Beschaffungsumsetzung kann individuell oder kollektiv vorgegangen werden. Häufig werden auch virtuelle Marktplätze oder reale Marktveranstaltungen genutzt. Weiterhin kann auf Vorrat, auf Abruf, Just in Time oder automatisiert bestellt werden. In der Beschaffung werden alle Aufgaben, die nicht zur eigenen Kernkompetenz gehören, konsequenterweise an Kernkompetenzhalter outgesourced. Dabei ergibt sich meist eine Lieferantenhierarchie aus mindestens drei Stufen: • Systemlieferanten sind solche, die dem Endabnehmer komplexe Funktionssysteme anliefern, von denen sie alle Anteile selbst gefertigt haben, die ihrer Kernkompetenz entsprechen, und von denen sie alle anderen Anteile fremd zugekauft haben. • Komponentenlieferanten sind solche, die dem Systemlieferanten abgegrenzte Funktionskomponenten anliefern, von denen sie alle Anteile selbst gefertigt haben, die ihrer Kernkompetenz entsprechen und den Rest ihrerseits fremd zukaufen. Teilelieferanten sind solche, die dem Komponentenlieferanten einfache Funktionsteile anliefern, die sie selbst gefertigt haben (praktisch sind durchaus bis zu fünf Stufen bei Teilelieferanten vorzufinden). Dabei wird eine intensive Supply Chain-Verschränkung in Bezug auf Produktions-, Logistik-, Wissens- und Nachhaltigkeitsprozesse angestrebt. Dementsprechend bestehen, auch werblich zu betonende, Anforderungen an die • Lieferzeit, also die Zeitspanne zwischen Auftragserteilung und tatsächlicher Verfügbarkeit des Guts, • Lieferzuverlässigkeit als Bereitstellung exakt der gewünschten Spezifikation, • Lieferflexibilität für die mögliche Berücksichtigung kurzfristiger Änderungswünsche, • Lieferbereitschaft als tatsächliche Fähigkeit zur Verfügbarmachung gewünschter Produkte / Dienste, • Lieferbeschaffenheit als Einhaltung vereinbarter Qualitätsanforderungen. Eingehende Angebote werden dann gesichtet und bewertet. Sofern es sich um quantitative Kriterien handelt, kommt ein Punktwertverfahren zum Zuge, bei qualitativen Kriterien eine Nutzwertanalyse. Mit dem bestgeeigneten Lieferanten wird eine Absichtserklärung unterzeichnet (Letter of intend). Diese basiert auf Nachverhandlungen zur Besserung in Bezug auf Preis / Konditionen, Qualität / Service,

3. Kommunikationsrahmen

141

Zeitraum/-punkt und Individualisierung. Bei Verbrauchsgütern ist darüber hinaus das Bestellverfahren zu klären. Daraus folgt der Vertragsabschluss. Nach Durchlauf dieser Episoden kommt es zur Neubewertung des Beschaffungsvorgangs mit Learnings für nachfolgende, vergleichbare Vorgänge. Daher ist eine Nachkaufkommunikation zur Sicherstellung eines hohen Zufriedenheitsgrads unerlässlich, vor allem zur Dissonanzreduktion.

4. Datenbasis Gelegentlich noch herrscht im Zusammenhang mit einer Angebotsanalyse helle Aufregung ob der Vielzahl von Fakten und Vorgaben, die dafür zusammenzustellen sind. Profis legen daher zur Vermeidung ein elektronisch geführtes Brand Factbook an. Dieses enthält alle benötigten Informationen auf einen Griff, und zwar jeweils in der aktualisierten Fassung. Es hat sich bewährt, dafür eine verantwortliche Person zu bestimmen, die allein Zugriff auf das Brand Factbook hat. Sie ist außerdem für dessen jederzeitige Vollständigkeit zuständig. Das Management der Marketingkommunikation erfordert eine jederzeitig belastbare Datenbasis. Diese muss professionell erstellt und dann entsprechend der Veränderungen laufend feinjustiert werden. Darauf wird im Folgenden näher eingegangen.

4.1 Informationsanforderungen Anforderungen an Informationen sind vor allem eine belastbare Datenbasis und eine hohe Datenqualität. Einer aussagefähigen Datenbasis kommen folgende Funktionen zu: • Frühwarnung zur Erkennung von Bedrohungen, dadurch verlängert sich die Reaktionszeit, • Innovation zur Wahrnehmung von Chancen, um Marktvorsprünge zu erreichen, • Intelligenzverstärker zum Ausbau der Wissensbasis im Unternehmen („Wenn Siemens wüsste, was Siemens alles weiß.“), • Unsicherheitsreduktion zur Behandlung vermeidbarer Risiken, allerdings ist jedes wirtschaftliche Handeln risikobehafte, • Strukturierung von Informationen zur Schaffung von Transparenz als bessere Entscheidungsgrundlage, • Selektierung von Informationen für die Erarbeitung tragfähiger Konzeptionen, • Prognosebasis als Vorwegnahme einer für wahrscheinlich gehaltenen Zukunft. Für die Datengüte stellen sich dabei jeweils folgende Bedarfe: • hoher relativer Informationsgrad, denn dieser ist meist unvollständig, da die real verfügbaren Informationen kleiner sind als die real vorhandenen bzw. verfügbaren Informationen und diese wiederum kleiner als die tatsächlich entscheidungsrelevanten Informationen, eine derartige Verkürzung der Daten- und Faktenbasis aber führt beinahe zwangsläufig zu suboptimalen Entscheiden,

4. Datenbasis

143

• hoher Sicherheitsgrad der Daten, sicher i. S. v. möglichst weder auf Wahrscheinlichkeit noch auf Erfahrung beruhend, sondern auf verlässlichen, objektiven Daten, dabei bleibt genau zu prüfen, auf welcher Basis sie beruhen, wobei ein Unsicherheitsrest unvermeidlich bestehen bleibt und bei immensen Umfeldveränderungen noch zunimmt, • hohe Aktualität angesichts erratisch sich verändernder Umfeldbedingungen, dazu tragen vielfache Eingriffe bei, die in kaum absehbarer Weise einander aufschaukeln oder kompensieren und ihrerseits wiederum weitere Eingriffe provozieren, bei denen es sich genauso verhält, • gutes Kosten-Nutzen-Verhältnis, vor allem in Bezug auf die zusätzlichen Kosten eines potenziellen Informationszuwachses, allerdings ist ausgesprochen schwierig auszusteuern, welchen Nutzen kostenbewehrt zu beschaffende weitere Informationen bringen würden, von denen man zu diesem Zeitpunkt nicht weiß, um welche es sich handelt, • hoher Detaillierungsgrad zur feinteiligen Analyse der Daten, gerade im Marketing und in der Produktion sind die Möglichkeiten zur Maßschneidung (Customization) weit fortgeschritten, so dass immer „spitzere“ Maßnahmen nach immer genaueren Informationen verlangen. Die Untersuchung kann intern als Betriebsforschung oder extern als Institutsforschung angelegt sein. Es stellt sich also eine klassische Make or Buy-Entscheidung. Wesentliche Entscheidungskriterien zur Betriebsforschung sind folgende: • Vorteilhaft sind die bessere Problemvertrautheit, stärkeren Kontrollmöglichkeiten, der Aufbau / Ausbau von Forschungserfahrung, die Gewährleistung von Vertraulichkeit, ein enger betrieblicher Informationsaustausch und die spezifischen Kenntnisse der Entscheidungsträger. • Von Nachteil sind das Fehlen einer forscherischen Infrastruktur, wahrscheinliche Betriebsblindheit, ein Trend zur Self-fulfilling Prophecy, die subjektive Prägung des Vorgehens, mangelndes Fachwissen, eine stark eingeschränkte Feldarbeit, längere Bearbeitungszeiten und höhere Kosten. Wesentliche Entscheidungskriterien zur Institutsforschung sind folgende: • Vorteilhaft sind die fehlende Betriebsblindheit, leistungsfähige Erhebungsinstrumente, nur sehr bedingt interessensgeleitete Auskünfte, eine höhere Objektivität, ein ausgeprägtes Expertenwissen, hohe aktuelle Methodenkenntnis, die Möglichkeit zu Ergebnisvergleichen (Benchmarking) und Kosteneinsparungen. • Von Nachteil sind die Liquiditätsbelastung, die erforderliche Einarbeitungszeit, die Gefahr unsolider Auftragserfüllung, eine gefährdete Geheimhaltung, mangelnde Branchenkenntnisse, auftretende Kommunikationsprobleme, das Fehlen einer internen Wissensakkumulation und die Gefahr einer schematisierten Ausführung.

144

II. Steuerung der Marketingkommunikation

Informationen können aus bereits recherchierten, internen und vor allem externen Datenquellen stammen als Sekundärforschung oder aus neu recherchierten Datenquellen als Primärforschung. Weiterhin kann diese Datenbasis quantitative oder qualitative Dateninhalte enthalten. Diese Aufschlüsselung wird im Folgenden vertieft (siehe Abbildung II/46: Elemente der Datenbasis).

Abbildung II/46: Elemente der Datenbasis (Quelle: eig. Darst.)

4.2 Sekundärquellen Erster Schritt zur Informationsversorgung ist immer eine Sekundärerhebung, häufig ist durch deren Ergebnisse die vorgegebene Fragestellung bereits hinreichend zu beantworten. Selbst wenn nicht, erhält man auf diese Weise wichtige Einblicke für eine spätere Primärerhebung. Sekundärerhebung / Desk Research bedeutet dabei die Nutzung bereits vorhandener Informationen, wobei betriebsintern oder -extern vorhandene Daten gegeben sein können. Bei betriebsinternen Daten handelt es sich etwa um qualitative Daten wie • Dokumentationen von Stabsabteilungen o. Ä., • Präsentationen aus Business Case Meetings o. Ä., • Reports, die von Intelligence Service-Abteilungen erstellt werden, • Copy-Analysen der Kommunikation am Markt und des Mitbewerbs, • Auswertung von Kundendienstberichten.

4. Datenbasis

145

Oder es handelt sich um quantitative Daten wie • Kennzahlen als KPIs etwa zu Finanzen, Kunden, Prozesse, Wissen im Rahmen der Balanced scorecard / BSC, • Ergebnisse aus Eindrücken des Außendienstes, etwa im Handel / bei Key-Accounts, • Mediaplanvergleiche des eigenen Werbedrucks nach Gross Rating Points / GRPs zum Mitbewerb, • Pressemitteilungen. Bei betriebsexternen Daten handelt es sich etwa um quantitative Daten wie • Verzeichnisse als statistische Amtsdaten, Verbandsdaten, Handelsregistereinträge, Patentrecherchen beim Deutschen Patent- und Marken-Amt / DPMA, • Suchmaschinenergebnisse etwa aus Web-Mining oder von Spezialsuchmaschinen wie „Wer liefert was?“, • Geschäftsberichte bei börsennotierten Unternehmen, Marktanalysen von Institu­ ten, Branchenreports, • Prospekte / Kataloge von Messen / Ausstellungen, aus dem Handel, Artikel aus Fachpublikationen, Medienankündigungen, • Abfragen als Quellen-, Abstract-, Volltext-Datenbanken, • Finanzanalysen über Wettbewerber als Bilanzanalyse hinsichtlich Financial ­ratios, Kapitaldecke, Kreditlinien, Eigentümerstruktur etc. Oder es handelt sich um qualitative Daten wie • Kundenbewertungen im WWW, • Sentiment-Analysen in Sozialen Medien, • Auswertung von Blogeinträgen, etwa von Online-Journalisten, Postings, • Analyse von Personalsuchanzeigen von Mitbewerbern, • Usability-Studien erfolgreicher Online shops, • FuE-Aufwendungen/-Ergebnisse in Status und Entwicklung, • Entgeltstudien, also Gehaltsstrukturen, Sozialleistungen, Aktienoptionen in der Branche, • Übersicht über Lieferantenmarkt und Netzwerkpartner, • Übersicht über Produktionsstandorte, -kapazitäten, -auslastungen in der Branche, • Übersicht über Produktqualitäten, Ökostandards in der Branche, • Clipping-Services mit Auswahl aus Veröffentlichungen nach vorgegebenen Topics,

146

II. Steuerung der Marketingkommunikation

• Deep Web-Daten, die in gängigen Suchmaschinen nicht hinreichend abgebildet werden, • Luftbilder, Satellitenaufnahmen aus Google maps, • Inhalte von Tagungsbänden, Studien. Allgemeine Vorteile der Sekundärerhebung sind dabei folgende. Zur Erhebung entstehen vergleichsweise geringe Kosten. Es besteht ein rascher Zugriffe auf die Ergebnisse. Eine Sekundärerhebung ist ohnehin unerlässlich, wenn primäre Daten nicht oder nicht mit vertretbarem Aufwand zu erheben sind. Sekundärdaten stellen eine wichtige Hilfe bei der Einarbeitung in eine Thematik dar. Und sie sind zur Abrundung eines primär erhobenen Eindrucks hilfreich. Allgemeine Nachteile der Sekundärerhebung sind folgende. Die Aktualität der Daten ist fraglich und häufig auch unbekannt. Angaben zur Sicherheit und Genauigkeit der Daten sind meist nicht verfügbar. Bei mehreren Quellen sind die Ergebnisse untereinander nicht vergleichbar. Die vorgenommene Abgrenzung der Daten ist oft fraglich oder wird nicht angegeben. Die Detailliertheit der Daten ist für die eigenen Zwecke häufig unzureichend. Wünschenswerte Umgruppierungen / Verknüpfungen sind schwierig oder spekulativ. Schließlich sind Sekundärdaten auch Wettbewerbern zugänglich, so dass kein Wissensvorsprung entsteht.

4.3 Primärquellen Primärerhebung / Field Research bedeutet die Neuerhebung von Informationen. Diese kann ebenfalls betriebsintern oder -extern sein. Bei primär-betriebsinternen Daten handelt es sich etwa um qualitative Daten wie • Erhebung bei Mitarbeitern, etwa hinsichtlich Innovationsideen oder Prozessverbesserungen, • Informationen aus direktem Kundenkontakt (Customer Touchpoint), • Pressekonferenzinhalte, • Auswertung von Social Media-Inhalten (Blogs, Soziale Netzwerke, MessengerDienste etc.), • Delphi-Analysen, Kreativitäts-Workshops, • Ergebnisse aus Kundenzufriedenheitsstudien, • Intranet-Daten in Bezug auf Wissen, Patente, Konkurrenz. Oder um quantitative Daten wie • Auswertungen aus der Angebotseinholung, • Auswertungen von internem Rechnungswesen / Kostenrechnung, Controlling, • Auftragsstatistiken (Eingang, Verteilung, Struktur etc.),

4. Datenbasis

147

Bei primär-betriebsexternen Daten handelt es sich etwa um qualitative Daten wie • Expertenbefragung von Wissenschaftlern, Fachjournalisten, Forschern, • Erstellung von Gutachten, Inhalte von Hintergrundgesprächen, • Analysten-Statements, Fachvorträge / Konferenzen, Symposien, • Beobachtungen auf Messen / Ausstellungen, Events, • Kauf von Testprodukten des Mitbewerbs, auch zum Zwecke des Reverse Engineering. Oder um quantitative Daten wie • Erhebung über Lieferanten und Zwischen- / Endkunden, z. B. Markteinschätzung, Indikatoren, • Trendanalysen, Prognoserechnungen, Simulationen, • Benchmarking-Auswertung / Best Practice, aus als Schatten-Benchmarking, • Online-Messwerte wie Klickraten, Konversionsraten, Cost per …-Daten. Allgemeine Vorteile der Primärerhebung sind dabei folgende: • Die Aktualität der Daten ist hoch. Ebenso ist eine hohe Sicherheit und Genauigkeit der Erhebung darstellbar. Die Erhebung kann mit selbstgewählten Kriterien unterlegt werden. Es ist eine exakte / kompatible Abgrenzung der Erhebungsgruppe / Stichprobe möglich. Die Daten können in gewünschter Detailliertheit erfasst werden. Umgruppierungen und Verknüpfungen von Daten sind beliebig möglich. Vor allem stehen konkurrenzexklusive Ergebnisse zur Verfügung. Allgemeine Nachteile sind hingegen folgende: • Die Erhebung erfordert hohe Mindestkosten und belastet damit das Budget. Außer­dem sind die meisten Daten bereits anderweitig erhoben worden und s­ omit verfügbar. Die Durchführung erfordert eine Einarbeitung in die Materie, die vorwiegend ohnehin anhand von Sekundärmaterialien erfolgt. Die Erhebung stellt häufig ein vergleichsweise langlaufendes Projekt dar, so dass Ergebnisse erst mit Zeitverzug verfügbar sind. Marktforscher unterwerfen sich dabei dem Ehrenkodex der ESOMAR / European Society for Opinion and Market Research. Dieser sieht folgende Regelungen vor: • Marktforscher müssen alle anwendbaren nationalen und internationalen Gesetze beachten, sich ethisch verhalten und dürfen nichts tun, was dem Ruf der Marktforschung schaden könnte. Marktforscher müssen mit besonderer Sorgfalt vorgehen, wenn sie Forschung mit Kindern und Jugendlichen durchführen. Die Rechte der Befragten als Privatpersonen müssen von den Marktforschern respektiert werden und sie dürfen nicht geschädigt oder benachteiligt werden als unmittelbare Folge ihrer Teilnahme an einem Marktforschungsprojekt. Die Teilnahme ist für die Befragten freiwillig und muss auf der Grundlage einer ange-

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II. Steuerung der Marketingkommunikation

messenen und nicht irreführenden Information über den allgemeinen Zweck und die Art des Projekts erfolgen, wenn ihre Zustimmung zur Teilnahme eingeholt wird, und alle diese Erklärungen sind einzuhalten. Marktforscher dürfen nicht zulassen, dass die in einem Marktforschungsprojekt erhobenen personenbezogenen Daten für irgendeinen anderen Zweck als Marktforschung verwendet werden. Sie müssen sicherstellen, dass Projekte und Tätigkeiten genau, transparent und objektiv konzipiert, ausgeführt, berichtet und dokumentiert werden und dabei die anerkannten Prinzipien des fairen Wettbewerbs einhalten.

4.4 Offline-Erhebung Die Datenerhebung kann offline oder, zunehmend, online erfolgen. Bei beiden sind im Grundsatz Befragungen (4.4.1) und Beobachtungen (4.4.2) möglich. Die Primärforschung bedient sich dabei verschiedener Auswahlverfahren zur Bestimmung der Erhebungseinheiten und verschiedener Erhebungsmethoden. Dabei sind die beiden Methoden der Befragung und der Beobachtung zu nennen. Häufig wird als dritte Methode wegen ihrer besonderen Ausprägung das Befragungs- bzw. Beobachtungsexperiment genannt (siehe Abbildung II/47: Informationsquellen). Zunächst wird auf die Möglichkeiten der Offline-Erhebung als Datenbasis für das Marketing-Kommunikations-Management eingegangen.

Abbildung II/47: Informationsquellen

4. Datenbasis

149

4.4.1 Befragungsverfahren Im Zuge der Erhebungsverfahren geht es zunächst um die Auswahl der Auskunftseinheiten und dann um die Bestimmung der Befragungsformen mündlich, fernmündlich, schriftlich oder computergestützt. Alle Formen weise jeweilige Vorund Nachteile auf, die im Folgenden diskutiert werden. 4.4.1.1 Auswahl der Auskunftseinheiten Die Primärerhebung setzt die Bestimmung der originär zu erhebenden Einheiten voraus. Ideal, aber i. d. R. nicht praktikabel, ist eine Vollerhebung durch Erfassung aller für den Untersuchungszweck relevanten Einheiten, die Grundgesamtheit ist hier gleich der Stichprobe. Dabei ergeben sich jedoch erhebliche Abgrenzungsund Verfügbarkeitsprobleme. Die Durchführbarkeit ist zudem nur bei wenigen zu erhebenden Einheiten gegeben, ansonsten stößt man an Zeit- und Kostengrenzen. Daher ist praktisch nur eine Teilerhebung sinnvoll. Dabei wird angestrebt, eine Stichprobe als strukturidentisches Abbildung der Grundgesamtheit zu gewinnen, die eine Hochrechnung als Projektion infolge Repräsentanz auf die Grundgesamtheit erlaubt. Dies ist umso besser möglich, je geringer die Streuung der Ursprungswerte in der Grundgesamtheit und je besser die Relation von Stichprobengröße zu Grundgesamtheit ist. Bei den Auswahlverfahren handelt es sich um Zufallsauswahlen, rein oder abgewandelt als systematische oder geschichtete Auswahl sowie um Bewusstauswahlen, meist als Quota- oder Konzentrationsverfahren. In jedem Fall abzuraten ist von willkürlichen Verfahren wie der Auswahl subjektiv typischer Fälle oder der Auswahl aufs Geratewohl, die mit einer seriösen Erhebung nichts zu tun haben. Eine Zufallsauswahl ist nur bei homogener Grundgesamtheit sinnvoll, selbst dann ergeben sich nennenswerte Probleme wie unklare Abgrenzung der Grundgesamtheit, Verzerrung durch Auskunftsverweigerer etc. Außerdem müssen alle Elemente der Grundgesamtheit die gleiche, von Null verschiedene Wahrscheinlichkeit aufweisen, in die Stichprobe einzugehen. Eine Bewusstauswahl ist hingegen bei praktisch häufig gegebener, heterogener Grundgesamtheit sinnvoll und methodisch vergleichsweise sauber. Auskunftsverweigerer werden durch strukturgleiche andere Personen ersetzt. Allerdings ist keine statistische Fehlerberechnung möglich, qualitative Merkmale entziehen sich meist einer Quotierung, die Strukturierung der Grundgesamtheit muss bekannt sein, die Kombination von Kriterien ist eng begrenzt und Restquoten sind nur schwer erfüllbar.

150

II. Steuerung der Marketingkommunikation

4.4.1.2 Mündliche Befragungsformen Die mündliche Befragung erfolgt analog im Face to Face-Gespräch. Dabei sind verschiedene Ausprägungen denkbar: • Nach dem Standardisierungsgrad unterscheidet man die freie Befragung, die unstrukturierte Befragung, die strukturierte Befragung und die vollstandardisierte Befragung. Die Abstufung erfolgt nach den Kriterien der Vergleichbarkeit der Erhebungssituation im Ablauf steigend bzw. des Eingehens auf die Individualität der Erhebungssituation im Ablauf fallend. Welche Abstufung zu bevorzugen ist, hängt vom Einzelfall ab. • Nach der Befragtenanzahl unterscheidet man die Einzelbefragung als Interview, eine identifizierte Personengruppe als Gruppeninterview oder eine anonyme Personenmehrheit. • Nach dem Befragtenkreis handelt es sich um Absatzmittler / Händler, Experten, gewerbliche oder private Endabnehmer. • Nach der Befragungshäufigkeit ist diese einmalig Ad hoc, wiederholt, regel­mäßig als Tracking oder kontinuierlich als Panel angelegt. Das Gruppeninterview kann als strukturiertes Gespräch in Gruppendiskussion oder freies Gespräch in Gruppenexploration erfolgen. Letztere ist sehr selten und evtl. dann lohnend, wenn zu vermuten ist, dass unbewusste / unterbewusste Beweggründe für das Ergebnis ausschlaggebend sein können. Erstere ist jedoch u. U. sehr zu empfehlen (s. u.). Wesentliche Vorteile sind die unmittelbare Beobachtbarkeit der Teilnehmeräußerungen, möglichst mit Videoaufnahme, die realitätsnahe Interaktion innerhalb der Gruppe, das unverzerrte Hören der Zielgruppensprache, also kein Marktforscher-Kauderwelsch, die kostengünstige Durchführbarkeit und mehrfache Wiederholbarkeit. Außerdem können weitere Erhebungsinhalte angeschlossen werden. Dabei besteht aus Sicht der Teilnehmer bei geeigneter Gesprächsführung keine Interviewsituation, die zu kognitiv gefilterten Äußerungen führt. Allerdings sind auch relevante Nachteile zu berücksichtigen. So entsteht ein suggestives Stimmungsbild, das zudem durch Meinungsführer verzerrt ist. Es fehlt jegliche Repräsentanz der Teilnehmer für eine wie auch immer geartete realistische Grundgesamtheit, so dass keine quantitative Auswertbarkeit gegeben ist. Außerdem verläuft jede Gruppendiskussion anders, so dass es an der Vergleichbarkeit der Ergebnisse mangelt. Häufig ist die Ausdrucksfähigkeit der Teilnehmer begrenzt, so dass die Äußerungen interpretationsbedürftig sind, und die Inhalte bleiben oberflächlich. Trotz dieser Nachteile ist die Gruppendiskussion ein pragmatisches Mittel zur Marktinformationsgewinnung. Besser steuerbar ist aber die Befragung im Einzelinterview. Dabei sind im Grundsatz vier Ausprägungen vorzufinden: • Ein standardisiertes Einzelinterview basiert auf einem genauestens ausformulier­ ten Fragebogen, der sinnvollerweise in Pretests optimiert wurde. Dadurch bestehen nur geringe Qualifikationsanforderungen an Interviewer und ein uner-

4. Datenbasis

151

wünschter Interviewereinfluss wird minimiert. Vor allem aber ist eine hohe Vergleichbarkeit der Antworten über einen Interviewerstab hinweg erreichbar. • Ein strukturiertes Einzelinterview basiert ebenfalls auf einem vorformulierten Fragebogen. Der Interviewer hat jedoch die Freiheit, die Fragen in Reihenfolge und Wortlauf zu variieren, um damit auf die Anforderungen der Befragungsperson eingehen zu können. Dies verbessert zwar womöglich die Antwortqualität, führt aber zu einer geringeren Vergleichbarkeit der Antworten und damit zu Auswertungsunwägbarkeiten. • Ein halbstrukturiertes Einzelinterview basiert nur auf einem Frageleitfaden. Dort sind die Eckpunkte des Informationsbedarfs vorgegeben. Der Ablauf und die Formulierung der Fragen liegt jedoch im Benehmen des Interviewers. Damit ist eine noch bessere Anpassung der Erhebung an die Befragungsperson möglich, zugleich ist jedoch jedes Interview eine „Insel“, eine Aggregierbarkeit daher ausgesprochen problematisch. • Ein freies Einzelinterview ist offen in Ablauf und Formulierung. Es erfordert einen psychologisch geschulten Moderator, der sich in die Individualität der Befragungsperson hineinversetzen kann. Für die Erfassung der Ergebnisse ist eine Protokollierung über Audio, Video oder Mitschrift erforderlich. Dies macht nur eine Durchführung im Einzelfall möglich. Eine Sonderform stellt die Mehrthemenbefragung (Omnibus) dar. In ihr werden im Unterschied zur Spezialbefragung mehrere Themen in einem Durchgang verarbeitet. Dabei kommt es auf eine geschickte Themenkomposition und Themensequenz an, damit die gegenseitige Beeinflussung verringert wird. Die Themenkomposition soll die Ballung von Themen vermeiden, also keine Themen, die auf eine gemeinsame Verursachung zurück zu führen sind wie Ökologie, z. B. Ernährung, Tierschutz, ÖPNV. Die Themensequenz soll die Überstrahlung von Themen vermeiden, etwa vom Ökologiethema auf das Thema Pkw-Beurteilung. Bei der Durchführung kann es sich um eine Beteiligungsuntersuchung als echter Omnibus handeln. Dabei werden Themenkomplexe individuell zu einem Fragebogen zusammengestellt. Dazu tun sich mehrere Auftraggeber zusammen, um Kosten- und Methodikvorteile zu nutzen. Oder um eine Eingliederungsuntersuchung als unechter Omnibus, dabei werden auftraggeberspezifische Zusatzfragen an eine ohnehin durchgeführte Befragung angehängt. Omnibusbefragungen werden von Marktforschungsinstituten durchgeführt, die auch eine Beratung in Fragendesign und Ergebnisauswertung bieten. Vorteile der Omnibus-Befragung liegen in ihrer Kostengünstigkeit, die dieses Instrument auch für klein- und mittelständische Unternehmen auf professionellem Niveau verfügbar macht. Sowie in der erhöhten Auskunftsbereitschaft der Befragungspersonen wegen höherer Motivation durch Abwechslungsreichtum der Inhalte. Außerdem sind Lerneffekte bei Befragten durch die Themenwechsel geringer ausgeprägt.

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Allerdings ist nachteilig, dass die Fragenanzahl begrenzt bleibt. Die Durchführung ist im Zweifel an ohnehin stattfindende Erhebungstermine gebunden. Auch stellt die Omnibus-Befragung erhöhte methodische Anforderungen an das Fragebogendesign. Generell von Vorteil sind bei Einzelinterviews die Feststellbarkeit der Identität der Befragungspersonen, die Kontrollierbarkeit der Umfeldeinflüsse während des Interviews und die Einsetzbarkeit von sensualen Hilfsmitteln. Von Nachteil ist der vergleichsweise hohe Kostenaufwand, die evtl. gegebene Notwendigkeit zur Schulung der Interviewer, die hohe Gefahr der Interviewfälschung und die Tendenz zu sozialer Erwünschtheit in den Antworten, die durch die kognitive Verarbeitung bewirkt wird. Im Einzelinterview werden Fragen in verschiedener Ausprägung eingesetzt. Bei offenen Fragen antwortet die interviewte Person mit eigenen Worten, diese müssen währenddessen notiert werden. Dadurch ist eine freie Entfaltung der Antworten möglich und diese sind nicht „vorprogrammiert“. Vor allem werden nicht Antwortmöglichkeiten ausgeschlossen. Häufig ist allerdings das Ausdrucksvermögen der Befragten begrenzt oder sie geben abschweifende Antworten. Außerdem ist in jedem Fall eine Klassifizierung der Antworten erforderlich, um sie maschinell auswertbar zu machen. Praktisch erfolgt zudem häufig eine unvollständige / verkürzte Erfassung der Antworten. Daher werden in der Praxis weit überwiegend geschlossene Fragen eingesetzt. Diese können verschieden angelegt sein. Bei Alternativfragen handelt es sich um solche, die nur mit „ja“ oder „nein“ bzw. „weiß nicht“ beantwortet werden können. Bei Selektivfragen wird hingegen ein Auswahl an Antwortmöglichkeiten geboten, die einzeln oder mehrfach angewählt werden können. Durch einen Vortest ist sicher zu stellen, dass keine relevanten Antwortmöglichkeiten unterschlagen wurden, denkbar ist auch die Einführung einer Rubik „sonstige“ als offene Antworten, für diese stellt sich dann aber wieder das Problem der Verschlüsselung. Für den Fall von Selektivfragen können alle denkbaren Antwortmöglichkeiten vorgegeben werden, die Frage ist dann kategorieneutral, oder es werden nur ausgewählte, etwa die wahrscheinlichsten, Antwortmöglichkeiten vorgegeben, die Frage ist dann kategorieinneutral. Die Reihenfolge der Antwortmöglichkeiten kann über alle Befragungen eines Durchgangs hinweg unverändert bleiben, die Frage ist dann sequenzinneutral, oder die Reihenfolge der Antwortmöglichkeiten rotiert innerhalb der Fragebogenauflage, die Frage ist dann sequenzneutral. Der Grund für die Rotation liegt in Positionseffekten der Antworten, so werden erfahrungsgemäß eher die vorderen oder hinteren Antwortmöglichkeiten berücksichtigt. Bei den Fragen kann es sich um direkte oder indirekte handeln. Direkte Fragen sprechen den Sachverhalt, den es zu erforschen gilt, unmittelbar an. Indirekte Fragen versuchen, auf Umwegen zu diesen Erkenntnissen zu gelangen. Dies ist immer dann erforderlich, wenn die Fragenthematik tabuisierte Bereiche anspricht, also

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solche, zu denen sich Personen, erst recht unbekannten Dritten gegenüber, nur ungern oder unwahr äußern. Hilfsmittel sind hier etwa Personenzuordnungen („Bei welcher der hier gezeigten Personen handelt es sich Ihrer Meinung nach um einen typischen Verwender der Marke X?“). Aus der Art der gewählten Person kann auf die Sichtweise des Produkts geschlossen werden, ohne danach direkt fragen zu müssen. Oder Satzergänzungen („Die Marke X kann im Vergleich zum Wettbewerb so eingeschätzt werden, dass …“). Aus der Art der Satzergänzung kann wiederum auf die Sicht des Produkts geschlossen werden. Die Anzahl der Nennungen bei Selektivfragen kann durch die Befragungsperson frei wählbar sein oder aber vorgegeben fixiert, dabei kann die Anzahl einseitig begrenzt sein (bis …/ab …) oder zweiseitig begrenzt (von … bis). Geschlossene Fragen haben den Vorteil der einfachen Erhebung und Auswer­ tung. Sie stellen in der Durchführung zudem geringe Anforderungen an den Interviewer und sind effizient in der Handhabung. Allerdings besteht die Gefahr unvollständiger Antwortoptionen. Die Optionen sind zudem häufig nicht ausgewogen und / oder unbewusst nicht neutral formuliert. Auch kommt es zu einer gegenseitigen Überstrahlung zwischen den Antwortoptionen. Daher ist ein Testlauf des Fragebogens unerlässlich. Den Fragen können innerhalb des Fragebogens bestimmte Aufgaben zugewiesen werden. Bei Instrumentalfragen handelt es sich etwa um Ablaufordnungsfragen, Methodikfragen und Analytikfragen. Bei Ergebnisfragen handelt es sich um die eigentlich interessierenden Inhalte zur Präzisierung, Projektion oder Maßstabsetzung. Sonderfragen beziehen sich auf Vorlagen / Vortrag, Skalierungen, Zitate oder simulierte Dialoge im Rahmen der Fragestellungen. Hinzu kommen Personenfragen, vor allem zur Soziodemografie. Um eine mündliche Befragung abwechslungsreich und motivierend zu halten, ist eine geschickte Komposition der Fragetypen und der Fragesequenz erforderlich. Diese soll Präsenzeffekte aus vorausgegangenen Fragen, Konsequenzeffekte durch das Streben nach Widerspruchsfreiheit und Lerneffekte aus fehlender Un­ voreingenommenheit dem Untersuchungsthema gegenüber vorbeugen. Als Guide­ line gilt dabei immer die Einfachheit, die Eindeutigkeit und die Neutralität der Fragestellungen aus Sicht der Zielgruppe. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor im mündlichen Interview ist immer der Interviewer. Daher ist große Sorgfalt auf die Auswahl der Interviewer, auf deren Einsatz im Projekt, deren Qualifizierung und Kontrolle zu legen. Vor allem bei ausgelagerten Befragungsprojekten ist dazu eine Überprüfung des Instituts und seiner Vorkehrungen zur Belastbarkeit der Ergebnisse erforderlich.

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4.4.1.3 Fernmündliche Befragungsformen Häufiger als die mündliche Befragung wird die fernmündliche genutzt. Diese Erhebungsform ist zwischenzeitlich repräsentativ durch die dichte Verbreitung der Telefonanschlüsse und ortsunabhängig kostengünstig durchführbar infolge Flatrate. Allerdings stellt die inflationäre Aufschaltung von Anrufbeantwortern ein nicht geringes Problem dar. Außerdem ist davon auszugehen, dass mindestens ein Drittel der Anschlüsse mit Geheimnummern versehen ist, so dass übliche Verzeichnisse bei der Auswahl versagen. Außerdem haben Befragte bei Telefoninterviews wohl berechtigterweise ein hohes Misstrauen. Dies führt zu Teilnahmeverweigerung, Interviewabbruch oder Falschangaben. Tatsächlich werden die meisten fernmündlichen Interviews computergestützt vorgenommen. Für eine fernmündliche Befragung spricht vor allem die Schnelligkeit der Umsetzung, die u. a. einen weitgehend einheitlichen Erhebungsstichtag ermöglicht. Denkbar ist auch, dass am Telefon wegen der Anonymität eine höhere Teil­ nahmebereitschaft besteht als bei Face to Face-Interview oder deswegen sogar ehrlichere Antworten gegeben werden. Der Intervieweinfluss ist gering, da er sich auf Stimme / Sprache beschränkt. Außerdem besteht eine jederzeitige Rückfragemöglichkeit bei Unklarheiten. Es kommt dann auf das Untersuchungsdesign an, ob und welche Hilfen gegeben werden dürfen. Die Kostengünstigkeit ist hoch wegen ersparter Wegekosten. Nicht erreichte Personen können problemlos wiederholt angerufen werden. Dies erlaubt eine Verkleinerung des Interviewerstabs und damit eine hohe Kostengünstigkeit. Eine Tonaufzeichnung der Antworten ist nach vorheriger Einwilligung der Angerufenen möglich, was bei offenen Fragen hilfreich ist. Dem steht jedoch gegenüber, dass die Interviewdauer am Telefon begrenzt ist und eine Antwortverweigerungstendenz durch die Anonymität bestehen kann. Zudem ist keine Unterlegung der Fragen mit Abbildungen möglich. Auch ist nur der Ton als Auskunftsmedium auswertbar, insofern ergibt sich nur ein begrenzter persönlicher Eindruck vom Interviewten. Vor allem können situative Einflüsse wie Anwesenheit Dritter und Umfeld nicht erfasst werden. Es ist weder eine Legitimation des Anrufers noch eine Identitätsprüfung des Angerufenen möglich. 4.4.1.4 Schriftliche Befragungsformen Die schriftliche Befragung erfolgt durch einen zugesandten oder verteilten Fragebogen, den Adressaten allein ausfüllen und an den Veranstalter zurücksenden. Folglich kommt der Fragebogengestaltung eine hohe Bedeutung zu. Der Frage­ bogen sollte übersichtlich und gut gegliedert aufgebaut sein. Hilfreich sind auch eine geeignete Bebilderung und eine zurückhaltende Farbigkeit. Er sollte so kurz wie möglich gehalten sein, am besten als DIN A 3-Bogen auf DIN A 4 gefaltet. Hilfreich ist ein voradressierter und frankierter Antwortumschlag. Wegen weit

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verbreiteter Weitsichtigkeit sollte eine große Typo gewählt werden, wegen der Wertanmutung ein dickeres Papier. Dennoch liegen die Rücklaufquoten schriftlicher Befragungen regelmäßig im unteren einstelligen Prozentbereich. Gründe dafür sind die Verwechslung des Fragebogens mit einer Werbesendung, ein geringes Involvement der Adressaten, ihr Misstrauen gegenüber dem Projekt, erst recht, wenn Tabuthemen betroffen sind. Häufig wird auch ein hoher subjektiver Schwierigkeitsgrad vermutet oder Adressaten sind antwortunfähig, etwa wegen Sprachproblemen. Häufig wird der Fragebogen auch verlegt oder aus vorgeblichem Zeitmangel nicht zur Beantwortung in Erwägung gezogen. Daher sind Maßnahmen zur Rücklaufverbesserung erforderlich. Denn die geringe Rücklaufquote kann auch durch eine Steigerung der Auflage nicht kompensiert werden, da zu vermuten ist, dass die Personen, die sich an einer schriftlichen Befragung beteiligen, sich systematisch von solchen unterscheiden, die sich daran nicht beteiligen. Dann führt eine höhere absolute Rückläuferzahl zu keiner besseren Aussage. Möglichkeiten, die hier eingesetzt werden können, sind vielfältig. Denkbar ist ein interesseweckender Hinweis auf das Forschungsvorhaben. Willkommen sind auch scheinbar handschriftliche Zusätze in Bezug auf Vorausdank oder Wichtigkeit. Bilder führen immer zu erhöhter Aufmerksamkeit. Hilfreich ist der Versand an postschwachen Tagen wie montags, damit die Sendung nicht untergeht. Auch Sonderbriefmarken sind aufmerksamkeitsfördernd. Nach einer Frist können eine Erinnerung oder ein nochmaliger Versand erfolgen. Strittig ist die Setzung einer knappen Deadline, dies kann zu beschleunigter Bearbeitung führen, aber auch zum Rücklaufverlust bei Versäumen der Deadline. Hilfreich sind auch eine Vorankündigung des Fragebogens, etwa um eine Verwechslung mit Werbe-Mails zu vermeiden oder das Begleitschreiben einer „Autorität“, die dem Projekt etwa in Fachkreisen Gewicht verleiht. Auch die Zusage einer Ergebnisberichterstattung ist üblich. Umstritten sind die Ankündigung eines Interviewerbesuchs für den Fall des ausbleibenden Rücklaufs und die Kombination mit einem Geschenk. Pragmatisch können kleinere Befragungsprojekte mit der Rücksendung der Garantiekarten bei technischen Gebrauchsgütern kombiniert werden. Allgemeine Vorteile der schriftlichen Befragung sind die geringen Kosten zur Erfassung auch geografisch weit verstreuter Erhebungseinheiten. Auch entstehen keine Verzerrungen durch Interviewereinfluss / Bias. Personen, die anderweitig infolge häufiger Abwesenheit nur schwer erreichbar sind, können kontaktiert werden. Bei der Bearbeitung des Fragebogens besteht eine freie Zeiteinteilung des Befragten, die Bearbeitung kann jederzeit unterbrochen und wieder aufgenommen werden. Es ist kein Interviewerbesuch erforderlich. Problematisch ist allerdings die häufig mangelnde Ein-Eindeutigkeit des Fragebogens, die zu Fehlinterpretationen führt. Dann ist im Normalfall keine Er­ läuterung einholbar. Die Schreibgewandtheit der Zielpersonen ist mehr oder minder begrenzt. Fragetaktische Elemente wie die Fragenreihenfolge können nicht

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vorausgesetzt und auch keine weiteren Stimuli geboten werden. Auch ist die Bearbeitungssituation nicht beobachtbar und die Identität der Antwortperson nicht feststellbar. Die schriftliche Beantwortung führt zu einem höheren kognitiven Anteil und damit zu überlegteren Antworten. Der Umfang des Fragebogens ist begrenzt und der Erhebungszeitraum nur schwer eingrenzbar. Außerdem kann veraltetes Adressmaterial vorliegen. Zentral ist aber der Nachteil des hohen Anteils an Nichtreagierern infolge geringer Rücklaufquote und damit mangelnder Repräsentanz.

4.4.1.5 Computergestützte Befragungsformen Sowohl die mündliche, als auch die fernmündliche und die schriftliche Befragung werden zunehmend computergestützt digital vorgenommen. So entstehen die computergestützte mündliche Erhebung als Computer Assisted Personal Interviewing / CAPI, die computergestützte fernmündliche Erhebung als Computer Assisted Telephone Interviewing / CATI und die computergestützte schriftliche Erhe­ bung als Computer Assisted Self Interviewing / CASI. Dabei wird der Fragebogen durch ein Computerdisplay ersetzt und / oder der Interviewer durch einen Computer. Bei CAPI wird der traditionelle Fragebogen durch ein PC-Display ersetz und der handschriftliche Eintrag durch eine PC-Tastatur. Eine kritische Beurteilung ergibt sich wie folgt. Es besteht eine leichte Handhabbarkeit in der Durchführung für den Interviewer. Der Computer führt automatische Gabelungen oder Filterführungen nach festgelegten Proceduren aus. Es sind auch offene Fragen möglich, die über die alphanumerische Tastatur erfasst werden. Bei geschlossenen Fragen ist eine automatische Kategorisierung und Codierung darstellbar. Im Hintergrund können Datenstabilitätsprüfungen vorgenommen werden, so dass eine effiziente Fallzahlgestaltung machbar wird. Eine schnelle Daten­ verarbeitung rationalisiert das Projekt, vor allem entstehen keine Übertragungsfehler von Fragebögen zu Dateneingaben. Durch leistungsfähige Laptops ist auch mobiler Einsatz leicht umsetzbar. Der Interviewer-Bias wird vermindert, da kaum Eingriffe in den Ablauf erfolgen. Frage- und Antwortrotationen können automatisch vorgenommen werden. Und es sind auch Bewegtbildvorlagen einsetzbar. Allerdings ergeben sich auch erhebliche Probleme. So sind nach wie vor hohe Investitionskosten in Hardware und Software erforderlich. Ebenso muss eine intensive Interviewerschulung vorgenommen werden. Der hohe Stromverbrauch begrenzt die Einsatzdauer von Laptops. Die Hardware ist vor allem sehr transportempfindlich. Auch die Datenübertragungskoordination ist alles andere als trivial (Endgeräte, Betriebssysteme, Browser etc.). Es steht nur ein begrenztes Instrumentarium an Software zur Verfügung. Bei individueller Gestaltung des Fragebogendesigns ist ein relativ hoher Programmieraufwand notwendig. Und der Einfluss der Technik auf das Ergebnis von Erhebungen ist strittig.

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Bei CATI erfolgt eine zentrale Abfrage durch Ablesen der Fragen am Bildschirm und Eingabe der Antworten durch den Interviewer, wobei die Kommunikationsverbindung über Telefon übernommen wird. Möglich sind auch vollautomatisierte Telefoninterviews (Completely Automated Telephone Survey / CATS) mit Chatbots bzw. Mehrfrequenzwahlverfahren. Eine kritische Beurteilung ergibt sich wie folgt. Der Fragenablauf kann durch Computereinsatz automatisiert werden. Insofern kann eine große Vielzahl von Zielpersonen in die Befragung einbezogen werden. Deren Identität kann durch Abfrage erhärtet werden. Nicht erreichte Personen können jederzeit wiederholt angewählt werden, dies übernimmt der Computer dann selbsttätig. Eine Unterbrechung des Interviews und die Fortsetzung zu einem späteren Zeitpunkt sind möglich, wenngleich nicht förderlich. Im Hintergrund läuft eine Datenstabilitätsprüfung in Bezug auf Sicherheitsniveau und Schwankungsbreite, die bei Zielerreichung eine vorzeitige Beendigung des Projekts erlaubt. Teilweise ist eine automatisierte Abwicklung durch Sprachcomputer und Spracherkennung möglich. Auch Dateneingaben sind per Tonwahl-Tastatur darstellbar. Probleme sind jedoch auch hier vielfältig. So sind immer noch hohe Investitionskosten in Telefonarbeitsplätze zu investieren. Die Anwendbarkeit computergestützter Telefoninterviews ist eingeschränkt. Die Fragen können nur sehr begrenzt durch Hilfen unterlegt werden, mit Ausnahme der Bildtelefonie. Die Abbruchgefahr wegen der Anonymität der Befragungssituation ist sehr hoch. Bei CASI wird der Fragebogen auf Datenträger im Regelfall online an Befragungspersonen versandt. Diese füllen den Fragebogen an ihrem Computer aus und schicken ihn an den Veranstalter zurück. Eine kritische Beurteilung ergibt sich wie folgt. Es kommt zu einer erheb­ lichen Personalkosteneinsparung, vor allem ist kein Interviewerbias vorhanden. Der Fragebogen kann in verschiedenen Sprachen / Schriften versandt werden. Der Adressat bestimmt die Geschwindigkeit seiner Bearbeitung individuell. Erläuternde Informationen können über Hilfe-Funktionen oder Hintergrunddateien angeboten werden. Rotationen der Fragen- und Antwortreihenfolgen sind möglich. Der Frageaufruf erfolgt automatisiert in Abhängigkeit von Antworteingaben. Die Fragebögen können in mehreren Tranchen ausgeliefert werden, durch schnelle Datenverarbeitung ist ein Projektabbruch bei Datenstabilisierung möglich. Durch Plausibilitätsprüfungen können ungültige Antworten zurückgewiesen werden. Die Antwortzeitermittlung kann als Indikator für die Belastbarkeit von Antworteingaben angesehen werden. Eine Unterbrechung der Erhebung ist jederzeit möglich, wenngleich methodisch nicht erwünscht. Der Erhebungsstichtag wird automatisch ausgewiesen. Problematisch sind jedoch folgende Aspekte. Die situativen Bedingungen der Erhebung sind nicht kontrollierbar. Das Lesen / Verstehen der Fragen bewirkt kognitive Verzerrungen bei deren Beantwortung. Die Identität der Befragungsperson

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kann nicht überprüft werden. Bildschirmfragebögen werden häufig als von hoher Komplexität erlebt und führen zur Nichtbeantwortung. Die Befragungsdauer ist begrenzt, ein Befragungsabbruch kann nicht verhindert werden, allenfalls ist eine Motivation zum Weitermachen möglich. Verbreitet sind nach wie vor Akzeptanzprobleme bei Medium und Technik. Die Belastbarkeit von Spracheingabe oder Handschrifterkennung ist fraglich, so dass im Wesentlichen nur Tastatureingaben in Betracht kommen. Die Lesewilligkeit für umfangreiche Texte am Bildschirm ist begrenzt.

4.4.2 Beobachtungsverfahren Ein weiteres, weit verbreitetes Erhebungsverfahren ist die Beobachtung. Dabei ist hier nicht an eine naive unsystematische Form zu denken, sondern an eine wissenschaftliche Beobachtung. Dabei ist das Beobachtungsdesign zu bestimmen. Dafür gibt es verschiedene Stellgrößen: • Nach dem Standardisierungsgrad kann die Beobachtung nach vorab bestimmten Kategorien durchgeführt werden oder individuell angelegt sein. Ersteres ist etwa bei Kundenlaufstudien der Fall, bei denen beobachtet wird, welche Wege Käufer am Handelsplatz einschlagen und zurücklegen. Letzteres ist etwa bei Kaufentscheidungen am Regalplatz gegeben, bei denen es auf die individuelle Situation ankommt. • Nach dem Beobachtungssubjekt kann es sich um eine Selbst- oder Fremd­ beobachtung handeln. Bei der Selbstbeobachtung ist der Forscher zugleich Erhebungsperson und Erhobener, etwa bei der Produkthandhabung. Bei der Fremdbeobachtung fallen Forscher als Beobachter und Erhobener als Beobachteter personell auseinander. Fremdbeobachtungen richten sich etwa auf den Passantenfluss vor Schaufenstern, das Klickverhalten in WWW-Präsenzen oder die Blickverlaufserfassung am Monitor. • Nach der Beobachtungsform kann es sich um eine persönliche oder unpersön­ liche Form handeln. Persönlich erfolgt die Beobachtung durch den Forscher oder von ihm beauftragte Personen. Unpersönlich erfolgt die Beobachtung durch Apparaturen. Zu denken ist dabei etwa an Lichtschranken vor Regalen, Zählkreuze am Handelsplatz oder Audio- / Video- / Fotoaufnahmen. • Nach der Beobachterrolle kann es sich um eine teilnehmende oder nicht-teilnehmende Beobachtung handeln. Bei der teilnehmenden Beobachtung ist der Beobachter integraler Bestandteil der beobachteten Situation, in der er interagiert, etwa beim Mystery Shopping. Bei der nicht-teilnehmenden Beobachtung ist der Beob­ achter passiv, interagiert also nicht, etwa bei der Auswertung durch Web Analytics. • Nach der Beobachtungsumgebung kann es sich um eine Feldbeobachtung in realer Umgebung handeln oder um eine Laborbeobachtung in künstlicher Umge-

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bung. Erstere bietet wegen der realen Umgebungsverhältnisse eine höhere Validität, also Fähigkeit der Aussage, aber wegen unvermeidlicher Störeinflüsse eine geringere Reliabilität, also Stabilität der Aussage. Letztere bietet zwar wegen der kontrollierten Verhältnisse eine höhere Reliabilität, dafür aber wegen der künstlichen Umgebungsverhältnisse eine geringere Validität. Nach dem Bewusstseinsgrad des Beobachteten kann es sich um folgende Situa­ tionen handeln: • Bei der offenen, durchschaubaren Situation weiß der Beobachtete um die Tatsache der Beobachtung und auch um deren Zweck. Es steht jedoch zu vermuten, dass beides die Ergebnisse der Beobachtung weitgehend unbrauchbar macht. • Bei der nicht-durchschaubaren Situation weiß der Beobachtete zwar um den Zweck der Erhebung, nicht aber um die Tatsache der aktuellen Beobachtung. Dies ist etwa gegeben, wenn Probanden zur Erfassung der Nutzung von redaktionellen und werblichen Anteilen in Zeitschriften in ein Studio eingeladen werden, aber bereits vor der erwarteten Lesesituation die Messung stattfindet, etwa durch eine Kamera über einem Spiegeltisch im Warteraum. • Bei der quasi-biotischen Situation weiß der Beobachtete zwar um die stattfindende Beobachtung, nicht aber um deren Zweck. Dies ist etwa gegeben, wenn Probanden ablenkend zur Beurteilung des redaktionellen Teils eines Fernseh­ programms, das von Werbepausen unterbrochen ist, in ein Studio eingeladen werden, es tatsächlich aber um die Erfassung der Nutzung der vorgeführten Werbe­ spots geht. • Bei der biotischen Situation weiß der Beobachtete weder um die aktuelle Beobachtung, noch notwendigerweise um deren Zweck. Dies entspricht der klassischen „versteckte Kamera“-Situation und bedarf wegen der informationellen Selbstbestimmung der Genehmigung der Probanden. Die Ergebnisse der Beobachtung sind umso aussagefähiger und belastbarer, je näher sie der biotischen Situation kommen, zugleich ist die Herstellung einer solchen Messsituation aber umso schwieriger. Entsprechend dieser Stellgrößen kann für jedes Erhebungsprojekt ein individuell passendes Design gewählt werden. Vorteile der Beobachtung liegen in der Erfassung von Vorgängen während deren aktuellen Vollzugs. Die Erfassung ist dabei grundsätzlich unabhängig von der Auskunftsbereitschaft der Probanden. Es entsteht ggf. kein Interviewereinfluss. Die Auswertung ist unabhängig vom Ausdrucksvermögen der Probanden. Daher ist die Beobachtung auch zur Ergänzung einer Befragung geeignet. Teils sind interessierende Merkmale auch nur durch Beobachtung erfassbar wie bei Blickbewegungen. Vor allem kann auch Gruppenverhalten erhoben werden. Dem stehen jedoch nennenswerte methodische Nachteile gegenüber. So sind bei verbreitet offenen Situationen Beobachtungseffekte als Hawthorne-Effekt unvermeidlich. Ferner können keine theoretischen Konstrukte, wie sie für das Käufer-

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verhalten bedeutsam sind, erfasst und ausgewertet werden, da diese nicht beobachtbar sind. Es können auch nur gegenwartsbezogene Sachverhalte erhoben werden, nicht vergangenheitsbezogene oder zukünftig beabsichtigte. Die Auswertung lässt erhebliche Interpretationsspielräume. So kann die längere Beobachtungsdauer einer Anzeige bedeuten, dass diese besonders anspricht, aber auch, dass diese unverständlich ist. Der Beobachter hat im Zweifel nur eine geringe Beobachtungskapazität. Die Beobachtung ist zudem häufig an die reale zeitliche Abfolge von Ereignissen gebunden. Dies bedeutet zugleich, dass der Beobachtungszeitpunkt im Zweifel extern vorgegeben ist. Es besteht nur eine bedingte Wiederholbarkeit der Beobachtungssituation. Und die Repräsentanz der beobachteten Fälle für alle Fälle, für die Aussagen getroffen werden sollen, ist fraglich.

4.5 Online-Erhebung Bei der Online-Erhebung ist danach zu unterteilen, ob sie als Mittel allgemeiner Informationsbeschaffung (= Primäranalyse) oder als Zweck onlinerelevanter Informationsauswertung (= Sekundäranalyse) dient. Als Mittel kommen fernschriftliche (Fragebogen) und fernmündliche (einzeln / mehrpersonal) Befragungen in Betracht. Als Zweck geht es um die Beobachtung bzw. Auswertung des Nutzungsverhaltens im WWW und zwischen verschiedenen Websites sowie um das Verhalten auf einer Webseite und zwischen verschiedenen Seiten einer Site.

4.5.1 Auswahlverfahren Da eine Vollerhebung im Regelfall nicht darstellbar ist, geht es zunächst um die Methode der Auswahl der Stichprobeneinheiten, von denen auf die Ergebnisse hochgerechnet werden soll, die entstanden wären, hätte man nicht nur diese Stichprobeneinheiten erhoben, sondern tatsächlich alle Einheiten einer relevanten Grundgesamtheit. Dabei können eine aktive Rekrutierung durch Bewusstauswahl oder eine passive Rekrutierung durch Zufallsauswahl vorgenommen werden, letztere wiederum als reine Zufallsauswahl unter allen im Internet gerade aktiven Personen oder eine gesteuerte Zufallsauswahl in einem vordefinierten Nutzersegment. Die bewusste Auswahl erfolgt im Allgemeinen durch E-Mail, SMS oder Telefon. Per E-Mail werden bekannte Adressaten, die anhand ihres Profils als relevant qualifiziert worden sind, kontaktiert und zur Teilnahme an einer Online-Erhebung eingeladen. Dies ist ausgesprochen problematisch. So ist nicht bekannt, wer unter der angegebenen Mail-Adresse die Nachrichten öffnet, liest, weiterleitet etc. Viele dieser Einladungen enden, da von wenig vertrauten Absendern stammend, in scharf eingestellten Spam-Filtern, eine Vorankündigung ist hier wenig hilfreich, da auch diese im Spam-Filter landet. Die Öffnungsrate von Nachrichten, die unerwartet eingehen und von wenig vertrauten Absendern stammen, ist sehr gering.

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Der Anteil der positiven Reaktionen darauf ist noch viel geringer. Hinweise in Piggyback-Newsletters oder Nachrichten von bekannten Multiplikatoren gehen in der Informationsfülle leicht unter. Insofern besteht die große Gefahr, dass es schon in dieser Auswahlphase zu einer irreparablen Verzerrung bei den Auskunftseinheiten kommt. Bei Bulk-E-Mails wird eine Vielzahl von Adressen, etwa von Adressbrokern, mit Einladungen zur Teilnahme an einer Erhebung bedacht. Allerdings landen diese häufig im Spam-Filter, außerdem ist dies rechtlich problematisch. Da keine hinreichende Abgrenzung der Grundgesamtheit gegeben ist, ist das Ergebnis zudem notleidend. Auch ist die Responsequote sehr gering. Die zufallsgenerierte Kombination von Buchstaben / Silben und Domains in der Hoffnung, dadurch auf tatsächlich existierende Adressen zu treffen, verstößt allerdings gegen Gesetz. Eine verbreitete Form der Anfrage zur Mitarbeit an einer Erhebung ist die SMS-Nachricht (bzw. eingeschränkt die WhatsApp-Nachricht bei Smartphones). Interessenten können dann darauf reagieren. Allerdings gelten unverlangte Nachrichten im Medium als unseriös. In gleicher Weise ist die aktive Rekrutierung per Telefon problematisch. So ist die Identität des Angerufenen fraglich, vielfach arbeiten Anrufbeantworter als Blocker. Die Erreichbarkeit per Telefon ist gerade bei aktiven, im Beruf oder in der Freizeit engagierten Personen gering. Anrufe von unbekannten Anrufnummern werden wegen schlechter Erfahrungen häufig weggedrückt. Ein hoher Anteil der Rufnummern ist zudem nicht öffentlich zugänglich. Bei einer Rufnummerngenerierung liegt aber gerade keine Bewusstauswahl mehr vor. Die Bereitschaft zur sofortigen Mitarbeit an einer Erhebung ist sehr gering ausgeprägt, bei Zusagen zu einer späteren Mitarbeit handelt es sich häufig um Gefälligkeitsäußerungen. Bei unbekannten Anrufern ist ein hohes Misstrauen verbreitet. Und generell stellt sich auch die Frage nach der Motivation zur Mitarbeit. Insofern besteht auch hier die Gefahr der Atypik bereits in der Auswahl. Weitere Möglichkeiten sind der Eintrag eines Erhebungsprojekts bei Suchmaschinen, in Newsgroups / Internet-Foren, über Soziale Netzwerke oder per „Schneckenpost“. Der Eintrag erfolgt bei Suchmaschinen unter entsprechend themen­ affinen Stichworten. Dann melden sich allerdings nur solche Nutzer, die an einer Teilnahme aktiv interessiert sind, inwieweit diese repräsentativ für alle relevanten Personen sind, ist fragwürdig. Die Selbstselektion entspricht gerade einer Willkürauswahl. Eine Newsgroup-Auswahl erfolgt etwa durch E-Mail-Registrierung der Teilnehmer. Dazu wird eine entsprechender Link gepostet. Zwar verstößt die breite Streuung solcher Posts gegen die Netiquette. Dafür ist die Kontaktierung auch spezifischer Zielgruppen möglich. In Internet-Foren sind Teilnehmer nach Themen gruppiert. Daher kann auch hier eine zielgruppenspezifische Auswahl vorgenommen werden. Allerdings ist die Grundgesamtheit ungenügend abgegrenzt und Be-

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rechnungsmöglichkeiten bestehen im strengen Sinne nicht. Im Forum wird dazu ein Link zur Startseite der Erhebung platziert, ohne den Dienst verlassen zu müssen. Da jedoch die Gesamtheit der Forums-Nutzer extern unbekannt bleibt, kann die Grundgesamtheit nicht klar abgegrenzt werden, somit ist auch keine mathematisch-statistische Nachvollziehbarkeit gegeben. Ein weiterer Anspracheweg besteht über Soziale Netzwerke (Web 2.0), vor allem für kurze Erhebungen und jugendliche Zielgruppen. Hier ist die Auskunftsbereitschaft erstaunlich hoch, was für eine gewisse Naivität im Umgang mit sensiblen Auskünften spricht, die Nachteile bergen kann. Denkbar ist auch eine Kontaktierung potenzieller Teilnehmer über OfflineMedien wie Brief. Eine Repräsentanz wird dann aufgrund von Listendaten oder mikrogeografischer Beschreibung zu erreichen gesucht. Dagegen sprechen aber Nachteile in Kosten, Zeit, Erreichbarkeit etc. Und wenn schon einmal der Kontakt hergestellt ist, könnte auch gleich die Erhebung folgen, statt einen Medienwechsel auf Online einzuleiten. Dadurch können ansonsten unterrepräsentierte Zielgruppen gezielt kontaktiert werden. Hinsichtlich der reinen Zufallsauswahl ist diese im Internet kaum realisierbar, denn diese setzte voraus, dass jede Einheit der Grundgesamtheit die gleiche, von Null verschiedene Chance hat, in die Stichprobe einzugehen. Die Chance aller Nutzer, die zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Mitarbeit an einer Erhebung nicht online sind, ist schon einmal Null. Dasselbe gilt für alle Nutzer, die zwar zeitgleich online sind, sich aber auf anderen Präsenzen als denen, die zur Aufforderung zur Mitarbeit an einer Erhebung genutzt werden, bewegen. Sofern Aussagen nicht nur über Internetnutzer, sondern alle Personen einer Grundgesamtheit gewünscht sind, ist der Anteil der Nicht-Internetnutzer naturgemäß ebenfalls Null. Unter den Internetnutzern haben diejenigen mit intensivem Online-Verhalten zudem die höhere Chance, in die Stichprobe einzugehen als diejenigen mit extensivem Online-Verhalten. Insofern besteht die Gefahr der Verzerrung, da von Aussagen dann nur auf die Gruppe der Online-Intensivnutzer geschlossen werden könnte, nicht aber auch die der Extensivnutzer. Hinzu kommt, dass der Übergang nicht disjunkt, sondern graduell ist. Außerdem ist das Nutzungsverhalten in Bezug auf unterschiedliche Websites erheblich abweichend, so dass Nutzer von Sites, auf denen die Auswahl annonciert wird, eine höhere Chance auf Eingang in die Stichprobe haben als Nutzer von anderen Sites. Eine häufige Form stellt die Intercept-Auswahl dar. Bei der Intercept-Auswahl wird ein Online-Nutzungsvorgang durch Aufforderung zur Teilnahme an einer Erhebung, meist über ein neues Browser-Fenster, unterbrochen. Die Aufforderung erscheint bei jedem n-ten Teilnehmer oder in Abhängigkeit von vordefinierten Aktionen. Cookies identifizieren Wiederholungsteilnehmer. Damit sind wahrscheinlichkeitstheoretische Auswertungen und Ausschöpfungsausweise möglich. Allerdings verhindern Browser häufig Pop-ups, dies wirkt verzerrend. Damit sind zwar wahrscheinlichkeitstheoretische Auswertungen möglich, ebenso wie ein Ausweis der Ausschöpfungsquote. Allerdings sind

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systematische Abweichungen zwischen Teilnehmern und Nicht-Teilnehmern anzunehmen, ebenso ist die Grundgesamtheit auf die Nutzer der Website begrenzt, so dass auch nur für diese eine Aussage getroffen werden kann. Infolge Pop-upBlockern ist nicht ausweisbar, ob ein Nutzer bewusst die Beteiligung verweigert oder unwissentlich nicht teilnehmen konnte. Bei einer gesteuerten Zufallsauswahl wird nicht allein das Zufallsprinzip als Basis der Auswahl genutzt, sondern der Zufall wird zweiphasig korrigiert. In der ersten Phase wird eine Bewusstauswahl vorgenommen. Diese erfolgt etwa nach dem Konzentrationsprinzip durch Vorwahl eines oder mehrerer interessierender Nutzersegmente innerhalb der Grundgesamtheit. Da diese Segmente aber dennoch für eine Vollerhebung nicht zur Verfügung stehen, werden innerhalb dieser dann nach Zufallsauswahl die zur Erhebung gewünschten Einheiten bestimmt. Naturgemäß können dann auch nur über diese Segmente Aussagen getroffen werden. Problematisch ist aber die Ausschöpfung dieser Segmente, denn aus vielfältigen Gründen können einzelne Stichprobeneinheiten häufiger / intensiver mit dem Erhebungsanliegen adressiert werden als andere und haben damit auch eine höhere Wahrscheinlichkeit der Teilnahme. Außerdem ist nicht bekannt, ob die Angehörigen eines Segments annähernd gleichartig auf dieses Anliegen reagieren. Auch für eine gesteuerte Zufallsauswahl ist es statistisch erforderlich, dass alle Elemente dieser Grundgesamtheit bekannt und auch adressierbar sind. Diese Anforderung aber ist kaum realisierbar, da aufgrund veralteter Datenbasis, unzutreffender Angaben, unzureichender Abgrenzung etc. nicht gewährleistet ist, dass alle Elemente tatsächlich bekannt sind. Und vor allem, dass diese auch zuverlässig adressierbar sind, etwa aufgrund von Provider-Wechsel, Landes- / Berufswechsel, Interessen- / Finanzstatusänderung etc. Insofern bestehen auch hier erhebliche methodische Bedenken. Die Aufforderung zur Mitarbeit an einer Erhebung erfolgt zumeist über Werbemittel wie der Banner-Auswahl. Dabei wird ein Display-Element auf bestimmten Webseiten installiert, das sich nach Anklicken öffnet und die Teilnahme ermöglicht. Durch die Wahl der Webseiten kann die Zielgruppe eingegrenzt werden. Da aber der Nutzer über die Teilnahme entscheidet, liegt im engeren Sinne keine Zufallsauswahl vor, somit auch keine Berechnungsmöglichkeit. Die Erhebung ist vielmehr selbstrekrutierend. Soll nur eine bestimmte Zielgruppe erhoben werden, wird das Banner nur in eine für diese hoch affine Seite integriert. Die Klickrate dieser Banner ist jedoch sehr gering. Vielmehr werden solche Unterbrechungen / Ablenkungen in der Online-Nutzung als störend empfunden. Zudem fehlt es an der Motivation zur Einbringung, Aufhänger wie „Sie wurden ausgewählt“ o. Ä. verfangen hier schon lange nicht mehr. Generell fehlt es an der Banner-Sichtbarkeit (Visibility). Werden Klicks ausgeübt, stammen diese häufig von Robots oder entstehen versehentlich (Fat Finger). Zudem geraten Reagierer in die Datei der Marktforschungsinstitute und werden bei geeigneten Aufgabenstellungen wiederholt adressiert, so dass die Gefahr besteht, dass immer wieder dieselben, letztlich atypischen Einheiten Auskunft geben. Vor allem bleibt auch die Identität der Auskunftsgeber unklar.

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Allgemein ergeben sich bei der Beantwortung von Fragebogen verschiedene Fehlerquellen: • Nonresponder sind Personen, die zur Stichprobe gehören, aber erst gar nicht in den Fragebogen einsteigen, • Lurker sind Personen, die einen Fragebogen lediglich in Augenschein nehmen, ohne ihn letztlich zu bearbeiten, • Answering Drop-outs sind Personen, die einen Fragebogen zu bearbeiten beginnen, dann aber aussteigen, • Item-Nonresponder sind Personen, die im Fragebogen nicht alle Fragen vollständig ausfüllen, Nur Complete Responder sind Personen, die einen Fragebogen vollständig bearbeiten und ausfüllen. Einflussfaktoren stellen u. a. folgende dar: • Erhebungsthema, hier geht es vor allem um die persönliche Betroffenheit (Involvement), • Zeitfaktor, hier sind Nachfassaktionen (Reminder) angezeigt, • technische Restriktionen, hier hilft eine adaptive Programmierung für verschiedene Online-Umgebungen, • Online-Kompetenzen der Befragungspersonen, hier hilft ein einfacher Aufbau des Fragebogens, • Fragebogendesign, -länge, • Motivation, hier können, allerdings umstritten, Incentives hilfreich sein, aber auch eine persönliche Ansprache. Wie bei der Offline-Erhebung ist auch bei der Online-Erhebung die Beobachtung vorzufinden. Dabei handelt es sich, neben der Logfile-Analyse (s. u.), vor allem um die themenorientierte Beobachtung im Rahmen einer Kohortenanalyse als Tracking oder Panel. Die Beobachtung kann teilnehmend sein, d. h. der Beobachter interagiert in der Beobachtungssituation, oder nicht-teilnehmend, d. h. der Beobachter greift in die vorzufindende Situation nicht ein. Ersteres erlaubt zwar eine bessere Steuerung, birgt zugleich aber auch eine Verzerrungsgefahr, et vice versa. Eine Teilnahme selbst ist bei Online-Erhebung einfacher zu realisieren als offline. Gegenstand der Beobachtung ist vor allem Soziale Medien wie Weblogs oder Microblogs. Fraglich ist, inwieweit Teilnehmer über die Beobachtung in Kenntnis gesetzt werden. Dies kann das Verhalten verzerren, ohne Inkenntnissetzung bestehen aber ethische Bedenken der Manipulation, rechtliche Bedenken treten hingegen bei offenen Kanälen nicht ein. Bei geschlossenen Kanälen stellen sich die Probleme der Stichprobenabgrenzung und der Teilnehmerrekrutierung. Viele Teilnehmer neigen zudem zu Dominanzäußerungen, andere schweifen progressiv vom Thema ab, die Teilnehmergröße und -struktur schwankt und die Identität der

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Teilnehmer ist unklar. Insofern gibt es tatsächlich wichtige methodische Probleme, welche die Aussagefähigkeit der Online-Beobachtung stark einschränken.

4.5.2 Befragungskanäle Hinsichtlich der schriftlichen Befragung der wie auch immer ausgewählten Einheiten kommen als Befragungskanäle vor allem E-Mail, WWW-Poll, Instant Messaging, Internet-Communities und Chats in Betracht. Eine gängige Technik ist die der E-Mail. Hierbei handelt es sich um eine PushTechnik mit kostengünstigem Versand durch den Veranstalter. Die Programmierung ist technisch einfach zu realisieren und folgt dem ASCII-Text. Allerdings bestehen dabei nur stark eingeschränkte Gestaltungsmöglichkeiten. Es sollten nicht mehr als 65 Zeichen pro Zeile vorgesehen werden, möglichst ohne Tabstops, da diese nicht von allen Betriebssystemen einheitlich gelesen werden. Hilfreich ist die E-Mail-Adresse des Forschers. Die Anonymität kann gewahrt bleiben, indem die Adresse im BCC-Feld eingetragen wird und damit für andere Adressaten nicht lesbar ist. Denkbar ist auch die Zwischenschaltung eines vertrauenswürdigen Anonymisierservices. Der Antworteingang wird dann über Filteranweisung automatisch im richtigen Ordner abgespeichert. Eine HTML-Anlage ermöglicht demgegenüber verschiedene Medienmodalitäten wie Bewegtbild / Standbild / Animation, Musik / Sprache / Geräusch etc. zusätzlich zum Text. Zeitgemäß wird dazu eine Flash / Java-Anlage genutzt. Diese erlaubt dann interaktive Gestaltungsmöglichkeiten. Häufig ist eine Kombination aus ASCII und HTML vorzufinden (Multipart-E-Mail). Die Befragung kann kostengünstig übermittelt werden und ist auch technisch einfach zu realisieren. Es ist kein Medienwechsel nötig, auch ist der Kanal in breiten Teilnehmerkreisen vertraut. Ggf. bestehen eingeschränkte Gestaltungsmöglichkeiten. Durch die Anonymität der Adressierung ist eine gesteigerte Akzeptanz zu vermuten. Bei umfangreichen Inhalten ist zudem eine Aufteilung auf mehrere Fragebögen möglich und sinnvoll. Die Entwicklung individuell angelegter Projekte ist jedoch sehr aufwändig. Die Anlage erlaubt eine automatisierte Auswertung durch spezialisierte BefragungsSoftware. Allerdings entsteht ein hoher Aufwand zur Bekanntmachung des Projekts. Und es bestehen die üblichen Verzerrungen durch Selbstauswahl der Teilnehmer (Self selection) und und einen uneinheitlichen Erhebungsstichtag. Ein WWW-Poll ist ein einmaliges Befragungsprojekt, das nur aus einer einzigen Frage besteht. Man verspricht sich davon berechtigterweise eine höhere Teilnahmerate, da der zeitliche Aufwand erkennbar gering bleibt. Die Interpretation dieser rudimentären Aussagen, meist als Multiple Choice- oder Skalierungsfragen, ist allerdings fragwürdig. So werden keine Anhaltspunkte für Verursachungen gegeben,

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die Antwortsituation ist im Allgemeinen unreflektiert. Durch die Einbindung in die gewohnte Umgebung sind relativ hohe Antwortquoten möglich. Die Anonymität der Auskunftsabgabe steigert die Akzeptanz, ebenso ist eine vollautomatisierte Auswertung leicht möglich. Allerdings entstehen Verzerrungen durch die Selbstauswahl. Es sind keine tiefer­ gehenden Fragestellungen möglich. Vor allem ist die Aggregation der Ergebnisse mehrere Polls fragwürdig. Verbreitet werden Polls in gleichbleibenden Zeitabständen mit gleicher Fragestellung bei identischen Erhebungseinheiten zu einer Wellenerhebung (Tracking) verkettet. Allerdings ist dies fragwürdig, da die Erhebungsbedingungen zwischen den einzelnen Polls stark abweichen dürften, dies wäre allenfalls bei sehr hohen Fallzahlen tolerabel, bei denen angenommen werden kann, dass sich diese Abweichungen kompensieren. Zur Absicherung wäre eine Anlage als Online-Panel erforderlich. Dabei werden jeweils vergleichbare, nicht gleiche Teilnehmer rekrutiert und in gleichbleiben­ den Zeitabständen zum immer selben Thema befragt. Insofern sind zeitliche Entwicklungen verfolgbar. Die Auswahl interessierter Zielgruppen ist möglich. Allerdings entstehen auch dabei zahlreiche Probleme, etwa durch Panelmortalität, d. h. Ausscheiden von Teilnehmern im Zeitablauf (Abhilfe durch Reserve), atypische Effekte infolge steigender Themensensibilisierung (Abhilfe durch Kontrollgruppe) und Panelerstarrung (Abhilfe durch Teilnehmerrotation). Der Unterhalt eines Panels ist zudem sehr zeit- und kostenaufwändig und bleibt damit allein Profis vorbehalten. Die Nutzung von WWW-Polls erfolgt vor allem für Votings sowie Blitzumfragen und wird bevorzugt von Fernsehsendern eingesetzt, z. B. in Bezug auf aktuelle Themen. Die methodische Basis ist jedoch stark notleidend (z. B. EU-Umfrage zur Sommerzeitumstellung) und die Aussagefähigkeit damit gering. Die Abstimmung erfolgt auch über Instant Messaging / IM. Dies sind Dienste (z. B. ICQ), die eine direkte, zeitsynchrone und schriftliche Kommunikation zwischen Nutzern erlauben. Über verschiedene proprietäre Protokolle können Kurznachrichten sofort zwischen Usern übermittelt werden. Je nach System ist auch eine Übertragung von Dateien oder Streams (Audio / Video) möglich. Voraussetzung ist, dass die Partner zeitgleich aktiv sind und eine direkte Verbindung miteinander anstreben. Im Anschluss an die Rekrutierung der Teilnehmer erfolgt die Einladung bzw. Verabredung im Chatroom und das Gespräch dort. Nach Schließung des Chatrooms erfolgt die Auswertung der Protokolle durch den Forscher. Eine weitere Option sind Internet-Communities als Newsgroup oder Web-Forum. Newsgroups sind hierarchisch organisiert und nehmen den Versand über Newsserver / NTTP i. d. R. im Usenet vor. Interviewer und Befragte kommunizieren asynchron / zeitversetzt. Newsgroup-Befragungen werden etwa bei Fokusgruppen genutzt, wenn es also darum geht, die Meinungen / Wertvorstellungen

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fortgeschrittener Benutzer zu erfassen. Dies ist kostengünstig und ortsunabhängig, auch international möglich. Jedoch besteht technisch eine eingeschränkte Nutzerfreundlichkeit. Außerdem fehlt es an unmittelbarer Interaktion wie ansonsten bei Chats. Erforderlich ist, virtuell wie real, ein Moderator, der verhindert, dass die Diskussion aus dem Ruder läuft, ohne dabei zensierend zu wirken. Weiterhin müssen Titel, Sinn und Zweck der Untersuchung offenbart werden. Dazu gehören auch die Vorstellung des Untersuchungsleiters, die Zusicherung der Anonymität und eine ansprechende Fragebogengestaltung. Der Versand des Fragebogens ist kostengünstig darstellbar. Allerdings kann es zu Verzerrungen innerhalb der Diskussion kommen. Hinderlich ist auch die Einhaltung der Netiquette. Problemtisch ist, die mutmaßliche Dauer der Befragung im Vorhinein anzugeben. Übergreifend ist zwar eine zielgruppenspezifische Platzierung möglich, jedoch bleibt zugleich die Reichweite begrenzt. Außerdem kommt es zu Verzerrungen infolge Selbstauswahl der Teilnehmer Eine neuere Form von Communities stellen Web-Foren dar, in denen sich eine Gruppe zu einem Themenkomplex austauscht. Die Bearbeitung eines Fragebogens erfolgt durch Versand als interne Mail an einen Webserver und damit unkomplizierter als bei Newsgroups. Anforderungen an eine gute Erhebungs-Software sind u. a. die Möglichkeit zur Speicherung aller Beiträge, eine differenzierte Rechtevergabe für den Moderator und die Teilnehmer sowie Beobachter, die Abschaltung der Flüsterfunktion für Teilnehmer, separate Räume für die einzelnen Themen, eine Textablage für den Leitfaden, Upload-Funktionen für Dateien / Bilder sowie eine Einspielfunktion für multimediale Stimuli (Emoticons). Eine zeitgleiche (realtime) Kommunikation erfolgt in Chats. Sie kommen damit einer mündlichen Befragung am nächsten. Dabei sind im Wesentlichen drei Formen zu unterscheiden. Internet Relay chats erfolgen nach dem IRC-Protokoll. Diskussionen finden meist in Chatrooms mit bis zu sieben Teilnehmern und unter Pseudonymen (Nicknames) statt. Dazu ist eine spezielle Chat-Software erforderlich, meist über Plugins wie Java. Die Dauer der Befragung sollte zwei Stunden nicht überschreiten. Im Ablauf erfolgt zunächst eine Kennenlernphase zur Orientierung, dann erfolgt der Meinungsaustausch zum vorgegebenen Thema, bevor die Abschlussphase (Dank, Verabschiedung, Feedback) folgt. Der Moderator kann in einem Bildschirmfenster in die Diskussion eingreifen und diese anleiten. Chat-Befragungen finden zunehmend in relativ unkomplizierten Web-Chats statt, bei denen die Chat-Software bereits durch Browser direkt in HTML-Seiten integriert ist und die Beiträge sofort aktualisiert. Vorteile sind der kostengünstige Versand, vor allem aber die zielgruppenspezifische Platzierung des Fragebogens. Verzerrungen ergeben sich durch kontroverse Diskussionen in den Communities durch Menschen mit erstaunlich viel Zeit und bedrückend wenig Sachkunde. Es ist ein direkter Kontakt zu einzelnen Teilneh-

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mern möglich. Stimmungen können durch Emoticons ausgedrückt werden, ansonsten sind sie aus den Beiträgen zu interpretieren. Die Reichweite dieser Technik ist jedoch durch die bewusste Segmentierung gering, außerdem bestehen die üblichen Probleme der Selbstauswahl. Wichtig ist die Berücksichtigung der Netiquette. Diese sieht bei Newsgroups etwa Respekt vor jedem Teilnehmer, gute Lesbarkeit und Verständlichkeit der Auskünfte, Beachtung aller einschlägigen Vorgaben vor. Die Präzisierung der Erhebung ist durch bildgestützte Befragungsformen möglich. Dabei handelt es sich, nicht überschneidungsfrei, um VoIP-Bildtelefonie (z. B. Skype, meist bilateral PtP), Web-Conferencing (Ton- und Dateienaustausch nach Internet-Standard) oder IP-Videoconferencing (z. B. Zoom, MS Teams, Teamviewer, meist als Multipoint-Meeting), die proprietäre / eigene Protokolle nutzen. Als Endgeräte fungieren Desktop-Systeme, Set-Top-Boxen oder Rauminstallationen. Technische Komponenten sind weiterhin ein Sternverteiler zur Anbindung der Teilnehmer, ein Gatekeeper zum Verbindungsaufbau und ein Gateway zur Verbindung verschiedener Netze. Zur Kommunikation werden neben der Software auch Hardware-Komponenten wie Mikrofon, Lautsprecher, Headset o. Ä. benötigt. Dies gleicht dann einer telefonischen Befragung. Dazu werden zunächst die Teilnehmer rekrutiert, dazu wird ein gemeinsamer Termin für die Konferenz vereinbart, international wird auch die Sprache festgelegt. Dann kann man sich durch Anklicken auf Teilnahme einwählen. Die Software stellt sicher, dass Kamera, Display und Mikrofon eingeschaltet sind. Dabei kann nur die jeweils sprechende Person groß eingeblendet werden oder es werden kontinuierlich alle Teilnehmer eingeblendet. Ein Moderator aktiviert die Teilnehmer, regelt die Sprachbeiträge. Problematisch sind vor allem der prinzipbedingt gehemmte Meinungsaustausch zwischen den Teilnehmern, die begrenzte Aussagefähigkeit der Körpersprache und fehlende gruppendynamische Effekte. Generelle Vorteile von Online-Gruppendiskussionen sind vor allem folgende: • Die Anlage spart gegenüber traditionellen Gruppendiskussionen Zeit und Geld, die Teilnehmer sind räumlich ungebunden, falsch gewünscht, bleibt ihre Anonymität gewahrt, es sind auch Teilnehmer erreichbar, die ansonsten aus Verfügbarkeitsgründen nicht teilnehmen würden, Effekte der sozialen Erwünschtheit werden zumindest teilweise neutralisiert, eine mediale Unterstützung durch Ton, Bild / Video ist möglich. Nachteile von Online-Gruppendiskussionen sind vor allem folgende: • Der Moderator muss Erfahrung mit dieser Form der Erhebung haben, der persönliche Kontakt fehlt, die Identität der Teilnehmer ist nicht sicher nachprüfbar, Teilnehmer können sich zwischenzeitlich vom Computer entfernen bzw. andere Personen als die, die angemeldet sind, teilnehmen.

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4.5.3 Befragungstaktik Hinsichtlich der Befragungstaktik in der Online-Marktforschung ergeben sich Stellgrößen in Bezug auf die Fragetypen, die Frageabfolge und die Antwortreihen­ folge. Für die Präsentation der Fragetypen sind folgende Optionen gegeben: • Einfachauswahl, d. h. eine Antwort aus verschiedenen Antwortoptionen, dies erlaubt allerdings nur ein enges Antwortspektrum, • Dropdown-Feld, d. h. Klick auf eine Leiste zum vorauswählenden Aufklappen der jeweiligen Antwortangebote, also zweistufige Anwahl, • Mehrfachauswahl, d. h. zwei oder mehr mögliche Antworten aus verschiedenen Angeboten, • Auswahllisten, d. h. zwei oder mehr mögliche Antworten aus einer aufgeklappten Liste, wiederum zweistufige Anwahl, • Volltexteingabe, d. h. Freieingabe der Antwort, problematisch ist hierbei die Schreibfähigkeit, aber auch die Verständlichkeit, zudem ist eine automatisierte Auswertung fraglich, • Autocomplete-Texteingabe, d. h. nach den ersten Buchstaben wird ein Wort nach Wahrscheinlichkeit automatisch vervollständigt, • Matrixfrage, also mehrere Zeilen mit jeweils mehreren Antwortangeboten, z. B. als Polaritätenprofil, auch als Doppel- oder Multimatrix, problematisch ist dabei der hohe Komplexitätsgrad, • Schieberegler (Slider), d. h. freie / analoge Bewegung entlang einer Skala für kontinuierliche Abstufung, im Hintergrund läuft ein numerischer Wert mit, • Rankingfrage, d. h. Skala auf ordinalem Skalenniveau, allerdings ist dabei keine metrische Auswertung möglich, • Konstantsummenskala, d. h. Verteilung einer festen Punktezahl auf Antwortangebote, dies ist im allgemeinen eine empfehlenswerte Form. Für die Frageabfolge erfolgt eine Filterführung in Abhängigkeit von • der vorherigen Frage / Eingabe, • einem Zufallsfilter, • einem zeitbezogenen Filter, • der rekrutierenden Website, • der Anzahl der bereits eingesammelten Antworten.

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Die Antwortreihenfolge kann dabei jeweils rotierend oder auch alphabetisch vorgehen. Denkbar sind Reihenfolgen nach Zustimmung, Wichtigkeit, Zufriedenheit, Häufigkeit, Intensität, Zutreffen, Wahrscheinlichkeit, Sympathie, Kompetenz etc. Umstritten ist, ob ein Antwortzwang (Forced Choice) vorgesehen werden soll, einerseits bewirkt dies eine Vollständigkeit der Auswertung, andererseits aber auch häufige Teilnahmeabbrüche. Fraglich ist auch das Vorhandensein einer Ausweichkategorie. Unbedingt sinnvoll ist hingegen eine Plausibilitätsprüfung der Antworten auf Konsistenz bzgl. Zahlenangaben, Eingabe von Zahlen statt Buchstaben, gültiges Datum etc. Hilfreich ist auch, einen Rücksprung zu sperren, damit keine nachträglichen Korrekturen aufgrund folgender Fragen möglich sind. Hinzu kommt die Kontrolle der Antwortgeschwindigkeit als Indiz für die Gründlichkeit. Als Erfahrungswerte für die Fragebogenlänge gelten im WWW max. 20 Fragen, bei B-t-c-Kunden max. 25, bei B-t-b-Kunden max. 30 und mobil allenfalls 10 Fragen. Hilfreich ist eine ansprechende optische Gestaltung nach Farbe, Form, Lesbarkeit, Ordnung etc., das Angebot von Buttons / Checkboxes zum Ankreuzen oder von Smileys (Kunin-Skala). Eine leichte Orientierung und sichere Teilnehmerführung sind ebenso empfehlenswert. Hinzu kommt der Multimedia-Einsatz durch HTML5, 3-D-Animation, Video- / Audio-Sequenzen o. Ä. Umstritten ist auch, ob ein frei zugänglicher Fragebogen angelegt werden soll oder ein code-geschützter. Letzterer ist hilfreich, wenn es um eine Begrenzung der Teilnehmerzahl geht oder eine Zeitsperrung gewünscht ist. Der Code erlaubt die Unterbrechung und konsekutive Fortsetzung im Fragebogen, außerdem sperrt der Code-Verbrauch den Zugang. Zugleich verringert sich damit womöglich aber die Teilnahmewahrscheinlichkeit. Sollen Mehrfachteilnahmen verhindert werden, kommt außerdem eine Identifizierung über Cookies auf dem Rechner in Betracht, allerdings funktioniert dies nicht, wenn mehrere Endgeräte genutzt werden, alternativ auch eine, allerdings unsichere Identifizierung über Internet-Anschluss / IPAdresse. Unter Medienwechsel ist auch das Angebot von Incentives mit Versand an die Postadresse denkbar. Ein Reminder ist bei fehlender Fragebogenausfüllung sinnvoll, dies gilt auch bei unvollständiger Ausfüllung des Fragebogens, der dann nicht verwendet werden darf, zur Vervollständigung. Eine mobile Befragung hat generell als Vorteile die bessere Erreichbarkeit von Teilnehmern, die Zeitflexibilität in der Bearbeitung und auch die Raumflexibilität, etwa bei Befragungen an der Einkaufsstätte. Probleme ergeben sich hingegen durch heterogene technische Plattformen, die umständliche Dateneingabe und die sehr begrenzte Fragebogenlänge.

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4.5.4 Kritische Bewertung Allgemein können folgende praktische Vorteile der Online-Marktforschung genannt werden: • Geringe variable Kosten pro Interview, vor allem infolge fehlender Interviewerkosten, damit auch geringere Gesamtkosten, rasche Umfrageerstellung, -durchführung und -ergebnisse, durch sofortigen Datenzugriff auch Möglichkeit zu Zwischenauswertungen in Echtzeit, kein / geringer Intervieweffekt, Einsatz komplexer Filterführungen, die Interviewer ansonsten überfordern, Anwendung von Rotations- und Randomisierungsverfahren sowie von algorithmus-basierten Techniken, geringer Aufwand zur Internationalisierung, personenindividuelle Steuerung der Interviews, zeitliche und prozessuale Freiräume für Teilnehmer, Vermeidung von Fehlern in der Datenerfassung durch Automatisierung, keine Codierung der Daten für die Weiterverarbeitung erforderlich, einfache Rücklaufkontrolle in Echtzeit, Plausibilitätsprüfungen bei der Dateneingabe, Verringerung von Non Response-Fällen und damit zumindest relativ hohe Datenqualität, medienaffine Zielgruppen mit vergleichsweise hoher Projektakzeptanz und Teilnahmebereitschaft, keine räumlichen Restriktionen in der Erhebung, zeitunabhängig und flexibel einsetzbar, weitgehende Anonymität der Teilnehmer, Integration von Multimedia (Bewegtbild, Standbild, Ton, Sprache etc.), zügige Rekrutierung der Teilnehmer möglich, auch mit hohen Fallzahlen, rasche Projektdurchführung darstellbar, hohe Projekttransparenz (Anzahl Fragebögen, Abbrecher, Verteilung Rücklauf etc.), Festlegung von Abbruchkriterien durch laufende Kontrolle. Dem stehen folgende praktische Nachteile der Online-Marktforschung gegenüber: • Mangelnde Erreichbarkeit bestimmter Zielgruppen, großes Problem der Ergebnisrepräsentativität selbst für eingegrenzte Zielgruppen, ggf. keine Rückfragemöglichkeiten bei Unklarheiten, teils hoher Erstellungs- / Programmieraufwand, unterschiedliche Front end-Darstellung von Fragebögen je nach verwendetem Browser, bei anspruchsvoller Gestaltung Notwendigkeit zur Plug in-Installation, Verzerrung durch mögliche unkontrollierte Mehrfachteilnahmen derselben Personen, unkontrollierte situative Einflüsse bei der Bearbeitung wie Zeitdruck, Anwesenheit Dritter etc., sehr hoher Anteil an Umfrageabbrechern, deren Antworten nicht verwendbar sind, Aversionen bei wenig technikaffinen Teilnehmern, berechtigte Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes, ggf. keine unmittelbare Interaktion mit Teilnehmern, keine Möglichkeit zur Präsentation physischer Produkte nach Haptik, Geruch, Geschmack etc., hohe Konkurrenz der Umfragen untereinander um Teilnehmer führt zu Abstumpfungseffekt (Wear out), fehlende Erfassung von Gestik, Mimik etc. Gegenüber der Online-Marktforschung werden aber vor allem methodische Vorbehalte eingebracht. Diese beziehen sich zumeist auf folgende Punkte: • Die Stichprobenqualität dürfte hinter traditionellen Formen der Rekrutierung zurückfallen. Dabei werden insb. Repräsentanzverzerrungen aus der Selbstselek-

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tionierung angeführt. Dies ist nicht von der Hand zu weisen und kann allenfalls durch eine traditionelle Offline-Rekrutierung vermindert werden, die dann aber die Zeit- und Kostenvorteile der Online-Befragung weitgehend kompensiert, zumal die Beantwortung dann auch gleich offline stattfinden kann. • Ein wesentlicher Unterschied ist das Fehlen eines Interviewers, sowohl positiv i. S. v. fehlender Verzerrung als auch vor allem negativ i. S. v. Unterstützung und Motivation zur Ausfüllen des Fragebogens. Dies kann sich also sowohl verstärkend wie auch abschwächend darstellen (z. B. Ego-Zentrierung, antinormatives Verhalten). Auch können Vorbehalte in Bezug auf Technikkompetenz, Sicherheit, Rechtssituation (BDSG, TDG, TDDSG, TDSV etc.) bestehen. • Die Aufmachung von Fragebögen beeinflusst die Bereitschaft zur Teilnahme, zur sorgfältigen und vollständigen Ausfüllung der Fragen. Hier ist vor allem von einer leicht möglichen Überforderung der Teilnehmer auszugehen. Daher ist eine übersichtliche und störungsfreie Nutzerführung erforderlich, alternativ kann eine Hilfefunktion angeboten werden (Button, Callback o. Ä.). In jedem Fall muss der Fragebogenaufbau/-ablauf medienadäquat angepasst sein. • Es bleibt weitgehend unklar, wer den Fragebogen genau beantwortet (Identitätsproblematik) und welche situativen Faktoren dabei vorherrschen. Insofern ist die Befragungsbasis bereits notleidend, etwa wenn zwei oder mehr Personen Zugang zum Computer haben (wie häufig bei B-t-b-Umfragen) oder gemeinsam den Fragebogen ausfüllen. Dies verstärkt sich noch bei Unterbrechungen im Ablauf, die kaum kontrollierbare, abweichende Zeit- und Raummodalitäten bewirken. Weiterhin sind verdeckte Mehrfachteilnahmen problematisch. • Die Teilnehmer dürften ein besonders hohes Themeninvolvement aufweisen, so dass sie verbreitet anreizgeleitet antworten. Überhaupt sind nur bestimmte Zielgruppen für CAWI zugänglich sind, zumal effektive Hilfestellung bei der Bearbeitung, wenn überhaupt, nur im Einzelfall möglich ist. • Themeneffekt bedeutet, dass insb. in Bezug auf informations- und kommunikationstechnische Fragen die Antworten systematisch erheblich von denen abweichen dürften, die bei traditionellen Befragungen (geprintete Fragebögen) entstehen, weil sich themenaffine Teilnehmer besonders zu diesen Projekten hingezogen fühlen, aber dabei eine Avantgarde-Sicht einnehmen, die allenfalls für Innovatoren repräsentativ ist.

4.6 Datenauswertung Im Rahmen der Auswertung sind Anforderungen an die Datenqualität zu stellen, diese beziehen sich vor allem auf die Reliabilität (4.6.1.1), die Validität (4.6.1.2), die Objektivität (4.6.1.3) und die Signifikanz (4.6.1.4) der Daten. Weiterhin geht es bei Skalierungen um die Datenerfassung. Die Analyse betrifft dann statistische Verfahren der Strukturprüfung und -entdeckung.

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4.6.1 Anforderungen Hinsichtlich des Wahrheitsgehalts von Informationen sind mehrere Kriterien von Bedeutung. Diese sind eng miteinander verknüpft. So ist Signifikanz Voraussetzung für Objektivität, Objektivität wiederum Voraussetzung für Reliabilität und Reliabilität schließlich Voraussetzung für Validität. 4.6.1.1 Reliabilität Unter Reliabilität versteht man den Grad der formalen Genauigkeit, mit dem ein bestimmtes Merkmal gemessen wird, unabhängig davon, ob dieses Merkmal auch tatsächlich gemessen werden soll. Ein Messinstrument ist unter der Vorausset­zung konstanter Messbedingungen dann reliabel, wenn die Messwerte präzise und stabil, also bei wiederholter Messung reproduzierbar sind. Zum Beispiel kann eine Entfernung durch Augenschein gemessen werden, was wenig reliabel ist, durch Abschreiten, was mäßig reliabel ist, oder durch Maßband, was sehr reliabel ist. Dabei bleibt dann außen vor, was eigentlich genau abgemessen wird, es erfolgt also keinerlei Aussage über die Gültigkeit der Messung. Letztlich bleibt aber immer ein Messfehler, der Standardfehler, als Abweichung, der von der Konstanz der Messung abhängig ist. Diese gilt in drei Richtungen: • Bedingungskonstanz bedeutet, dass gleich bleibende äußere Einflüsse bei der Messung gegeben sind, • Merkmalskonstanz bedeutet, dass eine möglichst standardisierte Erhebung vorliegt, die Fehler beim Auskunftsobjekt ausschließt, • Instrumentalkonstanz bedeutet, dass eine gleich bleibende Präzision des Messinstruments gegeben ist. Der Standardfehler setzt sich aus Zufallsfehler, infolge spontaner, unsystemati­ scher Unachtsamkeiten, durch Raten gegebener Antworten, kurzzeitiger Schwan­ kungen der Umfeldbedingungen und ungenauer Angaben zur Messdurchführung bzw. -bewertung sowie Systematischem Fehler, infolge Design-, Gewinnungs- und Analysefehlern, zusammen. Die Reliabilität weist nur den Zufallsfehleranteil aus. Die Feststellung erfolgt durch verschiedene Verfahren: • Bei der Parallel-Test-Reliabilität wird eine Vergleichsmessung bei gleicher Ausführung in einer identischen Stichprobe mit einem äquivalenten Messinstrument zum gleichen Zeitpunkt vorgenommen. Hier erhebt man also an einer Stichprobe von Versuchspersonen zwei streng vergleichbare Messinstrumente und berechnet anschließend die Übereinstimmung zwischen ihnen. • Bei der Test-Retest-Reliabilität wird zu verschiedenen Zeitpunkten in der gleichen Stichprobe gemessen, um die Übereinstimmung der Wiederholungsmessung zu bestimmen. Hier erhebt man also die Daten an der gleichen Stichprobe mit

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dem gleichen Messinstrument zu zwei verschiedenen Zeitpunkten und ermittelt anschließend die Korrelation der Ergebnisreihen. • Bei der Interne-Konsistenz-Reliabilität wird in verschiedenen Anteilen der gleichen Stichprobe gemessen, um die Einheitlichkeit eines geteilten Instruments nachzuweisen. Hier wird vorausgesetzt, dass sich ein Messinstrument in zwei gleichwertige Hälften zerlegen lässt. Die Konsistenz wird dann entweder nach der Split half- oder der Konsistenz-Analyse ermittelt. Der Reliabilitätskoeffizient ist ein Gütemaß zur Beurteilung der Zuverlässigkeit. Er gibt das Verhältnis der wahren Varianz zur Gesamtvarianz eines Ergebnisses an. Was aber die „wahre“ Varianz ausmacht, ist zweifelhaft, denn die exakte Reproduzierbarkeit der Ergebnisse kommt durch beinahe unendlich viele Randbedingungen zustande, von denen fraglich ist, welche überhaupt relevant sind und demnach konstant gehalten werden müssen. 4.6.1.2 Validität Zur Prüfung systematischer Fehler, also der materiellen Genauigkeit, dient die Validität. Darunter versteht man die Gültigkeit einer Messung bzw. eines Messinstruments in Bezug auf die charakteristischen Eigenschaften des Messobjekts. Sie gibt damit den Grad der Genauigkeit an, mit dem man dasjenige Merkmal misst, das gemessen werden soll oder das angegeben wird, gemessen zu werden. Zum Beispiel ist eine Personenwaage ein sehr valides Instrument zur Ermittlung des Körpergewichts, zur Ermittlung der Körpergröße ist es eher mäßig valide, zur Bestimmung der Haarfarbe ist es gering valide. Dabei bleibt außen vor, wie genau jeweils gemessen wird. Man unterscheidet weitergehend externe und interne Validität. Externe Validität bezieht sich auf die Übertragbarkeit spezifischer Messergebnisse auf andere Außenbedingungen. Sie erlaubt eine Hochrechnung von Erhebungsergebnissen auf die sie repräsentierende Grundgesamtheit, andere Bevölkerungsgruppen, veränderte Situationen oder andere Zeitpunkte. Dies ist etwa bei Feldexperimenten eher der Fall als bei Laborexperimenten. Man unterscheidet nach der Strenge der zu erfüllenden Kriterien mehrere Validitätsarten: • Die Inhaltsvalidität betrifft die logische Eignung der Messung, also ob das zu messende Merkmal inhaltlich repräsentiert ist. Ihr Ausweis erfolgt durch offensichtlichen Augenschein als Face Validity oder Expertenurteil als Expert Validity. • Die Konstruktvalidität betrifft die theoretische Fundierung der Messung, also ob das gemessene Konstrukt Bestandteil einer Theorie ist, deren Hypothese getrennt abgefragt wird. Ihr Ausweis erfolgt durch Konvergenz des ausgewählten bzw. Diskriminanz zu anderen Konstrukten. • Die Kriteriumsvalidität betrifft den Zeithorizont der Messung, die zeitspäteren Bezug als Vorhersagevalidität etwa. für Prognoseaussagen oder zeitgleichen Be-

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zug als Übereinstimmungsvalidität etwa für Konkurrenzaussagen haben kann. Dabei werden die Ergebnisse eines zu überprüfenden Messinstruments mit den Werten eines Außenkriteriums verglichen oder dieses prognostiziert. • Die Konvergenzvalidität bezeichnet das Ausmaß, in dem zwei oder mehr Messverfahren in ihrem Vorhaben, das gleiche Konstrukt zu messen, übereinstimmen oder nicht. Ersteres ist gegeben, wenn ihre Ergebnisse in hohem Maße miteinan­ der korrelieren. • Die Diskriminanzvalidität bezeichnet das Ausmaß, in dem sich Messungen von verschiedenen Konstrukten voneinander unterscheiden. Messverfahren bzw. Indikatoren, die unterschiedliche Konstrukte erfassen sollen, dürfen demnach allenfalls schwach miteinander korrelieren. • Die Nomologische Validität schafft ein umfassendes, testbares Begriffsgefüge, das sich besonders mit Kausalmodellen gut belegen lässt. • Die Kreuzvalidität weist die zusätzliche Absicherung von Ergebnissen mit Hilfe einer weiteren Stichprobe bzw. durch Aufsplittung und getrennte Analyse einer bestehenden Stichprobe nach. • Die Extremgruppen-Validität erfolgt durch Messungen an zwei Gruppen, von denen man weiß oder zumindest annehmen kann, dass sie sich deutlich hinsichtlich der untersuchten Merkmale voneinander unterscheiden. Beim Vergleich der Messergebnisse ist die Validität umso größer, je geringer diese Abweichungen sind. Interne Validität bezieht sich auf die Ausschaltung von Störeinflüssen auf den Untersuchungsplan und die Erhebungssituation. Es geht also um die Eindeutigkeit der Messung im Experiment. Sie wird erzielt, wenn durch den Untersuchungsplan und die Erhebungssituation alle unerwünschten Störeinflüsse ausgeschaltet werden, so dass Veränderungen in der abhängigen Variablen allein auf die Manipulation der unabhängigen Variablen zurückgeführt werden können. Dies trifft u. a. auf Laborexperimente zu, auf Feldexperimente aber nicht. Beide Größen, externe und interne Validität, stehen in einem Spannungsverhältnis zueinander. Bemühungen um eine möglichst hohe interne Validität führen dazu, dass die Forschungsbedingungen immer künstlicher, also realitätsferner, werden. Bemühungen um eine möglichst hohe externe Validität führen dazu, dass unerwünschte Störeinflüsse kaum mehr Kausalitätsaussagen zulassen. So hat beispielsweise der Studiotest eine hohe interne Validität, weil er im Labor, also unter kontrollierten Bedingungen stattfindet. Seine externe Validität ist aber gerade deswegen recht gering, da die artifizielle Bedingungslage von der realen im Feld abweicht. Umgekehrt hat der Feldtest eine geringe interne Validität, weil er für alle möglichen unkontrollierbaren Einflussfaktoren anfällig ist. Zugleich ist seine externe Validität aber hoch, da es sich um reale Marktbedingungen handelt und nicht um eine Laborsituation.

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4.6.1.3 Objektivität Die Objektivität von Daten bedeutet, dass diese frei von subjektiven Einflüssen und damit intersubjektiv nachprüfbar sind. Sie ist Ausdruck dafür, ob Unterschiede in der Realität in den Marktforschungsergebnissen angemessen zum Ausdruck kommen. Anfälligkeiten dafür bestehen bei der Durchführung, Auswertung und Interpretation in der Marktforschung. Sofern Subjektivität offen ausgewiesen ist, etwa in Form von Empfehlungen des Forschers an den Auftraggeber, ist dagegen auch nichts einzuwenden. Gefährlich aber sind Verzerrungen, die, ohne dass sie als subjektiv ausgewiesen werden, in die Ergebnisse eingehen. Man unterscheidet drei abweichende Objektivitätsarten: • Nach der Durchführungsobjektivität ist ein Messvorgang umso objektiver, je weniger die Auskunftspersonen durch äußeres Erscheinungsbild und Bedürfnis-, Ziel- und Wertestruktur beeinflusst werden. Hier ist die Objektivität der mündlichen Befragung stark in Zweifel zu ziehen. • Nach der Auswertungsobjektivität ist ein Messvorgang umso objektiver, je weniger Werturteile für die Messergebnisse bestehen, also je standardisierter die Erhebung ist. Hier ist etwa die Objektivität des Tiefeninterviews in Zweifel zu ziehen. • Nach der Interpretationsobjektivität ist ein Messvorgang umso objektiver, je weniger Freiheitsgrade bei der Interpretation der Messergebnisse bestehen. Hier ist die Objektivität bei der Analyse qualitativer Daten in Zweifel zu ziehen. 4.6.1.4 Signifikanz Die Signifikanz von Informationen bedeutet, dass Ergebnisse sich nicht nur aufgrund von Zufallsmechanismen einstellen, sondern auf überzufällige Zusammenhänge zurück zu führen sind. Dies ist wichtig für die Übertragbarkeit von Aussagen von einer untersuchten Stichprobe auf die Grundgesamtheit. Grundgesamtheit sind dabei alle überhaupt zur Auswahl stehenden Elemente, Stichprobe ist eine kleinere Zahl dieser Elemente, welche die Grundgesamtheit möglichst vollkommen repräsentiert. Die Signifikanz wird durch spezielle Tests überprüft. Dem liegt die Wissenschaftsrichtung des kritischen Rationalismus zugrunde. Danach ist die wissenschaftliche Erkenntnissuche ein fortwährender Prozess des Aufstellens, Überprüfens und Verbesserns von Hypothesen. Eine Hypothese ist eine nur vorläufig geltende Aussage, die Objekten bestimmte Merkmale zuschreibt und so beschaffen ist, dass ihre empirische oder logische Überprüfung möglich ist. Jede Hypothese bleibt nur vorläufig nicht widerlegt, es gibt keine endgültige Verifikation. Deshalb ist Induktion logisch auch nicht möglich. In diesem Sinne sind alle praktizierten Problemlösungen im Grunde Provisorien und damit als revidierbar zu betrachten, auch wenn sie stark verankert scheinen.

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Die Kriterien der Signifikanz, Objektivität, Reliabilität und Validität sind eng miteinander verknüpft. So ist die Signifikanz Voraussetzung für Objektivität, Objektivität ist Voraussetzung für Reliabilität und Reliabilität ist wiederum Voraussetzung für Validität. Innerhalb der Validität ist die interne Validität dann noch Voraussetzung für die externe. Weitere Anforderungen sind die Stabilität der Ergebnisse (Belastbarkeit / Robustheit), ihre Sensitivität (Zugänglichkeit / Reagibilität) und Aktualität (Zeitbezug / Zeitvergleich) Testinformationen sollen allen diesen Anforderungen zugleich entsprechen, was allerdings problematisch ist, da sie teilweise untereinander konfliktäre Anforderungen stellen. 4.6.2 Skalierungen Daten werden auf Skalen abgetragen. In Bezug auf die dabei genutzten quantitativen Skalenarten können dabei verschiedene Messniveaus unterschieden werden. Bei der Nominalskala stellen die Skalenitems einander gegenseitig ausschließende und erschöpfende Merkmalsklassen eines Messkontinuums dar. Sie sind durch Eindeutigkeit charakterisiert. Dabei können gleiche und ungleiche Objekte unterschieden werden. Eine Nominalskala bestimmt also die Zugehörigkeit eines Untersuchungsobjekts zu einer bestimmten Klasse von Objekten anhand eines Merkmals. Die einzelnen Messpunkte sind Teile eines Kontinuums, daher sind nur arithmetische Operationen zulässig, die auf Gleichheits- bzw. Verschiedenheitsbeziehungen beruhen. Als Mittelwert dient der Modus. Beispiele sind Familien­ stand, Geschlecht, Automarke, Nationalität, Bundesland, Postleitzahl, Telefon­ nummer etc. Bei der Ordinalskala fungieren geordnete Skalenitems als Indikatoren der Klassen. Höhere Skalenwerte indizieren höhere Positionen auf dem Messkontinuum. Sie sind durch Eindeutigkeit und Rangfolge gekennzeichnet. Möglich ist die Unterscheidung zwischen der Rangfolge äquivalenter Objekte wie etwa glaubwürdiger – weniger glaubwürdig, nicht aber zwischen der Intensität deren Unterschiede. Eine Ordinalskala hat also keine Maßeinheit, sie kann Untersuchungsobjekte nur in einer bestimmten Richtung ordnen, nicht hingegen Unterschiede messen und vergleichen. Daher sind alle arithmetischen Operationen zulässig, die auf Ordnungsbeziehungen beruhen. Als Mittelwert dient der Median. Beispiele sind Schulnoten, militärische Ränge, Hochschulrankings, Warentestergebnisse, IQs, Nachkaufzufriedenheitsgrade etc. Bei der Intervallskala entsprechen gleiche Unterschiede zwischen den Zahlen wirklichen Unterschieden in der Größenordnung zwischen den Äquivalenzklassen, deren Abstände gleich groß sind. Zahlendifferenzen können miteinander verglichen werden. Die Zahlenwerte zeichnen sich durch Eindeutigkeit, Rangfolge und Intervalläquivalenz aus. Es ist ein willkürlicher Nullpunkt gegeben, der folglich

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nicht das Fehlen einer bestimmten Eigenschaft darstellt. Das Verhältnis zwischen den Messwerten des gleichen Merkmals zweier Untersuchungsobjekte ist nicht unabhängig von der gewählten Maßeinheit. Als Mittelwert dienen Quantile bzw. Perzentile. Beispiele sind Temperatur (°C), Jahreszahl, Wasserpegel, Regalstrecken­ länge, Datum etc. Bei der Ratioskala (auch Verhältnisskala) sind die den Äquivalenzklassen zugeordneten Werte durch Eindeutigkeit, Rangfolge, Intervallübereinstimmung und Existenz eines absoluten, natürlichen Nullpunkts gekennzeichnet. Unterschiede sind empirisch sinnvoll, insofern lassen sich Zahlenverhältnisse miteinander vergleichen. Zulässig sind alle Ähnlichkeitstransformationen sowie alle statistischen, geometrischen und harmonischen Operationen. Der Wert Null zeigt das Fehlen einer Eigenschaft an und kann nicht unterschritten werden. Als Mittelwert dient das arithmetische Mittel. Beispiele sind Geldeinheit, Geschwindigkeit, Körper­ gewicht, Einkommen, Kalorienzahl, Einwohnerzahl etc. 4.6.3 Statistische Analysen Die Datenauswertung in der Informationsgewinnung erfolgt auf Basis bi- oder multivariater statistischer Analyseverfahren. Dabei können strukturprüfende Verfahren einerseits und strukturentdeckende Verfahren andererseits unterschieden werden. Es sind jedoch durchaus auch andere Einteilungen üblich, vor allem in Dependenzverfahren und Interdependenzverfahren. 4.6.3.1 Strukturprüfende Verfahren Statistische Analyseverfahren gibt es in vielfacher Ausprägungen. Einige wichtige Verfahren sind im Folgenden kurz dargestellt. Zunächst zu den struktur­ prüfenden Verfahren. Mittels der Regressionsanalyse wird der funktionale Zusammenhang zwischen zwei oder mehr Merkmalen betrachtet. Der Verlauf der Funktion kann linear oder nicht-linear sein. Abhängige und unabhängige Merkmale müssen metrisch-skaliert sein. Es gibt verschiedene Arten der Regression: • Die einfache, lineare Regressionsrechnung betrachtet nur eine Einflussgröße, die Beziehung wird als proportional unterstellt. • Bei der mehrfachen (multiplen) linearen Regressionsrechnung werden zwei oder mehr proportionale Einflussgrößen unterstellt. • Bei der einfachen, nicht-linearen Regressionsrechnung muss der Funktionstyp festgelegt werden, der sich am besten den Beobachtungswerten anpasst. Möglicherweise kann eine nicht-lineare Funktion auch in mehrere, lineare Funktionen überführt werden.

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• Die mehrfache, nicht-lineare Regressionsrechnung weist mindestens zwei Einflussgrößen auf, die in einer nicht-linearen Beziehung stehen. Für die Regressionsanalyse ist entscheidend zu bestimmen, welches Merkmal als abhängig und welches als unabhängig zu betrachten ist. Dies muss auf Basis logischer Überlegung erfolgen. Eine typische Fragestellung lautet: Wie verändert sich die Absatzmenge, wenn die Werbeausgaben um 10 % gekürzt werden und der Preis um 5 % gesenkt. Mittels der Korrelationsanalyse wird die Enge des Zusammenhangs zwischen zwei Merkmalen ausgewiesen. Dabei wird der Anteil angegeben, der durch die Korrelationsrechnung erklärt wird, und komplementär der Anteil, der dadurch nicht erklärt wird. Der Korrelationskoeffizient misst somit die Stärke des Zusammenhangs (Wert) und seine Richtung (Vorzeichen). Der Korrelationskoeffizient r nach Bravais-Pearson läuft von –1 bis +1. Dabei gilt: • positiver Wert bedeutet gleich gerichteter Zusammenhang vorhanden, • negativer Wert bedeutet entgegen gesetzter Zusammenhang vorhanden, • Wert nahe Null = kaum erkennbarer Zusammenhang vorhanden. Hinsichtlich des Werts des Korrelationskoeffizienten (r) gilt: • r < 0,3 = zweifelhafte Interpretation des Zusammenhangs, • 0,3 < r < 0,5 = mäßig valider Zusammenhang, • 0,5 < r < 0,7 = praktisch verwendbarer Zusammenhang, • 0,7 < r < 0,9 = enger, sehr valider Zusammenhang, • r > 0,9 = eindeutiger Zusammenhang. Eine typische Fragestellung lautet: Verändert sich das Ausmaß der TV-Nutzung gleich- oder gegenläufig zum Ausbildungsgrad der TV-Nutzer? Die Varianzanalyse stellt den Einfluss einer oder mehrerer qualitativer / nichtmetrischer Merkmale auf eine oder mehrere quantitative / metrische Merkmale dar. Liegt nur eine Zielgröße vor, handelt es sich um eine univariate Varianzanalyse, liegen zwei oder mehr Zielgrößen vor, um eine multivariate Varianzanalyse. Liegt nur eine Einflussgröße vor, handelt es sich um eine einfache Varianzanalyse (einfaktoriell), liegen zwei oder mehr Einflussgrößen vor, um eine mehrfache (multifaktoriell) (Analysis of variance / ANOVA). Im einfaktoriellen Fall wird die Gesamtvarianz in einen Teil zerlegt, der durch die unterschiedlichen Mittelwerte der Einflussgröße(n) erklärt werden kann und einen Teil, der durch Abweichungen der Einzelwerte gegeben ist. Durch den F-Test wird geprüft, ob die Varianz durch die Gruppenmittelwerte signifikant größer ist als die Varianz, die durch die Abweichungen der einzelnen Werte vom Gruppenmittelwert gegeben ist. Eine typische Fragestellung lautet: Hat die Farbigkeit einer Anzeige Einfluss auf die Zahl der Personen, die sich an die Werbung erinnern?

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Bei der multifaktoriellen Varianzanalyse werden zwei oder mehr Merkmale betrachtet, die jeweils in mindestens zwei Gruppen auftreten (Multivariate Analysis of Variance / MANOVA). Dabei wird unterstellt, dass die Einflussgröße(n) qualitativer Natur ist / sind und die Zielgröße(n) quantitativer Natur. Die Ermittlung ist nur durch computergestützte Verfahren (Standardsoftware) möglich. Die Diskriminanzanalyse eignet sich, wenn zwei oder mehr Gruppen optimal getrennt werden sollen. Die abhängige Variable ist dabei qualitativ / nicht-metrisch, die unabhängige quantitativ / metrisch. Es wird eine Trennformel derart gesucht, dass der Abstand zwischen den Gruppen möglichst groß und zugleich die Summe der quadrierten Abweichungen der Diskriminanzwerte innerhalb der jeweiligen Gruppe möglichst gering sind. Dadurch sollen aussagefähige Erkenntnisse im Hinblick auf das Untersuchungsthema gewonnen werden. Im einfachsten Fall handelt es sich um eine lineare Trennung zwischen zwei Gruppen. Die Trennung zwischen mehr als zwei Gruppen ist praktisch nur mit Computerunterstützung möglich (SPSS). Eine typische Fragestellung lautet: In welcher Hinsicht unterscheiden sich Werbeerinnerer von Nicht-Werbeerinnern? Die Kontrastgruppenanalyse dient der Aufdeckung der zwischen einer abhängigen und mehreren unabhängigen Variablen gegebenen Beziehungsstruktur. Durch fortgesetzte Zweiteilung der Ausgangswerte (Dichotomisierung) sollen Gruppen gebildet werden, die sich durch bestimmte Kombinationen von Merkmalsaus­ prägungen gleichartig auszeichnen. Dabei sollen die kontrastierenden Gruppen einen maximalen Unterschied in Bezug auf die zu erklärende Variable aufweisen und zugleich in sich homogener sein als die Gruppe vor dieser Aufteilung. Die Aufteilung wird solange fortgesetzt, bis kein als sinnvoll erachteter Informationsgewinn mehr entsteht oder die Gruppen zu klein werden (Abbruchkriterien). Als Trennkriterium wird auf jeder Stufe diejenige unabhängige Variable gewählt, die ein Maximum an Erklärungskraft auf die abhängige Größe aufweist. Der Erklärungsbeitrag der Variablen ist umso größer, je früher diese zur Trennung der Gruppen herangezogen werden. Eine typische Fragestellung lautet: In welchem Ausmaß kann das Trennkriterium Alter die Leserschaft und Nichtleserschaft von Special Interest-Zeitschriften erklären? Bei der Präferenzanalyse (Conjoint Measurement / CJM) wird der Gesamt­nutzen eines Werbeobjekts (Produkt / Dienst) in mehrere Teilnutzen zerlegt. Es wird ermittelt, wie sich dieser Gesamtnutzen additiv aus den Teilnutzen zusammensetzt. Um eine gute Handhabbarkeit zu erreichen, werden die Merkmale zumeist auf wenige, realistische eingegrenzt. Ziel der konjunkten Analyse ist es, aus den Präferenzurteilen Rückschlüsse auf die Höhe der Teilnutzwerte zu ziehen. Dabei wird der Einfachheit unterstellt, dass die Summe der Teilnutzen gleich dem Gesamtnutzen ist (Additivitätsprämisse). Bei der Profilmethode werden alle Merkmale über alle Ausprägungen betrachtet. Bei der Trade off-Methode werden jeweils nur zwei Eigenschaften gleichzeitig betrachtet. Dadurch kann die Zahl der Messungen reduziert werden. In einem vollständigen Design werden alle denkbaren Kombinationen

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von Merkmalen und Ausprägungen gemessen, dies ufert jedoch rasch unrealistisch aus. In einem reduzierten Design wird nur eine Teilmenge aller Kombinationen gemessen. Dabei besteht allerdings die Gefahr, dass relevante Kombinationen übergangen werden. Bei einem symmetrischen Design haben alle Merkmale die gleiche Anzahl von Ausprägungen, bei einem asymmetrischen Design haben die Merkmale unterschiedliche Anzahlen von Ausprägungen. Das bekannteste reduzierte, symmetrische Design ist das Lateinische Quadrat. Eine typische Fragestellung lautet: Welche Anteile machen die Inhalte eines Mailing Package an dessen Aktivitätsaufforderung aus?

4.6.3.2 Strukturentdeckende Verfahren Zu den strukturentdeckenden Verfahren gehören u. a. die Folgenden. Die Faktorenanalyse ermöglicht die Reduktion von Merkmalen auf wenige überschaubare Faktoren, wobei der Informationsverlust infolge der Datenreduktion möglichst klein gehalten werden soll. Bei der Hauptkomponentenanalyse werden mehrere senkrecht aufeinander stehende Achsen gebildet, wobei die erste Achse in Richtung der maximalen Ausdehnung einer Punktwolke liegt. Die zweite Achse liegt in Richtung der zweitgrößten Ausdehnung. Zwischen den betrachteten Merkmalen werden sodann die Korrelationskoeffizienten bestimmt. Aus diesen werden die Eigenwerte und die Eigenvektoren errechnet. Der Faktor mit dem höchsten Eigenwert liefert den größten Anteil der Varianzen der Merkmale. Werden alle Merkmale betrachtet, wird die Varianz somit vollständig erfasst. Durch Reduktion der Merkmale auf wenige übergeordnete Faktoren soll eine Rationalisierung der Interpretation erreicht werden, ohne dass der Inhalt der Ursprungswerte dabei verzerrt wird. Wenn alle Merkmale auf beide Faktoren hoch laden, ist eine Rotation des Koordinatensystems erforderlich, bis die Merkmale hoch auf den einen und zugleich niedrig auf den anderen Faktor laden. Eine typische Fragestellung lautet: Lässt sich die Vielzahl der Eigenschaften, die Radiohörer als wichtig erachten, auf wenige komplexe Faktoren reduzieren? Bei der Clusteranalyse geht es darum, die Vielzahl von Elementen in Klassen (Clusters) einzuordnen. Die Elemente eines Clusters sollen dabei einander möglichst ähnlich sein. Dazu gibt es zwei Ansätze, hierarchische und partitionierende. Bei den hierarchischen Verfahren werden zwei Verfahren unterschieden: • Divisive Verfahren gehen davon aus, dass es ein Ausgangscluster gibt, das alle Elemente umfasst. Dieses wird fortlaufend in Teilcluster zerlegt, die dann immer weniger Elemente enthalten. Teilungskriterium ist dabei die größte Distanz zwischen zwei Elementen. • Agglomerative Verfahren gehen davon aus, dass jedes Element zunächst sein eigenes Cluster abbildet. Dann wird die Gesamtheit der Elemente fortlaufend in immer weniger Cluster mit immer mehr Elementen zusammengefasst. Im Sin-

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gle-Linkage-Verfahren werden dann die Cluster mit den kleinsten Distanzen fusioniert. Beim Complete-Linkage-Verfahren werden die Cluster mit den geringsten Distanzen zwischen ihren entferntesten Elementen fusioniert. Beim Average-Linkage-Verfahren werden der durchschnittliche Abstand zwischen den Elementen der betrachteten Cluster ermittelt und die Cluster vereinigt, bei denen dieser minimal ist. Partitionierende Verfahren gehen von Clusterzentren aus und streben eine überschneidungsfreie (disjunkte) Einteilung an. Die grafische Darstellung erfolgt zumeist durch Dendrogramme. Dazu gibt es wiederum zwei Verfahren: • Austauschverfahren streben eine Verbesserung der Aussage an, indem einem Cluster zugewiesene Elemente sukzessiv gegen außenstehende Elemente ausgetauscht und die neuen Konstellationen dann auf eine Ergebnisverbesserung hin überprüft werden. • Im Iterationsverfahren wird die Zahl der Cluster vorgegeben. Die Teilung der Grundgesamtheit wird dann solange fortgesetzt, bis das vorgegebene Abbruchkriterium erreicht ist. Als Heuristik für die Clusterzahl gilt die Wurzeln aus halber Elementenzahl. Im Unterschied zur Faktorenanalyse, bei der eine Vielzahl verschiedener Merkmale auf eine geringe Zahl reduziert wird, wird bei der Clusteranalyse eine Vielzahl von Elementen in Klassen eingeordnet. Ziel ist übereinstimmend die Erreichung einer möglichst großen externen Heterogenität bei zugleich möglichst hoher interner Homogenität. Die Ähnlichkeit wird anhand von Proximitätsmaßen ermittelt. Am häufigsten werden dazu die Euklid’sche Distanz und die City-BlockMetrik angewandt. Eine typische Fragestellung lautet: Lassen sich Ausstellungsbesucher hinsichtlich ihrer Erwartungen an eine Marktveranstaltung in Gruppen einteilen? Die Multidimensionale Skalierung hat zum Ziel, eine Anzahl von Elementen und deren relative Abstände zueinander in einem möglichst niedrig dimensionierten Darstellungsraum abzubilden. Bei metrischskalierten Merkmalen kann die Eukli­ dsche Distanz für die Entfernung der Elemente gewählt werden. Bei nicht-metrisch skalierten Merkmalen sollen diese in Bezug auf ihre jeweils paarweise Ähnlichkeit / ​Unähnlichkeit in eine Rangfolge derart gebracht werden, dass die Abstände der Elemente möglichst erhalten bleiben. Sind neben der Ähnlichkeit auch noch Präferenzurteile vorhanden, kann man mithilfe von Idealpunktmodellen die Merkmale in Bezug auf den Idealpunkt räumlich positionieren. Es gilt dann das Merkmal als das beste, dessen topografische Distanz zum Idealpunkt minimal ist. Einfluss auf den Abstand kann genommen werden, indem die Position des wahrgenommenen Ideals verschoben, die Merkmale relativ zum Idealpunkt verschoben oder andere Merkmale vom Idealpunkt weg verschoben werden. Eine typische Fragestellung lautet: Welche Imagedimensionen zeichnen die eigene Marke im Vergleich zum direkten Mitbewerb aus?

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Ziel der Kausalanalyse ist es, auf Basis eines hypothetischen Modells Beziehungsstrukturen von Faktoren aufzuzeigen, um das theoretisch begründetes Modell statistisch zu testen. Insofern ist „kausal“ semantisch etwas zu hoch gegriffen. Dazu dienen im Einzelnen mehrere Verfahren: • Die Pfadanalyse beruht auf der Abbildung von Kausalhypothesen in Form gerichteter Graphen, die in lineare Strukturgleichungen überführt werden. Daraus entsteht ein Pfaddiagramm mit Quadraten für beobachtbare Variable und Kreise für nicht-beobachtbare. Abhängigkeiten werden zumeist durch einen Pfeil ausgedrückt, Zusammenhänge durch zwei Pfeile. Die Stärke der Beziehung wird durch Pfadkoeffizienten ausgedrückt. • Die Kovarianzanalyse weist aus, wenn mit Auftreten / Veränderung einer Variablen zugleich auch die andere auftritt / sich verändert. Somit können komplexe Zusammenhangsstrukturen zwischen beobachteten und nicht-beobachteten Variablen ausgewiesen werden. Die Kovarianz ermittelt also die Beziehungen der exogenen, nicht-kontrollierten Variablen untereinander und kann damit deren Einfluss auf das Ergebnis ausschalten. Eine typische Fragestellung lautet: Beeinflusst ein hoher Werbedruck den Markterfolg eines Produkts stärker als ein niedriger Preis oder eine breitete Distribution?

4.7 Anwendungsbereich Typologien Eine in der Marketingkommunikation, genauer der Bestimmung der Zielpersonengruppe, sehr weit verbreitete Anwendung multivariater statistischer Verfahren stellen Lebensstiltypologien dar. Sie erfassen lebensstilbezogene Aktivitäten, Interessen und Meinungen gegenüber Freizeit, Arbeit und Konsum einer Person allein oder mehrerer Personen zusammen mit anderen in Bezug auf allgemeines Verhalten oder spezifische Produktklassen. Ziel ist es dabei jeweils, herauszufinden, „how People spend their Time at work and leisure (activities), what is important to them in their immediate surrounding (interests) and how they feel about themselves and the larger world (opinions).“ (Leo Burnett). Die Typologien werden durch multivariate, statistische Reduktionsverfahren gebildet. Zusätzlich werden jeweils auch soziodemografische Merkmale erhoben und ausgewertet.

4.7.1 Lifestyle-Typologie von M. C. & L. B. Bereits vor 50 Jahren hat Leo Burnett mit der Chicago University den Lebensstilforschungs-Ansatz begründet. Damit wollte er die Schwächen der rein demografischen Zielgruppenbeschreibung durch die Einbeziehung von Lebensstilen überwinden. Die Lifestyle-Typologie von M. C.&L. B. erfasste 27 Lebensstilbe-

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reiche für 91 Produktfelder und 74 Medien. Hinzu kamen kunden- / produktspezifische Items. Befragt wurden 2.000 Personen ab 14 Jahre mündlich, anhand von Selbstbeschreibung und Soziodemografie, sowie schriftlich, anhand von Haushaltsbuch und Mediennutzung über 250 AIO-Items, 25 demografische Items und 50 Konsum-Items nach Produktkategorien getrennt. Abgefragt wurden dabei u. a. folgende Statements: • Freizeit und soziales Leben: Freizeitaktivitäten, Freizeitmotive, Ausübung verschiedener Sportarten, bevorzugte Urlaubs- / Reiseart, soziales Netzwerk, • Interessen: Musikinteressen, Themeninteressen, Gruppenmitgliedschaften, • Stilpräferenzen: bevorzugter Wohnstil bildgestützt, bevorzugter Kleidungsstil verbal und optisch präsent, • Konsum: Öko-Einstellungen, Einstellung zu Essen und Trinken, Einstellung zu Geld und Konsum, • Outfit: Einstellung zum Outfit, Body Image, • Grundorientierung: Lebensphilosophie und Moral, Zukunftsoptimismus, soziale Milieus, • Arbeit: Arbeitszufriedenheit, Arbeitseinstellungen, Berufserwartungen, • Familie: Einstellungen zu Familie, Partnerschaft und Emanzipation, Rollenbilder, Wohnsituation, • Politik: Politisches Interesse und Parteiinteresse, Politikwahrnehmung. Als Output der Analyse ergaben sich Personentypen, die beispielhaft mit Namen und Foto versehen waren, um ihre Prägnanz zu erhöhen. Männliche Namen zeigten an, dass dieser Typ überwiegend, wenngleich nicht ausschließlich, bei Männern vertreten war, weibliche Namen analog, Pärchen zeigten an, dass die Ausprägung ungefähr gleichermaßen männlich wie weiblich besetzt war. Der Ansatz wird seit 1991 nicht mehr verfolgt, ist aber zweifelsfrei das „Original“ der Lebensstiltypologien. Der letzte Durchgang ergab in Westdeutschland folgende Typen: • Traditionelle Lebensstile (37 % der erwachsenen Bevölkerung): Erika – Die aufgeschlossene Häusliche, Erwin – Der Bodenständige, Wilhelmine – Die bescheidene Pflichtbewusste. • Gehobene Lebensstile (21 %): Frank und Franziska – Die Arrivierten, Claus und Claudia – Die neue Familie, Stefan und Stefanie – Die jungen Individualisten. • Moderne Lebensstile (42 %): Michael und Michaela – Die Aufstiegsorientierten, Tim und Tina – Die fun-orientierten Jugendlichen, Martin und Martina – Die trendbewussten Mitmacher, Monika – Die Angepasste, Eddi – Der Coole, Ingo und Inge – Die Geltungsbedürftigen.

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4.7.2 Typologie Sozialer Milieus Der Typologie Sozialer Milieus / Sinus Sociovison liegt die Hypothese zugrunde, dass der Mensch in seinem Wesen nicht genetisch codiert, sondern ein Produkt seiner Sozialisation ist. Dies unterstellt, kann der Umkehrschluss gewagt werden, nämlich aus der Umgebung auf den Menschen, der sich darin lebt, zu schließen. Mit der Lebensweltforschung wird versucht, Veränderungen in Einstellungen und Verhaltensweisen als Abbild des gesellschaftlichen Wertewandels zu beschreiben und zu prognostizieren. Dabei werden alle wichtigen Erlebnisbereiche erfasst. Die empirisch ermittelten Wertprioritäten und Lebensstile werden zu einer BasisTypologie verdichtet. Sie enthält derzeit zehn Gruppen. Die Anteile der einzelnen Milieus an der Bevölkerung werden jährlich aktualisiert. Gleichzeitig wird versucht, dem Wertewandel auf der Spur zu bleiben. Bei Bedarf werden neue Milieus aufgenommen bzw. bestehende verändert oder weggelassen. Durch die hohen Fallzahlen sollen auch kleinere Milieugruppen valide abgebildet werden. Soziale Milieus stellen eine Weiterentwicklung der Lifestyle-Forschung dar, wonach Lebensstile nur sinnvoll im Kontext von Milieus zu interpretieren sind. Die milieuspezifische Wertorientierung steuert Lebens- und Konsumstile, die wiederum das ästhetische Erleben und Verhalten sowie den Geschmack prägen. Die Typologie Sozialer Milieus der Sinus Marktforschung erfasst in 4.000 Interviews die verschiedenen, nach Vorstudien als relevant erachteten Bausteine der Lebenswelten mit folgenden Inhalten: • Lebensziel in Bezug auf Werte, Lebensgüter, Lebensstrategie und Lebensphilo­ sophie, • soziale Lage durch Anteil an der Grundgesamtheit und soziodemografische Struktur der Milieus, • Arbeit / Leistung als Arbeitsethos, Arbeitszufriedenheit, gesellschaftlicher Aufstieg, Prestige und materielle Sicherheit, • Gesellschaftsbild in Bezug auf politisches Interesse, Engagement, Systemzufriedenheit, Wahrnehmung und Verarbeitung gesellschaftlicher Probleme, • Familie / Partnerschaft als Einstellung zu Partnern, Familie, Kindern, Geborgenheit, emotionale Sicherheit und Vorstellung vom privaten Glück, • Freizeit durch Freizeitgestaltung, Erlebnismotive, Kommunikation und soziales Leben, • Wunsch- / Leitbilder als Wünsche, Tagträume, Fantasien, Sehnsüchte, Leitbilder, Vorbilder und Identifikationsobjekte, • Lebensstil hinsichtlich ästhetischer Grundbedürfnisse als Alltagsästhetik und milieuspezifischer Stil- und Wohnwelten.

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Daraus folgen intern weitgehend homogene bei zugleich extern heterogenen Stilgruppen, deren Anwendung in der Kommunikationsplanung weit verbreitet ist. Die Kurzcharakteristik der Sinus-Milieus® 2020 stellt sich wie folgt dar (siehe Abbildung II/48: Sinus-Soziale Milieu):

Abbildung II/48: Sinus-Soziale Milieus (Quelle: https://www.vuma.de/zielgruppen/sinus-milieus/)

• Sozial gehobenes konservativ-etabliertes Milieu (10 % der erwachsenen Bevölkerung): Das klassische Establishment: Verantwortungs- und Erfolgsethik mit Exklusivitäts- und Führungsansprüchen, Standesbewusstsein und zunehmendem Wunsch nach Ordnung und Balance. • Sozial gehobenes, liberal-intellektuelles Milieu (7 %): Die aufgeklärte Bildungselite mit kritischer Weltsicht, liberaler Grundhaltung und postmateriellen Wurzeln, Wunsch nach Selbstbestimmung und Selbstentfaltung. • Sozial gehobenes Milieu der Performer (8 %): Die multi-optionale, effizienz-orientierte Leistungselite mit globalökonomischem Denken, Selbstbild als Konsum- und Stil-Avantgarde, hohe Technik- und IT-Affinität, durch Etablierungstendenz kommt es zur Erosion des visionären Elans.

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• Sozial gehobenes expeditives Milieu (9 %): Die ambitionierte kreative Avantgarde: Transnationale, mental, kulturell und geografisch mobile Trendsetter, online und offline vernetzt; nonkonformistisch, auf der Suche nach neuen Grenzen und neuen Lösungen. • Bürgerliche Mitte (13 %): Der leistungs- und anpassungsbereite bürgerliche Mainstream mit genereller Bejahung der gesellschaftlichen Ordnung; Wunsch nach beruflicher und sozialer Etablierung, nach gesicherten und harmonischen Verhältnissen, wachsende Überforderung und Abstiegsängste. • Adaptiv-pragmatisches Milieu der Mitte (11 %): Die moderne junge Mitte mit ausgeprägtem Lebenspragmatismus und Nützlichkeitsdenken: Leistungs- und anpassungsbereit, aber auch Wunsch nach Spaß und Unterhaltung; zielstrebig, flexibel, weltoffen – gleichzeitig starkes Bedürfnis nach Verankerung und Zugehörigkeit. • Sozialökologisches Milieu der Mitte (7 %): Engagiert gesellschaftskritisches Milieu mit normativen Vorstellungen vom „richtigen“ Leben: ausgeprägtes ökologisches und soziales Gewissen, Globalisierungs-Skeptiker, Bannerträger von Political Correctness und Diversity / „Multikulti“. • Hedonistisches Untere Mittelschicht-Milieu (15 %): Spaß- und erlebnisorientiert: Leben im Hier und Jetzt, unbekümmert und spontan, häufig angepasst im Beruf, aber Ausbrechen aus den Zwängen des Alltags während der Freizeit. • Traditionelles Unterschichten-Milieu (11 %): Die Sicherheit und Ordnung liebende ältere Generation: verhaftet in ihrer kleinbürgerlichen Welt bzw. in der traditionellen Arbeiterkultur, Sparsamkeit und Anpassung an die Notwendigkeiten, zunehmende Resignation und Gefühl des Abgehängtseins. • Prekäres Unterschichten-Milieu (9 %): Die um Orientierung und Teilhabe, also „dazu gehören“ bemühte Unterschicht mit dem Wunsch, Anschluss zu halten an die Konsumstandards der breiten Mitte  – aber Häufung sozialer Benachteiligungen, Ausgrenzungserfahrungen, Verbitterung und Ressentiments.

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4.7.3 Sigma-Milieus Die Sigma-Milieus / Sigma bauen ebenfalls auf Lebenswelten auf und folgern daraus Lebensstiltypen. Die Sigma-Milieus 2018 umfassen folgende Typen (siehe Abbildung II/49: SIGMA-Milieus):

Oberschicht

Mittlere Mittelschicht

Untere Mittelschicht

Etabliertes Milieu Liberal-Intellektuelles Milieu

Sozialer Status

Obere Mittelschicht

Traditionelles bürgerliches Milieu

Modernes Bürgerliches Milieu

Modernes Arbeitnehmermilieu

Konsummaterialistisches Milieu

Traditionell „Bewahren“

Postmodernes Milieu

Hedonistisches Milieu

Traditionelles Arbeitermilieu

Unterschicht SIGMA 2004

Aufstiegsorientiertes Milieu

Modern

Status, Besitz, Lebensfreude „Haben, Verbrauchen, Genießen“

Wiederholung

Postmodern

Subjektivismus „Ich-Sein“

Abbildung II/49: SIGMA-Milieus (Quelle: sigma-online.com/de/SIGMA_Milieus/SIGMA_Milieus_in_Germany)

• Etabliertes Milieu / Upper Conservative 9,2 % der erwachsenen Bevölkerung: Konservatives Elitemilieu mit anspruchsvollem, souveränem, von anderen ­Milieus gerne abgeschirmtem Lebensstil. Verantwortungsbereitschaft, Leistung und die hohe Bedeutung von Vermögensbildung und finanzieller Unabhängigkeit sind zentrale Milieu-Merkmale, ebenso die Offenheit für neue technologische Entwicklungen. Wichtig sind distinguierter Lebensstil, gute Umgangsformen, Understatement und Diskretion • Intellektuelles Milieu / Upper Liberal 9,7 %: Akademisch geprägtes und häufig postmaterialistisch eingestelltes Elitemilieu mit an Umwelt und Nachhaltigkeit orientiertem, kosmopolitischem Lebensstil auf hohem Niveau, Stichwort: „Responsible Consumption“. Wichtig sind ein verantwortungsvoller Umgang mit sich und der Umwelt, soziale Gerechtigkeit, ökologische und politische Korrektheit. • Postmodernes Milieu / Postmodern 8,4 %: Urbane Lifestyle-Avantgarde mit typischerweise hohem Bildung, einkommensstark, in sog. „kreativen“ Berufen tätig, deren ursprünglicher „I-am-me“-Subjektivismus in verantwortungsethisch gebundene Lebensstrategien übergeht

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wie „grüner“ Konsum, umweltfreundlichere „Smart Mobility“, „Sharing Economy“. Wichtig sind die Identität von Ich und Außenwelt, Akzeptanz von Widersprüchen, multiple Identitäten. • Traditionelles bürgerliches Milieu / Traditional Mainstream 7,7 %: Milieu, das vorzugsweise an traditionellen Werten, Rollenbildern und gesellschaftlichen Konventionen festhält. Die sozialen und kulturellen Veränderungen der letzten Jahre wie Migration oder Null-Zins-Politik bewirken gerade hier Verunsicherung und Bedrohungsängste. Wichtig sind geordnete finanzielle und familiäre Verhältnisse, Sicherheit, angemessen-bürgerlicher Lebensstandard. • Traditionelles Arbeitermilieu / Traditional Blue Collar 4,1 %: Schrumpfendes Arbeitermilieu, das sich durch die Digitalisierung von Arbeitswelt, Kommunikation und Konsum (Stichwort: Wissensarbeiter) sozial und wirtschaftlich an den Rand gedrängt sieht und durch Verteidigung des Erreichten und neuen Nationalismus zunehmend autoritär reagiert. Wichtig sind materielle und soziale Sicherheit, Solidar- und Gemeinschaftswerte, bescheidener Wohlstand. • Statusorientiertes Milieu / Social Climber 20,4 %: Beruflicher Aufstieg und finanzieller Erfolg stehen nach wie vor im Zentrum milieutypischer Lebensentwürfe. Luxuskonsum und exklusive Statussymbole dienen gern zur Selbstbelohnung als „Reward Consumption“ und Selbstinszenie­ rung. Wichtig sind Prestige, Zugehörigkeit zu Besserverdienenden, sichtbarer Luxuskonsum. • Modernes bürgerliches Milieu / Conventional Modern Mainstream 10,6 %: Soziokulturelle Mitte, modern in Bezug auf Werte, Rollenbilder, Konsumstil, familien-, harmonie- und gemeinschaftsorientiert. Ihre Kaufkraft kann mit den vielfältigen Lebens- und Konsumansprüchen der Familie aber häufig nicht schritthalten. Wichtig sind Lebensqualität, Sicherheit, materielles und emotionales Wohlergehen, Maß und Mitte in der Gesellschaft. • Adaptives Milieu / Progressive Modern Mainstream 11,7 %: Das Kernmilieu der „Digital Natives“, IT-begeistert, hoch mobil, kommunikativ vernetzt, in Social Media zuhause. Viele pflegen einen ausgeprägten OutdoorKonsum- und extravertierten Lebensstil. Wichtig sind Lebensfreude (WorkLife-Balance), soziale Kontakt, individualisierter Konsum. • Konsum-materialistisches Milieu / Pragmatic Strivers 11,2 %: Die Angehörigen dieses Milieus leben zumeist in wirtschaftlich prekären Verhältnissen und beziehen nicht selten soziale Transfers. In jüngster Zeit wachsendes Misstrauen, ja Aversionen, gegenüber sog. gesellschaftlichen Eliten aus Medien, Politik, Unternehmen. Wichtig ist, nicht den sozialen und wirtschaftlichen

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Anschluss an den gesellschaftlichen Mainstream zu verlieren, daher Geld und Konsum. • Hedonistisches Milieu / Counter Culture 7,1 %: Junge Leute mit „unkonventionellem“ Bodystyle und Outfit, großstädtische Subkulturen und „bildungsferne“ Unterschicht-Teens eint die Anziehungskraft hedonistischer Lebens- und Freizeitstile mit Fun & Action, Big kicks, die zunehmend virtuell konsumiert werden. Wichtig sind Coolness, Fun & Action, starke, rasch wechselnde Reize. 4.7.4 Roper Socio Styles Die Roper Socio Styles / GfK streben ein komplexes, dynamisches Portrait von Menschen mit einer Synthese einer Vielzahl von Lebensfacetten in unterschied­ lichen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereichen an. Dabei werden bei über 40.000 Personen in mehr als 40 Ländern charakteristische Lebensstile in Bezug auf das tägliche Leben erhoben. Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern spiegeln sich in unterschiedlichen Größen der jeweiligen Lebensstiltypen wider. Jeder Lebensstil ist einheitlich für ganz Europa definiert. Unterschiede resultieren dann in abweichenden prozentualen Anteilen. Dadurch wird eine standardisierte Marktbearbeitung möglich. Gesellschaftliche Trends und Entwicklungen können frühzeitig erkannt und deren Einfluss auf den Konsum abgeschätzt werden. Jeder Socio Style ist in jedem europäischen Land anzutreffen, weil, so die These, die westeuropäischen Gesellschaften in der Neuzeit parallel eine gleichartige soziale Entwicklung vollzogen haben. Insofern können Zielgruppen ländergrenzenübergreifend gleichartig definiert werden. Als Basis dienen dabei 3.500 AIOVariable für jede Befragungsperson. Die Aufnahme kunden-/produktspezifischer Items ist möglich. Erfasst werden ansonsten Besitz, Mediennutzung, Verbrauchsund Kaufverhalten mit folgenden Motivationsstrukturen: Mein Privatleben, Mein Berufsleben, Mein gesellschaftliches Leben, Mein politisches Leben, Mein kulturelles Leben, Mein Geschäftsleben, Mein Leben als Verbraucher. Grafisch erfolgt die Einordnung in eine Matrix mit den Polen • Haben durch Status, Aussehen, Reichtum, Egoismus, Traum vs. Sein durch Nachhaltigkeit, Authentizität, Verantwortung, Lernen, Gesellschaft, Realität einerseits sowie • Leidenschaft durch Abenteuer, Spaß, Freiheit, Erfolg, Wandel, Neues vs. Frieden / Sicherheit durch Tradition, Glaube, Sparsamkeit, Bescheidenheit, Vorsorge, Bewahren als Bedürfnisse andererseits vor. Daraus ergeben sich wiederum folgende Lebensstiltypen auf europäischer Basis (siehe Abbildung II/50: Roper Consumer Styles):

4. Datenbasis

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Abbildung II/50: Roper Consumer Styles (Quelle leicht verändert aus: google.com/search?q=roper+socio+styles+2019&tbm=isch&ved=2ahUKEwjUgK_ ak4vqAhWG34UKHemcCncQ2-cCegQIABAA&oq=roper+socio+styles+2019&gs_lcp=)

• Die Bodenständigen mit Sehnsucht nach Frieden und Harmonie (Settled/16 % der erwachsenen Bevölkerung) sind traditionsorientierte Senioren mit mittlerem Lebensstandard, die ihren Ruhestand voll und ganz ausschöpfen. Sie pflegen einen bewusst einfachen Konsumstil, der auf Familie, Sicherheit und Gesundheit ausgerichtet ist. • Die Häuslichen mit Wunsch nach materieller Sicherheit und Status (Homebodies/15 %) sind angepasste Familien aus einfachen Verhältnissen, die von einem bequemeren Leben träumen. Sie sind auf der Suche nach Produkten, die ihnen Sicherheit und soziale Akzeptanz bieten. • Die Träumer vom großen Glück (Dreamers/8 %) sind intuitive, junge und materialistische Leute, die von der Welt der Stars träumen und einen Platz an der Sonne hinterherjagen. Sie wollen Marken mit starkem Image und sind stets auf der Suche nach Schnäppchen. • Die Abenteurer mit leidenschaftlichem Erleben (Adventurers/17 %) sind junge dynamische Leute auf der Suche nach Erfolg und materieller Unabhängigkeit. Sie pflegen einen demonstrativen, auf Freizeit und Innovation ausgerichteten Konsum und sind Trendsetter. • Die Weltoffenen zwischen sozialer Verantwortung und Vergnügen (Open-minded/15 %) sind hedonistische, tolerante Intellektuelle auf der Suche nach Individualität und persönlicher Harmonie. Ihr gehobener Konsumstil ist auf Lifestyle und Ambiente ausgerichtet.

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II. Steuerung der Marketingkommunikation

• Die Kritischen auf der Suche nach Nachhaltigkeit und Selbstverwirklichung (Organics/7 %) sind engagierte Familien mit klarem Bekenntnis zu Umwelt und Gesellschaft, ohne dabei die angenehmen Seiten des Lebens zu vernachlässigen. Sie haben einen rationalen, an hoher Qualität und Zukunftsträchtigkeit ausgerichteten Konsumstil. • Die Realisten mit harter Arbeit und Verantwortung (Rational Realists/8 %) sind kritische, engagierte und intellektuelle Paare, die eine lebenswerte Zukunft anstreben. Sie verbringen viel Zeit damit, nach Marken zu suchen, die ihren hohen Ansprüchen gerecht werden. • Die Anspruchsvollen zwischen Pflicht und Genuss (Demanding/13 %) sind kultivierte, pflichtbewusste Bürger mit traditionellem Halt und disziplinierter Persönlichkeit. Sie pflegen einen anspruchsvollen Konsumstil und legen Wert auf Qualität, sie kaufen zumeist vernunftsbetont. Im Ergebnis entstehen transnationale Zielgruppen als Indiz für eine Angleichung der nationalen Kulturen. Insofern sind Unterschiede für viele Produktgruppen, Absatzgebiete und Kundensegmente vernachlässigbar.

4.7.5 RISC-Typologie Das Pariser Research Institute on Social Change / RISC untersucht seit 15 Jahren gesellschaftliche Trends in ganz Europa, um daraus Typologien zu entwickeln. Der entsprechende Fragebogen umfasst 100 soziokulturelle Fragen und Statements, wie „Unsere Kultur und viele Werte unseres Landes sind heute in Gefahr“, die graduell beantwortet werden können. Jeder Befragte wird daraufhin auf Basis seiner Antworten dreidimensional positioniert: • Eine Dimension bewegt sich zwischen Aufbruch und Stabilität, dabei wird die Offenheit für neue Ideen erhoben (Beispiel: Fridays for Future-Anhänger*in als Gegenpol zu mittlerem Verwaltungsbeamten). • Die soziale Dimension stellt die Antipole „Streben nach Harmonie“/„höhere Werte“ und „profaner Lustgewinn“ gegenüber (Beispiel: Lehrer*in, die an einer Waldorfschule unterrichten vs. ausgemachte Techno-Freaks). • Die dritte Dimension erfasst die globale vs. lokale Orientierung. Entweder fühlen sich die Interviewten als Teil einer „Weltgemeinschaft Gleichgesinnter“ oder sind eher ihrer direkten Umgebung verbunden (Beispiel: Globetrotter vs. Kegelclub-Ausflug an die Mosel). Die Position der Befragten wird nicht in Koordinaten umgesetzt, sondern in „Euroscan“, einer dreidimensionalen Abbildung der RISC-Typen. Für jedes dieser Segmente werden spezielle Merkmale abgefragt. Die Antworten für jeden einzelnen Typ werden sodann anhand der Gesamtbevölkerung indexiert. Werte über

193

4. Datenbasis

100 sprechen für eine überproportionale Ausprägung. Mit der speziellen Software MicroRISC können die Umfragen individuell ausgewertet und im Euroscan dargestellt werden. 4.7.6 Weitere Typologieansätze Die Sozialen Milieus / Schulze heben auf die Kriterien Altersgruppe und Bildungsgrad als Basis für die Milieubildung ab. Daraus ergeben sich fünf Milieus (siehe Abbildung II/51: Soziale Milieus): BILDUNGSGRAD Abitur und Universität Abitur und Fachhochschule/Lehre Abitur ohne Zusatzausbildung Fachabitur und Fachhochschule

Selbst­verwirklichungsmilieu

Niveaumilieu

Fachabitur und Lehre Mittlere Reife und berufsbildende Schule

Integrationsmilieu

Mittlere Reife und Lehre Mittlere Reife und Zusatzausbildung Hauptschule und berufsbildende Schule Qualifizierter Haupschul‑ abschluss und Lehre

Unterhaltungs­milieu Harmoniemilieu

Einfacher Hauptschulabschluss und Lehre Hauptschule ohne Lehre/Abschluss bis 40 Jahre

Ab 40 Jahre ALTER

Abbildung II/51: Schulze-Soziale Milieus (Quelle: https://lebensfuehrungstypologie.wordpress.com/karriere-einer-leitidee/ standards-in-der-forschungspraxis/)

• „Unterhaltung“ mit niedrigem Bildungsgrad und geringerem Alter, • „Harmonie“ mit niedrigem Bildungsgrad und höherem Alter, • „Integration“ mit mittlerem Bildungsgrad und höherem Alter, • „Selbstverwirklichung“ mit hohem Bildungsgrad und geringerem Alter, • „Niveau“ mit hohem Bildungsgrad und höherem Alter.

194

II. Steuerung der Marketingkommunikation

Entsprechend ergeben sich folgende fünf Milieus: • Das Harmoniemilieu umfasst alle niedrigen Bildungsgrade bis zum Hauptschulabschluss inkl. Abschluss einer berufsbildenden Schule (= kleinbürgerliches, traditionelles Milieu)), mittelalt bis alt, zurückhaltender Kleidungsstil, Preisorientierung beim Kauf, will möglichst viel besitzen, Ablehnung des Neuen, Rückzug ins eigene Zuhause, • Das Integrationsmilieu enthält verschiedene Abstufungen der mittleren Reife ohne Zusatzausbildung, mit Lehre, mit Abschluss an einer berufsbildenden Schule (= aufstiegsorientiertes Milieu), Durchschnittlichkeit, komfortables, aber unauffälliges Auto, maßvoll modische Kleidung, eigenes Haus mit gepflegtem Garten, • Das Niveaumilieu umfasst alle Bildungsgrade vom Fachabitur aufwärts bis zur abgeschlossenen Universitätsausbildung (= konservativ gehobenes Milieu), Bevorzugung klassischer Musik, Kulturinteresse, teure Restaurantbesuche, konservativer Kleidungsstil, kultivierte Einrichtungsatmosphäre, • Das Unterhaltungsmilieu ist der Ausschnitt des Integrationsmilieus, das untere Mittelklasse-Bildung in jüngeren Jahren (20–40) umfasst sowie das gesamte Harmoniemilieu, sofern es 20–40 Jahre Alter repräsentiert (= traditionsloses Arbeitermilieu), Erlebnisorientierung, Konsum von Unterhaltungsprodukten, hoher Raucherantei., „aufgemotzte“ Autos, sportliche Kleidung, Bodybuilding, • Das Selbstverwirklungsmilieu ist der Ausschnitt des Integrationsmilieus, das obere Mittelklasse-Bildung in jüngeren Jahren (20–40) umfasst sowie das gesamte Niveaumilieu, sofern es 20–40 Jahre Alter repräsentiert (= technokratisch-liberales Milieu, hedonistisches Milieu, alternativ linkes Milieu), betonte Individualität, Mischung aus Nachlässigkeit und gewählter Stilisierung, kreativ, neue Kultur, Selbsterfahrung, Individualtourismus, moderne Freizeitsportarten. Im internationalen Bereich gibt es noch den Forschungsansatz der Sinus Meta Milieus. Dazu werden in 40 Ländern Menschentypen erhoben, die sich in ihrer Lebensauffassung, ihrer Lebensweise, ihren Werten, ihrer sozialen Lage, ihren Kommunikationsmustern und ihrem Konsumverhalten über Ländergrenzen hinweg ähneln. Dies folgt der Idee der Generalisierung im internationalen Marketing. Dabei werden zwei Ländergruppen unterschieden: Established markets und Emerging markets. Die Vorgehensweise ist im Übrigen wie bei den nationalen SinusMilieus. Naturgemäß ist die Verteilung der sich ergebenen Typen in den einzelnen Ländern unterschiedlich. Dennoch ergibt sich damit die Chance zur Ansprache gleicher Zielgruppen im grenzüberschreitenden Maßstab. Die Dimensionen sind nach Sozialem Status, in lower, middle, higher, und nach Wertebasis, in Traditionality, Modernisation, Re-orientation, eingeteilt. Populär sind Typologie-Ansätze durch die freilich umstrittene Charakterisierung von „Generationen“ junger Menschen geworden (s. u.). Die Generation X steht

4. Datenbasis

195

dabei für die von 1966 bis 1980 Geborenen, die Generation Y für die von 1981 bis 1995 Geborenen und die Generation Z für die von 1996 bis 2010 Geborenen. Die Generation Z wird auch als Digital natives bezeichnet, sie ist mit Internet, Smartphones und Computern ganz selbstverständlich aufgewachsen. Diese Personengruppe gehört zu den geburtenschwachen Jahrgängen, die am Arbeitsmarkt als Fachkräfte stark gesucht sind (War for talents). Sie sind geprägt durch stabil hohes Wohlstandsniveau und setzen sich für Menschenrechte, Gleichberechtigung und ökologische Achtsamkeit ein. Sie sind weltoffen und spaßorientiert, ihr Wunsch nach persönlicher Entwicklung und Selbstverwirklichung ist dominant. Klassische, lineare Medien wie Zeitschriften, Zeitungen, Radio und Fernsehen spielen für sie keine große Rolle, an deren Stelle treten Streaming, Web-Inhalte, Influencer und Soziale Netzwerke. Dies macht ihre Erreichung durch Marketingkommunikation recht problematisch. Vor allem fraktioniert sich die Kommunikation aufgrund der Vielzahl der Kanäle. Speziell im Online-Bereich gibt es auch Internet-Nutzertypologien. Ein Beispiel der GfK unterscheidet wie folgt: • Profis (16 % der Internetnutzer) sind 30–39 Jahre alt, hoher Männeranteil, hohes Einkommen, hohe formale Bildung, Intensivnutzer mit ausgeprägtem Online-Shopping. • Praktiker (15 %) haben hohes Bildungsniveau, hohes Einkommensniveau, ­20–49 Jahre alt, beide Geschlechter gleich verteilt. • Gameboys (14 %) sind 14–29 Jahre alt, noch in Ausbildung (Schule, Lehre, Studium), noch geringes Einkommen, intensiver Internet-Surfer, Männer über­ repräsentiert. • Klicker (32 %) liegen im Bevölkerungsdurchschnitt, keine erkennbaren Nutzungsschwerpunkte, häufig Web-Neulinge. • Cybergirls (7 %) als junge Frauen im Berufsleben, vorwiegend in weniger internet-spezifischen Produktbereichen shoppend, • Young Professionals (14 %) als jüngerer Nutzer aller Bildungsschichten beim Berufseinstieg, nutzen das Internet vor allem beruflich, sind an Qualifizierungsund Weiterbildungsangeboten interessiert, Eine andere Einteilung geht auf McKinsey zurück: • Simplifiers (20 % der Internet-Nutzer) nutzen das Internet gezielt, z. B. für Online-Banking, haben langjährige Internet-Erfahrung, wollen schnell und einfach bedient werden, • Surfers (8 %) verbringen viel Zeit vor dem Bildschirm auf der Suche nach neuen Entdeckungen und Unterhaltungserlebnissen,

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II. Steuerung der Marketingkommunikation

• Connectors (36 %) nutzen das Internet vor allem zur Kommunikation mit anderen Personen, besitzen E-Commerce-Potenzial, • Bargainers (8 %) suchen stets nach „Schnäppchen“ im Internet und beteiligen sich an Online-Auktionen, • Routiners (24 %) bevorzugen das WWW als Informationsquelle, z. B. Börsennachrichten, • Sporters (4 %) suchen Unterhaltungsangebote, vor allem Sport, im WWW. 4.7.7 Kritische Bewertung Typologien haben eine Reihe von Vor- und Nachteilen. Als Vorteile sind vor allem folgende zu nennen: • Es besteht eine hohe Marketingrelevanz, da beobachtbares Verhalten oder zumindest mehrfach abgesicherte Indikatoren für dieses Verhalten die Grundlage der Ergebnisse bilden. Eine vereinfachte, in der Praxis sehr beliebte Umsetzung findet in Form von (Marketing-)Personas statt. Dabei handelt es sich um fiktive Personen, die in ihrem Profil Zielgruppentypen repräsentieren, ohne dass komplexe Marktforschungsverfahren erforderlich sind. Natürlich dürfen sie auch nicht völlig realitätsfremd sein, daher werden für einige forscherische Grundlagen ­geschaffen. Personas werden dann nach relevanten Attributen konstruiert und dienen in der Forschung und Entwicklung der Werbung als Prototypen. Zur Veranschaulichung erhalten sie Namen und Fotos zugeordnet. Abstrakte Zielgruppen lassen sich damit für holistisch denkende Mitarbeiter (rechtshirnig) nachvollziehbar konkretisieren. Dies ist besonders für Kreative wichtig, die mit analytischen Zielgruppenbeschreibungen schwerlich etwas anzufangen vermögen. • Typologien erleichtern den Beteiligten durch ihre Anschaulichkeit die Arbeit, denn ansonsten abstrakt und wenig greifbar erscheinende Zielgruppenbeschreibungen werden prägnant und transparent. • Die Plastizität der Ergebnisse erleichtert die Ableitung zielgerichteter Kommunikationsaktivitäten, um die identifizierten und anzusteuernden Segmente bearbeiten zu können. • Produkte bzw. Dienste können hinreichend an das Profil der jeweiligen Lebensstile angepasst werden und erreichen damit eine höhere Akzeptanz am Markt. • Die Aussagen der Typologien erleichtern die Übersetzung in werbliche Botschaften, die zur Auslobung geeignet sind. • Typologien sind recht differenziert in ihren Aussagen, so dass Segmente hinreichend abgegrenzt und angesteuert werden können.

4. Datenbasis

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• Es handelt sich um Ableitungen aus realen Gegebenheiten, nicht um leicht angreifbare Hypothesen oder theoretische Erwägungen. • Typologien sind, sachgerecht erhoben und ausgewertet, ein exaktes Spiegelbild der tatsächlichen Nachfrageverhältnisse am Markt. Diesen Vorteilen stehen jedoch auch erhebliche Nachteile gegenüber: • Typologien spiegeln womöglich eine Scheinexaktheit vor, die so nicht gegeben ist und auch nicht erreichbar scheint. Dies ist vor allem bei einem unreflektierten Umgang mit den Ergebnissen problematisch. • Die Praktikabilität des Erhebungsumfangs verhindert die Berücksichtigung spezieller Inhalte, allerdings gibt es zwischenzeitlich eine inflationierende Vielzahl spezialisierter Typologien. • Die Merkmale, die der Typologie zugrunde liegen, sind nicht allgemein klassifizierbar, weil sie als qualitative Daten wenig trennscharf und exakt bleiben. • Da Typologien jeweils individuelle Forschungsdesigns zugrunde liegen, sind ihre Ergebnisse untereinander nicht vergleichbar. Dadurch ist ihre Anwendung erheblich begrenzt. • Die forscherische Fundierung der Typologien ist im Einzelfall eher zweifelhaft, zudem werden die Forschungsdesigns gelegentlich wohl so angelegt, dass sie die Ergebnisse zu liefern vermögen, die ihre Auftraggeber von ihnen erwarten wie womögllich bei Verlagstypologien. • Für die entstehenden Typen ergeben sich Identifikationsschwierigkeiten, da die Ursprungsdaten mathematisch-statistisch reduziert werden und dadurch ihre Rückbeziehbarkeit auf die Ausgangseinheiten unmöglich wird. • Zudem entstehen in Typologien regelmäßig Kunsttypen, die so in der Wirtschaftswirklichkeit nicht vorhanden, sondern Artefakte quantitativer Verfahren sind. • Wegen des hohen Erhebungsaufwands werden Typologien häufig nur in größeren Zeitabständen ermittelt, so dass sie den dazwischen stattfindenden Wertewandel nur unvollkommen wiedergeben können. Literaturhinweise Altobelli, Claudia F.: Marktforschung, 3. Auflage, Konstanz 2017 Backhaus, Klaus / Schneider, Helmut: Strategisches Marketing, 3. Auflage, Stuttgart 2020 Baumgarth, Carsten: Markenpolitik, 4. Auflage, Wiesbaden 2014 Becker, Jochen: Marketing-Konzeption, 11. Auflage, München 2018

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II. Steuerung der Marketingkommunikation

Berekoven, Ludwig / Eckert, Werner / Ellenrieder, Peter: Marktforschung, 12. Auflage, Wiesbaden 2009 Böhler, Heymo: Marktforschung, 3. Auflage, Stuttgart 2004 Buber, Renate / Holzmüller, Hartmut (Hrsg.): Qualitative Marktforschung, 2. Auflage, Wiesbaden 2009 Christa, Harald: Grundwissen Sozio-Marketing, Wiesbaden 2010 Eckhardt, Gordon H.: Business-to-Business-Marketing, Stuttgart 2010 Esch, Franz-Rudolf: Strategie und Technik der Markenführung, 9. Auflage, München 2017 Esch, Franz-Rudolf (Hrsg.): Moderne Markenführung, 4. Auflage, Wiesbaden 2013 Freter, Hermann: Markt- und Kundensegmentierung, 2. Auflage, Stuttgart 2008 Häusel, Hans-Georg: Neuromarketing, 4. Auflage, Freiburg 2019 Hennig, Alexander: Marketing Schritt für Schritt, 3. Auflage, Konstanz / München 2018 Homburg, Christian: Marketingmanagement, 7. Auflage, Wiesbaden 2020 Koch, Jörg / Gebhardt, Peter / Riedmüller, Florian: Marktforschung, 7. Auflage, Berlin / Boston 2016 Kost, Julia F. / Seeger, Christof: Influencer Marketing, 2. Auflage, München 2020 Kroeber-Riel, Werner / Gröppel-Klein, Andrea: Konsumentenverhalten, 11. Auflage, ­München 2019 Kuß, Alfred / Wildner, Raimund / Kreis, Henning: Marktforschung, 6. Auflage, Wiesbaden 2018 Langner, Tobias: Integriertes Branding, Wiesbaden 2003 Magerhans, Alexander: Marktforschung, Wiesbaden 2016 Mayer, Hans / Illmann, Tanja: Markt- und Werbepsychologie, 3. Auflage, Stuttgart 2000 Neumann, Peter: Handbuch der psychologischen Marktforschung, Bern 2013 Pförtsch, Waldemar / Godefroid, Peter: Business-to-Business-Marketing, 5. Auflage, Herne 2013 Raab, Gerhard / Gernsheimer, Oliver / Schindler, Maik: Neuromarketing, 3. Auflage, ­Wiesbaden 2013 Raab, Gerhard / Unger, Alexander / Unger, Fritz: Methoden der Marketing-Forschung, 3. Auflage, Wiesbaden 2018 Rennhak, Carsten: Strategisches Marketing, München 2017 Rosenstiel, Lutz v. / Kirsch, Alexander: Psychologie der Werbung, Rosenheim 1996 Sander, Matthias: Marketing-Management, 3. Auflage, München 2019 Scheier, Christian / Held, Dirk: Was Marken erfolgreich macht, 3. Auflage, Planegg 2012 Scheier, Christian / Held, Dirk: Wie Werbung wirkt: Erkenntnisse des Neuromarketings, 3. Auflage, Freiburg 2018

4. Datenbasis

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Schimansky, Alexander (Hrsg.): Der neue Wert der Marke, 2. Auflage, München 2020 Schnell, Rainer / Hill, Paul B. / Esser, Elke: Methoden der empirischen Sozialforschung, 11. Auflage, München / Wien 2018 Teichert, Thorsten / Trommsdorff, Volker: Konsumentenverhalten, 9. Auflage, Stuttgart u. a. 2019 Voeth, Markus / Herbst, Uta: Marketing-Management, Stuttgart 2013 Wiswede, Günter: Einführung in die Wirtschaftspsychologie, 5. Auflage, München 2012

III. Planung der Marketingkommunikation 5. Kommunikationselemente Als wesentliche Elemente sind die Kommunikationsziele (5.1), die Kommunikationsbudgetierung (5.2) und die Ressourcenallokation (5.3) zu nennen. Auf diese Elemente wird im Folgenden detailliert eingegangen.

5.1 Kommunikationsziele Ausgangspunkt sind immer die Ziele, denn ohne eine operationale Zielvorgabe kann jede Arbeit, wenn sie nicht rein zufällig ins Schwarze trifft, eigentlich nur als Misserfolg enden. Ein großes Problem besteht denn auch darin, dass Ziele oft nicht eindeutig genug vorgegeben werden. Damit ist dann später auch keine sinnvolle Erfolgskontrolle möglich. Daher bedarf es der Gliederung der Kommunikationsziele. 5.1.1 Zielanforderungen Ziele sind allgemein gewünschte Zustände der Zukunft. Um operational zu sein, müssen sie den folgenden Anforderungen gehorchen: • Realitätsbezug, indem Ziele subjektiv und objektiv erreichbar sein müssen, • Ordnung, indem Ziele systematisch aufbereitet und dargestellt sein müssen, • Konsistenz, indem mehrere Teilziele einander nicht ausschließen dürfen, • Aktualität, indem Ziele zeitbezogenen Entwicklungen angepasst sein müssen, • Vollständigkeit, indem ein komplexes Ziel komplett beschrieben sein soll, • Durchsetzbarkeit, indem Ziele an der Mittelausstattung ausgerichtet sind, • Kongruenz, indem untergeordnete Ziele zur Erreichung übergeordneter Ziele dienen, • Transparenz, indem Ziele für alle Beteiligten nachvollziehbar sein müssen, • Überprüfbarkeit, indem Ziele so formuliert sind, dass ihre Erreichung gemessen werden kann. Vor jeder Zielvorgabe sollte man für sich prüfen, ob diese Anforderungen im konkreten Fall erfüllt sind. Nur dann kann eine Zielsetzung operational verfolgt

202

III. Planung der Marketingkommunikation

werden. In der Praxis entstehen allerdings häufig Probleme aus nicht hinreichend konkretisierten Zielsetzungen, etwa durch Verwechslung von geplantem Handeln mit angestrebten Resultaten, durch unklare Bedeutung verwendeter „Bullshit“Begriffe wie Dynamik, Image, Kampagne, durch mangelnde Detaillierung der Zieldimensionen oder durch fehlende Unterscheidung zwischen Marketingzielen und Werbezielen. Häufig soll auch vermieden werden, sich durch konkrete Festlegungen angreifbar zu machen. Die Folge ist, dass jeder Beteiligte sich in seinen Zielvorstellungen bewegt, die aber verschieden sind von denen anderer Beteiligten. Und so arbeiten denn alle aneinander vorbei, vergeuden Ressourcen, neutralisieren ihre Kräfte und kommen doch nicht von der Stelle. Daher ist eine exakte Zielformulierung unerlässlich („Für einen Kapitän, der seinen Zielhafen nicht kennt, ist jeder Wind der falsche.“/St.Exupery). Verbindlich wird sie nur, wenn sie schriftlich gefasst und kommuniziert wird. Da zumeist mehrere Ziele zugleich angestrebt werden, bietet die Balanced Score Card / BSC eine Orientierungshilfe. Die Ziele sind dabei mehrdimensional angelegt, umfassen allgemein Finanzen, Kunden, Prozesse und Mitarbeitende, und werden durch Messgrößen sowie Vorgabewerte operationalisiert. Daraus leiten sich dann geeignete Aktivitäten ab. Für die Kommunikation ist eine solche Balanced Score Card ebenfalls möglich. Es werden Werbeziele definiert, diese werden durch Messgrößen operationalisiert, dabei werden Vorgabewerte als konkrete Ziele genutzt und daraus wiederum Aktivitäten für die Zielerreichung abgeleitet. Ob diese gelungen ist, kann in der Folgeperiode festgestellt werden. 5.1.2 Zieldimensionen Eine vollständige Zielvorgabe umfasst in der Marketingkommunikation mindestens die Elemente des Zielinhalts, der Zielgewichtung, der Zielrichtung, des Zielausmaßes, der vertikalen und horizontalen Einordnung der Ziele, des Zeitgeltungs- und des Raumgeltungsbezugs (siehe Abbildung III/52: Allgemeine Ziel­ dimensionen). Darauf wird im Folgenden eingegangen.

Abbildung III/52: Allgemeine Zieldimensionen

5. Kommunikationselemente

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5.1.2.1 Inhalt Hier sind zwei Unterteilungen denkbar in materiell und formell. Formell lassen sich Ziele einteilen in • Metaziele, die abstrakte Steuerungsvorgaben betreffen wie Wachstum, Existenz­ sicherung, Substanzerhaltung, Unabhängigkeit, Macht / Prestige, soziales Bewusstsein, ethisch-moralische Verantwortung, schöpferische Betätigung, Arbeitsplatzsicherheit, Umweltschutz, regionale Strukturpolitik oder Betriebsklima etc. Diese „Soft Factors“ erhalten gerade neuerdings erhebliche Bedeutung. • Sachziele, die sich auf das faktische Handlungsprogramm des Unternehmens beziehen und Kosten und Leistungen involvieren („Hard Factors“). Dabei stehen erstere in konditionalem Verhältnis zu letzteren, denn Metaziele sind bei erwerbswirtschaftlicher Ausrichtung nicht Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck der Erreichung der letztendlich dahinter stehenden ­Unternehmensmission. Materiell lassen sich Ziele in ökonomische einteilen, also quantitative, objektive Größen betreffend, und psychografische, also qualitative, subjektive Größen betreffend. Quantitative Ziele drücken sich in monetären Werteinheiten aus, qualitative Größen in nicht-monetären. Diese Zielsetzungen stehen weiterhin in einem konditionalen Verhältnis zueinander. Dabei sind psychografische Ziele ökonomischen vorgelagert. Erstere dienen damit zur Erreichung letzterer. Nun sind vielfältige ökonomische, rationale Kommunikationsziele denkbar. Einer der ersten Versuche der Systematisierung (Bidlingmaier) geht von folgenden Größen aus: • Geschäftsexpansion als Werbeziel ist durch Etablierungs- oder Fortführungswerbung möglich. Etablierungswerbung soll die Nachfrage nach dem beworbenen Angebot wecken. Fortführungswerbung soll bei bisherigen Käufern durch Absatzmengen- oder Absatzpreissteigerung sowie durch Erschließung neuer Käufer erfolgen. • Geschäftserhaltung als Werbeziel richtet sich auf die Kompensation von Geschäftsverlusten durch selektive Geschäftsausweitungen. Dies kann mit bisherigen oder neuen Abnehmergruppen angestrebt werden. Im bisherigen Marktfeld geschieht dies mit Hilfe bisheriger Käufer innerhalb einer oder zwischen verschiedenen Käufergruppen sowie durch Gewinnung neuer Käuferschichten und durch Erschließung neuer Märkte im In- und Ausland. • Aufwandsersparnis als Werbeziel soll den Bedarf gemäß der eigenen Absatzvoraussetzungen formen oder beeinflussen. Dies geschieht durch Lenkung der Nachfrage im Zeitablauf oder durch werbebedingte Rationalisierung. Ersteres wird erreicht durch Kontinuitätswerbung zur Glättung der Nachfragezyklen, durch Synchronisationswerbung zur Anpassung der Zyklen an die Produktion oder durch Emanzipationswerbung durch Verschiebung der Zyklen. Letzteres

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III. Planung der Marketingkommunikation

wird durch Großeinkäufe und Mindestauftragsgrößen, durch moderne Einkaufstechniken sowie durch bestimmte Zahlungsmodalitäten zu erreichen versucht. • Selektive Geschäftsreduktion schließlich ist erst in neuerer Zeit relevant geworden. Sie betrifft Marktbereiche, die eine bewusste Schrumpfung erfahren sollen, etwa bei ökologisch angreifbaren Produkten. Auf einer eher abstrakten Ebene bieten sich folgende Basisgrößen zur Definition von ökonomischen Kommunikationszielen an: • Absatz als mengenmäßiger Output des Unternehmens im Markt, • Preis als wertmäßige Bemessung der einzelnen Outputeinheiten, • Kosten als bewerteter Güterverzehr zur Leistungserstellung des Outputs, • Liquidität als positiver Zahlungsmittelfluss im Unternehmen. Aus diesen vier Eckpfeilern lassen sich durch Kombination weitere ökonomische Ziele der Marketingkommunikation ableiten. Es handelt sich dabei um: • Umsatz als Produkt aus Absatz und Preis, • Einzahlung als monetärer Ertrag (Bezug: Preis zu Liquidität) der Unternehmensleistung am Markt, • Auszahlung als monetärer Aufwand (Bezug: Kosten zu Liquidität) zur Marktreifmachung eines Angebots, • Degression als Größenvorteil (Bezug: Absatz zu Kosten) bei der Erstellung eines erfolgreichen Angebots, • Auftrag (Bezug: Absatz zu Liquidität) als Voraussetzung für jedweden Markterfolg, • Spanne als gewinnbringende Differenz aus Preis und Kosten (siehe Abbildung III/53: Objekte ökonomischer Kommunikationsziele).

Abbildung III/53: Objekte ökonomischer Kommunikationsziele (Quelle: eig. Darst.)

5. Kommunikationselemente

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Psychografische, emotionale Kommunikationsziele richten sich auf Einstellungsund Imagedimensionen. Sie werden meist in solche der Kognition, der Affektion und der Konation unterteilt: • Kognitive Wirkungen beziehen sich auf die Kenntnis und das Verständnis von Angeboten. Werbung soll hier zu einer Bekanntmachung auf neuen Märkten bzw. zu einer Erhöhung oder Haltung des Bekanntheitsgrads auf bestehenden Märkten führen. Bekanntheit ist notwendige Voraussetzung für Erfolg, da nur die im Bewusstsein verankerten Angebote in der Kaufentscheidungssituation präsent und damit bewusst wählbar sind. • Affektive Wirkungen beziehen sich auf die Sympathie zu einem Angebot oder Anbieter. Hier sollen weniger harte Fakten als emotionale Elemente übermittelt werden, welche die Einstellung zu einem Angebot oder Anbieter positiv beeinflussen. Denn bei zunehmender objektiver Gleichartigkeit und Komplexität der Angebotsparameter setzt der „Kopf“ aus und der „Bauch“ übernimmt die, oft genug irrationale, Evaluierung. • Konative Wirkungen betreffen die beabsichtigte Handlungswirkung. Dies setzt Informationseinholung und -vertiefung voraus, etwa durch Anforderung von Prospekten, Aufforderung zur Händlerberatung oder Angebot fernmündlicher Kontaktierung. Dadurch ergeben sich eine Konditionierung der Interessenten und eine höhere Chance auf einen Kaufabschluss als „finaler“ Handlung.

5.1.2.2 Gewichtung Nach ihrer Gewichtung lassen sich kommunikative Ziele unterscheiden in Hauptziele, denen hohe Priorität zukommt, und Nebenziele, denen geringere Priorität zukommt. Diese Einteilung ist erforderlich, um bei knappen Budgetmitteln zur Umsetzung der Zielvorgaben zu einer sachgerechten Zuteilung zu gelangen. Hauptziele werden zuerst mit Budget versehen, Nebenziele werden soweit dotiert, bis die Budgetgrenze erreicht ist. Erfahrung zeigt, dass Kommunikationsziele bei restriktiven Rahmenbedingungen schnell mit geringer Priorität versehen werden, weil dort vermeintlich leichter verschmerzbare Wirkungen hinzunehmen sind. Die praktische Umsetzung dieser Zieldimension ist sehr schwierig. Denkbar sind etwa folgende Verfahren: • Die Cross Impact-Analyse nimmt den Vergleich mehrerer Optionen rechnerisch vor. Dabei werden die Wechselwirkungen jeder Entscheidung auf alle anderen Entscheidungen beurteilt. Dabei gibt es Entscheidungen, die andere stark beeinflussen und solche, die von anderen stark beeinflusst werden. Erstere sind von höherer Bedeutung als letztere. Dazu werden die Optionen in einer Matrix jeweils in der Kopfzeile in Bezug auf die Wirkungsziele („… hat Wirkung auf …“) sowie in der Kopfspalte in Bezug auf die Wirkungsquellen („… be-

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III. Planung der Marketingkommunikation

zieht Wirkung von …“) abgetragen. Die Zellen der Matrix weisen aus, wie sich die in den Matrixzeilen aufgeführten Quellen auf die in den Matrixspalten aufgeführten Ziele auswirken. Dabei wird ein Punkteschema zugrunde gelegt, das sich aus Expertenmeinung als Best Educated Guess ergibt. In der Endspalte der Matrix wird die Aktivsumme ausgewiesen, also wie stark eine Option die anderen beeinflusst, in der Endzeile der Matrix die Passivsumme, also wie stark eine Option durch die anderen beeinflusst wird. Die Differenz zwischen Aktivsumme und Passivsumme gibt an, welche relative Position der Bereich im Gesamtsystem einnimmt. Eine positive Differenz weist aus, dass die entsprechende Option eher andere beeinflusst als durch diese anderen beeinflusst zu werden, eine passive Differenz weist aus, dass die Option eher durch andere beeinflusst wird als selbst andere zu beeinflussen. Die Option mit der höchsten Aktivsumme ist die zu präferierende. • Eine Nutzwertanalyse / Utility Analysis ist erforderlich, wenn qualitative kategoriale Kriterien vorliegen, die zunächst in quantitative umzurechnen sind. Dazu ist eine Nutzenfunktion erforderlich, die den Nutzwert jedes Kriteriums bestimmt. Dabei können die ordinalen Kriterien noch subjektiv gewichtet werden. Insofern handelt es sich um die verallgemeinerte Form eines Scoring. Zunächst sind dazu die Beurteilungskriterien zu erfassen, ggf. können diese auch gewichtet und in Rangfolge gebracht werden. Dann werden für den Grad der Zielerfüllung Punkte vergeben. Diese ermöglichen eine Umrechnung der ordinalen Werte in metrische. Dafür ist die Vereinbarung einer Beurteilungsskala mit Bandbreiten für die Werte erforderlich. Durch Einordnung in die Bandbreite ist damit eine Umrechnung in Teilnutzwerte möglich. Durch Addition der Teilnutzwerte über alle Kriterien hinweg ergibt sich der Gesamt-Nutzwert. Gegebenfalls gibt eine Sensitivitätsanalyse Auskunft darüber, wie stabil das Ergebnis bei Variation der Kriteriengewichte und / oder Bewertungen ist. Dadurch soll das Ergebnis interpersonell nachvollziehbar werden. • Im Zero-Base-Budgeting werden zunächst alle betrieblichen Maßnahmen auf Null gesetzt, d. h., es wird gedanklich so verfahren, als gäbe es keine Budgets. Auf jeder Ebene der Organisation haben dann Zielverantwortliche die Wichtigkeit ihrer jeweilig geplanten Maßnahmen isoliert für ihren Bereich zu bewerten. Die Zielprioritäten aus allen Bereichen auf den unteren Ebenen werden dann auf der nächsthöheren Ebene gegenübergestellt und vom dort Zielverantwortlichen nach der so gesehenen Wichtigkeit der Maßnahmen neu angeordnet. Das gleiche geschieht auf der darüber liegenden Ebene, bis auf der obersten Ebene die Gewichtung der Maßnahmen verbindlich erfolgt. Dann wird der vorgegebene Gesamtbudgetrahmen gemäß den festgestellten Prioritäten auf jede einzelne Maßnahme zugeteilt. So ist sichergestellt, dass die wichtigsten Maßnahmen auch mit dem höchsten Budget dotiert werden. Allerdings ist diese Planung sehr zeitaufwändig und unterliegt Verzerrungen auf den einzelnen Ebenen. Dennoch ist sie zumindest in größeren Zeitabständen sehr sinnvoll (z. B. bei AB InBev).

5. Kommunikationselemente

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5.1.2.3 Richtung Nach der Zielrichtung kann in Bezug auf das Kommunikationsziel wie folgt unterteilt werden. Ausweitung gilt als traditionelle Zielsetzung im Marketing. Dahinter stehen freilich fragliche Wachstumspostulate der Vergangenheit. Vor allem soll wohl das durchschnittliche Wachstum des Marktes bzw. des Mitbewerbs übertroffen werden. Ausweitung wird durch Einführungs- und Fortführungswerbung erreicht. Einführungswerbung soll als bedarfskreative Werbung die Nachfrage nach dem beworbenen Produkt wecken. Fortführungswerbung soll als bedarfsexpansive Werbung bestehende Nachfrage ausweiten bzw. als bedarfspartizipative Werbung vom Mitbewerb zehren. Sie richtet sich an bisherige Nachfrager im bestehenden Marktfeld durch Steigerung der Absatzmenge oder des Absatzpreises und kann jeweils in allen oder nur in Teilmärkten erfolgen. Es können aber auch neue Nachfrager im bestehenden Marktfeld bzw. neue Nachfrager in neuen Marktfeldern angesprochen werden. Basis dieser Möglichkeiten ist dabei immer das bestehende Produktangebot. Konsolidierung meint die Festschreibung des Status quo. Wenn eine zufrieden­ stellende Position erreicht ist oder Wachstumsgrenzen in Sicht sind, kann an die Stelle der Ausweitung die angestrebte Festschreibung des erreichten Zustands treten. Konsolidierung erfolgt durch Kompensation von Verlusten infolge selektiver Ausweitung an anderer Stelle. Dies kann sich auf die bisherige Abnehmergruppe beziehen, indem deren Verhaltensweisen stabilisiert werden, oder auf den Ausgleich von Nachfragerückgang in einem Teilsegment dieser Abnehmergruppe durch Nachfragesteigerung in einem / mehreren anderen Teilsegment(en). Außerhalb der bestehenden Abnehmergruppe kann eine Kompensation durch Erschließung neuer Abnehmergruppen oder neuer Absatzregionen angestrebt werden. Etablierung betrifft die erstmalige Erreichung von Marktpräsenz. Hier geht es darum, ein Angebot erfolgreich am Markt zu platzieren. Dies ist freilich innerhalb eines wachsenden Umfelds leichter zu erreichen als in einem stagnierenden, wie es häufig aktuell infolge überbesetzter Märkte, hoher Wettbewerbsintensität, gesättigter Nachfrage etc. gegeben ist. Die Problematik ist anhand der sehr hohen Floppraten von Neuerungen ablesbar. Neuerdings kommt die Reduzierung als selektive Zurücknahme des Aktivitätsniveaus hinzu. Dies repräsentiert zunehmend den Zielhorizont von Unternehmen, die mehr oder minder angreifbare Angebote vom Markt nehmen und die Nachfrage auf deren Nachfolger umlenken wollen, die eher in die Zeit passen, bevor Imagebeeinträchtigungen auftreten können. Dies ist erst in neuerer Zeit von großer Relevanz und betrifft Marktbereiche, die eine bewusste (Gesund-)Schrumpfung erfahren sollen. Dies ist unter den Begriffen De- oder Counter-Marketing bekannt und gilt vor allem für ökologisch exponierte Produktgruppen wie etwa fossile Brennstoffe.

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III. Planung der Marketingkommunikation

5.1.2.4 Ausmaß Nach dem Ausmaß von Zielen lassen sich in Bezug auf die Marketingkommunikation solche der Extremierung und der Begrenzung unterscheiden. Extremalziele ergeben sich in Form der Maximierung oder Minimierung, etwa als Gewinnmaximierung oder Kostenminimierung. Die dazu erforderlichen Grenzbetrachtungen entbehren jedoch des Realitätsbezugs. Von daher ist es Unternehmen tatsächlich unmöglich, Extremalziele zu verwirklichen, so sehr sie sie als Zielausmaß auch anstreben mögen (dies betrifft etwa die immer wieder genannte Gewinnmaximierung). Insofern zeugen derartige Formulierungen allenfalls von Unkenntnis über die betriebswirtschaftlichen Zusammenhänge. Optimalziele stellen sich als Maximierung oder Minimierung unter Nebenbedingungen dar. Diese sind zwar praktikabel, erfordern jedoch gut strukturierte Entscheidungssituationen. Solche sind in der Kommunikation allenfalls bei Themen wie der quantitativen Mediaplanung gegeben, ansonsten dominieren jedoch schlecht strukturierte Situationen, also solche, die durch Intransparenz, Volatilität und mangelnde Konkretisierung gekennzeichnet sind. Die Optimierung erfordert Marginalbetrachtungen (Differenzialrechnung), die wiederum die Formulierung funktionaler Zusammenhänge / Abhängigkeiten voraussetzen. Diese sind real jedoch nicht-linear, probabilistisch und unstetig, so dass dieses Unterfangen rasch scheitert. Satisfaktionsziele geben einen zufriedenstellenden Grad der Zielerreichung vor (von – bis). Dies ist die real wohl verbreitetste Zielform. Das Unternehmen definiert ein für sich zufrieden stellendes Zielniveau und sieht dessen Erreichung als ausreichend an. Dies erfordert eine Selbstbeschränkung, die in kapitalistischen Wirtschaftssystemen nur schwierig durchsetzbar ist. Innerhalb des Zielkorridors ist es daher legitim, das Satisfaktionsniveau am oberen Ende der Spannbreite anzusetzen. Fixationsziele betreffen als Vorgabe eines definierten relativen Zielerreichungsgrads oder einer definierten absoluten Zielerreichung. Dabei wird ein bestimmtes Ziel angestrebt, das unter Vermeidung von Streuungen möglichst exakt zu treffen ist, also weder bewusst zu konservativ, noch bewusst zu optimistisch formuliert ist (dies ist etwa die Basis für Ad-hoc-Mitteilungen börsennotierter Unternehmen). Dadurch wird die Planung allgemein erleichtert. Zugleich bestimmt sich daraus der Zielmaßstab als Messgröße für die Zieleinhaltung. Dabei handelt es sich um zweckmäßig abgegrenzte, aber schwierig messbare Wert- oder Mengengrößen wie Umsatz, Gewinn, Rendite, Cashflow o. Ä. Zumeist wird im Marketing mit Umsatzzielen gearbeitet. Diese sagen jedoch kaum etwas über die Profitabilität aus. Gewinnziele sind aus mehreren Gründen problematisch. Erstens ist der operative Gewinn vom bilanziell ausgewiesenen Gewinn zu unterscheiden, zweitens diffundiert dadurch die Kenntnis über die Gewinnhöhe, drittens wird der Gewinn durch die zu planenden Aktivitäten gerade beeinflusst, statt unabhängige Variable zu sein.

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5.1.2.5 Vertikale Einordnung Kommunikationsziele sind vertikal eingebettet in eine Zielhierarchie, die sich mit abnehmendem Anteil der Disposition und zunehmendem Anteil der Exekution der betrieblichen Tätigkeiten systematisch aufbaut durch: • Oberziele des Unternehmens, normalerweise die Unternehmensbestandserhaltung, • Bereichsziele einzelner Funktions(-haupt-)Abteilungen wie etwa im Marketing die Umsatzkonsolidierung, • Aktionsziele einzelner Produkt-Markt-Kombinationen wie bei einzelnen Divisions die Marktanteilserhöhung, • Unterziele einzelner Instrumente wie etwa die Produktaktualisierung durch Werbemaßnahmen. Kommunikationsziele sind also nicht unabhängig zu betrachten, sondern leiten sich ihrerseits als Unterziele aus übergeordneten Zielsetzungen ab. Umgekehrt dient ihre Erreichung auch der Erreichung übergeordneter Ziele des Unternehmens. Diese betreffen etwa Angebotsleistung, Marktstellung, Rentabilität, Finanzwirtschaft, Sozialverantwortung und Prestigeförderung. Es ist weitgehend unbestimmt, inwieweit Marketing zu deren Erreichung beiträgt. Dies kommt schon im von Henry Ford überlieferten Satz: „Ich weiß, die Hälfte meiner Werbung ist hinausgeworfenes Geld. Ich weiß nur nicht, welche Hälfte.“ zum Ausdruck. Daraus folgt, dass viele Unternehmen Werbung als „Schönwetteranlage“ ansehen, denn als überlebensnotwendige Investition. Selbst dann stellt sich die Frage nach einer angemessenen Dotierung von Werbemaßnahmen. Zugleich bestimmt sich daraus die Zieleinheit, die für die Erreichung der jeweiligen Ziele zuständig ist. Dabei handelt es sich abstrakt gesehen um eine Stelle, konkret gesehen um den Stelleninhaber, an den sich eine Zielformulierung richtet. Wie sich dies konkret darstellt, dafür ist die Aufbauorganisation des Unternehmens bedeutsam. 5.1.2.6 Horizontale Einordnung Hinsichtlich der Beziehung der Kommunikationsziele zueinander ergeben sich folgende Möglichkeiten. Zielidentität bedeutet, dass zwei oder mehr Ziele gemeinsam dasselbe Ergebnis verfolgen. Dies ist in der Wirtschaftsrealität weitaus seltener gegeben als angenommen. Vielmehr wird häufig eine solche Identität konstruiert. Ein Beispiel ist das Postulat des „Shareholder Value“, das geeignet sein soll, zugleich allen anderen Interessengruppen zu dienen, was zumindest kurz- und mittelfristig nicht gelten kann. Die Zielplanung ist in diesem Fall überschaubar. Zielharmonie bedeutet, dass zwei oder mehr Ziele Ergebnisse verfolgen, die zueinander in einem komplementären Verhältnis stehen. Das heißt, die Erreichung

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eines Ziels unterstützt die eines oder mehrerer anderer. Fraglich ist dabei, ob dies wechselseitig / zirkulär gilt oder nur in einer Richtung. Werbeziele sind im Regelfall harmonisch zu Absatzzielen, nicht aber immer auch umgekehrt. Bei den Kommunikationszielen geht es dann allenfalls um die Akzentsetzung. Zielneutralität liegt vor, wenn zwei oder mehr Ziele verbundene Ergebnisse verfolgen, die sich gegenseitig aber weder begünstigen noch beeinträchtigen. In engmaschig verzahnten, vielschichtigen Interaktionen im Unternehmen ist eine solche Relation sehr selten, da letztlich „alles mit allem“ einseitig oder wechselseitig in Verbindung steht. Wäre Neutralität gegeben, könnten Einzelziele losgelöst von anderen geplant werden. Zielindifferenz liegt vor, wenn zwei oder mehr Ziele unverbundene Ergebnisse verfolgen, die voneinander völlig unabhängig sind. Auch diese Relation ist praktisch sehr selten, da jede Zielerreichung immer auch Sekundär- und Tertiäreffekte auf andere Ziele hat, die im Vorhinein kaum abschätzbar und daher nur schwer einplanbar sind. Auch in diesem Fall wäre eine Zielplanung überschaubar. Zielkonflikt bedeutet, dass zwei oder mehr Ziele Ergebnisse verfolgen, die in substitutivem Verhältnis zueinander stehen und zwischen denen ein Kompromiss angestrebt werden sollte. Dies ist real wohl der häufigste Fall. Dabei behindert die Erreichung eines Ziels zugleich die eines oder mehrerer anderer. Dabei ist dann eine Prioritätensetzung zugunsten des einen oder des anderen Ziels erforderlich. Zielantinomie bedeutet, dass zwei oder mehr Ziele sich vom Ergebnis her gegenseitig ausschließen und als Antipoden anzusehen sind. Dies ist in der Wirtschaftsrealität durchaus selten, gegeben. Ein legendäres Beispiel aus der politischen Werbung ist der Adenauer-Wahlkampfslogan: „Freiheit statt Sozialismus“, also Individualität vs. Zentralsteuerung. In einem solchen Fall ist „klare Kante“ erforderlich. Kommunikation steht hinsichtlich der Zielerreichung intern in Konkurrenz zu anderen betrieblichen Teilfunktionen. Allerdings haben sich viele marktorientierte Unternehmen für einen Primat des Marketing als Engpass des Unternehmenserfolgs entschieden und räumen Marketingzielen daher Priorität ein. 5.1.2.7 Zeitgeltungsbezug Hierbei lassen sich unterscheiden: • kurzfristige, operative Ziele mit einer Laufzeit von bis zu einem Jahr, • mittelfristige, taktische Ziele mit einer Laufzeit von einem bis zu drei bzw. fünf Jahren, • langfristige, strategische Ziele mit einer Laufzeit von drei bzw. fünf bis zu dreißig Jahren.

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Operative Ziele betreffen meist die optimale Nutzung vorhandener Leistungspotenziale, in der Kommunikation also z. B. Ziele der Mediaplanung. Taktische Ziele betreffen die Veränderung dieser Leistungspotenziale, in der Kommunikation z. B. die Integration von Online-Medien in die Planung. Und strategische Ziele betreffen die Schaffung neuer Leistungspotenziale, z. B. die Umpositionierung eines bestehenden Angebots. Je höher Ziele innerhalb der Hierarchie eingeordnet sind, desto länger ist ihr Planungshorizont. Der Verbund mehrerer Ziele ist dabei möglich. Außerdem kann der Zeitbezug sich auch auf einen Zeitpunkt, meist Deadline, beziehen. Bis dahin ist ein Ziel zu erreichen und die Mittelausstattung ist so zu wählen, dass dies objektiv möglich und subjektiv auch umsetzbar ist. Der Zeitbezug gewinnt zunehmend an Bedeutung, da die Wirtschaft vor allem durch Prozessbeschleunigung gekennzeichnet ist. Gewinner ist weniger, wer die beste Lösung am Markt bereitstellt, sondern wer eine zureichend gute Lösung als erster mit notwendiger Marktabdeckung bereitstellen kann (z. B. MS Windows). Wettbewerb besteht daher im gegenseitigen Überholen der Marktakteure, wobei tradierte Branchengrenzen durch Newcomer aufgemischt werden („New Game“), welche eine hohe Geschwindigkeit aus ihrem Stammmarkt mitbringen und auf den Zielmarkt übertragen (z. B. Tesla / E-Automobilität, Google / autonomes Fahren). Dem steht gegenüber, dass Werbung selten punktuell wirkt, sondern sich erst über mittlere Zeitabläufe entfaltet. Daher entsteht eine Tendenz zu aktionalen Maßnahmen, die sich rasch wechselnd veränderten Marktbedingungen anpassen, ohne dabei die Konsistenz eines Absenderprofils zu erreichen. Die Folge ist Diffusität. 5.1.2.8 Raumgeltungsbezug Hierbei ist zu unterscheiden in intranationale und internationale Ziele. Intranationale Ziele gelten nur innerhalb der Landesgrenzen des Sitzes des Unternehmens, internationale gelten über Landesgrenzen hinweg. Eine weitere Verfeinerung ergibt sich, wenn man den intranationalen Geltungsbereich unterteilt nach: • lokal, also als unmittelbares räumliches Einzugsgebiet, dies ist etwa für den Einzelhandel bedeutsam, • regional, also als Nielsen-Gebiete o. Ä., • national, also innerhalb von Nationalstaatsgrenzen. Sowie den Geltungsbereich internationaler Ziele unterteilt nach (Perlmutter): • ethnozentrisch, also ausgehend vom Stammland, • polyzentrisch, also ausgehend vom Gastland, • regiozentrisch, also ausgehend von einem Wirtschaftsraum, • geozentrisch, also globalorientiert.

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Durch die Integration der Wirtschaftsräume verlieren nationale Ziele zugunsten internationaler immer mehr an Bedeutung. Diese Ziele sind dabei konzeptionell gleichmäßig raumabdeckend, indem alle Zielgebiete gleichrangig behandelt werden, räumlich verdichtet, indem einzelne Zielgebiete bevorzugt werden, andere hingegen vernachlässigt, oder punktuell konzentriert, indem nur ein Teilgebiet abgedeckt wird. Eine exakte Formulierung der Ziele ist notwendige Voraussetzung für die operationale Zielerreichung. Eine solche Zielformulierung enthält somit die folgenden Elemente: • Inhalt ökonomischer und psychografischer Art, • Gewichtung, damit erkennbar wird, mit welcher Intensität das betreffende Ziel anzuvisieren ist, • Richtung, in welche die Zielgröße bewegt werden soll, • Ausmaß als angestrebte Ausformung des Zielerreichungsgrades, • Vertikale Einordnung, damit erkennbar wird, wo innerhalb einer Unternehmenshierarchie eine Zielformulierung angesiedelt ist, • Horizontale Einordnung, um komplementäre, konfliktäre und isolierte Beziehungen zu anderen Zielen der gleichen Ebene deutlich zu machen, • Zeitbezug, damit erkennbar wird, innerhalb welcher Zeitspanne das betreffende Ziel angestrebt wird, • Raumbezug, für welche die Zielformulierung Gültigkeit haben soll.

5.2 Kommunikationsbudgetierung Budgetierung ist allgemein die Umsetzung von Plänen in eine Menge von Geldwerten für die nächsten Perioden durch Gegenüberstellung der erwarteten Einnahmen und Ausgaben, die einem organisatorischen Verantwortungsbereich für einen bestimmten Zeitraum verbindlich zur Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben in eigener Verantwortung zur Verfügung gestellt wird. Das Budget ist somit ein fixierter, in Geldeinheiten bewerteter Plan, der einem Verantwortungsbereich für eine Periode verbindlich zur Verfügung gestellt wird und dadurch dessen Handlungsrahmen vorgibt. Dem Budget kommen verschiedene Funktionen zu: • Das Budget hat eine Orientierungsfunktion für den Verantwortungsträger, indem es ihm einen Ressourcenrahmen vorgibt. • Es hat eine Ermächtigungsfunktion zur Disposition über die zugewiesenen finanziellen Mittel.

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• Ihm kommt eine Motivationsfunktion zu mit diesen Mitteln die vorgegebenen Ziele zu erreichen. • Es übernimmt die Koordinationsfunktion zur Zuteilung knapper Ressourcen auf einzelne Einheiten des gesamten Unternehmens. • Und das Budget hat Kontrollfunktion durch laufenden Soll-Ist-Abgleich zur Mitteleinhaltung und Zielerreichung. Für die Budgetierung können verschiedenste Techniken eingesetzt werden. Dabei lassen sich zwei große Gruppen unterscheiden, erstens Techniken, welche die Budgethöhe modellgestützt von der Erreichung der Kommunikationsziele abhängig sehen wollen, bzw. solche, welche die Budgethöhe auf Erfahrung basierend bestimmen. Und zweitens Techniken, welche die Bestimmung der Budgethöhe von einem einzigen Einflussfaktor abhängig machen bzw. solche, die diese von mehr als einem Einflussfaktor abhängig sehen. Nimmt man diese beiden Dimensionen mit je zwei Unterteilungen, so ergeben sich: • Erfahrungsbasierte, monovariable Budgetierungstechniken (5.2.1), • Erfahrungsbasierte, polyvariable Budgetierungstechniken (5.2.2), • Modellgestützte, monovariable Budgetierungstechniken (5.2.4), • Modellgestützte, polyvariable Budgetierungstechniken (5.2.5).

Abbildung III/54: Alternative Budgetierungstechniken

Erfahrungsbasierte Techniken beruhen also auf Heuristiken, modellgestützte auf Algorithmen. Monovariable Techniken gehen von einem Einflussfaktor aus,

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polyvariable von mehreren Einflussfaktoren (siehe Abbildung III/54: Alternative Budgetierungstechniken). Bei den erfahrungsbasierten, monovariablen Budgetierungstechniken handelt es sich vor allem um Ergebnisanteil, nach Umsatz / Absatz, als Fixbetrag, als Ziel-Mittel-Maßstab und nach Konkurrenz.

5.2.1 Erfahrungsbasierte, monovariable Budgetierungstechniken Hierbei handelt es sich überwiegend um nicht-modellgestützte sog. Praktiker­ verfahren (Heuristiken). Diese haben sich in der Praxis als leicht durchführbar und unkompliziert zu ermitteln erwiesen. Dies gilt vor allem für die konkurrenzabhängige Budgetierung.

5.2.1.1 Ergebnisanteil Beim Ergebnisanteil wird ein Prozentsatz von Unternehmenserfolgsgrößen, vor allem Gewinn, ROI und Cashflow, für Werbemaßnahmen aufgewandt. Zum Beispiel kann definiert werden, dass im Folgejahr 5 % des Vorjahresgewinns für Werbung aufgewendet werden. In einigen Branchen liegt dieser Wert real bei 20 % und mehr, etwa dekorative Kosmetik, Parfüm, Tiernahrung. Insofern ist die Kritik, dass Werbung Produkte letztlich verteuert, nicht so ohne Weiteres von der Hand zu weisen. Daraus folgt ein prozyklischer Verlauf, der so gar nicht zum theoretisch immer wieder postulierten, antizyklischen Verlauf des Kommunikationsbudgets passt, der absatzbelebend in der Rezession und nachfragedämpfend im Boom wirkt. Dieses Ansinnen scheitert jedoch regelmäßig an der Realität, bei der in der Rezession nun einmal nicht genügend Geldmittel bereit stehen, um intensiv zu werben, und bei der es im Boom leichtfällt, ausreichendes Werbebudget locker zu machen. Vorteile dieses Verfahrens liegen in der Einfachheit der Berechnung und darin, dass dieses im Übrigen dem Prinzip kaufmännischer Vorsicht entspricht. Nachteilig ist zweifellos dieser prozyklische Werbeverlauf. Außerdem wird die Kausalität von Input und Output kurzerhand auf den Kopf gestellt.

5.2.1.2 Umsatz / Absatz Die Wahl dieser Per Unit-Bezugsgröße bedeutet die Orientierung an der zukünftig geplanten oder in der Vergangenheit realisierten Absatzmenge bzw. Betrag je Einheit durch Umlage des Kommunikationsbudgets auf die abgesetzte Stückzahl. Zum Beispiel kann definiert werden, dass im Folgejahr je im Vorjahr verkaufter Einheit X € für Werbung aufgewendet werden. Bei Pkw kann dieser Wert real

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Größen von mehreren Hundert Euro ausmachen, insb. wenn es sich um Nischenanbieter handelt. Zudem ist der Mix der Produkte im Programm zu beachten, dort sind meist einige Produkte tragfähiger als andere. In der Realität werden hier recht hohe Beträge je Einheit für Werbemaßnahmen ausgewiesen. Allerdings nivelliert die Zuschlagskalkulation die unterschiedliche Kostentragfähigkeit von Produkten und diese geraten mit zunehmender finanzieller Belastung an die Preisbereitschaftsgrenzen der Nachfrage. Die einfache Berechnung stellt wohl den einzigen Vorteil dar. Inhaltlich erfolgt jedoch eine Kausalitätsumkehr, der Output / Absatz bestimmt den Input / Werbebudget. Darüber hinaus besteht immer noch Ungewissheit über den angemessenen Werbebetrag je Erzeugniseinheit, der u. a. von der Kostentragfähigkeit abhängt.

5.2.1.3 Fixbetrag Wird ein definierter Geldbetrag für Werbung zur Verfügung gestellt, spricht man in diesem Zusammenhang von Fixbetrag. Zum Beispiel kann definiert werden, dass 100.000 € für Werbung aufgewendet werden. Dieser Ansatz ist dann unabhängig von Vergangenheits- oder Zukunftswerten. Dabei ist noch die Aufteilung dieses Betrags in Medienkosten und Vorkosten festzulegen sowie die Aufteilung auf verschiedene Kommunikationsinstrumente, bei denen Medien- und Vorkosten sehr verschieden anfallen. Dies geschieht meist durch diskretionäre Reservierung eines bestimmten Budgetanteils für Werbemaßnahmen innerhalb des Gesamtbudgets. Die Gefahr besteht bei nicht rechtzeitiger Infragestellung vor allem darin, dass dieser Betrag nicht mehr veränderbar ist, sobald er erst einmal die einschlägigen Gremien passiert hat. Von daher ist dies eine unbefriedigende Situation. Von Vorteil ist wohl die Einfachheit der Zuweisung. Nachteilig zu werten ist allerdings, dass kein sachlich begründeter Zusammenhang zwischen Kommunikationsbudget und Bezugsgröße besteht. Zudem schwankt das Kommunikationsbudget im Zeitablauf etwa nach Lebenszyklusphase oder Konkurrenzintensität.

5.2.1.4 Ziel-Mittel-Maßstab Beim Ziel-Aufgaben-Maßstab (Objective-Task) bemisst sich das Kommunikationsbudget nach den angestrebten Zielen. Dies scheitert meist schon daran, dass die Erfolgswirkungen von Werbemaßnahmen nur schwer prognostizierbar sind. Wenn aber Wirkzusammenhänge fehlen, kann auch kein valider finanzieller ZielMittel-Bezug hergestellt werden. Allerdings wird diese Methode in der Theorie präferiert. Vordergründig mag zwar ein plausibler Bezug bestehen. Hintergründig können die zur Erreichung bestimmter Kommunikationsziele notwendigen

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Mittel jedoch wegen anfälliger Werbeerfolgsmessung nicht zuverlässig quantifiziert werden. Außerdem erfolgt keine angemessene Berücksichtigung der Finanz­ mittelsituation im Unternehmen. In diesem Fall werden zunächst die erforderlichen Kommunikationsaktivitäten bestimmt. Diese werden dann quantifiziert und mit einzelnen Kostensätzen versehen. Aus dem Mengengerüst entsteht somit ein Wertgerüst. Die Summe dieser Werte ergibt dann das für erforderlich angesehene Werbebudget.

5.2.1.5 Konkurrenzabhängige Budgetierung Der Wettbewerbsmaßstab (Competitive Parity) sieht vor, dass das eigene Kommunikationsbudget in Abhängigkeit von Wettbewerbswerbeaufwendungen fixiert wird. Dies entspricht dem Share of Advertising / SoA. Dies ist die in der Praxis von Markenartiklern mit Abstand am häufigsten angewandte Methode. Dahinter steht jedoch die Hypothese, dass man Markterfolg quasi über Kommunikationsbudget „kaufen“ kann, denn entsprechende Diagramme suggerieren einen validen Zusammenhang zwischen beiden Größen. Dies ist jedoch, leider oder glücklicherweise, nicht der Fall. Denn die anderen Input-Instrumente wirken ebenso auf den Output ein wie die Werbung. Tatsächlich führt diese falsche Fixierung dann zu spiralförmig steigenden Werbeaufwendungen, weil jeder Anbieter den Wettbewerbsmaßstab der Vorperiode übertreffen will und vom Mitbewerb seinerseits in der Folgeperiode übertroffen wird. Dies ist einer der wesentlichen Gründe für die rasant steigenden branchenweiten Werbeaufwendungen und spiegelt sich in der Realität der Werbung, wobei Menge oft Qualität zu ersetzen scheint. Es gibt aber ebenso Produkte, die gänzlich ohne Medienwerbung groß geworden sind wie Ryanair, Fisherman’s Friend oder Zara, wie auch solche, die trotz massiver Medienwerbung gefloppt sind. Auf jeden Fall können somit Wettbewerbswerbeanstrengungen neutralisiert werden. Zudem erfolgt ein produktiver Mitteleinsatz durch die Wahl einer sachgerechten Bezugsbasis. Allerdings ist die Datenermittlung in der Werbestatistik oft schwierig, zumindest aber kostspielig. Zum Beispiel kann definiert werden, dass der eigene Werbeanteil am gesamten Branchenbudget 20 % entsprechen soll. Dabei bleibt allerdings die Marktbedeutung der Konkurrenten außer acht. Um operational zu wirken, müsste dieser Budgetansatz in Relation zu deren Stellenwert gesetzt werden. Außerdem ist nicht der relative Budgetanteil wichtig, sondern der Werbedruckanteil, der sich aus der Wahl und Güte der Kommunikationsinstrumente ergibt. Denkbar und durchaus sinnvoll ist auch der Bezug der eigenen auf die gesamte Werbung am Markt (Share of Noise / SoN), denn auf die eigenen Zielpersonen wirkt nicht nur der Werbedruck der Konkurrenz, sondern mindestens der aller

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werbenden Anbieter am Markt insgesamt ein und dagegen gilt es, sich erst einmal durchzusetzen. Daraus folgend kann geklärt werden, wie hoch eine Werbeinvestition sein soll, um eine Marktanteilssteigerung von x Prozent zu erreichen. Als Antezedens­ bedingungen werden genannt, dass der Werbeerfolg vom Ausmaß und der Qualität der eigenen Werbeanstrengungen und denen der Konkurrenz abhängig ist. Die relative Wirksamkeit der eigenen Werbeanstrengungen wird durch einen Quotienten ausgedrückt: eigene Werbeausgaben × Konkurrenzwerbeausgaben Q =                         eigener Umsatz × Konkurrenzumsatz Die Berechnung erfolgt durch Auswertung historischer Umsatzentwicklungen, Werbeausgaben und Marktanteilsverschiebungen während acht Jahren als logarith­ misch-lineare Regressionsfunktion. Bei Q > 1 steigt c. p. der eigene Marktanteil, bei Q < 1 sinkt er. Dieser Ansatz geht vom impliziten Ziel der Marktanteilssteigerung aus. Darin liegt allerdings kaum eine zu verallgemeinernde Zielsetzung, denn eine übermäßige Steigerung des Marktanteils muss evtl. durch überhöhte Werbeaufwendungen mit sinkenden Gewinnen erkauft werden. Für eine Gewinnmaximierung müsste daher der Punkt bekannt sein, bis zu dem es sich lohnt, den Marktanteil durch verstärkte Werbung auszudehnen. Dies wird jedoch nicht expliziert. Die Wirkung der anderen Marketinginstrumente wird vernachlässigt, dabei wird mutig unterstellt, dass der Umsatz der Vergangenheit allein der Werbung zuzurechnen ist. Die Schätzung des Umsatzes und der Werbeausgaben der Konkurrenz unterliegt zwangsläufig großen Unsicherheiten. Immerhin werden Konkurrenten berücksichtigt, nicht jedoch zeitliche Überstrahlungseffekte der Werbung. Insofern handelt es sich um ein statisches Modell. Ebenso bleiben alle Rahmenbedingungen außer der Konkurrenz unberücksichtigt. Die Qualität der Budgetentscheidung hängt zudem von der Schätzung der Modellvariablen ab. Vor allem ist fraglich, ob Erfahrungswerte der Vergangenheit in einem sich schnell wandelnden Umfeld ohne Weiteres auf die Zukunft übertragen werden können. 5.2.2 Erfahrungsbasierte, polyvariable Budgetierungstechniken Bei den erfahrungsbasierten, polyvariablen Budgetierungstechniken handelt es sich vor allem um Restwert, Fortschreibung, Makrogrößen und die Ansätze nach ADBUDG und Kuehn. Diese werden im Folgenden kurz ausgeführt.

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5.2.2.1 Restwert Beim Restwert („All you can afford“) wird nach Verplanung aller verfügbaren Finanzmittel in Untersuchungen ein dann evtl. noch verbleibender, liquiditätsbezogener Restbetrag Werbemaßnahmen gewidmet. Dies ist eine unbefriedigende Form der Bemessung. Sie ist vor allem bei Unternehmen anzutreffen, die in der Marketingdenkhaltung noch nicht fest verankert sind und daher den Stellenwert der Kommunikation zu gering schätzen. Denn darin kommt eine mindere Bedeutung der Werbung gegenüber anderen Investitionen im Unternehmen zum Ausdruck. Tatsächlich aber ist die Investition in Kundengewinnung und -bindung als die wertvollste überhaupt anzusehen. Vorteile sind die Einfachheit in der Bemessung und die Sicherstellung der Finanzierbarkeit / Liquidität. Nachteile sind die fehlende strategische Zielorientierung, die fehlende Berücksichtigung der Markt-, Wettbewerbs- und Nachfragebedingungen, die fehlende Kontinuität bei Liquiditätsschwankungen, eine prozyklische Wirkung (vor allem bei Krisen) und die Ausblendung der Kostensituation. Vor allem gibt es keinen begründbaren Zusammenhang zwischen Kommunikationsziel und Finanzmitteleinsatz. Umfragen ergeben immer wieder, dass ein großer Anteil der Unternehmen ihr Werbebudget auf diese Weise dotiert. Zu vermuten ist, dass der reale Anteil noch höher liegt, da stattdessen „intelligenter“ klingende Ansätze genannt werden. 5.2.2.2 Fortschreibung Fortschreibung bedeutet, dass das wie immer auch zustande gekommene Kommunikationsbudget der Vorperiode weitergeführt wird. Dabei werden Größen wie Tarifpreissteigerung der Medien oder projektiertes Unternehmenswachstum zugrunde gelegt, um die reale Kaufkraft bzw. Budgetbedeutung zu erhalten. Tatsächlich ist damit aber Unwirtschaftlichkeit festgeschrieben, die spätestens mit der Gemeinkostenwertanalyse / OVA oder der Nullbasis­ budgetierung / ZBB in Frage gestellt wird. Vorteile sind die einfache Handhabung, die Sicherstellung der Kontinuität und die Möglichkeit zur Adjustierung des Werbebudgets durch Indexierung. Nachteile sind die fehlende strategische Zielorien­ tierung, die nur eingeschränkte Berücksichtigung externer Einflussfaktoren und die rein vergangenheitsorientierte Sicht. Außerdem ist die Bemessung nicht verursachungsgerecht und bestehende Budgetverhältnisse werden zementiert, unabhängig davon, ob diese aktuell noch gerechtfertigt sind oder nicht. So kann „Schlendrian“ fortgeschrieben werden. Zum Beispiel kann definiert werden, dass das Werbebudget im Folgejahr sich mit der Preissteigerungsrate des dominanten Mediums TV im Vorjahr verändert. Auf diese Weise kann zumindest mit der Werbedruckentwicklung Schritt gehalten werden, allerdings lassen sich dadurch auch keine werblich-bedingten Positionsvorsprünge herausarbeiten.

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5.2.2.3 Makrogrößen Dabei werden überbetriebliche Bezüge wie Branchenwachstumsindex, Inflationsrate oder Bruttosozialproduktveränderung hergestellt. Dadurch werden bei überdurchschnittlichen Erfolgspositionen eines Unternehmens allerdings leicht individuelle Marktchancen verpasst, wenn die aggregierten Größen Zurückhaltung signalisieren. Und umgekehrt bei unterdurchschnittlichen Erfolgspositionen Mittel gebunden, wenn die aggregierten Größen Engagement signalisieren. Als Vorteil ist die hinlänglich einfache Feststellung zu werten, als Nachteil die Tatsache, dass es sich um Vergangenheitswerte / Zukunftsschätzungen handelt und dabei keine Berücksichtigung der unternehmensindividuellen Situation stattfindet. Zum Beispiel kann definiert werden, dass das Werbebudget im Folgejahr sich mit der Branchenwachstumsrate des Vorjahrs positiv oder negativ verändert. Auf diese Weise kann zumindest die Konkurrenzentwicklung neutralisiert werden. Angesichts des Verdrängungswettbewerbs der meisten Branchen bei weithin gesättigter Märkte ist dies dennoch problematisch.

5.2.2.4 ADBUDG-Ansatz Der computergestützte ADBUDG-Ansatz / Little folgt dem Decision calculusAnsatz, der Marktanteilsveränderungen in Abhängigkeit vom Werbeaufwand simuliert. Dabei wird eine s-förmige, also ertragsgesetzliche Wirkungsfunktion unterstellt. Als Dateninput sind für die Simulation vier Informationen erforderlich: • der Marktanteil, der sich ergibt, bei dem der Werbeaufwand in der Periode den Wert Null annimmt, • derjenige Marktanteil, der die Sättigungsmenge darstellt und erst bei extrem hohem Werbeaufwand erreicht wird, • derjenige Werbeaufwand, der zur Erhaltung des bisherigen Marktanteils notwendig ist, ­ rhaltungsaufwands • derjenige Marktanteil, der durch eine 50 %-ige Erhöhung des E erreicht werden kann. Diese Daten müssen, sofern nicht bereits vorliegend, qualifiziert geschätzt werden. Außerdem können Carry-over-(Zeitübertragungs-)Effekte durch Erweiterung des Ansatzes berücksichtigt werden, ebenso wie eine Variation der Werbeträgerqualität, der Qualität der Kommunikationsbotschaft und der Wirkung anderer Marketinginstrumente als der Kommunikation. Allerdings basieren alle Ergebnisse damit letztlich auf subjektiver Schätzung, da davon auszugehen ist, dass objektive Daten als Input nicht verfügbar sind. Insofern sind erhebliche Verzerrungsgefahren gegeben. Weiterhin wird der Markt­

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anteil in diesem Modell als alleiniges Kommunikationsziel unterstellt, was praktisch sicherlich zu kurz greift. 5.2.2.5 Kuehn-Ansatz Der von Kuehn entwickelte Ansatz basiert auf einer Entscheidungsregel, die auf Basis von Markoff-Ketten die Summe aller gegenwärtigen und zukünftigen, diskontierten Gewinne hinsichtlich des gegenwärtigen Budgets maximiert. Die Umsätze einer Periode kommen danach durch Käufer der Vorperiode zustande, die mit Sicherheit die eigene Marke wieder kaufen, und dem Anteil aller potenziellen Markenwechsler, die sich durch den Einsatz des gesamten absatzpolitischen Instrumentariums der Branche für eine Marke entscheiden. Sind Vertrieb und Regalplatz sowie Attraktivität und Preis der eigenen Marke konkurrenzfähig und besteht eine konstante und für alle Marken gleiche Abgangsrate an Kunden, so besteht der Absatz einer Periode aus den markenloyalen Kunden der Vorperiode, den attrahierten neuen Kunden durch den Marketing-Mix des Unternehmens und aus den Interaktionseffekten aller Marketing-Mixes inkl. Werbung. Unter Berücksichtigung einer Marktwachstumsrate mit Gewinnmaximierung als Zielfunktion und einer Werbekostenfunktion kann so zumindest theoretisch das optimale Werbebudget ermittelt werden. Es ist c. p. umso höher, je höher die Werbeausgaben der Konkurrenten sind, je höher die Gewinnspanne vor Werbung des Unternehmens ist, je höher der Gesamtumsatz der Branche ist, je höher der Anteil illoyaler KonkurrenzmarkenKäufer bzw. loyaler Käufer der eigenen Marke ist, je geringer die Werbekosten in Relation zu anderen Investitionen sind sowie je höher die Werbewirksamkeit ist. 5.2.3 Kritik erfahrungsbasierter Budgetierungstechniken In der Praxis dürfte eindeutig die Bestimmungsgrundlage in Prozent vom Planumsatz dominieren. Weit verbreitet sind noch die Ziel-Mittel-Methode und die konkurrenzorientierte Methode. Wenig angewendet werden die Bestimmung als Prozentsatz vom Gewinn, die „All you can afford“-Methode und die Bemessung als Werbeaufwand je Stück. Ersatzweise kommt auch der Bezug zum Vorjahresbudget zur Anwendung. Einige dieser Verfahren unterliegen, wie ausgeführt, vor allem der Gefahr einer prozyklisch orientierten Budgetierung und eines logischen Zirkelschlusses. Vielfach fehlt ein analytischer Zusammenhang zwischen der Marketingkommunikation als Inputgröße und der Outputgröße des Verfahrens. So ist der Gewinn von zahlreichen anderen Faktoren mehr abhängig als von Werbemaßnahmen, vor allem von den Kosten. Gleiches gilt für den Deckungsbeitrag, der ebenso wesentlich von den Kosten beeinflusst wird. Auch Absatzmenge und Umsatzwert sind von zahlreichen ande-

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ren Faktoren abhängig, die außerhalb der Kommunikation verursacht sind, denn Werbung verkauft nicht, sondern hilft bekanntlich nur verkaufen. Insofern besteht die Gefahr der Fehlallokation des Budgets, auf jeden Fall aber dürfte das Optimum der Werbebudgethöhe auf diese Weise mehr oder minder weit verfehlt werden. Auch der reine Konkurrenzbezug führt fehl, ist doch der Erfolg der Konkurrenz ebenso von vielfältigen anderen Größen abhängig als den Werbemaßnahmen wie das beim eigenen Unternehmen auch der Fall ist. Die Bestimmung eines fixen Geldbetrags ist ebenso wenig zweckdienlich wie eine Ziel-Mittel -Sicht, die eine bekannte, funktionale Verbindung zwischen Kommunikationsinput und Solloutput unterstellt. Die Angaben sind meist recht grob und vereinfacht. Beispielsweise werden keine Wirkungsverzögerungseffekte als direkte Carry-over-Effekte oder Wirkungsübertragungseffekte als indirekte Carry-over-Effekte berücksichtigt. Ebenso bleiben zeitliche Wirkungsverbünde in Form von Marktwiderständen unberücksichtigt.

5.2.4 Modellgestützte, monovariable Budgetierungstechniken Bei den modellgestützten, monovariablen Budgetierungstechniken handelt es sich vor allem um die Modelle von Little, Koyck, SoA / SoM und Kapitalwert. Ein Modell ist allgemein ein strukturiertes und abstrahiertes Abbild eines oder mehrerer Ausschnitte der Realität zum Zweck der verbesserten Problemlösung. Hier handelt es sich um das Problem des Finanzmitteleinsatzes für Werbemaßnahmen.

5.2.4.1 Little-Modell Little versucht, bezogen auf ein bestimmtes Unternehmen in einer bestimmten Marktsituation dessen Werbereaktionsfunktion zu ermitteln. Begonnen wird mit einer Schätzung dieser Funktion, zweckmäßigerweise als konkave oder s-förmige Funktion. Das sich daraus ergebende Budget wird in der Periode t auf einem Testmarkt investiert. Auf einem ersten Kontrollmarkt wird für Werbung weniger Geld ausgegeben als Low-spending-Test, auf einem zweiten Kontrollmarkt mehr Geld als High-spending-Test. Die dabei erzielten Umsätze auf den Teilmärkten geben Aufschluss über die Werbeeffizienz. Für die nächste Werbeperiode steht nun die durch Erfahrung verbesserte Information zur Verfügung. Mit kontinuierlicher Anpassung bildet die Funktion die Werbeeffizienz immer genauer ab, der Budgeteinsatz nähert sich also dem Optimum: S = α + β (t+1) A − σ A2 (Legende: S = Umsatz, A = Werbeausgaben, α, β, σ = Modellparameter, α wird vernachlässigt, σ bleibt konstant, β ist relevant)

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Es handelt sich also um ein mehrstufiges deterministisches Modell. Bei Little werden somit nur Vergangenheitswerte herangezogen und unbesehen in die Zukunft projiziert. Dies versagt dann, wenn plötzliche Änderungen der Konkurrenzaktivitäten oder anderer exogener Marktfaktoren als Diskontinuitäten auftreten. Auch Veränderungen der eigenen absatzpolitischen Aktivitäten führen zu Variationen, die im Modell nicht berücksichtig werden. Es wird ein ertragsgesetzlicher Verlauf der Reaktionskurve angenommen, der weithin unbewiesen bleibt, doch der die marginalanalytische Bestimmung erst ermöglicht. Auch die Konstanthaltung von weiteren Modellparametern ist eine unzulässige Vereinfachung und führt zu Fehlern. Die praktische Durchführbarkeit der Experimente ist wohl nur für große Märkte möglich, da ansonsten eine genügende Abgrenzbarkeit der Wirkungen entfällt. Die Experimentalkonstruktion mit Test- und Kontrollmärkten ist zudem sehr aufwändig wie auch die gesamte Informationsbeschaffung mit hohem Aufwand verbunden ist. Außerdem muss sicher gestellt sein, dass die zugrunde liegenden Annahmen vollständig und realitätsgetreu sind, was eine deterministische Situation anstelle der real stochastischen Situationen erfordert.

5.2.4.2 Koyck-Modell Dieses Modell dient zur dynamischen Werbebudgetierung unter Berücksichtigung eines Timelag der Nachfragereaktion auf Werbeaktivitäten. Es berücksichtigt also den Faktor Zeit. Dabei wird für die Wirkungen des Einsatzes früherer Werbeaufwendungen auf den heutigen Absatz eine geometrische Folge als Funktion angenommen. Zugleich wird ein Grundabsatz unterstellt, der selbst dann anfällt, wenn gar keine Werbemaßnahmen eingesetzt werden. Außerdem wird eine konstante Wiederkaufrate berücksichtigt. Analog zum Timelag ist weiterhin die Berücksichtigung eines Übertragungseffekts der Werbeaufwendungen vergangener Perioden auf die aktuelle Werbeperiode möglich.

5.2.4.3 Share of Advertising / Share of Market-Anteil Unter Share of Advertising / SoA versteht man den Anteil der eigenen Werbeaufwendungen an den gesamten Werbeaufwendungen aller Anbieter am Relevanten Markt. Unter Share of Market / SoM versteht man den Marktanteil des eigenen Unternehmens an diesem Relevanten Markt. Die SoA / SoM-Budgetierungstechnik stellt beide Größen in Relation zueinander. Der eigene Marktanteil als Nenner des Quotienten sollte aus entsprechender Marktforschung bekannt sein wie Nielsen / GfK. Der eigene Werbeanteil als Zähler des Quotienten ist ebenfalls aus entsprechender Marktforschung bekannt oder kann näherungsweise geschätzt werden. Für den Wert des Quotienten ergeben sich prinzipiell zwei Möglichkeiten (siehe Abbildung III/55: SoA / SoM-Relation):

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• SoA / SoM-Werte > l bedeuten, dass der Werbeaufwand bezogen auf den damit erreichten Umsatzanteil überproportional hoch ist, die Werbung also entweder vergleichsweise ineffizient scheint oder aber ein höherer Marktanteil erkauft werden soll. • SoA / SoM-Werte < l bedeuten einen unterproportionalen Werbeaufwand bezogen auf den Umsatzanteil. Dies spricht für besonders effiziente Werbung oder aber freiwillige oder unfreiwillige Preisgabe von Marktanteilen.

Abbildung III/55: Prinzip der SoA/SoM-Relation (Quelle: eig. Darst.)

Allerdings ist dieser Quotient auch abhängig von der Marktposition. So können sich alteingesessene, große Unternehmen sehr oft einen relativ geringen Werbeaufwand leisten, weil die Kompetenz ihrer Marke aus sich heraus akquisitorisch wirkt. Wird diese Markenstärke jedoch nicht kontinuierlich aufgeladen, besteht die Gefahr, dass der Markenkern ausgezehrt wird. Außerdem ist die SoA / SoM-Relation abhängig von der Lebenszyklusphase des beworbenen Produkts. So ist zu Beginn meist überproportionaler Werbeaufwand erforderlich, um dem Produkt eine entsprechende Position am Markt zu erkämpfen. Später kann die relative Medialeistung dann zurückgefahren werden. Außerdem ist für jedes Produkt ein individueller „Marktwiderstand“ gegeben, der dann aber auch für die Konkurrenzprodukte gilt. Dieser resultiert aus dem Werbedruck, der je nach Marktlage erforderlich ist, Umsatz zu generieren. Ist dieser Widerstand hoch, etwa bei verbreiteten FMCGs, hoher Wettbewerbsintensität oder Low Involvement-Produkten, verläuft diese Response-Funktion, grafisch gesehen, steiler et vice versa. Aus der SoA / SoM-Relation lässt sich hochrechnen, wie viel Werbeaufwand als Voraussetzung für die Erreichung eines bestimmten Marktanteils gilt. Praktisch gibt es zwar zahlreiche verzerrende Einflussfaktoren, eine regressionanalytische Abhängigkeit ist jedoch problemlos berechenbar. Statt des Share of Advertising

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III. Planung der Marketingkommunikation

wird oft auch der Share of Voice / SoV als Anteil eines Anbieters am Brutto­ werbedruck des Konkurrenzumfelds verwendet, oder der Share of Mind / SoMi als Anteil eines Anbieters an der Werbebekanntheit innerhalb des Konkurrenzumfelds. Vorteile liegen in der übersichtlichen Handhabbarkeit und der anschaulichen Kennziffer. Nachteile sind die nur komparativ-statische Sichtweise ohne strategische Orientierung, die Vernachlässigung von Carry-over- und Sättigungseffekten. Außerdem wird eine Abhängigkeit suggeriert, die tatsächlich nur einen Zusammenhang darstellt. Allerdings entsteht bei komparativ-statischer Betrachtung eine Inflationierung des Werbeaufwands, ohne dass dem ein zu erwartender Umsatz gegenübersteht. So strebt jeder Anbieter an, über eine Anteilssteigerung am Gesamtwerbeaufwand Umsatzanteil hinzuzugewinnen, was auch kurzfristig gelingen mag. In der nächsten Periode jedoch werden die „Marktbegleiter“ ebenso verfahren, um sich verlorene Marktanteile zurück zu holen. Was auch gelingen mag, aber dazu führt, dass in weithin stationären / gesättigten Märkten der Werbeanteil am Umsatz weiter steigt. Damit sinkt die Werbeeffizienz, d. h., es kostet immer mehr, den im Grundsatz gleichen Umsatz zu erreichen. Eine Situation, die werbeintensive Märkte seit langem kennzeichnet. Insofern kann dies kurzfristig eine sinnvolle Budgetierungstechnik sein, schon mittelfristig geht die Rechnung jedoch nur schwer auf. 5.2.4.4 Kapitalwertmethode Dabei wird von einer langfristigen Überlegung ausgegangen, die Werbeaufwendungen richtigerweise als Investitionen zum Beitrag der Erzielung zukünftiger Umsätze interpretiert. Folglich kann das Werbebudget derart fixiert werden, dass die Differenz zwischen den kumulierten Werbeaufwendungen der Vergangenheit und den dadurch induzierten, kumulierten Erträgen der Zukunft maximiert wird. Als Rechenverfahren bietet sich dafür die Kapitalwertmethode an. Diese kann am Anfangs- oder am Endwert orientiert sein. Beim Endwert werden die vergangenen Werbeaufwendungen dazu auf den gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt aufgezinst, die zukünftig erwarteten Werbeerträge auf diesen gemeinsamen Zeitpunkt abgezinst. Werden alternative Werbeprogramme in ihren Aufwendungen und Erträgen bestimmt und in ihren Auswirkungen rechnerisch dynamisiert, so ist dasjenige Programm als das beste anzusehen, das den höchsten Kapitalwert als Zielgröße aufweist (siehe Abbildung III/56: Kapitalwert-Modell). Äußerst problematisch ist dabei vor allem die Zurechnung zukünftiger Werbeerträge auf vergangene Werbeaufwendungen. Auch ist die Prognose von Ertragsdaten ausgesprochen schwierig, wenngleich in diesem Fall wohl nicht allzu fern in die Zukunft vorgeschaut zu werden braucht.

5. Kommunikationselemente

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Abbildung III/56: Kapitalwert-Modell (Quelle: eig. Darst.)

5.2.5 Modellgestützte, polyvariable Budgetierungstechniken Bei den modellgestützten, polyvariablen Budgetierungstechniken handelt es sich vor allem um die Modelle von Vidale / Wolfe, Fischerkoesen, Dorfman / Steiner und als Optimierungsmodell. 5.2.5.1 Vidale / Wolfe-Modell Vidale / Wolfe führen aufgrund empirischer Analysen den Zusammenhang zwischen Marketingkommunikation als Modellinput und Umsatz als Modelloutput auf drei Parameter zurück, die Umsatzverfallskonstante, die Marktsättigungskonstante und die Reaktionskonstante wie folgt: • Der Umsatzschwund Y ist der Wert, der sich bei Einstellung oder Einschränkung der Werbeaktivitäten ergibt, im Modell als linearer Trend unterstellt, ein hoher Wert bedeutet hier, dass der Umsatz ohne Werbung stark zurückgeht, et vice versa. • Die Sättigungsgrenze M des Marktes gibt an, ab wann trotz werblicher Anstrengungen keine Umsatzzunahmen mehr zu verzeichnen sind. • Die Reaktionskonstante r für das Verhältnis von Umsatzhöhe und Höhe der Werbeausgaben ist definiert als der Umsatzzuwachs, der bei einem Ausgangsumsatz von Null durch eine Geldeinheit Werbeausgaben erzielt wird. Einerseits werden durch Werbung neue Kunden gewonnen, andererseits geht ein konstanter Anteil von Kunden u. a. durch Markenwechsel verloren. Das Werbe-

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III. Planung der Marketingkommunikation

budget B, das den Umsatz U angesichts dessen auf unveränderter Höhe hält, ergibt sich wie folgt (Ut ist dabei die Umsatzausgangsrate): Y × Ut × M B =        r (M – Ut) Es handelt sich also um ein einstufig-dynamisches Modell. Die Veränderung des Umsatzes ist nunmehr umso höher, je höher die Reaktionskonstante, je höher das ungenutzte Umsatzpotenzial, je höher die Werbeausgaben und je niedriger die Umsatzverfallskonstante ist. Die Messung der Parameter erfolgt am zweckmäßigsten durch Testwerbung unter kontrollierten Bedingungen. Daraus lassen sich die Werbeausgaben ermitteln, die nötig sind, den Umsatz auf einem bestimmten Niveau zu halten oder eine bestimmte Umsatzzuwachsrate zu garantieren. Die Werbeeffizienz nimmt danach mit steigendem Verkaufsvolumen ab. Dabei wird ein konstantes, damit vernachlässigbares Konkurrenzverhalten unterstellt. Das Modell ist ein dynamisches, in das die mit der Zeit nachlassende Werbe­ effizienz eingeht. Die Bestimmung der Parameter Reaktionskonstante, Sättigungsniveau und Umsatzabnahme ist schwierig. Am ehesten lässt sich die Umsatz­ abnahme als eine Art Vergessenskonstante interpretieren, die zu einem bestimmten Verlust an bisherigen Käufern führt. Dazu müsste ein Unternehmen aber mit der Werbung aussetzen. Außerdem verändern sich alle drei Größen durch Veränderung der Marktverhältnisse. Die Konzentration auf die Umsatzerhaltung kann nicht als allgemein gültige unternehmerische Zielsetzung aufgefasst werden. Problematisch ist auch die alleinige Ansprache der potenziellen und die Vernachlässigung der aktuellen Käufer. Es wird von gleicher Bedeutung aller Käufer ausgegangen, also dem Erwerb gleicher Produktmengen, wobei der Absatz pro Käufer nicht erhöht werden kann. Insofern kann das Modell nur für Marktbereiche mit konstanter Verbrauchsrate unterstellt werden. Der Einfluss von Konkurrenzaktivitäten wird nicht berücksichtigt, obgleich diesen im Marketing eine zentrale Bedeutung zukommt. Die unterstellten direkten Beziehungen zwischen Werbeaufwand und erzielten Umsätzen lassen sich in der Realität kaum nachweisen, hängen doch Erfolg und Misserfolg immer vom Einsatz aller Marketinginstrumente ab. Werbeerfolg, der erst in Perioden nach der Planungsperiode eintritt, wird nicht berücksichtigt, erforderlich wäre es aber, diesen auf den Planungszeitpunkt zu diskontieren. 5.2.5.2 Fischerkoesen-Modell Das Modell von Fischerkoesen enthält zwei Einflussgrößen: • Verbreitungs- und Resonanzwirkung als relative Anzahl der Personen, die einen Werbeanstoß empfangen bzw. bewusst aufgenommen haben, • Verkaufswirkung oder Effizienz als relative Anzahl der Personen, die durch die Werbemaßnahme zu Käufern eines Guts werden.

5. Kommunikationselemente

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Effizienz und Resonanz sind miteinander verbunden. Werden in einem Experiment Versuchspersonen mit einem Werbemittel konfrontiert, so ergibt sich eine gewisse Effizienz und der Marktanteil erhöht sich. Die Effizienz ist maximal, wenn alle Personen vom eingesetzten Werbemittel erreicht werden, sie ist minimal, wenn keine Person erreicht wird. Die Realität liegt zwischen diesen beiden Extremen. Insofern besteht zwischen Effizienz und Resonanz eine multiplikative Verbindung. Ein Werbeanstoß, der alle Zielpersonen erreicht, ohne dort irgendeine Verkaufswirkung zu erreichen, bedeutet demnach, dass der bisherige Marktanteil unverändert bleibt. Dies gilt auch, wenn keine Zielperson durch Werbung erreicht worden ist. Nun gilt es allerdings, die Parameter Resonanz und Effizienz zu ermitteln. Die Effizienz wird durch die marginale Preisbereitschaft gemessen, die Resonanz durch Verfahren der experimentellen Lernpsychologie. Doch darin liegen zugleich die spezifischen Probleme. So ist es extrem schwierig, diese Werte zu ermitteln. Außerdem ergeben sich für jeden Markt jeweils andere Werte. Schließlich bleiben auch Wettbewerbsreaktionen, wie sie für verbreitete Oligopolmärkte typisch sind, unberücksichtigt. 5.2.5.3 Dorfman / Steiner-Modell Dorfman / Steiner beziehen das Werbebudget nur insofern ein, als es um die Optimierung des Marketing-Mix durch marginalanalytische Kalküle geht. Dabei gelten folgende Prämissen: Ein-Produkt-Unternehmen, Gewinnmaximierung als Ziel, Preis und Produktqualität als weitere Parameter neben der Kommunikation, kein Wirkverbund dieser Instrumente und vorhandene Informationen zu Erlösen und Kosten. Der optimale Marketing-Mix, und damit auch das optimale Werbebudget, sind danach erreicht, wenn die Preiselastizität der Nachfrage, der Grenzertrag der Werbemaßnahmen und die mit dem Quotienten aus Preis und Durchschnittskosten multiplizierte Nachfrageelastizität in Bezug auf Qualitätsänderungen einander genau gleich sind: aW = E q × (p : k) Dabei gilt: aW ist der Grenzertrag der Werbung, E q ist die Qualitätselastizität der Nachfrage, p ist der Preis und k sind die durchschnittlichen Stückkosten. Damit wird das optimale Werbebudget formal exakt abgeleitet. Voraussetzung dafür ist jedoch die Stetigkeit und mehrmalige Differenzierbarkeit der zugrunde liegenden Wirkungsfunktionen, was realiter hoch zweifelhaft ist. Außerdem können keine Restriktionen berücksichtigt werden, das angegebene Optimum kann also außerhalb des zulässigen Lösungsbereichs liegen. Als Zielfunktion dient nur die Gewinnmaximierung, der Einsatz anderer Marketinginstrumente als der Kommunikation wird weitgehend negiert. Interdependenzen zwischen Nicht-Werbeparametern werden daher nicht berücksichtigt. Aus dem Rechnungswesen müssen die Einflüsse marginaler Änderungen des Werbebudgets erfassbar sein, was unrea-

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III. Planung der Marketingkommunikation

listisch ist. Der Ansatz geht von einem Einproduktunternehmen aus, substitutive und komplementäre Beziehungen im Programm werden also nicht erfasst. Auch dies ist einigermaßen unrealistisch. Es wird das ausschließliche Ziel der Gewinnmaximierung unterstellt, was in der Praxis sehr zweifelhaft ist. Das verwendete marginalanalytische Rechenverfahren ist ungeeignet, da infinitesimal kleine Änderungen und deren Auswirkungen nicht realisierbar sind. 5.2.5.4 Optimierungsmodell Die Werbebudgetierung erfolgt dabei durch Optimierung auf Basis von Grenzerlösen und Grenzkosten. Das gewinnmaximale Werbebudget liegt demnach dann vor, wenn die kombinierten Grenzkosten von Werbung und Produktion exakt gleich dem Grenzerlös / Preis sind. Bei variablen Preisen führt der Einsatz der Werbung freilich dazu, dass sich die Form und Lage der Preisabsatzfunktion verändern. Insofern gibt es bei verschiedenen Konstellationen eine Werbebudgethöhe, bei der die gewinnmaximale Preis-Mengen-Kombination erreicht wird. Das Optimum ist dort gegeben, wo sich die partiellen Grenzerträge der Instrumente ausgleichen. Dabei wird allerdings eine Stetigkeit und Differenzierbarkeit des funktionalen Zusammenhangs unterstellt. Ebenso sind keine Restriktionen berücksichtigt, die in anderen Unternehmensbereichen, etwa der Produktion, liegen können. Es wird die einseitige Zielsetzung der Gewinnmaximierung unterstellt. Ebenso werden nur quantitative Kommunikationsziele berücksichtigt. Außerdem wird neben der Werbung nur die Preispolitik als absatzpolitisches Instrument einbezogen. Konkur­ renzaktivitäten werden zudem völlig vernachlässigt. Damit ist eine Berücksichtigung für die Wirtschaftspraxis unmöglich, vor allem ist die Kausalität zwischen Werbebudget und Absatzerfolg zu verneinen. Zudem ist das Optimierungsmodell durch eine sehr hohe Komplexität gekennzeichnet. Die erforderliche Datenbasis ist kaum bereitzustellen. 5.2.6 Kritik modellgestützter Budgetierungstechniken Regelmäßig herrscht eine statische Betrachtungsweise nur einer kurzfristigen Werbeperiode vor. Tatsächlich jedoch ist es im Sinne einer vorausschauenden Planung erforderlich, Auswirkungen jetziger Aktivitäten auf zukünftige Perioden bzw. Einflüsse zukünftiger Perioden auf jetzige Aktivitäten in die Entscheidung über das Werbebudget mit einzubeziehen. Häufig gilt auch die Gewinnmaximierung als einschränkende Zielsetzung des Unternehmens. Tatsächlich sind jedoch alle möglichen Formen der Zielsetzung anzutreffen, ganz gewiss nicht aber die Gewinnmaximierung. Diese scheitert schon allein an den dazu erforderlichen formalen Voraussetzungen. Deshalb kann kein Unternehmen Gewinn maximieren, selbst wenn es dies wollte.

5. Kommunikationselemente

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Zugleich wird das Vorhandensein vollkommener Information über alle relevanten Umfelddaten unterstellt. Auch dies ist angesichts zunehmend komplexer Vermarktungsbedingungen nicht annähernd gegeben. Zudem sprechen die begrenzten Verarbeitungskapazitäten des Entscheidungsträgers Mensch gegen das jemalige Erreichen dieser Prämisse. Von den funktionalen Zusammenhängen zwischen Input und Output wird ange­ nommen, dass sie stetig und differenzierbar sind. Statt dessen sind diese zu weiten Teilen nicht einmal bekannt, geschweige denn die Art ihres Zusammenhangs. Gerade Kommunikation ist durch elementar qualitative Kriterien charakterisiert, die sich einer quantifizierten Erfassung weitgehend entziehen. Es werden Marktformen entweder des Monopols oder des Polypols voraus­ gesetzt, nicht jedoch real weit verbreitete Oligopole. Abgesehen davon, dass es absolute Monopole wohl in einer Welt der Alternativen nicht gibt, sind auch Polypole zumeist von monopolistischen Teilstrukturen durchzogen. Für diese praktischen Mischformen wird in den Modellen keine Aussage getroffen. Im betrachteten Unternehmen wird eine Monoproduktion zugrunde gelegt. Dies ist heutzutage jedoch die Ausnahme. Beinahe alle Anbieter stellen Produkte für mehrere Märkte zur Verfügung, um ihr angestammtes Know-how besser auszunutzen oder eine Minderung von Marktrisiken zu erreichen. Es sollen keine weiteren Marketinginstrumente außer der Werbung vorhanden sein. Nun ist aber hinlänglich bekannt, dass die übrigen Marketing-Mix-Instrumente mindestens den gleichen Leistungsbeitrag zum Absatzerfolg von Produkten zu liefern imstande sind wie die Werbung. Von daher entbehrt diese Annahme des Realitätsbezugs. Schließlich werden ein gegebenes Werbeverfahren in Kampagnenanlage, Medienauswahl und -einsatz unterstellt. Dies schließt aus, dass die Effizienz der Werbung durch Änderung der kreativen Umsetzung, durch Nutzung anderer Werbemittel und -träger sowie durch mediatechnische Maßnahmen erhöht werden kann. Gerade dies ist aber angesichts begrenzter Budgetmittel häufig das Ziel.

5.3 Ressourcenallokation Wenn die Budgethöhe bestimmt ist, gilt es, diese Finanzmittel auf die Aktivitäten zu allokieren. Dabei kann nach verschiedenen Budgetdimensionen (5.3.1) und Budgetzuordnungen (5.3.2) unterschieden werden.

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III. Planung der Marketingkommunikation

5.3.1 Budgetdimensionen Budgets können nach vielfältigen Kriterien eingeteilt werden. Ihrer Ausrichtung nach können Budgets inputbezogen sein, sich also über die Bereitstellung von Ressourcen als Geldmittel, Sachmittel, Rechte oder Humanressourcen definieren, oder outputbezogen, also ein geplantes Ergebnis vorgeben, etwa in Bezug auf den zu erreichenden Marktanteil. Ersteres geht von den verfügbaren Ressourcen aus und leitet daraus für erreichbar gehaltene Ziele ab, letzteres geht von den anvisierten Zielen aus und bestimmt daraus die dafür für erforderlich gehaltenen Mittel. Durch Handlungsspielräume bei der Budgeterfüllung soll die Leistungsbereitschaft der Budgetverantwortlichen gesteigert werden. Budgets können auch als Beurteilungsgrundlage und zur Vergütungsbemessung der Budgetverantwort­ lichen genutzt werden. Die Budgetgrößen haben Vorgabecharakter. Die Kontrolle der Budgets ermöglicht die Feststellung von Abweichungen und die Auslösung von Lernprozessen. Probleme ergeben sich, weil eine Fehlallokation der finanziellen Ressourcen entstehen kann. Außerdem ist die Budgetierung ein sehr zeit- und arbeitsaufwändiger Vorgang. Detaillierte Budgets schränken die Reaktionsgeschwindigkeit der Unternehmensbereiche ein. Budgetvorgaben sind häufig nicht marktorientiert. Insbesondere droht durch Fortschreibung eine dauernde Unwirtschaftlichkeit. Zudem kommt es zur Vernachlässigung von Investition und Innovation. Schließlich sind dysfunktionale Verhaltensweisen wahrscheinlich wie „Dezember-Fieber“, Abteilungsegoismen oder Budgetpuffer.

5.3.2 Budgetzuordnungen Das vorhandene Budget reicht meist nicht aus, alle gewünschten kommunika­ tiven Teilziele angemessen umzusetzen. Leider ist das Werbebudget bei restriktivem Umfeld besonders anfällig für Kürzungen, da dort scheinbar kurzfristig Geldmittel eingespart werden können, ohne auch die Konsequenzen daraus kurzfristig tragen zu müssen. Es steht jedoch zu vermuten, dass die Aufwendungen, die erforderlich sind, um bei Budgetkürzungen unvermeidlich auftretende Einbußen an Bekanntheit und Vertrautheit später wieder auszugleichen, ungleich höher liegen als der ursprünglich eingesparte Betrag. Andererseits sind in Krisensituationen schmerzhafte Einschnitte überall unvermeidlich. Da die Möglichkeiten zur Ausweitung des Finanzspielraums begrenzt bleiben, gibt es nur die Chance, die zur Verfügung stehenden Mittel geschickt aufzuteilen. Dabei ergeben sich mehrere Optionen, das Werbebudget möglichst effizient zu nutzen (siehe Abbildung III/57: Optionen bei Budgetrestriktionen). Bei der Vollproduktbewerbung kommt es zur gleichmäßigen Verteilung der Budgetmittel auf alle Produkte im Programm. Die Folge ist allerdings, dass selbst

5. Kommunikationselemente

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Abbildung III/57: Optionen bei Budgetrestriktion

große Etatvolumina dadurch fraktioniert werden und bei jedem Teilziel eine wirksame positive Differenzierung vermissen lassen. Im Übrigen wird damit auch der unterschiedlichen Bedeutung der Produkte im Programm in keiner Weise Rechnung getragen. Ein positiver Effekt ist sicherlich, dass alle Produkte im Programm mit Mitteln dotiert werden. Dies geschieht aber um den Preis einer mutmaßlich ungenügenden Durchsetzungsfähigkeit gegen den Wettbewerbswerbedruck. Außerdem besteht keine Ursächlichkeit zwischen dem Input Werbebudget und dem Output Markterfolg. Insofern ist diese Option nicht zu empfehlen. Eine andere Option ist die, dass nur bestimmte Produkte im Programm mit Budgetmitteln dotiert werden (Einzelproduktwerbung): • Bei der Berücksichtigung nur ausgewählter Einzelprodukte werden die Finanzmittel diesen ausgewählten Einzelprodukten so lange zugewiesen, bis die Budgetgrenze vollständig ausgeschöpft ist. Dabei stellt sich allerdings die Frage, nach welchen Kriterien die derart dotierten Werbeobjekte selektiert werden, und ob man es sich leisten kann, die nunmehr nicht berücksichtigten gänzlich zu vernachlässigen. Bildet man eine Priorität zugunsten der Erfolgsprodukte im Programm, so werden alle übrigen Produkte, welche die kommunikative Stützung im Zweifel weitaus eher benötigen, vernachlässigt und drohen, in der Bedeutung weiter abzufallen. Wählt man hingegen gerade die Problemprodukte zur werblichen Unterstützung aus, ist dies wiederum leichtfertig, da die Erfolgssäulen nicht mehr bedacht werden und abzufallen drohen. Positiv zu werten ist die nachhaltige Unterstützung der ausgewählten Produkte. Nachteilig bleibt jedoch, dass wohl ganze Teile des Programms im Wettbewerb zurückfallen. • Bei der Konzentration auf Produktereignisse kann es sich um Neueinführungen, Modellaufwertungen oder Relaunches handeln. Werbung ist hier erforderlich, um diese Ereignisse angemessen bekannt zu machen und zu profilieren. Dies geht allerdings zulasten des regulären Angebots. Geht man jedoch davon aus, dass alle Produkte im Programm reihum früher oder später für Ereignisse gut sind,

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III. Planung der Marketingkommunikation

werden allerdings im Zeitablauf auch alle berücksichtigt. In jedem Fall können Neuheiten und Aufwertungen prominent herausgestellt werden. Produkte ohne Ereignisse drohen jedoch zugleich, sang- und klanglos im Wettbewerb unterzu­ gehen. In der Praxis gibt sowohl Unternehmen, deren Budgetmittel es ausschließlich zulassen, Produktereignisse zu unterstützen als auch Unternehmen, bei denen so definierte Produktereignisse so zahlreich sind, dass nicht alle von ihnen werblich unterstützt werden können. Bei der Programmausschnittsbewerbung werden Produkte, die in objektiver oder subjektiver Verbindung zueinander stehen, gemeinsam beworben: • So finden sich passende Programmteile in einer Bündelungskampagne wieder. Dabei werden zwar nicht alle, wohl aber ausgewählte, möglichst verwandte Programmteile in einem Werbemittel zusammengefasst (z. B. alle Dieselmodelle, alle Sportfahrzeuge, SUVs). Dabei stellt sich die Frage nach der Grundlage dieser Verwandtschaft, die wiederum nur aus Kundensicht zu beantworten ist. Gelten verschiedene Kaufkriterien, wird notwendigerweise immer an Teilen der Zielpersonengruppe vorbei argumentiert. Dennoch kommt eine verteilte Berücksichtigung aller Produkte im Programm zustande, dies wiederum bei einer manifesten Kostenersparnis. Auch diese Version scheint für heterogene Programme und High Involvement-Produkte weniger geeignet. Als einziger Grund für eine solche Wahl kann wohl nur die Demonstration aus Auswahl / Vielfalt gelten. • Leitprodukt ist ein Produkt, das die Programmidee besonders gut und typisch verkörpert, häufig handelt es sich um das älteste Angebot einer Reihe, von dem die anderen Angebote erst als Derivate, durch Differenzierung oder Diversifikation im Laufe der Zeit entstanden sind. Es ist damit der Bannerträger des Programmausschnitts und vermag weitere Produkte in seinem Sog am Markt zu fördern. Dies kann implizit, also ohne Nennung dieser anderen Produkte oder auch explizit, also mit deren textlicher und / oder bildlicher Erwähnung erfolgen. Dies ist etwa bei Endorsed Brands häufig, bei denen das Leitprodukt die Marke auflädt und umgekehrt. • Beispielprodukt ist ein Produkt, das als Angebot stellvertretend für einen bestimmten Programmausschnitt steht und diesen repräsentieren kann. Durch die Wahl wechselnder Beispielprodukte in der Dotierung kann im Zeitablauf auch die Programmbreite bzw. -vielfalt demonstriert werden. Dies kann einen guten Kompromiss zwischen Einzelprodukt- und Vollproduktwerbung darstellen, etwa wenn im Laufe der Zeit reihum alle Produkte aus dem Programm als Beispielprodukt berücksichtigt werden. Sie ergänzen sich dann in der Wahrnehmung der Zielpersonen zu einem Gesamtbild der Leistungsfähigkeit des Anbieters. Die werbliche Umsetzung erfolgt etwa in Nutzenfacetten-Kampagnen. Bei der Zusammenfassung aller Produkte in einer Gesamtprogrammbewerbung werden nicht die Marke und auch nicht einzelne Produkte beworben, sondern das gesamte Programm. Dies bedeutet, dass alle Produkte gemeinsam ausgelobt wer-

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den, was eine relativ hohe Homogenität im Programm voraussetzt. Damit eignet sich diese Variante nicht für spitz positionierte Angebote. Im Übrigen wird auch die kreative Umsetzung leicht unübersichtlich, worunter die Eindrucksqualität aller Produkte wiederum leidet. Vorteile liegen einerseits in der Berücksichtigung aller Produkte im Programm und andererseits in einer manifesten Kostenersparnis. Der Preis dafür ist mit unzureichender Profilierung des einzelnen Angebots jedoch sehr hoch. Hinzu kommt, dass die beworbenen eigenen Produkte untereinander in Konkurrenz um die Aufmerksamkeit der Zielpersonen treten, statt zum Mitbewerb. Insofern ist auch diese Option, selbst bei Budgetrestriktionen, nicht zu empfehlen. Bei der Dachkampagne anstelle von Produktauslobung werden nicht mehr die einzelnen Produkte beworben, sondern vielmehr der Herstellerabsender / die Organisation, der / die diese Leistungen bereitstellt. Es wird auf die deduktive Abstrahlung der Imagewirkung des Markendachs auf alle diesen Markennamen tragenden Produkte gesetzt. Dies bietet sich vor allem für Hersteller mit schwer überschaubarem Programm an. Bestimmte Produkte stehen möglicherweise stellvertretend als Kompetenzbeweis und zur Konkretisierung. Damit gelingt es zwar, alle Produkte im Programm indirekt an der Kampagne partizipieren zu lassen. Allerdings scheint diese Version für heterogene Programme und High Involvement-Produkte weniger geeignet. Werbeagenturen empfehlen Dachkampagnen übrigens gern, weil sie hohes Budget und kreativen Freiraum dahinter vermuten. Werbeentscheider sehen Dachkampagnen gern, weil sie innerhalb der Organisation aufwerten.

6. Planungsrahmen Planung ist allgemein das systematische, zukunftsbezogene Durchdenken und Festlegen von Maßnahmen, Mitteln und Wegen zur Zielerreichung. Kontrolle ist dementsprechend die Gegenüberstellung der Zielgrößen und der erreichten Ist­ größen verbunden mit der Analyse von Abweichungen. Planung und Kontrolle bilden einen Regelkreis, Planung ohne Kontrolle ist ebenso sinnlos wie Kontrolle ohne Planung unmöglich ist. Aufgabe der Planung ist es, die generellen unternehmenspolitischen Zielsetzungen unter Berücksichtigung interner und externer Gegebenheiten und Entwicklungen zu konkretisieren. Es handelt sich um den Entwurf einer Ordnung, nach der sich das betriebliche Geschehen der Zukunft vollziehen soll. Planung ist abzugrenzen von Prognose als auf praktischer Erfahrung oder theoretischer Erkenntnis beruhenden Aussagen über die Zukunft, wobei die Zielsetzung fehlt, von Extrapolation als Projizierung eines Sachverhalts mithilfe statistischer Schätzmethoden, wobei die Gestaltung fehlt, und von Improvisation als ex post-Entscheidungen, wobei der Zukunftsaspekt fehlt. Dabei sollen mehrere Anforderungen an solche Entscheidungskriterien gegeben sein: • Vollständigkeit bedeutet, dass alle relevanten Kriterien auch tatsächlich berücksichtigt werden. • Signifikanz bedeutet, dass diese Kriterien aussagefähig für die der Bewertung zugrunde liegende Entscheidung sind. • Redundanzfreiheit bedeutet, dass jedes Kriterium einen anderen Aspekt des Entscheidungsproblems abbildet und keine Dopplungen auftreten. • Objektivität bedeutet, dass die Kriterien anhand personenunabhängiger Maßstäbe einheitlich bewertet werden können. • Relevanz bedeutet, dass die Kriterien für die beabsichtigte Entscheidung als bedeutsam angesehen werden. • Aktualität bedeutet, dass für die einzelnen Kriterien aktuelle Datengrundlagen zur Verfügung stehen.

6. Planungsrahmen

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6.1 Strukturplanung Die Kommunikationsplanung baut auf den Zielen auf und setzt eine Problemanalyse voraus. Daraus leiten sich dann verschiedene Lösungen ab, die zu be­ werten und zu priorisieren sind (siehe Abbildung III/58: Optionen der Kommunikationsplanung). Planung kann dabei nach mehreren Dimensionen unterteilt werden. Planung ist gegenwärtiges Entscheiden über zukünftiges Tun oder Unterlassen.

Abbildung III/58: Optionen der Kommunikationsplanung

Nach der Anpassungsfähigkeit der Kommunikationsplanung ergibt sich die starre oder teil- bzw. vollflexible Planung: • Starre Planung bedeutet, dass ein Kommunikationsplan über den Zeitraum hinweg unverändert bestehen bleibt. Dadurch ist dann zumindest eine feste Planungsbasis für alle Beteiligten gegeben, wenngleich diese sich im Zeitablauf als unzutreffend heraus­stellen mag. Vor allem kann werblich nicht angemessen auf kurzfristige Volatili­tät reagiert werden. • Teilflexible Planung bedeutet, dass ein Kommunikationsplan an Veränderungen der Planungsbedingungen angepasst werden kann, etwa durch Aufschiebung der Verabschiedung, Einbau von Planreserven, Alternativpläne mit Optionen oder Eventual­pläne als Schubladenpläne. Dies bewährt sich etwa bei internen (z. B. Reputationsschaden) oder externen Krisensituationen (z. B. Epidemie), da darauf vorgeplant reagiert werden kann. • Vollflexible Planung bedeutet, dass die Planung ggf. revidiert und durch eine Nachfolgeplanung ersetzt werden kann. Dies baut auf den Erkenntnissen vorlaufender Perioden auf. Dadurch ist der Planungsstand immer aktuell, jedoch zugleich auch schwankend. Dies ist eine schwierige Aktionsbasis, zumal Werbemaßnahmen mehr oder minder lange Vorlaufzeiten haben.

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III. Planung der Marketingkommunikation

Nach der Richtung der Kommunikationsplanung ergeben sich folgende Optionen: • Die retrograde Planung erfolgt Top-down in der Hierarchie von der Unternehmensleitung an die einzelnen exekutiven Abteilungen gerichtet. Es handelt sich um eine Totalplanung, die dann ausgehend von einer Gesamtgröße auf die einzelnen organisatorischen Ebenen zergliedert wird. Ob die Planung dann sachund zweckgerecht ist, muss im Einzelfall beurteilt werden. • Die progressive Planung erfolgt Bottom-up in der Hierarchie von der Exekutive an das Top-Management gerichtet und zu einer Gesamtgröße aggregiert sowie die zirkuläre Planung, sie ergibt sich zunächst abwärtsgerichtet als Rahmenplan durch die Unternehmensleitung, der dann aufwärtsgerichtet auf den einzelnen Ebenen überprüft und konkretisiert wird. Es handelt sich um Partialplanungen, die dann im Top-Management aggregiert werden. Dies klingt zwar gut, ist aber ausgesprochen langwierig und verlängert dadurch die Reaktionszeit. • Praktisch sind häufig im Middle Management „Kerne“ als Relais tätig, leiten also Pläne Top-down bzw. Bottom-up weiter. Alternativ ist auch ein Gegenstromprinzip möglich, d. h., eine vorläufige Planung erfolgt Top-down, Bottom-up werden dazu Korrekturen vorgeschlagen, die ggf. eingearbeitet werden. Erst dann erfolgt die verbindliche Planung (Top-down). Auch diese Formen klingen auf dem Papier sehr gut, sind in der Praxis aber nur schwer durchführbar. Nach der Fristigkeit der Kommunikationsplanung ergibt sich die • Eine strategische Planung für > 3–5 Jahre bezieht sich auf die Gestaltung der Leistungspotenziale und wird vom Top-Management vorgenommen, der Detaillierungsgrad ist grob, dafür die Reichweite der Planung groß. In einem verbreitet volatilen Umfeld sind Langfristplanungen aber schwierig darstellbar (z. B. Bedeutung des Wasserstoffantriebs für Pkw / Lkw). • Eine taktische Planung für 1–3/5 Jahre bezieht sich auf die Auslegung der so definierten Potenziale und wird vom Senior Management vorgenommen, der Detaillierungsgrad ist mittelhoch, ebenso die Reichweite. Hier konkretisiert sich die Aufgabenstellung, so dass durchaus erwartet werden kann, dass Marketingkommunikation sich darauf einstellen kann. • Eine operative Planung für < 1 Jahr bezieht sich auf die Detailorganisation und wird vom Middle Management vorgenommen, der Detaillierungsgrad ist sehr fein, also nach Monaten, Quartalen oder Halbjahren und die Reichweite der Planung gering. Insofern ist erwartbar, dass werbliche Maßnahmen detailliert ausgearbeitet werden können. Nach der Zeitabfolge der Kommunikationsplanung wird unterschieden in gereihte, gestaffelte und geschachtelte Abfolge: • Bei der geschachtelten Planung ist der kurzfristige Plan integraler Bestandteil des mittelfristigen Plans und dieser wiederum Bestandteil des langfristigen Plans.

6. Planungsrahmen

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Insofern ist eine vollständige Integration der Pläne gegeben. Dies erlaubt eine perfekte Integration, allerdings führen Änderungen im Langfristbereich zwangsläufig zu Anpassungen bei mittel- und kurzfristigen Plänen. • Bei der gestaffelten Planung überlappen die Planungshorizonte hingegen ein­ ander, der kurzfristige Plan ragt also zeitlich in den mittelfristigen hinein und der mittelfristige Plan seinerseits in den langfristigen. Dadurch werden die Übergänge zwischen den Plänen harmonisiert. Dadurch wird die zeitliche Verkettung der Teilpläne zumindest etwas entzerrt. • Bei der gereihten Planung sind die Pläne unterschiedlicher Fristigkeit lückenlos hintereinander geschaltet, die Planungshorizonte überlappen sich nicht, dafür entstehen an den Schnittstellen beinahe zwangsläufig Friktionen. Dies erschwert die Anpassung der Teilpläne ungemein und führt damit häufig zu Ineffizienzen. Nach dem Rhythmus der Kommunikationsplanung wird wie folgt unterschieden: • Bei einem rollierenden Plan wird immer, wenn eine operative Phase abgelaufen ist, die erste Phase der taktischen Planung operativ ausgefüllt, die erste Phase der strategischen Planung taktisch ausgefüllt und die strategische Planung um eine Phase verlängert. Die Pläne rücken also einmal im Geschäftsjahr nach. Sofern die Teilpläne untereinander abgestimmt sind, entstehen dabei keine Friktionen. • Bei einem revolvierenden Plan wird wie beim rollierenden vorgegangen, allerdings ist der Aktualisierungsrhythmus unterjährig, so dass eine schnellere Anpassung an Veränderungen möglich wird. Jedoch leidet darunter die Verbindlichkeit der Kommunikationsplanung, so dass aktionistisches Verhalten zulasten der perspektivischen Entwicklung in den Vordergrund tritt. • Bei einem anschließenden Plan werden die Planperioden einmal durchgeplant und dann auch nicht mehr geändert. Die Pläne sind immer konsistent und belastbar. Allerdings sind die zugleich auch inflexibel. Es kommt daher auf das jeweilige Umfeld an, ob dies zweckmäßig ist oder nicht. Nach der Koordination der Kommunikationspläne unterscheidet man folgende Formen • Die Simultanplanung versucht, alle Teilpläne integrativ zu berücksichtigten, was zwar in einer enormen Komplexität resultiert, wodurch aber ein Gesamtoptimum möglich wird, da gegenseitige Interaktionen berücksichtigt werden. Ob dieses theoretische Ideal tatsächlich realisiert werden kann, scheint mehr als fraglich. • Die Sukzessivplanung geht Teilplan für Teilplan vor, was allerdings die Gefahr birgt, in der Summe suboptimal zu bleiben. Es wird also zunächst mit einem Planungsbereich begonnen, dies kann der höchstrangige, der größte oder wichtigste Bereich sein. Dabei können mehrere Planungsdurchläufe entstehen, die jedoch je nach Reihenfolge suboptimal enden können.

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III. Planung der Marketingkommunikation

• Die Engpassplanung orientiert sich am betriebswirtschaftlichen Bottleneck gemäß des Ausgleichsgesetzes der Planung / Gutenberg. Der Engpass limitiert das gesamtbetriebliche Erfolgsniveau. Davon abweichende Planungen sind unrealistisch, solange es nicht gelingt, diesen Engpasssektor zu überwinden, stoßen allen anderen Planungen an ihre Grenzen. Jede Planung folgt den Grundsätzen der Vollständigkeit, Genauigkeit, Eindeutigkeit, Kontinuität und Wirtschaftlichkeit. Planung erfordert immer wirtschaftliche Entscheidung. Soll nur ein Ziel verfolgt werden, sind Entscheidungen vergleichsweise klar. Schwierig wird es, wenn mehrere Ziele zugleich verfolgt werden sollen oder Zielgewichtungen erforderlich sind, denn dann entstehen Zielkonflikte.

6.2 Prozessplanung Zur Unterstützung der Planungsprozesse im Rahmen der Kommunikation können mehrere Techniken eingesetzt werden. Die Netzplantechnik stellt den zeitlichen Ablauf einzelner Aktivitäten dar, verdeutlicht deren sachlichen Gesamtzusammenhang, lässt kritische Vorgänge als Aktivitäten ohne Zeitreserve erkennen und weist Zeitreserven bei anderen Vorgängen aus. Der Netzplan basiert auf der Graphentheorie. Unter einem Graph versteht man eine Menge von Knoten, die durch eine geordnete Menge von Kanten mit einer Richtungsangabe verbunden sind. Zwischen Anfangsknoten und Endknoten gibt es einen kürzesten Weg, den Kritischen Weg. Verzögerungen hier führen zu Verzögerungen im gesamten Ablauf. Zur Netzplantechnik gehören verschiedene Verfahren, so Vorgangsknotennetzplan / MPM bzw. Vorgangspfeilnetzplan / CPM mit deterministischen Knoten und Kanten, PERT-Ereignisknotennetzplan mit stochastischen Kanten und deterministischen Knoten und GERT-Vorgangspfeilund -knotennetzplan mit stochastischen Knoten und Kanten. Die Idee ist, aus Gründen der Zeitersparnis und Kapazitätsnutzung verschiedene Tätigkeiten parallel, statt aufeinander abfolgend auszuführen, ohne dass daraus Friktionen resultieren. Dies bedingt, dass bestimmt wird, welche Tätigkeiten wann begonnen bzw. beendet werden müssen, um Leerzeiten zu vermeiden. Daher gibt es früheste Anfangszeiten / FAZ und späteste Anfangszeiten / SAZ bzw. Endzeiten / F EZ / SEZ (siehe Abbildung III/59: Beispiel MPM-Netzplan). Am Beginn steht daher eine Strukturanalyse, aus ihr folgt eine Zeitanalyse. Durch Bewertung entstehen eine Kapazitäts- und Kostenanalyse. Maßnahmen zur Zeitverkürzung umfassen u. a.: • kapazitative Ausweitung, intensitätsmäßige Anpassung, zeitliche Ausweitung der Ressourcen, Automatisierung der Aktivitäten, bessere Know-how-Nutzung durch Wissensmanagement, Routinierung durch Übung mit Erfahrungseffekt, Eliminierung „toter“ Phasen wie Zeitpuffer oder Zwischenlager, bessere Vorbereitung für weniger Rüstzeiten oder Ausfälle, Wertanalyse mit Wahl der nächstbesseren Alternative, Vorziehen problembehafteter Aktivitäten.

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6. Planungsrahmen

Abbildung III/59: Beispiel MPM-Netzplan (Quelle: leicht verändert aus fachinformatiker.de/topic/155157-netzplan/)

Ablaufdiagramme zeigen grafisch die logische Abfolge von Tätigkeiten auf. Arbeitsmittel dazu ist die Ablaufkarte. Sie unterscheidet Arbeitsphasen nach Operation (O), Inspektion (I), Transport (T) und Stillstand (S). Durch diese analytische Aufgabenzerlegung im Blockdiagramm können Abläufe strukturiert werden.

Feb. ’22 März ’22 April ’22 Mai ’22

Juni ’22

Hardwareressourcen prüfen Softwarepreise anfragen interne Schulungen planen Testumgebung einrichten Testerkenntnisse integrieren Installationspakete vorbereiten Mitarbeiter schulen Website scharfschalten

Abbildung III/60: Beispiel Ablaufplan (Quelle: projektmagazin.de/artikel/excel-mit-gantt-diagrammen-zeitplanungund-projektfortschritt-visualisieren_1110601)

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III. Planung der Marketingkommunikation

Balkendiagramme / Gantt zeigen die zeitliche Ausdehnung von Aktivitäten auf (siehe Abbildung III/60: Beispiel Ablaufplan). Die Balken sind zumeist in einem Diagramm mit der Zeit auf der Horizontalen und den Aktivitäten auf der Vertikalen abgetragen. Die Lage der Balken ergibt sich aus den jeweiligen Anfangs- und Endterminen der Aktivitäten. Die Balken zeigen die Reihenfolge, den Zeitverbrauch und den Kapazitätsbedarf an. Meilensteinpläne unterteilen die Aktivitätenfolge in Zeitabschnitte als Zwischentermine. Dabei handelt es sich um wichtige Eckpunkte / Milestones, deren Termineinhaltung gerade bei komplexen Aktivitäten leichter kontrolliert werden kann (siehe Abbildung III/61: Beispiel Meilensteinplan).

Abbildung III/61: Beispiel Meilensteinplan (Quelle: leicht verändert aus bertkoch.de/69-hauptseite/methoden/methoden-projektmanagement)

Der Projektplan trägt die vorzunehmenden Aktivitäten in der Kopfspalte und das Kalendarium in der Kopfzeile. Jede Aktivität wird durch Markierungen abgetragen. Unabhängige Aktivitäten können einander überlappen. Der Projektstrukturplan geht nach zu bearbeitenden Objekten vor und innerhalb dessen nach Reihenfolge, der Projektablaufplan geht nach Reihenfolge vor und innerhalb dessen nach zu bearbeitenden Objekten (siehe Abbildung III/62: Projektplan). Der Line of Balance-Plan geht von einem einzuhaltenden Endtermin aus. Von dort werden die erforderlichen Aktivitäten zurückgerechnet und in Bezug auf ihren Endtermin durchgeplant. Endet der Anfangstermin dann, wie in der Praxis häufig vorzufinden, in der Vergangenheit, ist der Plan notwendigerweise zu überarbeiten.

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6. Planungsrahmen

Ansatzpunkte sind etwa die Verkürzung einzelner Aktivitäten, die Überlappung von Aktivitäten zueinander, die Zusammenfassung bisher einzelner Aktivitäten oder die Schiebung des Endtermins. 3 ID Vorgang 4 M Projektbeginn 5 P Design 6 Produktplanungsbesprechung durchführen 7 Skizzen erstellen 8 Produktdesign festlegen 9 Marketingstrategie festlegen 10 Technische Zeichnungen erstellen 11 M Abschluss Designphase 12 P Gehäuse 13 Material auswählen 14 Gehäuse zeichnen 15 Gittermodell erstellen 16 Muster herstellen 17 M Abnahme Gehäuse 18 P Elektronik 19 Materialbeschaffung 20 Leiterplatten entwickeln 21 Elektronik fertigen 22 M Abnahme Elektronik 23 P Motor 24 Lieferantenauswahl 25 Motor entwickeln

Beginn

Ende Dauer Mo24.04.21

Projekttage

Mo24.04.21 Mi26.04.21 So30.04.21 Do04.05.21 Sa06.05.21

Do27.04.21 So30.04.21 Mi03.05.21 Sa06.05.21 Fr12.05.21 Fr12.05.21

4 Tage 5 Tage 4 Tage 3 Tage 7 Tage

4 Tage 3 Tage 3 Tage 2 Tage 5 Tage

Mo15.05.21 Mo15.05.21 Mo29.05.21 Mo05.06.21

Fr19.05.21 5 Tage Fr26.05.21 12 Tage Fr02.06.21 5 Tage Fr16.06.21 12 Tage

5 Tage 10 Tage 5 Tage 10 Tage

Mo15.05.21 Fr19.05.21 5 Tage Mo22.05.21 Di30.05.21 9 Tage Mo29.05.21 Fr09.06.21 12 Tage

5 Tage 7 Tage 10 Tage

Mo15.05.21 Do18.05.21 4 Tage Di23.05.21 Fr02.06.21 11 Tage

4 Tage 9 Tage

Abbildung III/62: Beispiel Projektplan (Quelle: leicht verändert aus projektmagazin.de/tool/beispiel-projektplan#&gid=2&pid=1)

6.3 Entscheidungssituation Eine klare Entscheidungssituation bedeutet, dass die Handlungsgrundlagen und -konsequenzen vollständig bekannt sind. Solche Entscheidungen unter Sicherheit als deterministische Entscheide liegen somit vor, wenn alle entscheidensrelevanten Daten und Fakten bekannt sind, so dass eine Entscheidung mit Sicherheit i. S. e. maximalen Ergebnisses getroffen werden kann. Dies ist leider in der Kommunikationspraxis so gut wie gar nicht gegeben. Eine unklare Entscheidungssituation bedeutet, dass die Handlungsgrundlagen und -konsequenzen zwar unbekannt sind, sich jedoch Anhaltspunkte für objektive Eintrittswahrscheinlichkeiten als objektiv-stochastisch oder probabilistisch bei Risiko oder zumindest subjektive Erfahrungen als subjektiv-stochastisch oder heuristisch bei Unsicherheit finden lassen. Das Entscheidungsfeld ist bei Risiko durch den Zustandsraum der möglichen, nicht beeinflussbaren Umweltsituationen und den Aktionsraum der möglichen, beeinflussbaren Handlungen begrenzt. Für jede Kombination aus Zustand und Aktion in der Kommunikation werden dann die zu erwartenden Gewinnbeiträge ermittelt. Diese werden mit objektiven Eintrittswahrscheinlichkeiten gewichtet.

242

III. Planung der Marketingkommunikation

Entscheidungen unter Unsicherheit, also solche mit subjektiven Eintrittswahrscheinlichkeiten, sind häufig. Auch für diese Situationen gibt es mehrere Regeln. Die Optionen können dabei nur nach individuellen Schätzungen bewertet werden. Dabei ist fraglich, ob Erfahrungen aus der Vergangenheit tatsächlich in die Zukunft weitergeschrieben werden können. Ebenso ist von subjektiven Verzerrungen bei der Einschätzung auszugehen (Eigeninteresse). Zudem kommt es auf den Blickwinkel an, wie solche Schätzungen ausfallen. Die Entscheidungsbasis ist also sehr fragil. Eine ungewisse Entscheidungssituation bedeutet, dass die Handlungsgrundlagen und -konsequenzen unbekannt sind und dafür auch keinerlei Anhaltspunkte vorliegen. Bei Entscheidungen unter Ungewissheit als indeterministische Entscheide sind also keinerlei entscheidensrelevante Daten und Fakten, weder nach Wahrscheinlichkeit noch aus Erfahrung, bekannt. Dies ist vor allem bei völlig neuartigen Situationen gegeben, wie sie aufgrund erratischer Umfeldveränderungen entstehen. Bei Entscheidungsträgern kann es sich um Einzelpersonen oder Personenmehrheiten handeln. Bei letzteren treten häufig atypische Gruppendefekte auf (zumeist unter beschränkter Rationalität gefasst). Zunehmend werden Entscheidungen aber auch von Maschinen getroffen oder zumindest präjudiziert. Auf einer anderen Ebene können Aktionsparameter, die direkt beeinflussbar sind und Reaktionsparameter, die Ergebnis der Umfeldbedingungen sind, unterschieden werden. Bei jeder Entscheidung sind die Kosten der Entscheidungsvorbereitung gegen den Zugewinn aus einer (richtigen) Entscheidung zu stellen. Dabei wirken immer mehr auch Entscheidungsfolgen und ihre Abschätzung ein, zumal diese auch seltener externalisiert werden können. Dabei handelt es sich vor allem um Risiken aus Kritik, Protest, Streit oder Streik. Die dabei zugrundeliegenden Entscheidungskriterien und Bewertungsverfahren lassen breiten Raum für Verzerrungen.

6.4 Kennzahlen Steuerung, Planung und Entscheidung, bedürfen der Messung ihrer Zielerreichung. Dies erfolgt zumeist über einfache Kennzahlen und erlaubt dann den quantitativen Vergleich der Messungen innerhalb und außerhalb des Unternehmens, im Kommunikationssektor und auch darüber hinaus. Kennzahlen sind aggregierte Daten, die mehr oder minder komplexe, dahinter stehende Sachverhalte komprimiert quantitativ ausweisen. Bei ihrer Bildung erge­ ben sich als Formen Grundzahlen und Verhältniszahlen. Grundzahlen sind absolute Zahlen, also Einzelzahlen, Summen, Differenzen, Mittelwerte. Sie erfüllen den Anspruch der Datenreduktion jedoch nur eingeschränkt und sind daher atypisch. Verhältniszahlen sind typischer und unterteilen sich als relative Zahlen in drei Zusatzformen:

6. Planungsrahmen

243

• Gliederungszahlen stellen den Anteil einer Teilmasse an der Gesamtmasse dar. Die Gesamtmasse wird dabei gleich 100 gesetzt und entsprechend gegliedert. Die Teilmassen sind echte Untermengen der jeweiligen Gesamtmasse, daher ist dies nur bei größeren Datenmengen sinnvoll. Die Ausrechnung erfolgt im traditio­nellen Dreisatz, z. B. Anteil der Nicht-klassischen Werbung an allen Werbeaufwendungen. • Beziehungszahlen setzen unterschiedliche, allerdings zeitlich identische Zahlengruppen, zwischen denen sachliche Zusammenhänge bestehen, in Beziehung zueinander. Das Ergebnis ist ein Quotient, dessen Wert umso näher bei Null liegt, je enger die Beziehung zwischen den Mengen ist. Der Kehrwert wird Bezeichnungszahl genannt, z. B. Anzahl der Zielpersonen in einem Gebiet relativ zum Flächenanteil des Gebiets. • Indexzahlen ermöglichen die Darstellung von Veränderungen im Zeitablauf (zeitverschieden). Dabei wird die Ausgangsperiode gleich Index 100 gesetzt. Alle Werte werden auf diesen gemeinsamen Zeitpunkt bezogen, weshalb dessen bedachte Wahl von großer Bedeutung ist, weil sich sonst ein verzerrtes Bild ergibt, z. B. Veränderung des Marktanteils ausgehend vom Gründungsjahr (= 100). Den Kennzahlen können Bestandsmassen zugrunde liegen, deren Elemente eine Verweildauer aufweisen, so dass zu einem beliebigen Beobachtungszeitpunkt stets eine größere Anzahl von ihnen gleichbleibend vorhanden ist, oder aber Bewegungsmassen, bei denen Zu- und Abgänge Bestandsveränderungen bewirken, die zeitpunktbezogen sind. Für die Arbeit mit Kennzahlen ist es wichtig, dass nicht willkürlich beliebige Werte aus allen erdenklichen betrieblichen Bereichen ermittelt werden, für die kein sachgerechter Bezug festgestellt werden kann, sondern dass Kennzahlen sachgerecht ausgewiesen und genutzt werden. Als Anhaltspunkte dafür lassen sich folgende Anforderungen formulieren: • Eindeutigkeit der erkennbaren Zielsetzung, klare Abbildung und Interpretierbarkeit von dahinter stehenden, materiellen Tatbeständen, Aktualität der Ermittlung, Prognosefähigkeit der Daten, einfache Struktur, vertretbarer Erhebungsaufwand. Die isolierte Betrachtung einzelner Kennzahlen führt nur sehr eingeschränkt zu einer aussagefähigen Beurteilung der betrieblichen Situation. Vielmehr müssen zusätzliche sachliche und zeitliche Zusammenhänge entwickelt werden. Somit ist der Bereich des Kennzahlenvergleichs in den Mittelpunkt gerückt: • Der zeitliche (vorher vs. nachher) Zusammenhang ergibt sich, wenn die Entwicklung dieser Kennzahlen in einer Längsschnittbetrachtung vorgenommen wird, d. h. im Zeitvergleich wie aktueller Marktanteil relativ zum Vorjahresvergleichszeitraum. Dabei ist zunächst an den Vergleich aktueller mit vergangenen Daten zu denken. Dabei können Veränderungen festgestellt und näher analysiert werden. Die Vergleichsbasis kann kurzfristig (z. B. Vorjahresvergleichszeitraum),

244

III. Planung der Marketingkommunikation

mittelfristig (z. B. bei Marktschwankungen) oder langfristig (z. B. bei Konjunkturzyklen) ausgelegt sein. • Der (eigen vs. fremd) Betriebsvergleich (Querschnittsbetrachtung) betrifft den Vergleich verschiedener Einheiten des gleichen Betriebs untereinander bzw. gleicher Einheiten verschiedener Betriebe miteinander. Allerdings besteht oft das Problem der mangelnden Einheitlichkeit der Bezugsbasis wie eigener Werbeaufwand relativ zum direkten Mitbewerb. Deshalb bemühen sich überbetrieb­ liche Organisationen wie IHKen, Verbände, Kreditinstitute etc. um eine entsprechende Vereinheitlichung der Ausgangsbedingungen. • Der Soll-Ist-Vergleich betrachtet die Abweichung der realisierten Ergebnisse im Vergleich zu den intendierten. Insofern handelt es sich um eine Strukturbetrachtung im eigenen Unternehmen wie aktueller eigener Marktanteil relativ zu geplantem Marktanteil. Meist wird dabei ein Abweichungskanal toleriert. Bei der Abweichungsanalyse werden daher die Kriterien der Abweichung, deren Ausmaß und mutmaßliche Ursache untersucht. Im nächsten Schritt können daraus Maßnahmen zur Ist-Soll-Angleichung abgeleitet werden. Ein Kennzahlenvergleich kann sich auf Ergebnisse oder auf das Zustandekommen dieser Ergebnisse als Benchmarking konzentrieren. Der Kennzahlenvergleich kann hierarchisch anhand von Kennziffernsystemen durchgeführt werden, denn einzelne Kennzahlen haben zwangsläufig nur eine begrenzte Aussagefähigkeit. Eine Verkettung mehrerer derartiger Größen ist daher zur Erhöhung der Aussagefähigkeit sinnvoll. Kennziffernsysteme stellen eine solche geordnete Gesamtheit von Kennzahlen als Ordnungssystem dar, die zueinander als Rechensystem in Beziehung stehen, wobei häufig erst diese Gesamtheit in der Lage ist, vollständig über Sachverhalte zu informieren, da es Kennzahlen höheren und geringeren Agglomerationsgrads gibt. Ein Kennziffernsystem ist aber nur in dem Maße erfolgreich, wie die Spitzenkennzahl richtig ausgewählt wird. Als besonders geeignet haben sich in diesem Zusammenhang Return on Investment / ROI bzw. Gesamtkapitalrentabilität, z. B. im DuPont-System erwiesen, dann die Eigenkapitalrentabilität, z. B. im ZVEI- und im RL-System sowie Gewinn und Liquidität, z. B. im PuK-System (für Planung und Kontrolle). Das verbreitete DuPont-System ist wie folgt aufgebaut: • der ROI ergibt sich aus der Multiplikation von Umsatzrendite und Kapital­ umschlag, • der Kapitalumschlag ergibt sich aus der Division von Umsatz und (durchschnittlich) investiertem Kapital, • das investierte Kapital ergibt sich als Summe aus Umlaufvermögen und Anlage­ vermögen,

6. Planungsrahmen

245

• das Umlaufvermögen ergibt sich als Summe aus Zahlungsmitteln, Forderungen und Beständen, • die Umsatzrendite ergibt sich aus der Division von Gewinn und (Brutto-)Umsatz, • der Gewinn ergibt sich als Differenz aus Deckungsbeitrag und fixen Kosten, • der Deckungsbeitrag ergibt sich als Differenz aus Nettoumsatz und variablen Kosten, • der Nettoumsatz ergibt sich als Differenz aus Bruttoumsatz und Erlösschmälerungen. An Kennzahlen wird jedoch weit verbreitete Kritik geübt: • sie stellen nicht Ursache und Wirkung in Bezug zueinander (= mangelnde Objektivität), • sie basieren auf womöglich verzerrten Ursprungsdaten (= mangelnde Reliabili­tät), • sie messen womöglich nicht das, was eigentlich gemessen werden soll (= mangelnde Validität), • sie leisten nur mehr oder minder geringe Erklärungsbeiträge (= mangelnde Signifikanz), • sie sind einseitig Shareholder-orientiert (allerdings sind damit womöglich alle Interessenhalter erfasst).

6.5 Benchmarking Um beurteilen zu können, wie ein konkreter Kennwert einzuordnen ist, ist es erforderlich, ihn in Bezug zu anderen, vergleichbaren, möglichst überlegenen Kennwerten zu setzen und nachvollziehbar zu machen, wie diese überlegenen anderen Kennwerte zustande kommen. Dies erfolgt im Benchmarking. Benchmarking hat einen Mess-, Positionierungs- und Lernaspekt. Ziel ist es, bei jeder einzelnen Teilleistung ein passendes „Vorbild“ zu finden. Dies geht weit über herkömmliche, vor allem interne Kennzahlenvergleiche hinaus, die nur einen Messaspekt haben. Der Messaspekt bezieht sich auf das Merkmal „Wer ist Benchmark?“, der Positionierungsaspekt auf den Vergleich der eigenen Daten mit den Daten des Partners, um festzustellen „Warum ist jemand Benchmark?“ und der Lernaspekt stellt den gegenseitigen Nutzen dar „Wie kann man selbst Benchmark werden?“, hier jeweils bezogen auf das Kommunikationsmanagement. Benchmarking verschafft hohe Glaubwürdigkeit und Akzeptanz für die Setzung selbst hoher Zielstandards, weil dem von anderen Unternehmen/-steilen bereits tatsächlich realisierte Leistungen zugrunde liegen, womit der praktische Beweis dafür erbracht ist, dass sie erreicht werden können. Daraus folgt ein hohes Maß

246

III. Planung der Marketingkommunikation

an Motivation zu herausragenden Leistungen, deren Beurteilung objektivierbar ist. Die Übernahme bewährter, erfolgreicher Prozesse ist zudem meist schneller und risikoärmer als deren eigene Entwicklung. Allerdings darf man sich wirklich nur die jeweils Besten („Best of the best“) als Benchmarking-Partner auswählen. Es gibt verschiedene Formen des Benchmarking. Internes Benchmarking dient dem Vergleich und der Analyse von Prozessen zwischen verschiedenen Abteilungen, Bereichen an einem Standort, Divisions an verschiedenen Standorten bzw. Konzernteilen eines Unternehmens, z. B. Planungsprozess in der Werbeabteilung relativ zu Planungsprozess in der Einkaufsabteilung. Es bietet den Vorteil der einfachen Datensammlung und liefert gute Ergebnisse für diversifizierte, bereits exzellente Unternehmen. Vor allem entstehen keinerlei Geheimhaltungsprobleme. Dagegen spricht, dass nur ein sehr begrenzter Ausschnitt der Wirtschaftswirklichkeit betrachtet wird und ein hohes Maß interner Befangenheit der unvoreingenommenen Beurteilung der Erkenntnisse entgegensteht. So kann letztlich doch „Schlendrian mit Schlendrian“ verglichen werden. Externes Benchmarking bietet den Vorteil der Vergleichbarkeit mit Praktiken / ​ Technologien anderer Unternehmen. Dies setzt zunächst die exakte Festlegung und Abgrenzung des Benchmarking-Themas und des dafür relevanten Informationsbedarfs voraus und funktioniert nur auf Basis der Gegenseitigkeit. Dagegen steht jedoch, dass es weitaus höhere Schwierigkeiten bei der Datensammlung als bei internem Vorgehen gibt. Vielmehr ist von einem antagonistischen Verhalten der beteiligten Unternehmen auszugehen. Im Einzelnen ergeben sich vier Ausprägungen. Funktionales Benchmarking hat den Vergleich mit Unternehmen / Organisationen außerhalb der angestammten Branche, aber in der gleichen Funktion zum Inhalt, und zwar jeweils mit dem Klassenbesten einer Funktion (z. B. Kommunikationsplanung im eigenen Pharmaunternehmen relativ zur Kommunikationsplanung im besten Tourismusunternehmen). Dies erschließt ein großes nutzbares Potenzial durch die Entwicklung professioneller Netzwerke / Datenbanken zwischen interessierten Beteiligten. Dazu ist es erforderlich, für jede einzelne Funktion ein passendes „Vorbild“ zu finden. Sektorales Benchmarking hat den Vergleich innerhalb der Branche, aber in anderer Funktion zum Inhalt. Der Vorteil dieser Vorgehensweise liegt darin, dass die in jedem Fall erforderliche Adaptation leichter fällt, da innerhalb der Branchengrenzen operiert wird (z. B. Kommunikationsplanung im eigenen Pharmaunternehmen relativ zu Beschaffungsplanung im besten Pharmaunternehmen). Allerdings ist eine hohe Sensibilität erforderlich, da direkte Mitbewerber in Kontakt geraten. Andererseits dürfte die Identifizierung eines geeigneten Benchmarking-Partners gut gelingen. Kompetitives Benchmarking betrifft den Vergleich mit Wettbewerbern derselben Branche in der gleichen Funktion (z. B. Kommunikationsplanung im eigenen Unternehmen relativ zur Kommunikationsplanung beim direkten Konkurrenten).

6. Planungsrahmen

247

Dazu bedarf es der Schaffung einer Vergleichsbasis, die angibt, wer worin genau als der Beste zu gelten hat. Diese ist aber immer fraglich. Wesentliche Vorteile sind die Gewinnung geschäftsrelevanter Informationen, die unmittelbare Vergleichbarkeit der dabei zugrunde liegenden Produkte / Prozesse, die relativ hohe Akzeptanz der Ergebnisse und die eindeutige Positionierung im direkten Vergleich. Von Nachteil sind jedoch die partiell schwierige Datenerfassung und die Gefahr branchenorientierter „Kopien“, die kein Überholen (Outpacing) mehr erlauben. Generisches Benchmarking umfasst Bereiche / Prozesse anderer Branchen und Funktionen, vorausgesetzt, es handelt sich bei ihnen um Best of the best wie Kommunikationsplanung im eigenen Pharmaunternehmen relativ zur Beschaffungsplanung im besten Tourismusunternehmen). Gerade die Vielfalt der Unternehmensgrößen, Organisationsformen, Produkte und Märkte bietet gute Ansatzpunkte zur Effizienzsteigerung und Findung innovativer Lösungen für eine Vergrößerung des Ideenspektrums. Gelegentlich kann daraus ein „New game“ abgeleitet werden. Dagegen stehen jedoch Schwierigkeiten bei der Übertragung von Erkenntnissen zwischen den Beteiligten, die zeit- und kostenaufwändig sind. Neben der Primärerhebung von Daten kommt auch eine Sekundärerhebung in Betracht. Als Informationsquellen dienen einschlägige Publikationen zu den betreffenden Themen. Marktforschungsinstitute haben zumeist einen sehr guten Überblick über die „Unternehmenslandschaft“. Empirische Erhebungen und Fallstudien geben Aufschluss über Daten, die aus „realen“ Unternehmen stammen (Best Practice). Wenn möglich, ist die Betriebsbesichtigung vorbildlicher Unternehmen anzustreben. Zur Auswertung stehen auch Datenbanken mit internationalen Standardwerken zum Thema zur Verfügung. Berufsverbände kommen als Auskunftsgeber ebenso in Betracht wie Herausgeber von Fachzeitschriften mit Artikeln über führende Unternehmen. Weiterhin gibt es Benchmarking-Clubs mit Zugang für Mitglieder zu Benchmark-Daten, deren Mitgliedschaft aber für gewöhnlich jeden Teilnehmer verpflichtet, selbst als Benchmarking-Partner für Andere zur Verfügung zu stehen. Schließlich verfügen Unternehmensberatungen oft über relevante Informationen aus ihren globalen Netzwerken. Darüber hinaus greifen diverse Maßnahmen der Competitive intelligence. Allerdings bedarf es einer genauen Absprache und Vorbereitung mit dem Benchmarking-Partner, was Analysethema ist und wie dieses voll ausgeschöpft werden kann. Außerdem ist zu unterscheiden, was wirklich 1 : 1 in den eigenen Prozess übernommen werden kann und was hinsichtlich individueller Gegebenheiten angepasst werden muss.

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III. Planung der Marketingkommunikation

Literaturhinweise Bänsch, Axel: Käuferverhalten, 9. Auflage, München / Wien 2002 Benkenstein, Martin / Ulrich, Sebastian: Strategisches Marketing, 3. Auflage, Stuttgart 2010 Esch, Franz-Rudolf / Herrmann, Andreas / Sattler, Henrik: Marketing, 5. Auflage, München 2017 Freter, Hermann: Markt- und Kundensegmentierung, 2. Auflage, Stuttgart 2008 Gelbrich, Katja / Wünschmann, Stefan / Müller, Stefan: Erfolgsfaktoren des Marketing, 2. Auflage, München 2018 Gleich, Ronald / Kappes, Michael (Hrsg.): Planung, Budgetierung und Forecasting, Freiburg / München / Stuttgart 2019 Hamm, Ingo: Kauf-Instinkt, Stuttgart 2019 Homburg, Christian: Grundlagen des Marketingmanagements, 6. Auflage, Wiesbaden 2020 Kim, W. Chan / Mauborgne, Renée: Der Blaue Ozean als Strategie, 2. Auflage, München 2016 Kleinaltenkamp, Michael / Plinke, Wulff: Strategisches Business-to-Business-Marketing, 2.  Auflage, Berlin / Heidelberg / New York 2002 Kugler, Sascha / Janda-Eble, Henrik von: Markenmanagement mit System, Wiesbaden 2018 Lennerts, Silke / Kuß, Alfred / Tomczak, Torsten: Käuferverhalten, 5. Auflage, Stuttgart 2019 Pepels, Werner (Hrsg.): Marktsegmentierung, 2 Bände, 3. Auflage, Düsseldorf 2013 Rieg, Robert: Planung und Budgetierung, 2. Auflage, Wiesbaden 2015 Solomon, Michael: Konsumentenverhalten, 11. Auflage, Halbergmoos 2016 Szyszka, Peter / Dürig, Uta-Micaela (Hrsg.): Strategische Kommunikationsplanung, K ­ onstanz 2008 Winkelmann, Peter: Marketing und Vertrieb, 8. Auflage, München / Wien 2012

IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung 7. Bestimmung der Zielpersonengruppe Die Abgrenzung der Zielpersonengruppe beschreibt diejenigen Personen, die primär durch Kommunikationsaktivitäten adressiert werden sollen. Denn das Geschäft im Marketing wird glücklicherweise immer noch mit Menschen gemacht. Obgleich rein gar niemand vom Kauf eines Produkts oder Dienstes ausgeschlossen werden soll, ist es dennoch nicht ratsam, ein Angebot ungezielt an den Markt zu geben, sondern statt dessen ein sehr genaues Bild der Zielgruppe vor Augen zu haben, die das Angebot auf jeden Fall annehmen soll. Eine solche Abgrenzung ist jedoch immer im Sinne einer Kernzielgruppe zu verstehen, die im Streubereich nicht gemeinte Personen automatisch mit einschließt. Der Analyse liegen umfangreiche Datenerhebungen und Erkenntnisse aus dem privaten Konsumentenverhalten (7.1) und dem gewerblichen Beschaffungsverhalten (7.2) zugrunde.

7.1 Abgrenzung der B-t-c-Zielgruppe Die Erkenntnisse des Käuferverhaltens als Grundlage für die schlüssige Definition der Zielpersonengruppe sind von besonders hoher Bedeutung für das Kommunikationsmanagement. Dabei wird deutlich, dass immer die Menschen mit all ihren Unvollkommenheiten als Adressaten werblicher Botschaften im Mittelpunkt zu stehen haben. Bei den relevanten Merkmalen handelt es sich traditionell zunächst um demografische, offen erfassbare Variable. Da diese sich jedoch im Verlauf der Zeit als immer weniger leistungsfähig zur Bestimmung der Zielpersonengruppe herausgestellt haben, werden verstärkt verdeckte Variable zugrunde gelegt. Dabei handelt es sich neben der gesellschaftlichen Schichtung (7.1.1) um intrapersonale (psychologische) Variable (7.1.2) und interpersonale (soziologische) Variable (7.1.3). In neuerer Zeit ist dabei vor allem das Phänomen der Meinungsführerschaft für die Werbung relevant geworden (7.1.4). Ebenso werblich zentral ist die menschliche Wahrnehmung der Umwelt (7.1.5). Meist weniger bedeutsam sind hingegen kognitive Variable wie Erlernen und Abspeichern von Inhalten (7.1.6). In neuerer Zeit hat hier die neurologische Sicht der Biostruktur stark an Bedeutung gewonnen (7.1.7). Speziell bei Neuerungen sind Prozessmodelle (7.1.8) relevant (siehe Abbil­ dung IV/63: Merkmale privater Käufe). Diese Konstrukte werden im Folgenden näher beleuchtet.

250

IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

Abbildung IV/63: Einteilungskriterien der B-t-c-Zielgruppe

7.1.1 Gesellschaftliche Schichtung Der demografischen Abgrenzung von Zielpersonen liegt die Vorstellung einer Schichtengesellschaft zugrunde. Die Gesellschaft wird dabei aus verschiedenen Sozialen Schichten gebildet, die quantitativ nach oben hin abnehmen. Konsumenten innerhalb einer bestimmten Sozialen Schicht orientieren sich häufig am Konsum der in der Sozialpyramide über ihrer eigenen Schicht stehenden Gruppe, in die sie aufzusteigen wünschen. Die Konsumenten jeder Sozialen Schicht werden von soziologisch benachbarten Gruppen beeinflusst, deren Impulse Konsumreaktionen auslösen. Auf Konsumveränderungen anderer wird nur bei Überschreiten einer gewissen Reizschwelle reagiert. Dies führt zu einer sozialen Rangordnung mit Zugehörigkeit ihrer Mitglieder. Die soziale Mobilität einer Gesellschaft gibt an, inwieweit diese Grenzen übersprungen werden können. In nivellierten Mittelstandsgesellschaften ist der Diagnose- und Prognosewert der Schichtenzugehörig­ keit eher gering. Eine denkbare Aussage ist, dass Angehörige unterer Sozialer Schichten eher in Fachgeschäften einkaufen, wo die persönliche Beratung ihr Manko fehlender Markttransparenz durch mangelnden Zugang zu aussagefähigen Informationsquellen ausgleicht, allerdings zu einem höheren Preis nach der Poor pay more-These. Eine gesellschaftliche Schicht ist also homogen hinsichtlich vielfältiger, konsumrelevanter Kriterien. Diese werden etwa durch Punktbewertung operationalisiert und auf einem Punktekontinuum abgetragen, in das dann Schichtenschnitte gelegt werden können. Die Einordnung möglichst vieler Menschen in das vertikale Schichtengefüge erfolgt also durch diese operationalen Merkmale. Sie zeigen vorwiegend den eigen erworbenen sozialen Status im Gegensatz zum ererbten an. Die Anzahl der Sozialen Schichten ist von der Gesellschaftsstruktur abhängig. Beispiele sind die Zwei Klassen-Gesellschaft im Schichtenmodell von Marx, wobei das Eigentum an Produktionsmitteln das einzige Unterscheidungskriterium ist, die Ständegesellschaft des Mittelalters mit Adel, Geistlichkeit, Bürgertum und Bauern als in sich geschlossene Gruppen oder das Kastensystem in hinduistischen Indien.

7. Bestimmung der Zielpersonengruppe

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Eine pointierte Form zur Schichteneinteilung der Gesellschaft geht wie folgt vor: • Elite (unter l % der Bevölkerung), gebildet aus Großunternehmern, Hochadel, Spitzenfinanz und gekennzeichnet durch Machtgefühl, elitäres Selbstbewusstsein, Individualismus und Konservatismus. Die soziale Elite verfügt häufig über ererbten Wohlstand und berühmte Familiennamen. Diese Personen spenden große Summen für wohltätige Zwecke, veranstalten Debütantinnenbälle, haben mehr als einen Wohnsitz und schicken ihre Kinder auf die besten Schulen. Sie kaufen Schmuck, Antiquitäten, Immobilien und Ferienreisen. Auftreten und Kleidung dieser Personen sind oft zurückhaltend, weil sie nicht an protziger Zurschaustellung interessiert sind. Trotz der sehr begrenzten Gruppengröße fungiert diese Schicht als Bezugsgruppe für darunter liegende Schichten. Ihre Kaufentscheidungen „sickern nach unten durch“ und werden imitiert. Überwiegend ist großer Haus- bzw. Eigentumswohnungsbesitz gegeben, sehr häufig mit Garten. Es besteht eine überdurchschnittliche Neigung zu hochpreisigen Produkten. Überwiegend handelt es sich um kinderlose Paare, die sehr reisefreudig sind, besonders Fernreisen, und sich sehr aktiv in Politik und Gesellschaft engagieren. Überdurchschnittlich gute Ausstattung mit Freizeit-Equipment ist vorhanden. • Obere Oberschicht (ca. 2 %), gebildet aus Leitenden Angestellten, Ärzten, Professoren und gekennzeichnet durch starke Berufs- und Fachorientierung, Erfolgsstreben, Optimismus, Weltverbesserungsziel und Dynamik. Zu dieser Schicht zählen Personen, die durch ihre außerordentlichen Leistungen in Beruf und Wirtschaft zu hohem Einkommen und Wohlstand gekommen und meist aus der Mittelschicht aufgestiegen sind. Sie neigen zu ausgeprägtem gesellschaft­ lichen und staatsbürgerlichen Engagement und streben nach Statussymbolen für sich und ihre Sprösslinge, wie teure Häuser, Yachten, Swimming-Pools, Luxus­ wagen, bestmögliche Ausbildung. Dazu gehören auch die Neureichen, die mit ihrem auffälligen Konsumverhalten die sozial niedriger stehenden zu beeindrucken suchen. Diese Personen streben danach, in die obere Oberschicht aufgenommen zu werden, doch diesen Status erreichen wenn überhaupt meist erst ihre Kinder. Eigen­heim und Wohnung in eigenen Zwei- bis Vierfamilienhäusern sind vorhanden. Es besteht eine deutliche Tendenz zu hochpreisigen Produkten, auch zu Familienartikeln. Überwiegend handelt es sich um Ehepaare mit Kindern, die als Kulturkonsumenten gelten und überdurchschnittlich viele Vereinsmitgliedschaften aufweisen. • Untere Oberschicht (ca. 12 %), gebildet aus höheren Angestellten, Ingenieuren, mittelständischen Geschäftsinhabern und gekennzeichnet durch bürgerliche Einstellung, Bindung an Institution und Ordnung, Betonung der Strebsamkeit, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit. Diese Personen besitzen weder statusträchtige Familiennamen noch außergewöhnlichen Reichtum. Ihr Hauptanliegen ist es, Karriere zu machen, und sie sind als Selbstständige, Unternehmer oder Manager in hohe Positionen aufgerückt. Sie legen großen Wert auf gute Ausbildung und wollen, dass ihre Kinder auf eine erfolgreiche berufliche Karriere vorbe-

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

reitet werden, damit sie nicht in eine tiefer liegende soziale Schicht abrutschen. Sie beschäftigen sich viel mit bürgergesellschaftlichen Ideen und Kultur und sie sind bereit, bei vielen Dingen mitzumachen und sich staatsbürgerlich zu engagieren. Sie zählen zur Klientel für hochwertige Wohnungen, Bekleidung, Möbel und technische Gebrauchsgüter. Ihr Ehrgeiz ist ein kultiviertes Zuhause, in dem sie persönliche und geschäftliche Freunde entsprechend bewirten können. Dazu werden Eigentums- oder gehobene Mietwohnungen in attraktiver Lage genutzt. Die Einstellung ist prestigeorientiert mit ausgeprägtem Markeninteresse, aber auch Einkauf bei Discounters. Es handelt sich überwiegend um kinderlose Paare oder Singles, die urlaubsfreudig und kulturell interessiert sind. • Obere Mittelschicht (ca. 31 %), gebildet aus mittleren Angestellten, Meistern, kleinständischen Händlern und gekennzeichnet durch Mittelstandsbewusstsein, Abgrenzung gegenüber der Arbeiterschaft, Gefühl der Schwäche und Bedrohung, Identifikation mit Betrieb und Technik. Diese Personen verfügen über ein durchschnittliches Einkommen und bemühen sich, „immer alles richtig zu machen“. Sie kaufen oft Dinge, die gerade populär sind, um „mit der Zeit zu gehen“. Viele fahren ausländische Automarken, die Mehrzahl interessiert sich für modische Kleidungstrends, wobei prestigeträchtige Marken bevorzugt werden. Unter besseren Lebensumständen versteht diese Gruppe ein hübsches Zuhause in netter Umgebung in einem besseren Stadtviertel, wo es „gute“ Schulen gibt. Mit Überzeugung wird in lohnenswerte Erfahrungen für die Kinder investiert, die einmal die Hochschule besuchen sollen. Sie wohnen in Einfamilienhäusern in gewachsenen Wohnvierteln. Der Konsum erfolgt qualitätsorientiert, aber preisbewusst. Es handelt sich überwiegend um Ehepaare mit Kindern, u. a. sind ein überdurchschnittlicher Haustierbesitz, ein starkes Interesse an Heimwerkern und rege Vereinstätigkeit gegeben. • Untere Mittelschicht (ca. 38 %), gebildet aus unteren Angestellten, Gesellen, Facharbeitern und gekennzeichnet durch ein unklares Gesellschaftsbild, Bindung an Objekte des Berufs, Selbstbild des einfachen Menschen, Identifikation mit der Industrie und den Glauben an die Zukunft. Diese Personen sind stark auf wirtschaftliche und emotionale Unterstützung angewiesen. Der Urlaub wird nicht selten Zuhause verbracht und unter „wegfahren“ verstehen sie einen Abstecher an einen Erholungsort, der nicht weiter als zwei Fahrstunden entfernt liegt. Zwischen den Geschlechtern besteht eine klare Rollentrennung mit stereotypen Rollenbildern. Beim Autokauf werden normale bis große Modelle, meist gebraucht, bevorzugt, Kleinwagen inländischer und ausländischer Produktion hingegen eher abgelehnt. Bewohnt werden ältere Reihenhäuser bzw. Mietwohnungen in größeren Häusern. Der Konsum erfolgt sehr preisbewusst. Es handelt sich überwiegend um Ehepaare mit Kindern, die reisefreudig, vorwiegend innerhalb Europas, sind. • Obere Unterschicht (ca. 9 %), gebildet aus Hilfsarbeitern, Tagelöhnern, Gele­ genheitsarbeitern und gekennzeichnet durch raue Männlichkeit, Bindung an

7. Bestimmung der Zielpersonengruppe

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Kameraden, Ansehung der Arbeiterschaft als das Fundament des Staates. Der Lebensstandard dieser Personen liegt nur knapp über der Armutsgrenze. Sie verrichten schlecht bezahlte Tätigkeiten, versuchen aber, auf der sozialen Leiter nach oben zu klettern. Ihre Schulbildung ist häufig unzureichend. Zwar leben diese Personen finanziell betrachtet in einer sehr angespannten Situation, doch gelingt es ihnen immer noch, Selbstdisziplin und Sauberkeit auszustrahlen. Sie wohnen in Mietwohnungen innerhalb von Wohnblocks. Es besteht eine Neigung zum Konsum preiswerter Handelsmarken. Meist sind Ehepaare mit höchstens zwei Kindern gegeben, die Freizeitbeschäftigung ist eher anspruchslos, etwa als Schrebergärtner. • Untere Unterschicht (ca. 7 %), gebildet aus Langzeitarbeitslosen, Nichtsess­ haften und gekennzeichnet durch das Selbstbild des „armen Schluckers“, mit sozialer Isolation und Aggressivität. Diese Personen sind überwiegend auf Sozialhilfe angewiesen und leben auch äußerlich erkennbar in Armut. Sie sind selten daran interessiert, Arbeit zu finden und permanent abhängig von finanziellen Hilfen des Staates und von Wohlfahrtsorganisationen. Ihre Wohnungen, Kleidungsstücke und Habseligkeiten sind schmutzig und abgewetzt. Sie bewohnen Mietwohnungen innerhalb von Wohnblocks. Es besteht eine deutliche Konsumneigung zu billigen Gattungswaren. Es handelt sich überwiegend um Singles oder kinderlose Paare ohne Perspektive. In der Freizeit sind Kneipenbesuche und Volkssport wichtig. Diese und ähnliche Einteilungen sind jedoch einerseits sehr holzschnittartig und werden der Ausdifferenzierung gesellschaftlicher Verhältnisse in keiner angemessenen Weise gerecht. Andererseits vollzieht sich ganz zweifellos ein Wandel von der Schichten- zu einer Lebensstil-Gesellschaft. Zielpersonengruppen vereint damit nicht mehr eine ähnliche Demografie, sondern ein gleicher Lebensstil bei heterogener Demografie. Damit aber wird diese Form der Abgrenzung stumpf. Sie ist sehr indirekt und zeigt lediglich Ausprägungen, nicht aber Beweggründe. Ein Beispiel für die Unzulänglichkeit demografischer Zielpersonenbeschreibungen ist folgende Beschreibung (Quelle: N. N.): • Geburtsjahr: 1948, Heimatland: Großbritannien, Geschlecht: männlich, Familienstand: zum zweiten Mal verheiratet, zwei erwachsene Kinder, Einkommen: sehr wohlhabend, Status: prominent. Zwei Personen, die diese Beschreibung eint, sind Ozzy Osbourne und Prinz Charles. Es steht jedoch zu vermuten, dass beider Kaufverhalten erheblich voneinander abweichen dürfte.

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

7.1.2 Intrapersonale Variable Die intrapersonalen Variablen können in drei Gruppen eingeteilt werden: die Erklärung durch aktivierende Variable wie Emotion, Motivation und Einstellung oder durch individuelle Variable wie Involvement, Risikoempfinden und Werthaltung (siehe Abbildung IV/64: Intrapersonale Variable).

Abbildung IV/64: Intrapersonale Variable

7.1.2.1 Aktivierende Elemente Diese beschreiben innere Erregungszustände, welche den Organismus in einen Zustand erhöhter Leistungsbereitschaft und -fähigkeit versetzen. Man unterscheidet nach dem Aktivierungsniveau die tonische und im Zeitablauf nach Schwankungen die phasische Aktivierung. Die Leistung ist dabei bei mittlerer Erregung als Arousal Level am höchsten. Zu geringe Erregung führt zu Lethargie, zu hohe Erregung zu Hektik. Beides ist der Leistung zur Zielverfolgung nicht dienlich. Vielmehr muss ein mittlerer Erregungsgrad angepeilt werden. Bei den Variablen handelt es sich im Einzelnen um folgende. Emotion ist eine psychische Erregung, die subjektiv wahrgenommen wird durch Interesse, Freude, Überraschung, Kummer, Zorn, Ehre, Geringschätzung, Furcht, Scham oder Schuldgefühl. Die Erregung bestimmt dabei das Maß der physiologischen Aktivierung und die Richtung die Art der Aktivierung, also steigend oder fallend. Die Qualität der Aktivierung bestimmt das Erlebnis als angenehm oder unangenehm und das Bewusstsein den Wahrnehmungsgrad der Aktivierung, also bewusst oder subliminal. Auslöser für Emotionen sind Schlüsselreize, also Reize, die mehrere Teilinformationen über das Wahrnehmungsobjekt in sich bündeln wie Gütezeichen, Warentestergebnis, Markenlogo. Der Zusammenhang zwischen Aktivierungsgrad und Leistungsfähigkeit des Individuums wird durch die LambdaKurve versinnbildlicht (siehe Abbildung IV/65: Lambda-Kurve der Aktivierung). Werbung hat die Aufgabe der Aktivierung von Rezipienten. Problematisch ist aber die Aussteuerung eines mittleren Aktivierungsgrads, der die höchste Leis-

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Abbildung IV/65: Lambda-Kurve der Aktivierung (Quelle: eig. Darst.)

tungsfähigkeit i. S. v. Wahrnehmungsreiz, Aufnahme von Botschaften und Verständnis bedeutet. Eine zu schwache Aktivierung führt hingegen ebenso zu geringer Leistungsfähigkeit wie eine zu starke. Fraglich ist allerdings, wie eine Person auf einen werblichen Reiz reagiert, denn was die eine Person erheblich aktiviert (z. B. Promi-Testimonial) lässt eine andere völlig kalt. Außerdem ist die Leistungsfähigkeit auch davon abhängig, wie sich eine Person unter Stress verhält, einige werden kopflos, andere sind voll konzentriert. Motivation gilt als mit Antrieb versehener und auf Behebung ausgerichteter Bedarf. Je dringlicher dieser ist, desto eher soll er befriedigt werden. Mit der Befriedigung eines Bedürfnisses erhält automatisch das nächstfolgende Priorität. Es gibt primäre Motive, die angeboren sind wie Versorgung, Arterhaltung oder Nachteilsvermeidung und sekundäre Motive, die erworben sind wie Prestige, Macht oder Lebensqualität und in großer Mehrheit verhaltensrelevant sind. Weiterhin intrinsische Motive, die eine Selbstbelohnung / Vermeidung von Bestrafung zum Inhalt haben, und extrinsische Motive, die außengeleitet sind, sowie unbewusste Motive, die unterhalb der eigenen Wahrnehmungsschwelle liegen, also Verhalten im Verborgenen steuern, und bewusste Motive, die sich oberhalb dessen befinden und denen gezielt nachgegangen werden kann. Sind die Antriebe widersprüchlich, entstehen Motivkonflikte: • Ein Appetenz-Appetenz-Konflikt liegt vor, wenn eine Person zwei oder mehr Motive als positiv wahrnimmt, sich aber für eines von ihnen entscheiden muss, man sagt, die Qual der Wahl haben, etwa beim Haushaltsbudget Badrenovierung oder Fernreise. • Ein Appetenz-Aversions-Konflikt liegt vor, wenn ein identisches Ziel sowohl positive als auch negative Wahrnehmungen bei einer Person auslöst, die gegen­

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

einander abzuwägen sind, man sagt, hin- und hergerissen sein, etwa im Beruf Positionsaufstieg und mehr Arbeitsleistung. • Ein Aversions-Aversions-Konflikt liegt vor, wenn eine Person sich zwischen zwei oder mehr, von ihr sämtlich als negativ wahrgenommenen Alternativen entscheiden muss, man sagt, das geringere Übel wählen, etwa Kfz-Haftpflichtversicherungsangebote. Zur Erklärung der Motivation gibt es zahlreiche Theorien, die versuchen, die Bestimmungsgründe für menschliches Verhalten zu erklären. Inhaltstheorien versuchen dabei, die Motive von Menschen im Ergebnis zu klassifizieren (Was). Prozesstheorien versuchen zu erklären, wie Motivation zu Verhalten führt (Wie). Die verbreitetsten seien hier kurz erläutert: • Die Bedürfnishierarchie (Maslow) unterscheidet aufsteigend fünf Motivklassen. Physiologische Grundbedürfnisse richten sich auf die Selbsterhaltung des Menschen wie ausreichendes Essen / Trinken, Schlaf, saubere / warme Kleidung, Gesundheit etc. Sicherheitsbedürfnisse beziehen sich auf seinen Schutz vor Gefahren wie adäquate Wohnung, sicherer Arbeitsplatz, Absicherung bei Krankheit / Alter etc. Soziale Bedürfnisse kennzeichnen den Kontakt zu anderen Menschen durch Zugehörigkeit, Verbindung, lieben und geliebt werden. Wertschätzungsbedürfnisse beziehen sich auf die Achtung und Anerkennung durch andere Menschen, das Streben nach Wohlstand / Macht / Karriere / Auszeichnungen etc. Und Selbstverwirklichungsbedürfnisse betreffen den Wunsch nach persönlicher Entfaltung und Transzendenz (Wissen, Verstehen, Sinnhaftigkeit). Hierarchisch höhere Bedürfnisse gewinnen erst an Bedeutung, wenn die niedrigeren hinreichend befriedigt sind. Befriedigte Bedürfnisse wirken nicht mehr motivierend. Allerdings ist diese Hierarchie der Bedürfnisse äußerst fragwürdig und wohl eher anschaulich gemeint (siehe Abbildung IV/66: Maslow’sche Bedürfnishierarchie). Demnach ist es in der werblichen Auslobung sinnvoll, möglichst „weit oben“ angesiedelte Motive anzusprechen, da davon eine höhere Aktivierungswirkung ausgehen dürfte. Zum Beispiel lobt Hornbach seine Baumarktartikel nicht für Reparatur- und Wartungszwecke aus, sondern als Selbstverwirklichung engagierter Hobbyisten (es ist von „deinem Projekt“ die Rede). Bei Bier lautet die Hierarchie etwa wie folgt: – Existenz: Durstlöschung, Sicherheit: nach Reinheitsgebot gebraut, Zugehörig­ keit: trinkt man in geselliger Runde, Geltung: die Wahl beweist Kennertum, Selbstverwirklichung: für die besonderen Momente im Leben. • Die ERG-Theorie (Alderfer) reduziert die fünf Klassen nach Maslow auf nur noch drei: Existenzbedürfnisse (E), Beziehungsbedürfnisse (R) und Wachstumsbedürfnisse (G). Diese Bedürfnisse werden jedoch im Unterschied zu Maslow

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Abbildung IV/66: Maslow’sche Bedürfnishierarchie (Quelle: eig. Darst.)

gleichrangig wirksam, Beziehungs- und Wachstumsbedürfnisse verstärken sich dabei gegenseitig. Unbefriedigte Bedürfnisse werden dominant und sowohl bei Befriedigung als auch bei Nichtbefriedigung erhalten jeweils andere Bedürfnisse Dominanz. Fraglich ist hier die empirische Fundierung. • Die Zwei-Faktoren-Theorie (Herzberg) unterscheidet in arbeitsbezogene Motivatoren wie Anerkennung, Verantwortung oder interessante Aufgabeninhalte einerseits und arbeitsbezogene Hygienefaktoren wie Bezahlung, Status oder Führungsqualität andererseits. Motivatoren wirken dauerhaft leistungsanreizend und nutzen sich nicht ab. Hygienefaktoren sind hingegen notwendige Rahmenbedingungen für Leistung, ohne jedoch selbst motivierend zu wirken. Ihr Fehlen führt zur Unzufriedenheit, ihr Vorhandensein ab einem Sättigungsgrad zu keinem weiteren Leistungsanreiz. Dabei ist es wichtig, die Hygienefaktoren immer hinreichend zu erfüllen, denn ohne diese können auch Motivatoren nicht wirksam werden (Problem etwa bei der Deutschen Bahn). Die Kaufmotivation drückt sich in der Werbung zentral im Nutzenangebot (Benefit) aus, das im Vordergrund jeder Werbung stehen sollte. Besser als dies direkt anzusprechen, ist die indirekte Adressierung. Preisgekröntes Beispiel ist der Spot „Wo ist der Tank?“ innerhalb der Audi-Kampagne für den A 6 TDI (youtube.com/ watch?v=zSZX27clH60). Einstellung ist die relativ stabile innere Bereitschaft (auch Prädisposition) einer Person, auf einen Stimulus (z. B. Markenlogo) konsistent positiv oder negativ zu reagieren. Mehrdimensionale Einstellungen werden Images genannt. Einstellungen führen zu organisierten Überzeugungen, Vorurteilen und Meinungen. Positive

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

Einstellungen erhöhen Motivation und Leistung, negative vermindern sie. Einstellungen haben die Merkmale des Objektbezugs, sie sind also immer auf ein bestimmtes Bezugsobjekt wie Sache, Person, Thema oder Angebot gerichtet, der Erworbenheit, sie entspringen allein dem Sozialisationsprozess durch Lernen aus Erfahrung und des Systemcharakters, indem sie sich in eine affektive Komponente, welche die gefühlsmäßige Einschätzung als Sympathie zur Marke betrifft, eine kognitive Komponente, welche die verstandesmäßige Beurteilung der Leistungsmerkmale betrifft und eine konative Komponente unterteilen, welche die handlungsmäßige Konsequenz betrifft, also Kauf oder Nichtkauf (siehe Abbildung IV/67: Einstellungs-Verhaltens-Kontext). Hinsichtlich der Lern- und Verhaltenswirkungen der Einstellung bestehen verschiedene Hierarchien: • Wenn Rezipienten involviert und Alternativen klar unterscheidbar sind, gilt: Lernen (Kognition) vor Einstellungsänderung (Affektion) vor Verhaltensänderung (Konation). • Wenn Rezipienten involviert sind und Alternativen kaum unterscheiden sind, gilt: Verhaltensänderung vor Einstellungsänderung vor Lernen. • Wenn Rezipienten gering involviert und Alternativen kaum unterscheidbar sind, gilt: Lernen vor Verhaltensänderung vor Einstellungsänderung. • Wenn Rezipienten gering involviert, aber Alternativen klar unterscheidbar sind, gilt: Einstellungsänderung vor Verhaltensänderung vor Lernen.

Abbildung IV/67: Einstellungs-Verhaltens-Kontext (Quelle: eig. Darst.)

7.1.2.2 Individuelle Elemente Individuelle Elemente liegen der in der Person des aktuellen oder potenziellen Nachfragers begründet. Bei ihnen handelt es sich ebenfalls um theoretische Konstrukte. Unter Involvement versteht man einen inneren Zustand der Aktivierung, der die Informationsaufnahme, -speicherung und -verarbeitung beeinflusst. Diese Aktivie­

7. Bestimmung der Zielpersonengruppe

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rung ist personen-, situations- und reizabhängig. High Involvement-Situationen sind solche, die für den Nachfrager wichtig sind, weil sie ein hohes persönliches Risiko aus Selbsteinschätzung, ein finanzielles aus Geldmitteleinsatz, ein soziales aus Fremdeinschätzung oder ein psychologisches aus Dissonanzen bergen. Low Involvement-Situationen sind hingegen weniger wichtig und risikoreich, so dass es nicht sinnvoll erscheint, sich mit ihnen intensiv auseinander zu setzen. Die Low Involvement-Hierarchie unterstellt daher, dass es zu Verhalten ohne vorherige kognitive Auseinandersetzung kommen kann (V – E). Die High Involvement-Hierarchie unterstellt hingegen, dass ohne Einstellungsbildung kein Verhalten erfolgen kann (E – V). Was hoch und was gering involvierend ist, hängt nicht allein vom Produkt ab, sondern vom Rezipienten und den Umständen der Situation, z. B. Umfeld, Stress, sowie von der Art der Botschaft. Personenabhängig erfolgt unter ansonsten gleichen Bedingungen eine verschiedene Involvierung, ebenso abhängig vom Produktinteresse und dem Medieneinsatz. Bei geringem Involvement wird generell eine hohe Zahl an Wiederholungen von Botschaften zur Verankerung im Gedächtnis der Zielpersonen empfohlen. Wear-out-Effekten kann vorgebeugt werden, indem das im Grunde gleiche Thema immer wieder neu inszeniert wird. Bei hohem Involvement hingegen ist ein rasches Lernen von Botschaften anzunehmen, und zwar sowohl informativ als auch von emotional angelegten. Dafür ist mit raschem Wear-out zu rechnen. Ein gängiges Rezept ist die werbliche Transformation einer gering involvierenden Situation in eine hoch involvierende. Dies geschieht meist durch Problematisierung, also durch Schaffung eines Problems, das Rezipienten bisher gering geschätzt haben oder auch gar nicht kannten und zugleich Entspannung zur Lösung des Problems durch das beworbene Produkt. Insofern ist eine argumentative Botschaftsauslobung sinnvoll. Alternativ dazu ist aber auch möglich, eine gering involvierende Situation beizubehalten und über werbliche Penetration eine Kauf­ erwägung zu schaffen. Dann ist weniger ausschlaggebend, was ausgelobt wird, sondern dass die Auslobung möglichst häufig erfolgt. Das Risikoempfinden beschreibt die als nachteilig empfundenen Folgen einer Entscheidung, die nicht vorhersehbar sind. Diese Unsicherheit oder Dissonanz kann vor der Entscheidung oder vor allem danach auftreten. Dissonanzen sind meist kognitiv bedingt. Der Grad des wahrgenommenen Risikos ist von der individuellen Risikobereitschaft abhängig und hat einen finanziellen, funktionalen, sozialen und psychologischen Aspekt. Zweifel an der Richtigkeit einer Entscheidung wollen vom Menschen zur Konsonanz ausgeglichen werden. Insofern ist eine Dissonanzreduktion erforderlich. Diese erfolgt etwa durch Änderung im Umfang der Kognition, durch Hinzufügung neuer Kognitionen oder Ausschaltung dissonanter Kognitionen, durch Änderung von Inhalten der Kognition, nachträgliche Aufwertung des gewählten Entscheids bzw. nachträgliche Abwertung der verworfenen Entscheide, Unterstellung der Gleichartigkeit der gewählten zu der / ​ den verworfenen Entscheide oder Rückgängigmachung des Entscheids als Ultima ratio.

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

Werbung muss Interessenten bzw. Käufern dabei helfen, ihre Vorkauf- bzw. Nachkaufdissonanzen zu verringern, indem sie genau die Argumente anführt, die diesen Personen helfen, Spannung abzubauen und sich zum Kauf zu entschließen bzw. Kundenzufriedenheit zu empfinden. Problematisch ist dabei, dass ein Werbungtreibender normalerweise nicht weiß, welche Personen sich in welcher Kaufphase befindet, außer es gibt explizite Indikatoren wie Informationsanfragen oder Beschwerden. Teils wird versucht, Nachfrager durch die Kaufphasen zu leiten, etwa bei der Anlage einer Customer Journey oder durch Initiativen zum Feedback.

7.1.2.3 Werthaltung Werte sind allgemein Auffassungen von Wünschenswertem, die explizit oder implizit für ein Individuum oder für eine Gruppe kennzeichnend sind und die Auswahl der zugänglichen Weisen, Mittel und Ziele des Handelns beeinflussen. Werte bilden allgemein ein System von Einstellungen und schaffen gemeinsam mit der Persönlichkeit und dem Selbstkonzept einen Lebensstil. Man unterscheidet: • Globalwerte als überdauernde Überzeugungen, die sich auf gewünschte Existen­ zialzustände bzw. Verhaltensweisen beziehen. Dabei handelt es sich um wenige Basiswerte und Grundorientierungen, etwa die Beachtung der Ökologie beim Kauf. • Bereichswerte als kaufbezogene Aspekte, die Auskunft über Lebens- und Gesellschaftsbereiche geben, etwa die Bevorzugung von Qualität. • Angebotswerte als produktliche Attribute und deren bewertende Überzeugungen. Verbreitete Werte betreffen Unabhängigkeit, Freizügigkeit, Harmonie, Konfliktfreiheit, Schutz gegen Angriffe, Unterhaltung, Genuss, Selbstachtung, Freundschaft, Erlösung, soziale Anerkennung, Reife, Komfort, Einkommen, interessantes / ​ erfülltes Leben, Frieden, Vertrautheit, Sex, Natur, schöne Künste, Chancengleichheit, Gleichberechtigung, Familie. Solche Wertestrukturen kommen durch Haltungen zum Ausdruck. Werte sind in andauerndem Wandel begriffen. Daher gibt es zahlreiche Trend­ reports, die versuchen, den Wertewandel aktuell zu erfassen oder gar zu antizipieren (variiert nach Popcorn-Report): • Cashing out. Darunter versteht man den Drang der Konsumenten zu einem weniger hektischen und damit eher lohnenswerten Leben. Dem kann durch Bequemlichkeit im Handel trefflich Rechnung getragen werden. Dazu gehören jegliche Art von Kundendiensten, angefangen von der Auftragsannahme und Parkplatzbereitstellung über die Warengruppenkennzeichnung und Ausgabe von Leih- / Testgeräten bis zum Lieferservice und zur Nachbetreuung über Kontakterhaltung mit Kunden. Wichtig ist dabei in jedem Fall, dass diese Dienste, so sie Nutzen relevant für Kunden sind, durchaus entgeltlich angeboten werden sollen, denn et-

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was, was Nutzen stiftet, löst bei Kunden eine entsprechende Preisbereitschaft aus. Oder anders: Etwas, für das Kunden nicht bereit sind, Geld auszugeben, stiftet auch keinen Nutzen, schafft dem Anbieter also auch keinen Marktvorsprung und ist daher als Service verzichtbar. • Cocooning. Dies ist der Ausdruck des Bedürfnisses, sich in sein Heim zurückzuziehen, wenn es „draußen“, also im richtigen Leben, allzu rau wird. Darauf kann der Handel in zweierlei Richtung reagieren, erstens durch das Angebot besonderer Attraktionen am Handelsplatz (und damit sind nicht Sonderangebote gemeint) und zweitens durch die Nutzung telekommunikativer (interaktiver) Angebotswege. Insofern liegt hier eine wesentliche Triebfeder der explodierenden Entwicklung des E-Commerce. Sofern mit dem Einkauf aber ein besonderes Erlebnis verbunden ist, werden sich Interessenten, zumindest auf absehbare Zeit, weiterhin gern auf den Weg zum Handelsplatz machen. Je unattraktiver dieser Handelsplatz aber aufgemacht ist, desto leichter wird es ihnen fallen, die zukünftig immer komfortableren elektronischen Einkaufsmöglichkeiten für sich zu nutzen. • Down Aging. Dies meint die weit verbreitete Tendenz der Loslösung von Lebensalter und Einstellung. Man fühlt sich jünger als man tatsächlich ist und verhält sich entsprechend dieser subjektiven Einstellung und nicht entsprechend dem rein rechnerischen Lebensalter. Daher sind alle Arten traditioneller Seniorenansprache zweifelhaft, hingegen ist jede Art von Berücksichtigung altersbedingter Unzulänglichkeiten (z. B. Sehunschärfe bei Preisauszeichnung, Blickfeldeinschränkung bei Warenpräsentation, Kraftschwund bei Selbstbedienung am Regal) von erheblicher akquisitorischer Bedeutung. Wichtig ist auch, die Warenvielfalt klar zu rubrizieren, damit die immer zahlreicheren älteren Menschen mit immer besserer Kaufkraft auch das Angebot finden, für das sie Geld ausgeben wollen. Dies wird allerdings angesichts ausufernder Sortimente immer schwieriger. • Egonomics. Hierbei liegt der verständliche Wunsch zugrunde, sich als Person zu individualisieren und entsprechend im Markt behandelt zu werden. Dem werden vielfältige Aktivitäten am Handelsplatz gerecht, besonders jegliche Form der Beratung. Da die Anzahl der Verkaufsberater betriebswirtschaftlich an enge Grenzen stößt, ist vor allem ihre Qualität zu betonen, d. h. ihre Kompetenz (durch Schulungsmaßnahmen) und Sympathie (durch Trainingsmaßnahmen). Sie haben zum Ziel, Kunden den Eindruck zu vermitteln als Mensch, und nicht nur als Geldbörsenträger, behandelt und ernst genommen zu werden, kurz: sich wohl zu fühlen. Und wo man sich wohl fühlt, da kommt man im Zweifel gern wieder zurück. Und das trotz manch vordergründig verlockender Sonderangebote der Konkurrenz. • Fantasy Adventure. Hierunter ist die Flucht vor zermürbenden Routineabläufen in realistische Fantasien (Eskapismus) zu verstehen. Dies kennt man aus der Werbung für Konsumgüter, etwa bei Zigaretten (Marlboro, Camel). Im Handel bedeutet dies vor allem die Betonung des Einkaufserlebnisses. Wichtig ist dabei

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

das Wechselspiel zwischen Entspannung und Überraschung, da ansonsten ein ununterbrochen erhöhtes Aktivitätsniveau rasch stresst. Entspannung wird durch Ruhe- und Kommunikationszonen geboten, Faszination durch überlegte Inszenierung des Waren- und Diensteangebots (gekonnte Lichteffekte, dezente Musik, Dekoration im Verwendungszusammenhang etc.). Das bedeutet, es kommt nicht nur darauf an, was man anbietet, sondern vor allem auch, wie man es anbietet und dramatisiert. • 99 Lives. Jede Person nimmt demnach im Rahmen ihres privaten und gesellschaftlichen Lebens unterschiedliche Rollen wahr. Zu denken ist an Prosumer, die als Co-Produzenten das Angebot mitbestimmen. In weiteres Indiz sind hy­ bride Verbraucher, die im ungeliebten Grundnutzenbereich strikt nach Preis, im präferierten Zusatznutzenbereich jedoch generell nach Leistung entscheiden. Das führt dazu, dass Zielgruppen immer weniger nach traditionellen Mechanismen zu bestimmen sind, sondern multioptional handeln, also verschiedene „Leben“ spiegeln. • Save our Society. Wachsendes Ethikbewusstsein und Sozialverantwortung sind unverzichtbare Grundwerte im zukünftigen Lebensgefühl. Dabei geht es über das altruistische Anliegen nach Bewahrung hinaus ganz profan darum, diesen Trend zu bedienen. Etwa durch die Betonung ökologischer Aspekte (Recyclingfähigkeit / Warenkreislauf, Stromverbrauchsargument, Haltbarkeitshinweis etc.), aber auch anderweitiger gesellschaftlicher Verantwortung (Kultursponsoring, SocialPR etc.). Hinzu kommen bewusst einfache „hoch intelligente“ Geräte ohne aufdringlichen technischen Schnickschnack, aus natürlichen Materialien, ergonomisch (weich) geformt, mit mehrfachen Funktionen. Unternehmen müssen in diesem Zusammenhang auch über ihren Geschäftszweck nachdenken und ihn gesellschaftlich relevant definieren. • Small Indulgences. Gelegentliche Selbstbelohnung wird als notwendig erachtet, um einerseits erbrachte Leistungen zu honorieren und andererseits die weitere Leistungserbringung zu motivieren. Diese Selbstbelohnung wird vor allem im Konsumerlebnis gesucht. Wegen der hohen emotionalen Besetzung kommt es für den Entscheid daher primär nicht auf den Preis an, sondern auf die Motivation. Betrachtet man die weit verbreitet noch vorhandene „Massenwarendarbietung“ im Handel, kommen Bedenken auf, ob dieser Aspekt genügend gewürdigt wird. Ebenso sollte das Denken in Sonderangeboten, die ohnehin keine Geschäftsstättenbindung aufzubauen imstande sind, denn besonders Preis sensible Käufergruppen werden immer dort einkaufen, wo es gerade am billigsten ist, und kein Betrieb kann dauerhaft am billigsten sein, abgelöst werden durch das Denken in Nutzenversprechen. • Staying Alive. Hierbei geht es um das Bemühen des Menschen, länger zu leben und vor allem gesund zu bleiben, daher wird verstärkt auf gesunde Ernährung, Sport etc. geachtet. Im Handel betrifft dies das Angebot von Gesundheitssortimenten, die geeignet sind, das körperliche Wohlbefinden zu steigern und der

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Gesundheitsvorsorge zu dienen oder auch der Abwehr von Gefahren, z. B. durch Schulungen zur Handhabung gefahrengeneigter Produkte. • Viligant Consumer. Dies bezeichnet die unnachsichtige Reaktion der Kunden auf schlechte Qualität von Waren und Dienstleistungen. Bei den Waren haben die maßgeblichen Hersteller seit geraumer Zeit durch Total quality darauf hingewirkt, Null-Fehler-Standards zu erstellen. Im Handel aber, wo der Anteil von Dienstleistungen dominant ist, die wiederum Personen abhängig sind, ist die Leistungsqualität noch dramatisch verbesserungsfähig. Zu denken ist vor allem an ein völlig kostenloses Qualitätsmerkmal, das leider noch viel zu selten genutzt ist, die Freundlichkeit der Kundenkontaktmitarbeiter.

7.1.2.4 Lebensstil Werte verkörpern sich in Lebensstilen, die umfassend kennzeichnen, wie Menschen leben, ihre Zeit verbringen und ihr Geld ausgeben. Der AIO-(Activities, Interests, Opinions-)Ansatz macht diese fest an: • beobachtbaren Aktivitäten wie Arbeit, Hobbys, soziale Ereignisse, Urlaub, Unterhaltung, Vereinsmitgliedschaft, Gemeinschaften, Einkaufen oder Sport, • emotionalen Interessen wie Familie, Zuhause, Einkommen / Beruf, Gemeinschaften, Erholung, Mode, Essen, Medien oder Leistungserreichung, • kognitiven Meinungen wie Einstellungen zu sich selbst, zu sozialen Belangen, Politik, Geschäftswelt, Wirtschaft, Erziehung / Bildung, Produkten, Zukunft oder Kultur. Der VALS(Value and Lifestyle)-Ansatz (Stanford Research) hebt zusätzlich zu den Aktivitäten, Interessen und Meinungen noch auf Lebensstile ab, die durch Fragenkataloge erfasst werden. Nach dieser Auffassung sind Lebensstile in erster Linie Ausdruck individueller Wertvorstellungen einer Person. Die Einteilung basiert auf vier Grundorientierungen: Bedürfnisorientierung, Außensteuerung, Innensteuerung und Kombination von Außen- und Innensteuerung. Daraus resultieren dann acht Personengruppen wie folgt: • Thinkers: Sind nicht an Image oder Prestige interessiert, kaufen / nutzen überdurchschnittlich viele Haushaltsprodukte, bevorzugen Bildungs- und Gesellschafts­ themen, lesen breitinteressiert und oft. • Believers: Bevorzugen heimische Produkte, ändern ihre Konsumgewohnheiten nur langsam, präferieren Schnäppchen, überdurchschnittliche TV-Nutzung, Leser von Publikumszeitschriften und Hobbytiteln zu Haus und Garten, Erholung. • Innovators: Bevorzugen gehobenen Lebensstil, sprechen auf Produktneuheiten, neue Technologien und Distributionsformen an, sind werbeskeptisch ein-

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

gestellt, lesen regelmäßig vielfältige Printtitel, weisen aber unterdurchschnittliche TV-Nutzung auf. • Achievers: Bevorzugen Premiumprodukte, stellen die Kernzielgruppe für eine Vielzahl von Konsumprodukten dar, durchschnittliche TV-Nutzung, Leser von Wirtschafts-, Nachrichten und Ratgeber-Publikationen. • Strivers: Imagebewusst, zwar begrenztes verfügbares Einkommen, aber Nutzung von Kreditlinien, geben viel für Kleidung und Körperpflege aus, bevorzugen TV gegenüber Print. • Survivors: Hohe Markenloyalität, nutzen Coupons und Aktionen, vertrauen Werbeaussagen, hoher TV-Konsum, Leser von Kaufzeitungen und Frauenzeitschriften. • Experiencers: Folgen Trends und Modeerscheinungen, geben viel Geld für Geselligkeit aus, hoher Anteil von Impulskäufen, Intensivverwender von Daten­ trägern als Packaged Media und Online-Medien. • Makers: Suchen Bequemlichkeit, Dauerhaftigkeit und Leistung beim Kauf, sind durch Luxus nicht zu beeindrucken, vielmehr Grundnutzen, hoher Anteil von Radiohörern, lesen Auto-, Heimwerker-, Hobby- und Freizeitzeitschriften. Die VALS-Gruppierungen gelten zwar als weithin tradiert und nur wenig von ihrem Herkunftsland USA auf andere Länder anpassbar. Gleichwohl wird das Verfahren erwähnt, weil es bahnbrechend zur Erfassung von Werthaltungen war. Häufig werden stark vereinfachend auch Personen-„Generationen“ definiert, so die Generation X (um 1970 geboren), die Generation Y (um 1990 geboren) oder die Generation Z (nach 2000 geboren). Ihnen werden prototypische Eigenschaften in Bezug auf ihren Lebensstil zugeschrieben, die im Detail fragwürdig bleiben und allenfalls Tendenzaussagen erlauben, hier am Beispiel der Generation Y in Bezug auf das Berufsleben (ca. 10 Mio. Personen, Quelle: Best for Planning): • Traditionalisten (38 %) sehen im Beruf ein Instrument zur Finanzierung ihres Lebensunterhalts und weniger zur Selbstverwirklichung. Ihr schönes Leben definiert sich durch Spaß in der Freizeit und ggf. eine harmonische Familie. • Karrierestarter (21 %) zeichnen sich durch eine starke Leistungsbezogenheit aus und sind motiviert, das eigene Leben erfolgreich zu gestalten. • Sinnsucher (18 %) grenzen sich vom Karrieredenken ab und starten ihre eigenen Projekte, sei es beruflich oder in der Freizeit. Work-Life-Balance steht für sie im Fokus. • Stabilitätssucher (13 %) haben einen schwächeren finanziellen Background und glauben sich deshalb ihren gesellschaftlichen Status selbst erarbeiten zu müssen, was sich in einem verstärkten Statusdenken sowie in einer ausgeprägteren Markenfixierung äußert.

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• Neubeginner (10 %) verlieren sich im ewigen Zauber des Anfangs. Für sie ist es schwer, in den Reifeprozess einzutreten, da sie selten mit den Konsequenzen ihres Handelns konfrontiert werden. Sie machen dann ja schon wieder etwas anderes. Diese Gruppen entwickeln sich relativ gleichbleibend. Gerade aber die Sinnsucher werden immer zahlreicher, d. h. im Vordergrund stehen nicht mehr unbedingt Geldverdienen und Karrieremachen, sondern eine sinnstiftende Tätigkeit und vor allem achtsamer Konsum. Dies drückt sich etwa im steigenden Anteil von Vegetariern, Verganern und Flexitariern aus oder in der intensiven Nutzung von Carsharing, Mitfahrdiensten und Bus- / Bahntransfers.

7.1.2.5 Semiometrie Dieser Ansatz hebt auf die ursprünglichen, unverfälschten Werte ab, die jeder Mensch in sich trägt und die seine Einstellung wie sein Verhalten bestimmen, indem zur Messung ausgewählte Wörter verwendet werden. Dabei wird davon ausgegangen, dass Wörter bestimmte Werte, angenehme oder unangenehme Gefühle vermitteln und wecken. Personen mit gleichen Einstellungen, Meinungen und Motiven werden daher auch die einzelnen Wörter ähnlich bewerten, Werte sich also in der Sprache widerspiegeln und unterschiedliche Werthaltungen durch die Interpretation von Wörtern zum Ausdruck kommen. TNS Infratest verwendet dazu 210, durch Vorstudien reduzierte, ausgewählte Wörter als Substantive, Verben und Adjektive, die im Zeitablauf konstant bleiben. Jedes Wort wird von Probanden auf repräsentativer Basis auf einer siebenstufigen Skala von „sehr angenehm“ bis „sehr unangenehm“ bewertet. Aus den kumulierten Bewertungen ergibt sich durch multivariate Analyse die Position jedes Wortes in einem mehrdimensionalen Raum, zweidimensional reduziert kann es sich etwa um die Dimensionen „Sozialität“ vs. „Individualität“ und „Lebensfreude“ vs. „Pflicht“ handeln. Innerhalb dieser Matrix können 14 Wertefelder dargestellt werden (siehe Abbildung IV/68: Semiometrie-Basis): • familiär, sozial, religiös, materiell, verträumt, lustorientiert, erlebnisorientiert, kulturell, rational, kritisch, dominant, kämpferisch, pflichtbewusst, traditionell. Jedes Feld spannt einen Werteraum auf. Befragungspersonen werden nunmehr dazu erhoben, in welchem Maße sie sich emotional jedem dieser Begriffe verbunden fühlen. Durch statistische Analysen (z. B. Clusterverfahren) lassen sich so Gruppen bilden, die gemeinsame Werteraster teilen. Diese Personen werden gleichermaßen nach ihrer subjektiven Einschätzung von Produkt- oder Medienmarken erhoben. Über diese Verbindung lassen sich Meinungsgegenstände wie Produkte in dieses Werteraster übertragen und somit Ist- und Soll-Zielgruppen bilden. Für die Gesamtbevölkerung liegt diese Anordnung der Wörter im Raum also repräsentativ vor, durch regelmäßige Erhebung wird zudem der Wertewandel be-

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

Abbildung IV/68: Semiometrie-Basis (Quelle: Business-wissen.de/hb/ zielgruppen-nach-dem-semiometrie-modell-von-tns-infratest/)

rücksichtigt. Probanden, stellvertretend für dahinter stehende Zielgruppen, bilden nun eine vom Durchschnitt abweichende Anordnung dieser Wörter im Raum ab. So finden sich Wörter, die von Probanden übereinstimmend abweichend zum Durchschnitt über- oder unterbewertet werden. Diese Personen stellen dann im System ein gemeinsames Segment dar. Selektiert man bei den so gefundenen Segmenten Gemeinsamkeiten der Personen, ergibt sich daraus ein wertebezogenes Zielgruppenprofil. Eine wesentliche Gemeinsamkeit kann etwa in der Verwendung einer Marke liegen, so dass sich Zielgruppenprofile verschiedener Marken vergleichen lassen. Mit Hilfe dieses Ansatzes kristallisieren sich somit psychokulturelle Wert­ muster von Produktverwendern, Fernsehzuschauern oder auch Zeitschriftenlesern heraus. 7.1.3 Interpersonale Variable Hierbei handelt es sich um soziologisch basierte Determinanten, die zentrale Ansatzpunkte zur Beleuchtung der Zielpersonengruppe bieten (siehe Abbildung: IV/69). Sie ergeben sich aus dem Zusammenleben von Menschen in einer Gesellschaft.

7. Bestimmung der Zielpersonengruppe

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Abbildung IV/69: Interpersonale Variable

7.1.3.1 Kultur Diese soziologischen Determinanten gehen nicht von der einzelnen Person, sondern vom Zusammenwirken der Personen als Erklärungsgröße für das Verhalten in der Gesellschaft aus. Unter Kultur versteht man kollektive Muster für Denken, Fühlen und Handeln, die durch Symbole übertragen werden und sich in Artefakten verkörpern. Diese entstehen im Sozialisationsprozess. Entscheidend dafür sind Normen, Subkulturen und Soziale Schichten. Normen legen Toleranzgrenzen für konformes Verhalten innerhalb einer Gesellschaft fest. Bei Muss-Normen handelt es sich um Ge- oder Verbote aus Gesetzen und Verordnungen, bei Soll-Normen um erwünschtes, jedoch noch nicht negativ sanktioniertes Verhalten, etwa der Fashion code am Arbeitsplatz, und bei KannNormen um Verhaltensoptionen, die allesamt akzeptiert sind und dem Individuum einen gewissen Ermessensspielraum lassen wie Menüauswahl. Die Sanktionierung erfolgt durch Belohnung bzw. Vermeidung von Bestrafung bei Normeneinhaltung sowie Entzug von Belohnung bzw. Bestrafung bei Normenverstoß. Menschen sind daher im Allgemeinen bestrebt, sich normenkonform zu verhalten. Indem Produkte in der Werbung als normenkonform ausgelobt werden, kann daher ihre Kaufappetenz erhöht werden. Umgekehrt ist es schwierig, vorgeblich nicht normenkonforme Produkte erfolgreich am Markt zu platzieren. Ein Beispiel ist der Smart, der nicht so aussieht, wie Autos vom Aussehen her gewöhnt ist und daher häufig auf Ablehnung stößt (Sicherheitsgefühl, Platzangebot, Respekt im Straßenverkehr etc.). Dass es doch gelingen kann, zeigt der Erfolg von SUVs, die auch nicht aussehen, wie man Autos gewöhnt ist, aber mit Sicherheitsgefühl punkten, mit großem Platzangebot und sich auch Respekt im Straßenverkehr geschafft haben. Subkulturen sind in sich relativ geschlossene Gruppen in der Gesellschaft, die sich nach ethnischen, altersmäßigen oder räumlichen Gesichtspunkten bilden. Sie gliedern die Nachfragerschaft horizontal und werden von spezifischen, von der

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

allgemeinen Wertestruktur teilweise abweichenden Normen geeint, die Ansatzpunkte für die Vermarktung bieten. Subkulturen sollen im Rahmen der Diversität inkludiert werden. Unterschiede sind dabei nicht wertend gemeint. Subkulturen sind jedoch durch spezifische, von der allgemeinen Norm abweichende Teilnormen geeint. Dies macht sie geeignet für spezifische Ansprachen im Targeting, wie etwa Islamic Banking oder Gay Marketing. Dabei besteht der Trend entweder in einer Assimilation der Besonderheiten durch die Gesellschaft oder in der Erstarrung schwer integrierbarer Randgruppen. Subkulturen führen ein Eigenleben im kulturellen Raum, so dass sie einer Segregation zugänglich sind und eine spezifische werbliche Ansprache ermöglichen. So werben Unternehmen bei muslemischen Zielgruppen mit anderen Argumenten als in der Mehrheit der Bevölkerung oder bieten sogar eigene Produkte für diese an. Gleiches gilt für Divers-Zielgruppen, deren Kampagne sich vor allem über die Ansprachekanäle abgrenzt. Einige Hersteller konzentrieren sich nur auf die Zielgruppe der Schüler und Jugendlichen in Bezug auf Medienwahl, Tonalität und Visualität. Teils werden Kampagnen auch nur für die großstädtische Bevölkerung konzipiert, teils nur für Alte und Behinderte. Soziale Schichten gliedern eine Gesellschaft vertikal von oben nach unten. Dies ist typisch für die früher vorherrschende Schichtengesellschaft nach demografischen Kriterien als Oberschicht, obere Mittelschicht, untere Mittelschicht, obere Unterschicht, untere Unterschicht und Sozialfälle. Als Kriterien für die Einordnung der Personen dienen Ausbildung, Beruf, Einkommen, Vermögen, Wohnort oder Familiengröße. Dabei liegt die Annahme zugrunde, dass Angehörige derselben Schicht ein homogenes konsumrelevantes Verhalten aufweisen. Tatsächlich erfolgt jedoch häufig eine Orientierung an der in der Gesellschaftspyramide darüber liegenden Schicht im Aufstiegskonsum / Conspicuous Consumption. Daher eignet sich diese Einteilung allenfalls zur Ansprache schichtenspezifischer Produkte, zu denken ist hierbei vor allem an Luxusprodukte. Heute ist jedoch die Lebensstilgesellschaft dominant. Personen / Käufer eint nicht mehr die gleiche Demografie, sondern gleiche Werthaltungen. So sind die Besucher eines Fitnessstudios kaum nach demografischen Kriterien zu vereinheitlichen, wohl aber nach ihrer Gesundheitseinstellung. Insofern hat sich die Vorstellung einer Schichtengesellschaft überlebt.

7.1.3.2 Gruppe Bei der Gruppe unterscheidet man Kleingruppen mit direktem Kontakt der Mitglieder und Großgruppen, temporäre und dauerhafte Gruppen sowie familiäre Primär- und außerfamiliäre Sekundärgruppen, weiterhin informelle Gruppen, die nur durch Kommunikationsbeziehungen untereinander gekennzeichnet sind und formelle Gruppen, die in einem rechtlich begründeten Verhältnis zueinander ste-

7. Bestimmung der Zielpersonengruppe

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hen. Das Ausmaß des Gruppeneinflusses auf das Verhalten hängt von der Identifikation des Individuums mit der Gruppe ab. Nach der Art unterscheidet man Mitgliedschaftsgruppen, die durch bloße Teilnahme am Gruppenleben entstehen oder nominell durch Aufnahme und Teilhabe begründet werden sowie Bezugsgruppen, in denen keine Mitgliedschaft besteht, mit denen eine Person sich aber identifiziert bzw. von der sie sich absetzen will. Diese Referenzgruppen werden häufig zum Vergleich mit der eigenen Lebenssituation herangezogen. Zur Konfliktvermeidung werden Nachahmung und Konformität bzw. bewusste Abgrenzung betrieben. Bei positiven / assoziativen Bezugsgruppen / Peer groups sind das Verhalten und die Wertungen dieser komparativen Gruppe normierend, die für gewöhnlich eine halbe Klasse über der eigenen Klasse liegt. Der Abstand hat jedoch nach unten eine Toleranzgrenze, wird er zu groß, ohne dass dafür plausible Erklärungen erkennbar sind, entsteht eine relative Deprivation, die als ungerecht betrachtet und zum Neidfaktor wird. Verhalten, das die Bezugsgruppe zeigt, hat eine besondere Attraktivität, weil Übernahme dabei zu helfen scheint, zumindest vordergründig deren Mitglied zu werden. Bei negativen / disassoziativen Bezugsgruppen geht es um die Absetzung von diesen, etwa Links- oder Rechtradikalen. Die werbliche Ansprache mit Gruppenargumenten ist vor allem sinnvoll bei hohem Zusammengehörigkeitsgefühl, häufiger Gruppeninteraktion, hoher Zufriedenheit mit der Gruppe, gemeinsamer Zielorientierung und hoher Gruppenharmonie sowie bei (noch) geringer Festigung der Persönlichkeit wie bei Jugendlichen. Die wohl intensivst erlebte Gruppe ist die Familie. Ihr Einfluss auf Kauf­ entscheide ergibt sich aus dem relativen Anteil einzelner Familienmitglieder. Dabei werden in Bezug auf den Familienkaufentscheid unterschieden (siehe Abbildung IV/70: Kaufentscheidungsanteile):

Abbildung IV/70: Kaufentscheidungsanteile (Quelle: eig. Darst.)

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

• männlich dominierte Käufe, traditionell Elektronik, Handwerk, Auto und Geldanlage, die für die Familie entschieden werden, • weiblich dominierte Käufe, traditionell Kinderbedarf, Haushaltswaren, Dekoration und Garten, die für die Familie entschieden werden, • partizipative Käufe, traditionell Urlaub, Freizeit und Möblierung, die in der Familie gemeinsam entschieden werden, • autonome Käufe, traditionell Kleidung, Kosmetik, Hobbybedarf etc., die jeder für sich tätigt. Die Rollenverteilung wird hierbei zunehmend egalitär, und zwar umso mehr, je höher die soziale Schicht ist. Hinzu tritt ein zunehmender Entscheidungsanteil von Kindern, etwa bei UE-Produkten. Der Familienlebenszyklus spiegelt die Veränderung des Bedarfs in Abhängigkeit von Alter (Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Alte), Familienstand (ledig, zusammenlebend, verheiratet, getrennt, verwitwet), Haushaltsgröße (Einpersonen-, Zweipersonen-, Mehrpersonenhaushalt), Berufstätigkeit (keine, Ausbildung, Beruf, Rente), Kaufkraft (ohne, gering, mittel, hoch) und Besitzstatus / Hobbys. Entsprechend ergeben sich folgende Stadien: • junge Alleinstehende, mittelalte Alleinstehende, Lebensabschnittsgemeinschaft, Junges Paar, Paar ohne Kinder, Paar mit kleinen Kindern, Alleinerziehende mit kleinen Kindern, Alleinerziehende mit heranwachsenden Kindern, Alleinerziehende mit erwachsenen Kindern im Haus, verzögertes volles Nest, Paar mit heranwachsenden Kindern, Paar mit erwachsenen Kindern im Haus, Paar mit erwachsenen Kindern außer Haus, altes Paar mit Kindern außer Haus, Witwe / Witwer, alte Alleinstehende. Ein Familienlebenszyklus könnte sich etwa wie folgt darstellen: • Singles 18–30 Jahre: Meist noch in der Ausbildung oder am Beginn ihres Berufslebens, mit noch niedrigem Einkommen, sie investieren stark in ihr Erscheinungsbild und in ihre Freizeit. Urbane, ungebundene Lebensweise, sehr markenbewusst, Interesse an Musik, Film, Sport, Technik / PC, Mode. • Gemischte Familien: Jugendliche meist in der Ausbildungsphase, sie leben oft bei ihren Eltern und verfügen so auch ohne eigene Einkommen über angemessene finanzielle Mittel, Interesse an Lifestyle-Themen wie Mode, Sport, Musik, Film, Shoppen. • Singles / gemischte Familien, 18–50 Jahre: Personen meist studiert und in guter Position mit höherem Einkommen. Sie sind stark beruflich engagiert und bilden sich weiter. Vielseitig interessiert an Forschung, Technik, Computer, Wirtschaft, Politik, Kunst, Kultur. Primär Ausdauer- und Action-Sportarten. • Alleinerziehend, 18–65 Jahre: Mehrheitlich weiblich mit geringem Einkommen. Ihr Leben ist stark von den Bedürfnissen der Kinder geprägt und dreht sich um

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Gesellschaftsspiele, Erziehung, Partnerschaft. Außerdem Interesse an Mode, Esoterik und preisgünstig zu betreibenden Sportarten. • Paare, 18–40 Jahre: Meist kinderlos, arbeiten als Angestellte mit mittlerem Einkommen und leben überwiegend in Mehrfamilienhäusern in Großstädten und richten sich gepflegt ein. Interesse an Feinschmeckerküche, Wellness, Musik und Film sowie Computer und Internet. • Singles, 30–50 Jahre: Meist Arbeiter mit niedrigem Einkommen in Mietwohnungen, niedriger Frauenanteil. Hohes Interesse an Sport, aber selten selber sportlich aktiv, verbringen ihre Freizeit überwiegend in ihrer Wohnung mit Fernsehen, Musik, Video, Computer, Online-Spielen. • Familien, 30–65 Jahre: Meist in ländlichen Regionen, oft NBL, wo sie trotz ihrer niedrigen Einkommen ein eigenes Haus finanzieren können. Ihr Leben ist oft geprägt von Familienaktivitäten, wenig Interesse an Sport, hohe Haustierdichte. • Familien und Paare, 30–65 Jahre: Hohe Bildungsabschlüsse, verdienen gut als Manager, Selbstständige und Beamte. Leben häufig in eigenem Haus und haben zahlreiche Geldanlagen sowie Interesse an Wirtschaft, Politik, Feinschmeckerküche, kulturellen Veranstaltungen, Golf, Tennis, Segeln. • Familien, 30–40 Jahre: Häufig Hausfrauen-Ehen und stabiles Einkommen, fokussiert auf die Belange ihrer noch jungen Kinder. Sie mieten häufig Häuser in ländlichen Regionen und haben Bausparverträge. Interessen sind Kleintiere, Vereine, Basteln / Heimwerken, preisgünstige Breitensportarten. • Familien, 30–65 Jahre: Meist Eltern teils mit schon erwachsenen Kindern in ländlichen Regionen in eigenem oder gemietetem Haus. Trotz verbreiteter Hausfrauenehen sind die Einkommen gut. Interesse vor allem an Ausgestaltung des Heims, Garten- und Handarbeit. • Paare, 40–65 Jahre: Teils bereits im Ruhestand, Wohneigentum ist oft abbezahlt. Sie genießen einen hohen Lebensstandard mit Feinschmeckerküche, Kultur, Tennis / Golf. Interesse an Wirtschaft, Politik, Computer, Technik. • Singles 50–65 Jahre: Geringes Einkommen, teils bereits im Ruhestand. Sie leben überwiegend in gemieteten oder eigenen Wohnungen in größeren Städten. Interesse an häuslichen Aktivitäten und Preisausschreiben, gering sportlich aktiv. • Paare und Singles, über 50 Jahre: Meist Rentner mit kleinem Einkommen in Mietwohnungen. Bis auf Wandern und Gymnastik betreiben sie wenig Sport, dafür Handarbeiten, Lesen, Rätsellösen als bevorzugte Beschäftigungen. • Paare, ab 65 Jahre: Im Ruhestand mit recht hohem Einkommen und Wohn­ eigentum. Interesse an ruhigen Freizeitbeschäftigungen wie Gartenarbeit, Rätsellösen und Klassikmusik. Aber auch Politik, Kulturveranstaltungen, Wandern, Gymnastik, Tennis, Radfahren.

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

Ansatzpunkt im Zuge des Beziehungsmanagements ist eine Begleitung der Personen durch diese verschiedenen Phasen. Beispiele finden sich in der Finanzbranche über verschiedene Geldanlage- und Vorsorgeprodukte oder in der Autobranche als Produktkarrieren über Modellreihen hinweg. Rollen betreffen Erwartungsbündel anderer Gruppenmitglieder an den Rolleninhaber. Rolle und Status sind für gewöhnlich kongruent, sie fallen auseinander bei Understatement oder Angeberei. Der Status kann aus der Herkunft ererbt sein oder als Aufsteiger erworben. Für die Ausfüllung ergeben sich geschlechtsspezifische Rollenverteilungen. Männer, die den gängigen Vorurteilen dabei nicht entsprechen, sind „Weicheier“, Frauen, die den gängigen Vorurteilen nicht entsprechen, haben „Haare auf den Zähnen“. Dies wandelt sich jedoch im Wege der Emanzipation glücklicherweise beidseitig. In diesem Zusammenhang sind Erwartungs-, Kommunikations- und Machtbeziehungen bedeutsam. Entsprechend werden verschiedene Mitgliedstypen unterschieden wie Streitsüchtige / Freche, Frohnaturen / Clowns, Alleswisser, Redselige, Schüchterne, Ablehnende, Dickfellige, Erhabene, Drückeberger, Ausgleichende, Außenseiter etc. Zwischen der Erwartung an eine Rolle und dem eigenen Standpunkt können sich Konflikte ergeben: • Ein Inter-Rollenkonflikt liegt vor, wenn eine Person Rollenerwartungen in verschiedenem Kontext zu erfüllen sucht, die konfliktär sind, etwa im Beruf Überstunden leisten und trotzdem viel Zeit mit der Familie verbringen. In Bezug auf Intra-Rollenkonflikte handelt es sich um folgende: • Ein Intra-Senderkonflikt liegt vor, wenn ein und derselbe Sender unterschied­ liche Instruktionen an eine Person stellt, etwa hinsichtlich des Engagements als Manager in Bezug auf kurzfristige Gewinnziele und langfristige Nachhaltigkeit durch Compliance, die nicht übereinkommen. • Ein Inter-Senderkonflikt liegt vor, wenn von verschiedenen Seiten widerstrebende Instruktionen auf eine Person einwirken, etwa hinsichtlich Ansprüchen seitens des Unternehmens in Bezug auf Kostensenkung und zugleich seitens der Stakeholders in Bezug auf Ökologiebewusstsein. • Ein Person-Rolle-Konflikt liegt vor, wenn Bedürfnisse der Person und dezidierte Rollenerwartung von außen an sie auseinander fallen, beispielsweise der Beamte, der im Grunde seines Herzens ein Freigeist ist, aber verordnungsgebunden agieren muss. Waren und Dienste können helfen, diese Rollenkonflikte zu überwinden. Zum Beispiel erlauben raffinierte Fertiggerichte es berufstätigen Frauen, sich dennoch angemessen um ihre Familie zu kümmern. Moderne Kombi-Pkw schaffen Männern Produkte, die Familienkutsche und Sportstourer zugleich sind. Weitere Beispiele sind Bioprodukte, die Genuss und Gesundheit versöhnen oder Virtual Reality-Spiele mit Ausleben im Second Life neben dem trostlosen „First Life“. So

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wurde etwa der Porsche 911 als „perfektes Familienauto“ ausgelobt, denn der Fahrer kann damit später von daheim losfahren und ist auch schneller wieder zuhause bei seiner Familie. 7.1.4 Meinungsführerschaft Meinungsführerschaft ist die Ausübung von Einfluss innerhalb interpersoneller Kommunikationsprozesse. Im Rahmen der persönlichen Kommunikation in sozialen Gruppen haben bestimmte Personen stärkeren Einfluss auf Einstellungen, Meinungen, Verhaltensweisen anderer Gruppenmitglieder, sie werden daher als Opinion Leaders bezeichnet. Dabei ist von einer graduellen Ausprägung auszugehen. Dabei sind zwei alternative Erklärungsansätze üblich (siehe Abbildung IV/71: Alternative Theorien zur Meinungsführerschaft).

C

C C

Abbildung IV/71: Alternative Theorien zur Meinungsführerschaft (Quelle: eig. Darst.)

7.1.4.1 Two-Step-Flow-Ansatz Frühe Untersuchungen zu diesem Phänomen stammen aus dem Wahlverhalten von US-Bürgern. Danach fließen Informationen in einer ersten Stufe von den Massenmedien zu den Meinungsführern und in einer zweiten Stufe erst von diesen zu den Meinungsfolgern. Bei Meinungsführern wird also davon ausgegangen, dass sich die Kommunikation zwischen Botschaftsabsender und Rezipienten nicht nur direkt und diffus, sondern vor allem auch zweistufig vollzieht. Der Botschaftsfluss geht also zunächst einstufig vom Absender an Meinungsführer. Diese nehmen die Botschaft auf und versuchen, etwaige Informationsdefizite durch Kontaktsuche zu Promotoren als professionellen Experten zu füllen. Gleichzeitig suchen weitere Personengruppen infolge psychischer Inkonsistenzen

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

Kontakt zu diesen Meinungsbildnern, die auf sie dann in der zweiten Stufe ihren Einfluss ausüben. Als Meinungsführer werden generell jene Mitglieder einer Gruppe bezeichnet, die im Rahmen des Kommunikationsprozesses einen stärkeren persönlichen Einfluss als andere ausüben und daher die Meinung anderer zu beeinflussen oder auch zu ändern imstande sind. Professionelle Experten als Beeinflusser werden meist im Rahmen der Fachkommunikation intensiv bearbeitet. Ihr Beeinflussungspotenzial bestimmt sich aus der Relaisfunktion, ihrer Verzerrungs-, Verstärkungs- bzw. Abschwächungswirkung, ihrer Selektionsfunktion für weiterzuleitende Informationen und ihrer Resistenzfunktion zur Abwehr nicht wertkonformer Informationen. Diese Meinungsbildner nehmen insofern eine exponierte Stellung ein, weil sie besser informiert, stärker interessiert und aktiver sind als andere. Dies macht sie aufnahmefähig für Herstellernachrichten mit Niveau und Gehalt, die sie bei Gelegenheit ihrerseits an ihr soziales Umfeld weitergeben. Man unterscheidet institutionelle Meinungsbildner wie Journalisten, Ärzte oder Lehrer und funktionale Meinungsbildner im Breitenpublikum. Diese Eigenschaft beruht auf informeller Kompetenz, selten auch auf Macht, und wechselt interpersonell je nach Themenstellung. Die Kommunikation kommt also nicht nur durch Medien, sondern auch durch Personen zustande, die über Themen kommunizieren. Meinungsführer haben daher eine Multiplikatorwirkung in ihrem sozialen Umfeld. Marketing nutzt dies, indem selektierte Informationen zuerst an meinungsbildende Personen gegeben werden, die diese dann weitertragen. Dies entspricht dem Two-Step-Flow of Communication. Problematisch ist dabei die Charakterisierung solcher Meinungsführer. ­Generell ist festzuhalten, dass sie: • in allen sozialen Schichten anzutreffen sind und nicht, wie früher angenommen, nur in hohen sozialen Schichten, • kommunikationsfreudiger als der Durchschnitt sind und sich durch geselliges Verhalten und starke soziale Interaktion auszeichnen, wie die Mitgliedschaft in Verein / Verband, • vorwiegend auf ein bestimmtes Thema spezialisiert und dort besser informiert sind als andere, allenfalls sind Überschneidungen bei Meinungsgebieten ge­ geben, die sehr ähnlich sind, dies bedeutet aber, dass Personen je nach Thema verschiedene Rollen einnehmen, nämlich zum einen als Ratgeber und zum anderen als Ratsuchende, • risikofreudiger als der Durchschnitt der Zielgruppe sind, was aus ihrem besseren Informationsstand resultiert, • häufig Nutzer von Fachmedien / Special Interest-Titeln sind, die daher für die werbliche Ansprache ausgewählt werden,

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• generell an ein höheres Anspracheniveau gewöhnt sind, • mit informeller Kompetenz ausgestattet sind. Solche Personen sind besonders wichtig im Marketing, weil sie einerseits als Heavy Users ein großes Nachfragepotenzial im Eigeneffekt auf sich vereinen und andererseits als Multiplikatoren kostenlose Akquisitionsanstöße geben, die sogar glaubwürdiger und effizienter sind als Werbeaussagen, weil man unterstellt, dass die Person aus ihrer Empfehlung durch den Vermittlungseffekt keinen Vorteil zieht, sowie als Induktoren zur Einstellungsveränderung von Meinungsfolgern im Beeinflussungseffekt beitragen. Solche Personengruppen werden etwa bei Produktneueinführungen erklärungsbedürftiger oder anderer High Interest-Produkte angesprochen, wie technische Gebrauchsgüter, Modeartikel, Genussmittel oder Sportbedarf. Und zwar meist additiv zur Breitenzielgruppe bzw. bei geringer Budgethöhe auch allein. 7.1.4.2 Two Cycles-Ansatz In einem weiteren Ansatz, dem Informationsfluss-Konzept des Two Cycles of Communication, wird zwischen Informationsfluss einerseits und Meinungsbeeinflussung andererseits unterschieden. Der Informationsfluss erfolgt demnach nicht nur zweistufig, sondern sowohl einstufig vom Absender, also Hersteller oder Handel, direkt an Endabnehmer als auch zweistufig. Die Beeinflussung erfolgt aber nur zweistufig, vom Absender an Meinungsbildner und von diesen an private oder gewerbliche Endabnehmer. Man unterscheidet vor allem: • Opinion Givers, und zwar Meinungsbildner zweiten Grades, die ihrerseits durch Meinungsbildner ersten Grades beeinflusst werden, • Opinion Askers als Informationssucher und aktive Informationsempfänger, • Inactives als passive Informationsempfänger und sozial isolierte Konsumenten. Dabei werden mehrstufige Kommunikationswege unterstellt, in denen auch Einflussbeziehungen zwischen verschiedenen Meinungsbildnern und zwischen Massenmedien und Meinungsfolgern berücksichtigt werden. Dieser parallele Informationsfluss zwischen Absender und Empfänger wird durch Simulation persönlicher Kommunikation in der Werbung wie Slice of Life- und Testimonial-Ansätze, durch Stimulation interpersoneller Kommunikation über Response-Mechanismen wie Coupons und Member get Member sowie aktive Teilnahme an interpersoneller Kommunikation durch Gesprächslenkung, etwa im Persönlichen Verkauf oder durch Homepartys, zu verstärken gesucht. Typisch sind werbliche Darstellungen, bei denen ein Meinungsbildner ein Produkt empfiehlt, die andere Person aber Zweifel an dessen Leistungsfähigkeit anmeldet. Die Werbegemeinten versetzen sich automatisch in die Situation dieses Zweiflers. Das Produkt überzeugt durch Leistung, der Meinungsbildner ist in seiner Kompetenz gestärkt, die zweifelnde Person ist, stellvertretend für alle Werbegemeinten, überzeugt.

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

Zur Identifizierung solcher Personen sind drei Ansätze gebräuchlich. Der Soziometrie-Ansatz versucht, das Kommunikationsgefüge in gesellschaftlichen Gruppen grafisch sichtbar zu machen. Dazu wird der Informationsfluss zwischen den Mitgliedern untersucht und als Netzwerk mit Knoten für die Mitglieder und Pfaden für den Informationsfluss dargestellt. Dabei ergeben sich Knoten, bei denen mehr und solche, bei denen weniger Pfade zusammenlaufen. Die Kristallisationspunkte im ermittelten Kommunikationsnetz werden als Meinungsführer interpretiert. Voraussetzung ist dabei, dass alle wesentlichen Beziehungen erfasst werden, was wiederum die Kenntnis der Gruppenstruktur bedingt. Der Schlüsselinformanten-Ansatz zielt darauf ab, Personen zu identifizieren, die einen besonders guten Überblick über die Gruppe haben. Diese sollen dann angeben, wer ihrer Meinung nach Meinungsführer hinsichtlich bestimmter Themen ist. Dabei ersetzt man die Unsicherheit über die Person des Meinungsführers allerdings möglicherweise nur durch die Unsicherheit über die Person des Schlüsselinformanten. Der Selbsteinschätzungs-Ansatz geht von einem subjektiven Scoring aus, das mutmaßliche Kennzeichen von Meinungsführern umfasst. Dazu werden umfangreiche Itembatterien eingesetzt, anhand derer Befragte eine Selbsteinstufung nach Gesprächsintensität, Ratgeber- und Ratnehmerverhalten vornehmen, deren Werte auf einem eindimensionalen Kontinuum verrechnet werden. Jedes Gruppenmitglied bewertet sich dann selbst hinsichtlich dieser Kriterien. Weil es dabei aber zu Fehleinschätzungen kommen kann, ist die Zuverlässigkeit der Ergebnisse stark anzuzweifeln. Ein denkbarer Itemkatalog umfasst folgende Fragen (Rogers-Skala): • Haben Sie in den vergangenen sechs Monaten mit jemanden über (… Thema X) gesprochen? • Werden Sie im Vergleich zu anderen Personen Ihres Freundeskreises seltener um einen Rat über (… Thema X) angesprochen oder häufiger? • Wenn Sie sich einmal an Ihr letztes Gespräch über (… Thema X) erinnern, wurden Sie über Ihre Meinung dazu befragt? • Wenn Sie mit Ihren Freunden über neue Ideen auf dem Gebiet (… Thema X) diskutieren, welche Rolle spielen Sie dabei: Hören Sie hauptsächlich zu oder versuchen Sie, Ihre Freunde von Ihren Ideen zu überzeugen? • Welche der beiden folgenden Möglichkeiten passiert Ihnen öfter: Sie berichten Ihren Nachbarn über (… Thema X) oder Ihre Nachbarn berichten Ihnen darüber? • Haben Sie das Gefühl, dass Ihre Nachbarn Sie als einen guten Ratgeber über (… Thema X) ansehen?

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7.1.4.3 Moderne Influencer Influencers sind in ihrer Zielgruppe akzeptierte Multiplikatoren, die wegen ihres Wissens als Experten oder ihres sozialen Status als Prominente als intermediäre Meinungsmacher / Opinion Leaders wirken. Sie verfügen über eine vergleichsweise hohe Reichweite in Sozialen Netzwerken und werden häufig von Agenten gemanagt bzw. von Agenturen vertreten. Ihre Nachrichten müssen als Werbung gekennzeichnet werden, sofern sie dafür bezahlt werden. Fraglich ist, ob Influencers werbliche Aussagen zu ihren Produkten zur Klarstellung auch kennzeichnen müssen, wenn sie dafür nicht bezahlt werden, sondern dies aus eigenem Antrieb tun. Gerade darin liegt ja die Idee von Influencers. Wichtig für jeden Anbieter ist die Auswahl eines geeigneten Influencer. Dabei sind primär die Maßstäbe der Zielgruppen relevant, sekundär aber auch eine Toleranz zu Unternehmenswerten. Weitere Kriterien sind der Aktivitätsgrad als Anzahl der Postings des Influencer und der Interaktionsgrad als seine gefühlte Nähe zur Zielgruppe. Je nach Anzahl der Followers werden folgende InfluencerKlassen unterschieden: • Nano-Influencer: < 5.000 Followers, • Micro-Influencer: 5.000–25.000 Followers, Interaktionsrate > 5 %, Typ: Freund / ​ Freundin, • Macro-Influencer: 25.000–250.000 Followers, Interaktionsrate > 3,5 %, Typ: Überflieger, • Mega-Influencer: > 250.000 Followers, Interaktionsrate > 2 %, Typ: Idol. Influencer-Blogs wirken als Social Hubs, die teils erhebliche Follower-Zahlen aufweisen wie Bibi, Dagi Bee, Sophia Thiel, Julien Bam, Stefanie Giesinger, Ischtar Isik, Marvin Magnificent, Mrs. Bella, Ivana Santacruz, KSFreak. Teilweise nehmen diese Expertenstatus als Market mavens in Anspruch. Bezahlte Posts sind zwar als solche zu kennzeichnen, tun der Glaubwürdigkeit der Absender aber keinen Abbruch. Problematisch ist, dass sich das Unternehmen von der Person des Influencer zu einem nicht so geringen Grad abhängig macht und dessen Verhalten automatisch mit dem der beworbenen Produkte assoziiert wird, falls gegeben leider auch negativ. Zudem können Followers von Influencers massenhaft gefälscht, also zugekauft, sein. Für die Auswahl eines Influencer durch ein werbungtreibendes Unternehmen sind Faktoren zentral wie Marken-Fit, Zielgruppen-Fit, Reichweite seiner Posts, Interaktionsrate auf seinem Account, Kommentare (wie viele, von wem?), Wachstumsrate der Fanbase, Posting-Qualität, bestehende Partner (Markenkoope­ration / ​ Konkurrenzprodukte), Präsenz in mehreren Online- / Offline-Kanälen, Einzigartig­ keit / Authentizität des Auftritts. Für die Beiträge selbst herrscht eine strenge Kennzeichnungspflicht der Werbeprodukte mit „Werbung“ oder „Anzeige“. Eine

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Kennzeichnung mit „#“ reicht hingegen nicht aus, auch andere Begriffe wie Ad, Sponsoring o. Ä. sind nicht hinreichend, ebenso ist bei Verlinkung mit Werbung ein entsprechender Hinweis erforderlich. Dies gilt nicht für selbstgekaufte Produkte. Berüchtigt sind Shitstorms (Ggs.: Candystorm) als Reaktion. Dabei kann folgende Skala unterteilt werden: • Windstille: keine kritische Rückmeldung, keine Medienberichte, • Leiser Windzug: vereinzelte Kritik von Einzelpersonen, jedoch ohne Resonanz, keine Medienberichte, • Brise: wiederholte Kritik von Einzelpersonen, schwache Reaktion der Community, keine Medienberichte, • Frische Brise: andauernde Kritik von Einzelpersonen, zunehmende Reaktion der Community, erste Artikel in den Medien (Blog, Online), • Starker Wind: Herausbildung vernetzter Protestgruppen, aktive Follower crowd, zahlreiche Medienberichte online, erste Artikel in Printmedien, • Sturm: Protest wird zur Kampagne, große Teile des Publikums beteiligen sich, ausführliche Beiträge in Blog, Follow-up-Artikel in Online-Medien, wachsende Zahl von Artikeln in klassischen Medien, • Orkan: ungebremster Schneeballeffekt mit harschem Tonfall, Top Thema in Medien, online wie offline. Für die Einteilung dienen Indikatoren wie Anzahl der Shitstorm-Tage, Anzahl der Peak-Tage, gesamter Peak-Zeitraum, Quellen- / Autorenentwicklung, User participation Rate, Sentiment-Entwicklung (Tonalität). Allgemeine Vorteile von Influencers liegen vor allem in Folgendem: • authentischer Content aus Sicht der Zielgruppe, daher mit hoher Glaubwürdigkeit versehen, • individuelle Gestaltung sowohl in Bezug auf die Zielgruppe als auch auf den jeweiligen Influencer, • Engagement durch soziale Follower, die für Akzeptanz / Verbreitung sorgen, • bei zutreffender Auswahl enger Kontext zur Marke, • verbessertes SE-Ranking sorgt insgesamt für mehr Sichtbarkeit. Als Erfolgsmessgrößen kommen vor allem folgende in Betracht: • Interaktionsrate als Anteil von Followers mit Shares, Likes und Kommentaren an allen Followern / Postings / Videoabrufern, • Anzahl der Followers, Fans, Abonnenten für die Reichweite,

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• Hashtag-Verbreitung bei Instagram / Twitter bzw. Shares / Retweets bei Facebook /  Twitter bzw. Video-Aufrufe bei Youtube bzw. Total Story Views / Completions bei Snapchat, • Zuwachs an Followers / Fans bzw. Website-Traffic bzw. Conversions nach Einsatz von Influencers. Allerdings gibt es umfangreiche Fälschungsmöglichkeiten, so gefakte Reichweiten durch Kauf von Followers- / Fans- / Abonnenten-Adressen, gefakte Inter­ aktionen im Social Commerce (Käufe), und gefakte Views wie bei Videoaufrufen. Abhilfe ist nur durch Zusammenarbeit mit vertrauenswürdigen Influencers und die Androhung von Vertragsstrafen bzw. Betrugsanzeigen möglich sowie durch die Auswertung von Analyse-Software in Bezug auf ungewöhnliche Like-  / ​ Follower- / Post-Zahlen. 7.1.5 Wahrnehmung Wahrnehmung umfasst den Prozess der Aufnahme und Selektion von Informationen sowie deren Organisation und Interpretation durch den Käufer. Dabei sind vier Dimensionen zu berücksichtigen. Aktivität meint in diesem Zusammenhang, dass Wahrnehmung ein vom Käufer initiativ ausgehender Prozess ist, der von Neuartigkeit, Intensität und Interesse bestimmt wird. Die Aktivität ist genetisch codiert und daher schon bei Babys zu finden. Subjektivität meint, dass gleiche Objekte individuell abweichend wahrgenommen werden können, so gibt es generalisierend wirkende Schlüsselreize wie Kindchenschema oder Erotik, aber auch nur spezifisch wirksame wie den Hobbybereich betreffende. So verwundert es nicht, dass Zeugenaussagen zu einem Unfallgeschehen erheblich voneinander abweichen können, weil das objektive Geschehen immer vor dem Hintergrund der subjektiven Erfahrung gespiegelt wird. Kontextualität meint, dass gleiche Objekte in Abhängigkeit von ihrem objektiven Darstellungszusammenhang abweichend wahrgenommen werden. Es kommt zu gegenseitigen Beeinflussungseffekten. Beispiele finden sich bei zahlreichen Wahrnehmungseffekten (s. u.). Selektivität meint, dass infolge der Wahrnehmungsbeschränkung einzelne Informationen herausgefiltert werden, so dass nur ein kleiner Ausschnitt aller Umweltinformationen durch die Rezeptoren der Sinnesorgane aufgenommen wird, wovon wiederum nur ein kleiner Ausschnitt verarbeitet wird, wovon wiederum nur ein kleiner Ausschnitt behalten wird, wovon wiederum nur ein kleiner Ausschnitt abgerufen wird, und nur auf diesen kommt es an. Dass es sich dabei selten um Werbung handelt, muss hingenommen werden.

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7.1.5.1 Inhalt Wahrnehmung bezieht sich auf alles, was dem Subjekt „entgegen steht“. Das Ergebnis sind Empfindungen und Vorstellungen über die Umwelt und die eigene Person. Wahrnehmung bezieht sich vor allem auf Stimulusart, -form und -farbe. Bei der Stimuluswahrnehmung geht es um eine spontane, quantitative Reaktion, die ausgelöst wird. Bei der Transformation der objektiven Stimuli in subjektive Wahrnehmung treten Verzerrungen auf, die durch meist unbewusste Ergänzungen, Modifikationen oder Weglassungen entstehen. Ursachen sind Illusionen oder optische Täuschungen. So werden gebrochene Preise knapp unterhalb von Preisschwellen eher der niedrigeren Preisklasse zugeordnet, obwohl sie davon rein rechnerisch viel weiter entfernt sind als von der Preisschwelle selbst. Ursache ist dabei immer eine zweckmäßige Anpassung an die Umwelt im Laufe der Evolution. Bei der Formwahrnehmung geht es nicht nur um einzelne Stimuli, sondern um Reizmengen. Dabei spielen die Gestaltgesetze eine große Rolle, in allgemeinster Form die Prägnanz der Stimuli als wiedererkennbare, invariate und unverwechselbare Merkmale. Diese lassen sich durch mehrdimensionale Skalierung in Wahrnehmungsräumen abgrenzen und hervorheben. Dabei wird eine attributive Wahrnehmung unterstellt, obgleich eine umweltbezogene Wahrnehmung durchaus eher wahrscheinlich ist. Bei der Farbwahrnehmung geht es um visuelle Stimuli. Farben erfüllen Zeichenfunktion, etwa Rot bei Gefahr, Ordnungsfunktion in Bezug auf Funktionalität und Beeinflussungsfunktion wie bei der Anmutung. Farben lösen Emotionen aus. Bedeutsam ist auch die soziale Wahrnehmungswahrscheinlichkeit, die vor allem vom sozialen Wert eines Objekts abhängt. Wahrnehmung ist nur oberhalb einer minimalen Reizschwelle möglich. Reize darunter können nur noch unterschwellig / subliminal wahrgenommen werden und führen zur unkontrollierten Steuerung des Individuums. Daher besteht über deren absichtliche Herbeiführung ein moralisches Unwerturteil. Eine relative Reizschwelle ist der Unterschied zwischen zwei Reizen, der gerade noch wahrgenommen werden kann. Wahrnehmung als Informationsgewinn aus Umwelt- und Körperreizen setzt Aufnahmeorgane als Rezeptoren voraus, ebenso Transportleitungen durch Nerven und Speicherkapazitäten im Gehirn. Es herrscht ein immenser Informationsüberfluss / Information Overload. Das subjektive Abbild der Marktrealität ist daher selektiv reduziert und gefärbt. Insofern kann möglichst viel Information, wie sie etwa im Rahmen der Verbraucherpolitik gefordert wird, nicht unbedingt zu einer Verbesserung der Entscheidungsqualität, sondern im Gegenteil zu einer Verringerung durch Überlast führen. Der erforderliche Informationsumfang ist abhängig von Art und Menge der bereits im Gedächtnis abgespeicherten Daten, vom wahrgenommenen Kaufrisiko, von der Komplexität der Entscheidung und dem Aufwand zur Informationsbeschaffung. Die Orientierungsreaktion als Wahrnehmung ist angeboren. Sie löst bei neuartigen Stimuli außerhalb des Bewusstseins einen Mechanismus aus, der die Auf-

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merksamkeit reflexiv auf diese Reize in Abhängigkeit von deren Intensität, Größe, Farbigkeit oder Bewegung richtet, etwa durch Kopfwenden. Dabei sind nicht die absoluten Werte ausschlaggebend, sondern deren Kontrast zum Umfeld. Die Wahrnehmung selbst erfolgt durch Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Tasten. Aufgrund der Unvollkommenheit der menschlichen Sinnesorgane und der begrenzten Informationsverarbeitungskapazität kommt es zu Information Chunks. Dies ist die Zusammenfassung einzelner Informationen zu Blöcken. Diese Schlüsselinformationen sorgen für den Transfer des gebündelten Eindrucks auf einzelne Objektmerkmale, von denen keine aussagefähigen Informationen vorliegen. Typische Information Chunks sind • Markenname/-logo, daher prominent platzieren, • Testergebnis von Stiftung Warentest o. Ä., • Produktpreis aufgrund Preis-Qualitäts-Vermutung, • Herkunftskennzeichnung (Made in …), • Markterfolg (wie Nr. 1, meistverkauft), • Marktbestand (seit 18…), • Expertenempfehlung („alter Weiser“, „Mutter“ o. Ä.), • Herstellerhinweis im Zuge des Endorsed Branding. Dadurch wird eine extensive Informationssuche vermeidbar und eine entscheidende Kaufvereinfachung erreicht. An die Stelle einer umfassenden Verarbeitung aller relevanten Informationen tritt damit die Orientierung an wenigen, als zen­ tral vermuteten Kriterien. Dazu wird eine verlässliche Beziehung zwischen diesen Schlüsselinformationen und der ganzheitlichen Objektbewertung unterstellt. Es handelt sich stets um komprimierte, die begrenzte Informationsverarbeitungskapazität wenig beanspruchende Informationseinheiten. Reaktanz beschreibt demgegenüber den Widerstand im Publikum gegen ein penetrantes Übermaß an manipulativer Bevormundung und ist eine auf die Wiederherstellung der eigenen Freiheit gerichtete motivationale Erregung. Je massiver ein Individuum sich bedrängt und damit in seinem Entscheidungsfreiraum eingeengt fühlt, in desto stärkerem Maße bildet sich bei ihm die Motivation heraus, sich der Einengung zu entziehen und den gefährdeten / verlorenen Freiraum zu verteidigen / wiederzugewinnen. Voraussetzung ist dabei, dass die Kommunikationsempfänger den auf sie ausgeübten Werbedruck wahrnehmen und der bedrohte Freiheitsspielraum ihnen subjektiv wichtig ist. Reaktanzen sind umso größer, als je stärker der wahrgenommene Beeinflussungsdruck auf Verhaltensweise / Meinung empfunden wird, je größer die Bedeutung der beschränkten oder von Beschränkung bedrohten Verhaltensweise / Meinung ist, je mehr die eigene von der kommu­nizierten Verhaltensweise / Meinung abweicht, je größer deren Anteil am gesamten Verhaltens- /  Meinungsrepertoire ist und je mehr der Freiheitsspielraum eingeschränkt wird.

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

7.1.5.2 Effekte Bei der Wahrnehmung treten zahlreiche verzerrende Effekte auf (siehe Abbildung IV/72: Wahrnehmungseffekte).

Abbildung IV/72: Wahrnehmungseffekte

Der Halo-Effekt meint die Überstrahlung des gesamten Objekteindrucks auf die Beurteilung der einzelnen Eigenschaften dieses Objekts. Die Vorgehensweise ist also deduktiv. Einem Produkt, das ein erstklassiges Image hat, spricht man diese Überlegenheit auch in Bezug auf dessen einzelne Leistungsdimensionen zu, die man nicht kennt und auch nicht nachprüfen kann oder will (so gelten Miele Waschmaschinen als langlebig, weil einzelne Merkmale, vor allem die Schleudertourenzahl eine hohe Qualität nahelegen). Bei der Irradiation wird von einem Attribut, das man kennt oder beurteilen zu können glaubt, auf ein anderes geschlossen, das man nicht kennt. Zwei Eindrücke werden also als nicht unabhängig voneinander erlebt. Einem Produkt, das in einer Leistungsdimension hervorsticht, spricht man leicht eine Überlegenheit ebenso hinsichtlich anderer Kriterien zu. So wird: • von der Farbe des Speiseeises auf dessen zu erwartenden Geschmack, • vom Geruch eines Reinigungsmittels auf dessen anzunehmende Reinigungskraft, • von der Stärke der Rückholfeder des Gaspedals auf das Beschleunigungsvermögen eines Autos, • von der Farbe einer Margarine auf deren vermutete Streichfähigkeit, • von der Farbe der Innenlackierung eines Kühlschranks auf dessen mutmaßliche Kühlleistung geschlossen.

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Mit der Attributdominanz wird ein Beurteilungsprogramm umschrieben, das von einer Eigenschaft auf das gesamte Angebot schließt. Dieser einzig relevante Eindruck dient als Schlüsselinformation und vereinfacht die Realitätsabbildung durch Prädispositionen, die sowohl im positiven wie im negativen Sinne remanent sind. Von einer Eigenschaft, die bekannt ist oder die man zu kennen glaubt, wird dabei induktiv auf das Profil des Beurteilungsobjekts insgesamt geschlossen, zum Beispiel aus der Verarbeitung des Armaturenbretts auf die Qualität des Fahrzeugs. Beim Sleeper-Effekt lässt die Behinderung der Glaubwürdigkeit durch eine als nicht vertrauenswürdig geltende Informationsquelle im Zeitablauf nach, weil Personen nach einiger Zeit nicht mehr so genau wissen, ob die Information nun von einer glaubwürdigen oder aber nicht glaubwürdigen Quelle stammt. Der Botschaftsinhalt wird also länger erinnert als die Botschaftsquelle. Das erklärt das hartnäckige Verweilen böswilliger Gerüchte aus dubiosen Quellen (Fake News), deren Herkunft demgegenüber nach einiger Zeit verschwimmt. Der Source-Effekt beschreibt den Einfluss des Absenderimages auf den Botschaftsinhalt. Denn die Botschaft hat immer eine Konnotation zum Absender, sie ist spontan umso glaubwürdiger, als je glaubwürdiger dieser eingeschätzt wird. Wird umgekehrt die Quelle als gering glaubwürdig betrachtet, überträgt sich dies auch auf den Informationsinhalt. So verzeiht man es renommierten Absendern selbst, wenn sie fragwürdige Statements von sich geben (z. B. Franz Beckenbauer), umgekehrt finden dafür Wahrheiten aus zweifelhaften Quellen keine breite Resonanz (z. B. Lothar Matthäus). Unter Audience-Effekt versteht man den Einfluss der Empfängereinstellung auf die Botschaftswirkung. Eine Botschaft, die mit der subjektiven Disposition des Empfängers übereinstimmt, fällt auf fruchtbareren Boden. Verunsichernde Botschaftsinhalte werden hingegen eher verdrängt. Menschen nehmen also wahr, was sie wahrnehmen wollen, nicht was wahr ist. Darauf bauten alle Wahlkämpfe der Kohl- und Merkel-Ära auf, Reformbedarf, der zweifelsfrei gegeben war, aber zur Verunsicherung der Bevölkerung geführt hätte, wurde einfach werblich negiert. Statt dies zu hinterfragen, wurde die Botschaft vom Wahlvolk erleichtert und zustimmend aufgenommen. Hingegen wurde Veränderung (Agenda 2010/Schröder) abgewählt. Der Message-Effekt betrifft die Wirkung einer Botschaft allein, ohne dass dabei das Absenderimage oder die Empfängereinstellung eine Rolle spielen. Es handelt sich quasi um den neutralen Botschaftsinhalt, der so aber kaum vorkommt und im Marketing erst recht nicht gewünscht ist. Dies entspricht der Sachebene des Kommunikationsmodells unter Negierung der Beziehungsebenen, die aber untrennbar mit jeder Botschaft verbunden sind. Beim Carry-over-/-in-Effekt handelt es sich um eine Beeinflussung zukünftiger Reaktionen durch aktuelle Erfahrungen bzw. aktueller Reaktionen durch vergangene Erfahrungen. Der Carry-over-Koeffizient gibt an, welcher Anteil der

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

Reaktion auf diese zeitliche Verkettung zurückzuführen ist. Aktuelles Verhalten ist immer nur vor dem Hintergrund der Erfahrung zu interpretieren, vergangene Erfahrungen beeinflussen gegenwärtiges Verhalten, und gegenwärtige Erfahrungen werden zukünftiges Verhalten beeinflussen. Beim Spill-over- / -in-Effekt handelt es sich um den sachlichen Übertrag zwischen verwandten Wahrnehmungsobjekten. So hängen Nachrichten zum Produkt mit der Einstellung zum Botschaftsabsender zusammen, sofern zwischen beiden kommunikative Gemeinsamkeiten bestehen. Die Tatsache etwa, dass ein Unternehmen ein Flaggschiff-Produkt herstellt wie die Mercedes S-Klasse beeinflusst die Wahrnehmung auch anderer Produkte desselben Absenders in niedrigeren Klassen, wie die Mercedes A-Klasse, obgleich zwischen beiden tatsächlich nur sehr begrenzt Gemeinsamkeiten bestehen. Beim Lap-over- / -in-Effekt handelt es sich um den räumlichen Übertrag zwischen benachbarten Verbreitungsgebieten. Informationen aus einem Gebiet werden mit denen, die man aus oder in einem anderen Gebiet erhalten hat, abgeglichen und führen zur Bestärkung bei Übereinstimmung oder zur Irritation bei Diskrepanz. Dies gewinnt angesichts des Trends zur Internationalisierung rapide an Bedeutung, Botschaften aus einem Raummarkt können kaum mehr von anderen Raummärkten abgeschirmt werden. Dies ist positiv, wenn es sich um erwünschte Übertragungen handelt, aber negativ, wenn es sich um unerwünschte handelt. Der Wear-out-Effekt besagt, dass nach einer bestimmten Anzahl von Botschaftskontakten zusätzliche Frequenz nicht nur keine zusätzliche Wirkung mehr zeitigt, sondern im Gegenteil die Wirkung mindert, weil sie hypertrophiert ist. Es kommt zu Abnutzungserscheinungen infolge überhöhter Penetration. Problematisch ist dabei die Aussteuerung dieser Wear out-Grenze, da Personen durch vielfältige Faktoren unterschiedlich häufig in Kontakt zu einer Botschaft geraten. So kann weitere Penetration für einige Personen bereits kontraproduktiv wirken, während sie für andere noch hilft, die Durchdringung zu verbessern. Bei den Positionseffekten besagt der Primacy-Effekt, dass sich in einer Botschaftsfolge die erste „Dosis“ stärker durchsetzt, weil ihr noch am ehesten Aufmerksamkeit zuteil wird und die Rezipienten noch relativ unvoreingenommen sind. Dies gilt vor allem für kurze Botschaftsfolgen wie in TV-Spots. Der Recency-­ Effekt hingegen besagt, dass sich in einer Botschaftsfolge die letzte „Dosis“ stärker durchsetzt, weil sie besser im Gedächtnis haften bleibt als die anfänglich dargebotenen Aussagen. Dies gilt vor allem für lange Botschaftsfolgen wie in Kino-Spots. Unter Rub-off-Effekt versteht man die Abhängigkeit der Kommunikation vom mit ihr verbundenen Medienumfeld. Kompetente Medien stützen die Kompetenz der unternehmerischen Botschaften, impactstarke Medien stützen den Impact dieser Botschaften. Insofern ist es nicht unerheblich, innerhalb welchen Umfelds man als Absender eine Botschaft platziert, denn dies hat wesentlichen Einfluss auf die Glaubwürdigkeit der in Frage stehenden Botschaft (The medium ist the message).

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Unter Communicator-Effekt versteht man die Abhängigkeit der Überzeugungswirkung vom Eindruck der individuellen Präsentation. Hier weiß man aus der Imagery-Forschung, dass Bilder Texten in vielfacher Hinsicht überlegen sind. Es kommt also darauf an, Botschaften möglichst wahrnehmungsfreundlich zu präsen­ tieren, wobei die rechte Gehirnhälfte bei Rechtshändern generell eine höhere Fähigkeit hat, komplexe, holistische Informationen aufzunehmen, zu verarbeiten, abzuspeichern und zum gegebenen Anlass wieder abzurufen. Der Bolstering-Effekt besagt, dass Informationen, die bestätigend wirken, bewusst gesucht werden, und solche, deren Inhalte abgelehnt werden, gerade diese Ablehnung gegen sie verstärken. Dadurch können Vorurteile erhalten werden, denn man wird nur noch bestätigende Inhalte gewahr und hält sie für unerschütterliche Wahrheit. Daran scheitern immer wieder gut gemeinte Versuche, pädagogisch auf Konsumenten einzuwirken wie beim Warnaufdruck auf Zigarettenpackungen. Es wird immer der bequeme Weg eingeschlagen, auch wenn er zur Ausblendung erheblicher Teile der Realität führt. Der Inertia-Effekt besagt, dass die Glaubwürdigkeit von Informationen, die eigene Präferenzen untermauern, überschätzt wird bzw. umgekehrt, die Glaubwürdigkeit den eigenen Werten entgegen gesetzter Informationen unterschätzt. Auch dies führt zu einer Bestärkung der eigenen Vorurteile. Die Realität wird dabei zwar nicht ausgeblendet, aber so zurecht gestutzt, dass sie der eigenen Disposition entspricht, etwa indem Aussagen zur Gesamtheit bewusst an Ausnahmen gegenargumentiert werden. Ein bekanntes Beispiel ist der 100-jährige Kettenraucher, der sich bester Gesundheit erfreut gegenüber dem jugendlichen Nichtraucher, der viel zu früh verstirbt. Beim Bumerang-Effekt reagieren Empfänger in einer Weise, die den Absichten des Kommunikators zuwiderläuft. Ursache ist meist eine falsch eingesetzte Aktivierung. In der Werbung ist der Vampire-Effekt, bei dem ein starker Blickfang die eigentliche Botschaft überdeckt, zu erwähnen. Dies gilt etwa bei erotischen Reizen, die aufgrund eines kontinuierlichen Libido-Überschusses zu starker Aktivierung führen, die aber von der eigentlichen Botschaft ablenkt. Am Ende erinnert sich daher jeder an den Attrappenreiz, aber kaum einer mehr an die damit dramatisierte Aussage. Ähnliche Wirkungen haben Kinder oder Tiere in der Werbung. Bei den Ankündigungs- und Vorrats-Effekten besagt ersterer, dass die Nachfrage auf die Ankündigung neuer Produkte mit Kaufzurückhaltung bei den bestehenden reagiert, letzterer besagt, dass ein Nachfrageschub einsetzt, wenn sich die so aufgestaute Nachfrage dann bei der Präsentation entlädt. Daher ist ein Prä-Marketing, also die Vorvermarktung noch nicht marktpräsenter Produkte, nur dann sinnvoll, wenn dadurch nicht bestehende eigene Produkte kannibalisiert werden. In allen anderen Fällen ist eine möglichst lange Geheimhaltung bis zur Marktpräsenz anzustreben wie etwa bei „Erlkönigen“ in der Automobilbranche.

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

7.1.5.3 Gesetzmäßigkeiten Hinsichtlich der Gesetzmäßigkeiten der Wahrnehmung bestehen zahlreiche Theorien, die Hinweise für die praktische Handhabung der Werbung geben. Bei der Selektionierung geht das Individuum mit subjektiven Erwartungen an die Umwelt heran. Die Umwelt aber liefert objektive Informationen. Die Wahrnehmung ist nun ein Kompromiss aus beidem. Wahrgenommen wird die Schnittmenge aus den subjektiven Erwartungen und den entsprechenden objektiven Informatio­nen. Dafür gibt es mehrere Gründe, so gezielte Informationssuche bei extensiven Kaufentscheidungen, Bestätigung vorhandener Meinungen / Einstellungen, subjektive Beeinflussung der Reizinterpretation und Vermeidung irrelevanter Informationsaufnahme. Nach der Elementenpsychologie setzt sich die Wahrnehmung aus einzelnen Elementen zusammen. Die einzigen Einflussfaktoren auf die Wahrnehmung sind daher die Reize der äußeren, physikalischen Umwelt. Jedes Element wird getrennt wahrgenommen. Die Wahrnehmung bildet sich aus der Summe aller Empfindungen, die sich aus kleinsten wahrnehmbaren Elementen gleich einem Mosaik zusammensetzt und maximal gleich der Summe ihrer Teile ist. Die Empfindungsstärke wächst dabei berechenbar unterproportional mit der Reizstärke. Zum Beispiel verdoppelt sich danach die Wahrnehmung einer Anzeige mit der Vervierfachung ihres Formats. Die einzelnen Elemente sind getrennt optimierbar. Folglich sollen Anzeigen groß, bunt, laut, also reklamig, sein. Tatsächlich aber hängt die Wahrnehmungswirkung nicht nur von den Elementen selbst, sondern auch von deren innerer und äußerer Qualität ab wie Anzeigenlayout oder Insertionsumfeld. Folglich kommt es zu widersprüchlichen Ergebnissen. Die Prüfung erfolgt durch Experiment. Dieser Zusammenhang ist als Weber-Fechner’sches Gesetz bekannt und stammt aus der Psychophysik. In Versuchssituationen mag das annähernd hinreichen, in realen Situationen wirken aber zahlreiche Einflussfaktoren auf die Wahrnehmung ein, so Erfahrungen, andere Wahrnehmungen und situative Faktoren. Die AIDA-Formel (Lewis) basiert auf solchen elementpsychologischen Annahmen (A für „to capture attention“, I für „to maintain interest“, D für „to create desire“, A für „to get action“, später ergänzt um C für „to gain conviction“ zur AIDCA-Formel). Nach der Gestaltpsychologie / Berliner Schule ist das Ganze hingegen mehr als die Summe seiner Teile. Ihm kommen Eigenschaften zu, die seinen Teilen ab­gehen. Der Beweis dafür wird regelmäßig durch optische Täuschungen angetreten. Man kann also nicht einfach Einzelwahrnehmungen zu einer Gesamtwahrnehmung aufaddieren. Vielmehr handelt es sich bei Wahrnehmungen um eigenständig strukturierte Gestalten, die mehr sind als die Summe der Empfindungen. Alle Teile wirken dabei als Einheit. Zwischen Reizen und Empfindungen besteht demnach keine eindeutige und konstante Beziehung, da jede Wahrnehmung durch den Gesamtzusammenhang bedingt ist. Wahrnehmungsgegebenheiten unterliegen der Tendenz zur Organisation in Gestalten. Bei kurzfristiger Darbietung und im Ge-

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dächtnis tendieren unvollkommene, schlechte Gestalten zu guten, meist einfachen und symmetrischen Gestalten, die als bedeutungsvoll erlebt werden. Bereits Veränderungen eines Teils einer Einheit führen somit zur Veränderung der Wahrnehmung des Ganzen. Die Wahrnehmung wird verbessert, wenn die Gestalten bestimmten Gesetz­ mäßigkeiten folgen. Dazu gehören folgende: • Figur-Grund-Differenzierung bedeutet, dass der Vordergrund eines Motivs sich deutlich von dessen undifferenziertem Hintergrund abheben sollte, • Prägnanz bedeutet, dass Elemente vorzugsweise als einfache Muster und Konfigurationen als stabile Strukturen wahrgenommen werden, • Kontinuität bedeutet, dass Elemente, die ein „gemeinsames Schicksal“ teilen, als zusammengehörig angenommen werden, • Geschlossenheit bedeutet, dass fehlende Elemente nach Wahrnehmungserfahrung vom Betrachter ergänzt werden, so dass für ihn bekannte Gestalten erkennbar sind, • Nähe bedeutet, dass räumlich näher beieinander liegende Elemente eher als zusammengehörig erkannt werden als räumlich weiter auseinander liegende Elemente, • Richtung bedeutet, dass Formen mit fortlaufenden Konturen harmonischer wirken und zu Gestalten gebildet besser wahrgenommen werden. Je kontrastierter, geschlossener und regelmäßiger eine Gestalt ist, desto besser wird sie wahrgenommen. „Schlechte“ Gestalten werden langsamer gelernt und schneller vergessen als „gute“. Die Prüfung der Gestaltfestigkeit erfolgt durch Deformationsverfahren. Die Ergebnisse sind jedoch unbefriedigend, da die Verände­ rung eines Teils auch zur Veränderung des Ganzen führt, also unendlich viele Messungen erforderlich sind, um zu optimalen Ergebnissen zu kommen, was unrealistisch ist. Nach der Ganzheitspsychologie / Leipziger Schule sprechen Signale immer zunächst die Gefühlsebene an. Gefühle wirken auf alle psychischen Vorgänge. Die Wahrnehmung entsteht dabei aus ersten, gefühlsmäßig gefärbten Anmutungen erst allmählich aus „Vorgestalten“. Man nennt diesen Prozess Aktualgenese. Für die Wahrnehmung ist dabei der Kontext aus spontaner Anmutung und subjektiven Gegebenheiten ausschlaggebend. Spontane Anziehung oder Ablehnung hat darin ihre Ursachen. Die Messung der Anmutungsqualität und damit des Wahrnehmungserfolgs erfolgt durch Verfahren der Wahrnehmungserschwerung. Nach der Assoziationspsychologie entsteht Wahrnehmung durch zeitliches und räumliches Zusammentreffen von Reizen. Der Lernerfolg wird dann durch Zahl und Intensität dieser Reize bestimmt. Gedanken sind demnach aus elementaren

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Sinneseindrücken über Ähnlichkeit bzw. Nichtähnlichkeit zusammengesetzt. Dies betont die Corporate Identity einer Firma bzw. Marke. Nach der Motivationspsychologie besteht eine Abhängigkeit zwischen dem Empfinden bei der Wahrnehmung und dem Grad des Behaltens des Wahrgenommenen. Die Schwerin-Kurve besagt dabei, dass besonders positiv und besonders negativ Empfundenes besser behalten wird als Indifferentes. Außerdem wird nega­ tiv Besetztes wie Angst schlechter erinnert als positiv Besetztes. Nach der Sozialpsychologie ist Wahrnehmung gruppengesteuert. Wahrgenommen wird, was der sozialen Situation entspricht. Als Beeinflusser treten dabei Meinungsbildner auf. Außerdem ist bekannt, dass verschiedene Menschen bei den gleichen Objekten Unterschiedliches wahrnehmen. Weil nicht die Realität die Realität im Markt ist, sondern die Vorstellungen des Publikums darüber, die abhängig sind von deren Erwartungen, Einstellungen und Bedürfnissen. Theorien der Wiedererkennung beschäftigen sich mit den Voraussetzungen für die schnelle und gute Identifizierung gelernter Inhalte. Nach der Schablonen­ theorie werden gleiche Elemente wiedererkannt. Die Wiedererkennung wird dabei durch weitestgehende Übereinstimmung zwischen wahrgenommenen und gelernten Situationen begünstigt. Beispiele sind hoch penetrierte Stereotype wie Clementine / A riel, Frau Sommer / Jacobs Kaffee oder Herr Kaiser / Hamburg-Mannheimer, da Lernen durch Rückbezug auf Bekanntes erfolgt. Nach der Attributtheorie werden demgegenüber bereits einzelne, charakteristische Elemente wiedererkannt. Wiedererkennung wird dabei durch weitgehende Redundanz von Schlüsselreizen nach Form und Inhalt begünstigt. Lernen erfolgt demnach auch schon durch Rückbezug auf ähnliches und vermeidet damit schnelle Wear-out-Effekte. 7.1.5.4 Informationsverarbeitung In der Wahrnehmungsforschung sind unterschiedliche Informationsverarbeitungsmodelle entwickelt worden. Als kurzer Überblick dazu folgende Angaben. Das Elaboration likelihood-Model (Petty / Cacioppo) geht von zwei Routen der Wahrnehmung aus, einer zentralen Informationsverarbeitung bei hohem Involvement sowie einer peripheren Informationsverarbeitung bei niedrigem Involvement. Bei zentraler Informationsverarbeitung erfolgt eine intensive kognitive Verarbeitung von produktrelevanten Informationen, die Einstellungen sind relativ dauerhaft und mit hoher Verhaltensrelevanz versehen. Bei peripherer Informationsverarbeitung erfolgt eine Verarbeitung mit niedrigem kognitiven Aufwand, Einstellungen sind temporär und von geringer Verhaltensrelevanz. Das Heuristic systematic-Model (Chalken) unterscheidet systematische und heuristische Prozesse der Informationsverarbeitung. Systematische Prozesse erfolgen

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bei hohem kognitiven Aufwand, heuristische Prozesse bei niedrigem kognitiven Aufwand. Beide Prozesse können gleichzeitig ablaufen. Bei niedriger Motivation zu systematischen Verarbeitungsprozessen dominieren heuristische Beurteilungen die Einstellungsbildung, bei hoher Motivation und Fähigkeit sinkt der Einfluss von Einstellungen, die aufgrund von Heuristiken entstanden sind. Das Brand processing-Model (Mitchell) unterscheidet ein Brand Processing bei hohem Involvement sowie ein Brand Processing oder Non-Brand Processing bei niedrigem Involvement. Bei Brand Processing mit hohem Involvement erfolgt eine intensive Verarbeitung markenrelevanter Werbeinformationen, bei Brand Processing mit niedrigem Involvement erfolgt eine Aktivierung schematarelevanten Wissens und Verständnisses der Werbebotschaft ohne kritische Analyse, bei Non-Brand Processing erfolgt eine geringe kognitive Auseinandersetzung mit den Werbeinformationen. Das Audience involvement in advertising-Model (Greenwald / Leavitt) unterscheidet hierarchisch aufsteigend Pretention auf niedrigster Verarbeitungsstufe, Focal attention, Comprehension und Elaboration auf höchster Verarbeitungsstufe als unterschiedliche Stufen der Analyse eintreffender Stimuli und verwendeter kognitiver Kapazitäten. Verschiedene Stufen des Involvement sind mit qualitativ unterschiedlichen Formen kognitiver Aktivitäten verbunden, die ein unterschiedliches Maß an Verarbeitungskapazität verlangen sowie mit zunehmender Verarbeitungsintensität stärkere kognitive Wirkungen haben. Das Attitude towards the ad-Model (Lutz) unterscheidet vier verschiedene Prozesse der Informationsverarbeitung mit unterschiedlichen Auswirkungen auf die Einstellung zur Marke, beeinflusst von der Einstellung zum Werbemittel. Dabei handelt es sich um Pure Affect Transfer, Contextual Evaluation Transfer, Message-based Persuasion oder Dual Mode Persuasion, jeweils in Abhängigkeit von der Ausprägung der zwei Involvementarten mit abweichenden Auswirkungen affektiver und kognitiver Komponenten bei der Bildung der Einstellung zu einem Werbemittel. Das Integrative attitude formation-Model (Maclnis / Jaworski) unterscheidet sechs Ebenen der Informationsverarbeitung als Feature Analysis, Basic Categorization, Meaning Analysis, Information Integration, Role-taking und Constructive Processes. Bei unterschiedlichen Konstellationen von Motivation, Fähigkeit und Möglichkeit zur Informationsverarbeitung werden verschiedene Ebenen der Verarbeitung gewählt, die einen unterschiedlichen Einfluss auf kognitive und emotionale Reaktionen und den Prozess der Einstellungsbildung haben. Die Wahrnehmung erfolgt selektiv über verschiedene Stufen des Gedächtnisses und nur Informationen, die all diese Hürden überstehen, haben einigermaßen Bestand. Es sind solche Reize zu bevorzugen, die von sich aus Aufmerksamkeit schaffen, weil sie assoziativ wirken. Es können nur schwer gleichzeitig unterschiedliche Informationen erfasst werden. Denn raum- und zeitgleiche Reize treten

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in Konkurrenz zueinander und beeinträchtigen sich gegenseitig, daher ist es besser, sich auf einen Reiz zu konzentrieren. Die Wirkung ist dabei größer, wenn auf verschiedene Sinnesorgane identische Informationen eingehen (Integrierte Kommunikation). Je leichter Elemente verarbeitbar sind, desto eher werden sie wahr­ genommen. Assoziationen erleichtern die Verarbeitung von Informationen, daher sollte man Eselsbrücken anbieten wie Alliterationen bei Mars macht mobil …, bildhafte Namen bei Zewa wisch & weg. Die Relevanz von Botschaften und ihre Glaubwürdigkeit sind zentral für die Gedächtnisverankerung. 7.1.6 Kognitive Variable Die kognitiven Ansätze beschäftigen sich mit dem verstandesmäßigen Lernen anstelle des Lernens durch Repetition / S – R. Dabei wird insbesondere auf Gedächtnisinhalte zurückgegriffen. Man spricht auch von S – I – R-Modellen mit I für Information. Zu diesen Ansätzen gehören das Lernen durch Einsicht, das Lernen am Modell, das Lernen durch Rezeption und das Gedächtnis als Lernspeicher. Dabei sind folgende Abfolgen denkbar: • Reihenfolge Kognition – Konation (Cognitive Information): Dies unterstellt ein rein rationales Käuferverhalten, bei dem Werbung Informationen an vorinformierte Empfänger liefert, die entsprechend ihrem Wissensstand handeln. • Reihenfolge Affektion – Konation (Pure Affect): Dabei erfolgt eine Konzentration auf die emotionale Reaktion der Empfänger, Werbung wirkt über Einstellungen, die dann ihrerseits zur Handlung verkettet sind. • Reihenfolge Kognition  – Affektion  – Konation (Persuative Hierarchy): Der Werbe­wirkungsprozess vollzieht sich aufeinander abfolgend über Wissen und daraus resultierende Emotion, die dann ihrerseits in Handlung mündet (dies gilt für High Interest-Produkte). • Reihenfolge Kognition – Konation – Affektion (Low Involvement): Die Kauf- und Produkterfahrung bestimmt das darauffolgende Verhalten und dieses dann erst die Einstellung zum Kaufobjekt (dies gilt vor allem für Low Interest-Produkte). Allerdings gibt es auch die Ansichten, dass die Abfolge situativ verschieden ausfällt (Integrated Model) bzw. keine Abfolge statuiert werden kann (Hierarchy Free). Im Folgenden werden speziell Lern- und Gedächtniseffekte betrachtet. 7.1.6.1 Lernen durch Einsicht Lernen durch Einsicht, auch Lernen durch Verstehen genannt, geht von der Annahme aus, dass das Verhalten der Menschen durch die geistige Bewältigung vorhandener Situationen, vor allem durch das Erkennen deren jeweiliger Zusam-

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menhänge, also der Ziel-Mittel-Beziehungen, gelenkt wird. Ist diese Einsicht vorhanden, können auch Situationen, die neuartig oder ungewohnt sind, rasch und erfolgreich bewältigt werden. Gewonnene Einsichten sind erfahrungsbedingt und werden im Gedächtnis abgespeichert, so dass sie für ähnliche Situationen abrufbar bleiben. Ist ein Organismus in der Lage, die in einer bestimmten Situation relevanten Kaufalternativen mit seinen Zielvorstellungen zu verknüpfen, kann er also die Konsequenzen seiner Entscheidung antizipieren und so seine Lage bewältigen. Maßstab ist ihm dabei seine Nutzenmaximierung. Es entsteht eine strukturierte Umweltwahrnehmung und Identifikation, die es erlauben, Lösungskonzepte nicht nur auf gleiche, sondern auch auf ähnliche Situationen anzuwenden. Es wird also keine Reiz-Reaktions-Verknüpfung angenommen. Dabei wird vornehmlich auf die aktuelle Problemstruktur abgestellt, gewohnheitsmäßiges Verhalten ist dadurch hingegen kaum erklärbar. Haben Konsumenten etwa den Zusammenhang zwischen Abfallaufkommen und Umweltproblematik anhand der Mehrwegverpackung bei Getränken gelernt, so können sie diesen Zusammenhang ohne Weiteres auch auf den Vorteil von Nachfüllpackungen bei Waschmitteln übertragen. Fleischersatzprodukte sind umso erfolgreicher, je mehr Informationen Verbraucher über konventionelle Massentierhaltung erhalten. Gleiches gilt für den Vorzug zuckerfreier/-armer Lebensmittel, seit die Gefahren von Diabetes breiter bekannt sind.

7.1.6.2 Lernen am Modell Lernen am Modell, auch Lernen durch Leitbild oder aspiratorisches Lernen, ist eher imitativ fundiert. Ein Individuum als Nachahmer beobachtet dabei ein anderes als Modell in einer neuartigen Situation und ahmt dessen Verhalten in ihm geeignet erscheinenden Situationen nach. Dabei geht es um die Nachahmung vorbildlicher Leitfiguren, die aus verschiedensten Bereichen des sozialen Umfelds stammen können. Beobachter lernen, die vorgeführte Verhaltenssequenz selbst auszuführen. Das Verhalten muss nicht direkt beobachtet sein, es kann auch über Medien oder durch Beschreibung vermittelt werden. Vor allem Personen mit geringer Selbstwerteinschätzung und solche, die zwischen dem Vorbild und sich selbst eine Ähnlichkeit zu erkennen glauben, zeigen hohe Nachahmungsbereitschaft. Insofern kommt es hierbei zu einer Verknüpfung mit soziologischen Aspekten. Art und Ausmaß des Erlernten sind vom Beobachter, von der beobachteten Situation und von der beobachteten Person abhängig. Der Beobachter steuert die Situation durch den Grad seiner Bereitschaft zur Aufnahme von Informationen. Die beobachtete Situation hat umso mehr Einfluss, je ähnlicher sie solchen ist, die auch für den Beobachter gelten oder gelten können. Von der beobachteten Person kann umso eher Verhalten übernommen werden, je besser dieses beobachtbar ist. Lernen stellt somit einen aktiv gesteuerten Prozess erlebter Erfahrung dar. Für das Lernen ist es jedoch nicht erforderlich, dass der Beobachtende eine Handlung selbst ausführt

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oder für die Nachahmung belohnt wird. Es vollzieht sich selbst ohne Verstärkung, der reine enge Zusammenhang reicht aus. Das Lernen erfolgt über bildliche und sprachliche Kommunikation, die zu dauerhaften und abrufbaren Vorstellungen vom beobachteten Verhalten führt und vom Individuum gespeichert werden kann. Wichtig sind die Aufmerksamkeit beim Betrachter, Gedächtnisleistung, Reproduktion der Ausführung und Verstärkung. Lernen erfolgt also durch die Übernahme von Gebrauchserfahrungen. Wird etwa in Redaktion oder Werbung suggeriert, die Verwendung bestimmter Kosmetika oder Kleidungsstücke führe zu erhöhter sexueller Anziehungskraft, so können Konsumenten, für die dies erstrebenswert ist, versuchen, diesen Erfolg durch Kauf dieser Produkte auf sich zu übertragen. Dabei werden leicht moralische Grenzen überschritten. So ist die Darstellung von Alkoholprodukten in Zusammenhang mit sexuellem Erfolg infolge Enthemmung verboten, ebenso die Aufforderung zum Rasen im Straßenverkehr in Anlehnung an das Verhalten modellhafter Autorennfahrer. Gleichermaßen führt die Darbietung ungewöhnlicher Formen der Gewalt in den Medien zur Fähigkeit der Rekonstruktion, wobei die Ausführung von der Zweckmäßigkeit, etwa als erwartete Verstärkungen durch Bewunderung in der Gruppe, abhängt. Diese Form des Lernens ist auch entscheidend für die Sozialisation des Menschen. Er lernt von frühester Kindheit an, Bezugspersonen, im Regelfall die Eltern, als Modelle zu beobachten und nachzuahmen. Oder sich, als Ausdruck des Protests, von diesen abzusetzen. Sozialisation betrifft das Erlernen von sozialen Spielregeln, deren Verinnerlichung erfolgt durch Internalisierung. Das daraus resultierende Handeln kann zweckrational, also auf Erfolg gerichtet, wertrational, also auf Erhaltung von Moral, Sitte, Anstand gerichtet, affektional, also gefühlsmäßig und spontan, oder traditional, also gewohnheitsmäßig wie immer, sein. Auf dem Lernen am Modell basiert die Testimonial-Werbung mit „Verbraucherzeugen“ und Prominenten (Celebrities). Diese Personen gelten häufig als Verhaltensvorbild und werden daher von Konsumenten imitiert, nicht nur in Kleidungsstil, Haartracht o. Ä., sondern eben auch in Bezug auf die Produktpräferenz.

7.1.6.3 Lernen durch Rezeption Weiterhin gibt es das Lernen durch Rezeption wie seinerzeit in der Schule. Es ist im Unterschied zum Lernen durch Einsicht oder am Modell kein unbeabsichtigtes Lernen, sondern die bewusste Informationsaufnahme, Datenverarbeitung und Verhaltensänderung. Dieses erfolgt durch Unterweisung und ist von der Intelligenz abhängig. Intelligenz drückt sich in räumlichem Vorstellungsvermögen, Auffassungsgeschwindigkeit, Rechentalent, Sprachverständnis, Wortgewandtheit, Gedächtnis und Schlussfolgerungen aus. In der Werbung führt dies zu, meist pseudowissenschaftlichen, Erklärungen, so über die Entstehung und die Gefahren von

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Parodontose und die Möglichkeiten zu ihrer Vorbeugung durch die Wahl einer spezialisierten Zahncreme, die Bedeutung der Haarwurzeln für Erhalt, Schuppenfreiheit und Entfettung der Haare oder die Wirkung eines Ibuprofen-Pflasters auf die Muskulatur und das Schmerzempfinden. Damit scheint dieser Ansatz auf den Bereich hoch erklärungsbedürftiger Produkte beschränkt zu sein, hat dort aber durch seinen aufklärenden Charakter durchaus seine Berechtigung. Wenig sinnvoll ist er jedoch bei „normalen“ Produkten, bei denen eine solche Aufblähung leicht durchschaubar ist. 7.1.6.4 Gedächtnisstruktur Das Gedächtnis hat die Fähigkeit, Ereignisse zu behalten und mehr oder weniger originalgetreu zu reproduzieren. Von Datenspeichern, die in diesem Sinne auch ein Gedächtnis haben, unterscheidet sich das menschliche Gedächtnis dadurch, dass Ereignisse nicht nur passiv abgespeichert, sondern auch aktiv bearbeitet werden können. Denken besteht im Einzelnen aus Beurteilen, Ordnen, Abstrahieren, Weiterentwickeln. Es bedarf zum Erinnern, Umstrukturieren, Schlussfolgern jedoch nicht des Rückgriffs auf aktuelle Wahrnehmungen, sondern wird aus Gedächtnisinhalten gespeist. Denken ist von den Denkumständen, also situativen Faktoren wie Zeitdruck oder Sozialdruck, abhängig, sowie von Produktkategorien in Bezug auf deren Neuartigkeit, Wert, Kauffrequenz, Verwendungsdauer oder Verwendungszweck und den Prädispositionen, also Risikoneigung, Impulshaftigkeit, Informationsbedürfnis oder Ich-Beteiligung. Das Gedächtnis hebt auf Informationsverarbeitungsprozesse im Lang- und Kurzzeitgedächtnis der Käufer ab. Das heißt, zwischen Stimulus etwa als Packung und Reaktion darauf als Kauf werden verstandesmäßig gesteuerte Prozesse als bewusste Informationsverarbeitung gesehen, die den Zusammenhang erklären. Dazu bedarf es bewusster Informationsgewinnungsaktivitäten der Käufer. Interessant ist, wie Gelerntes im Gedächtnis abgespeichert wird und wie Informationen und Persönlichkeit interagieren. Dafür gibt es mehrere Ansätze (siehe Abbildung IV/73: Modell der Gedächtnisstruktur). Ausgangspunkt des Mehr­ speichermodells ist eine unstreitig unübersehbare Flut von Informationen optischer, akustischer, haptischer, olfaktorischer und degustativer Art. Das Mehrspeichermodell, das nicht neurologische Gegebenheiten im Gehirn darstellt, gliedert das Gedächtnis, allerdings nicht ganz überschneidungsfrei, in zwei Speicher mit sehr großer Aufnahmekapazität und eher begrenzter Speicherdauer sowie einen Speicher mit begrenzter Kapazität und langer Speicherdauer, oder genauer, in Langzeit-, Kurzzeit- und Ultrakurzzeitgedächtnis der Käufer. Es stellt dar, wie Informationen auf zwei Wegen, durch die Umwelt und durch das Gedächtnis, zur Verarbeitung gelangen. Der Ultrakurzzeitspeicher dient der Informationsaufnahme, der Kurzzeitspeicher der Informationsverarbeitung und der Langzeit­speicher der Informationsablage.

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

Abbildung IV/73: Modell der Gedächtnisstruktur (Quelle: eig. Darst.)

Im Ultrakurzzeitgedächtnis (auch sensorischer Informationsspeicher / SIS) werden Eindrücke nur kurzzeitig zwischengespeichert und zu Reizkonstellationen kombiniert etwa als optische und akustische Signale. Dies erfolgt durch Umwandlung der Reizkonstellation in bioelektrische Signale und deren Weiterverarbeitung. Dazu bedarf es noch keiner gerichteten Aufmerksamkeit, sondern es werden beliebige Signale aufgenommen. Die Speicherkapazität ist dort sehr groß und die Zugriffsgeschwindigkeit sehr hoch. Die Speicherdauer liegt allerdings unter einer Sekunde, erste kognitive Weiterverarbeitungsprozesse bei als relevant erachteten Reizen werden eingeleitet. Dies betrifft vor allem die Weiterleitung an den Kurzzeitspeicher. Der Ultrakurzzeitspeicher betrifft also nur die Aufnahme von Informationen. Dann erfolgt die Weiterleitung an das Kurzzeitgedächtnis (auch Kurzzeitspeicher / K ZS). Dort werden die Reize in Abhängigkeit vom Aktivierungspotenzial ausgewählt und zu gedanklich verarbeiteten Informationen umgewandelt. Je nach Bedeutung, die im Wesentlichen auf Rückgriff auf Erfahrung beruht, werden mehr oder weniger Informationen gespeichert und miteinander verknüpft. Irrelevante Reize werden hier bereits gelöscht, denn die Kapazität dieses Speichers ist eng begrenzt. Durch Memorieren kann die Verweilzeit von normalerweise einigen Sekunden bewusst auf bis zu 15 Sekunden verlängert werden, um Reize zu entschlüsseln und in kognitiv verwertbare Informationen umzuwandeln, mit weiteren Informationen in Beziehung zu setzen und zu größeren Informationseinheiten zu

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organisieren. Die Verarbeitung umfasst also die Verdichtung der Informationseinheiten, ihre Verknüpfung mit bereits vorhandenen Informationen, den Zugriff auf abgespeicherte Informationen und die Steuerung des beobachtbaren Verhaltens. Der Kurzzeitspeicher ist zugleich ein Arbeitsspeicher als aktives Gedächtnis und die zentrale Einheit zur Informationsanalyse. Dabei werden relativ kleine Informationsmengen kurzfristig gespeichert, durch Denkprozesse verarbeitet und auf das Wesentliche reduziert. Die Funktionen werden teils unbewusst durchgeführt. Die einzelnen Verarbeitungsmöglichkeiten umfassen also neben dem Memorieren: • das Kodieren von Informationen als Verdichtung der Informationseinheiten und Weiterverarbeitung des Sinninhalts, • das Verknüpfen neuer mit im Gedächtnis bereits vorhandenen Informationen, • den Zugriff auf im Gedächtnis abgespeicherte Informationen, • die Steuerung beobachtbaren Verhaltens als Umsetzung. Im Langzeitgedächtnis (auch Langzeitspeicher / LZS) werden die verarbeiteten Informationen langfristig gesichert. Es kommt jedoch zum Absinken in Abhängigkeit von der Zeit oder zur Überlagerung in Abhängigkeit von der Eindrucksstärke der Daten, so dass diese im Entscheidungszeitpunkt nicht mehr verfügbar sein können, obwohl sie rein biologisch noch vorhanden sind. Hilfreich sind hier Ähnlichkeit, Kontrast und Kontinuität von Reizen. Außerdem haben mehrkanalige Signale eine höhere Chance der Erinnerung als einkanalige. Der Langzeitspeicher ist als aktives Netzwerk zu verstehen, das aus Knoten und gerichteten Verbindungslinien besteht. Die Knoten stehen für Objekte und Objekteigenschaften bzw. Ursachen und Ereignisse wie Begriffe oder Situationen, die Verbindungslinien geben die Beziehungen zwischen diesen Knoten nach Art, Richtung und Intensität an. Der Langzeitspeicher betrifft also die Ablage von Informationen. Einiges spricht dafür, dass die Speicher nicht so eindeutig abgrenzbar sind, wie hier modellhaft dargestellt. Daher sind Prognosen kaum möglich. Dennoch kann eine Pyramide wie folgt unterstellt werden. Die Grundgesamtheit stellen alle Informationen über alle Angebote dar, die jedoch so zahlreich sind, dass sie sinnlich nicht erfasst werden können. Durch Anbieterkommunikation wird daraus die übermittelte Information, welche die Sinnesorgane erreichen kann. Durch selektive Wahrnehmung kommt je nach Umsetzung nur ein Ausschnitt relevanter Informationen im SIS an. Daraus werden die wichtigen Informationen identifiziert und in den KZS überführt, dabei hilft eine prägnante Positionierung. Von diesen Informationen wird wiederum nur ein Teil im LZS abgelegt, und zwar in Abhängigkeit von Impact und Frequenz der Botschaften. Dort wiederum sind nur Teile der Information auch tatsächlich abrufbar, wenn akuter Bedarf danach besteht. Von diesen wiederum ist nur ein Teil wirklich objektiv zutreffende Information in Bezug auf Marke und Anbieter. Doch allein diese, übrig bleibende Information entscheidet letztlich über Kauf oder Nichtkauf von Produkten, sogar über die Existenz von Unternehmen.

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

Wenn nur ein Teil der Informationen, die wahrgenommen werden, ins Ultrakurzzeitgedächtnis gelangt, und von diesen nur ein Teil ins Kurzzeitgedächtnis, und von diesen wiederum nur ein Teil ins Langzeitgedächtnis, worauf es allein ankommt, dann stellt sich die Frage, wie Kommunikation beschaffen sein muss, die eine möglichst hohe Chance hat, diese Filter zu überwinden. Dafür gibt es zwei erfolgversprechende Ansätze. Möglichst ungewöhnliche, kreative Kommunikation wird eher kognitiv im Ultrakurzzeitgedächtnis wahrgenommen als andere, im Kurzzeitgedächtnis als neuartig qualifiziert und, falls relevant, im Langzeitgedächtnis auch verankert. Damit ist kreative Kommunikation ein sicherer Weg ins Gedächtnis, vorausgesetzt, die Botschaft wird als relevant erachtet, also nicht ungezielte Kreativität, sondern punktgenaue Umsetzung. Dieser Weg wird in der Werbung, oft von Marktherausforderern eingeschlagen, die nicht über genügend Budgetmittel verfügen, den Marktführer qua Penetration zu überholen, aber eine Chance sehen, durch eine spektakulärere Umsetzung mangelnde Masse mindestens wieder auszugleichen. Das gelingt aber nur dann, wenn die Relevanz beachtet wird. Dies ist leider in vielen Fällen nicht gegeben, etwa bei Kampagnen für Mode, Sportartikel, Duftwasser oder Kosmetik. Möglichst häufige Wiederholung wird unvermeidlich irgendwann kognitiv wahrgenommen, als ähnlich mit bereits unbewusst wahrgenommenen Informationen qualifiziert und, falls angenehm, verankert. Danach ist also Form und Inhalt der Kommunikation eher sekundär, es kommt vielmehr auf die Steigerung der Durchsetzungschancen durch viele Kontakte an. Dieser Weg wird in der Werbung oft von Marktführern eingeschlagen, die erstens über genügend Budgetmittel verfügen, um Penetration erreichen zu können, und zweitens ein höheres Sicherheitsbedürfnis haben, das mit neuartigen, risikoreichen Umsetzungen nicht vereinbar ist. Dies gilt vor allem für Low Interest-Produkte, für die anderweitig kaum Aufmerksamkeit und Interesse zu erzielen sind wie Wasch- und Reinigungsmittel, Papierwaren oder Hygieneprodukte. Die Theorie der Verarbeitungsebenen geht wegen der Überschneidungen der einzelnen Speicher nicht von diesen, sondern stattdessen von Verarbeitungsprozessen aus, die verschiedene Tiefen haben können. Tiefe Verarbeitung liegt etwa vor, wenn ein Objekt intensiv interpretiert und kategorisiert wird, flache Verarbeitung, wenn es nur oberflächlich wahrgenommen wird. Ein weiterer Ansatz ist die Hemisphärentheorie, wonach die beiden Hirnhälften ganz verschiedenartig angelegt sind und die rechte Hirnhälfte holistische / ganzheitliche Informationen verarbeitet. Das Denken ist eher unbewusst, intuitiv, imaginativ, konzeptionell, das Handeln mitfühlend, musisch, mitteilsam und emotional. Schwerpunkte sind analoges Denken, Visualität, Körpersprache, Rhythmus, Räumlichkeit, Stimulanz. Die linke Hirnhälfte ist dann für rationale / analytische Denkoperationen zuständig, diese Angaben gelten für Rechtshänder. Das Denken ist logisch, linear und quantitativ, das Handeln strukturiert, kontrolliert, auf Fakten

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ausgerichtet und geplant. Schwerpunkt sind digitales Denken, Sprache / Lesen, Organisation, Mathematik, Planung, Details. Oder kurz: Links sitzt die Administration, rechts die Kreativität.

7.1.6.5 Vergessen Dem Behalten steht unweigerlich das Vergessen entgegen. Vergessen geht anfangs sehr rasch vor sich, nimmt aber mit der Anzahl der verstrichenen Zeiteinheiten immer mehr ab. Dafür gibt es zwei Ansätze. Nach der Theorie des autonomen Verfalls löschen sich die zeitlich am weitesten zurückliegenden Informationen aus. Das bedeutet, die Erinnerung eines Stimulus ist abhängig vom Zeitabstand zwischen Wahrnehmung und Abruf der Information. Demnach ist es bedeutsam, eine hohe Penetration von Botschaften, etwa durch hohe Kontaktintensität in der Werbung, zu erreichen, wobei die Impactstärke dann sekundär ist, etwa über kurze Reminder-Spots. Vergessen ist insofern ein rein passiver Vorgang als Funktion der Zeit. Die gestalterische Qualität der Botschaft hat demnach keinen Einfluss auf das Behalten. Dem folgt die allbekannte Hypothese, wonach Budget gute Ideen zu substituieren vermag, denn danach hat derjenige Absender die besten Aussichten, der den geringsten zeitlichen Abstand zwischen Botschaft und Kaufentscheid hat, weitgehend unabhängig von der Eindrucksqualität. Dies stellt einen impliziten Nachteil etwa für Werbungtreibende mit kleinem Budget. Für die Botschaftsgestaltung bedeutet dies, dass es weniger auf herausragende Kreativität ankommt als auf Schaltfrequenz. Dass dies nicht ohne Wirkung bleibt, beweisen geschmacklich zurecht umstrittene Werbemittel für diverse FMCGs, die im Gedächtnis jedoch so verhaftet bleiben, dass sie in der konkreten Kaufsituation zweifellos präsent sind, wohingegen ob ihrer kreativen Umsetzung hoch gelobte Werbemittel mangels Nachhaltigkeit schnell in Vergessenheit geraten. Kritisch ist anzumerken, dass häufig Erlebnisse der weit zurückliegenden Vergangenheit sehr gut erinnert werden, etwa aus der Schulzeit, vom ersten Kuss oder der Führerscheinprüfung, wohingegen Erlebnisse der jüngsten Vergangenheit verlorengehen. Dies dürfte nach dieser Theorie nicht sein. Also sind zumindest auch andere Faktoren als die Zeit relevant. Nach der Interferenztheorie geht im Gedächtnis zwar nicht die Information selbst, wohl aber der Zugriff auf deren Speicherplatz durch Überlagerung anderer Signale verloren. Das bedeutet, die Erinnerung eines Stimulus ist abhängig von der Impactstärke anderer, in unmittelbarer zeitlicher Umgebung befindlicher Stimuli. Dabei kann es zu einer proaktiven Hemmung durch Informationen vorher oder zu einer retroaktiven Hemmung durch Informationen nachher kommen. Demnach ist es bedeutsam, impactstarke werbliche Umsetzungen zu nutzen, um die Beeindruckungswirkung konkurrierender Reize zu übertreffen etwa durch besonders hohe zielgerichtete Kreativität.

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

Vergessen ist hierbei ein aktiver Vorgang als Funktion der Konkurrenz. Dies ist in der Kommunikation von hoher Bedeutung etwa bei Klassischen Werbemitteln. Die einzelne Anzeige, der einzelne Hörfunk- oder Fernsehspot steht immer in Konkurrenz zur Umgebung der anderen Werbemittel, also der weiteren Anzeigen in der Zeitschrift / Zeitung, der weiteren Spots im Hörfunk- oder Fernsehwerbeblock auch zu den vorhergehenden und nachfolgenden redaktionellen Inhalten. Daraus folgt, dass die Behaltenschance umso geringer ist, je mehr und eindrucksvollere Informationen in dieser Umgebung stattfinden, also je mehr Anzeigen im Heft oder je mehr Spots im Werbeblock vorhanden sind, aber auch je impactstärker das redaktionelle Umfeld ist. So bewirken hochwertig gemachte Zeitschriften­beiträge, vor allem mit hohem Bildanteil, eine implizite Abwertung von Anzeigen, da letztere als weniger impactstark erlebt werden als erstere. Sogar Einfügungen wie die beliebten Mainzelmännchen im ZDF beeinträchtigen danach die Wirksamkeit der vorher und nachher geschalteten Spots, weshalb werbefinanzierte Sender konsequent auf solche Gimmicks, welche die Leistung für ihre Kunden gefährden, verzichten, sondern die optische und akustische Trennung von Programm und Werbung weniger auffällig realisieren. Die Wahrheit wird wohl zwischen beiden Polen liegen. Es kommt sowohl darauf an, eine hinreichende Nachhaltigkeit in der Verbreitung von Botschaften zu gewährleisten, um stets präsent zu sein, als auch in der Umsetzung möglichst merkfähig zu bleiben. Wer beides zusammen schafft, ist beinahe unschlagbar. 7.1.7 Biostruktur Die Biostruktur unterstellt, dass das menschliche Gehirn anthropologisch in drei Primärbereiche unterteilt werden kann, die zugleich Schlüssel zum Verständnis vielen Marktgeschehens sind (siehe Abbildung IV/74: Basismodell der Gehirn­ struktur). Es handelt sich um das: • Stammhirn (auch R-Komplex / Limbisches System). Es steuert die unbewussten Lebensvorgänge, also „automatische“ Gewohnheiten, Gefühle, Stimmungen und Instinkte. Zentrale Eigenschaften sind Bindung, Fürsorge, Sicherheit, Geborgenheit, Familie, Treue, Freundschaft, Gesundheit, Tradition, Heimat, Nostalgie, Natur, Bewahren. • Zwischenhirn (auch Hypothalamus). Ihm entspringen spontanes Reagieren, Antriebskräfte, Betätigungsdrang, Statusbewusstsein und Selbstbehauptung. Zen­ trale Eigenschaften sind Sieg, Kampf, Macht, Elite, Ruhm, Freiheit, Autonomie, Durchsetzung, Status, Stolz, Ehre, Leistung, Effizienz, Ehrgeiz, Expansion. • Großhirn (auch Großhirnrinde / Neocortex). Es ist zuständig für rationale Logik, planvolle Vorausschau, systematische Ordnung und Abstraktionsvermögen. Wichtige Eigenschaften sind Extravaganz, Kreativität, Individualismus, Abwechs­ lung, Innovation, Neugier, Kunst, Spaß, Humor, Spiel.

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Die Biostruktur basiert auf entwicklungsgeschichtlich basierten Gehirnstrukturen. Danach lassen sich das Stammhirn als Balance-System, das Zwischenhirn als Dominanz-System und das Großhirn als Stimulanz-System unterscheiden. Diese „Gehirnteile“ sind spezifisch charakterisiert und stellen keine Wertung dar, aber jeweils ein Gehirnbereich ist bei jedem Menschen bestimmend für sein Denken und Handeln. Abweichende Reaktionen von Personen in gleichen Situationen resultieren u. a. aus der individuell verschiedenen Verteilung dieser drei Primärbereiche. Zwar arbeiten immer alle drei „Gehirnteile“ zusammen an der Entscheidungsfindung und Verhaltensbestimmung, aber je nach „Gehirntyp“ dominiert jeweils ein Primärbereich. Charakteristisch sind dafür folgende Kennzeichen.

Abbildung IV/74: Basismodell der Gehirnstruktur (Quelle: google.com/search?q=biostruktur&sxsrf=ALeKk01jaxVV0zF0bONNZ5AYROi9wUe-AA:1592484401859&source=Inms&tbm=isch&sa=X&ved=)

Das Stammhirn steuert über starre Programme Begierden, auch den Arterhaltungstrieb, und fungiert darüber hinaus als Erfahrungsspeicher. Stammhirndominierte suchen daher instinktiv soziale Kontakte zur Gesellungstendenz, Geborgenheit mit menschlicher Wärme, Sympathie und wollen beliebt sein. Gemäß ihren Erfahrungen orientieren sie sich an Vertrautem in der Vergangenheitssicht, meiden möglichst jedes Risiko und neigen zu konservativem Sicherheitshandeln. Im Zweifel verlassen sie sich auf ihre Intuition, ihren Spürsinn und treffen reinrassige „Bauchentscheidungen“. Stammhirndominanz steht also für gesellige Kontakte, lebhaftes Interesse an Menschen und ihren Eigenheiten. Die Kontaktaufnahme fällt leicht, da andere, angezogen durch Ausstrahlung und Sympathie, entgegenkommen und aufnahmebereit sind. Stammhirndominierte suchen beim Kauf Wohlbehagen, Gediegenheit und Beständigkeit. Demotivierend wirkt alles, was Probleme und Schwierigkeiten verheißt, demnach alles Ungewohnte, Unerprobte, Neuartige. Dieser Personenkreis steht Experimenten daher ablehnend gegenüber. Stattdessen gelten Bequemlichkeit, Gewohnheit, Tradition als vorherrschende Ordnungsmuster. Im Konsum wird

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Gemeinsamkeit mit anderen gesucht, ein „Wir“-Gefühl. Abweichung von Gruppennormen wird gemieden, Sicherheit in Konformität und Harmonie mit möglichst vielen anderen gesucht. Meinungen, Erfahrungen von Freunden, Bekannten spielen eine große Rolle bei der Präferenzbildung, ebenso vertrauensvolle Berater und Medien. Das gesprochene Wort rangiert über dem geschriebenen. Ein Kaufanstoß geht meist von den Umständen aus, etwa einem Ersatzbedarf, oder der sozialen Umgebung, etwa durch Empfehlung. Druck erzeugt dabei Kaufwiderstand. Nach dem Kauf ist die Bestätigung der Richtigkeit der getroffenen Entscheidung wichtig. Gewohnheitsdenken und Abneigung gegen neue Entscheidungen führen zu Markentreue. Und Markenartikel bieten implizit mehr Sicherheit, die den Mehrpreis Wert ist. Das Zwischenhirn bringt Freund-Feind-Schemata hinzu, fordert Distanz und Willensstärke. Zwischenhirndominierte sind daher von Emotionen und Spontanreaktionen gesteuert, leben Aggressionen aus, sind ehrgeizig, stellen sich kompromisslos dem Wettbewerb und der sich daraus ergebenden Hierarchie. Allein mit dem Ziel, im Mittelpunkt und selbst ganz oben zu stehen. Die dazu erforderliche Dynamik und Entschlusskraft führt zu pragmatischen Problemlösungen in der Gegenwartssicht. Für Zwischenhirndominanz ist der Wunsch charakterisierend, im Mittelpunkt zu stehen und die intellektuellen Kräfte mit anderen zu messen. Verstellung und Diplomatie kommen dabei zu kurz. Führungsstärke und Willensdrang gewähren schnell natürliche Autorität. Allerdings besteht auch die Gefahr zu leerer Hektik, Imponiergehabe und Vorurteilen. Zwischenhirndominierte kaufen eigentlich Erfolgserlebnisse. Produkte werden in erster Linie danach bewertet, ob sie geeignet sind, den persönlichen Erfolg zu steigern. Dementsprechend wird alles Alltägliche, Herkömmliche als langweilig disqualifiziert. Argumente also, die Stammhirntypen entgegen kommen, stoßen Zwischenhirntypen geradezu ab. Sie suchen positive Abhebung von anderen, wollen größer, schneller, besser sein als diese. Deshalb sind sie oft Trendsetter und Konsumpioniere. Faszination geht von Produktdemonstration und konkretem Erleben aus. Vergleichsdaten spielen als „Benchmarks“ eine große Rolle. Kaufimpulse resultieren aus der animierenden Atmosphäre des Augenblicks. Langes Abwägen ist verzichtbar. Spontane Begeisterung für ein Angebot wird oft schnell durch noch größere für ein anderes abgelöst. Daraus folgt wenig Markentreue, oft handelt es sich um Wechselkunden. Das Großhirn ist wiederum ganz anders strukturiert, zwingt zu interpretativer Analytik mit Planung der Zusammenhänge und Prüfung möglicher Alternativen sowie lästigem Perfektionismus. Großhirndominierte halten daher soziale Distanz, sie zeichnet Kritikbewusstsein mit der Absicht fortschreitender Verbesserung von Lösungen in Zukunftssicht aus. Sie sind sensible Individualisten, die sich und anderen das Leben schwerer machen als es auf den ersten Blick nötig wäre. Kennzeichnend für Großhirndominanz ist der zurückhaltende Kontakt zu Fremden, der „Verletzungsgefahren“ birgt, ebenso wie das distanzierte Verhältnis zu sich selbst,

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das oft Ironie und Sarkasmus hervorbringt. Überpünktlichkeit, Vorsorgedenken und abwägende Vorsicht sind weit verbreitet. Großhirndominierte kaufen Perfektion, suchen immer und überall das günstigste Preis-Leistungs-Verhältnis oder gleich die anspruchsvollste Lösung, auch wenn das zeitraubend und anstrengend ist. Sachfremde Argumente wie Design, Farbe, Prestige, Sympathie zum Verkäufer oder Nähe der Geschäftsstätte sind sekundär. Jene Signale also, für die Zwischenhirntypen offen sind, laufen hier ins Leere. Standardlösungen werden als nicht gut genug deklassiert, Extravaganzen als nicht vernünftig genug abgelehnt. Kennziffern und Fakten dienen der Alternativenbewertung, Angebotsvergleiche schaffen Überblick. Werbung wird als nicht objektiv und unkritisch abgewertet. Spontankäufe sind selten. Meist wird nach Entscheidungsheuristiken durch Aussonderung weniger geeigneter Optionen und Verfolgung leistungsfähigerer Pfade vorgegangen. Die Bindung an ein Angebot ist durchweg rein rational, der Kauf ist Zweckkauf. Zwischen diesen Grundtypen ergeben sich Mischtypen mit folgenden Eigenschaf­ ten (Limbic-Types nach Häusel): • Balance-Dominanz-Mischung: Hartnäckigkeit, Fleiß, Funktionalität, Präzision, Logik, Disziplin, Ordnung, Gerechtigkeit, Pflicht, Askese, Moral, Gehorsamkeit, Hygiene, Sauberkeit, Sparsamkeit, Verlässlichkeit, Qualität, Perfektion, Kontrolle • Dominanz-Stimulanz-Mischung: Jagd, Impulsivität, Risikofreude, Spontaneität, Mut, Abenteuer, Rebellion, Pionier, • Stimulanz-Balance-Mischung: Genuss, Träumen, Sinnlichkeit, Geselligkeit, Vertrauen, Herzlichkeit, Poesie, Offenheit, Fantasie, Flexibilität, Toleranz, Leichtigkeit, Kompromiss.

Abbildung IV/75: Häusel-Modell der Gehirnstruktur (Quelle: google.com/search?q=biostruktur&sxsrf=ALeKk01jaxVV0zF0bONNZ5AYROi9wUe-AA:1592484401859&source=lnms/tbm=isch&sa=X&ved=)

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Zur Charakterisierung gibt es mehrere Ansätze, ein weit verbreiteter (Gruppe Nymphenburg) kommt dabei auf sieben Typen (siehe Abbildung IV/75: HäuselModell der Gehirnstruktur): • Für Harmonisierer sind Familie, Geborgenheit und Fürsorge zentral. Dies hängt mit dem Bindungshormon Oxytocin zusammen. Sie sind in ihrer Grundhaltung optimistisch und messen Themen um Heim und Herd hohen Stellenwert zu. • Für Offene sind Wohlfühlen, Genuss und Fantasie zentral. Sie zeichnet eine optimistische Grundhaltung aus mit einem modernen Lebensstil und Hang zu Premiumprodukten. Genuss ist dabei wichtiger als Status. Sie leben locker und geben sich Raum und Zeit für Tagträume, verwöhnen und verwöhnen lassen ist ihr Motto. • Für Hedonisten sind Neugier, Abwechslung und Kreativität zentral. Sie sind immer auf der Suche nach Neuem und der nächsten Belohnung durch Dopamin-Ausschüttung im Gehirn. Sie präferieren es laut, schrill und extravagant, Produktqualität und -herkunft rangieren erst dahinter. Sie sind Trendsetter und übernehmen neue Produkte gern und früh. • Für Abenteurer sind Autonomie, Impulsivität und Rebellion zentral. Sie vertreten nicht unbedingt gesellschaftskonforme Meinungen, sondern handeln nach eigener Überzeugung erlebnisorientiert und spontan. Sie präferieren Produkte, die Konventionen brechen und hergebrachte Grenzen sprengen. • Für Leistungsträger sind Erfolg, Zielstrebigkeit und Status zentral. Sie sind durch das Dominanz-Hormon Testosteron geprägt, das zu hohen Leistungen antreibt und den Ehrgeiz aktiviert. Daher besteht eine hohe Affinität zu Status- und Technikprodukten. Familie und Heim sind demgegenüber nachgeordnet. • Für Disziplinierte sind Genügsamkeit, Vernunft und Präzision zentral. Sie sind misstrauisch und zweifeln Dinge bei Unsicherheit zunächst an. Sie verhalten sich selbstkontrolliert und pflegen Rituale und Strukturen im Alltag. Genuss und Abwechslung spielen keine große Rolle. Sie kaufen keine Gadgets, sondern Funktionalität. • Für Traditionalisten sind Bescheidenheit, Ordnung und Konstanz zentral. Sie leben im Balance-System mit dem Antistresshormon Cortisol. Sie scheuen Neuerungen und sind bewahrend, aber auch skeptisch eingestellt. Sie prüfen Dinge penibel bis zum Verlieren im Detail und gelten als sehr vorsichtig. Praktisch hinsichtlich aller verhaltensrelevanten Dimensionen ergeben sich also erhebliche Unterschiede im Wirkpotenzial. Das bedeutet, ein und dasselbe Argument kann bei verschiedenen Personengruppen zu ganz unterschiedlichen Reaktionen führen. Die Dominanz eines dieser Primärbereiche hat keinerlei qualitative Wertung zum Inhalt, sondern leitet sich allein aus der Evolution des Menschen her. Daraus ergeben sich allerdings unmittelbar Käufercharakterisierungen.

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Dies sei in Bezug auf den Automobilkauf ausgeführt. Hier gilt für den Technik­ aspekt, dass man berücksichtigen muss, dass Stammhirndominierte von Natur aus ein distanziertes Verhältnis zur Technik haben, sie für kompliziert, störanfällig, pro­blemvoll und widerspenstig halten. Daraus resultiert der Wunsch nach bewährter, ausgereifter Konstruktion und reibungslosem Funktionieren. Sowie ein Desinteresse daran, wie diese Leistung technisch im Einzelnen zustande kommt. Eine Auslobung in Bezug auf oben liegende Nockenwelle, Ladeluftkühler, Kennfeld­zündung etc. geht in diesem Fall völlig fehl, so stolz ein Hersteller darauf im Einzelfall zurecht auch sein mag. Selbst viele Bedienungselemente und Anzeigeinstrumente schrecken ab, indizieren sie doch Komplexität. Dagegen sind Servicefreundlichkeit, Wartungsfreiheit, lange Inspektionsintervalle hoch relevant. Anders sind die Erwartungen bei Zwischenhirndominierten. Hier ist Technik Fortsetzung der Physis mit anderen Mitteln. Hochleistung muss nach außen hin signalisiert werden, Kilowattwert, Beschleunigung und Höchstgeschwindigkeit sind wichtig. Hoch erwünscht ist eine ausführliche Technikauslobung, die materielle Überlegenheit belegt. Gleiches gilt für Großhirndominierte. Jedoch nicht im Sinne vordergründiger Angabe, sondern möglichst raffinierter, reizvoller, ingeniöser Umsetzung. Damit einher geht eine höhere Preisbereitschaft für Lösungen nach dem neuen Stand des Wissens / State of the Art. In Bezug auf das Kriterium Wirtschaftlichkeit sind Stammhirndominierte oft bereit, für mehr Qualität auch mehr zu investieren, um später Ärger und Risiken zu vermeiden. Geringe Reparaturanfälligkeit und dichtes Kundendienstnetz sind daher gute Argumente, in geringerem Maße auch praktische Ausstattung oder niedriger Verbrauch. Zwischenhirndominierte sind durch ihre stark emotionale Triebkraft weniger für Ökonomieargumente aufgeschlossen. Im Gegenteil, etwaige Unwirtschaftlichkeiten werden durch dialektische Umgewichtung wegargumentiert. Wobei im Einzelfall sportlicher Ehrgeiz in Verhandlungstaktik und Preisgespräch gelegt wird, aber nicht aus Sparsamkeitsgründen, sondern wegen des Erfolgserlebnisses. Großhirndominierte sind demgegenüber prinzipiell sparsam veranlagt. Das liegt an ihren hohen Ansprüchen, die nur bei diszipliniertem Ausgabenverhalten finanzierbar sind. Hier schlagen Preis-Leistungs-Argumente am ehesten durch, weniger absolute Preisgünstigkeit oder Ausprägungen verzichtbaren Luxus mit Aufpreisfolge. Man weiß schon lange um die Bedeutung von Farbe und Design für Automobil­ käufer. Viele Fahrzeuge sehen wirklich nur gut in Rot aus oder ganz von vorn betrachtet. Für Stammhirndominierte geht Farbe vor Form. Und beides gemeinsam vor Technik und Sparsamkeit. Es wird auf ein gefälliges Äußeres geachtet, unaufdringliche Farben, konventionelle Formen. Beides vertraut und weit verbreitet anzutreffen. Zwischenhirndominierte haben hingegen ein Faible für kräftige, aggressive Farben und starke, gewagte Kontraste. Auch das Design soll auffällig und ausgefallen sein, eher kantig-markant als weich-fließend. Allenfalls aktuelle Modeeinflüsse können dies verändern. Davon sind Großhirndominierte wiederum völlig frei. Sie sind farbenscheu, meiden grelle, kräftige Farben, bevorzugen blau,

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schwarz, weiß. Starke Kontraste wirken auf sie ebenso irritierend wie überzogene Formen, denn Funktion bestimmt Form. Extravaganzen werden nur insofern akzeptiert, als es dafür plausible Gründe gibt und die Leistungsfähigkeit dadurch nicht beeinträchtigt wird. Betrachtet man das Sicherheitsargument, so verdrängen Stammhirndominierte gern die Möglichkeit eines Unfalls, werden durch Crashtest-, Knautschzonen- und Sicherheitskäfig-Argumente nur abgeschreckt. Vergleichsweise harmlose Details wie Kindersicherung, Lenkradpolsterung oder Kopfstützen bleiben in der Aus­ lobung unverfänglicher. Zwischenhirndominierte sind demgegenüber risikofreudig. Passive Sicherheitselemente wie die zuletzt genannten, überzeugen sie nicht. Sie sprechen lieber von aktiver Sicherheit, reagieren auf Spurtschnelligkeit zum zügigen Überholen, auf Allradantrieb in Extremsituationen oder sportive Fahrwerkstechnik. Großhirndominierte sind sowohl für passive wie aktive Sicherheit zu begeistern, weil sie sachlich kühl die Gefahr eines Unfalls einkalkulieren und für diesen Fall gut geschützt sein wollen. Was sie nicht akzeptieren, sind Funktionseinschränkungen durch ein Übermaß an Sicherheit wie große Außenabmessungen, hohes Fahrzeuggewicht und breite Stoßfänger oder überharte Sportlichkeit wie straffe Dämpfung, hohe Lenkkräfte und geringe Bodenfreiheit. Komfort wird von Stammhirndominierten eher in Richtung bequem, kommod, entlastend interpretiert, weniger in Richtung luxuriöser Details. Sie sind vergleichsweise anspruchslos, akzeptieren aber keine den Komfort beeinträchtigenden Merkmale wie kurze Federwege. Zwischenhirndominierte schätzen Sportlichkeit höher ein als Komfort. Asketische Innenausstattung ist ihnen lieber als Luxus oder Plüsch, harte Federung besser als weiche, ESP wichtiger als Getriebeautomatik. Großhirndominierte sind komfortbetont nicht i. S. v. vordergründiger Gemütlichkeit wie Stammhirntypen oder von Fahrerlebnis wie Zwischenhirntypen, sondern i. S. v. Konzentration auf das Wesentliche, das aber bestmöglich umgesetzt. Wobei lästige Nebeneffekte leicht irritierend wirken wie Windgeräusche, Auspuffröhren, Sichtbehinderung etc., zeugen sie doch von konstruktiven Unvollkom­ menheiten. Stammhirndominierte brauchen viel Raum im Automobil, da das Fahrzeug für sie eigentlich ein Heim auf Rädern darstellt. Entsprechend sind die Ansprüche an großen Stauraum, bequemen Einstieg und üppige Beinfreiheit im Fond. Zwischenhirndominierte sind in Bezug auf das Raumangebot unkritisch, insofern auch für Raumargumente nicht zu begeistern. Bei den gewünschten großen Außenabmessungen ist genügend Platz ohnehin häufig vorhanden, bei markigen Sportwagen ist die Funktion wichtiger und werden Kompromisse daher gern eingegangen. Großhirndominierte sehen im Auto im Grunde ein Fluchtmittel. Viele Personen auf engem Raum sind ihnen ein Gräuel. Also sollte die Werbung möglichst keine voll besetzten Fahrzeuge zeigen oder mit Platz für viele Personen argumentieren. Zubehör schließlich wirkt auf Stammhirndominierte attraktiv, wenn es Annehmlichkeiten mit sich bringt, wie Schiebedach, Bodenteppich und Ablagefläche.

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Technische Zusatzausrüstung wird demgegenüber gering geschätzt. Umgekehrt verhält es sich bei Zwischenhirndominierten. Hier ist pseudosportliches Zubehör gefragt wie Spoiler, Breitreifen, Drehzahlmesser, Extrascheinwerfer und LM-Felgen, alles hauptsächlich aus Imponiergehabe. Großhirndominierte setzen demgegenüber eher auf Understatement. Demnach ist Zubehör nur insofern willkommen, als es sachliche Vorteile bietet, aber nicht unangenehm auffällt, etwa Klimaanlage, Airbag oder Diebstahlsicherung. Das geht bis zur Demontage der herstellerseitigen Typenbezeichnung als unnützer Verzierung. Die Dominanz eines der Primärbereiche hat keinerlei qualitative Wertung zum Inhalt, sondern leitet sich allein aus der Evolution des Menschen her. Ganz grob und beinahe unzulässig vereinfacht datiert die Entwicklung des Stammhirns aus der anthropologischen Phase der Trennung von Hominiden in die späteren Menschen und Menschenaffen. In dieser Zeit suchten die Primaten die Erschließung neuer Nahrungsquellen, mussten aber gleichzeitig darauf achten, nicht selbst Opfer wilder Tiere zu werden. Daraus ist vor allem das Motiv des Schutzes zu erklären. Dabei war die Aufrichtung des Körpers zur Überschaubarkeit der Steppe nach Nahrungsquellen, Wasserläufen, aber auch Feinden von großem Vorteil. Der aufrechte Gang setzte sich im Zuge der Adaptation überlegener Verhaltensweisen durch. Damit verbunden war die Möglichkeit, die Arme „frei“ zu bewegen. Diese konnten dann Werkzeuge halten, aber auch Waffen zur Selbstverteidigung. Und schließlich Offensivwaffen zur Hatz auf Wild. Die Vorfahren des Menschen deckten ihren Nahrungsbedarf verstärkt als Fleischfresser, was ihnen wohl den entscheidenden Durchbruch in der Entwicklungsgeschichte verschaffte. In dieser Phase entwickelte sich das Zwischenhirn. Es bildeten sich die ersten Sozialgruppen mit der Notwendigkeit zu gesellschaftlicher Einordnung, unterschiedliche Talente führten zur Arbeitsteilung, aber auch zum Wettbewerb untereinander und zur Hierarchiebildung. Daher die Motive der Jagd, des Vorsprungs vor anderen, der Antinomie. Die komplexen Beziehungen der Stammesangehörigen erforderten schließlich eine Sesshaftwerdung. Nicht mehr alle Gruppenmitglieder gingen auf Jagd, einige wurden Verwalter der Vorräte, betreuten die Waffenherstellung, planten Jagdzeiten und -gebiete, legten sich dazu Taktiken zurecht. Dies setzte logisches Vorgehen, überlegte Abwägung und Antizipation alternativer Konsequenzen voraus. In dieser Phase entstand im Zuge des allgemeinen Hirnvolumen-Wachstums das Großhirn. Daher die Talente der Analyse, Planung und Organisation. 7.1.8 Prozessmodelle bei Neuerungen Da Marketingkommunikation häufig eingesetzt wird, um Neuerungen beim Marktstart zu unterstützen, ist diese Phase intensiv untersucht. Allerdings handelt es sich praktisch dabei häufig um Pseudoneuerungen, also Produktdifferenzierungen, -aktualisierungen oder -wiedereinführungen. Von Unternehmen wird aber eine hohe Neuerungsrate betrieben, weil darin die Chance auf Umsatzsteigerun-

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gen oder sogar einen zukünftigen Erfolgsgaranten gesehen wird. Hinsichtlich des Kaufverhaltens werden dazu Prozessmodelle genutzt, vor allem die der Adoption und der Diffusion. 7.1.8.1 Adoption Unter Adoption versteht man allgemein die erstmalige Übernahme von Neuerungen durch Erstkäufer im Zeitablauf. Im Adoptionsprozess kommt es kumulativ zu folgenden Stufen (siehe Abbildung IV/76: Stufen des Adoptionsprozesses).

Abbildung IV/76: Stufen des Adoptionsprozesses

Am Anfang steht die Neuheitserkennung durch Aufmerksamkeit. Innovatoren reagieren dabei unabhängig von der Übernahmeentscheidung anderer. Hier erfährt ein Individuum erstmalig von der Existenz des für ihn neuen Produkts, ohne dass es sich um die Gewinnung dieser Informationen bemüht hat. Es kennt noch keine Einzelheiten des Produkts und ist zunächst auch nicht motiviert, weitere Informationen einzuholen. Aufgabe der Werbung ist es, das Angebot auf dem Schirm der Opportunitäten bei möglichst vielen Personen der Zielgruppe erscheinen zu lassen. Teilweise folgt daraus Neuheitsinteresse durch Einstellungsbildung. Hier bemüht sich der Nachfrager um Informationen über die wichtigsten Merkmale des neuen Angebots. Passive sind Personen, die sich für die Innovation nicht interessieren. Sie scheiden im Folgenden aus. Aufgabe der Werbung ist es, das Angebot nicht nur bekannt zu machen, sondern die konkrete Auseinandersetzungsbereitschaft mit diesem in der Zielgruppe zu erreichen. Dies ist generell angesichts der übergroßen Informationsflut schwierig, aber bei High Interest-Produkten eher möglich als bei Low Interest-Produkten. Darauf folgt die Neuheitsbewertung und Entscheidung. Hier erfolgt ein gedankliches Experiment über die Konsequenzen finanzieller, psychologischer und sozialer Art und den Vergleich des neuen Produkts mit der möglichen Substitu-

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tion anderer Produkte. Rejektoren sind Personen, welche die Innovation ablehnen, Adop­toren solche, welche die Innovation annehmen. Aufgabe der Werbung ist es, den Zielpersonen Bewertungskriterien an die Hand zu geben, die diese erstens nachvollziehen können (z. B. Warentestergebnis, Verbraucherzeuge, Torture Test) und zweitens das eigene Angebot möglichst gut dastehen lassen, so dass es gegenüber anderen präferiert wird. Es kommt zum Neuheitsversuch mit Implementierung. Die Neuheit wird bei positiver Einstellung übernommen. Unzufriedene Adopter sind potenzielle Quellen für negative Informationen. Falls möglich, kommt es zuerst zu einer Erprobung auf kleiner Basis als Pilot. Aufgabe der Werbung ist es, diesen Neuheitsversuch zu stimulieren, etwa über die Auslobung von Probierangeboten, Probenverteilung, Cashback-Aktion o. Ä. Dazu ist, außer bei einer völlig neuen Produktkategorie, immer ein Markenwechsel erforderlich, der eine hohe Hürde darstellt. Schließlich erfolgt die Neuheitsumsetzung und Bestätigung. Imitatoren orientieren sich am Verhalten der Innovatoren und folgen ihnen in der Übernahme der Neuerung. Bei Gebrauchsgütern ist der Kauf die Adoption, bei Verbrauchsgütern die Vorratserschöpfung. Aufgabe der Werbung ist die Schaffung und Verfestigung einer Beziehungsbasis zwischen neuem Nachfrager und Anbieter. Hilfsmittel dazu sind Kundenbindungsinstrumente wie Kundenclub-Aufnahme, 1st Party Cookies, Regalplatzsicherung o. Ä. Auf jeder dieser Stufen kann es zur Ablehnung kommen, bei Erfolg entsteht ein Wiederholungskauf, ansonsten nicht. Die Dauer des Adoptionsprozesses hängt von einer Reihe personen-, umfeld- und produktbedingter sowie adoptionsexogener Einflussgrößen ab. Die Übernahme ist in Bezug auf personenbedingte Einflüsse umso erfolgreicher, je: • höher die Risikofreudigkeit für die Übernahme ist, diese ist individuell stark abweichend ausgeprägt, • größer die individuelle Aufgeschlossenheit im Hinblick auf Änderungen ist, • jünger die angesprochenen Zielgruppen sind, weil damit eine höhere Flexibilität unterstellt wird, • besser der Ausbildungsgrad der angesprochenen Altersklassen ist, damit eng korrelierend das Einkommen, • höher sozialer Status und soziale Mobilität sind, • intensiver das Informationsverhalten und je höher die Informationsoffenheit sind, • geringer die Einbindung des Individuums in die soziale Umwelt ist, wodurch externe Risiken gemindert werden.

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

Die Übernahme ist in Bezug auf umfeldbedingte Einflüsse umso erfolgreicher, je • liberaler die Normen des sozialen Systems sind, die Neuerungen zulassen und fördern, zu denken ist etwa an rechtliche Rahmenbedingungen, • innovationsfreundlicher die ökonomischen, politischen, technischen Rahmenbedingungen sind, • intensiver der bereits erlebte technische Fortschritt ist. Die Übernahme ist in Bezug auf produktbedingte Einflüsse umso erfolgreicher, je: • höher der relative technische und / oder wirtschaftliche Vorteil der Innovation gegenüber der bestehenden Problemlösung ist, neue Produkte werden sich umso schneller durchsetzen, je höher die Nachfrager ihren relativen Vorteil bewerten, • geringer das finanzielle und technische Risiko eingeschätzt wird, das mit der Implementierung verbunden ist, dies ist mit der Teilbarkeit eines Produkts verbunden, etwa mit der Möglichkeit, das alte Produkt nach Probiermöglichkeit des neuen sukzessiv durch dieses zu substituieren, • leichter die Innovation für den Entscheider zu verstehen bzw. anzuwenden ist, was nur bei geringer Komplexität der Fall ist, eine hohe Erklärungsbedürftigkeit erfordert von Konsumenten die Bereitschaft und Fähigkeit zu Lernprozessen, • mehr die Innovation sich komplementär zum Werte- und Normensystem verhält, also mit Gewohnheiten eines sozialen Systems oder einzelner Subsysteme kompatibel ist, • leichter die Beobachtbarkeit bzw. Mitteilbarkeit der Innovation ist, vor allem bei Zufriedenheit, dies ist etwa dann der Fall, wenn das neue Produkt zur Bildung von Images beiträgt wie die Sichtbarkeit der Neuheit als Sozialeffekt, • geringer das wahrgenommene Risiko, das mit der Übernahme der Neuheit verbunden ist, eingeschätzt wird. Daneben gibt es adoptionsexogene Einflussgrößen als: • Erfahrungsfundus aus steigender Information über die Neuerung und sinkendem Risiko, • Übernahmedruck seitens der Gesellschaft auf die Nicht-Übernehmer. Allgemein adoptionsfördernd wirken eine hohe Glaubwürdigkeit des Botschafts­ absenders, eine leichte Überprüfbarkeit der behaupteten Werbeaussage, ein gering eingeschätztes endogenes und exogenes Risiko, ein hohes Ego-Involvement bei erfolgter Übernahme, eine Profilierung durch das Produkt im sozialen Umfeld und eine hohe Übereinstimmung mit dem eigenen Anforderungsprofil. Problematisch ist die Übertragung dieser, ursprünglich einmal für die Agrarsoziologie erdachten, Ergebnisse auf die Marketingpraxis. So ist unklar, wann es

7. Bestimmung der Zielpersonengruppe

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zum Übergang zur nächsten Stufe im Adoptionsprozess oder zum Abbruch im Prozess kommt. Ebenso unklar bleibt, ob immer alle Stufen durchlaufen werden müssen. Auch scheint es möglich, dass eine Stufe mehrfach durchlaufen wird. Zudem bleiben Reaktionen nach der Übernahme unberücksichtigt. Bei der Ausbreitung von Neuerungen kommt es meist zunächst zur offenen Negation und Bekämpfung durch strikte Opposition, dann zur Bewertung als denkbarer Alternative und Vision, danach zur pragmatischen Formulierung und Implementierung in Planungen, dann zur versuchsweisen Umsetzung und Optimie­ rung, schließlich bei Erfolg zur Akzeptanz und sukzessiven Verbreitung bis hin zur Popularität und Etablierung durch individuelle Übernahme. Diese Phasen lassen sich bei allen Neuerungen nachvollziehen, selbst bei den bahnbrechenden Innovationen Dampferzeugung / Elektrizität / Mechanik, Elektronik / Datenverarbeitung / Steuerung, Telekommunikation / Raum- und Zeitüberwindung und Gentechnologie / Naturmanipulation. 7.1.8.2 Diffusion Bei der Diffusion geht es um die Durchsetzung von Marktneuheiten im Zeitablauf. Ein Diffusionsprozess liegt vor, wenn die Adoptoren im sozialen System zu unterschiedlichen Zeiten im Ablauf auftreten, was regelmäßig der Fall ist. Sie stellt ein Marktreaktionsmodell mit einer unabhängigen Variablen, nämlich der Zeit, dar. Diffusion ist somit die chronologische Verbreitung neuer Informationen, Ideen, Verfahren oder Produkte durch verschiedene Kommunikationskanäle bei Individuen, Gruppen oder Kultureinheiten. Neu ist dabei alles, was als neu wahrgenommen wird, unabhängig davon, ob es auch wirklich neu ist. Durch diskontinuierliche Innovation kommt es zur Bildung einer neuen Produktklasse und zur Änderung bestehender Verhaltensmuster. Dynamisch-kontinuierliche Innovationen gliedern sich in eine bereits bestehende Produktklasse ein. Kontinuierliche Innovationen führen zu keiner beachtenswerten Änderung bestehender Verhaltensmuster, da der Produktkern unverändert bleibt und lediglich Randelemente modifiziert werden. Idealtypisch ergibt sich dabei die Form einer Glockenkurve. Sie repräsentiert die kumulierte oder einfache Zahl der Adopter, die in einem bestimmten Zeitraum die Innovation übernehmen. Eine Diffusion ist umso erfolgreicher, je größer die erreichte Marktverbreitung ist. Die Diffusion erfolgt umso schneller, je besser das Potenzial an Übernehmern ausgeschöpft wird. Unterstellt man eine Normalverteilung innerhalb der Zielgruppe, so ergeben sich im Zeitablauf anteilig folgende idealtypischen Klassen des Diffusionsprozesses (siehe Abbildung IV/77: Diffusionskurve (kumuliert)).

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

Abbildung IV/77: Diffusionskurve (kumuliert) (Quelle: eig. Darst.)

Die Innovatoren (2,5 % aller Bedarfsträger/ < − 2 σ) sind die ersten Übernehmer von Neuerungen und durch eine geringe Risikoscheu gekennzeichnet. Es handelt sich entweder um Trendsetter oder soziale Außenseiter, welche die Ausbreitung dynamisch vorantreiben (auch Neophile, Konsumpioniere, Fashion Leaders). Ihre typischen Charaktereigenschaften sind modern, progressiv, zukunftsorientiert. Bei ihnen sind eine hohe soziale Mobilität und eine geringe Gruppenbildung gegeben. Das Informationsverhalten ist kosmopolitisch. Gelegentlich wird davon die Gruppe der Induktoren unterschieden, die den Innovatoren unmittelbar nachfolgen. Innovatoren suchen kontrollierte Abenteuer, wollen Neues ausprobieren und verstehen auch komplexe Anwendungen. Sie verfügen über entsprechende finanzielle Ressourcen. Sie nehmen eine Schlüsselposition im Diffusionsprozess ein und führen Innovationen im das soziale System ein. Dabei akzeptieren sie auch Misserfolge. Frühe Übernehmer (13,5 %/ − 2 < σ < − 1 1σ, kumuliert 16 %) sind die nächste Gruppe, die nach anfänglichem Abwarten Neuerungen positiv aufnimmt und bereitwillig ausprobiert. Auch hier sind Meinungsbildner enthalten. Daraus resultiert dann die Möglichkeit zu hohen Auflagen und Kostendegression in der Warenbereitstellung. Ihnen kommt ein hohes Gewicht als Meinungsführer zu, sie befördern die Diffusionsgeschwindigkeit und sind stark in soziale Systeme integriert. Sie sind nicht so risikobereit und probierfreudig wie Innovatoren, ergreifen jedoch schon bald nach ihnen die Initiative und übernehmen neue Sach- und Dienstleistungen. Frühe Übernehmer sind meist jünger, höher ausgebildet und besser verdienend als der Bevölkerungsdurchschnitt. Sie leben meist in Großstädten, sind überwiegend männlich und üben anspruchsvolle Berufe aus.

7. Bestimmung der Zielpersonengruppe

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Die Frühe Mehrheit (34 %/ − 1 < σ < 0, kumuliert 50 %) wartet ab, bis die Neuerung eine gewisse Marktbreite erreicht hat und folgt dann dem offensichtlichen Trend. Die Marktwachstumsrate sinkt, die Nachfrage erreicht ihr Maximum. Sie agieren bedachtsam und orientieren sich an den Erfahrungen der Frühadopter. Sie übernehmen selten Führerschaft, sondern bilden den Durchschnitt der Übernehmer ab. Mit Ausschöpfung der Frühen Mehrheit ist bereits idealtypisch die „Markthalbzeit“ erreicht. Neuerungen gehen damit in den Bestand über. Die Frühe Mehrheit ist vorsichtiger, kritischer und rationaler handelnd als die vorhergehenden Klassen. Nach Abwägung entschließt sie sich aber dennoch zum Kauf. Die Späte Mehrheit (34 %/ 0 < σ < + 1, kumuliert 84 %) zögert mit der Übernahme in der Hoffnung auf ein weiter verbessertes Preis-Leistungs-Verhältnis und noch mehr Kaufsicherheit. Die Nachfrage ist insgesamt bereits rückläufig und erschöpft sich. Sie sind im Grundtenor skeptisch eingestellt und kaufen erst, wenn die Mehrheit im sozialen System bereits gekauft hat. Die Motivation zum Kauf resultiert aus dem Druck der sozialen Gruppe, dabei wirken Normierungen kaufbegünstigend. Sie verfügen über unterdurchschnittliche finanzielle Mittel. Neuprodukte erfüllen für sie keine soziale Demonstrationsfunktion, andererseits wollen sie aber auch nicht gegenüber dem Trend zurückfallen. Späte Übernehmer (13,5 %/ + 1 < σ < + 2, kumuliert 97,5 %) und Nachzügler (2,5 %/ > + 2 σ) sind kaum mehr vom Kauf zu überzeugen und stellen deshalb ein nur schwer realisierbares Nachfragepotenzial dar. Ihre typischen Charaktereigenschaften sind konservativ und zurückhaltend. Es handelt sich um Traditionalisten, ihre Referenzpunkte liegen in der Vergangenheit. Ihr Entscheidungsprozess ist langwierig, die Übernahme erfolgt erst, wenn ein Produkt bereits erkennbar von Vielen genutzt wird. Zugleich treten neue Angebote in den nächsten Diffusionszyklus ein. Parallel dazu vollzieht sich bereits der Diffusionsprozess dieser anderen Neuerungen. Wiederum springen die Innovatoren als erste auf. Die Zielpersonen stellen der Übernahme einen im Zeitablauf steigenden Widerstand entgegen, der meist parallel zu deren Risikobewusstsein zu sehen ist. Der Diffusionsprozess hat erhebliche Bedeutung für die Werbung. Als Anfang der 1980er-Jahre die ersten Camcorder mit begrenzter Praxistauglichkeit, aber hohem Preisniveau auf den Markt kamen, war in der Kommunikation im Wesentlichen die Rede von technischen Facts & Figures wie CCD-Chip, High Speed Shutter, Zeitraffer / -lupe etc. Dies war sicherlich auch die richtige Ansprache für die damals als erste Übernehmer zu gewinnenden Video-Freaks. Die Masse der potenziellen Videonutzer wurde durch solche Begriffe jedoch eher abgeschreckt. Später änderten sich die Auslobungen erheblich. Es war die Rede von verwacklungsfreier Aufnahme, Kompaktformat, Einknopfbedienung etc. Dies war dann sicherlich die richtige Ansprache für die noch ausstehenden Übernehmer der Mehrheit, die sich nicht für Technikfans halten, sondern eher an praktischen Produktvorteilen interessiert sind. Ähnliche Entwicklungen lassen sich bei anderen, rasch diffundierenden Produktgruppen feststellen.

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

Folgende Beispiele zeigen die konkrete Ausformulierung zur Abgrenzung der Zielpersonengruppen im B-t-c-Sektor auf. Hochpreisige Kinderzahncreme zum Schutz der Milchzähne: • Kernzielgruppe: Frauen mit Kindern im Alter von 2–6 Jahren als Kaufentscheider bzw. Kinder im Alter von 4–8 Jahren als Entscheidungsbeeinflusser, • Nebenzielgruppe: demografisch: Entscheider in Haushalten mit überdurchschnittlichem Nettoeinkommen, also hoher Preisbereitschaft, in Großstädten, also hoher Aufgeschlossenheit für Argumente, mit höherer Schulbildung / Berufstätigkeit, also hoher Innovationsneigung, psychologisch: – ängstliche Mütter, die überall Umweltgefahren für ihr Kind vermuten und daher übervorsichtig sind, – Mütter, deren Kind es an nichts mangeln soll, die es mit dem Besten umgeben, was verfügbar ist, – moderne Mütter, die Zahnpflege für Kinder als eine Selbstverständlichkeit ansehen. Hochwertige Herrenoberbekleidung in psychologischer Umschreibung: • Einstellung: Männer, die tragbare Mode wollen und von einem Kleidungsstück feine Qualität, Verarbeitung und Ausstattung verlangen, • Verhalten: Männer, die bereit sind, sich ihren besonderen Anspruch etwas mehr kosten zu lassen, die also eine höhere Preisbereitschaft auszeichnet, • Persönlichkeit: Personen im besten Mannesalter, die als erfolgreich, gepflegt, anspruchsvoll, genießerisch und wählerisch charakterisiert werden können. High End-Lautsprecher auf hohem Preisniveau: • alle HiFi-Freaks mit starkem hobbybezogenen Interesse und gewisser Ernsthaftigkeit, für die HiFi als Selbstzweck und nicht nur als bloßes Mittel zur Tonwie­ dergabe dient, • alle Personen / Haushalte mit genügend hohem verfügbaren Einkommen, um für die Anschaffung hochwertiger Lautsprecher, oft als Zeichen demonstrativen Konsums, in Frage zu kommen, • besonders die Schnittmenge der HiFi-Freaks, die zugleich über ein hohes diskretionäres Einkommen verfügen, und sich als Hochverdiener engagiert der besseren Tonwiedergabe hingeben als primäre Zielgruppe, • außerdem die Restmenge der Hochverdiener, die zwar nicht HiFi-Freaks sind, aber durch allgemein überaus hohen Qualitätsanspruch auch für die Anschaffung hochwertiger Lautsprecher in Frage kommen als sekundäre Zielgruppe.

7. Bestimmung der Zielpersonengruppe

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7.2 Abgrenzung der B-t-b-Zielgruppe Geschäftliche (Business to Business-)Transaktionen sind dadurch gekennzeichnet, dass ein Kontakt zwischen mindestens zwei Individuen, die stellvertretend für Organisationen handeln, in einer zeitlichen Abfolge von Aktion und Reaktion bei Interdependenz der Handlungen der Interaktionspartner erfolgt. Geschäftliche Transaktionen führen auf Nachfragerseite zu gewerblichen Käufen. 7.2.1 Merkmale geschäftlicher Transaktionen Für gewerbliche Käufe sind mehrere Merkmale typisch (Backhaus): • Multioperativität bedeutet, es ergibt sich eine längere Transaktionsperiode, die sich durchaus über mehrere Jahre hinziehen kann, und zwar umso länger, je komplexer das jeweils zur Beschaffung anstehende Objekt ist. • Multitemporalität bedeutet, der Kaufentscheid läuft in mehreren Phasen ab, diese sind oft nicht eindeutig voneinander abzugrenzen, gehen fließend ineinander über, werden aber auch bei Bedarf übersprungen oder wiederholt. • Multiorganisationalität bedeutet, es sind mehrere Stellen im Unternehmen daran beteiligt, diese werden meist im Buying Center als hybrider Organisationsform zusammengefasst, wobei oft unklar bleibt, in welcher Funktion und mit welchem Einfluss sie darin engagiert sind. • Multipersonalität bedeutet, es sind auch mehrere Personen im Betrieb daran beteiligt, dies folgt logisch aus der Einbindung mehrerer Stellen, die meist arbeitsteilig und weniger in Personalunion wahrgenommen werden. Im B-t-b-Markt sind verschiedene Akteure aktiv. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um folgende: • Fertigproduktehersteller der Industrie stellen Komplettleistungen über alle Wertschöpfungsstufen her und verkaufen diese im Direktabsatz oder indirekt an Wiederverkäufer oder an Weiterverarbeiter, dann als OEM, • Rohstoffanbauer/-abbauer in der Agrarwirtschaft und Industrie stellen die erste Wertschöpfungsstufe dar und verkaufen ihre Erzeugnisse an gewerbliche Weiterver- / -bearbeiter, • Teilehersteller als Zulieferer fertigen Halbfertigprodukte über eine / wenige Wertschöpfungsstufen aus Rohstoffen und verkaufen diese an gewerbliche Weiterverarbeiter, • Komponentenhersteller als Zulieferer stellen Halbfertigprodukte auf Basis von Teilen her, ergänzt durch eigene Leistungsanteile über mehrere eigene Wertschöpfungsstufen,

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

• Systemhersteller als Zulieferer stellen Fertigprodukte auf Basis von Komponenten her, ergänzt über mehrere eigene Wertschöpfungsstufen, • Zulieferern gleichgestellt sind Importeure bzw. Exporteure von Halbfertig- und Fertigprodukten sowie Online-Anbieter von Halbfertig- und Fertigprodukten, • Wiederverkäufer / Händler (Reseller) kaufen Fertigprodukte ein und verkaufen diese ohne wesentliche Be- oder Verarbeitung an gewerbliche Endabnehmer als GH / PVH oder an private Abnehmer als EH / Handwerkshandel, • Gebrauchtwarenhändler/-aufbereiter werden bei technischen Gebrauchsgütern von hohem Wert tätig, nehmen daran eine Runderneuerung (Revamping / Re­ furbishing) vor und stellen sie wieder dem Markt vor, • Industrielle Dienstleister / Service Provider erstellen selbstständige oder produktbegleitende Services für gewerbliche Abnehmer, meist in mittelständischer Form, • Handwerksbetriebe erstellen technische Reparatur- und Wartungsservices für gewerbliche Abnehmer, meist in kleinständischer Form, • Freiberufler / Professional Services erstellen leistungsergänzende kaufmännische oder technische Beratungen für gewerbliche Abnehmer, zu denken ist an Projektentwickler und Engineering-Berater, • Absatzhelfer begleiten den Warenfluss in der Supply Chain mit Kreditierung und Absicherung durch Finanzen, durch Transport, Umladung, Lagerung und Entsorgung in der Logistik oder durch Datenbereitstellung, -aufbereitung, -verdichtung bei der Information. Diese Akteure stehen teils in komplementärem Verhältnis zueinander und arbeiten in Wertschöpfungsketten symbiotisch zusammen, teils stehen sie aber auch in substitutivem Verhältnis und kämpfen um ihren Bedeutungsanteil in der Wertschöpfiung. Dabei kommt es zu einem Wettbewerb der Geschäftsmodelle. Insofern ist die jeweilige Interessenlage ausschlaggebend für ihr Verhalten. Der Fokus der Marketingkommunikation bezieht sich zwar zumeist auf den B-t-c-Sektor, tatsächlich jedoch ist der B-t-b-Sektor angesichts eines weitaus größeren Transaktionsvolumens von schätzungsweise Faktor 2,5–4,5 (z. B. Backhaus / ​ Voeth) sehr potenzialstark. Für eine nähere Betrachtung ist es hilfreich, sich zunächst die allgemeinen Kennzeichen des B-t-b-Markts zu vergegenwärtigen, als da sind: • überschaubare Anzahl von Anbietern und begrenzte Zahl von Nachfragern, daher hohe Transparenz, • typischerweise stabile, langjährige Marktpartnerbeziehungen der immer gleichen Akteure als Wertschöpfungskette, • anbieterseitige Reputation und nachfragerseitiges Vertrauen sind ausschlag­ gebend,

7. Bestimmung der Zielpersonengruppe

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• häufig detaillierte, lange Vor- und Nachverhandlungen, vor allem angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung, • vordergründig formalisierte Entscheidungsfindung, jedoch sind es auch hier immer noch weit überwiegend Menschen, die entscheiden, • hohe Projektwerte bei häufig diskontinuierlicher Geschäftsentwicklung, daher hohes Risiko, • meist kurze Absatzwege im Direktabsatz unter Disintermediation zu gewerblichen Abnehmern, • hohe Abhängigkeit von Folgemärkten mit Bullwhip-Effekt, deren Schwankungen verstärkt durchschlagen, • häufig kundenindividuelle Leistungserstellung mit einer Losgröße = 1 mit der Folge mangelnder Fixkostendegression, • komplexe Hardware-Software-Kombinationen mit hohem Serviceanteil im Projektgeschäft, • vielfache Einflussnahme externer Dritter wie Experten und Berater auf den Kaufentscheid, • häufig Bildung von Anbieterkoalitionen durch Gelegenheitsgesellschaften wie Arbeitsgemeinschaften oder Konsortien, • Auftragsvergabe schon ab geringen Betragshöhen strikt formalisiert durch Ausschreibung im Triple Pitch, • hohe Internationalität der Märkte durch räumlich verstreute Nachfrager für meist spezialisierte Produkte. Wie wichtig Fachwerbung tatsächlich ist, illustriert eine berühmte historische Anzeige des Verlags McGraw-Hill. Ein misstrauischer Einkäufer schaut in die Kamera, daneben steht folgender Text (Quelle: williamswhittle.com/marketinglaws/): • „I don’t know who you are. I don’t know your company. I don’t know your company’s Product. I don’t know what your company stands for. I don’t know your company’s customers. I don’t know your company’s record. I don’t know your company’s reputation. Now – what was it you wanted to sell me?“ Dabei handelt es sich um übergreifende Merkmale, jedoch sind im B-t-b-Sektor Geschäftsarten mit stark abweichendem Profil gegeben. Dazu gehören u. a. Anlagen, Systeme, verarbeitete und unverarbeitete Produkte sowie Services. Diese sollten wegen ihrer hohen Bedeutung nunmehr separat betrachtet werden (siehe Abbildung IV/78: Geschäftsarten im B-t-b).

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

Abbildung IV/78: Geschäftsarten im B-t-b

7.2.2 Spezielle Marktkennzeichen Anlagen betreffen komplexe Betriebsmittel, die selten angeschafft werden, im Regelfall einen sehr hohen Projektwert haben und daher ein hohes Kaufrisiko implizieren. Wesentliche Kennzeichen aus Anbietersicht sind folgende: • kundenindividuelle, meist einmalige Leistungserstellung mit entsprechender Fixkostenproblematik, • langfristig angelegte Projektabwicklung, die oft über Jahre reicht, etwa bei Bauprojekten, • Diskontinuität und mangelnde Vorhersehbarkeit des Auftragseingangs bei Anbietern, • extensive Kaufentscheide mit hohem Neuheitsgrad, mangelnder Informationsbasis und großem Risiko, • internationale Geschäftsausrichtung gerade in der außenhandelsdominierten deutschen Wirtschaft, • Notwendigkeit für Absatzfinanzierung / Financial Engineering zur Absatzförderung, • Ausschreibung zur Auftragsvergabe im privaten wie im öffentlichen Bereich, • Notwendigkeit / Möglichkeit zu leistungsergänzenden Kundendiensten, oft auch als Profitabilitätsträger,

7. Bestimmung der Zielpersonengruppe

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• Bildung von Gelegenheitsgesellschaften horizontal oder vertikal zur Risiko­ reduktion und / oder Umsetzungsfähigkeit, • Basis eines ausgeprägten Kundenbeziehungsmanagements / CRM, • endgültige Ausgestaltung der Anlage oft erst unter Abnehmereinfluss, • entscheidende Bedeutung von Referenzen für die Auftragsvergabe zur Marktschließung. Im Anlagengeschäft hat Marketingkommunikation vor allem die Aufgabe, einen Anbieter im Relevant Set der Entscheider zu verankern, damit sichergestellt wird, dass er bereits bei der Anlagenentwicklung einbezogen wird. Dies erfolgt vor allem über die Kanäle der reputationsunterstützenden Öffentlichkeitsarbeit und kompetenzvermittelnden Persönlichen Ansprache. Systeme bestehen aus zeitlich nacheinander geschalteten Kaufentscheiden, wobei ein Initialkauf die Folgekäufe durch Kompatibilität determiniert. Da zukünftige Käufe notwendigerweise weitgehend unbekannt bleiben, besteht ein gravierendes Informationsdefizit, daher haben Systeme Vertrauensgutcharakter. Wichtig sind Kompetenzsignale zur subjektive Kundenverbundenheit, üblich sind aber auch Bindungseffekte wirtschaftlicher, technischer, rechtlicher, institutioneller oder spezifischer Art. Daraus entsteht objektive Gebundenheit als Lock-in. Wesentliche Kennzeichen von Systemen sind folgende: • Konzipierung durch horizontale kapazitative Erweiterbarkeit und vertikale mutative Verkettung, Systeme erreichen damit eine sehr hohes Maß an Komplexität, das Beteiligte bisweilen sogar überfordert, • Leistungsfähigkeit bereits isoliert gegeben als Standalone oder nur im Verbund mit weiteren Systemeelementen sinnvoll nutzbar, • häufig ist eine Kritische Masse erforderlich, um den Tipping Point und damit eine Mindestverbreitung zu erreichen, daher werden Initialkäufe anbieterseitig häufig gesponsort / subventioniert, • denkbar in geschlossener Auslegung nur intern kompatibel, also proprietär, oder als offene Systeme als Open Source auch extern kompatibel, bei ersteren haben Folgekäufe durch Bindungseffekt zwar systemtreu zu erfolgen, dies behindert jedoch die Ausbreitung. Im Systemgeschäft kommt Marketingkommunikation vor allem die Aufgabe der Vertrauensbildung bei potenziellen Abnehmern zu, denn Systeme bedeuten im Regelfall eine Anbieterbindung auf längere Zeit und damit damit notgedrungen ein inhärentes Risiko für Nachfrager, zumal für diese nicht sicher ist, dass sie von dieser Abhängigkeit profitieren werden. Bei unverarbeiteten Produkten handelt es sich primär um Rohstoffe, teils aber auch um Hilfs- und Betriebsstoffe (Spezialitäten). Sie werden in der Natur gewon-

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

nen bzw. an- oder abgebaut oder sind nur gering verarbeitet. Wesentliche Kennzeichen von Rohstoffen sind folgende: • die Gewinnung ist nur standortgebunden möglich, insofern bestehen natürliche Monopole, die rechtlich / wirtschaftlich kaum veränderbar sind, • es sind sowohl Qualitäts- als auch Quantitätsschwankungen gegeben, die erheblichen Einfluss auf Preise und Konditionen haben, • politisch motiviert werden Rohstoffmärkte häufig als dysfunktional bewirtschaftet (ob dies so ist, scheint fraglich), • es besteht nur eine begrenzte physische oder wirtschaftliche Lagerfähigkeit wegen Verderb und Kapitalbindung, • bereits geringe Schwankungen führen zu erheblichen Ausschlägen auf Folgemärkten, • durch Standardisierung bzw. Commoditisierung wird eine rationelle Handel­ barkeit an Warenbörsen hergestellt, • daraus folgt eine bewusste Austauschbarkeit der Waren als Fungibilität. Bei unverarbeiteten Produkten ist eine kommunikationspolitische Profilierung wegen des verbreitet homogenisierten Angebots besonders schwierig. Daher ist zu versuchen, im Umfeld der Güter durch Serviceangebote und Markenbildung eine Profilierung zu erreichen. Zumeist wird dabei auf eine Funktionsanreicherung abgezielt, teils kann daraus eine neue Produktklasse abgeleitet werden. Bei verarbeiteten Produkten handelt es sich um Gebrauchsgüter als Halb- oder Fertigerzeugnisse. Sie sind weder kundenindividuell wie Anlagen, noch unverarbeitet wie Rohstoffe noch stehen sie in Kaufverbund wie Systeme. Man unterscheidet dabei Aggregate, die allein funktionsfähig sind und Einzelteile, die fertig in andere Produkte als OEM eingehen. Wesentliche Kennzeichen sind folgende: • hoher Standardisierungsgrad der Produkte bei mittlerem Komplexitätsgrad der Problemlösung, • hohe Integralqualität bzw. Einbaufähigkeit und mittlerer Wert der Produkte, • geringe Erklärungsbedürftigkeit, dadurch nur begrenzte Kundendienste erforderlich, • begrenzte Lebensdauer aufgrund technischen Fortschritts im Funktionsumfang, • Fertigung in größeren Stückzahlen als Chargen-, Serien-, Massenproduktion, • gelegentlich mehrstufige Markenbildung in der Supply Chain durch Ingredient Branding, um Push & Pull auszuüben, • meist indirekte Distribution über Produktionsverbindungshandel / PVH. Bei verarbeiteten Produkten hat die Marketingkommunikation durchaus eine ähnliche, wenn nicht die gleiche Bedeutung wie im Konsumgütermarkt, etwa bei

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technischen Gebrauchsgütern. Oft handelt es sich sogar um identische Produkte, die allenfalls in Bezug auf die vornehmlich ausgelobten Features differieren. Zu denken ist an den Fotokopierer zuhause oder im Unternehmen, den Kaffeeautomaten, den Computermonitor etc. Hier sind auch indirekte Produkte zu nennen, wie sie in der Administration von Organisationen zuhauf vorkommen, z. B. als Betriebs- und Geschäftsausstattung oder Betriebsstoff. Sie gehen nicht in zu erstellende Leistungseinheiten ein, sind jedoch Voraussetzung für deren Erstellungsprozess. Sie sind meist en Detail geringwertig, verursachen in ihrer Summe aber eine hohe Kapitalbindung. Zudem ist ihr Profil häufig standardisiert und wenig problematisch. Unter OEM-Zulieferungen versteht man die Auftragsproduktion von Teilen / ​ Komponenten / Modulen für Dritte, die diese in ihre eigenen Produkte integrieren. Praktisch liegt dabei zumeist eine Lieferantenpyramide zugrunde, die aus Teilelieferanten (Tier 3) an der Basis besteht. Deren Erzeugnisse gehen an Komponentenbzw. Modullieferanten (Tier 2), die sie mit eigener Kernkompetenz kombinieren und ihrerseits an Systemlieferanten (Tier 1) verkaufen. Von dort gehen komplexe Produktgesamtheiten an den gewerblichen Endabnehmer. Wichtig ist dabei über alle Stufen hinweg eine strikte Qualitätssicherung, die durch interne oder externe Zertifizierungen verbrieft wird. Im Ergebnis entsteht jeweils eine geringe Fertigungstiefe und insgesamt ein hohes Maß an Outsourcing. Hinsichtlich der Marketingkommunikation ist zu beachten, dass ein einseitiger Push die nachfolgende Marktstufe nicht zur Vermarktung ausreicht, sondern dieser durch einen Pull auf der darauf nachfolgenden Marktstufe ergänzt werden muss. Ansonsten wird ein Angebot austauschbar und ein Anbieter verzichtbar. Dies entspricht durchaus dem üblichen Push & Pull-Ansatz im B-t-c-Sektor, also Endabnehmerwerbung und Händlerwerbung kombiniert. Dienstleistungen sind selbstständig marktfähige Verrichtungen als Prozesse und Leistungsbereitschaften als Potenziale an und für Kunden als Externer Faktor, um dort gewünschte Problemlösungen und Ergebnisse zu erreichen. Services werden zweistufig produziert, und zwar zuerst verkauft und dann erst erstellt. Sie sind individuell ausgelegt und ihr Arbeitsanfall ist nachfragerbestimmt. Ihre Logistik, Kapazitätssteuerung und Standardisierung sind eingeschränkt, sie haben Vertrauensgutcharakter. Services können selbstständig als primäre Dienstleistung oder produktverbunden als sekundäre Dienstleistung / Kundendienst ausgelegt sein. Sie können betriebsmittel-/werkstoffgetrieben oder personengetrieben sein wie Freie Berufe. Ihre wesentlichen Kennzeichen sind folgende: • Immateralität des Leistungsergebnisses, daraus folgend deren Nichtanfassbarkeit / Intangibilität, • grundsätzliche Nichtlager- und Nichttransportfähigkeit, außer durch Veredelung zu Lagerung und Transport,

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

• Integration des Externen Faktors, also der Kundenperson oder -sache, die zur Leistungserstellung erforderlich ist, • Kapazitätssituation erfordert Zeitanpassung, Reservierung oder Kapazitätsanpassung, • Losgröße = 1 schafft Fixkostenproblematik, daher Versuch zur Standardisierung von Potenzial, Prozess, Ergebnis oder Externem Faktor, • verbreitete Automatisierung und / oder Externalisierung von Dienstleistungen, • Dominanz von Vertrauenseigenschaften, entsprechend ist die Auslobung auf diese Dimensionen zu fokussieren. Werbung für Dienstleistungen stellt sich als anspruchsvoller heraus als für Sachleistungen, da sie mehr oder minder abstrakt und erklärungsbedürftig sind (man denke nur an Cloud-Services, Factoring, SaaS). Daher ist es Aufgabe der Kommunikation, die Dienstleistung zu konkretisieren und ihre Nutzenrelevanz herauszustellen. Leider zeigen Beispiele der real stattfindenden Werbung, dass diese Anforderungen häufig nicht aufgegriffen werden. Es fällt daher leicht, sie zu übersehen. Im B-t-b-Sektor werden häufig Gebrauchsgüter hohen Anschaffungswerts eingesetzt. Da diese rascher technischer Veralterung unterliegen, werden sie oft vorzeitig oder zumindest am Abschreibungsende ausgetauscht und stellen dann immer noch einen beträchtlichen materiellen Wert dar. Sie werden daher nicht verschrottet, sondern bei Neuwarenanbietern in Zahlung gegeben und mit dem Kaufpreis der Nachfolgeanschaffung verrechnet oder an Gebrauchtwarenhändler, welche die Überarbeitung und Aufbereitung vornehmen, um diese Gebrauchsgüter dann am Second Hand-Markt anzubieten, etwa für Nachfrager, die sich deren Neuanschaffung nicht leisten können oder, etwa im Ausland, damit dennoch einen Technologievorsprung erreichen. Diese Investitions- und Produktionsgüterhändler (PVH) verkaufen i. d. R. ausschließlich an gewerbliche Endabnehmer. Häufig übernehmen sie auch die von Neuwarenanbietern übernommenen Inzahlungnahmen zur Verwertung. Der Second Hand-Markt ist vor allem bei Gütern mit hohem technischen Fortschritt problematisch, da einerseits eine rasche Veralterung eintritt, die wertmindernd im Wiederverkauf wirkt und andererseits neue Generationen mit Konditionenanreizen in den Markt gedrückt werden. Daraus folgt häufig ein geringer Lagerumschlag bei hoher Kapitalbindung. Daher werden hier Serviceleistungen ausgelobt, die entscheidungsabsichernd wirken sollen. Die Kommunikationsintensität bei Gebrauchtwarenhändlern ist im Durchschnitt gering ausgeprägt. Dabei werden wachsende Geschäftsanteile dort erzielt, wie der Erfolg von Marktplätzen wie Amazon Business, Resale, Alibaba etc. zeigt. Zielgruppen sind vor allem KMUs, Handwerker, Soloselbstständige o. Ä. Als wichtigstes Argument wird jedoch zumeist der Preis angesehen.

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Gebrauchsgüter im B-t-b-Sektor werden häufig über sehr lange Laufzeiten genutzt, etwa weil der technische Fortschritt ausgereizt ist oder auch die Anschaffungsbeträge so hoch sind, dass es eine geraume Zeit benötigt, ehe sie ihre Investitionskosten zurückverdient haben. Da sie zugleich intensiver, professioneller Auslastung unterliegen, entsteht ein hoher zeit- und leistungsabhängiger Verschleiß. Daher spielen hier Reparatur- und Wartungsbetriebe sowie Ersatzteillieferanten als Service Provider eine große Rolle. Sie werden von den Betreibern außerhalb der vereinbarten Garantien mit laufender Instandhaltung bzw. Instandsetzung beauftragt, etwa im Zuge von turnusmäßigen Inspektionen, teilweise durch IoT gesteuert, und bei Störungsfällen, dann auch mit enger Terminierung. Dazu gehört aber auch die intern oder extern veranlasste Anpassung von Gebrauchsgütern an Veränderungen der Prozessbedingungen. Insofern handelt es sich bei ihnen um wichtige Player im Markt. Hier geht es um die Verdrängung vordergründig gewinnschonend erscheinender eigener Services. Dazu werden vor allem Kostenvorteile des Outsourcing bei reeller Abrechnung propagiert sowie auch Leistungsvorteile durch höhere Expertise für kürzere Stillstandzeiten, mehr Sicherheit, proaktive Störungsvermeidung). Allerdings ist die Kommunikationsintensität hier gering ausgeprägt. Dies ist wenig verständlich, bieten diese Arbeiten doch vielfache Ansatzpunkte zur Wettbewerbssteigerung für Kunden, die wiederum Anbieter positiv profilieren, sofern diese Ansatzpunkte erst einmal werblich thematisiert werden. Energieanbieter stellen auf verschiedene Energieträger, carbonisiert wie Kohle, Erdöl etc. oder decarbonisiert wie Atom-, Solar-, Windkraft, zur Verfügung. Die Umwandlung erfolgt zumeist in Strom, aber auch Dampf oder Hitze. Sie erfolgt durch Energieerzeuger gewerblich (EVUs) oder durch Groß- und zwischenzeitlich auch Kleinverbraucher privat. Der Primärenergiemarkt ist durch De-Marketing gekennzeichnet, er ist oligopolistisch strukturiert. Energie entsteht häufig in Kuppelproduktion. Energieerzeugung und Energietransport (durch Leitungen) sind getrennt, insofern sind auch Energiehändler am Markt aktiv. Dennoch sind die Markteintrittsschranken hoch. Die Versorgungspflicht erfordert eine fixkostenlastige Kapazitätsbereitstellung. Durch die Liberalisierung der Märkte hat ein intensiver Wettbewerb über Preis und vor allem Nebenleistungen eingesetzt, der durch Werbeaktivitäten flankiert wird. Insofern handelt es sich hier um einen kommunikativ interessanten Markt, zumal auch wie selten gegeben völlig homogene Produkte vorliegen.

7.2.3 Interaktionsrelationen Das Konsumentenverhalten im B-t-c-Bereich ist zwischenzeitlich detailliert erkundet, das gewerbliche Beschaffungsverhalten im B-t-b-Bereich tritt demgegenüber zurück. Um aber werbliche Beeinflussungsmechanismus auch dort gezielt

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

und belastbar einsetzen zu können, ist es unerlässlich, sich die Strukturen und Prozesse geschäftlicher Transaktionen näher vor Augen zu führen, denn eine einfache Übertragung aus der Konsumentenperspektive ist trotz der unbestreitbaren Tatsache, dass in beiden Fällen Menschen als Entscheider wirken, dennoch nicht möglich. Geschäftliche Transaktionen sind der Spezialfall von Transaktionen, die auf die Klärung von Sachfragen zur Problemlösung gerichtet sind, sowie auf die Konflikthandhabung durch Festlegung von Leistungen und Gegenleistungen. Sie sind überwiegend kosten-nutzen-orientiert und werden von den Interaktionspartnern nur fortgesetzt, wenn beide Seiten aus der Erfahrung ihrer bisherigen Interaktion heraus das Gefühl haben, für ihr Verhalten belohnt zu werden. Für die Analyse dieser Interaktion gibt es mehrere Ansätze (siehe Abbildung IV/79: Merkmale geschäftlicher Transaktionen).

Abbildung IV/79: Merkmale geschäftlicher Transaktionen

Personale Ansätze analysieren den Einfluss von personellen Eigenschaften von Verkäufern und Käufern wie Ähnlichkeit oder Machtsaldo. Dabei gibt es die einzentrige Willensbildung, die entweder nur auf der Nachfrageseite, also individuell, oder sowohl auf der Nachfrage- wie auf der Angebotsseite, also dyadisch, vorhanden ist. Und die mehrzentrige Willensbildung in Gruppen, die vertikal entweder nur auf der Nachfrageseite oder horizontal sowohl auf der Nachfrage- wie auch auf der Angebotsseite vorhanden ist. So geht der dyadische Ansatz von Ähnlichkeiten bei ökonomischen, sozialen und physischen Merkmalen zwischen Anbieter und Nachfrager als wesentlicher Erfolgsvoraussetzung aus. Der multilaterale Ansatz stellt Hierarchiestrukturen / Rollenerwartungen und Machtverhältnisse / Beziehungsmuster in den Mittelpunkt der Untersuchung, wobei auch die Möglichkeit von Koalitionen auf einer Seite denkbar ist.

7. Bestimmung der Zielpersonengruppe

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Nach dem Zeitablauf (auch Temporalität) kann im gewerblichen Beschaffungsverhalten episodensukzessiv oder episodenspringend/-wiederholend vorgegangen werden. Episodensukzessiv bedeutet, dass ein kompletter Durchlauf aller Episoden Stufe für Stufe erfolgt. Dies ist ressourcenaufwändig, aber sehr gründlich und findet etwa beim Erstkauf, bei hohem Auftragswert und bei großem empfundenen Risiko statt. Ein verkürzter Durchlauf erfolgt, indem einzelne Episoden übersprungen werden, etwa weil sie nicht relevant, nicht wichtig oder anderweitig bereits geklärt sind. Teils ist aber auch ein verlängerter Durchlauf vorzufinden, indem einzelne Episoden in Schleifen wiederholt werden, weil eine erste Bearbeitung zu keinem akzeptablen Ergebnis geführt hat, weil Beurteilungskriterien hinzugekommen oder aber verändert sind. Bei diesen Episoden handelt es sich um die Bedarfsinitialisierung, die Beschaffungskonzeption, die Marktsondierung, die Lieferantensondierung, die Anfragenabgabe, die Angebotsbewertung, die Lieferantenauswahl, die Nachverhandlung, die Kaufabwicklung und die Nachbereitung. Organisationale Ansätze sind auf bestimmte Rollen ausgerichtet, die in Einkaufs- und Verkaufsgremien eingenommen werden. Monoorganisationale Ansätze gehen davon aus, dass die Verhandlungsseiten rechtlich und wirtschaftlich ungebunden sind. Dies ist in einer zunehmend verflochtenen Wirtschaftsstruktur allerdings immer seltener der Fall. Multiorganisationale Ansätze hingegen berücksichtigen die Einbindung mehrerer Organisationen auf beiden Seiten in Gruppen, etwa in Kooperationen. Die dadurch entstehenden Beziehungen werden etwa in Netzwerkansätzen untersucht, die Organisationen als Systeme auffassen, die durch ihre Elemente Beziehungen untereinander und zur Umwelt haben, wobei mehrere Transaktionsepisoden wie Anfragen- / Vorstudienphase, Angebotsphase, Nachverhandlungsphase, Lieferphase, Gewährleistungsphase vorausgesetzt werden. Nach den Einflussgrößen, die untersucht werden (auch Operativität), unterscheidet man folgende. Strukturelle Ansätze stellen Organisationsmerkmale in den Vordergrund und nehmen Beziehungen zwischen Organisationen und deren Umweltbeziehungen in die Untersuchung mit auf. Dadurch wird der Komplexität der Wirtschaftsrealität angemessen Rechnung getragen. Prozessuale Ansätze richten ihr Interesse auf bestimmte Phasen des Transaktionsprozesses, die sich gegenseitig abgrenzen. Sie stellen somit eine Abfolge von Transaktionsepisoden dar. Dabei ist auch der ablaufbezogene Verhandlungsstil von Bedeutung. 7.2.4 Einteilungskriterien Versucht man, geschäftliche Transaktionen einzuteilen, so ergeben sich mehrere Ansatzpunkte. Ein Aspekt sind die Produkteigenschaften, ein weiterer die Kauftypen und schließlich abstrakte Modelle. Zunächst zu den Produkteigenschaften. Die Austauschobjekte, die Gegenstand geschäftlicher Transaktionen sind, haben verschiedene Eigenschaften (siehe Abbildung IV/80: Neuroökonomische Produkteigenschaften).

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

Abbildung IV/80: Neuroökonomische Produkteigenschaften (Quelle: eig. Darst.)

7.2.4.1 Produkteigenschaften Beruhen die Eigenschaften im Wesentlichen auf „Inaugenscheinnahme“, handelt es sich um Sucheigenschaften bei Inspektionsgütern / Inspection Goods, was voraussetzt, dass die Leistungsmerkmale dem Abnehmer zum Zeitpunkt des Kaufentscheids und auch danach zugänglich sind, ihr Vorhandensein oder Fehlen kann also bereits vor dem Kauf festgestellt werden. Dies gilt für alle Produkte, deren technische Eigenschaften eindeutig messbar sind. Die Information erfolgt hierbei durch das Produkt selbst, durch Prospekt, Datenblatt, Messeexponat, Fachanzeige, Betriebsbesichtigung oder Verkaufsberatung. Die Wahrscheinlichkeit negativer Konsequenzen für den Käufer ist gering, da insgesamt gute Beurteilungsmöglichkeiten gegeben sind. Beruhen die Eigenschaften im Wesentlichen auf Erkenntnissen über die infrage stehenden Produkte aus der Vergangenheit, handelt es sich um Erfahrungseigenschaften bei Nutzungsgütern / Experience Goods, wobei diese Erfahrung zum Zeitpunkt des Kaufentscheids aber noch nicht zugänglich ist, ihr Vorhandensein kann also zwar nicht vor dem Kauf, wohl aber danach festgestellt werden. Die In-

7. Bestimmung der Zielpersonengruppe

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formation erfolgt hierbei durch Besichtigung der Referenzanlage, Gespräche mit Anwendern in User-Zirkeln oder Beiräten, Beratung durch unabhängige Consultants oder Institute, Gespräche mit anderen Unternehmen, Seminarbesuche, Erfahrungen mit dem Anbieter, Kontakte zu Konkurrenten, Fachkonferenzen oder Seminarbesuche. Anstelle eigener Erfahrung können Erfahrungsberichte anderer Anwender als Beurteilungshilfen dienen. Eine weitere Bedeutung speziell bei Dienstleistungen sind Erlebniseigenschaften. Sie beruhen auf Erfahrungen bei der Erbringung von Leistungen durch die zeit- und raumgleiche Interaktion von Anbieter und Nachfrager. Diese machen zwischenzeitlich einen großen Anteil des Transaktionsvolumens im B-t-b-Bereich aus. Beruhen die Eigenschaften im Wesentlichen auf Vertrauen, handelt es sich um Hoffnungseigenschaften bei Vertrauensgütern / Credence Goods, die noch nicht zum Zeitpunkt des Kaufs, sondern erst danach zugänglich sind. Man muss sich also auf die Zusicherung des Anbieters verlassen. Die Information erfolgt hierbei durch Aussagen anderer Anwender bzgl. des Rufs des Unternehmens oder durch Kompetenzzentren. Vor allem die Anbieterkompetenz dient als Anhaltspunkt für die Qualitätsbeurteilung, denn Kompetenzen sind Fertigkeiten und Fähigkeiten, die einem Anbieter zugeordnet werden, um Probleme des Kunden zu lösen. Dies erfordert Kompetenzkommunikation durch Fachaufsätze, Referenzen, Prototypen oder Funktionsmodelle. Bei einem Laptop sind etwa die Festspeicherkapazität, das Gewicht und der Arbeitsspeicherplatz Sucheigenschaften, die vor dem Kauf festgestellt werden können. Die Eignung der Grafikkarte für CAD / CAM, die Displayauflösung und die Prozessortaktrate sind Erfahrungseigenschaften, deren Kenntnis aus früheren Anwendungen übernommen werden kann. Doch die Akkulaufzeit, die Verarbeitungsqualität und der Hersteller-Support sind Vertrauenseigenschaften, die erst im Nachhinein festgestellt werden können. Jedes Produktangebot hat sowohl Such- als auch Erfahrungs- und Hoffnungseigenschaften, jedoch jeweils in unterschiedlichem Ausmaß. Speziell bei Dienstleistungen kommen Erlebniseigenschaften hinzu, die bei der Interaktion zwischen Anbieter und Nachfrager zur Leistungserstellung (uno actu) entstehen. Je geringer / später die Nachprüfbarkeit einer Leistung objektiv möglich ist, desto bedeutsamer ist eine substanziierte Aufklärung in der Werbung. Nur diese schafft das Zutrauen für die nähere Beschäftigung mit einem Anbieter bzw. seinem Angebot. Dabei sind Kompetenz und Sympathie des Absenders von entscheidender Bedeutung. Dies erweist sich als marktschließend für neue Anbieter / Angebote, die dann andere Marketingparameter, vor allem den Preis, einsetzen müssen. Daraus folgt zugleich die Erkenntnis, dass es lange dauert und vielerlei Anstrengungen bedarf, ein solches Zutrauen aufzubauen, aber bereits ein Fehlverhalten reicht, es irreparabel zu beschädigen. Daher sind Compliance-Risiken in Bezug auf Kompetenz und Sympathie äußerst kritisch zu bewerten.

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

7.2.4.2 Kaufklassen Im organisationalen Bereich ergeben sich drei Klassen von Kaufentscheidungen (Robinson / Faris / Wind), Erstkäufe, modifizierte sowie reine Wiederholungskäufe, die nach modernen Gesichtspunkten um einen vierten Kauftyp, den automatisierten Wiederholungskauf, zu ergänzen sind (siehe Abbildung IV/81: Kaufklassen).

Abbildung IV/81: Kaufklassen (Quelle: eig. Darst.)

Beim Erstkauf / New task stehen die Beteiligten vor einer völlig neuen Problemstellung, bei der bisherige Erfahrungen wenig helfen. Dementsprechend besteht großer Informationsbedarf. Erstkäufe lassen sich kennzeichnen durch individuelle Kaufprozesse, die neuartig sind, deren Leistungsinhalt und -umfang also jeweils neu festgelegt werden muss, die extensive Entscheidungsprozesse darstellen, bei denen regelmäßig ein vergleichsweise hoher Auftragswert gegeben ist und bei denen eine einzelfallabhängige Lieferantenbewertung erfolgt. Es ist ein neues, vorher nicht gegebenes Problem mit oft noch sehr wenig strukturiertem Bedarf vorhanden. Der Anstoß zum Kauf kann von außerhalb des Unternehmens kommen oder auf interne Anregung. Es gibt nur geringe oder keine diesbezügliche Käufererfahrung. Daraus resultieren ein hohes Informationsbedürfnis und die Notwendigkeit, alternative Problemlösungen und alternative Anbieter zu suchen. Neukäufe treten unregelmäßig auf, sind aber von großer Bedeutung für nachgelagerte Entscheidungen.

7. Bestimmung der Zielpersonengruppe

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Der modifizierte Wiederholungskauf / Modified rebuy ist seiner Art nach nicht neu, weicht jedoch von Erfahrungswerten ab. Daher müssen ergänzende Informationen eingeholt werden. Der Kaufentscheid ist nicht innovativ, wie beim Erstkauf, aber auch nicht routinisiert, wie beim reinen Wiederholungskauf. Man kann daher von einem adaptiven Verhalten sprechen. Es liegen also bekannte Produktoptionen vor, die sich aufgrund äußerer Ereignisse oder interner Einflüsse geändert haben, so dass zusätzlicher Informationsbedarf entsteht. Der Kaufprozess wird dazu nur teilweise wieder aufgerollt. Insofern ist der Informationsbedarf auf die Unterschiede zu den bereits bekannten Produkten reduziert. Beim reinen Wiederholungskauf / Straight rebuy handelt es sich um wiederkehrende Problemstellungen bei völlig ausreichender Informationslage. Solche Routinetransaktionen sind charakterisiert durch habitualisierte Kaufprozesse, die sich vergleichsweise häufig wiederholen, im Rahmen derer dieselben, normierten und ggf. vorproduzierten Leistungen nachgefragt werden, die eine vergleichsweise geringe Komplexität aufweisen, bei denen ein vergleichsweise geringer Auftragswert gegeben ist und eine Neubewertung von Lieferanten nur selten geschieht, etwa bei Nachbestellungen. Dafür ist kaum noch Informationssuche notwendig. Der Lieferant stammt aus dem Kreis von Anbietern, mit denen bereits Geschäftsbeziehungen bestehen. Dazu besteht explizit oder implizit eine Liste der üblichen Lieferanten. Neue Lieferanten werden nicht berücksichtigt. Die Käufer haben Erfahrungen und benötigen wenig neue Informationen. Kaufobjekt, Preis und Lieferzeit können in diesem Rahmen durchaus variieren, und zwar von Kauf zu Kauf solange, bis sich die Aufgabe so verändert hat, dass eine neue Lieferquelle in die Überlegungen aufgenommen wird. Angesichts fortschreitender Technisierung ist heute der automatisierte Wiederholungskauf / Programmatic Procurement zu ergänzen. Er liegt bei virtueller Transaktionseinleitung vor. Dabei wird kein individueller Kaufentscheid mehr getroffen, sondern innerhalb vordefinierter Kriterien löst der Computer Käufe aus. Dies erfolgt etwa bei computerisierten Abrufaufträgen innerhalb eines vereinbarten Rahmenvertrags durch Kommissionierung. Dies bedeutet, dass aktive Auseinandersetzung kaum mehr stattfindet. Dies gilt etwa für virtuelle Marktplätze bei normierten Produkten geringer Komplexität, bei denen individuelle Präferenzen keine Rolle spielen. Dazu durchsuchen Agentenprogramme auf Anbieter- oder Nachfragerseite automatisch Marktplätze nach Abschlusschancen und setzen diese passiv durch bloße Freigabe vom Entscheider oder auch völlig selbstständig in Abhängigkeit vorgegebener Limits um. Zumindest derzeit noch sind automatisierte Erstkäufe selten. Einen anderen Ansatz verfolgt das Johnston / Lewin-Modell des organisationalen Beschaffungsverhaltens. Ausgangspunkt ist die Betrachtung der anstehenden Kaufphase, etwa nach dem bekannten Buygrid-Modell, als Bedarfserkennung, Problembeschreibung, Spezifikation, Lieferantenidentifizierung, Angebotseinholung, Angebotsbewertung, Lieferantenauswahl und Nachkaufbewertung. In jeder

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

dieser Phasen sind Einteilungskriterien von Relevanz wie Umfeldsituation, Unternehmensorganisation, Abnehmerprofil, Anbieterprofil, Gruppeneffekte, Informationsstand, Persönlichkeitsprofil, Rollenkonflikte etc. Daraus folgen individuelle Anforderungen an die Kommunikation in den einzelnen Phasen. Dabei ist jeweils die Abnehmersicht einzunehmen. Werbemaßnahmen in einer Erstkaufsituation müssen notwendigerweise andere, umfangreichere und aussagefähigere Inhalte haben als in einer Wiederholungskaufsituation. Insofern können nur begrenzt standardisierte Inhalte verwendet werden. Gut ist jedenfalls, dass kommunikativer Einfluss auf den Kaufentscheid genommen werden kann, denn dies ist bei fortschreitenden programmierten Käufen nicht mehr möglich. Gleiches gilt bei Nutzung virtueller Marktplätze, bei denen andere Parameter, allen voran der Preis, ausschlaggebend für den Zuschlag sind. Daher besteht hier die Notwendigkeit, unbedingt im Vorfeld des Abschlusses akquisitorisch aktiv zu werden. Dazu wiederum ist eine funktionsfähige Kontaktbrücke zwischen Anbieter und (potenziellen) Nachfragern erforderlich, die kommunikativ aufrechterhalten und mit Leben erfüllt wird. Ist hingegen erst einmal das Anfragestadium erreicht, ist es dafür meist schon zu spät. Insofern wird Werbung bei steigendem Anteil von M-t-m-Transaktionen nicht weniger, sondern im Gegenteil mehr bedeutsam. 7.2.5 Vertikale Partialmodelle Zur Erklärung des organisationalen Beschaffungsverhaltens werden, je nachdem, ob nur Ausschnitte analysiert oder ganze Systeme von Einflussfaktoren abgebildet werden sollen, Partial- und Totalmodelle unterschieden, deren Elemente die Determinanten der Einkaufsentscheidung sind. Zu den Partialmodellen, also solchen, die nur Ausschnitte des gewerblichen Kaufverhaltens analysieren, gehören vor allem das Buying Center-Konzept und die Innovatoren-, Reagierer- und Informations-Konzepte (siehe Abbildung IV/82: Vertikale Partialmodelle im B-t-b).

Abbildung IV/82: Vertikale Partialmodelle im B-t-b

7. Bestimmung der Zielpersonengruppe

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7.2.5.1 Buying Center-Konzept Einkaufsentscheidungen ab einer gewissen Größenordnung werden typischerweise nicht mehr von Einzelpersonen getroffen, sondern von Einkaufsgremien, weil die damit verbundene Verantwortung für eine einzelne Person zu hoch ist. Diese Gremien, Buying centers genannt, bestehen aus unterschiedlichen Personen, die verschiedene Funktionen wahrnehmen. Denkbar ist aber auch, dass ein Mitglied mehrere Funktionen gleichzeitig oder nacheinander übernimmt oder mehrere Mitglieder dieselbe Funktion übernehmen. Einzelne Funktionen können auch von externen Dritten übernommen werden. Relevante Merkmale des Buying Center sind u. a.: • Anzahl und Art der vertretenen Hierarchien, Anzahl und Art der integrierten Abteilungen, Anzahl und Art der an einem Entscheid beteiligten Personen, Verbundenheit im Buying Center, Zentralisierung der Entscheidung. Folgende Typen lassen sich im Buying Center (Webster / Wind) als hybrider Orga­ nisationsform, die nicht eigens aufbauorganisatorisch verankert ist, unterscheiden. Der Initiator löst einen Bedarf aus. Er leitet damit den Kaufentscheidungsprozess ein. Dabei muss es sich nicht um einen internen Mitarbeiter handeln, denkbar ist etwa, dass ein Kunde ein Produkt nachfragt, das mit der vorhandenen Produktionsmittelausstattung nicht realisierbar ist. Es muss sich auch nicht zwingend um eine Person handeln. Denkbar ist etwa, dass werbliche Botschaften oder hoheitliche Gesetze den auslösenden Impuls geben. Der Initiator als Person kann im Buying Center weiterführende Funktionen wahrnehmen, etwa als späterer Anwender. Der Vorselektierer / Gatekeeper übernimmt die Informationssammlung sowie die Identifikation der in Betracht kommenden Kaufalternativen und trifft damit die Entscheidungsvorbereitung. Informationen, die diese Schleuse nicht passieren können, gelangen damit erst gar nicht zur engeren Beurteilung. Daher ist es für Verkäufer hoch bedeutsam, sicher zu stellen, dass Informationen, die Entscheidungsgrundlage sind, auch tatsächlich im Buying Center ankommen. Die Funktion des Gatekeeper wird häufig von einer Stabsstelle übernommen, dies kann aber auch das Sekretariat sein. Der Entscheider / Decider übernimmt die Letztauswahl des Kaufobjekts bzw. dessen Lieferanten. Dabei handelt es sich meist um eine Person in leitender Stellung mit entsprechender Positionsmacht, welche die vorgeleistete Gremiumsarbeit durch ihr Votum sanktioniert. Je nach Einmischungsgrad in die operative Ebene übt sie mehr oder minder großen formalen Einfluss auf die Beschaffungsentscheidung aus. Sie erteilt die Kaufgenehmigung, verwaltet einen eigenen Etat und verfügt über Budgets, sie kann Mittel freigeben und hat Veto-Macht. Der Entscheider konzentriert sich gemeinhin auf die Auswirkungen des Kaufs auf das Unternehmen und das Geschäftsergebnis.

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

Der Einkäufer / Buyer trifft die Vorauswahl der Lieferanten, indem ein Projekt ausgeschrieben und potenzielle Partner zur Angebotsabgabe aufgefordert werden. Er schließt außerdem formal den Kaufvertrag ab, führt die Nachverhandlungen en detail und überwacht die Kaufabwicklung inkl. aller Vor- und Nacharbeiten. Oft hat der Einkäufer bei hoch spezialisierten Kaufobjekten lediglich administrative Funktion. Er gehört der Einkaufsabteilung an und erledigt Routinetransaktionen auch allein. Der Anwender / User bringt den Kaufentscheidungsprozess in Gang, indem er einen empfundenen Mangelzustand signalisiert. Er definiert Anforderungsmaßstab und Verfügbarkeitstermin. Außerdem beurteilt er nachher die Eignung der Kaufobjekte. Denn er ist Erfahrungsträger im Hinblick auf die Produktqualität, sein Einsatzverhalten ist wichtig für die gesamte Beschaffungsaktion. Er ist persönlich durch die Anschaffung betroffen, sowohl bei Erfolg wie bei Misserfolg. Folglich konzentriert er sich auf die Funktionserfüllung und will konkrete Nutzen haben. Der Beeinflusser / Influencer nimmt durch Fachkompetenz Einfluss auf die Beurteilung der Kaufobjekte und die Entscheidung zugunsten einer Alternative. Oft handelt es sich dabei um einen externen Berater oder Mitarbeiter einer internen Service-Abteilung, der nicht unmittelbar von den Konsequenzen des Kaufs betroffen ist und deshalb vermeintlich vorurteilsfrei werten kann. Der Coach hält aus dem Buying Center heraus ständigen Kontakt nach außen hin zu Anbietern und tauscht mit diesen die für erforderlich gehaltenen Informationen aus. Durch Informationsfilterung kann er dabei sowohl strukturierend als auch verzerrend einwirken. Bei Entscheidungen in Kollektiven wird gemeinhin vermutet, dass Mehrpersonen-Einheiten zu besseren Ergebnissen kommen als einzelne Entscheidungsträger. Dies kann so sein, muss aber nicht. Es gibt vielfachen Anlass anzunehmen, dass Kollektive zu Entscheidungsdefekten als Groupthink-Phänomen neigen. Dafür gibt es vor allem zwei Ursachen. Einerseits können Kollektive zu übertrieben risikoreichen Entscheiden kommen, weil jeder Beteiligte im Falle des Scheiterns nur einen Bruchteil der Konsequenzen daraus zu tragen hat und Risikofreude im Übrigen als sozial attraktive Eigenschaft gilt. Andererseits können Kollektive auch zu übertrieben risikoscheuen Entscheiden kommen, weil die Bedenkenträger sich gegenseitig hochschaukeln und insgesamt auch mehr Risiken offensichtlich werden. Problematisch ist dabei unter kommunikationspolitischen Zwecken zumeist, dass die den einzelnen Funktionen zugehörigen Personen nicht vorab identifiziert werden können und deren tatsächlicher Entscheidungsanteil verschwommen bleibt, obgleich diese Informationen gerade von höchster Bedeutung sind. Gemeinhin wird eine eher rationale Entscheidungsfindung unterstellt, obgleich dies in praxi stark anzuzweifeln ist. Buying centers sind gekennzeichnet durch die Anzahl der vertretenen Hierarchien und die Art der beteiligten Funktionen, durch die Anzahl der dabei integrierten Abteilungen und die Art dieser Abteilungen sowie die

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Anzahl der jeweils beteiligten Personen und deren Profil. Außerdem haben die informelle Verbundenheit der Beteiligten sowie die Zentralisierung der Entscheidungsfindung eine hohe Bedeutung. Wie komplex das Zusammenspiel der Akteure im Buying Center sein kann, zeigt ein einfaches Beispiel. Der Stabsassistent braucht ein neues Laptop, ein entsprechender Betrag ist dafür im Budget reserviert. Fraglich ist nur, wer die Produkt- / Markenwahl bestimmt. Denkbar ist, dass er sich an seinen Vorgesetzten als Decider wendet und dieser die Entscheidung sowohl hinsichtlich der Anschaffung als auch hinsichtlich des Objekts fällt. Denkbar ist aber auch, dass der Vorgesetzte seinem Mitarbeiter als User die Entscheidung überlässt und er den Beschaffungsantrag nur genehmigt. Denkbar ist weiterhin, dass der Vorgesetzte zwar die Genehmigung gibt, die Produkt- / Markenwahl aber der Fachabteilung, etwa IT, als Influencer überlässt. Schließlich können auch alle Beschaffungen über die Einkäuferfunktion des Buyer laufen. Wobei fraglich ist, ob dieser nur nach Maßgabe des Entscheiders beschafft oder selbst das Beschaffungsobjekt bestimmen kann. Auch können die Beteiligten gemeinsam eine Willensbildung herbeiführen. Jedenfalls ist durchaus unklar, wer Kaufentscheider im Buying Center ist. Ziel des Anbieters muss es sein, Transparenz über die Entscheidungsstruktur zu erhalten, Ziel des Nachfragers wird es sein, gerade diese Transparenz zu verhindern, da ansonsten die Gefahr besteht, dass Kaufentscheide aus sachfremden Gründen heraus getroffen werden. Diese Intransparenz wird durch Vorenthalten der Information über die Zusammensetzung des Buying Center erreicht, aber auch durch regelmäßige Job Rotations. Dabei wechseln nicht nur die Mitglieder des Buying Center, sondern auch die Machtbalance kann sich verschieben, etwa wenn ein „starkes“ Mitglied gegen ein „schwaches“ getauscht wird oder umgekehrt. Dann ist erneut eine Transparenz zu erreichen. Das Buying Center kann innerhalb eines Unternehmens für verschiedene Beschaffungsobjekte abweichend zusammengesetzt sein. Dies alles unterstreicht die erhebliche praktische Bedeutung des Konzepts. Um Transparenz in die Struktur des Buying Center zu bringen, ist es erforderlich, die hierarchischen Stufen, die auf einen Kaufprozess Einfluss nehmen, zu identifizieren. Dies kann aus der Bedeutung des Kaufobjekts für das beschaffende Unternehmen abgeleitet werden. Außerdem ist wichtig, die jeweils beteiligten Abteilungen und Personen auf jeder Stufe zu identifizieren. Daraus ergibt sich ein Hinweis auf die Zahl der insgesamt Beteiligten. Weiterhin ist es bedeutsam zu recherchieren, wie intensiv zwischen diesen Beteiligten Informationen ausgetauscht werden. Dies bestimmt die Intensität der Kommunikation in das Buying Center hinein. Dies ist tatsächlich nur äußerst schwer zu ermitteln und wird von beschaffenden Unternehmen auch gezielt verborgen gehalten. Quellen können dann Dritte sein, die Erfahrungswerte über das beschaffende Unternehmen haben. Ergänzend kommen Internet- und Pressequellen hinzu. Das größte Potenzial bietet aber ein Be-

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

such vor Ort. Dort kann im Gespräch mit unbeteiligten Personen wie Rezeptionist oder Pförtner ein erster Eindruck gewonnen weden. Weitere Anhaltspunkte bieten ausliegende Telefon- oder Verteilerlisten. Ein wichtiger Indikator sind Türschilder. So gibt die Anzahl der Namen Aufschluss über die Stellung im Unternehmen, Vorzimmer deuten auf wichtige Positionen hin. Vor allem Lage und Ausstattung der Büros sind aufschlussreich. Häufig werden diese Informationen jedoch durch Abholung und Begleitung in ein Besprechungszimmer vereitelt. In der Kommunikation ist es bedeutsam, den jeweiligen Mitgliedern maßgeschneiderte Informationen zukommen zu lassen. Denn für jeden Typ sind aus seinem Selbstverständnis heraus andere Fakten relevant. Außerdem ist es bedeutsam, werbliche Aktivitäten auf solche Personen zu konzentrieren, die als entscheidungsbedeutsam angesehen werden. Intransparenz in Bezug auf die Buying CenterStruktur darf daher nicht akzeptiert werden.

7.2.5.2 Innovatoren-Konzept Bei neuartigen Kaufentscheidungen in Organisationen lassen sich unterschiedliche Rollenauffassungen feststellen. Das Innovatoren-Konzept (nach Witte) unterscheidet daher zwischen Promotoren und Opponenten. Es basiert auf einer Untersuchung zur Durchsetzung von Innovationen, gegen die sich technologische, ökonomische und umfeldbezogene Widerstände ergeben, etwa Willensbarrieren aus weltanschaulichen, sachlichen oder persönlichen Gründen. Promotoren mit Champion power fördern Veränderungen, Opponenten mit Veto power verhindern, verzögern oder fraktionieren Veränderungen. Machtpromotoren verfügen aufgrund ihrer hohen hierarchischen Stellung in der Organisation über Entscheidungsmacht. Sie sind intern legitimiert, Vertragsabschlüsse bindend zu tätigen. Sie können Vorgänge durch Anordnung, Sanktion gegenüber „Bremsern“ und Unterstützung treibender Kräfte in Richtung und Tempo maßgeblich beeinflussen. Sie haben dabei weniger technisch-organisatorische Details im Sinn als vielmehr deren Auswirkungen auf das Unternehmen insgesamt. Sie stellen organisatorische Ressourcen bereit, legen Ziele fest, gewähren Anreize bzw. sanktionieren Akteure und blockieren Opponenten. Macht hat, wer den eigenen Willen auch gegen Widerstrebende durchzusetzen vermag (Weber). Als Basen dienen folgende: • Belohnungsmacht hat, wer durch Förderungsmöglichkeit loyale Personen stützen kann. • Bestrafungsmacht hat, wer durch negative Sanktionsmöglichkeit illoyale Personen schwächen kann. • Legitimationsmacht hat, wer über hierarchische Autorität gegenüber anderen Personen verfügt.

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Fachpromotoren zeichnen sich, unabhängig von ihrer hierarchischen Stellung, durch spezifisches Wissen aus. Sie nehmen aufgrund fachlicher Legitimation auf die Entscheidung Einfluss durch manipulatives Vorenthalten oder Gewähren von Fachwissen. Fachpromotoren sind jedoch typischerweise im Middle Management angesiedelt. Sie haben Fachkompetenz, die für Problemerkennung und -lösung entscheidend ist. Sie fördern den Beschaffungsprozess, evaluieren neuartige und komplexe Probleme, entwickeln Problemlösungsvorschläge bzw. realisieren diese und initiieren und fördern fachspezifische Lernprozesse. Als Machtbasen gelten folgende: • Identifizierungsmacht als Rollenvorbild für andere, die ihr Verhalten danach ausrichten, • Expertenmacht durch überlegenes Fachwissen, dem andere vertrauen und daher folgen. Selten treten Macht- und Fachpromotoren in Personalunion auf. Macht- und Fachpromotoren können aber gemeinsam auftreten, was ihnen besondere Effektivität verleiht. Gelegentlich werden Prozesspromotoren ergänzt, die für die Durchsetzung von Entscheidungen in der Organisation Sorge tragen. Sie wirken mittels Kenntnis der organisatorischen Prozesse und informeller Überzeugungskraft auf andere Personen ein und vermitteln zwischen den Beteiligten, meist „Technikern“ und „Kaufleuten“. Sie sammeln, filtern, übersetzen und interpretieren Informationen und leiten diese gezielt an Akteure weiter. Sie fördern Kommunikation und Koalitionen zwischen Akteuren. Ein Spezialfall der Prozesspromotoren sind Beziehungspromotoren, die den Innovationsprozess durch persönliche Beziehungen zu internen wie externen Schlüsselpersonen und Drittparteien fördern. Promotoren sind Personen, die einen Beschaffungsprozess initiieren und bis zum Schluss aktiv und intensiv fördern. Der Promoter ist also eher jemand, der Initiative ergreift, sich engagiert, als jemand, der nur mit Umsicht und Gelassenheit seine Pflicht erfüllt und einschlägige Vorschriften beachtet. Opponenten hemmen den Innovationsprozess bei der erstmaligen Anschaffung neuer Einkaufsobjekte ebenso wie Promotoren ihn fördern. Folglich unterscheidet man Machtopponenten qua hierarchischer Stellung, Fachopponenten qua Spezialistenwissen und Prozessopponenten qua Kenntnis interner organisationaler Abläufe. Wer im spezifischen Fall freilich Opponent und wer Promotor ist, ist vom Standpunkt des Betrachters abhängig. Wahrscheinlich wechselt diese Rolle auch von Fall zu Fall oder Einstellung und Verhalten der betreffenden Akteure sind nicht immer konsistent. Eindeutig sind Fälle, in denen Einstellung und Verhalten unterstützend sind. Dies sind verlässliche Promotoren. Und auch solche, in denen Einstellung und Verhalten behindernd sind. Dies sind eindeutige Opponenten. Schwierig sind jedoch folgende Fälle zu beurteilen: • Verdeckte Opponenten mit behindernder Einstellung, aber zugleich unterstützendem Verhalten. Dies sind Personen, die nach außen hin den Anschein erwecken,

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

als unterstützten sie eine anstehende Entscheidung, diese tatsächlich aber behindern. Wegen dieser „Tarnung“ sind diese Personen schwer zu identifizieren. • Verhinderte Promotoren mit unterstützender Einstellung, aber zugleich behinderndem Verhalten. Dies sind Personen, die eine anstehende Entscheidung unterstützen, es nach außen hin aber nicht für opportun erachten, dies anzuzeigen und sich daher bewusst unparteiisch geben. Sie können daher als Unterstützer nicht ohne Weiteres erkannt und genutzt werden. In jedem Fall ist eine innovationsspezifische Kommunikation an die Beteiligten erforderlich. Promotoren müssen mit Informationen versorgt werden, die ihnen helfen, einen Entscheid intern zu vertreten und zu befördern. Opponenten erhalten Informationen, die gezielt ihre tatsächlichen oder mutmaßlichen Vorbehalte aufgreifen und gegenargumentieren. Voraussetzung für zielgenaue Werbung ist eine aussagefähige Datenbasis. Diese ist umso einfacher zu erstellen bzw. aktuell zu halten, je enger ein Kundenkontakt ausfällt. Schon bei Interessenten liegt der Transparenzgrad deutlich niedriger und bei Außenstehenden ist der Informationsstand meist nur vage. Dieser kann nur durch intensive, vor allem qualitative Marktforschung aufgebessert werden. Dennoch besteht die beste Orientierung bei Bestandskunden, so dass kein Neugeschäft aussichtsreicher und rentabler ist als das mit bestehenden Abnehmern. 7.2.5.3 Reagierer-Konzept Das Reagierer-Konzept (nach Strothmann / K liche) unterscheidet zwischen den Prototypen des Clarifier und des Simplifier und beschreibt die unterschiedliche Reaktion von Entscheidern auf dieselben Informationen. Der Clarifier als Faktenorientierter zielt für die Einkaufsentscheidung auf möglichst viel Information ab, die er dann sichtet und verarbeitet, um zu einem fundierten Ergebnis zu gelangen. Er ist an einer möglichst vollständigen, abgerundeten Beurteilung hinsichtlich der angebotenen Produkte für sich selbst interessiert. Dabei werden alle für die Anwendung im Unternehmen relevanten Gesichtspunkte geprüft, um das Entscheidungsrisiko zu senken. Wichtig ist daher eine detaillierte, aussagefähige, schriftliche und / oder mündliche Argumentation. Dem Simplifier als Imagerorientierter ist hingegen gleich an verdichteten Informationen gelegen, die für ihn einfach zu verarbeiten sind. Es kommt also nicht auf die Vollständigkeit der Informationen an, sondern nur auf die Vorlage als wichtig erachteter Schlüsselinformationen, die einen Gesamteindruck über die angebotenen Alternativen erlauben. Dabei ist jeweils der Nutzen aus dem Einsatz der Anschaffungsobjekte zu betonen. Wichtig ist eine pragmatische, zügige Entscheidung. Als Mischtyp aus beiden gilt der Reaktionsneutrale (auch Sicherheitsmaximierer). Ihm ist an einer ausgewogenen Relation aus punktuell vertiefenden Informationen bei gleichzeitiger Wahrung eines gesamthaften Überblicks gelegen.

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Droege / Backhaus / Weiber ergänzen hierzu noch Inspekteure, die sich allein an konkreten Leistungseigenschaften des Kaufobjekts orientieren, also nicht am Anbieter, sondern am Produkt, und diese auch kritisch nachprüfen. Insofern sind auch hierbei reaktionsspezifische Werbemaßnahmen erforderlich. Zu bedenken ist dabei, dass Buying Center-Struktur, Innovatoren- und Reagierertypen einander personell überlagern. Daher reicht es im Regelfall nicht, eine eindimensionale Informationslogistik vorzusehen, sondern es muss matrixartig vorgegangen werden. Liegen keine belastbaren Anhaltspunkte dafür vor, ist ein solcher Ansatz zum Scheitern verurteilt. Die Kommunikation kann dann kontraproduktiv wirken. Die Problematik der Reagierertypen liegt vor allem darin, dass diejenigen kommunikativen Inhalte, die der eine Typ als relevant erachtet, den anderen irrelevant erscheinen und umgekehrt. Die detaillierten und ausführlichen Fakten, welcher der Clarifier zu seiner Entscheidungsfindung bedarf, irritieren den Simplifier eher. Die ganzheitlichen Imageinformationen, welche dem Simplifier entsprechen, reichen dem Clarifier bei weitem nicht aus. Daher ist es entscheidend, sich möglichst genau vor Augen zu führen, um welche Art von Reagierer es sich bei einem Einkaufsentscheider handelt. Oft ist man geneigt, eine Standardargumentation zu verwenden. Aber diese kann immer nur für einen der beiden Typen zweckdienlich sein. Um welche Art von Reagierertyp es sich handelt, lässt sich letztlich nur durch persönlichen Kontakt feststellen, telekommunikative Kontakte sind dazu nur ausnahmsweise in der Lage. Dies verdeutlicht wiederum die Notwendigkeit zum persönlichen Verkauf. Indizien, die auf den Reagierertyp hinweisen, sind das Interesse an technischen wie kaufmännischen Daten und Fakten, aber, bei persönlichem Besuch, vor allem das Büroumfeld. Clarifier haben häufig akribisch aufgeräumte Büros mit funktionalen Ordnungssystemen. Der Schreibtisch ist aufgeräumt oder gar leer, an den Wänden hängen Netzpläne und Projektlisten. Simplifier schaffen hingegen häufig eine emotional geprägte Büroatmosphäre. Es gibt Topfpflanzen und Familienfotos. Der Schreibtisch macht einen chaotischen Eindruck. An den Wänden hängen Posters mit Motiven von Urlaubsdestinationen. 7.2.5.4 Informations-Konzept Das Informationskonzept (Strothmann) hebt auf das Suchverhalten und die Verarbeitung von Informationen ab. Dabei werden drei Typen unterschieden. Der literarisch-wissenschaftliche Typ ist dadurch gekennzeichnet, dass er sich möglichst umfassend und detailliert über beschaffungsrelevante Aspekte eines Kaufobjekts informiert. Er hat eine Präferenz für schriftliche Quellen wie Fachzeitschriften, Fachbücher oder Fachdatenbanken. Sein Suchverhalten ist projektbezogen, seine Bestrebungen gehen dahin, ständig aktuell über Wissensentwicklungen

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informiert zu sein. Bei einem neuen Kaufobjekt ist sein Informationsbedarf daher eher gering, weil er hinreichend vorinformiert ist. Durch regelmäßige Zuführung aussagefähiger Unterlagen kann er für einen Anbieter eingenommen werden. Bei den anderen Typen macht eine solche Versorgung wenig Sinn, da sie sich mangels Interesse oder Zeit nicht aktiv auf dem Laufenden halten. Der objektiv-wertende Typ ist stark projektorientiert ausgerichtet. Er informiert sich erst mit Beginn eines Beschaffungsprozesses und versucht, seinen Wissensstand zu verbessern. Dabei greift er auf die üblichen Fachzeitschriften, Prospekte und Suchartikel im Internet zurück und wertet diese aus. Insofern kann durch ein gezieltes Informationsangebot positiv auf ihn eingewirkt werden. Hilfreich sind dabei alle Mittel, die unkompliziert und konzentriert relevante Informationen liefern. Dazu ist es allerdings erforderlich, rechtzeitig zu erfahren, wann welche Projekte zur Beschaffungsentscheidung anstehen. Dies ist durchaus machbar, wenngleich mit einigem Aufwand verbunden. Der spontan-passive Typ sucht hingegen nicht aktiv nach Informationen, sondern lässt sich von diesen eher zufällig berieseln. Er zeigt wenig Eigenintiative und bedient sich meist Personen, die besser informiert sind als er selbst als Quellen. Insofern ist er auch nicht an detaillierten, ausführlichen Informationen interessiert, sondern eher an einem kursorischen Überblick. Hier sind weniger produkt-/ programm- als vielmehr anbieter-/markenbezogene Informationen erforderlich. Auf diese Weise soll es gelingen, in den Relevant Set aufgenommen zu werden. Dennoch ist die Chance vergleichsweise gering, allerdings dürfte dieser Typ in verantwortungsvollen Positionen / Unternehmen nicht mehr weit verbreitet sein.

7.2.6 Horizontale Partialmodelle Bei den horizontalen Partialmodellen geht es nicht mehr nur um die Betrachtung einer Organisationsseite, der Käuferseite, sondern um die wechselseitige Beziehung zwischen Anbieter- und Nachfragerseite. So steht dem Buying Center auf Einkaufsseite meist ein Selling Center auf Verkaufsseite gegenüber. Zum Selling Center auf Industrieseite gehören für gewöhnlich folgende Teilnehmer: • Techniker (Produktverantwortlicher) als Äquivalent zum User, er ist vor allem für Funktionalitätsfragen kompetent, bleibt aber im Akquisitionsprozess außen vor, • Schlüsselkundenberater (Motivator / Stimulator) als Äquivalent zum Buyer, er ist für Preis und Konditionen zuständig, vor allem aber löst er Widerstände auf und bringt die Interaktion in konstruktive Bahnen, • Anwendungsberater (Experte) als Äquivalent zum Influencer, er ist vor allem für die Einsatztauglichkeit einer Lösung ansprechbar, dies steht für Interessenten häufig im Vordergrund,

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• Außendienstler (Seller / Vendor) als Äquivalent zum Gatekeeper, er ist vor allem für die Kaufabwicklung zuständig, die detailreich und voller Klippen ist, • Geschäftsführer (Gesamtverantwortlicher) als Äquivalent zum Decider, er ist für die Klärung von Konflikten und die Finalisierung des Kaufabschlusses verantwortlich. Auf Handelsseite sieht sich ein derart besetztes Selling Center meist einem folgendermaßen besetzten Buying Center gegenüber: • Category-Einkäufer in der Funktion des User, er kümmert sich vor allem um die Einpassung eines Artikels in das gewünschte Sortiment durch Austausch oder Anpassung, • Chefeinkäufer in der Funktion des Buyer, er prüft und verhandelt vor allem Preise und Konditionen, Liefer- und Zahlungsbedingungen eines Abschlusses, • Vertriebsleiter in der Funktion des Influencer, er ist für die praktische Ausrichtung am Abverkauf von Bestellungen zuständig, • Verkaufsförderer in der Funktion des Gatekeeper, er kümmert sich um die Unterstützung neuer und bestehender Artikel am Handelsplatz, • Geschäftsführer in der Funktion des Decider, er ist in Konfliktfällen und für den eigentlichen Kaufabschluss verantwortlich. Als strategische Verhaltensalternativen stehen dabei, je nach relativer Stärke der Seite, • Kampf bei beidseitigem Dominanzstreben, • Abstimmung bei beidseitigem Subordinationsstreben, • Anpassung oder Umgehung, jeweils bei einseitiger Dominanz bzw. Subordina­ tion, • Kompromiss als gangbarer Mittelweg zur Verfügung. Dabei ist vor allem die persönliche Kommunikation von Bedeutung, d. h. das Zusammenwirken der Akteure auf beiden Seiten. Einflussgrößen sind die Größe und Zusammensetzung der Teams sowie deren Aufgabenverteilung.

8. Parameter der Positionierung Unter Positionierung versteht man allgemein die Abgrenzung eines Angebots zum Mitbewerb und seine Hervorhebung gegenüber Abnehmern. Das heißt, es geht sowohl um die Einordnung auf der eigenen wie auch durch die gegenüber liegende Marktseite. Zur Entwicklung gehören die Abgrenzung des Strategischen Geschäftsfelds (8.1) und der Strategischen Gruppe (8.2), weiterhin die Festlegung der Absatzquelle (8.3) sowie der Stellgrößen der Positionierung (8.4).

8.1 Strategisches Geschäftsfeld Das Strategische Geschäftsfeld (SGF) bestimmt die Abgrenzung des Relevanten Markts (auch Arena). Das SGF weist damit aus, auf welchem Markt die Unternehmung aktiv ist / sein will und wie das Umfeld sich konkret darstellt. Eine zutreffende Abgrenzung des Relevanten Markts ist derzeit nicht befriedigend lösbar. Es gibt zwar verschiedene Ansätze, die aber alle Schwächen aufweisen (siehe Abbildung IV/83: Optionen des Strategischen Geschäftsfelds). Die wichtigsten seien im Folgenden erläutert.

Abbildung IV/83: Optionen des Strategischen Geschäftsfelds

Die totale Konkurrenz (v. Stackelberg) besagt, dass letztlich alles mit jedem in Konkurrenz zur knappen Kaufkraft / Budgets steht und damit die Gesamtheit des Marktangebots den relevanten Markt ausmacht. Dies ist zwar stimmig, aber nicht operational und damit wenig hilfreich. Abgrenzungen aus Angebotssicht wählen verschiedene Ansätze. Bei der technisch-physischen Ähnlichkeit von Produkten werden alle Angebote als zum selben relevanten Markt gehörig angesehen, die von ihrer Angebotsphysis her ähnlich

8. Parameter der Positionierung

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sind. Dies greift jedoch viel zu kurz. Bei der funktionalen Gleichheit des Angebots werden alle Angebote als zum selben relevanten Markt gehörig angesehen, die dieselbe Funktion erfüllen, unabhängig von ihrem Äußeren. Dies ist gut darstellbar. Die Kreuzpreiselastizität (Triffin) gibt an, wie sich die Nachfrage nach einem Produkt aufgrund der Preisänderung eines anderen verändert. Produkte, die im Preis aufeinander reagieren, gleich ob positiv oder negativ, gehören danach zum gleichen relevanten Markt, Produkte, die aufeinander nicht reagieren, gehören verschiedenen relevanten Märkten an. Problematisch ist hier die reale Messung des Elastizitätskoeffizienten. Bei der subjektiven Austauschbarkeit aus Anbietersicht gehören alle Produkte zum selben relevanten Markt, die Anbieter in ihren Strategieplänen berücksichtigen. Dies ist jedoch ein gedanklicher Zirkelschluss, da die Abgrenzung ja erst zur Strategie führen soll. Abgrenzungen aus Nachfragesicht wählen ebenfalls verschiedene Ansätze. Bei der subjektiven Austauschbarkeit aus Nachfragersicht gehören alle Produkte zum selben relevanten Markt, die Nachfrager in einer Situation als gleichartig in Bezug auf ihre Physis oder Funktion erachten. Dies ist jedoch indeterminiert, da diese Abgrenzung von Individuum zu Individuum unterschiedlich ausfällt. Beim faktisch-tatsächlichen Austauschverhalten kommt es auf die Auswahl in der konkreten Kaufsituation an (Relevant Set). Produkte, die diesem Set angehören, bilden damit den relevanten Markt. Die Nutzungsähnlichkeit hebt darauf ab, dass alle Produkte als zum selben relevanten Markt gehörig angesehen werden, die den gleichen Nutzen stiften. Auch dies ist weithin indeterminiert. Bei der Adressierung gleicher Kundentypen ergibt sich die Abgrenzung durch gleich definierte Zielpersonen, die von Anbietern als Käufer angestrebt werden. Damit liegt die Abgrenzung in der Erwägung der Anbieter. Die mehrdimensionale Abgrenzung besagt, dass alle Produkte zum selben relevanten Markt gehören, die kumulativ dieselbe Funktion erfüllen, dies mit derselben Technik erreichen und dabei dieselben Kaufentscheider ansprechen (Abell). Dieser Ansatz wird in der Literatur favorisiert, jedoch stellt sich die Frage, warum gerade diese drei Dimensionen gewählt werden und wie Funktion, Technik und Zielgruppe exakt definiert werden, z. B. konkrete oder abstrakte Funktionen, technische Varianten, demografische, aktiografische, verhaltenwissenschaftliche Charakterisierung. So kommt dieser Ansatz zu unzutreffenden Abgrenzungen, z. B. Handzahnbürste und elektrische Zahnbürste als getrennte relevante Märkte. Die Bedeutung der klugen Abgrenzung des relevanten Markts zeigt ein Beispiel. Die ehemals erfolgreichen amerikanischen Eisenbahngesellschaften hatten ihren Markt als schienengebundene Transportmittel viel zu eng abgegrenzt und konnten somit nicht rechtzeitig auf die Substitution durch Straßen- und vor allem Lufttransport reagieren, was zum Niedergang vieler Anbieter führte (Marketing myopia / Levitt). Im Zweifel ist daher eher eine weite Marktabgrenzung zu fassen als von vornherein Marktchancen auszugrenzen. Theoretisch ist dieses Problem

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

ungelöst. Praktisch werden Relevante Märkte zumeist nach räumlichen, zeitlichen, sachlichen oder persönlichen Kriterien abgegrenzt.

8.2 Strategische Gruppe Aus dieser Abgrenzung ergibt sich das Konkurrenzumfeld, mit dem man es zu tun hat. Dabei stellt sich im Regelfall heraus, dass dieses nicht homogen strukturiert ist, sondern aus Gruppen einander ähnlicherer Konkurrenten besteht, die zueinander verschiedenartig sind (interne Homogenität bei externer Heterogenität). Eine solche Anballung relativ gleichartiger Konkurrenten stellt eine Strategische Gruppe (SGr) dar. Tatsächlich treten nicht nur die einzelnen Teilnehmer an einem Markt in Wettbewerb zueinander, sondern auch die Strategischen Gruppen. Dabei sind die Wettbewerbsbeziehungen zwischen den Konkurrenten der selben Strategischen Gruppe intensiver als zu Konkurrenten anderer Strategischer Gruppen in der selben Arena. Häufig gibt es sogar einen „Feind“ als Hauptwettbewerber. Daher ist es im nächsten Schritt erforderlich, die Strategischen Gruppen an einem Markt zu identifizieren (z. B. im Pkw-Markt deutsche, japanische, west-/südeuropäische, osteuropäische, andere fernöstliche Anbieter jeweils in der Unter-, Mittel-, Ober- und Luxusklasse) und die eigene Zugehörigkeit zu bestimmen. Für die Strategie ergeben sich daraus vier Optionen (siehe Abbildung IV/84: Optionen der Strategischen Gruppe).

Abbildung IV/84: Optionen der Strategischen Gruppe

Es kann angestrebt werden, in der bestehenden Strategischen Gruppe zu dominieren. Dieser Absicht liegt zugrunde, dass die Gruppenführerschaft zu relativer Wettbewerbssicherheit führt, d. h. im Verdrängungsfall, der einer sehr häufigen Marktrealität entspricht, müssen normalerweise zunächst Folger in der Gruppe um ihre Existenz fürchten, bevor es den Gruppenführer erwischt. Die Marktstellung wird zumeist am Umsatz gemessen, (wobei mehr als zweifelhaft ist, ob dies eine

8. Parameter der Positionierung

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geeignete Messgröße darstellt). Die Dominanz ist häufig auch nur eine gefühlte, durch Werbung generierte. So werden neue Online-Angebote dank reichlich fließender Investorengelder mit hohem Werbedruck penetriert, so dass von außen der Eindruck einer Dominanz entsteht, obwohl der Anbieter selbst oft genug weder signifikante Umsätze schafft, noch erst recht Gewinne. Die Hoffnung ist, dass über den Marktauftritt dann die Nachfrage attrahiert wird, die erforderlich ist, die Werbeaufwendungen zu finanzieren. In einigen Fällen mag dies funktionieren, in der Mehrzahl der Fälle jedoch nicht, gelingt aber dennoch solange, wie Risikokapitalgeber in der Hoffnung auf Wachstum in Finanzierungsrunden liquide Mittel nachschießen (Working capital). Das mehrheitliche Scheitern gehört bei der Wagnisfinanzierung durchaus ins Kalkül. Es kann beabsichtigt werden, in eine als günstiger angesehene Strategische Gruppe zu wechseln. Dies ist etwa der Fall, wenn eine Gruppenführerschaft nicht realistisch erscheint oder die Gruppe durch strukturelle Nachteile bedroht ist. Allerdings ergeben sich bei einem Wechsel sowohl Austrittsbarrieren aus der bestehenden Gruppe als auch Eintrittsbarrieren in eine neue. Es gilt, beide zu überwinden, sich also faktisch und wahrnehmungsbezogen von der alten Strategischen Gruppe zu lösen und ebenso faktisch und wahrnehmungsbezogen in der neuen Gruppe zu platzieren. Dies ist ein ausgesprochen schwieriges Unterfangen, zumal die Wettbewerber in der neuen Gruppe zu verhindern versuchen, dass ein solcher Eintritt gelingt. Aber auch die Lösung von der alten Gruppe ist wegen der Imageremanenz bei Zielpersonen ein langwieriger Akt. Das berühmteste Beispiel ist sicherlich Audi. In den 1960er Jahren war Audi in der Strategischen Gruppe der deutschen Mittelklasse-Hersteller angesiedelt, wie Opel, Ford oder VW, aber auch DKW, NSU. Ziel des Managements (F. Piech) war es jedoch, in die Strategische Gruppe der deutschen Oberklasse-Anbieter vorzudringen, die aus Mercedes-Benz, BMW und Porsche bestand. Mittel dazu waren vor allem technische Innovationen wie Allrad-Antrieb, TDI-Motoren, Alu-Karosserie etc., aber auch Marketinginnovationen wie trendiges Schauraumkonzept, spektakuläre Werbekampagne (BBDO / JvM), eskalierendes Preisniveau etc. Heute ist Audi dort unzweifelhaft etabliert. Es kann angestrebt werden, eine neue Strategische Gruppe zu gründen. Dies ist dann der Fall, wenn die bestehende Gruppe als nicht tragfähig genug erscheint und der Eintritt in eine andere Gruppe als nicht realistisch (z. B. IKEA, Starbucks, Apple). Allerdings ist eine solche Neugründung nur möglich, wenn es am Markt Bereiche gibt, für die zwar latente Nachfrage besteht, die jedoch von bestehenden Gruppen nicht abgedeckt wird. Ob sich Nachfrage für ein Angebot, das es in dieser Weise noch nicht gibt, aber in ausreichendem Maße monetarisieren lässt, ist spekulativ, so dass das Risiko hier sehr hoch ist. Spektakulärstes Beispiel ist hier Tesla mit der Gründung der Strategischen Gruppe Elektrofahrzeuge. Damit eröffnete ein Branchen-Outsider ein „neues Spiel“

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

am Markt und profitiert bis heute von seiner Pionierrolle. Viele Autohersteller haben sich mittelfristig vorgenommen, aus ihrer bestehenden Position in diese neue Gruppe vorzudringen, um vom manifesten Trend und auch öffentlich gefördertem Anliegen zum Kauf von Elektrofahrzeugen zu profitieren. Einige reine E-Auto-Anbieter, die ebenfalls diese Gruppe besetzen wollten, sind bereits spektakulär gescheitert, andere existieren nur als Finanzhülle, ohne nennenswertes operatives Geschäft. Tesla kann seine Alleinstellung für einen grotesk überhöhten Börsenwert nutzen. Es kommt als kollektive Maßnahme auch der generische Schutz der eigenen Strategischen Gruppe gegen Verdrängung durch andere Strategische Gruppen in Betracht. Dies kann aufgrund autonomen Konkurrenzverhaltens erfolgen, als wettbewerbliches Parallelverhalten oder als kollusive abgestimmte Verhaltensweise. Ein Beispiel ist die erfolgreiche Abwehr von Walmart durch die deutschen Lebensmittel-Einzelhandels-Filialisten. Der immerhin mit Abstand größte Einzelhandelskonzern wollte in den scheinbar lukrativen Markt Deutschland einsteigen. Der deutsche (Lebensmittel-)Einzelhandel, der sich ansonsten in herzlicher Rivalität befindet, reagierte jedoch geschlossen mit der Erhöhung der Markteintrittsschranken durch Übernahme fallierender Handelsgruppen, Einstieg auf Dauerniedrigpreis-Angebote (EDLP), Intensivierung der Werbeanstrengungen etc. Da Walmart zudem hanebüchene handwerkliche Fehler unterliefen, konnte so der Angriff gemeinschaftlich abgewehrt werden. Ein Teilmarkt ist also meist nicht homogen, sondern besteht aus zwei oder mehr Gruppen, die in sich relativ homogen sind, untereinander aber mehr oder minder große Abweichungen aufweisen. Von daher bietet es sich an, das Marktumfeld in der eigenen oder angepeilten Strategischen Gruppe genauer zu untersuchen. Ähnlich wie es Barrieren zwischen einzelnen Märkten gibt, die einen beliebigen Ein- und Ausstieg in / aus Märkten behindern, gibt es auch Mobilitätsbarrieren innerhalb eines Marktes, die einen Wechsel von Gruppe zu Gruppe behindern, wenngleich nicht ganz verunmöglichen. Die Relevanz der Mitbewerber in einem Markt ist umso größer, je höher die Anzahl der Gruppen und je geringer die Größenunterschiede der Anbieter innerhalb einer Gruppe sind. Gruppen sind in steter Entwicklung begriffen, ruhen also keineswegs passiv in sich, sondern bewegen sich aufeinander zu oder voneinander weg. Diese erratischen Veränderungen von Märkten lassen es unvermeidlich werden, dass man sich stetig wechselnden strategischen Mitbewerbern gegenüber sieht und Anbieter, die in der Vergangenheit noch weniger bedeutsam schienen, plötzlich relevant werden bzw. Anbieter, die hoch bedeutsam schienen, an Relevanz verlieren.

8. Parameter der Positionierung

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8.3 Festlegung der Absatzquelle Die Definition der Absatzquelle (Source of Potential Demand) bezieht sich auf die Aktivierung der für ein Angebot verfügbaren Kaufkraft. Es reicht heutzutage nicht mehr aus, ein Angebot ungezielt der Nachfrage zur Entscheidung über den Erfolg anzudienen und im Übrigen mit dem Risiko des Misserfolgs zu leben. Dies entspricht nicht der harten Realität der Märkte. Hohe Investitionsbeträge, lange Zeiten für Forschung und Entwicklung, immense Fixkosten durch Anlagen und Personal sowie große Fremdkapitalverpflichtungen erfordern vielmehr, aktiv strategische Nachfragepotenziale zu bestimmen, um einen annehmbaren Mittelrückfluss in absehbarer Zeit zu erreichen. Dazu gibt es mehrere Möglichkeiten, die allerdings nicht unbedingt alternativ, sondern auch additiv zueinander genutzt werden können (siehe Abbildung IV/85: Absatzquellenoptionen).

Abbildung IV/85: Absatzquellenoptionen

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

8.3.1 Eigene Kunden mit gleichem Produkt Hier ergeben sich drei Optionen. Kundenbindung drückt die Loyalität vorhandener Nachfrager zum eigenen Angebot aus. Entscheidend ist dafür, in der konkreten Wahlsituation präsent und profiliert zu sein. Entscheidend dafür wiederum ist die Kundenzufriedenheit, die durch Herstellung einer Kontaktbrücke gefördert wird. Die eigenen Abnehmer werden dadurch hinsichtlich der Richtigkeit ihrer Nachfrageentscheidung bestärkt. Denn entscheidend für den Absatzerfolg ist nicht der erstmalige Kauf eines Produkts, sondern die Gewährleistung einer hohen Wiederkaufrate. Diese soll unabhängig von den Phasen des Kaufentscheidungsprozesses und den Einwendungen der Konkurrenz zum eigenen Angebot führen. So beschicken die großen Automobilhersteller ihre Kunden nach dem Kauf im Rahmen von Kundenkontaktprogrammen / KKPs mit Aussendungen, die den Kontakt zum Absender aufrechterhalten. Als Absender fungiert sinnvollerweise der Mitarbeiter des Vertragshändlers, bei dem das Fahrzeug gekauft wurde. In dessen Namen und unter Kostenbeteiligung des Händlerpartners werden Anlässe gefunden, mit Kunden in Verbindung zu bleiben wie Gratulation zum Kauf, Einladung zur ersten Inspektion, Garantieablaufzeit, Wintercheck zur Sicherheit, Urlaubs­ check oder Erinnerung an die ASU. Kundenbindung wird in der Praxis aber häufig auch auf anderem Weg erreicht, nämlich durch bewusste Inkompatibilität von Systemen. So werden Nutzer gezwungen, systemtreu zu bleiben, sollen einmal getätigte Investitionen nicht entwertet werden. Dies entspricht einer Kundengebundenheit. Intensitätssteigerung beabsichtigt die Verkürzung der Kaufabstände. Dafür gibt es zwei Ansatzpunkte: • Erstens eine engere zeitliche Abfolge der Verwendung mit der Konsequenz höheren Verbrauchs und früherer Ersatzbeschaffung. Man denke an das Postulat der Zahncremehersteller, dreimal täglich die Zähne zu putzen. Gelingt es, diesen Anspruch durchzusetzen, zieht dies einen um 50 % steigenden Zahncremeverbrauch nach sich. • Zweitens durch stärkeren Einsatz des Produkts, beispielsweise mittels direkten Auftrags des Flüssigwaschmittels auf verschmutzte Gewebestellen zusätzlich zur normalen Beigabedosierung in der Waschtrommel. Einmalige Effekte nutzen zudem das Gewohnheitsverhalten der Konsumenten. So wurde bei der amerikanischen Zahncreme Crest / P&G der Öffnungsquerschnitt der Tube vergrößert, worauf so lange überschüssig viel Zahnpasta auf die Zahnbürste gelangte, bis sich die Verbraucher an eine vorsichtigere Dosierung gewöhnt hatten. Manipulative Intensitätssteigerung ist auch durch künstliche Veralterung / Planned Obsolescense nach objektivem oder subjektivem Maßstab möglich. Objektiv bedeutet den Einbau von Sollbruchstellen, die im Rahmen der Wertanalyse als Einsparpotenziale eingeplant werden und die gesamte Produktlebensdauer auf die

8. Parameter der Positionierung

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kürzeste Teillebensdauer begrenzen. Subjektiv bedeutet, dass an sich noch völlig gebrauchsfähige Produkte durch Sozialtechniken wie Modediktat gesellschaftlich inakzeptabel gemacht und durch neue, zeitgemäße ersetzt werden. So ist seit 1924 bekannt, dass sich die europäischen Glühbirnenhersteller hinsichtlich der Begrenzung der Lebensdauer der Glühfäden vertraglich vereinbarten. Denn neue Glühbirnen werden im Wesentlichen nur noch gekauft, wenn alte defekt sind. Heute darf vorausgesetzt werden, dass solche Praktiken, so sie denn stattfinden, wohl zumindest nicht mehr schriftlich fixiert werden. Erstaunlich ist jedoch dennoch, dass ein Bügeleisen nach einem Fall aus Tischhöhe technisch noch einwandfrei funktioniert, das Plastikgehäuse aber in zig Splitter zersprungen ist. Aus Sicherheitsgründen wagt man es nicht mehr, mit einem solchen Gerät zu hantieren, und kauft notgedrungen ein neues. Sicherlich wäre durch Versteifungsrippen im Gehäuse technisch problemlos eine höhere Festigkeit zu erreichen. Gelegentlich greifen jedoch tatsächlich Sicherheitsargumente, so bei Sollbruchstellen, die Verletzungen bei Unfall mit oder unsachgemäßer Handhabung von Geräten (z. B. Rührmixer) vermeiden helfen. Eine Intensitätssteigerung kann auch dadurch erzielt werden, dass Käufer, die vordem zwei oder mehr Angebote in Dual- / Multiloyalität wechselweise gekauft hatten, zum Exklusivkauf für das eigene Angebot als Mono-Loyalität gewonnen werden. Präsenzstreckung betrifft die zeitliche Streckung des Angebots und beabsichtigt, unterjährige, saisonale Märkte in ganzjährige zu überführen. Gelingt es, diese zeitliche Restriktion aufzulösen, öffnet sich de facto ein neuer Markt. So schaffen es die niederländischen Obst- und Gemüseproduzenten durch perfektionierte Treibhaustechnik, selbst im Winter frische Ware anzubieten. Kinderüberraschung von Ferrero ist zwischenzeitlich von einem Saisonartikel, gestartet als Oster-Ei, zu einem ganzjährigen Angebot umgestellt worden. Die Speiseeishersteller propagieren den Verzehr von portioniertem Eis auch außerhalb der heißen Jahreszeit. Vor allem Langnese ist es mit Magnum gelungen, aus dem engen Korsett der zudem noch witterungsanfälligen Sommerzeit auszuscheren und Eis zum Selbstverzehr als Lebensstilmerkmal zu etablieren, was im Übrigen bei Eispackungen als Nachtisch schon vorher gelungen war. Darüber hinaus wurden bei Magnum erstmals ausschließlich Erwachsene als Zielgruppe definiert. 8.3.2 Eigene Kunden mit anderem Produkt Auch hier ergeben sich drei Optionen. Strukturbeeinflussung / Up Selling erfolgt durch Erhöhung des Werts je Kaufakt. Dies wird infolge Aufstiegs zu einem höherwertigeren Angebot erreicht. On top werden etwa Premiummarken an die Spitze des Programms gesetzt. Dem liegt die Erfahrung des Cascading zugrunde. Premiummarken werden dabei im Laufe der Zeit popularisiert und verlieren ihre

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

Klasse, wodurch an der Spitze wiederum Platz für eine noch hochwertigere Marke geschaffen wird. Doch auch diese wird popularisiert werden. Bottom off werden damit an der Basis der Pyramide Produkte verdrängt, weil sie keine angemessene Nachfrage mehr finden oder das Image der übrigen eigenen Marken beeinträchtigen. Hierbei liegt das primäre Ziel also nicht in einer Erhöhung der quantitativen Kaufrate. Wenn es gelingt, Kunden beim Kaufentscheid ein höherwertigeres Produkt anzudienen, resultiert daraus meist auch höherer Ertrag. Dadurch wird dem Kunden eine markentreue Produktkarriere ermöglicht. Dabei darf allerdings seine finanzielle Leistungsfähigkeit nicht überzogen werden wie zuweilen in der Automobilbranche. Zu denken ist in diesem Zusammenhang an Kontoführungspakete der Kredit­ institute. Dabei werden etwa die Gruppen Giro-Konto, Giro-Konto EC, GiroKonto Classic und Giro-Konto Gold unterteilt. Die einzelnen Pakete unterscheiden sich durch den Umfang ihrer Serviceleistungen und dementsprechend auch den Preis. Es bleibt aber naturgemäß bei einem Giro-Konto je Auftraggeber. Nur wird angestrebt, aus diesem Giro-Konto ein Mehr an Umsatz herauszuholen. Gelingt es, Kunden zum Umsteigen auf das höherwertigere Paket zu überzeugen, kann damit als Folge ein höherer Betrag berechnet werden. Ein anderes Beispiel waren die nicht zu übersehenden Bemühungen der Telekom bei Kunden zur Umstellung der Festnetzanschlusses auf Glasfasertechnik. Auch hierbei bleibt es bei einem Anschluss, der nunmehr für verschiedene Mehrwertdienste parallel genutzt werden kann und / oder eine höhere Übertragungsgeschwindigkeit je Dienst bietet. Diese Zusatzleistung ist vielen Kunden eine höhere Grundgebühr wert, so dass ihr Geldeinsatz steigt. Auf diese Weise konnte je Abrechnung zusätzlicher Umsatz realisiert werden. Zusatzverkäufe / Add-on Selling beabsichtigen eine Absatzsteigerung, indem das Ausgangsprodukt durch zahlreiche Aufwertungen in seinem Gebrauchswert gesteigert wird. Der dadurch mögliche, optisch attraktive Preis dient nur als Einstieg und ist oftmals intern als Ausgleichsnehmer subventioniert. Das Folgegeschäft jedoch wird zu Preisen abgewickelt, die nicht nur einen angemessenen Gewinn erwirtschaften, sondern darüber hinaus auch die entgangenen Deckungsbeiträge des Ausgangsprodukts als Ausgleichsgeber. Als Beispiel können Nespresso Kaffeekapseln gelten. Die Kaffeemaschine als Basis wird vergleichsweise preisgünstig offeriert und suggeriert ein lohnendes Angebot. Deren Nutzung setzt jedoch voraus, dass dazu Kaffeekapseln gekauft werden. Bei hohem Durchsatz übertrifft deren Wert schnell den Anschaffungspreis. Ähnliches gilt für Laserdrucker. Die Hardware wird zu extrem niedrigen Preisen in den Markt gebracht. Schnell wird jedoch klar, dass sich die verbrauchten Tonerkartuschen zu erheblichen laufenden Kosten hoch addieren. Somit ist das Folgegeschäft das eigentlich interessante. Diese Entwicklung ist auch bei Mobilfunk-Anbietern zu beobachten. Die Mobiltelefon-Endgeräte werden zu sehr niedrigen Preisen angeboten, weil die Netzbetreiber diese in Kombinationsange-

8. Parameter der Positionierung

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boten über Einnahmen aus daran gekoppeltem Gesprächsaufkommen als Telefonie subventionieren. Unter Cross Selling-Angebot ist die Aktivierung von Kunden, die bereits ein anderes Produkt des eigenen Programms kaufen, zu verstehen. Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, wonach die Marktrealität durch Mehrproduktunternehmen geprägt ist. Damit besteht ein mehrfacher Zugriff auf Nachfrager. So liegt es nahe, diese Zugriffsmöglichkeiten zu nutzen, um diesen nachdrücklich gleich mehrere Angebote zu unterbreiten. Als Beispiel kann das Allfinanzangebot der Banken, Versicherungen, Bausparkassen gelten. Personen, die bereits in einem dieser Bereiche Kunde sind, sollen somit gleichfalls für die anderen gewonnen werden. Der Erfolg ist zumindest bis zur Assimilation der Systeme noch überschaubar. Auch die ehemalige Mediengruppe Kirch verfolgte diesen Ansatz, da sie eine Verkettung von Zeitungen wie Bild / Welt u. a., Programmzeitschriften wie Hörzu / Funkuhr u. a., Privatfernsehen wie Sat.1/ ProSieben u. a., Privathörfunk, Pay-TV-Kanal wie Sky, Kauf-DVDs wie Taurus und Leih-DVDs anstrebte. Dabei konnten sich die einzelnen Angebote gegenseitig im Absatz wirkungsvoll unterstützen. Weitere Beispiele sind die Gaststätte im Warenhaus, die als Frequenzbringer vor allem zur Mittagszeit zum längeren Verweilen animiert, oder die Tankstelle am Verbrauchermarkt, die ebenfalls als Traffic Builder dient und zeitsparende Bequemlichkeit bietet. Bei beiden kann im Wege der Mischkalkulation ein optimal akquisitorisch wirkendes Angebot erreicht werden. 8.3.3 Fremde Käufer mit gleichem Produkt Hierfür ergeben sich drei Optionen. Für die Konkurrenzverdrängung bestehen wiederum mehrere Möglichkeiten: • relativ bei Marktexpansion durch schnelleres Wachstum als der Mitbewerb bzw. bei Marktkontraktion durch langsameres Schrumpfen als dieser; indirekt durch Wachstum des eigenen Marktanteils bei Marktstagnation gegen den Misserfolg des Mitbewerbs, dies ist für heutige Märkte charakteristisch und zwar absolut bei Marktexpansion durch schnelleres Wachstum als der Markt, bei Marktkontraktion durch langsameres Schrumpfen als der Markt, auch dies geht nur zulasten des Mitbewerbs sowie direkt bei stagnierenden, wachsenden oder schrumpfenden Märkten zulasten eines bestimmten Mitbewerbers als frontaler Angriff auf einzelne Konkurrenten als Marketing warfare. Dies erfordert die Aufweichung vorhandener Kundenbindung und Markenloyalität, was gewiss das schwierigste Unterfangen darstellt. Immerhin hält der Mitbewerb dagegen. Von daher ist diese an sich naheliegendste Möglichkeit zwar die spannendste, aber auch die gefahrenträchtigste. Beim „Angriff“ kann dann noch zwischen ausweichendem Vorgehen, meist durch Besetzung latenter Marktnischen, oder frontalem Vorgehen unterschieden werden.

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

Als Beispiel kann der Erfolg der Dr. Best-Zahnbürste / GSK gelten. Der Zahnbürstenmarkt ist nur gering involvierend, die Produkte sind weitgehend homogen, und der Wettbewerb wurde daher im Wesentlichen über den Preis geführt. Dr. Best gelang jedoch eine Konkurrenzverdrängung bis zur Erreichung der Marktführerschaft durch eine überlegene Leistungspositionierung. Dazu wurde die Bedeutung einer „intelligenten“ Zahnbürste für die Pflege von Zähnen und Zahnfleisch betont. Durch spezielle Ausstattungen wurde die Zahnbürste so verändert, dass diese Intelligenz im Produkt offensichtlich und nachvollziehbar wurde wie durch rutschfesten Griff, Schwingkopfelement zum Druckausgleich, unterschiedlich lange Borsten, verwindbaren Bürstenkopf und Sensorgelenk im Bürstenkopf. Zugleich wurde dieser Anspruch durch ein überzeugendes Key Visual der Tomate mit Zahnbürstendruck, durch ein glaubwürdiges Testimonial Prof. Dr. James Best und einen merkfähigen Slogan: Die klügere Zahnbürste gibt nach, penetriert. Im Ergebnis kam es zu einer Zweiteilung im Markt in gewöhnliche Zahnbürsten ohne Zusatzleistung einerseits und die intelligente Zahnbürste von Dr. Best andererseits. Dies führte zu einer erfolgreichen Konkurrenzverdrängung zulasten des Restmarkts. Angesichts stagnierender oder gar rückläufiger Märkte ist die einseitige Postulierung von Umsatzzuwächsen freilich umstritten. Nicht selten wären Anbieter bereits völlig zufrieden, gelänge es ihnen, ihren bestehenden Umsatz auch nur zu halten. Dabei ist es von zentraler Bedeutung, ehemalige Kunden, die zur Konkur­ renz abgewandert sind oder nicht mehr kaufen, zurück zu gewinnen. Für die Kundenrückgewinnung ist zunächst eine Analyse dahingehend notwendig, welche Gründe diese Kunden veranlasst haben, den Anbieter zu wechseln bzw. den Kauf einzustellen. Als problematisch erweist sich dabei die Tatsache, dass der Zugriff auf bestehende Kunden zwar hinlänglich vorhanden, der Zugriff auf ehemalige Kunden aber durchaus schwierig ist. Selbst wenn Kontaktmöglichkeiten bestehen, gilt es immer noch, einen plausiblen Anlass für die neuerliche Kontaktierung zu finden, besonders, wenn Unzufriedenheit zum Kundenverlust geführt hat. Denn dann sehen ehemalige Kunden subjektiv berechtigterweise wenig Anlass, sich erneut mit einem früheren Anbieter zu beschäftigen. Zumal sie wahrscheinlich anderweitig bestens bedient werden. Chancenreicher ist die Situation jedoch, wenn ein Kundenverlust auf den Wunsch nach Abwechslung / Variety Seeking Behaviour zurückzuführen ist. Diese ehemaligen Kunden können durch ein verändertes Angebot aus Produktdifferenzierung durchaus aus den gleichen Gründen wieder zurückgewonnen werden, aus denen sie ehemals verloren gegangen sind. Allerdings ist ihre Bindungsfähigkeit begrenzt. Unzufriedene Kunden sind allenfalls durch ein neuerliches Testangebot, evtl. versehen mit Garantiezusage, zum Kauf zu bewegen. Ein mahnendes Beispiel bot vor vielen Jahren bereits die berüchtigte Rückgewinnungsaktion von Tchibo nach dem Scheitern einer großen Produktumstellung. Durch ein neues Röstverfahren war es Tchibo nämlich Anfang der 1980er Jahre gelungen, die Aromaergiebigkeit von Kaffeebohnen erheblich zu steigern. Durch Einsatz von Luftdruck wurde es technisch möglich, die „Kontaktfläche“ für Kaffee­aroma zu umgebendem Wasser so zu vergrößern, dass die „Leistung“

8. Parameter der Positionierung

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von 500 g Kaffeebohnen sich mit tatsächlich nur 400 g ergab. Diese Idee schien den Erfindern besonders chancenreich, konnte doch der Wareneinsatz um 20 % gesenkt werden. Der Verkaufspreis blieb hingegen im Wesentlichen gleich, da ja auch ein gegenüber 500 g unveränderter Nutzen geboten wurde. Mit diesem Konzept wurde das Produkt intensiv beworben. Und entwickelte sich dabei zu einem der größten Flops der Markenartikelgeschichte. Denn Verbraucher akzeptierten eben gefühlsmäßig nur 500 g als Kaffeepfund, und nicht 400 g, obgleich diese so ergiebig waren wie ansonsten 500 g Marktforschung zeigte, dass die Argumentation zwar rein rational von Verbrauchern nachvollzogen werden konnte, sie sich jedoch entgegen deren vorherigen, hypothetischen Äußerungen in Pretests im Zweifel doch für das „echte“ Kaffeepfund der Konkurrenz, vor allem von Jacobs, Melitta oder Aldi, entschieden. Mit dem Effekt, dass sie sich mit der Qualität dieser Marken anfreundeten und von Tchibo wegwechselten. Tchibo entschied sich angesichts dieser desaströsen Entwicklung zum raschen Stopp der gesamten Aktion. Im Rahmen einer Kampagne trat sogar der Mehrheitsteilhaber des Unternehmens, Michael Herz, in Fernsehspots auf und entschuldigte sich bei seinen Kunden für das Missgeschick und versprach ihnen die Wiedereinführung des „echten“ Kaffeepfunds mit 500 g Inhalt. Dadurch sollten Markenwechsler zur Rückkehr zu Tchibo bewegt werden, was jedoch nur begrenzt gelang. Es ist ein Zeichen der Zeit, dass die Anbieter- / Markentreue der Nachfrager erodiert. Statt dessen wechseln sie zwischen verschiedenen Anbietern / Marken. Und dies durchaus nicht deshalb, weil sie mit ihrem ursprünglichen Angebot unzufrieden wären, sondern selbst bei Zufriedenheit aufgrund der Suche nach Abwechslung. Angesichts dieses unvermeidlichen Trends ist eine Positionierung auch denkbar als Alternative zu einem bisherigen Angebot (Set-Alternative), also im Wechsel mit dem Stammangebot. Dabei besteht immer noch die Chance, Nachfrager zu gewinnen, die nicht bereit wären, ausschließlich ein Angebot zu nutzen, dies aber sehr wohl im Wechsel tun. Dies setzt freilich voraus, dass das eigene Angebot sich im Set der akzeptierten Kaufalternativen befindet. Als klassisches Beispiel kann das alkoholfreie Clausthaler-Bier / Dr. Oetker gelten. Da nicht zu erwarten ist, dass Konsumenten ausschließlich alkoholfreies Bier trinken, denn der Anreiz zum Bierkonsum besteht gerade im Alkoholanteil des Getränks, wurde es als gute Lösung angesehen, Clausthaler als Alternative zu normalem, alkoholhaltigem Bier auszuloben, etwa, wenn man einen klaren Kopf behalten muss oder noch Autofahren will. Der Slogan „Nicht immer, aber immer öfter“ suggerierte gerade diesen Wechselkonsum und schaffte damit den Einbruch in den traditionellen Biermarkt. Dieser Slogan ist zwischenzeitlich sogar zum geflügelten Wort geworden.

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

8.3.4 Fremde Käufer mit anderem Produkt Auch hier ergeben sich drei Optionen. Systemwechsel meint den Wechsel zwischen substitutiven Produktgruppen. Denn meist sind zwei oder mehr Systeme am Markt ähnlich gut zu einer Problemlösung geeignet. Vor der Markenentscheidung hat daher die Systementscheidung zu erfolgen. Dies bietet sich vor allem an, wenn innerhalb eines gemeinsamen Marktes zwei unterschiedliche, aber ähnlich leistungsfähige Produktgruppen vorhanden sind und Kaufkraft von der einen in die andere Kategorie abgezogen werden soll. Dies kann aufwärts oder abwärts gerichtet erfolgen. Wird hier die Weiche falsch gestellt, läuft die Nachfrage am eigenen Angebot vorbei. Als Beispiel kann der Markt für E-Zigaretten als Ersatz für herkömmlichen Nikotintabak dienen. Hier konkurrieren zwei proprietäre Systeme am Markt, einerseits Tabakerhitzer und andererseits Tabakverdampfer. Erstere erhitzen einen Tabakstift (Heet), der daraufhin Dampf freisetzt, der inhaliert werden kann (wenngleich nicht sollte), letztere erhitzen nikotinhaltige Flüssigkeiten (Liquids), was wiederum Dampf freisetzt. Insofern entsteht gleich ein doppelter Systemwettstreit, erstens zwischen nikotinhaltigen „Normalzigaretten“ und e-Zigaretten, sowie zweitens innerhalb der e-Zigaretten zwischen Erhitzer- und VerdampferSystem. Bevor es nicht gelungen ist, potenzielle Konsumenten vom eigenen System zu überzeugen, kann auch keine Markenprofilierung gestartet werden. Insofern ist zunächst generische Werbung erforderlich, und dann die spezifische Auslobung der eigenen Marke. Ein weiteres Beispiel ist das Wärmepflaster Thermacare. Es lindert Rückenund Nackenschmerzen durch Wärmeeinwirkung. Verbreitet werden zur Schmerzbekämpfung aber ibuprofenhaltige Tabletten empfohlen und genutzt. Daher ist es für Thermacare wichtig, in der werblichen Auslobung die systemischen Vorteile gegenüber Schmerztabletten wie höherer Wirkungsgrad, lokale Einwirkung, bessere Verträglichkeit, herauszustellen, um diese gattungsfremden Wettbewerber abzuwehren. Zunächst ist also ein Systemwechsel erforderlich. Innerhalb des Systems gibt es aber zahlreiche andere Wärmepflasterhersteller. Gegenüber diesen wird behauptet, dass sie nur ein „Gefühl von Wärme“ erzeugten, aber keine tatsächliche Wärmeeinwirkung, wie sie zur Lösung von Muskelverspannungen medizinisch erforderlich ist. Bundling betrifft die Zusammenfügung von seither selbstständigen Angeboten zu einem neuen Gesamtangebot, das ein neuartiges Erlebnis hervorbringt. Der daraus resultierende Vorteil kann ein Leistungsnutzen sein, indem das synergetische Zusammenwirken von Einzelkomponenten zu mehr Leistung bei gleichem Preis führt, oder es stellt sich ein Preisnutzen ein, wo die insgesamt höhere Abnahmemenge eine Realisierung der gleichen Leistung zu einem geringeren Preis zeitigt. Dies betrifft sowohl Produkte als auch Produkt-Dienstleistungs-Kombinationen als Systems Selling.

8. Parameter der Positionierung

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Weit verbreitet sind Bundling-Anwendung bei Industriegütern. Hier geht es bei Turnkey-Projects vor allem darum, eine betriebsfertige Anlage zu erstellen, weshalb sich wegen der Verschiedenartigkeit der dazu benötigten Teile meist mehrere Hersteller in Konsortien zusammenschließen, um als Sublieferanten unter einem Konsortialführer je ein individuelles Produkt abzuliefern. Dadurch lassen sich bedeutsame Wettbewerbsvorteile erzielen. Das Unbundling bedeutet genau im Gegenteil die Auftrennung von bisher gemeinsam angebotenen Produkten zu Einzelangeboten. Denn es besteht nicht immer Bedarf nach einer Komplettlösung, vielmehr reichen Teillösungen als Ersatz oder Einstieg möglicherweise völlig aus. Zerlegt man ein Komplettangebot nun in solche selbstständigen Teilangebote, kann dadurch neue Nachfrage generiert werden. Ein Beispiel ist das mobile Endgerät iPod touch von Apple. Es enthält alle Funktionalitäten und auch die Haptik, die das iPhone aus demselben Haus auszeichnet, außer der Telefoniefunktion. Dadurch kann der Preis deutlich niedriger gehalten werden, und es besteht ein Anreiz zur Nutzung als Zweitgerät über WLAN. Komplementärangebot bedeutet, dass das eigene Produkt als Ergänzung für ein anderes von diesem profitieren soll. Dies kommt zumeist für Funktions-, Sicherheits- und Ausstattungszubehör in Betracht. Absatzquelle sind damit die Besitzer / Nutzer des Basisprodukts, die weitere Kaufkraft investieren sollen, um ihr Produkt leistungsfähiger, komfortabler, vielfältiger etc. ge- und verbrauchen zu können. Dies stellt in vielen Marktbereichen eine erhebliche Absatzquelle dar, wenn das Basisprodukt ausreichend verbreitet ist und keine Abstimmungsprobleme entstehen wie Schutzrechte, proprietäre Schnittstellen, kein Funktionsbedarf. Als Beispiele denke man nur an Automobile, bei denen erhebliche Geldbeträge, vorwiegend von jungen Männern, in das Tuning fließen, an Mobiltelefone, wo zahlreiche Gadgets angeboten werden oder Portionskaffeeautomaten, wo Kapseln / Pads als stetige Verbrauchsprodukte anfallen. Oft treten solche OEMAnbieter in Konkurrenz zu den Originalprodukte-Anbietern, oft findet auch eine Abstimmung zwischen ihnen statt, die symbiotisch wirkt. Zu denken ist an Nes­ presso-Kaffeekapseln, Toner für Fotokopierer oder Kohlesäure-Zylinder für Wassersprudler, alles von Drittanbietern. 8.3.5 Bisherige Nichtkäufer mit gleichem / anderem Produkt Hier gibt es ebenfalls drei Optionen. Gebietsausdehnung erfolgt durch Nutzung neuer räumlicher Märkte, um durch Ausweitung des Absatzgebiets einer größeren Zahl von Nachfragern Zugang zum Produkt zu verschaffen und dadurch zusätzliche Kaufkraft zu mobilisieren. Die Gebietsausdehnung vollzieht sich intranational oder supranational, ersteres innerhalb des Hoheitsgebiets eines Staates, letzteres die Ländergrenzen übergreifend. Intranational kann die Gebietsausdehnung vor sich gehen, indem ein lokaler Anbieter seinen Absatzraum auf regionaler Ebene

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

ausweitet oder ein regionaler Anbieter seinen Absatzraum auf nationaler Ebene vergrößert. Supranational geschieht die Gebietsausdehnung, wenn ein nationaler Anbieter seinen Absatzraum auf internationaler Ebene ausdehnt. Als Beispiel kann das Eindringen des größten amerikanischen Handelskonzerns, Walmart, in den deutschen Markt angeführt werden. Durch Übernahme der Wertkauf-Kette konnte auf dem hoch kompetitiven deutschen Markt ein Standbein geschaffen werden. Zugleich wurde die Walmart-typische Positionierung der totalen Kundenorientierung / Total customer care dort umgesetzt. Dazu gehören etwa der Greeter, meist ein pensionierter Mitarbeiter, der die Kunden am Eingang freundlich im Laden willkommen heißt, oder die 10-Feet-Regel, die besagt, dass jeder Mitarbeiter auf einen Kunden zugehen und ihn fragen soll, womit man ihm helfen kann, sobald er sich in weniger als 10 Fuß Entfernung (etwa drei Meter) befindet. Hinzu kam eine äußerst aggressive Preispolitik als Everyday low price, also Dauersonderangebotspreise. Doch alles Bemühen konnte am Ende des Tages nicht verfangen, Walmart scheiterte aus verschiedenen Gründen kläglich, aber gerecht und zog sich gedemütigt aus Deutschland zurück. Produktwandel bedeutet, neue Einsatzmöglichkeiten bei Gewinnung neuer Angebotsnutzer aufzuzeigen. Dies erfolgte etwa beim Ausbau herkömmlicher Textverarbeitungsprogramme um DTP-Funktionen. Dadurch wurden neue Anwendungen erschlossen, wie etwa Seitengestaltung, die diese Software auch für Personen interessant machte, für die reines Word Processing irrelevant ist. Dadurch wurden neue Marktpotenziale erschlossen. Ein ähnliches Ziel verfolgte Jägermeister mit seiner Etablierung als Longdrink als Jägermeister Tonic. An die Stelle des gesunden, aber doch betulichen Kräuterlikörs trat damit das moderne, lifestylige Mixgetränk. Allerdings gibt es auch viele gescheiterte Beispiele wie Stofftiere zum Verschenken unter Erwachsenen / Steiff oder Kräuterjoghurt als Brotaufstrich / Lünebest. Mit durchschlagendem Erfolg werden hingegen für gesundheits- und kalorienbewusste Konsumenten Light-Versionen aller möglichen Produkte lanciert wie bei Zigaretten, Softdrinks, Kaffees oder Wurstwaren. Oft dient das Light-Argument auch nur als Alibi zur Überwindung kognitiver Dissonanzen beim Kaufentscheid. Ein mittlerweile klassisches Beispiel für generischen Produktwandel ist das Fahrrad. War es früher nur Fortbewegungsmittel für sozial niedere Klassen, die sich kein Automobil oder wenigstens ein Motorrad leisten konnten, ist es heute weniger Fortbewegungsmittel als vielmehr Fitnessgerät für viel Freizeitspaß und Ausdruck umweltbewusster Lebensführung. Und meist in aufgerüsteten Versionen anzutreffen. Ähnliches ist bei Kombi-Pkw zu beobachten. Waren sie früher noch als Kleintransporter für Handwerker und Kinderreiche stigmatisiert, so sind sie heute Mittel für Freizeitspaß, etwa bei raumbedürftigen Hobbys. Moderne Kombis wie BMW Touring, Audi Avant oder Mercedes-Benz T sind daher zwischenzeitlich nicht nur edel ausgestattet und teuer in der Anschaffung, sondern auch hoch angesehen im sozialen Umfeld.

8. Parameter der Positionierung

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Ein anderes Beispiel betrifft Babynahrung als gesundes Convenience-Food für Young Professionals, das nicht belastet und fit hält. Bei der Aktivierung seitheriger Nichtkäufer handelt es sich um generische Maßnahmen an Abnehmer, die aufgrund ihrer objektiven Merkmale zwar als Käufer in Frage kommen, ein entsprechendes Angebot aber bisher dankend ablehnen, um ihnen die Attraktivität des Ge- oder Verbrauchs nahe zu bringen. Die Ablehnung kann im Mangel an Bekanntheit oder Interesse liegen. Gelingt es nun, dieses Nachfragepotenzial zu aktivieren, kann der Markt durch Rationalisierung und Hebelwirkung besser ausgeschöpft werden. Als Beispiel kann das Produkt Milchschnitte / Ferrero dienen. Seit der Einführung war es als gesunde Aufbaunahrung für Kinder etwa in den Schulpausen positioniert. Durch die geburtenschwachen Jahrgänge erodierte diese Zielgruppe jedoch. Daher war es erforderlich, neue Nachfrager zu interessieren. So wird Milchschnitte heute als moderne, gesunde Zwischenmahlzeit für junge, ernährungsbewusste Erwachsene ausgelobt. Damit wird einerseits gewohnter Konsum fortgeschrieben, andererseits die stigmatisierende Aura des Kinderprodukts beseitigt. Ähnliches gilt auch für Bébé Creme / Penaten, die angesichts geburtenschwacher Jahrgänge als pflegende Kosmetik positioniert werden sollte. Als weiteres Beispiel kann auch das von Duplo als der „wahrscheinlich längsten Praline der Welt“ gelten. Ursprünglich war Duplo ein normaler Schokoriegel, vorwiegend zum Selbstverzehr und für Kinder gedacht. Die neue Einsatzmöglichkeit liegt im Anbietprodukt, was durch die Analogie zur Praline als ebenfalls typischem Anbietprodukt dramatisiert wird. Als Verbraucher werden dabei nunmehr junge Erwachsene angepeilt. Das gleiche gilt auch für andere Ferrero-Produkte wie Kinder Schokolade oder Kinder Country, die nun auch von Erwachsenen verzehrt werden sollen. 8.3.6 Bisherige Nichtkäufer mit neuem Produkt Hier gibt es die drei letzten Optionen. Die Problemweckung hat tatsächlich zwei Zielrichtungen. Sie zielt erstens auf potenzielle Nachfrager ab, die, obwohl sie ihren objektiven Merkmalen nach als Käufer prädestiniert sind, das eigene Angebot nicht kennen und es deshalb auch nicht wahrnehmen können. Falls eine gewisse Anzahl von ihnen bei Kenntnis marktaktiv wird, stellt dies ein beträchtliches Nachfragepotenzial dar. Als Beispiel mag das Angebot von Softdrinks in Dosen gelten, die damit auch für den Unterwegsgebrauch tauglich wurden. Man braucht nun nicht mehr mit Verschlüssen, die potenziell undicht sind, zu hantieren, mit ungünstigen Packungsproportionen, also Standfläche zu Höhe, und hohem Taragewicht. Auch die Gebindegröße ist auf den Einmalkonsum ausgelegt, was den Convenience-Aspekt verstärkt. Zu denken ist weiterhin an Eierlikör, dem als Getränk, wohl unberech-

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

tigterweise, unterstellt wird, dass es eher von ältlichen Damen mit spitzen Fingern zum nachmittäglichen Nostalgieplausch eingenommen wird. All jenen, die sich nicht dazu zählen, eröffnet sich eine ganz neue Produktperspektive im Einsatz als exquisite Zugabe zu Desserts wie Gebäck, Pudding oder Eiscreme. Dadurch werden Modernität und Akzeptanz gefördert, was in Kaufneigung resultiert. Ähnliches wurde bei Klosterfrau Melissengeist versucht, das, weitgehend erfolglos, als Stärkungsmittel auch für junge Leute ausgelobt wurde. Die Problemweckung zielt zweitens auf potenzielle Nachfrager ab, die ein Angebot zwar kennen, aber nicht als relevant empfinden, weil sie glauben, es nicht zu benötigen bzw. sie etwas brauchen, was das Angebot vorgeblich nicht zu leisten imstande ist. Diese sollen für ihr Problem und die sich ergebende Problemlösungsmöglichkeit sensibilisiert werden. Dies enthält zugleich einen ernstzunehmenden Vorwurf gegen das Marketing, wonach dieses eine Komplizierung des Umfelds hervorruft, indem es Probleme überhaupt erst generiert oder zumindest bewusst macht, um sie dann durch in ihrem Absatz zu fördernde Produkte, deren Berechtigung ansonsten schwer einsehbar ist, aufzulösen. Man denke an das Tiefbrühen von Kaffee oder die Vermeidung von Gefrierbrand / beides Melitta. Bei Marktwachstum wird auf kompetitive Aktivitäten gegenüber dem direkten Mitbewerb verzichtet und statt dessen darauf gesetzt, am Zuwachs des Marktes mindestens proportional, möglichst aber überproportional, zu partizipieren. Dies wird durch generische Aktivitäten erreicht, die für eine allgemeine Potenzialsteigerung sorgen. Damit müssen oft marktmächtige Mitbewerber nicht durch Frontalangriff provoziert werden. Nachteilig ist jedoch, dass Märkte mit originärem Wachstum kaum mehr anzutreffen sind. Vielmehr ist die Realität durch weithin stagnierende oder gar schrumpfende Märkte gekennzeichnet. Daher bleibt der Einsatz dieser Alternative letztlich eng begrenzt. Als Beispiele können die Angebote der diversen Streaming-Dienste gelten. Sie betonen jeweils die gattungsmäßigen Vorteile des nicht-linearen Fernsehens und wollen damit Interessenten an sich ziehen. Auf komparative Vorteile des eigenen Angebots wurde kaum eingegangen, nunmehr wird als Differenzierungspunkt der Content ausgelobt, denn die technische Vermittlungsleistung ist bei allen Streaming-Diensten vergleichbar. Dabei handelt es sich um einen dynamischen Markt, in dem es notwendig ist, einen großen Anteil am Werbevolumen / Share of Voice einzunehmen. Wer im Bewusstsein der Zielpersonen am präsentesten ist (Share of Mind), kann am allgemeinen Marktwachstum am meisten partizipieren. Marktschaffung erfolgt durch das Angebot völlig neuartiger Problemlösungen. Dies ist allerdings äußerst selten der Fall. Denn meist ersetzen neue Produkte lediglich alte. Zum Beispiel CD-Player, die Analogplattenspieler ablösen, Camcorder, die an die Stelle von Super-8-Kameras treten, Telefaxtechnik, die der Telextechnik folgt usw. Viel seltener gelingt es, originär neue Märkte zu etablieren, die Angebotsmerkmale aufweisen, die es bis dato noch nicht gab, beispielsweise PCs / Nixdorf, portionierte Joghurts, aber auch Post-it-Zettel / 3  M. Nur im Hinblick

8. Parameter der Positionierung

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auf derartige Produktkategorien liegt wirklich ein neuer Markt vor, der in der Lage ist, zusätzliche Kaufkraft hervorzubringen. Leider sind solche Quantensprünge recht selten. Derartige Maßnahmen bieten sich vor allem in Monopolmärkten an. So versuchte die damalige Bundespost mit Erfolg jahrelang, die Anzahl der Telefonanschlüsse voranzutreiben. Und so unternehmen Bundesbahn und öffentliche Personennahverkehrsbetriebe starke Anstrengungen, notorische Autofahrer zum Umsteigen auf ihre Verkehrsmittel zu bewegen, wobei sie die Ergebnisse ihrer Bemühungen allerdings zugleich wohl durch Unzulänglichkeiten in ihrem Leistungsangebot wieder neutralisieren oder gar konterkarieren. Ein anderes Beispiel ist der Mobilfunkmarkt. Hier wird in der Tat seit einiger Zeit ein Nutzen geboten, der in dieser Form vorher in keiner Weise verfügbar war. Dieses Angebot wird nunmehr aber erstaunlicherweise nicht nur durch Telekommunikationsunternehmen vertreten, sondern auch von vordem völlig branchenfremden Anbietern. Folgende Beispiele zeigen die konkrete Ausformulierung der Absatzquellendefinition auf. Neue medizinische Zahncreme zur Prophylaxe gegen Zahnbelag: • Gewinnung von Nichtverwendern mit dem Ziel, sie zu Zahncreme-Verwendern zu machen, damit Induzierung von Erstkäufen der eigenen Marke als Marktausweitung, • Gewinnung von Extensivverwendern mit dem Ziel, sie zu regelmäßigen Verwendern zu machen, indem bei ihnen eine höhere Kaufrate der eigenen Marke realisiert wird als Intensitätssteigerung, • Gewinnung von Intensivverwendern, soweit sie zu den Marktsegmenten kosmetischer, Karies oder Parodontose bekämpfender Zahncremes gehören, mit dem Ziel, sie zu einem Segmentwechsel zu motivieren, also zur Realisierung von Probierkäufen der eigenen Marke als Konkurrenzverdrängung, • Gewinnung von Intensivverwendern aus dem Prophylaxesegment mit dem Ziel, sie zum Markenwechsel zu veranlassen, also direkte Wettbewerberverdrängung. Hochwertige Herrenoberbekleidung: • primär: Marktanteilsausweitung zur Konkurrenzverdrängung, also Erhöhung des eigenen Absatzanteils im Segment gehobener HaKa-Marken zulasten des direkten Mitbewerbs, • sekundär: Stammverwendertreue als Bindung seitheriger Markenkundschaft an die eigene Marke, • tertiär: Marktausweitung, indem durch attraktive Auslobung des Produktnutzens solche Verwender zum Kauf motiviert werden, die eigentlich nicht so anspruchsvolle Kleidung suchten.

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

Spielecomputer mit Lern-Software: • Primär überproportionale Partizipation am bestehenden positiven Trend. Im wachsenden Markt der Elektronikspiele soll die Marktentwicklung überholt und Konkurrenten damit Absatzpotenzial entzogen werden, dies entspricht ­einer Konkurrenzverdrängung, • Sekundär Marktausweitung durch Beschleunigung dieses Markttrends. Ansprache breiter Kreise der Bevölkerung über attraktive Darstellung des Produkt-Gattungsnutzens mit Weckung von Interesse und Kaufwunsch. Partizipation daran im Verhältnis der Marktanteile der Anbieter.

8.4 Stellgrößen der Positionierung Jede Positionierung beinhaltet immer einen Kompromiss zwischen möglichst breiter Anlage einerseits, um keine Nachfragepotenziale vermeidbar von der Wahrnehmung eines Angebots auszuschließen, und möglichst prägnanter Zuspitzung andererseits, um die Profilierung des Produkts zu unterstützen. Eine spitze Positionierung grenzt notwendigerweise Nachfragepotenziale aus, eine breite Positionierung führt beinahe zwangsläufig zur Diffusität des Profils. Als Parameter der Positionierung dienen die Entwicklung einer Positionierung, Anlässe zur Positionierung, Basisoptionen und Zusatzoptionen für die Positionierung. 8.4.1 Positionsentwicklung

Abbildung IV/86: Positionsentwicklung

8. Parameter der Positionierung

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Unter Positionierung fasst man einerseits ein grafisches Verfahren als Mapping durch statistische Datenerhebung und -auswertung, andererseits aber auch das Ergebnis des Marketingkonzepts als verbales Verfahren in Form eines Positioning Statement. Dazu sind mehrere Verfahrensstufen zu durchlaufen (siehe Abbildung IV/86: Positionsentwicklung).

8.4.1.1 Vorgehensweise Als grafisches Verfahren geht es allgemein um die Anordnung von Objekten, also Angeboten, Anbietern, Marken, Nachfragern oder Bedürfnissen, in einem mehrdimensionalen, möglichst niedrig dimensionierten Positionierungsraum, um darin die Koordinaten dieser Objekte festzulegen. Handelt es sich bei den Dimensionen um objektiv messbare Größen, ist ein Eigenschaftsraum gegeben. Handelt es sich um nur subjektiv erlebbare Größen, ist ein Wahrnehmungsraum gegeben. Bei den objektiv messbaren Eigenschaften handelt es sich etwa um technische Daten, Funktionen oder Abmessungen. Bei den subjektiv erlebbaren Wahrnehmungen um Anmutungen, Eignungen oder Zufriedenheiten. Letzteres empfiehlt sich im Regelfall. Beide Arten von Positionierungsräumen können nur reale, am Markt vorhandene Objekte beinhalten, dann spricht man von einem Ähnlichkeitsraum, oder nur ideal gewünschte Objekte, dann spricht man von einem Präferenzraum, oder aber sowohl reale als auch ideale Objekte gemeinsam, dann handelt es sich um einen Joint Space. Letzterer empfiehlt sich im Regelfall. Die Einordnung basiert zumeist auf Befragungsergebnissen oder qualifizierten Schätzungen. Der Ähnlichkeitsraum liefert vor allem Informationen zum Konkurrenzumfeld, in Bezug auf die Nachfrage können jedoch kaum Erkenntnisse gewonnen werden. Dies ist anders beim Präferenzraum, der zumeist aus Befragungsergebnissen resultiert. Entsprechend der Idealpositionen sind dabei Nachfragersegmente identifizierbar, die mit bestehenden Angeboten bedient oder für die neue Angebote geschaffen werden können. Werden beide gemeinsam abgebildet, wird die Konkurrenz- und die Nachfragersicht kombiniert. Man kann also, im gegebenen Rahmen sowohl Nachfragersegmente bestimmen als auch die dafür jeweils relevanten Konkurrenten. Dann ist diese Konstellation zu analysieren. Nach der Art der Darstellung kann der Positionierungsraum so angelegt sein, dass ein reales Objekt umso eher einem idealen Objekt entspricht, je geringer die geografische Distanz zwischen beiden ist. Oder er kann so angelegt sein, dass ein reales Objekt umso eher einem idealen entspricht, je weiter es auf einem Idealvektor / Fahrstrahl vom Koordinatenursprung entfernt liegt. Letzteres wird Idealvektor­ verfahren genannt, es folgt dem „je mehr, desto besser“-Prinzip, ersteres wird Idealpunktverfahren genannt und folgt dem „je ähnlicher, desto besser“-Prinzip und ist der Regelfall (siehe Abbildung IV/87: Idealpunktverfahren / Idealvektorverfahren).

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

Abbildung IV/87: Idealpunkt-Modell – Idealvektor-Modell (Quelle: eig. Darst.)

8. Parameter der Positionierung

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Das Idealvektorverfahren ist ungewöhnlich, da meist nicht die Angebotsappetenz mit steigender Ausprägung der Beurteilungsdimensionen ansteigt, sondern vielmehr ein Punkt zu finden ist, bei dem eine Konstellation aus Nachfragersicht als ideal einzuschätzen ist, Ausprägungen darunter werden als nicht ausreichend angesehen, Ausprägungen darüber als nicht mehr nutzensteigernd. So ist ein Mobiltelefon nicht umso attraktiver, je größer sein Display ist, da dann die Handlichkeit leidet. Ein zu kleines Display ist ebenso nicht zufriedenstellend, weil dann die Ablesbarkeit leidet. Der Verlauf des Fahrstrahls nimmt insofern die Form einer Parabel an, mit einem Scheitelpunkt als Ideal. Insofern erfolgt der Übergang zum Idealpunktverfahren. Problematisch ist dabei, dass ein aus Nachfragersicht ideales Angebot praktisch nicht realisierbar ist bzw. sich das Ideal angesichts neuer Marktangebote verschiebt, da Nachfrage nicht kreativ ist, sondern letztlich auf vorhandene reale Angebote reflektieren kann. So wurde die Sicht des idealen Mobiltelefons 2007 durch den Launch des Apple iPhone 1 revolutioniert. Vordem präferierte Angebote, wie Nokia oder Blackberry, verloren drastisch an Attraktivität. Aber dass es ein solches Gerät überhaupt geben könnte, war vorher nicht absehbar, also als Ideal auch nicht benennbar. Die Verfahren unterscheiden noch danach, ob Nachfrager ausschließlich das Objekt wählen, das dem Ideal am meisten entspricht als Single Choice-Modell oder ob jedes Objekt eine mit abnehmendem Entsprechungsgrad sinkende Wahrscheinlichkeit hat, gewählt zu werden als Wahlaxiom-Modell. Letzteres wird zumeist unterstellt. Das Single Choice-Modell folgt dem „The winner takes it all“-Paradigma. Danach hat nur der Marktführer / Innovator eine Chance auf Prosperität, alle anderen scheitern. Dieses Paradigma ist in der Branche der Essenslieferdienste oder des E-Scooter Sharing vorherrschend. Folglich herrschen dort ruinöser Wettbewerb und progressive Firmenübernahmen, da jeder Anbieter hofft, auf diese Weise als „Winner“ übrig zu bleiben. Das Wahlaxiom-Modell geht davon aus, dass nicht allein die Entsprechung von ideal – real den Ausschlag gibt, sondern situativ zahlreiche andere Faktoren wie Verfügbarkeit, Preisaktion, POS-Platzierung, Relevant Set, Trend, Qualität etc. einwirken, so dass Positionsdiskrepanzen überbrückt werden können. Positionierungen können computergestützt, normativ exakt vorgenommen werden oder erfahrungsgetrieben, intuitiv heuristisch. Beide Ansätze sind verbreitet. Die Vorgehensweise zur Entwicklung einer Positionierung ist im jedem Fall dieselbe und vor allem eine mehrstufige.

8.4.1.2 Angebotsdimensionen Ausgangspunkt ist das vorabdefinierte Strategisches Geschäftsfeld (SGF) sowie darin wiederum vor allem die identifizierten Konkurrenten der selben Strategischen Gruppe (SGr). Diese bilden den Relevanten Markt. Die Angebotsdimen-

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

sionen dort ergeben sich aus der Marktforschung anhand multivariater Verfahren oder aus der Erfahrung der Entscheider. Theoretisch ist es zwar durchaus möglich, grafisch multidimensionale Skalierungen abzubilden, jedoch ist deren zutreffende Interpretation sehr schwierig. Daher sollte man sich in der Praxis auf zwei- bis dreidimensionale Abbildungen beschränken. Am besten ist die Konzentration auf die beiden als kaufbestimmend angesehenen Dimensionen. Sie bilden die Achsen eines Koordinatensystems. Zur Auswahl der strategischen Mitbewerber werden die einzelnen Angebote am Markt dann hinsichtlich ihrer Wahrnehmungs- und Präferenzurteile erhoben. Aus dieser Bewertung ergibt sich die relative Position im Koordinatensystem. Dabei kommt es in der Praxis nicht so sehr auf Feinheiten an, vielmehr werden die Beurteilungen verschiedener Entscheider voneinander abweichen. Solange es dabei gelingt, die wesentlichen Dimensionen und Positionen heraus zu arbeiten, ist die Aussage aber durchaus brauchbar. Natürlich sind aber nicht alle Anbieter gleichermaßen interessant, sondern nur wenige ausgewählte von ihnen. Meist handelt es sich um die größten Anbieter mit Leverage-Effekt oder solche, die Arbitrage-Effekte aus anderen Märkten nutzen können, oder die man für das eigene Angebot als sehr gefährlich werdend hält. Dabei ist im Zuge der Internationalisierung der Märkte auch das ausländische Angebot einzubeziehen. Die weitere Analyse konzentriert sich auf diese relevanten Mitbewerber. So können als für die Beurteilung einer Bank entscheidend die Dimensionen Beratungskapazität und Depot- / Transaktionsgebühren angesehen werden, für die Beurteilung eines Fitnessstudios Ausstattung und Hygiene / Ordnung, für die Beurteilung eines Handwerkerbetriebs Sauberkeit der Arbeitsstelle und Termintreue der Ausführung. Sind mehr als zwei Dimensionen als kaufbestimmend anzusehen, kann versucht werden, durch Bündelung dieser Dimensionen, analytisch meist durch Faktorenanalyse, zu zwei umfassenderen Dimensionen eine Komplexitätsreduktion zu erreichen. Freilich darf darunter nicht die Aussagekraft leiden. Die Darstellung erfolgt als Quadrant oder Koordinatenkreuz. Die weiteren Schritte beziehen sich zunächst auf Konkurrenten der eigenen Strategischen Gruppe. Zielpersonen oder Fachexperten werden nun dahingehend erhoben, wie sie die Position dieser konkurrierender Angebote relativ zu den zugrunde gelegten Dimensionen einschätzen. Diese Positionen werden in das vorbereitete Koordinatensystem eingetragen. Zur Datenerhebung können multivariate statistische Verfahren eingesetzt werden, um zu exakten Ergebnissen zu gelangen. Der dazu erforderliche Aufwand ist durch die Bedeutung der Erkenntnisse auch durchaus gerechtfertigt. Dennoch ist es pragmatisch oft ausreichend, diese Positionen durch Expertenschätzung zu ermitteln. Dabei muss allerdings dafür Sorge getragen werden, dass möglichst wenig subjektive Verzerrung einfließt. Keinesfalls sollte man sich daher auf das eigene

8. Parameter der Positionierung

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Urteil verlassen. Hilfreich ist es vielmehr, mehrere Beteiligte aus unterschiedlichen Bereichen nach ihrer Einschätzung zu fragen und daraus einen Mittelwert für die Positionierung der Mitbewerber abzuleiten.

8.4.1.3 Mitbewerberpositionen Für die Anbieter / Angebote derselben Strategischen Gruppe ist deren jeweilige Positionierung zu erfassen. Dafür werden dieselben Dimensionen zugrunde gelegt wie für das eigene Angebot. Die Einschätzung erfolgt durch interne und / oder externe Kenner des Marktes. Dabei kommt es weniger auf die statistisch exakte Position an, denn dies unterliegt ohnehin zahlreichen Anfechtungen, sondern um eine näherungsweise Eingrenzung der Position. Aus der räumlichen Distanz zwischen den Mitbewerberpositionen und der eigenen Ist-Position kann später auf die Intensität der Konkurrenzbeziehungen innerhalb der Strategischen Gruppe geschlossen werden. Ebenso kann aus der räumlichen Distanz zur vermuteten IdealPosition später auf Präferenzen für diese Anbieter / Angebote geschlossen werden. Im Regelfall beziehen sich die Positionen auf dieselbe Zielgruppe. Es ist jedoch sinnvoll, auch substitutive Anbieter / Angebote zum eigenen Angebot in die Analyse einzubeziehen. Diese wenden sich dann zwar primär an andere Zielgruppen, werden aber von der anvisierten Zielgruppe im Zweifel als austauschbar zur eigenen Leistung angesehen, so dass sie zur selben Strategischen Gruppe gehören. Bei den Angebotsdimensionen ist daher von der Sichtweise der anvisierten Zielgruppe auszugehen. Es ist jedoch üblich, dass Mitbewerber andere Dimensionen zur Beurteilung in den Vordergrund stellen, die dem Profil ihres eigenen Angebots entsprechen. Sofern sich dies am Markt durchsetzt, besteht die Gefahr, dass eine bisher vorteilhafte Position im Lichte veränderter Dimensionen nicht mehr konkurrenzfähig ist. Vor allem aber können dadurch andere, bisher nicht als „Feinde“ angesehene Anbieter / Angebote zur Strategischen Gruppe gehören und das Konkurrenzumfeld sowie den eigenen Markterfolg verändern. Zur Analyse versetzt man sich am besten in die Lage eines unvoreingenommenen Abnehmers und versucht, anhand vorliegender Werbemittel, die repräsentativ für einen längeren Zeitraum der Marktpräsenz sind, zu bestimmen, welche Position ein Angebot am Markt einnehmen will. Die Werbemittel der relevanten Mitbewerber werden dabei hinsichtlich mehrerer Kriterien analysiert (Copy-Analyse). Sinnvoll ist folgende Vorgehensweise (siehe Abbildung IV/88: Formular Copy-Analyse): • Der Markenname / die Produktbezeichnung identifiziert das gerade analysierte Angebot. Oft geben Namenszusätze auch bereits Anhaltspunkte für die bestimmungsgemäße Nutzung eines Produkts. Außerdem ist daraus dessen Einordnung in die Programmstruktur des Herstellers ersichtlich.

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

Abbildung IV/88: Formular Copy-Analyse

• Durch Monoprodukt oder Range wird festgelegt, ob es sich beim betrachteten Produkt um ein singuläres Angebot oder um eine Version einer differenzierten Angebotsfamilie handelt. Dies ist wichtig, um Überstrahlungseffekte einzuordnen, ggf. aber auch Ksnnibalisierungseffekte. • Der Main Claim als Angebotsanspruch definiert, was ein Angebot zu können behauptet. Es handelt sich also um eine absenderorientierte Botschaft. Sie findet sich meist im Slogan einer Kampagne. Der Claim schafft die angestrebte, objektive Profilierung eines Produkts. • Im Slogan wird der Angebots- oder zumindest Kampagnenabbinder explizit zitiert. Er soll die Zusammenfassung der Leistungen eines Angebots darstellen, beispielsweise Vorsprung durch Technik / Audi. Zudem wird er durch Nachfrager zuvörderst mit dem Produkt / Dienst assoziiert. • Der Reason Why als Anspruchsbegründung definiert, wie die beanspruchte Position untermauert wird. Dies geschieht meist durch eine sachliche Argumenta-

8. Parameter der Positionierung

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tion. In der Print-Werbung ist sie für gewöhnlich in der Copy zu finden und zumeist technischer Natur. • Der Main Benefit als Nutzenversprechen definiert, welchen Nutzen ein Kunde aus der Wahrnehmung des Angebots ziehen kann. Es handelt sich also um die abnehmerorientierte Umwidmung des Anspruchs. Daraus entsteht eine subjektive Profilierung des Produkts. • Der Proof als Nutzenbeweis kann den Nutzen durch Dramatisierung unterstützen, ist jedoch nicht obligatorisch. Dazu gibt es verschiedene Umsetzungstechniken, denen vor allem Überzeugungswirkung beikommen soll, die jedoch zuweilen belustigend wirken. • Beim Key Visual handelt es sich um den visuellen Kerneindruck als Big picture, der erinnert und mit dem beworbenen Angebot in Verbindung gebracht werden soll. Dies ist besonders angesichts der Erkenntnisse der Imagery-Forschung von Bedeutung, die vereinfacht besagt, dass Bildinformationen besser wahrgenommen, länger behalten und einfacher aktiviert werden können als Textinformationen. • Hier wird die Headline bei Anzeige und Plakat oder der Catch Phrase bei TV, HF und Kino explizit zitiert. Er / sie soll den Nutzen prägnant formulieren, beispielsweise „Neid und Missgunst für 99 €“ für eine Porsche 911 Cabrio-Miete bei Sixt. Dies dient als Aufreißer für die Aufmerksamkeit. • Bei den CD-Konstanten handelt es sich um eine ganze Reihe von Elementen, die eine präzise Identifizierung des Absenders und seine leichte Wiedererkennung gewährleisten sollen. Sie gelten kampagnenübergreifend oder in einer Kampagne kanalübergreifend bzw. innerhalb eines Kanals motivübergreifend. • Die Tonalität meint die Art der Sprache, über die ein Absender mit seinen gemeinten Empfängern kommuniziert. Daraus lassen sich wichtige Rückschlüsse auf das Selbstverständnis der Marke und auch die Sicht der Zielgruppe ziehen. • Zielgruppe / Typus betrifft die Hypothese darüber, wer sich durch eine Werbung angesprochen fühlen soll. Dabei ist man auf begründete Vermutungen angewiesen. Dann kann man dieselbe Zielgruppe adressieren, bewusst eine andere Zielgruppe oder die vorhandene Zielgruppe aufteilen (z. B. Dr. Best-Zahnbürste). • Net Impression ist die Zusammenfassung aller Eindrücke der analysierten Werbemittel zu einer Schlüsselinformation / Information Chunk. Letztlich bleibt infolge der allgemeinen Informationsüberlastung allenfalls diese Net Impression im Gedächtnis der Zielpersonen haften, die dann leistungsfähig genug sein soll, Käufe zu induzieren.

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

8.4.1.4 Eigene Ist- und Ideal-Position Zielpersonen werden weiterhin dahingehend erhoben, wie sie die Position des eigenen Angebots relativ zu den zugrunde gelegten Dimensionen einschätzen. Diese Erhebung erfolgt am besten durch Ratingskalen für jede Dimension getrennt. Zugleich werden die Zielpersonen ggf. aufgefordert, die aus ihrer Sicht ideale Position eines Angebots, wiederum relativ zu den zugrunde gelegten Dimensionen, anzugeben. Beide Positionen werden im Koordinatensystem abgetragen. Auch hierbei kann zur Erhebung statistisch exakt oder heuristisch vorgegangen werden. Dabei ist wiederum auf die Vermeidung grober subjektiver Verzerrungen zu achten. Eine pragmatische Möglichkeit des Vorgehens ist, dass man Mitarbeiter aus verschiedenen Funktionsabteilungen des Unternehmens zu ihrer Einschätzung der Positionierung befragt. Ebenso Mitarbeiter aus verschiedenen Hierarchieebenen des Unternehmens. Oder auch unabhängige Dritte und vertrauenswürdige Kunden, die mutmaßlich keine Gefälligkeitsäußerungen tätigen. Letztlich kommt es eher auf angenäherte Positionsbestimmungen an als auf exakte Koor­ dinaten. Beim häufig verwendeten Idealpunktverfahren (s. o.) steht die topografische Entfernung des eigenen Angebots und der Konkurrenzangebote für den Aufforderungswert bei Nachfragern. Je näher ein Realangebot dabei dem Ideal kommt, desto besser. Feldtheoretisch ergeben sich die Möglichkeiten der Verschiebung der eigenen wahrgenommenen Position in Richtung Ideal, der Verschiebung konkurrierender Angebote weg vom Ideal, etwa durch vergleichende Werbung, oder der Verschiebung der Idealposition durch Veränderung der Nachfragerpräferenzen in Richtung des eigenen Angebots. Die Darstellung ist grafisch oder rechnerisch möglich. Die Feldtheorie (Spiegel) kennt im Einzelnen dann folgende Aktivitätsoptionen: • Die bisher Uninformierten werden durch Medienansprache darüber informiert, dass es das eigene Angebot gibt. Dies ist konstitutive Voraussetzung für jeden belastbaren Markterfolg. • Durch generische Information wird der Grundaufforderungswert zugunsten des eigenen Angebots im Sozialen Feld erhöht. Dies bietet sich vor allem bei Innovatoren und Marktführern an. • Durch spezifische Information wird der eigene Zusatzaufforderungswert geschaffen / erhöht. Dadurch wird eine Vorziehenswürdigkeit erreicht, die nicht allein in faktischen Leistungsparametern begründet ist. • Der Zusatzaufforderungswert konkurrierender Angebote wird im Rahmen des Erlaubten gesenkt. Dies geschieht, indem deren Leistungen als unterlegen dargestellt werden.

8. Parameter der Positionierung

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• Personen im Sozialen Feld werden in Richtung des eigenen Angebots verschoben. Dies erfordert bei diesen eine Einstellungsänderung, die allgemein nur sehr schwer zu erreichen ist. • Konkurrierende Angebote werden im Rahmen des Erlaubten in weniger potenzialstarke Felder verschoben, etwa indem sie als veraltet, weniger leistungsfähig, unbequem o. Ä. diskreditiert werden. • Das eigene Angebot wird in einer latenten oder manifesten Marktnische positioniert. So entgeht man zumindest potenziell einem starken Konkurrenzdruck. Beim seltener verwendeten Idealvektorverfahren (s. o.) ist die eigene Position umso besser, je weiter das von ihrer Position aus gefällte Lot auf den Vektor vom Fahrstrahlursprung entfernt liegt. Eine Veränderung der Nachfragerpräferenzen drückt sich dabei in einem steileren oder flacheren Steigungswinkel des Vektors aus. Dadurch verschieben sich die wahrgenommenen Positionen zueinander und auch die Position, die durch das auf den Fahrstrahl / Vektor gefällte Lot den größten Abstand zum Koordinatennullpunkt hat. Der Steigungswinkel stellt die Relation der beiden zugrunde gelegten Dimensionen zueinander dar. Auch diese Darstellung ist sowohl grafisch als auch rechnerisch möglich. 8.4.1.5 Dateninterpretation Die Elemente der Positionierung, also die bestimmenden Eigenschaftsdimensionen, die eigene Realposition des Angebots, die Realpositionen konkurrierender Angebote und die Idealposition der Kunden, werden in einem möglichst gering dimensionierten Merkmalsraum, meist einem zwei- oder dreidimensionalen Koordinatensystem, gemeinsam so abgetragen, dass ihre Koordinaten den Ausprägungen wesentlicher Merkmale entsprechen. Dazu dienen multivariate statistische Verfahren. Danach wird überprüft, ob die eigene Istposition und die Zielposition bereits hinlänglich übereinstimmen. Eine mögliche Hypothese besagt dabei, dass nur das Angebot von Kunden gekauft wird, das am nächsten an deren Idealposition liegt. Dabei akzeptiert jeder Nachfrager nur seine als nutzenmaximal wahrgenommene Leistung als Single Choice. Danach erfolgt die Prüfung der Abstände konkurrierender und eigener Istpositionen relativ zur Idealposition. Die Wahlaxiom-Hypothese besagt hingegen, dass dasjenige Angebot die größte Chance hat, gekauft zu werden, das am nächsten an der Idealposition potenzieller Kunden liegt. Allerdings kann sich mit Einführung eines neuen Angebots die Kaufwahrscheinlichkeit aller vorhandenen Angebote verändern, obgleich die Rangordnung der Wahrscheinlichkeiten erhalten bleibt. Schließlich erfolgt eine Prüfung der Abstände der eigenen Position von denen konkurrierender Angebote nach Interdistanzen. Dies kann als Maß für die jeweilige Wettbewerbsintensität am Markt angenommen werden. In Bezug auf die Segmentpotenziale ergeben sich für gewöhnlich Produktmarkträume, die dichter besetzt, und solche, die weniger dicht besetzt sind. Es liegt nahe,

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

sich letzteren zuzuwenden. Vorher aber sollte geprüft werden, ob diese Marktnischen nicht nur deshalb nicht besetzt sind, weil dort kein sinnvolles Angebot zu machen ist. So ergeben sich freie Marktfelder für gewöhnlich aus der Kombination aus hohem Preis / Wert bei niedriger Leistung / Funktion und umgekehrt, was offensichtlich wenig Erfolgspotenzial birgt. Andererseits kann es sinnvoll sein, sich in Marktfelder zu positionieren, die von anderen Anbietern bereits vorbereitet worden sind und genügend Potenzial zur parallelen Bearbeitung hergeben. Geballte Markträume stehen insofern zumindest für nennenswertes Marktvolumen, Nischen signalisieren hingegen ein begrenztes Marktpotenzial, und Leerfelder zeigen kein aktuelles Marktvolumen an. Für die praktische Umsetzung ist entscheidend, die die Marktnischen/-felder repräsentierende Kaufkraft zu bestimmen. Basis ist entweder eine qualifizierte Schätzung, oder statistische Erhebung, ökoskopisch, wenn die Umsatzzahlen der in einem Segment versammelten Angebote bekannt sind, demoskopisch, wenn es sich um ein innovatives Angebot handelt. Entscheidendes Kriterium ist dabei weiterhin der Ausschöpfungsgrad dieser Segmente, der freilich schwerlich zu bestimmen ist und dem man sich nur durch Vermutung annähern kann. Hinsichtlich der Markterwartungen kann nach den Dimensionen der Markt- oder Unternehmenssicht sowie nach maximaler, latenter, manifester und minimaler Nachfrage unterschieden werden.

8.4.1.6 Festlegung der Zielposition In diesem Zusammenhang muss zwischen der Istpositionierung als aktueller Wahrnehmung des eigenen Angebots durch Zielpersonen, und der Zielpositionierung als gewünschter Wahrnehmung dieses Angebots, unterschieden werden. Nach der soziologischen Feldtheorie bestimmt die Relation zwischen Umfeld und Person die Wahrnehmung. Wird ein Diskriminanzintervall durch Reize unterschritten und liegen diese gleichzeitig über einer Minimumschwelle, werden sie als persönlich relevant identifiziert. Dies nutzen Segmentationsmodelle für latente oder manifeste Marktnischen. Kongruenz zwischen Werbeobjekt und Einstellung ist demnach die wichtigste Wahrnehmungsdeterminante. Dazu ist modelltheoretisch eine Verschiebung im Positionierungsraum näher hin zum Idealpunkt bei Unterstellung von Idealpunktmodellen bzw. weiter entfernt vom Ursprung auf dem Vektor bei Unterstellung von Idealvektormodellen notwendig. Dabei handelt es sich um eine Vergrößerung des Aufforderungsgradienten, also eine höhere Kaufchance nach Wahlaxiommodell oder sogar die alleinige Kaufchance nach Single Choice-Modell. Der Aufforderungsgradient ist der grafischer Steigungswinkel zwischen Werbesubjekt als Zielperson und Werbeobjekt als Marktleistung. Der Aufforderungswert unterteilt sich dabei in einen Grundaufforderungswert als gattungstypischer Grundnutzen, der die Entscheidung hinsichtlich der Produktgruppe bestimmt, und einen Zusatzaufforderungswert als spezifischer Zusatznutzen, der die Entscheidung für ein Angebot innerhalb der Produktgruppe bestimmt. Dieser

8. Parameter der Positionierung

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Zusatzaufforderungswert kann positiv sein bei Übereinstimmung mit dem individuellen Bedarf oder negativ bei Abweichung davon. Eine Erhöhung des Aufforderungswerts und damit eine Verbesserung der Akquisitionschance kann durch drei Möglichkeiten erreicht werden (siehe Abbildung IV/89: Zielpositionen nach der Feldtheorie).

Abbildung IV/89: Zielpositionen nach der Feldtheorie (Quelle: eig. Darst.)

Man kann versuchen, dafür zu sorgen, dass der Grundaufforderungswert des Angebots steigt. Dies betrifft gattungstypische Leistungen. Davon profitieren jedoch gleichermaßen alle Angebote, die ebenfalls diese generischen Leistungen bieten. Das schafft aber keinen individuellen Konkurrenzvorsprung mehr, so dass solche Aktivitäten immer auch den Wettbewerb unterstützen. Das ist nur dann einzusehen, wenn es sich um ein völlig neuartiges Angebot handelt, die Produktgattung also erst noch als solche am Markt etabliert und profiliert werden muss, wie seinerzeit mobile Kommunikation durch Mobiltelefone. Die Position der Nachfrager bleibt ansonsten unverändert. Man kann versuchen, dafür zu sorgen, dass der Zusatzaufforderungswert des Angebots steigt. Dies betrifft die angebotsspezifischen Leistungen. Dabei kommt es allerdings auf die Präferenzen der Zielpersonen an, ob dieser positiv wirkt, also die Kaufchancen verbessernd, oder negativ, also die Kaufchancen verschlechternd. Die Basisleistungen werden dabei immer als gegeben unterstellt. Die Zusatzleistungen werden ein oder mehrere Marktsegmente anziehen und gleichzeitig andere abstoßen. Die Aktivität ist immer sinnvoll, wenn dieser Wanderungssaldo positiv ist, etwa beim Elektromotor in einem bestimmten Automodell. Hierbei erfolgt also eine Angebotsveränderung.

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

Man kann versuchen, den feldtheoretischen Standort der Zielpersonen in die Richtung des eigenen Angebots zu verändern. Man spricht dann von einer Präferenzumwertung. Dies ist der anspruchsvollste Versuch, denn die Wertvorstellungen und Einstellungen der Nachfrager sind zumeist gewachsen und verfestigt und daher nur schwer zu bewegen. Ziel ist dabei, das Anforderungsprofil der Zielpersonen mit dem Leistungsprofil des eigenen Angebots möglichst weitgehend in Übereinstimmung zu bringen etwa die Weckung eines sozialen Bewusstseins im Social Marketing wie Flugscham, Veggie Day oder Fleischscham. Die objektive Position des Angebots bleibt dabei unverändert. Ein eindrucksvolles Beispiel für den Erfolg intuitiven Vorgehens bei der Positionierung ist die Modemarke Jil Sander. Die Modebranche steht sicherlich nicht unbedingt im Ruf, Positionierungsstrategien einen hohen Stellenwert in ihrer Arbeit einzuräumen. Jil Sander hatte Mitte der 1970er Jahre in Hamburg erkannt, dass es nur Designer-Mode gab, die zwar angemessen hochwertig verarbeitet war, in der sich Frauen aber fühlten wie „Pralinen“ (O-Ton). Wer als Käuferin Wert auf hoch qualitative Materialien und Verarbeitung legte, musste gleichzeitig damit leben, „aufgetakelt“ herumzulaufen. Denn schlichte, funktionelle und formal reduzierte Kleidungsstücke waren damals durchweg nur in schlechten Materialien und liebloser Verarbeitung am Markt zu haben. Dies regte Jil Sander dazu an, in Pöseldorf eine Boutique mit eigengeschneiderter Mode zu eröffnen, die zwar schlicht und funktionell gestaltet war, aber gleichzeitig so gut verarbeitet und in hochwertigen Materialien ausgeführt wie ansonsten nur Designer-Mode. Kleidung eben, in der sich Frauen wohl fühlten und sich und andere nicht unangenehm an Ausstellungsstücke erinnerten. Dieser Positionierung war durchschlagender Erfolg beschieden, so dass Jil Sander heute ein Markenzeichen für diesen Stil reduzierter, aber hoch qualitativer Mode auf internationalem Niveau ist. Sicher lag dieser Überlegung damals wie heute keine Positionierungsstrategie zugrunde, wohl aber ein feines Gespür dafür, was die Kundschaft verlangte und was die vorhandenen Marken abweichend davon anboten (latente Marktnische). 8.4.2 Positionsanlässe Hinsichtlich der Positionsanlässe lassen sich nach den Dimensionen des Positionsstatus und der Positionsveränderung vier Optionen unterscheiden, die Erstpositionierung eines neuen Angebots am Markt, die Umpositionierung eines bestehenden Angebots, die Positionsverstärkung eines Angebots zur Profilierung und die Positionsaktualisierung zur graduellen Anpassung. Die Notwendigkeit, oder besser Chance, zur Positionierung ergibt sich aus unterschiedlichen Anlässen. Diese werden im Folgenden dargestellt (siehe Abbildung IV/90: Positionsanlässe).

8. Parameter der Positionierung

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Abbildung IV/90: Positionsanlässe

8.4.2.1 Erstpositionierung Beim Launch / Erstpositionierung besteht die Möglichkeit, erstmalig und frei von historischen Zwängen eine Positionierung zu bestimmen. Daraus folgt insofern eine hohe Verantwortung, als später erforderlich werdende Änderungen nurmehr mit größerem Aufwand zu bewerkstelligen sind. Die Positionierung neuer Produkte in meist dicht besetzten Märkten ist eine große Herausforderung, denn in aller Regel handelt es sich eben nicht um das reißerische Angebot, auf das jedermann schon immer gewartet hat, sondern viel eher um eine weitere, mehr oder minder austauschbare Variante, der erst aufwändig durch Kommunikation eine emotionale Alleinstellung zu verschaffen ist. Extrem schwierig ist dies bei irrationalen Produkten wie Zigaretten zu bewerkstelligen. Ein Beispiel für eine erfolgreiche Erstpositionierung ist nach wie vor die Du darfst-Kampagne. Die Produktrange besteht aus kalorienreduzierten Nahrungsmitteln, die nicht, wie vordem, als vornehmlich zur Gewichtsreduktion geeignet ausgelobt wurden, sondern vielmehr zum Halten des Gewichts ohnehin schlanker Menschen. Die Schlankheit ist vor allem für Frauen in entwickelten Kulturen ein bedeutender Wert, denn Schlankheit wird mit Schönheit assoziiert, und beides wiederum mit sozialer Attraktivität. Als Key Visual der Kampagne wurden denn auch schlanke Frauen gezeigt, die ihr Spiegelbild in bodenhohen Fensterscheiben sehen und für sich beschließen: „Ich will so bleiben, wie ich bin.“ Der Start der Produktrange erfolgte durch fettarme Margarine, zwischenzeitlich gibt es ein annähernd komplettes Programm fettarmer Lebensmittel.

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

8.4.2.2 Positionsverstärkung Hier steht die defensive Verteidigung der einmal gewonnenen Position gegen Konkurrenten, die oft genug Erfolgsrezepte nur kopieren, im Vordergrund. Eine Marke muss ständig gehegt und gepflegt werden, damit ihre Profilierung erhalten bleibt. Denn nur dies sichert ihren Erfolg. Dabei geht es letztlich darum, die gleiche Geschichte immer wieder abwechslungsreich neu zu inszenieren. Dadurch können Angriffe wirksam abgewehrt werden. Ein Beispiel dafür ist Nivea. Abgesehen davon, dass die Marke durch Transfer in benachbarte Produktbereiche stetig ausgeweitet wurde, ist doch der Markenkern der Creme als Ausgangsprodukt über die Jahre unverändert geblieben. Nivea hat über die Jahrzehnte hinweg nichts anderes getan, als den Anspruch, die Crème de la Crème für alles und jeden zu sein, zu bestätigen und auf abwechslungsreiche Art zu kommunizieren. Dadurch ist die Kompetenz trotz zahlreicher Angriffe wie Creme 21/Henkel unangefochten geblieben. Eine Arrondierung des Terrains wurde zudem durch Line Extensions vorgenommen wie Sonnenschutz, Duschbad, Kinderpflege, Milk, Seife. Dies gelingt freilich nur, wenn die Marke stetig betreut und Irritationen durch eine kontinuierliche Politik von ihr ferngehalten bleiben. Dabei scheint zwischenzeitlich die Grenze der Tragfähigkeit erreicht zu sein. 8.4.2.3 Umpositionierung Eine Produktvariation soll ein bestehendes Produkt neu erleben lassen, indem die gegebene Positionierung obsolet wird. Dies geschieht meist, mangels großer Neuerungsmöglichkeiten, durch marginale Änderungen. Dabei können Produktvariationen (Relaunch) und Produktdifferenzierungen (Line Extension) als Mittel unterschieden werden. Denkbar ist aber auch eine Kombination aus Positionsverstärkung und Umpositionierung zur Flankierung der Marke. Ein Beispiel dafür ist das Waschmittel Persil, dort finden sich sowohl Relaunches als auch Line Extensions. Bei den Relaunches handelt es sich um folgende. Persil Vollwaschmittel wurde „reloaded“ 1959 mit Persil ’59 als synthetischem Waschmittel, dann1965 als Persil ’65 mit zwei Weißmachern für noch mehr Reinigungskraft und 1970 als Persil ’70 biologisch aktiv durch Enzyme. Ab 1973 wurde es mit dem Slogan „Da weiß man, was man hat“ beworben, ab 1975 mit einer kompetitiven Qualitätsauslobung, um den Wert der Wäsche nicht durch billige Waschmittel zu gefährden (Präsenter-Kampagne), ab 1981 zusätzlich energieverstärkt und ab 1986 unter aufkommenden Ökologieaspekten phosphatfrei (Phosphat ist ein wichtiger „Weißmacher“). 2006 gibt es Persil Vernel (Duftzusatz), 2008 Persil mit „Kaltkraft-Formel“. 2010 wird Persil ein Hygienespüler zugesetzt (ab 15 Grad), 2011 die „Leuchtkraft“-Formel. Gelegentlich aber wird die Umpositionierung auch auf Basis einer völligen Produktänderung vollzogen. Ein Beispiel dafür ist Opel, hier kennt man die Stereotype

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Fahrer mit Hut und Hosenträger, Manta-Witze. Die neuen Modellreihen folgen einer modernen Automobiltechnik mit Umweltschutz, Sicherheit, Sportlichkeit und sind auch in den Typbezeichnungen verändert wie Astra statt Kadett. Die Verkaufszahlen belegen den Erfolg dieser Umpositionierung in keiner Weise, in den Köpfen der Zielpersonen ist das muffige Image der alten Marke infolge Imageremanenz so schnell nicht auszurotten. Zwischenzeitlich ist Opel Teil des PSA-Konzerns. 8.4.2.4 Positionsaktualisierung Hier steht das Bemühen im Vordergrund, die neu gewonnene Position zu nutzen und offensiv auszubauen. Dabei geht es um die Kapitalisierung von Markenbekanntheit und -Goodwill. Meist geschieht dies durch Produktdifferenzierung. In horizontaler Richtung wird dabei etwa eine Einzelmarke zur Range ausgebaut, indem neue Präsentationsformen wie Deluxe oder Light sowie Konsistenzen in Geschmack oder Geruch angeboten werden. In vertikaler Richtung folgt daraus die Diversifikation in andere Produktbereiche als Set-Gedanke oder Zubehör. Selbst wenn dies durch Lizenzvergabe an Dritte erfolgt, entsteht bei hinreichender denotativer Verwandtschaft im Rückbezug eine Aktualisierung für die Transfermarke. So sind bei Persil zahlreiche Line Extensions vorgenommen worden. 1987 kam Persil flüssig als Alternative zum Pulve auf den Markt, 1990 ergänzt durch Persil supra Kompaktwaschmittel und 1992 ergänzt durch Persil mit Colorschutz speziell für Farbwäsche. 1994 kann dann Megapearls als neue Darreichungsform hinzu, 1998 folgte Persil in der Darreichung als Tabs (Tabletten) und 1999 in der Ausführung Sensitive. 2009 folgte das Konzentrat ActivPower für Universal und Color. 2011 wurde Persil Black Gel für dunkle Textilien eingeführt. Innerhalb der Produktlinie Persil Color folgte 2003 Persil Color kraftverstärkt bei 40 Grad als Produktdifferenzierung. Persil flüssig wurde durch Mega-Caps (flüssig und vordosiert) abgelöst, diese wiederum 2013 durch Duo-Power (2-Kammersystem). Persil Tabs wurde 2016 durch Mix-Caps abgelöst (Pulver und Gel), diese wurden wiederum 2019 durch DISCS abgelöst (4-Kammersystem). Das Gel wurde 2019 durch ein Geruchsgel ergänzt, 2020 folgte schließlich Persil Performance als Power Gel (naturbasiert). 8.4.3 Basispositionsoptionen Für die Wahl der Positionierung stellen sich verschiedene Optionen. Hinsichtlich der Positionsoptionen können Basis- und Zusatzoptionen unterschieden werden. Bei den Basispositionsoptionen handelt es sich um USP / Unique Selling Proposition, UAP / Unique Advertising Proposition, Me-too und Generic (siehe Abbildung IV/91: Basispositionsoptionen). Diese werden im Folgenden erläutert.

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

S P Unique Advertising Proposition

Me-too Offer

Generic Offer

Abbildung IV/91: Basis-Positionsoptionen

8.4.3.1 Unique Selling Proposition Für eine Positionierung wird generell die Forderung eines USP / Unique Selling Proposition / Reeves (auch UMP / Unique Marketing Proposition) erhoben. Dies meint, dass eine Positionierung unbedingt alleinstellend sein soll. Der Ursprung dieser zunächst einleuchtend erscheinenden Forderung liegt freilich in den 1960er Jahren begründet, als das Marktangebot durchaus noch so lückenhaft war, dass es möglich wurde, für ein Angebot eine alleinstellende Positionierung zu finden. Dadurch konnte dann eine teilmonopolartige Stellung aufgebaut werden, die Nachfrage unausweichlich auf die Marke und ihr akquisitorisches Potenzial zutrieb. Dies mag zu Zeiten der Erfindung begründet gewesen sein, als die Märkte noch offen waren. Die Realität sieht heute insofern anders aus. Praktisch alle Märkte sind dicht besetzt und damit alle USPs hinlänglich vergeben. Deshalb gelingt es kaum mehr, eine solche alleinstellende Positionierung durchzusetzen. Vielmehr handelt es sich heute überwiegend um Me-too-Angebote, die gleichartig zu denen der Konkurrenz sind und sich im alltäglichen Kleinkampf behaupten müssen, statt monopolartig zu glänzen. Folgt man dennoch der USP-Denke, beschließt man, in einem bereits durch Mitbewerber belegten Segment anzubieten und spekuliert darauf, diese durch eine geschicktere Umsetzung der Positionierung in den Marketinginstrumenten, durch quantitativ überlegenen Aktivitäteneinsatz oder schlicht durch bessere Angebotsleistung zu übertreffen. Ein Beispiel kann die Positionierung der legendären IBM-PCs bieten. Bis zu deren Einführung 1981 galt Nixdorf als der Pionier der am Arbeitsplatzbedarf orientierten Computerkapazität. Vordem hatten nämlich riesige Zentraleinheiten in klimatisierten Räumen fernab der operativen Arbeit ihren Dienst verrichtet. Nixdorf brachte kleine, hinreichend leistungsfähige Einheiten ins Büro und erhöhte durch schnellere Zugriffszeiten dort die Effizienz des Einsatzes. Häufig benutzte Daten wurden in dezentralen PCs abgelegt, für selten benutzte Daten griffen diese hingegen per LAN auf die Zentraleinheit zu. Dadurch wurde dort zugleich wertvolle

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Rechenzeit für komplexe Aufgaben frei. IBM lobte nun genau diesen Anspruch aus und konnte ihn mittels überlegener Kompetenz und Geldmittel mit dem Gerät XT für sich okkupieren. Nixdorf hatte dagegen keine Chance, was letztlich zum Niedergang des Unternehmens führte, es ging später in SINIX auf, gehört heute zu Siemens und ist dort heute untergegangen. Auch IBM erlebte den Niedergang des PC-Geschäfts und setzte erfolgreich auf Services rund um Datenverarbeitung. Die Suche nach USPs führt heute sogar zu gefährlichen Konsequenzen. Nämlich zur Besetzung von Positionen, die zwar unique sein mögen, die gleichzeitig aber auch so wenig relevant sind, dass ihr Erfolg fraglich wird, weil ihre Marktberechtigung nicht ohne Weiteres einleuchtet. Zwei Beispiele mögen dies belegen. Mars ließ vor Jahren die hierzulande an sich erfolgreiche Marke Treets sang- und klanglos sterben, um sie durch die internationale Marke M&M’s zu ersetzen. Man wollte weg vom Kinderimage und in den Teenagermarkt eindringen. Auf der Suche nach einem USP für dieses Low Interest-Produkt verfiel man auf die Auslobung, dass M&M’s im Mund schmilzen und nicht in der Hand. Intensive Werbung unterstützte diese Aussage durch geeignete Lifestyle-Szenen. Allerdings fragt sich, ob das Versprechen, im Mund zu schmilzen und nicht in der Hand, beim Kauf von Schokopastillen ausschlaggebend oder auch nur relevant sein kann. Ähnliches gilt für die Sport-Signal von Elida Gibbs / Unilever. Hier wurde als USP die Aussage des Trainings für die Zähne gewählt. Auch dies wurde in der Werbung durch geeignete Sport-Szenen unterstützt. Es blieb jedoch verborgen, was diese keineswegs ungewöhnliche Zahncreme zur Sportzahncreme qualifizierte. Allein die Tatsache, dass noch keine solche Auslobung erfolgt, sie also unique war, deutet daraufhin, dass es dafür auch gute Gründe gibt. 8.4.3.2 Unique Advertising Proposition In gewisser Weise impliziert die USP-Denkhaltung, dass man sich von der Konkurrenz vorgeben lässt, in welchen Feldern des Marktes man zu suchen hat und in welchen nicht. Doch das ist ganz und gar nicht einsichtig. Stattdessen greift eher der UAP oder besser UCP / Unique Communications Proposition. Dieser hebt bei häufigst anzutreffender produktlicher Austauschbarkeit auf eine bloße werbliche Alleinstellung ab. Dabei handelt es sich also um eine rein kommunikative Technik, die produktmäßig riskiert, Me-too zu sein, also austauschbar zu anderen bestehenden Angeboten am Markt, aber durch eine intelligente werbliche Umsetzung in der Meinung der Nachfrager eine Alleinstellung erreicht. Denn wer hier als erster eine Position besetzt, und sei sie noch so austauschbar, sperrt sie zugleich für die Konkurrenz und schafft damit eine Quasi-Alleinstellung. Ausschlaggebend ist also nicht eine reale Alleinstellung als USP, sondern die emotionale Alleinstellung als UAP / UCP in der Vorstellung der Zielpersonen. Zweifellos erleichtert eine reale Alleinstellung deren Emotionalisierung, ist aber nicht notwendige Voraussetzung

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

dafür. Dabei geht es nicht um die faktische Neuheit eines Angebots, sondern um die Vermittlung einer subjektiven Neuerung im Erlebnis dieses Angebots. Als Mittel dazu wird der gesamte Marketing-Mix eingesetzt, vor allem aber die Kommunikation. Ihre Aufgabe ist es, ein mehr oder minder unverändertes Produkt als neues, interessantes Angebot erleben zu lassen. Dazu zwei klassische Beispiele zum Premium-Pilsmarkt und zum Blend-Rotweinmarkt. Bier, und damit auch die spezielle Sorte Pils, war im Zuge des Edelkonsums der Wohlstandsgesellschaft zunehmend als Grund- und Mengenkonsumprodukt unterer sozialer Klassen stigmatisiert. Stattdessen wurden Wein und Sekt kultiviertem Lebensstil und bei besonderen Anlässen eher als angemessen betrachtet. Darauf reagierten die Bierbrauer durch Stilisierung ihrer Pilssorten zu Premium-Pils, das durchaus als Alternative zu Wein und Sekt auch bei besonderen Anlässen positioniert wurde. Marken wie Warsteiner, Bitburger oder Krombacher hoben Pils somit aus dem gewöhnlichen Bierumfeld heraus und stellten es auf eine Stufe mit typischen Edelkonsumgetränken. Initiator war die König Brauerei (nach Beratung durch Roland Berger). Umsetzungsmittel dazu waren anspruchsvolle Werbekampagnen mit der legendären „König-Treuer“-Kampagne (TeamBBDO, u. a. mit Hermann Josef Abs / Deutsche Bank), edle Flaschenausstattungen mit Kronkorken-, Hals- und Bauchetiketten, die Wein / Sekt nachempfunden waren, strikte Gastronomieselektion und Preisniveauanhebung. Die neue Position wurde von der Zielgruppe akzeptiert und repräsentiert heute einen großen, wachsenden Markt nach Menge und Wert. Amselfelder Wein war als Rotwein ganz und gar austauschbar zu anderen guten Rotweinen und eher etwas schlechter als diese (kein Lagenwein, sondern eine Mischung, Herkunft aus dem ehemaliges Jugoslawien). Er behauptete aber in der Werbung von sich, ohne Stiele und Stängel gekeltert zu sein, suggerierte damit unausgesprochen, denn alles andere ist verboten, dass bei anderen Weinen für Gelegenheitstrinker zumindest das Risiko besteht, einen solchen zu erwischen, der noch Reste von Stielen und Stängeln enthält. Damit hatte Amselfelder diese Position am Markt für sich besetzt. Denn für andere Anbieter war es undenkbar, diese Aussage zu wiederholen. Sie wären damit unweigerlich Me-too gewesen. Eine andere Möglichkeit besteht in der bewussten Veränderung eines Angebots derart, dass es durch einen Produktzusatz als Marketing ingredient einzigartig wird. So kann selbst ein austauschbares Produkt USP-fähig werden. Ein frühes Beispiel dafür sind die Jod-S-11-Körnchen in Trill / Effem. Sittichfutter ist an sich austauschbares Schüttgut als Commodity, das nicht USP-fähig ist. Deshalb ersann man ein Marketing Ingredient, das eine Alleinstellung herbeizuführen in der Lage war, eben die Jod-S-11-Körnchen. Sie schützen nämlich den Sittich vor der lebensbedrohlichen Schilddrüsenerkrankung, d. h., der krankhaften Vergrößerung der Schilddrüse, die unweigerlich zum Ersticken führt. Da kein Sittichliebhaber dies wirklich riskieren will, gab es nun einen triftigen Grund, Trill anstelle namenlosen Vogelfutters zu kaufen. Dadurch eröffneten sich die

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willkommenen Chancen der Markenbindung und des Preissetzungsspielraums, die ohne diesen USP wohl kaum gegeben wären. Diese Technik wurde später von zahlreichen Produkten, vor allem Waschmitteln mit TAED-System / Sunil, zwei Weißmachern / Persil oder Flecklöser / Ariel, kopiert. Schließlich kann bei einem als austauschbar angesehenen Produkt auch nur eine alleinstellende Wirkung propagiert werden. Dadurch wird eine deutliche Absetzung von der Konkurrenz erreicht. Ein frühes, prägendes Beispiel ist Blend-a-med gegen Parodontose. Sie war noch in den 1960er Jahren eine reine Apothekenzahncreme von geringer Bedeutung, aber mit hohen Ambitionen. Am Markt waren zunächst Universalzahncremes mit undifferenziertem Nutzenversprechen dominant. Diese wurden im Zuge zunehmender Segmentierung durch Spezialzahncremes abgelöst. Und zwar in erster Linie durch solche mit kosmetischem Wirkversprechen hinsichtlich Attraktivität und Wohlbefinden. Dabei standen zunächst weiße Zähne (z. B. Strahler 70/ Blendax / P&G) für gutes Aussehen im Vordergrund, dann frischer Atem, etwa bei der Marke Ganz nah für Sozialakzeptanz durch Abwesenheit von Mundgeruch. Als dort kaum noch Expansionsmöglichkeiten gegeben schienen und die Zahn­ gesundheit durch unvorteilhafte Wohlstandsernährung dramatisch sank, entstanden quasi-medizinische Zahncremes, also solche mit zahngesundheitserhaltender bzw. krankheitsvorbeugender Wirkung. Und zwar zunächst zur Vermeidung von Karies, also Kavitäten infolge Säureeinwirkung durch Zersetzung von Speiseresten auf den Zahnschmelz, etwa bei Signal (Elida Gibbs / Unilever) mit den roten Streifen. In dieser Situation machte Blend-a-med eine neue bedrohliche Erkrankung aus, gegen die das eigene Produkt positioniert wurde, die Parodontose. Diese fängt schmerzfrei mit Zahnfleischbluten an, die ihm zugrunde liegende Entzündung führt zur Rückbildung des Zahnfleisches, die irreversibel ist, und schließlich zur Lockerung des Wurzelapparates der Zähne. Dann bleibt nur noch die Extraktion, selbst wenn der Zahn ansonsten noch völlig gesund ist. Wenn eine Krankheit noch unbekannt ist, was Parodontose Anfang der 1970er Jahre war, dann musste die Bedrohung erst noch werblich dramatisiert werden. So wurde ausgelobt, dass weltweit mehr Zähne durch Parodontose verloren gehen als durch Karies, weil diese meist durch Füllungen repariert werden können, also der gerade erst gelernten Bedrohung. Außerdem wurde aufgeklärt, dass die Krankheit harmlos beginnt, unmerklich fortschreitet und oft erst bewusst wird, wenn es bereits zu spät ist. Im Gegenteil, zunächst erscheinen die Zähne schöner, weil länger, was durch das sich zurückbildende Zahnfleisch bedingt ist. Erst dann spürt man die erhöhte Schmerz­ empfindlichkeit am Zahnhals, wo das Dentin nicht mehr vom Zahnschmelz geschützt wird. Doch dann ist es bereits zu spät. Die werbliche Umsetzung erfuhr mehrfache konzeptionelle Unterstützung, die als vorbildlich zu gelten hat. Daher hier eine kurze Erwähnung (Imparc): • Es wurde die Zahnarztkompetenz zur Unterstreichung des medizinischen Anspruchs genutzt. Nun dürfen freie Berufe nicht in der Werbung auftreten. Daher

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

wurde ein „Weißkittel“ aus der Blend-a-med -Forschung suggeriert, kenntlich am am Revers sichtbaren Logo der Blend-a-med -Forschung. Für die Abnehmer machte dies letztlich keinen Unterschied. Es wurde die Zahnarztpraxis als hoch emotional geladene Szenerie verwendet. Ein(e) Patient(in) wurde nach der Befundaufnahme / Anamnese mit dem Ergebnis beschieden: Herzlichen Glückwunsch, alle Ihre Zähne sind prima in Ordnung! (spontane Erleichterung), versehen mit dem Nachsatz: Aber Ihr Zahnfleisch geht zurück! (spontanes Erschrecken). Dadurch fand eine Dramatisierung des Ausgangsproblems statt. Es folgte eine Aufklärung durch den „Zahnarzt“ über Ursachen und Symptome der Erkrankung sowie deren Abhilfe durch Blend-a-med , unterstützt durch eine Prinzip-Visualisierung und den Packshot. Dann sah man die Person von vorher, die als Beweis für nunmehr gesundes Zahnfleisch kräftig in einen grasgrünen Apfel biss und die Bissstelle stolz vorzeigte, die keinerlei Spuren von Blut am Bissrand aufwies. Indiz für Freiheit von Zahnfleischbluten, damit von Entzündung und Schwund. „Damit Sie auch morgen noch kraftvoll zubeißen können.“ Als letzte Absicherung wurde noch ausgesagt, dass die meisten Zahnärzte ihrer Familie Blend-a-med geben (später, als dies juristisch nicht mehr haltbar war: Die gibt der Zahnarzt seiner Familie). Und die wissen schließlich Bescheid und werden ihren Familien wohl nur das allerbeste in Sachen Zahngesundheit geben. Blend-a-med hatte sich durch seine Zahnarzt-Kompetenz eine herausragende werbliche Alleinstellung im Zahncreme-Markt verschafft und war unangefochtener Marktführer (vor Antibelag aus demselben Haus). Mitte der 1980er Jahre wurde das Familienunternehmen Blendax jedoch vom Konsumgüter-Multi Procter & Gamble übernommen. P&G ist für strikte Standards in der werblichen Umsetzung seiner Produkte bekannt. So wurde auch Blend-a-med einem kompletten Relaunch unterworfen. Dabei stellte P&G die Forderung, in der werblichen Umsetzung näher an den Kaufentscheidungsort (POS) zu rücken, eine bekannte Forderung für alle P&G-Marken. Der daraus entwickelte TV-Spot lief ungefähr wie folgt ab: • Ein Reporter steht im Supermarkt am Zahncreme-Regal. Er beobachtet eine einkaufende junge Frau. Die Frau wählt Blend-a-med. Er geht auf sie zu, hält ihr sein Mikro entgegen und fragt: „Sie haben Blend-a-med gekauft, warum?“ Die Frau antwortet wunschgemäß mit den Markenessentials, dem Schutz vor Zahnfleischschwund, für gesunde Zähne und gesundes Zahnfleisch, und dass ihre ganze Familie auf diese Weise vor Unbill geschützt ist. Der Reporter insistiert: „Sind Sie da ganz sicher?“ Die Frau antwortet arglos mit „Ja.“ Während dieses Gesprächs hat der Reporter eine Hand hinter seinem Rücken verborgen. Die Kamera zieht nun auf, und man sieht in dieser Hand einen grünen, offensichtlich harten Apfel. Der Reporter fragt: „Sind Sie bereit, das hier vor der Kamera zu beweisen?“ Die Frau antwortet wiederum arglos mit „Ja.“ Der Reporter zieht seine Hand hinter dem Rücken hervor und hält der Frau den mitgebrachten Apfel entgegen. Er fordert sie auf: „Dann beißen Sie zum Beweis hier hinein.“ Die

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Frau nimmt zuversichtlich den Apfel, beißt kräftig hinein (man hört das Knacken des Fruchtfleischs) hält die Bissstelle in die Kamera. Man sieht, dass man nichts sieht, keine Blutränder, kein Zahnfleischbluten, gesunde Zähne und gesundes Zahnfleisch, eben Blend-a-med-gepflegt. Das medizinische Umfeld des Zahnarztes wurde damit schon einmal gegen die Allerweltsumgebung des Supermarkts eingetauscht, die Kompetenz der Marke entsprechend heruntergefahren. Doch damit nicht genug, das nächste Anliegen von P&G war der Beweis der Langzeitwirkung der Blend-a-med, d. h., Blend-a-med sorgt nicht nur heute, sondern über Jahre hinweg für gesunde Zähne und gesundes Zahnfleisch. Der werblichen Umsetzung kam dabei zugute, dass diverse Models seit Jahren als Blend-amed-Verwender mit hoher Penetration dem TV-Publikum bekannt waren. Daraus entwickelte sich folgender Spot: • Ein Reporter steigt die Stufen eines Treppenhauses hoch, er klingelt an einer Tür. Eine Frau öffnet den Türspalt ein wenig und fragt: „Ja, bitte?“. Der Reporter gibt sich als Blend-a-med-Mann zu erkennen und fragt: „Erinnern Sie sich?“ Die Frau ist verunsichert, schüttelt den Kopf, doch dann kommt die Erinnerung, sie antwortet mit „Ja, die Blend-a-med-Geschichte, nicht wahr?“ Der Reporter fragt: „Verwenden Sie immer noch Blend-a-med?“ Die Frau antwortet natürlich mit „Ja.“, „Ihre ganze Familie?“ „Ja, natürlich.“ Der Reporter fragt warum, die Frau gibt die bekannten Markenessentials von sich, gesunde Zähne und gesundes Zahnfleisch. Während dessen hält der Reporter wieder eine Hand hinter seinem Rücken verborgen, die Kamera zieht auf, man sieht den grasgrünen Apfel. Der Reporter fragt: „Wären Sie bereit, das hier vor der Kamera noch einmal zu beweisen?“ Die Frau antwortet selbstbewusst mit „Ja.“, der Reporter zückt die Hand mit dem Apfel hervor und hält ihn der Frau entgegen. Die Frau nimmt ohne Zögern den Apfel und beißt kräftig hinein. Sie zeigt die Bissstelle in die Kamera, keine Blutränder, kein Zahnfleischbluten, gesunde Zähne, gesundes Zahnfleisch. Das medizinische Umfeld des Zahnarztes wurde damit gegen die Aura von Klinkenputzern getauscht, die Kompetenz der Marke weiter heruntergefahren. Die Folgen lassen sich am Markt ganz klar ablesen, der einstige Marktführer ist weit zurückgefallen und heute kaum mehr in den Regalen der Supermärkte vorhanden, und wenn, dann als Sonderangebot oder zum Dauerniedrigpreis. Markt- und Preisführer war lange eine Marke mit überragender Zahnarztkompetenz, Odol med 3, mit einem strikt klinischen Auftritt fern jeder konsumigen Atmosphäre. Zwischenzeitlich ist auch die Parodontose-Kompetenz obsolet, weil es Spezifika gegen Karies, Zahnstein und verfärbte Zähne unter der Marke Blend-a-med gibt. Diese Kollektion wurde durch eine Kombinations-Zahncreme gegen die fünf wichtigsten Probleme im Mund- und Rachenraum ersetzt, Parodontose, Karies, Zahnstein, Mundgeruch und verfärbte Zähne. Denn viel hilft bekanntlich viel. Per Saldo sind UCPs sogar wirkungsvoller als USPs, weil diese durch Nachahmung der Konkurrenz bis an die Grenze des rechtlich Zulässigen schnell obsolet

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werden können. Dann werden die Karten neu gemischt und meist setzt sich der Anbieter mit der größeren Penetrationskraft erfolgreich durch. Ist hingegen ein UAP penetriert, so kann dieser selbst durch produktidentische fremde Angebote nicht ohne Weiteres ausgehebelt werden. Den wirkungsvolleren Konkurrenzschutz bietet also zumeist ein UCP, selbst wenn ein USP schon allein auslobbar wäre. Ideal schließlich ist die, allerdings recht seltene, Kombination aus USP im Produkt und UCP in der Werbung. Ein überzeugendes Beispiel der Dramatisierung gelang im Audi-QuattroSpot. Man sieht eine tief verschneite Berglandschaft. Darin steht, ebenfalls eingeschneit, ein Auto, dessen Umrisse man zwar erkennen kann, von dem man aber noch nicht weiß, dass es ein Audi-Quattro ist. Aber das Umfeld ist wie geschaffen für die Qualitäten eines allradgetriebenen Automobils. Denn schließlich weiß jeder, dass das automobile Fortkommen auf Schnee zu einem äußerst schwierigen Unterfangen werden kann. Dann steigt ein Mann in das Auto ein. Der Motor startet. Die Scheinwerfer leuchten unter dem Schnee auf. Die Scheibenwischer machen die Frontscheibe frei. Dabei tastet die Kamera die Karosserie ab, auch das Typenschild, man erkennt, es handelt sich um einen Audi Quattro. Das Ganze ist untermalt von futuristischer Musik. Schließlich fährt das Auto an. Die Räder erscheinen in Nahaufnahme, und man sieht, kein Durchdrehen, sofortiger Kraftschluss. Das allein ist auf Schnee schon ungewöhnlich genug. Zudem fährt das Auto leicht bergauf. Die Kamera zoomt zurück und man erkennt, dass die Auffahrt immer mehr ansteigt. Aber der Audi fährt ohne die geringste Irritation aufwärts. Die Kamera fährt noch weiter zurück. Zuerst erkennt man, dass die Wegstrecke immer steiler wird. Noch glaubt der Betrachter an eine Serpentine in den Bergen. Die Kamera fährt noch weiter zurück. Man erkennt den extremen Anstieg des Weges. Und plötzlich wird klar, es handelt sich gar nicht um einen Bergweg. Der Audi fährt vielmehr geradewegs den Sprungtisch einer Skischanze hoch. Die Kamera zeigt nun die Totale. Man sieht die imposante Konstruktion einer riesig hoch aufragenden Sprungschanze. Und mitten darauf der unbeeindruckt aufwärtsfahrende Audi. Dazu werden das Audi-Logo und der Slogan („Vorsprung durch Technik“) eingesupert (vgl. youtube.com/watch?v=5yIX-pO5vRw). Natürlich kommt buchstäblich niemand in die Verlegenheit, eine Skisprungschanze hochfahren zu sollen. Aber dennoch ist die offensichtliche Fähigkeit eines Audi, selbst diese Herausforderung zu meistern, absolut überzeugend auch für seine Fähigkeit, im alltäglichen Betrieb stetiges Fortkommen zu sichern. Zwar leisten dies, prinzipbedingt, andere allradgetriebene Fahrzeuge gleichermaßen, aber Audi hat diese Position überzeugend als erster für sich besetzt.

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8.4.3.3 Generic offer Dabei entschließt sich ein Anbieter, an der Sogwirkung einer erfolgreichen, bestehenden Produktgattung zu partizipieren, indem man ein austauschbares Angebot der gleichen Art positioniert. Es handelt sich also um ein Anhängen an einen Markttrend. Dies betrifft zumeist eine identische Nachahmung des Pioniers, allenfalls in Details modifiziert und im Preis nach unten abgesetzt. Man profitiert auf diese Weise von dessen generischer Basisarbeit. Hier sind vor allem die Marktmacher (Market mavens) zu nennen, die Produkte am Markt launchen, die in ihrer Art neu sind, häufig basiert auf technischen Innovationen, heutzutage zumeist online-getrieben. Zu denken ist an Online-Suchmaschinen, Soziale Netzwerke oder Preisvergleichs-Plattformen. Dabei kommt dem Pionier die zentrale Aufgabe der Bekanntmachung der neuen Angebotskategorie und ihrer vorteilhaften Leistungsmerkmale zu. Ist diese erst einmal erfolgt, können Nachahmer sich daran anhängen und diesen Aufwand einsparen. Dabei kann es sich um Kopisten handeln, die sich meist nur über Preis in der Angebotskategorie differenzieren können oder um Modifikatoren, die eigene / neue Leistungsmerkmale anbieten und ausloben.

8.4.3.4 Me-too offer Dabei entschließt man sich zur Nachahmung eines erfolgreichen bestehenden Wettbewerbsprodukts. Die Nachahmung bezieht sich also auf ein spezifisches Produkt. Die Spekulation des Anbieters läuft auf die Verwechslungsfähigkeit dieses imitierten und des zu imitierenden Produkts hinaus. Sofern bei ersterem die Preis-Leistungs-Relation vorteilhafter ist, kann sich die Kopie neben dem Original behaupten. Seine Grenze findet diese Nachahmung in der Verletzung eines Gewerblichen Schutzrechts. Stollwerck ist besonders durch solche Imitationen aufgefallen. So ist die Position der Alpia Me-too zu Milka. Dies betrifft nicht nur die gattungstypischen Merkmale der Tafelschokolade, sondern vor allem auch die Farbanmutung der Packung, lila, und die werbliche Auslobung, Alpenmilch, den in „Milch geschriebenen“ Markennamen und das Alpenmassiv im Hintergrund. Bei flüchtiger Betrachtung, Realität häufiger Einkaufssituationen, kann sie mit der höher positionierten Milka leicht verwechselt und aufgrund ihres niedrigeren Preises letztlich gewählt werden. Ähnliche Kopien in Anlehnung an Ritter Sport als Quadro, und Milka Lila Pause als Kleine Pause, wurden jedoch als Schutzrechtsverletzungen untersagt. Als weiteres Beispiel kann Dole gelten. Nachdem Chiquita dramatisiert hatte, dass Banane nicht gleich Banane ist, und klarmachte, woran man bessere Bananen erkennen kann, nämlich am Chiquita-Label, zog Mitbewerber Dole nach und positionierte sich ebenfalls eindeutig in Richtung Qualität, allerdings jünger

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

und frischer. Deren Produktidentifizierung wurde ebenfalls durch Produktsticker gewährleistet. So konnte Dole an der Aufklärungsarbeit von Chiquita effektiv partizipieren. Ähnliches gilt für die Kombiprodukte aus Shampoo und Spülung im Kielwasser der P&G-Innovationen. So bietet Nivea eine Formel plus auf gleicher Leistungsbasis, jedoch zusätzlich mit Schutz des Haares gegen Umweltbelastungen an, Poly ein 3 in 1, das zusätzlich noch einen Festigerwirkstoff enthält und L’Oréal ein Express mit Nachfüllmöglichkeit. Alle hängen sich, freilich jeweils differenziert, an die Pioniertaten von P&G an und partizipieren daran. 8.4.4 Zusatzpositionsoptionen Bei den Zusatzpositionsoptionen bestehen mehrere Möglichkeiten (siehe Abbildung IV/92: Zusatzpositionsoptionen). Dabei handelt es sich um die Kombination an der Marktschnittstelle, das Ausweichen in eine Marktnische, die prägnante Fokussierung und die omnipotente Generalisierung.

Abbildung IV/92: Zusatz-Positionsoptionen

8.4.4.1 Kombination an Marktschnittstelle Eine Positionierung an der Schnittstelle zwischen zwei oder mehr Märkten ist insofern sehr geschickt, als sie vermeidet, in vergleichsweise kleine Nischen abgedrängt zu werden, aber auch potenten Mitbewerbern entgegentreten zu müssen. Denn die neuartige Zusammenführung von Angebotsmerkmalen unterschiedlicher Märkte konstituiert ein neues Angebot mit einem eigenen, neuen Markt, der mit keinem der bestehenden Märkte vergleichbar ist und zugleich diesen überlegen. Ein Beispiel sind Vergleichsportale wie Check24. Sie bieten einerseits die Funktionalität einer Suchmaschine, indem sie auf einen Suchbegriff wie Kredit, Strom oder Hotel zutreffende Einträge aufzeigen und andererseits eine Preis­

8. Parameter der Positionierung

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vergleichsfunktionalität, indem den dort gelisteten Anbietern jeweilige Preise zugeordnet werden und auch eine E-Commerce-Funktion mit Durchleitung zum jeweiligen Anbieter für einen Vertragsabschluss gegen Provision für den Portalbetreiber bietet. Weitere Beispiele sind folgende. So entstand der Knusperriegelmarkt mit Produkten wie Banjo, Twix, Lion u. a. aus der Kombination der Angebotsmerkmale Riegel und Keks. Die Feuchtriegel wie Yes entsprangen der Kombination der Angebotsmerkmale Riegel und Kuchen. Weitere Beispiele betreffen die Kombination aus Praline und Bonbon in Form von Rolo, die Kombination von Schokotafel und Praline in Form von Merci, oder die Kombination von Schokolade und Knabbergebäck in Form von Chocolait Chips. „Rinpoo“-Produkte wie Vidal Sassoon, Shamtu Two in One u. a. kamen durch die Kombination der Angebotsmerkmale Shampoo und Spülung zustande. Im Eiscrememarkt entstehen Kombinationsprodukte aus Riegel und portionierter Packung bei Sky, Joker u. a. Im Kfz-Markt werden Großraumlimousinen als Kombination aus Kleinbus und Pkw offeriert. Auch Off Roader sind eine solche Kombination, nämlich aus Jeep und Pkw. Misslungene Beispiele sind Bahlsen Petite als Gebäckpraline und Onkiss / Onken als Quarkpraline. Hierzu gehört auch der BMW C1 als überdachter Motorroller. Der C1 war praktisch eine Kombination aus Motorrad und Kleinstwagen. Er bot zwei Sicherheitsgurte, Befreiung von der Helmtragepflicht, Sicherheitszelle für Frontalaufprallschutz, Wetterschutz gegen Fahrtwind und Regen, ein stabiles Fahrwerk und eine Abstellhilfe. Allerdings war der Kaufpreis sehr hoch, es bestand eine hohe Windempfindlichkeit, das Rückwärtsrangieren war schwierig, der Schwerpunkt lag hoch, was die Fahreigenschaften beeinträchtigte, das Leergewicht war sehr hoch (fast vier Zentner), es gab Qualitätsprobleme bei Motor und Verarbeitung, hinzu kamen hohe Wartungs-, Reparatur- und Ersatzteilkosten. Abgesehen davon war das Konzept erklärungs- und gewöhnungsbedürftig, so dass es sich trotz theoretisch unbestreitbarer Vorteile nicht durchsetzen konnte.

8.4.4.2 Ausweichen in Marktnische Entschließt man sich, eine Marktnische zu besetzen, kann es sich dabei um eine manifeste Nische handeln, die dort repräsentierten Nachfrager verweigern also mangels geeigneter Kaufobjekte den Kauf, oder um eine latente Nische, indem Nachfrager dort widerwillig auf andere Angebote ausweichen, ohne dass diese ihren Anforderungen voll entsprechen. Durch das Nischenangebot hofft man, diese Kaufkraft aktivieren zu können. Legendär ist das Nischenangebot von BMW. Ende der 1950er Jahre war es um die Bayerische Motorenwerke AG wirtschaftlich sehr schlecht bestellt. Das Modellprogramm war überaus heterogen und bestand einerseits aus sehr großen und andererseits sehr kleinen Fahrzeugen. Bei den großen ist der V 8 ein Klassiker

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

und wird heute in gutem Zustand zu horrenden Preisen gehandelt, bei den kleinen ist die Isetta mindestens ebenso populär. Da jedoch der mittlere Marktausschnitt, die B-Klasse, völlig fehlte, wurde einerseits das größte Marktsegment nicht bedient und konnte es andererseits zu keinerlei Synergieeffekten im Programm durch Gleichteile kommen. Die BMW-Strategie, die Mittelklasse wegen ihrer Überbesetzung mit Konkurrenzprodukten zu meiden, war gründlich gescheitert. Dem damaligen Verkaufsvorstand, Paul Hahnemann, schien es aber zu gefährlich, ohne sorgfältige Recherche dort vorzudringen und so beauftragte er den Marktpsychologen Bernt Spiegel / Uni Mannheim mit einer Analyse. Spiegel arbeitete nach der von ihm wesentlich mitverantworteten Feldtheorie, die ihren Ursprung in Lewins Reiz-Reaktions-Konzept hat. Diese besagt, stark verkürzt, dass sich jeder Markt in Marktfelder aufteilt, in die jeweils Angebote positioniert sind, die Nachfrage für sich absorbieren. Nur selten aber sind die vorhandenen Angebote in der Lage, die Nachfrage völlig abzuschöpfen. Meist bleiben Marktnischen. Manifeste Marktnischen sind gegeben, wenn kein Angebot am Markt in der Lage ist, dort vorhandene Nachfrage für sich zu aktivieren, latente Marktnischen sind gegeben, wenn ein Angebot zwar Nachfrage aktiviert, der Aufforderungscharakter (= Gradient) dieses Angebots für Nachfrager aber so gering ist, dass das Angebot nur mangels geeigneter Alternativen wahrgenommen wird, nicht hingegen aus Überzeugung. Nach Analyse der für den Kaufentscheid eines Automobils damals ausschlaggebenden Faktoren wurden die Merkmale Fahrzeuggröße und Motorisierung als objektive Faktoren extrahiert. Der Markt wurde in Form eines zweidimensionalen Koordinatensystems dargestellt, mit einer Achse für die Karosseriegröße und einer für die Motorisierung. Nunmehr wurden alle relevanten Automodelle am Markt betrachtet und entsprechend ihrer Fahrzeuggröße und Motorisierung in das Koordinatensystem eingetragen. Dabei stellte sich heraus, dass bei fast allen betrachteten Fahrzeugen Karosseriegröße und Motorisierung stark positiv korrelierten, also Fahrzeuge mit großer Karosserie über eine hohe Motorisierung verfügten und umgekehrt. Was jedoch offensichtlich fehlte, waren Fahrzeuge mit großer Karosserie und niedriger Motorisierung sowie solche mit kleiner Karosserie und hoher Motorisierung, was offensichtlich mehr Sinn machte. Befragungen potenzieller Autokäufer ergaben bald, dass es durchaus Nachfrage nach einem Fahrzeug mit vergleichsweise kleinen Abmessungen, aber viel PS gab. Und zwar gleich unter mehreren Gesichtspunkten. Da waren die besser verdienenden Alleinstehenden, die keinen Bedarf nach viel Innen- und Gepäckraum hatten, aber die lahme Motorisierung kleinerer Fahrzeugtypen nicht hinnehmen wollten. Und da waren die jungen Familien, die noch keine Notwendigkeit für vier Türen und fünf Sitze sahen, aber sportlich vorankommen wollen. Dann waren da die „Wolf im Schafspelz“-Anhänger mit Understatement, denen es Spaß machte, mit einem kleinen, vermeintlich schwach motorisierten Fahrzeug den viel größeren, schwereren Limousinen an der Ampel das Nachsehen zu geben. Und schließlich waren da die passionierten Sportfahrer, bei denen sich große unübersichtliche Karosserie und hohes Fahrzeuggewicht als

8. Parameter der Positionierung

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eher hinderlich für ihre Rallyeambitionen erwiesen. Nachfragepotenzial schien also genügend vorhanden, nur mit dem Angebot haperte es. Die angebotenen Kompromisslösungen wurden von Kunden als nicht zufriedenstellend abgetan. Damit handelte es sich um eine latente Marktnische, deren Nachfrage durch ein auf den Punkt positioniertes Angebot aktiviert werden konnte. BMW entwickelte und baute ab Mitte der 1960er Jahre die Modelle 1600 und 2000, später 1602, 1802 und 2002, auch als ti und tii. Die Fahrzeuge waren kompakt, übersichtlich, kantig, dabei relativ muskelbepackt von 105 bis 170 PS. Ihr geringes Gewicht verlieh ihnen für damalige Verhältnisse rasante Beschleunigungs- und Höchstgeschwindigkeitswerte. Der Preis war zwar hoch im Vergleich zur Karosseriegröße, aber niedrig im Vergleich zu den gebotenen Fahrleistungen. Die Modelle waren damit genau im Marktfeld mittelgroßer Karosserie und hoher Motorisierung positioniert und wurden aufgrund ihrer relativen Alleinstellung schnell ein Riesenerfolg. Sie waren zudem die unmittelbare Inspiration zu Kraftzwergen wie dem Golf GTI oder dem Mini Cooper S. Anfang der 1960er Jahre hatte Daimler-Benz noch ein Übernahmeangebot für BMW unterbreitet, um wenigstens die Produktionsstätte im Erhalt zu retten, schon ein Jahrzehnt später konnte davon nicht zuletzt durch präzise Positionierungsarbeit keine Rede mehr sein. Heute steht BMW besser da als je zuvor und übertrumpft Mercedes im Erfolg. 8.4.4.3 Prägnante Fokussierung Hierbei entschließt sich ein Anbieter zur bewussten Einengung des Geltungsbereichs seines Angebots. Dies stellt immer einen Kompromiss dar zwischen möglichst breiter Anlage einerseits, um keine Nachfragepotenziale vermeidbar von der Nutzung des Produkts auszuschließen, und möglichst prägnanter Zuspitzung andererseits, um die Profilierung des Produkts zu unterstützen. Eine spitze Positionierung grenzt aber notwendigerweise Nachfragepotenziale aus, eine breite Positionierung führt beinahe zwangsläufig zur Diffusität. Ausnahmen bestätigen wie immer auch hier die Regel. So ist die Marke Volkswagen in ihrem Anspruch extrem breit angelegt und verfügt dennoch über eine hohe Trennschärfe ihres Profils, umgekehrt fühlt sich von der versnobt eng ausgelegten Positionierung der Marken Schweppes oder After Eight / beide Cadbury kein Normalverbraucher ausgeschlossen. Dennoch will der latente Konflikt zwischen Potenzial und Profil wohl abgewogen sein. Überwiegt der Zugewinn an emotionaler Prägnanz einen Verlust an Zielgruppenbreite, ist eine Fokussierung der Position sinnvoll. Da die Positionierung aber immer um den eigentlichen Kern ihres Anspruchs herum automatisch angrenzende Segmente mit einsammelt, ist im Zweifel eine prägnante Fokussierung generell vorzuziehen. Im Unterschied zur Marktnischenpositionierung wird dabei nicht auf ein Randpotenzial des Marktes abgestellt, sondern ein zentrales Segment angesprochen.

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

Ein Beispiel sind Online-Portale für Luxusuhren (Chronext, Chrono24, Watch­ time etc.), die nur hochwertige Chronometer präsentieren und sich an den kleinen Kreis von Uhrenliebhabern wenden, die bereit sind, erhebliche Geldbeträge zu investieren. Als weiteres Beispiel kann Whiskas Senior gelten. Hier wird gezielt ein Tierfutter für ältere Katzen angeboten, da vermeintlich einleuchtend scheint, dass diese, ähnlich wie beim Menschen, spezifische Ernährungsbedarfe haben. Zugleich werden damit, obgleich keine Altersgrenze genannt wird, junge und mittelalte Katzen von dessen Genuss ausgeschlossen. Im Ergebnis wird dadurch jedoch ein prägnantes Profil im Umfeld der vielfältigen, ansonsten austauschbaren Katzenfuttersorten erreicht. Zugleich konnte ein sehr hohes Preisniveau realisiert werden, da Katzenliebhabern offensichtlich die Gesundheit ihres Haustiers den Mehrpreis gegenüber gewöhnlichem Futter allemal Wert ist. Einen ähnlichen Effekt konnte mit Sheba für verwöhnte Rassekatzen und Cesar für ebenso verwöhnte Kleinhunde erreicht werden. 8.4.4.4 Omnipotente Generalisierung Hierbei wird ein Angebot von vornherein so breit angelegt positioniert, dass es unterschiedlichste Bedarfe abzudecken vermag. Die Option besteht damit eigentlich darin, keine spezielle Position zu haben, zugleich aber breit präsent zu sein. Dieser Ansatz ist auf den heutzutage dicht besetzten Märkten kaum mehr erfolgreich durchzusetzen. Jedoch gibt es historische Angebote, die ihr Profil zu Zeiten geschaffen haben, in denen die Märkte noch hinreichend große Freiräume boten, und die diesen Anspruch bis in die Gegenwart hinüberretten konnten. Dazu gehört etwa Uhu-Klebstoff. Dieser wird buchstäblich von jedem für alles eingesetzt und ist zu einem umgangssprachlichen Gattungsbegriff geworden. Ebenso wie Tesa-Film für Klebestreifen. Oder Tempo für Papiertaschentuch. Oder Brandt für Zwieback oder Maggi für Suppenwürze. Wichtig ist dabei, dass das Produkt durch arrondierende Erweiterung um verwandte Derivate stetig aktualisiert wird und keine Patina ansetzt. Ein Beispiel die US-Holding Alphabet. Dort werden neben Google Serviceangebote im Internet angeboten, z. B. als Netzwerkbetreiber (Access & Energy), für Bio- / Gentechnologie (Calico), Künstliche Intelligenz (DeepMind), Internet­ zugänge (Loon), Biowissenschaften (Verily Life Sciences), selbstfahrende Automobile (Waymo), Lieferdrohnen (Wing) etc. Eine ähnliche Position nimmt Amazon im Bereich E-Shopping ein. Dies reicht von Amazon Marketplace über eigene Buch- / Publishing, Spiele- / Twitch, Sprach- / ​ Audible, Musik- / Music und Videoangebote / Streaming über Hardware (z. B. Alexa, Kindle), Lieferdienst / Prime, Regionalläger, Ladengeschäfte bis zum Bezahlservice. Insofern wird die gesamte Wertschöpfungskette im E-Shopping abgedeckt.

9. Entwicklung des Kampagnenformats Die Entwicklung des Kampagnenformats stellt das Herzstück jeder Kommunikationskonzeption dar. Es baut auf den vorgelagerten Stufen von Zielpersonengruppe und Absatzquelle auf mündet im Positioning Statement (9.1) und der Creative Platform (9.2). Zur Entwicklung können verschiedene Kreativitätstechniken hilfreich sein (9.3). Aus diesem Komponenten entstehen dann optionale Konzeptverbünde (9.4), die wiederum Bewertungsverfahren zu ihrer Priorisierung bedürfen (9.5).

9.1 Positioning Statement Das Kampagnenformat, häufig auch Copy-Strategie genannt, besteht im Kern aus zwei Elementen: dem Positioning Statement und der Creative Platform. 9.1.1 Angebotsanspruch Beim Positioning Statement handelt es sich um die ausformulierte Positionierung, die vor allem zwei Anforderungen unterliegt: • Präzision, das Positioning Statement ist durchaus vergleichbar einem Gesetzestext zu behandeln. Es kommt auf jede Nuance der Formulierung an, die präzise den intendierten Inhalt wiedergeben muss. Zugleich ist diese Fassung verbindlich für die spätere Beurteilung des inhaltlichen Outputs der Werbung, damit diese On Strategy ist. • Kürze, das Positioning Statement muss knapp formuliert auf den Punkt kommen. Positionings, die nicht in einen Satz zu fassen sind, sind generell mit Vorsicht zu genießen. Denn ihnen fehlt es meist an Trennschärfe und Kommunizierbarkeit in der späteren werblichen Umsetzung. Kernpunkte dieser Definition sind Angebotsanspruch und Anspruchsbegründung. Der Angebotsanspruch (Claim) ist die Umschreibung der faktischen, produktlichen, objektiven Basis oder der werblichen, emotionalen, subjektiven Basis. Bei dessen Formulierung als Konzeptdefinition handelt es sich noch nicht um Werbetext, sondern nur um Sachinhalt, der erst durch kreative Transponierung zu Werbetext wird. Deshalb dürfen auch Alleinstellungen und Vergleiche vorkommen, die später in der werblichen Umsetzung so nicht erlaubt sind. Der Angebotsan-

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

spruch findet sich in der Werbung oft in Form eines Slogans, also einer einem bestimmten Absender fest zugeordneten standardisierten Leistungsaussage, die in jedem Werbemittel, meist in Kombination mit einem Logo, vorhanden ist. 9.1.2 Anspruchsbegründung Da man werblichen Aussagen meist nicht so leicht zu glauben geneigt ist, untermauert die Anspruchsbegründung (Reason Why) die beanspruchte Position. Dies geschieht durch sachliche Argumentation über: • Material, Rohstoff und Güte, also die Inputfaktoren der Angebotsleistung. Hier kann besondere Sorgfalt und Auswahl angeführt werden. Beispiele sind „nur beste Kaffeebohnen“ / Tchibo oder „spätreife Apfelsinen“ / Valensina. • Verfahren, Technik und Know-how, also die Prozessfaktoren der Leistungs­ erstellung. Hier wird häufig auf besondere Erfahrung und Fortschrittlichkeit abgehoben. Beispiele sind: „die Achse, die aus dem Computer kommt“ / Opel oder „entkoffeiniert“ / Jacobs. • Wirkung, Komposition und Effekt, also die Outputfaktoren des Angebots. Hier wird erhöhte Leistungsfähigkeit argumentiert. Beispiele sind: „verschafft kalorienarmes Sättigungsgefühl / Bionorm“ oder „mit lebenswichtigen Vitaminen“ / ​ Hohes C. Die Anspruchsbegründung findet meist im Fließtext geprinteter Werbemittel ihren Ausdruck. Sie eignet sich zwar nicht als Blickfang für die Aufmerksamkeit, gibt aber allen Zielpersonen, die sich für ein Angebot näher interessieren, Stoff zur Beschäftigung. Dies gilt besonders für erklärungsbedürftige Produkte, etwa aus dem Hightech-Bereich. Bei Low Involvement-Produkten wird zudem versucht, sie durch ausgefallene Begründungen mit High Involvement auszustatten wie bei einem Waschmittel mit TAED System / Sunil. 9.1.3 Positionierungsanforderungen Als Basisanforderungen an den Erfolg einer Positionierung sind folgende zu nennen. Ein Mindestpotenzial des anvisierten Marktes muss gegeben sein, da ansonsten die Position wirtschaftlich wohl unvertretbar ist. Volumenanbieter sind ohnehin darauf angewiesen, eine breite Mehrheit des Marktes anzusprechen, denn nur damit kann das erforderliche Absatzniveau geschaffen bzw. gehalten werden. Aber selbst kleine Anbieter können in Nischen immer weniger überleben, da diese zwischenzeitlich meist überbesetzt sind und kaum Erfahrungskurveneffekte zulassen. Stattdessen hilft nur, dass Angebot breit anzulegen, um verschiedenste in Betracht kommende Käufergruppen zu integrieren und sich für möglichst wenige von ihnen aufgrund deren Selbstverständnis auszuschließen.

9. Entwicklung des Kampagnenformats 

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Die Position muss zum Imagehintergrund der Marke passen, sofern diese schon länger am Markt präsent ist, da es ihr ansonsten an Glaubwürdigkeit fehlt. Dabei sollen möglichst vorhandene Imagestärken aufgegriffen werden. Dies erleichtert eine schnelle und kostengünstige Durchsetzung am Markt. Außerdem sind Imageschwächen ausgesprochen remanent. Daher ist es meist effektiver, diese durch komparative Stärken zu überstrahlen als zu versuchen, sie zu revidieren. Eine Unterscheidbarkeit des eigenen Angebots von Mitbewerbern muss möglich sein. Es ist für keine Marke empfehlenswert, sich in Bereichen anzusiedeln, die historisch bereits von anderen Anbietern kompetent und nachhaltig besetzt sind. Es sei denn, man verfügt über erheblich mehr Marketingkapazität als diese und stellt sich zudem auf eine beträchtliche Frist bis zur Marktwirksamwerdung eingeleiteter Maßnahmen ein. Dann artet die Positionierung aber oft in eine reine Materialschlacht aus. Die Position soll raumübergreifend und zukünftig tragfähig sein, denn das Zusammenwachsen von Märkten durch Global Marketing führt zum Überlappen von Kompetenzfeldern von Marken, die bisher in keinerlei Austauschbeziehung zueinander standen. Zukunftssicherheit muss gegeben sein, da es viel Aufwand kostet, eine Positionierung am Markt durchzusetzen. Die Position soll sich zudem flexibel dem Wandel der Vermarktungsbedingungen anpassen lassen, ohne dabei an Vitalität und Aussagefähigkeit einzubüßen. Dies scheint problematisch, da Entwicklungen der Zukunft notwendigerweise im Voraus unbekannt bleiben müssen, kann aber im Wege der Markenpflege gelöst werden. Die Position soll eine hohe Nutzenrelevanz für potenzielle Abnehmer erreichen. Das heißt, es reicht nicht aus, eine zwar alleinstellende, dafür aber nur marginal interessante Nutzenfacette auszuwählen und zu besetzen. Dies erfordert vielmehr die Auslobung eines zentralen, entscheidungsbedeutsamen Aspekts, dessen Attraktivität größer ist als das dafür aufzubringende Preisopfer. Ansonsten werden die Geldmittel von Nachfragern anderweitig eingesetzt. Bei der Entwicklung des Kampagnenformats kommen durchaus mehrere Positionierungen in Betracht. Dazu das Beispiel eines Mineralbrunnens, der versucht, sein kohlensäurefreies (stilles) Wasser bestmöglich am Markt zu positionieren. Dazu ist es erforderlich, alternative Positionen aufzuzeigen, die danach hinsichtlich ihres Potenzials zur Zielerreichung bewertet werden. Bei diesen generischen Möglichkeiten handelt es sich um folgende. Option 1: Gesundheit • Angebotsanspruch: Hoher Anteil wertvoller Mineralien und seltener Spurenelemente, die jeder Körper zur Erhaltung der Gesundheit braucht und die ihm durch die übliche Ernährung nicht oder nur in nicht ausreichendem Maße zugeführt werden. • Anspruchsbegründung: Akzentuierung der Heilmittelkomponente, indem auf die ingredienten Wirkstoffe hingewiesen wird, die Mineralwasser in natürlicher

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

Form bietet. Diese werbliche Auslobung ist absolut glaubwürdig und baut auf vorhandenem Wissen auf. • Nutzenversprechen: Mehr Gesundheit, größeres Wohlbefinden, längere Virilität durch Mineralwasser. Option 2: Natur • Angebotsanspruch: Seit Jahrzehnten aus durch und durch naturbelassenen Mineralquellen gewonnen und ohne jegliche Zusätze oder chemische Bearbeitung quellabgefüllt. Damit also Mineralwasser direkt aus der Natur. • Anspruchsbegründung: In allen Lebensbereichen bemüht man sich, auf natür­ liche Stoffe und Wirkmechanismen zurückzugreifen. Gleichzeitig wächst das Misstrauen gegen Artifizielles, Industrieprodukte. Mineralwasser aus natürlichen Mineralquellen ist nicht chemisch versetzt und ohne Fremdstoffe und liegt damit voll im Trend zur Natürlichkeit. • Nutzenversprechen: Der Umwelt zuliebe nur Mineralwasser. Denn das ist Natur pur. Option 3: Schlankheit • Angebotsanspruch: Absolut minimaler Kalorienwert, daher bestens geeignet als figurfreundliches Getränk, das schlank macht und schlank hält. • Anspruchsbegründung: Der Trend zur Entschlackung des Körpers, zur Haltung oder Erreichung des Idealgewichts ist ungebrochen. In allen Food-Bereichen haben kalorienarme Produkte hohe Zuwachsraten. Das natürliche Pendant dazu ist Mineralwasser, da es frei von Frucht- und anderen zuckerhaltigen Zusätzen ist. • Nutzenversprechen: Soziale Attraktivität und Lebensfreude mit Hilfe von Mineralwasser. Option 4: Familie • Angebotsanspruch: Schmeckt der ganzen Familie, gleich ob alt oder jung, gleichermaßen gut. Damit erübrigt sich die regelmäßige Beschaffung / Vorratshaltung verschiedener Getränkesorten. • Anspruchsbegründung: Jede Hausfrau kennt das Problem in ihrer Familie, dass jeder ein anderes Lieblingsgetränk hat. Die Folge davon: Ständig müssen mehrere Getränkesorten beschafft werden, der Kühlschrank quillt über, das Haushaltsbudget wird strapaziert. Mineralwasser hat den großen Vorteil, dass es jedermann schmeckt und damit das Getränkebeschaffungsproblem zu aller Zufriedenheit löst. • Nutzenversprechen: Akzeptierte Kaufvereinfachung bei der Wahlentscheidung für Getränke.

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Option 5: Aktivität • Angebotsanspruch: Gedacht für junge Leute und alle, die jung geblieben sind als moderne, unkomplizierte Erfrischung für jeden Anlass und Zweck, die entspannt, belebt und gute Laune schafft. • Anspruchsbegründung: Mineralwasser hängt gelegentlich noch der Ruf an, für Alte, Kranke, Gesundheitsapostel oder Sportlerasketen zu sein. Dies hält viele, vor allem jüngere, Menschen, davon ab, auf Mineralwasser umzusteigen. Dem kann entgegengewirkt werden, indem die aktivierende, dynamische Wirkung des Getränks betont wird. Es hat damit alle Chancen, auch von Jugendlichen akzeptiert zu werden und nutzt den ohnehin vorhandenen Trend zur Leichtigkeit des Seins. Dadurch wird Mineralwasser für Personen mittlerer und unterer Altersklassen attraktiv. • Nutzenversprechen: Wer Mineralwasser trinkt, liegt voll im Trend. Option 6: Kinder • Angebotsanspruch: Das ideale Erfrischungsgetränk, um den Durst der Kinder zu löschen, denn es ist absolut rein und frei von jeglichen schädlichen Zusätzen wie Zucker oder Coffein und vor allem: Kinder trinken es gern. • Anspruchsbegründung: Jede Mutter will das Beste für ihr Kind: gesunde Speisen und Getränke vor allem. Diese haben jedoch den Nachteil, dass das Kind sie oft ablehnt und stattdessen auf „ungesunde“ Getränke ausweicht. Mineralwasser als Getränkeangebot wird vom Kind angenommen und hält gesund, weil es natürlich ist. So sind Mutter und Kind bestens zufrieden gestellt. • Nutzenversprechen: Kein Risiko eingehen, Mineralwasser wählen.

9.2 Creative Platform Die Creative Platform betrifft den marktsichtbar wahrnehmbaren Teil der gesamten Konzeptdefinitionen. Während die Hintergründe abstrakt, komplex und nur für Fachleute interessant sind, geht es hier um die handwerkliche Umsetzung der Kommunikation in Bilder, Worte, Schriften und Zeichen, optional in Farben und Bewegungen. Dies geschieht durch das Nutzenversprechen / Benefit, die Nutzendarlegung / Proof und den Umsetzungsstil. 9.2.1 Nutzenversprechen Das Nutzenversprechen ist das Angebot an prospektive Kunden im Sinne subjektiver Vorteilswirkung aus der Inanspruchnahme des Angebots. Der Benefit ist damit von zentraler Bedeutung in der Werbung. Die einzelnen Benefits lassen

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sich auf wenige Endbenefits reduzieren. Nimmt man die Parameter internale bzw. externale Vorteilswirkung einerseits und Sicherheit bzw. Unabhängigkeit andererseits, so sind als Kombinationen zu nennen (siehe Abbildung IV/93: Optionale Endbenefits):

Abbildung IV/93: Optionale Endbenefits

• Leistungsnutzen (Motto: „Da weiß man, was man hat“). Hier geht es um den Nutzen, der aus der Sicherheit um Gebrauchseignung und Qualität eines Produkts entsteht. Es geht aber nicht um dessen Außenwirkungen. Vielmehr ist das absolute Leistungsniveau bzw. das relative Preis-Leistungsverhältnis zentral. • Kennernutzen (Motto: „Mehr sein als scheinen“). Hier geht es um den Nutzen, der aus Wissen und Understatement über die Überlegenheit eines Produkts resultiert und der eigenen Befriedigung dient. Wiederum ist die Außenwirkung ­außen vor, ja, sie ist sogar als hinderlich anzusehen. • Trendnutzen (Motto: „Dabeisein ist alles“). Hier geht es um den Nutzen, der sich aus Zugehörigkeit und Anerkennung im sozialen Umfeld ableitet, die aus dem Besitz des Produkts erwachsen und willkommene Sicherheit bieten. Qualität ist dabei nur sekundär. • Geltungsnutzen (Motto: „Es allen zeigen wollen“). Hier geht es um den Nutzen, der sich aus Profilierung und Prestige ergibt, die der Besitz eines Produktes gewähren. Wiederum ist die Qualität nur von zweitrangiger Bedeutung, obgleich sie als vorhanden unterstellt werden kann. Einen anderen Ansatzpunkt bietet die Means-End-Chain-Theorie (siehe Abbildung IV/94: Nutzenleiter). Danach ergibt sich der Endbenefit aus einer aufeinander abfolgenden Kette von Zielen, die ihrerseits wiederum als Mittel zur Erreichung übergeordneter Ziele dienen. Allgemein werden dazu individuelles Wissen und darauf aufbauende selbsterkennende Reflexion unterschieden.

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Abbildung IV/94: Nutzenleiter (Quelle: eig. Darst.)

Dazu drei kurze Beispiele. Erstens für die Auslobung fettarmer Wurstwaren: a) konkreter Angebotsnutzen: fettarme Konsistenz, b) abstrakter Angebotsnutzen, abgeleitet aus a): wenig Kalorien, c) funktionaler Angebotsnutzen, abgeleitet aus b): damit kann man schlank bleiben / ​ werden, d) psychosozialer Angebotsnutzen, abgeleitet aus c): damit wird man begehrenswert, e) instrumenteller Angebotsnutzen, abgeleitet aus d): damit kann man erfolgreicher sein, f) terminaler Angebotsnutzen, abgeleitet aus e): das steigert das Selbstbewusstsein. Zweitens für die Auslobung von Telekommunikationsverbindungen: a) konkreter Angebotsnutzen: schnelle Internet-Verbindung, b) abstrakter Angebotsnutzen, abgeleitet aus a): Informationsvorteil, c) funktionaler Angebotsnutzen, abgeleitet aus b): mehr Effizienz bei der Arbeit im SoHo, d) psychosozialer Angebotsnutzen, abgeleitet aus c): Karrierechancen, e) instrumenteller Angebotsnutzen, abgeleitet aus d): Leistungsorientierung im Beruf, f) terminaler Angebotsnutzen, abgeleitet aus e): Selbstverwirklichung. Drittens für die Auslobung eines Fahrrads: a) konkreter Angebotsnutzen: geringes Gewicht durch Alurahmen, b) abstrakter Angebotsnutzen, abgeleitet aus a): fährt mit weniger Widerstand, c) funktionaler Nutzen, abgeleitet aus b): weniger Kraftaufwand erforderlich,

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d) psychosozialer Nutzen, abgeleitet aus c): Entspannung, keine Anstrengung, e) instrumenteller Angebotsnutzen, abgeleitet aus d): dennoch körperliche Bewegung, f) terminaler Angebotsnutzen, abgeleitet aus e): Gesundheit Dies lässt sich problemlos auch auf einzelne Angebotsmerkmale des Fahrrads ableiten wie: – ergonomischer Sattel: bequeme Sitzhaltung, keine Verspannung, weniger Anstrengung, längere Strecken bewältigen, sich besser fühlen, Zufriedenheit, – Kettenschutz: fängt Schmutz ab, kein spritzendes Kettenöl, schützt Kleidung, vielseitig nutzbar, erhöhte Mobilität, Unabhängigkeit, – Halogenlicht: mehr Leuchtkraft, besser sehen und gesehen werden, Gefahrenvorbeugung, sich sicher fühlen, verantwortungsvoll sein, auch sich und andere achten. Eine Ansprache ist nunmehr umso vielversprechender, je höher innerhalb der Ziel-Mittel-Kette der Angebotsnutzen aufgehängt ist. Ein gutes Beispiel ist die Auslobung der fettarmen Produkte von „Du darfst“ mit Slogans wie „Ich will so bleiben wie ich bin“ oder „Ich find’ mich gut, so wie ich bin“. Wie diese Erkenntnis umgesetzt wird, illustriert eine frühere LBS-Bausparkassen-Kampagne. Man sieht esoterische Bilder von naturnahen Menschen aus wenig entwickelten Völkern. Obwohl es diesen an beinahe allem mangelt, was unserer Ansicht nach moderne Zivilisation ausmacht, haben sie sich doch ein zutiefst menschliches Uranliegen erfüllt, das manchem von uns für immer verschlossen bleibt, ein eigenes „Heim“, sei es nun eine Buschhütte, ein Zelt aus Fellen oder ein Iglu. Dies entspricht offensichtlich einem zentralen Menschheitstraum. Dazu passt der Slogan: „Ein Haus zu bauen, liegt in der Natur des Menschen. Miete zahlen nicht.“ / BBDO (vgl. youtube.com/watch?v=uPqSjXnLyKg). Ein anderes, sehr prägnantes Beispiel stammt von einem amerikanischen Werbetexter. Er berichtet, dass er im Frühjahr morgens immer zu Fuß zur Arbeit geht und auf seinem Weg durch den Central Park in New York regelmäßig an einen blinden Bettler vorbeikommt, der mit einem Schild „Help the blind“ um milde Gaben bittet. Beiläufig schaut er auf seinem Rückweg abends ab und an in dessen Sammelbüchse und registriert eine ausgesprochen magere Ausbeute. Eines morgens spricht der Werbetexter den blinden Bettler an und fragt, ob er denn von diesen Einnahmen eigentlich leben könne. Kaum antwortet dieser ihm, die Menschen sind eben hartherzig. Den Werbetexter lässt dieses Schicksal nicht los. Am nächsten Morgen hat er ein neues Schild gebastelt und überredet den blinden Bettler, dieses anstelle seines alten Schildes vorzuzeigen. Am Abend kommt der Werbetexter wieder vorbei und fragt den blinden Bettler interessiert, wie die Tageseinnahmen sich denn heute entwickelt haben. Der Bettler ist begeistert, in

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seiner Büchse sammeln sich zahllose Silbermünzen. Neugierig fragt er den Texter, was dieser denn auf das Schild geschrieben habe. Der klärt ihn auf: „It’s spring, and I’m blind.“ (Quelle: N. N., hier nach Kröter) Der Benefit ist deshalb von zentraler Bedeutung, weil er das vordergründige Äquivalent für den zu opfernden Geldbetrag bei der Anschaffung einer Ware darstellt. Nachrangige Argumente haben keine Chance, wenn es bereits hier hapert. Bei der generell hochstehenden Qualität des Marktangebots kommen zudem fast nur Zusatznutzen als relevant in Betracht also Sicherheits-, Individual-, Sozialund Idealnutzen, denn Grundnutzen werden ohnehin als durchgängig erfüllt vorausgesetzt. Gute Werbung zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass sie immer diesen Benefit ebenso ausdrucksstark wie impressiv umsetzt und den Angebotsanspruch wohlgesetzt ins zweite Glied treten lässt. Schlechte Werbung hingegen lässt den Stolz ihrer Macher auf die Produktleistung in der Umsetzung spüren und wirkt damit deutlich an der Nutzenorientierung der Zielpersonen vorbei. Beispiele dafür finden sich verbreitet immer noch in der Industriegüterwerbung. Denkbare Benefits sind etwa folgende: • besonders große / tiefe, qualifizierte Auswahl von Leistungen, auch Abwechslung ohne Anbieterwechsel, • Zeit- / Kosten-Bequemlichkeit wie Lieferdienst, lange Zahlungsfrist, Umtauschmöglichkeit o. Ä., • Risikoreduktion z. B. als Beständigkeit, feste Verankerung im Markt, Erfolg als Marktführer / Innovator, • einfache / jederzeitige Erreichbarkeit durch Helpline, Chat-Funktion, • Exklusivität durch Limitierung, Zugangsbeschränkung o. Ä., • Gesundheit / Bio / Ergo, Nachhaltigkeit, • Gutes tun / Fairtrade für gutes Gewissen beim Kauf, • Personalisierung / Individualität als Mass customization, • Zeit sparen durch Pünktlichkeit, kurze Lieferzeit / Express-Service, • Angebotskombination, z. B. Wellnesshotel, Führerschein im Urlaub, • Sicherheit durch Garantie / Selbstbindung des Anbieters, • Niedrigpreis für Schnäppchenjäger, • Spezialisierung für hohe Fachkompetenz, Know-how, • Tradition als Retro-Trend, • Vorauswahl / Kuratierung zur Entscheidungserleichterung.

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

9.2.2 Umsetzungstechniken Die kreative Umsetzung des Angebotsnutzen ist immer so individuell wie die kommunikationspolitische Aufgabe und daher in garkeiner Weise zu normieren. Jede werbliche Aussage muss vielmehr von Neuem originär entwickelt werden. Deshalb führen auch alle Patentrezepte in die Irre. Und die weit verbreiteten Kreativitätsregeln sind nichts anderes als „Krücken für lahme Kreative“ (W. Butter). Dennoch lassen sich vier verlässliche Umsetzungstechniken festmachen, die eine gute Ausgangsbasis für Kampagnen darstellen, die Verfremdung, die Ergänzung, die Reduktion und das Storytelling. 9.2.2.1 Verfremdung Bei der Verfremdung geht es um die Erzeugung eines Überraschungseffekts, der gelingt, wenn man Inhalte aus dem gewohnten Kontext herausholt. Dazu drei kurze Beispiele. Ein kleiner, hässlicher Junge (Sommersprossen, Brille, Zahnlücke etc.) steht vor einem Elefantengehege im Zoo und streckt seinen Hand mit dem letzten RoloSchokobonbon darin weit heraus. Auf der anderen Seite des Grabens steht ein kleiner Elefant, der mit seinem Rüssel angestrengt versucht, an das Rolo-Bonbon zu kommen. Immer, wenn er es fast geschafft hat, zieht der kleine Junge den Arm zurück, schließlich isst er das Bonbon selbst grinsend. Der kleine Elefant trompetet wütend und schüttelt wild seinen Kopf hin und her. Dann eine Kippblende, aus dem kleinen Jungen ist ein junger ansehnlicher Mann geworden. Er steht vergnügt am Straßenrand, wo gerade eine Musikparade vorbeizieht. Am Naschwerk erkennt man, dass seine Vorliebe für Rolo-Bonbons die Jahre überdauert hat. Die Köpfe vieler vorbeiziehender Menschen sind zu sehen, man hört Musik, und es herrscht eine ausgelassene Stimmung. Doch plötzlich taucht aus dem Zug heraus ein großer Elefantenrüssel auf, hält kurz inne und ohrfeigt dann den verdutzten jungen Mann kräftig links und rechts. Elefanten vergessen eben nicht (vgl. youtube.com/ watch?v=5ZpmKVwQNcg). Der feine ältere Herr macht sich vor dem Spiegel zurecht zum Weggehen. Als die Umgebungsgeräusche verdächtig dumpf klingen, bemerkt er, dass er sein Hörgerät noch nicht angesteckt hat. Er schaltet es ein und reguliert die Verstärkung, die Umgebungsgeräusche sind in gewohnter Lautstärke zu hören. Er streichelt seine Hunde und geht die große Freitreppe seiner Villa hinunter. Unten ist sein Sohn mit seinem neuen Mercedes vorgefahren. Er grüßt ihn mit „Guten Morgen, Vater“. Der geht anerkennend um das Auto herum und steigt ein. Die Fahrt geht los. Über langgezogene Landstraßen, in forciertem Tempo. Der alte Herr ist irritiert, weil er wieder nichts hört. Der Wagen braust weiterhin die Straßen entlang. Der Sohn schaut verunsichert aus den Augenwinkeln zu seinem Vater herüber. Der fingert an dem Hörgerät hinter seinem Ohr. Rasant geht die Fahrt weiter. Immer

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noch sind kaum Fahrgeräusche zu hören, er dreht den Lautstärkeregler auf voll. Der Sohn beugt sich besorgt herüber und fragt: „Alles in Ordnung, Vater?“. Der zuckt erschrocken zusammen, man hört das harte Pfeifen der Übersteuerung an seinem Ohr, er sieht seinen Sohn mit schmerzverzerrtem Gesicht und vorwurfsvollem Blick an. Der zuckt verlegen mit den Schultern und merkt, dass er wieder einmal alles falsch gemacht hat, außer mit seinem Auto natürlich. Dann eine Texttafel: So leise wie kein Diesel, Mercedes-Benz CDI. Die Zukunft des Automobils (vgl. youtube.com/watch?v=9RIy4vsd1hg). Strömender Regen, irgendwo auf dem indischen Subkontinent ist wieder einmal Monsunzeit. Der Maharadscha wartet in seinem prächtigen Palast auf seine Abendgäste. Ungeduldig geht er auf und ab, schaut immer wieder auf die Uhr. Dann klingelt das Telefon. Der Diener meldet, dass der französische Botschafter angerufen hat, er kommt mit seinem Auto nicht durch und muss daher leider fernbleiben. Der Maharadscha ist beunruhigt. Wieder klingelt es. Wieder meldet sich der Diener, diesmal ist es der britische Botschafter, er ist von der Straße abgekommen, nichts Schlimmes, aber an eine Weiterfahrt ist nicht zu denken. Schnitt. Man sieht den unbarmherzig heftig niederprasselnden Regen, auf den total matschigen Wegen zieht ein Audi einsam seine Spur. Schnitt. Wieder ein Anruf im Palast. Der Diener meldet, es ist der deutsche Botschafter. Er bittet um Entschuldigung, dass er etwas verspätet kommt, aber er musste noch den japanischen Botschafter abholen. Schnitt. Man sieht die beiden Personen in ihrem komfortablen Audi sicher des Wegs fahren. Audi A 4 quattro (vgl. youtube.com/watch?v=DrEdLs NUWM4). 9.2.2.2 Ergänzung Bei der Ergänzung als Umsetzungstechnik wird nicht die komplette Botschaft vorgegeben, sondern nur ein Teil davon. Den Rest soll der Rezipient nach Plausibilität selbst ergänzen. So kann eine bessere Verhaftung der Inhalte in der Erinnerung geschaffen werden. Auch dazu drei Beispiele. Ein älteres Ehepaar sitzt entspannt im Garten beisammen und löst Kreuzworträtsel. Sie ist auf einen Gartentisch gelehnt und füllt die Rätselseite aus, er hilft ihr bei der Lösung der kniffligen Fragen. Sie liest die Frage vor, und er beantwortet sie wie aus der Pistole geschossen, sie schreibt die Lösung in die Kästchen und schon geht es an die nächste Frage. Sie liest wieder vor: „Monatliche Wohnraumnutzungsgebühr?“ Er stutzt, runzelt die Stirn und denkt angestrengt nach. Sie schaut wegen der unerwartet ausbleibenden Antwort verwundert zu ihm herüber und ergänzt zweifelnd: „Mit fünf Buchstaben.“ Er schüttelt den Kopf und ist völlig ratlos. Die Kamera fährt auf Halbtotale zurück. Man sieht das wunderschöne, freistehende Einfamilienhaus der beiden. Kein Wunder, dass ihnen das vom Zuschauer intuitiv ergänzte, fehlende Worte M-i-e-t-e nicht einfällt, denn diese Herrschaften haben sich offensichtlich schon früh für Immobilieneigentum

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

mit Hilfe der LBS entschieden. Der Abbinder „Wir geben Ihrer Zukunft ein Zuhause“ wird dann durch Vogelgezwitscher intoniert. Ein legendäres Printmotiv aus der Uniroyal-Regenreifen-Kampagne zeigt, in schwarz-weiß und auf Doppelseitenformat, eine triste Landschaft bei düsterer Witterung. Im Vordergrund ist die Biegung einer Landstraße zu sehen, der Asphalt sehr nass und rutschig. An der Straßenbegrenzung ist die Leitplanke durchbrochen. Auf dem Straßenbelag sieht man noch die Bremsspuren des verzweifelten Kraftfahrers als er versuchte, den Schleuderunfall zu vermeiden, doch vergeblich. Die Headline dazu: „Die Leute, die bei Regen die falschen Reifen fahren, werden immer weniger“. Slogan: „Uniroyal. Der Regenreifen“. Ein weiteres Printmotiv. Man sieht, leicht von oben, auf eine typische Stadtstraße. Der körnige Belag weist unverkennbar mehrere, schwarzradierte Bremsspuren auf. Alle an derselben Stelle, wieso eigentlich? Ein zweiter Blick schafft Aufklärung. Am Straßenrand sind Autos geparkt, alles nicht näher identifizierbare „Einheitsfahrzeuge“, dazwischen, leicht schräg eingeparkt, ein offener MercedesBenz SLK, der in der Sonne glänzt. Er ist genau in Höhe der Bremsspuren abgestellt. Kein weiterer Text, sondern nur das Mercedes-Logo und der Slogan (The new SLK). Das Bild wird damit klar. Man „sieht“ förmlich die vorbeifahrenden Autos. Ein Autofahrer erkennt aus dem Augenwinkel das attraktive ­Cabrio am Straßenrand. Er will es näher betrachten, tritt auf die Bremse und schaut herüber. Weitere Autofahrer, die vorbeikommen, tun das gleiche, sie alle können einem längeren blick nicht widerstehen. Daher alle Bremsspuren an der gleichen Stelle. Und man selbst hätte wohl auch so reagiert. 9.2.2.3 Reduktion Gute Werbung darf nicht überladen sein, sondern muss so reduziert wie möglich bleiben. Sie ist erst perfekt, wenn man nichts mehr weglassen kann, nicht wenn man nichts mehr hinzufügen kann. Dazu hier drei bekannte Beispiele. Sand unter praller Sonne so weit das Auge reicht, stürmischer Wind treibt die Sandkörner vorbei. Es ist heiße Popmusik zu hören. Die Kamera fährt suchend die Wüstenoberfläche ab. Man sieht Reste von Gebrauchsgegenständen, die aus dem Sand herauslugen. Dann kommen skelettierte Gebeine zum Vorschein. Die Popmusik wird immer lauter. Die Kamera fährt das Knochengerüst entlang hoch. Halb zugeweht ist im Sand der Brustkorb zu erkennen. Die Kamera fährt weiter. Auf dem Schädel erkennt man einen Kopfhörer. Die Popmusik wird noch lauter. Die Kamera fährt das Anschlusskabel entlang seitwärts zum Walkman. Das Batteriefach des Geräts ist offen, man erkennt darin zwei Energizer-Batterien. Der Abbinder dieses australischen Spots spricht von der langen Lebensdauer der Batterien. Sehr überzeugend ist in dieser Hinsicht auch der historische IBM Schreibmaschinen-Spot (GGK / Michael Schirner). Die elektrische Schreibmaschine war der

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Vorgänger des Textcomputers, es gab zwei Systeme, das Typenrad-Modell von Triumpf-Adler und das Kugelkopf-Modell von IBM, letzteres mit dem USP eines Korrekturbandes, mit dem man Tippfehler durch Neuanschlag derselben Buchstaben überdecken konnte. Dies galt es, auszuloben. Man sieht bildformatfüllend ein weißes Blatt Papier. Dann hört man die Anschläge einer elektrischen Schreibmaschine. Sie schreibt folgende Buchstaben auf das Papier: ­s c h r e i b m a s c h i n e . Dann hört man das Geräusch der Rücklauftaste. Die Buchstaben m  b i werden nacheinander per Korrekturband gelöscht. Dann hört man die Umschalttaste für Großbuchstaben. Die Anschläge der Schreibmaschine schreiben nun IBM in die Lücke zwischen den Buchstaben schre und aschine, es entsteht ­s c h r e I B M a s c h i n e . Die ganze Zeit über ist nur das Blatt Papier im Bild zu sehen. Es gibt nur den Off-Ton der Schreibmaschine. Präzise wird hier dargestellt, dass IBM eine überragende Kompetenz für elektrische Schreibmaschinen hat, ist der Begriff doch schon im Namen enthalten. Außerdem wird als besonderes Feature die Korrekturtaste eingesetzt (vgl. youtube.com/watch?v=KKd2qSxww1o). Ein weiteres Beispiel ist der Garage-Spot zur Umweltfreundlichkeit von Mercedes-Benz. Die Kamera fährt close-up die verschiedenen Elemente einer Mercedes-Benz-Limousine ab, den Mercedes-Stern, die Kühlerhaube etc. Der Off-Sprecher erwähnt dazu die entsprechenden Nachhaltigkeitsfeatures, die Daimler zum Umweltschutz vorsieht: 3-Wege-Katalysator, asbestfreie Bremsbeläge, Lackierung ohne Lösungsmittel, recyclingfähige Kunststoffteile, 4-Ventil-Motor für saubere Verbrennung. „Aber für die Umwelt kann man eigentlich nie genug tun“. Dann sieht man von innen, wie ein Mann seine Garage betritt. Man erkennt die Umrisse des dort geparkten S-Klasse. Dann ein Schnitt, man sieht die Garagenausfahrt. Der Mann verlässt die Garage auf seinem altersschwachen Fahrrad. Im Hintergrund bleibt der abgestellte Mercedes-Benz sichtbar. Mercedes-Benz-Logo (vgl. youtube.com/watch?v=M2nb1vy_hNY). 9.2.2.4 Storytelling Storytelling meint eine lebendig erzählte Geschichte (Narrativ), die Daten und Fakten überbringt, die durch direkten Vortrag nur schwierig überzubringen bzw. zu verankern sind. Wichtig sind eine angemessene Dramaturgie, die Erzählperspektive und ein interessanter Aufhänger. Oft besteht kein direkter Zusammenhang mit dem zu bewerbenden Produkt, aber ein interessanter Aufhänger (Borrowed Interest) dient als Aufmerksamkeitsanker. Wiederum drei kurze Beispiele zu dieser Umsetzungstechnik. Ein silberfarbener C-Klasse-Mercedes fährt mit hoher Geschwindigkeit die Landstraßen Finnlands entlang. Vorbei an einem Haus, dessen Bewohner, die am Fenster sitzen und hinausschauen, verständnislos die Stirn runzeln. Vorbei an zwei Holzfällern auf einem Waldweg, der eine raunzt nur „Mika“, der andere schüttelt ratlos den Kopf. Dann überholt der Wagen schnell einen Reisebus, dessen jugend-

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

liche Fahrgäste sich am Rückfenster drängeln, während der Busfahrer angesichts des rasanten Überholvorgangs völlig konsterniert dreinschaut. Der Wagen rast an zwei Anhaltern vorbei, deren Haare im Fahrtwind total verwirbeln. Der Wagen braust über eine Flussbrücke. Unten am Ufer murmelt ein Angler verärgert „Mika“ ob des Lärms, der seine Beute aufschreckt. Der Wagen rollt weiter mit hoher Geschwindigkeit hügelige Straßen entlang bis vor eine Einfahrt, wo er mit Vollbremsung stoppt. Airja Häkkinen steigt freundlich lächelnd aus dem Auto aus. Mika Häkkinen steht, seinen Sohn auf dem Arm tragend, dabei und sagt nur kopfschüttelnd: „Mama“. Der Claim: Die neue C-Klasse mit Allradantrieb 4-Matic (S & J) (vgl. youtube.com/watch?v=NANq86F3Aas). Zu sehen ist ein Auto, das am Straßenrand offensichtlich wegen Spritmangels liegen geblieben ist. Der Fahrer schaut erwartungsfroh nach dem Reservekanister im Kofferraum, doch da muss er feststellen, dass dieser, natürlich gerade jetzt, wo es darauf ankommt, leer ist. Ein Blick in die Landschaft zeigt blühende Auen und Felder soweit das Auge reicht, nur nirgendwo ein Haus, geschweige denn eine Tankstelle. Dem armen Mann bleibt also nichts anderes übrig, als sich auf den Weg zu machen. Man sieht wie er, anfangs noch recht forsch, später dann deutlich beschwerlicher, weite Wege entlang der Landstraße mit seinem blauen Kanister zurücklegt. Es geht bergan und wieder bergab, an einer Kreuzung muss er sich entscheiden, wie es weitergeht. Dann endlich, weiter vorn ist ein Tankstellenschild zu sehen. Frisch motiviert geht der Mann auf die Tankstelle zu. Da erkennt er bei näherem Hinsehen, dass es sich um eine markenlose Tankstelle handelt. Der Mann steht nun vor der Wahl, soll er das Risiko eingehen, hier seinen Reservekanister aufzufüllen und sich dafür einen weiteren Weg zu ersparen, oder kommt doch nur die richtige Marke in Frage, so schwer der weitere Weg auch fällt. Ein kurzes Überlegen, dann ist klar, tatsächlich kommt nur Aral Kraftstoff in Frage. Also macht der Mann sich wohlgemut weiter auf den Weg. Doch Rettung scheint nah, denn ein ganzes Stück voraus lugt ein blaues Tankstellenviereck, unverkennbar mit der typischen Aral-Signalisation, über den Baumwipfeln empor. Sein Schritt beschleunigt sind wieder. Slogan: Aral. Alles super. Während des gesamten Spots liegt die Musik von Fats Domino (Walking) unter dem Bild (vgl. youtube.com/ watch?v=a5gFuX8HHJQ). Die Ausführung wurde später durch den Fahrschul-Spot (You can get it, if you really want / Jimmy Cliff) und den Abschlepp-Spot (Let’s work together / Canned Heat) ausgesprochen stimmig fortgesetzt (vgl. youtube.com/watch?v=a5gFuX8HHJQ). Man sieht in die Umkleidekabine einer Fußball-Profimannschaft, große Hektik unmittelbar vor einem wichtigen Spiel. Doch es gibt es ein Problem, der Torwart bleibt resigniert in seiner Ecke sitzen und murmelt: „Ohne Bert spiele ich nicht.“ Der Manager blickt konsterniert um sich, ein Mitspieler klärt ihn auf, Bert sei das Maskottchen (Teddy) des Torwarts und im Übrigen spurlos verschwunden. Der Manager lässt sofort einen ganzen Korb mit Teddybären herbeiholen. Er zeigt seinem Torwart den ersten Bären, nein, der hat keine Ähnlichkeit mit Bert. Dann der

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nächste Bär, nein, Bert hat größere Ohren, dann das nächste Bär, wieder nicht. Die anderen Spieler sinken resigniert auf ihren Bänken zusammen und packen mit starrem Blick ihr Snickers aus (Wenn’s mal wieder länger dauert, schnapp’ dir’n Snickers). Nach unzähligen weiteren Versuchen hält der Torwart endlich einen Teddy, der wie Bert aussieht, in Händen. Große Hoffnung bei allen Beteiligten, dass es nun endlich losgehen kann, aber der riecht nun wieder nicht wie Bert (vgl. youtube.com/watch?v=tIoczuDD0WY). 9.2.3 Nutzendarlegung Die kommunikative Umsetzung ist in keiner Weise standardisierbar. Jede werbliche Aussage muss vielmehr von Neuem originär entwickelt werden, weil sie ansonsten als kopiert diskriminiert oder als nicht problemlösungsadäquat abgewertet wird. Deshalb führen auch alle Patentrezepte für erfolgreiche Kreativität in die Irre. Als kleinster gemeinsamer Nenner kann gelten, dass gute Werbung immer über eine Dramatisierung oder Verfremdung normaler Situationen erfolgt. Denn das Alltägliche ist langweilig und eignet sich damit nicht als Stopper. Erst das Überhöhte und Überraschende schafft Aufmerksamkeit. Dabei lassen sich häufige Techniken ausmachen (siehe Abbildung IV/95: Techniken der Nutzendarlegung).

Abbildung IV/95: Techniken der Nutzendarlegung

Der Systemvergleich erfolgt als Side-by-Side-Vergleich oder als Before afterVergleich. Im ersten Fall werden anonyme und / oder gebrandete Produkte bzw. Systeme parallel miteinander verglichen, um dadurch die Überlegenheit des eigenen Produkts / Systems als externer Vergleich zu beweisen. Gleichzeitig führt dies zu einer prägnanten Zuspitzung der Werbebotschaft. Im Rahmen der europäischen

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

Harmonisierung hat sich die früher restriktive deutsche Rechtsprechung hierzu gelockert. Ein Beispiel ist der Pepsi-Test (vgl. youtube.com/watch?v=v7lw_vhxtNc). Ein weiteres Beispiel dafür ist der Erfolg von Punica / P&G. Punica ist innerhalb der System-Kategorie Fruchtsäfte wegen des geringen Fruchtanteils ein unterlegenes Produkt (Nektar). Insofern kommt Konkurrenzverdrängung, trotz eines Preisvorteils, kaum in Betracht. Bei alkoholfreien Erfrischungsgetränken gibt es jedoch weitere Kategorien, vor allem Limonaden. Die Idee von Punica bestand darin, statt an der Kaufkraft von überlegenen Fruchtsäften zu partizipieren, was gerade wegen deren gesundheitssensiblem Charakter schwierig ist, eher Kaufkraft von der unterlegenen System-Kategorie Limonade abzuziehen. Dies gelingt allerdings nur dann, wenn man den hohen Zuckeranteil von Limonaden als potenziellen Gefährdungsfaktor ausmacht. Dies gilt vor allem für Mütter, die latente Bedenken gegen den Genuss von Limonade durch ihre Kinder haben, diesen aber doch, vor allem mangels preisgünstiger Alternative, dulden. Im Vergleich zu diesen „gesundheitsbedenklichen“ Limonaden ist aber selbst der einfachste Fruchtsaft das vorteilhaftere Produkt, bei vergleichbarem Preisniveau. Also kommt es zum Überwechseln von seither für die Kategorie Limonaden investierter Kaufkraft in die Kategorie Fruchtsaft innerhalb des Erfrischungsgetränkemarkts. Im zweiten Fall handelt es sich um Vorher-Nachher-Situationen, welche die Leistung der Produktanwendung demonstriert. Vorher impliziert die Anwendung eines herkömmlichen, anonymisierten Produkts, nachher die des verbesserten, beworbenen Produkts als interner Vergleich. Dies ist häufig bei Produkten gegeben, deren Leistungsunterschiede nicht ohne Weiteres erkennbar sind wie bei Waschmitteln. Die Vorher-Situation zeigt dann das Waschergebnis bei Verwendung des herkömmlichen Produkts, die Nachher-Situation zeigt das bessere Waschergebnis bei Verwendung des beworbenen modernen eigenen Produkts. Durch diese Gegenüberstellung wird der Leistungsunterschied dramatisiert. Dabei sind rechtliche Grenzen zu beachten, unbedenklich sind neben dem internen Vergleich, meist mit dem Vorgängerprodukt, insb. folgende Formen des externen Vergleichs: • zur Abwehr eines rechtswidrigen Angriffs und einer ernsthaften Gefährdung der potenziellen Käufer, sofern keine Möglichkeit der Abwehr durch Anrufung ­eines Gerichts besteht und eine angemessene Fristigkeit der Abwehr gegeben ist. • aufgrund einer konkreten Anfrage eines Kunden, sofern die Auskunft des Werbenden in streng sachlicher und rational nachprüfbarer Form erfolgt und sich im Rahmen der Fragestellung bewegt. • zur Bekanntmachung der Existenz einer technischen oder wirtschaftlichen Weiterentwicklung, die Nachfragern noch nicht bekannt ist, soweit dazu eine wettbewerbsrechtliche Erforderlichkeit besteht und keine andere Möglichkeit der Erreichung der angestrebten Ziele gegeben ist. • bei schutzwürdigem Bedürfnis der Allgemeinheit nach sachgemäßer Aufklärung, soweit diese vollständig, wahr und nicht irreführend ist und einen sachbezogenen Stil aufweist.

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• bei Wahrnehmung eines berechtigten Interesses durch Vorhandensein falscher Vorstellungen über das Angebot des Werbenden, durch das Konkurrenten Vorteile ziehen können, sofern dafür eine wettbewerbsrechtliche Erforderlichkeit besteht und keine andere Möglichkeit zur Erreichung der angestrebten Ziele gegeben ist. Verglichen werden kann auch mittels Bildern, Tönen, Logos, durch Testberichte und Testberichte, sofern dabei nicht mindestens ein Mitbewerber so dargestellt wird, dass er von den umworbenen Verkehrskreisen als von der Werbung Betroffener individualisiert werden kann. Härtetest (Torture Test) durch Unterwerfung von Extremanforderungen. Hier soll bewiesen werden, dass, wenn ein Produkt diesen standhält, es sich erst recht in der ihm eigentlich zugedachten, weniger anspruchsvollen Situation bewährt. Auch dadurch ergibt sich eine willkommene Überhöhung der Werbebotschaft. Zu denken ist an den Knotentest eines Waschmittels bei stark verschmutzter Wäsche von Dash / P&G oder an die Auffahrt eines allradgetriebenen Autos auf einer Skisprungschanze bei Audi. Wenn es das beworbene Waschmittel schafft, sogar im Knoten starke Verschmutzungen zu reinigen, dann wird es erst recht in der Lage sein, alltäglichen Schmutz in normalerweise nicht verknoteten Wäschestücken zu beseitigen. Und wenn es das Quattro-Fahrzeug schafft, sogar die steile Steigung einer verschneiten Sprungschanze problemlos hochzufahren, wird es erst recht die leichten Steigungen bei geringem Schneefall bewältigen, mit denen man es alltäglich zu tun hat. Ein anderer Ansatz ist Beispieltechnik über Nutzenfacetten. Dabei wird beispielgebend für den behaupteten Anspruch und Nutzen ein Produkt aus dem Programm hervorgehoben, an dem die Eigenschaften, die für das gesamte Programm behauptet werden, exemplarisch beweisbar sind. Durch Induktionsschluss soll sich diese Beweiskraft auf alle, gerade auch die nicht angeführten Produkte, übertragen. Beispiele dafür sind TUI oder Erco. Dadurch ergibt sich eine clevere Möglichkeit, die Botschaft in Teileinheiten zu portionieren, wenn es undenkbar ist, alle relevanten Argumente zum Angebot auf einmal über zu bringen. Die Vielzahl der Einzelbotschaften addiert sich in der Summe sukzessiv zum gewünschten Gesamtinformationsumfang durch Nutzenfacetten. Besonders beeindruckend war hier die erste Mercedes-Benz-Kampagne von S & J. Motive betreffen dabei u. a. Beifahrer-Airbag, passive Sicherheit, Zuverlässigkeit (youtube.com/watch?v=proUeSDO0RY, youtube.com/watch?v=FSccdQVRmA4, youtube.com/watch?v=oVIWrXzjVI4 u. a.). Im Zuge der Analogisierung wird eine Beweisführung aus einem anderen Bereich angelegt, bei dem die Aussagekraft eindeutig ist. Durch Rückbezug strahlt diese dann auf das beworbene Angebot zurück. Ein Beispiel für eine indirekt angelegte Analogiekampagne fand sich bei der Einführung des Nachrichtenmagazins „Focus“. Dort wurde darauf abgehoben,

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

dass herkömmliche Nachrichtenmagazine (gemeint war ungenannt „Der Spiegel“) zu dieser Zeit lange Berichte mit schwarz-weiß Redaktion und ideologisch vorgeprägten Inhalten aufwiesen, also nicht nur Fakten dargestellt wurden, sondern den Lesern zugleich auch eine bestimmte Meinung, die sie dazu haben sollten, suggeriert wurde. Burda / Markwort hatte die Idee, als spezifische Zielgruppe gut ausgebildete Personen mit wenig Zeit, die sich aber dennoch über alle aktuellen Geschehnisse informieren wollten (die „Info“-Elite) zu adressieren. Ihnen sollte eine interessante Aufmachung (vierfarbig) geboten werden, zudem kurze Artikel, die sich auf die wesentlichen Daten fokussierten, dies unterlegt mit instruktiven Grafiken. Dabei sollte die Darstellung auf die Fakten beschränkt werden, denn den Lesern wurde zugetraut, sich selbst eine Meinung bilden zu können. Dieses Konzept ging auf und es konnte die erste erfolgreiche Alternative zu Spiegel / G & J platziert werden (Motto: Fakten, Fakten, Fakten). Als Slice of life wird eine Szenerie als Ausschnitt aus dem alltäglichen Leben verstanden. Angelo von Nescafé ist dafür ein typisches Beispiel. Ob er Carlotta beim Verlassen des Aufzugs im Hausflur begegnet, oder Carlotta anklingelt, um die Aufhebung ihres blockierten Parkplatzes einzufordern, immer handelt es sich um einen zwar ersichtlich konstruierten, doch so oder zumindest so ähnlich tausendfach vorkommenden Ausschnitt aus dem realen Leben. Damit wird es für die umworbenen Zielpersonen leichter, sich mit dieser Situation und dem mehr oder minder logisch darin eingebundenen Produkt zu identifizieren. Ähnliches gilt für die Kinder, die in völlig verschmutzter Kleidung nach Hause kommen und der Mutter Kopfzerbrechen bereiten, aber nur solange, bis sie sich des Waschmittels erinnert, das auch den stärksten Schmutz schafft, oder die um Süßigkeiten quengelnden Kids, die nicht mehr mit irgendetwas, sondern nur mit ausgewählten Naschereien befriedigt werden können. All das sind Situationen, die der einkaufenden Person sofort vertraut sind und in denen sie eine adäquate Problemlösung zu schätzen weiß. Vielleicht erinnert man sich noch an die Knorr-Familie, die immer wieder kleine, an sich nicht bemerkenswerte, aber eben doch nette Geschichten erlebte, in die sich zur Not die Knorr-Produkte einbinden ließen. Der Nachteil dieser Technik liegt darin, dass sie für einen vernünftigen Aufbau einer gewissen Zeitspanne bedarf, ehe das Produkt ins Spiel kommen kann. Genau diese Sekunden kosten das werbungtreibende Unternehmen aber viel Geld, so dass entweder die Hinführung so fragmentarisch bleibt, dass sie nicht mehr verstehbar ist, oder erkennbar unrealistisch wird, worunter dann der Sinn dieser Technik, nämlich eine ganz sympathische kleine Geschichte zu erzählen, leidet. Ein Beispiel sind die beiden unvergleichlichen Check 24-Familien Kruger und Bergmann. Ein Verbraucherzeuge äußert sich der Zielgruppe gegenüber hoch zufrieden über sein Produkt. In dem Maße, wie diesem Testimonial zudem eine gewisse Kompetenz in der Sache zuzuweisen ist, ist diese Aussage umso überzeugender. Dabei lassen sich verschiedene Techniken nutzen:

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• Celebrity / Star bedeutet, dass sich Prominente (oft B- oder C-Promis) für ein Produkt verwenden. Zwar haben Prominente / Celebrities den großen Vorteil des hohen Bekanntheitsgrads und großer Beliebtheit, jedoch ist gerade ihre Glaubwürdigkeit fraglich. Man unterscheidet originäre Prominente als bloße attraktive Modelle ohne Hinweis auf ihre Prominenz (z. B. Supermodels für Kosmetik- / Duftwasserwerbung, aber mit langer Tradition bereits Marlene Dietrich, Liselotte Pulver oder Marianne Koch für die Seife der Filmstars Lux), Prominente mit originärem Commitment als Fachleute oder in Alltagssituationen (z. B. Thomas Gottschalk für Haribo, Boris Becker für AOL, Iris Berben für ACC) sowie verstärkt Unternehmensrepräsentanten (z. B. Wolfgang Grupp für Trigema, Albert Darboven für Idee Kaffee, Claus Hipp für Babynahrung, Ernst Prost für Liqui Moly, Guido ­Röben für Rügenwalder, Toni Meggle für Butter, Friedemann Kunz für Scan Haus Marlow). Opportunitäten entstehen aus der Aktivierung und Aufmerksamkeit für Prominente, günstigenfalls auch der Sympathieweckung und dem Nachahmungshandeln. Probleme entstehen allerdings aus mangelnder Glaubwürdigkeit bei falscher Wahl (z. B. Verona Feldbusch als Multi-Testimonial), aus negativem Imagetransfer bei Skandalen (z. B. Christoph Daum / RWE oder Walter ­Sedlmayer / ​Tuc) sowie aus Vampire-Effekt zum Produkt (z. B. Claudia Schiffer / ​Citroen). Außerdem ist ein Celebrity kein zureichender Ersatz für das Fehlen einer zündenden Idee. So warb etwa Steffi Graf für Kosmetik zu einer Zeit, als sie alles andere als ein Kosmetiktyp war (Jade). Oder Franz Beckenbauer stieg in einen Mitsubishi Sportwagen ein, wobei man stillschweigend unterstellt, dass er das nur tut, weil er dafür bezahlt wird. Ilona Christen untergrub ihre journalistische Glaubwürdigkeit dadurch, dass sie als investigative Journalistin den Behauptungen eines Waschmittelherstellers auf den Grund ging und sich am Ende, überwältigt von Kommentaren diverser Experten, geschlagen geben musste (Ariel / P&G). Doch es gibt auch andere Beispiele. Etwa die Stars aus dem Tenniszirkus oder den Trendsportarten für Sportschuhe. Die große Zeit solcher Testimonials in der Werbung ist wohl vorbei. • Künstliches / fiktives Testimonial bedeutet, dass eine anonyme Person sich als Fachkraft vorstellt und aus dieser Kompetenz heraus das Produkt empfiehlt. Es handelt sich um dekorative Modelle. Zu denken ist etwa an symbolische Testimonials wie die Zahnarztgattin, die, mangels werblicher „Verwertbarkeit“ des Zahnarztes selbst, auf die reinigende Wirkung einer bestimmten Zahncreme hinweist (Perlweiss). Oder die Kindergärtnerin, die schon von Beruf wegen mit Kleinkindern umzugehen weiß und daher für ihr eigenes Baby nur Windeln einer bestimmten Marke verwendet (Pampers).

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

Schon legendär ist der Tchibo-Kaffee-Experte, von dem man annehmen konnte, dass er sich in der Tat in die hinterste Ecke an sich schon abgelegener Anbaugebiete in Afrika und Südamerika chauffieren ließ, nur um zu prüfen, dass seine Kunden auch nichts als die wirklich besten Kaffeebohnen erhielten. Er musste der Self liquidator-Werbung des Tchibo-Shops weichen. Später wurde der Werbe­ gemeinde Herr Kaiser, der Mann von der Hamburg-Mannheimer präsentiert, der un­erfindlich zu irgendwelchen Gelegenheiten auftauchte und seine Dienste anbot. Teilweise werden auch Symbolfiguren eingesetzt wie das HB-Männchen, der ­Sarotti-Mohr (na ja), der Salamander-Lurchi, der Bärenmarke-Bär o. Ä. Vorzufinden sind auch typische / für typisch gehaltene Nachfrager, mit denen sich die Zielpersonengruppe identifizieren kann und die sich lobend über das zu bewerbende Produkt äußern. • Authentisches Experten-Testimonial bedeutet, dass ein Profi mit einschlägiger Kompetenz das Produkt empfiehlt, der nicht prominent ist Ein treffendes Beispiel ist der sympathische Dr. Best, der auf schlüssige Weise darstellte, dass die bessere Zahnbürste nachgibt und deshalb das empfindliche Zahnfleisch bei der intensiven Zahnpflege nicht beschädigt. Gut nachvollziehbar ist auch der Zeugwart von Schalke 04, von dem man zutreffend annehmen kann, dass er sich tatsächlich mit Bergen verdrecktester Wäsche ­ algonherumzuschlagen hat (Persil Megaperls / Henkel). Gleiches gilt für die C Sanitärinstallateure, die auf die Bedeutung der Wasserenthärtung für die Waschmaschine hinweisen. Je glaubwürdiger solche Testimonials sind, desto überzeugender wirken sie. • Präsenter bedeutet, dass ein nicht-prominenter Darsteller wiederholt in Verbindung mit dem Produkt in der Werbung auftritt. Dabei wird zumeist zur Umsetzung ein Storytelling eingesetzt. Zu denken ist etwa an den Camel-Mann, der meilenweit durch den Urwald schweifte, dabei allerlei abenteuerliche Dinge anstellte und sich nach vollbrachter Leistung eine kräftige Zigarette gönnte, seine Füße auf das Gatter legte und dabei seine Stiefelsohlen in die Kamera hielt, erkennbar mit Loch im Schuh. Er fiel dem Werbeverbot im Fernsehen und dem Zeitgeist im Kino zum Opfer (vgl. youtube.com/watch?v=QhF8RfsVL7M). Oder Klementine von Ariel, die patente Waschhilfe, die immer bei wechselnden Nachbarn, Freunden und Verwandten, oder auch wildfremden Frauen, in der Nähe war, um die Vorzüge ihres favorisierten Waschmittels auszuloben. Berühmt war schließlich auch der Persil-Präsenter, der die Zuschauer in ein vergleichsweise ernstes Gespräch über Waschmittel verwickelte, und das zu einer Zeit, als jeder den anderen mit dem noch weißeren Weiß zu übertrumpfen suchte. Er fiel letztlich im privaten Sektor seiner Popularität zum Opfer (vgl. youtube. com/watch?v=pKqDlydQx1s):

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Ein prägnantes Beispiel ist „Ingrid“ aus der Indeed-Kampagne, die sich darüber beklagt, dass sie von allen möglichen Leuten nach Job-Angeboten befragt wird, weil diese sie mit dem Anbieter Indeed verwechseln (vgl. youtube.com/ watch?v=3wqPzlHfBSI). Wichtig ist dabei, dass der / die Präsenter auch nach zahlreichen Wiederholungen noch gern gesehen wird, er / sie eine hohe Sympathie für den Absender fördert und eine stabile, längerfristige Zusammenarbeit möglich scheint, dies wird meist durch Exklusivitätsklausel abgesichert. Unter einer Symbolic demonstration versteht man die verfremdete Darstellung der Wirkungsweise eines Produkts. So zeigt der Zaubermeister im Kindergarten, wie Essig die Kalkschale eines Eis angreift und weist in diesem Zusammenhang seine bis zum Äußersten gespannten Zuschauer darauf hin, dass so auch die Säuren, die durch Zersetzung von zuckerhaltigen Speisen und Getränken entstehen, im Mund den Zahnschmelz angreifen (Elmex). Durch die Demonstration von Audi anhand einer Streichholzschachtel, die einen Slalomkurs entlang Pylonen zurücklegt, wird der Systemvorteil des Proconten-Systems gegenüber der herkömmlichen Sicherheitslenksäule vorgeführt. Auf diese Weise wird es möglich, komplexe, meist naturwissenschaftliche Zusammenhänge, die für das Verständnis einer Produktleistung bedeutsam sind, so vereinfacht darzustellen, dass sie auch der nicht-akademische Zuschauer versteht und vor allem durch die Reduktion auch behält (vgl. youtube.com/watch?v=C-ooL3Afzx8). Eine häufige Form werblicher Umsetzung ist auch der Lifestyle. Diese Hilfe bietet sich vor allem an, wenn das Produkt von der Sache nur begrenzt viel hergibt oder es auf die Leistung auch viel weniger ankommt als auf die Sozialwirkung. Insofern ist diese Form durchgängig bei Mode- und dekorativen Kosmetik-Artikeln vorzufinden. Hier geht es regelmäßig nicht um die Darstellung bestimmter objektiver Produktvorteile, sondern um die Vermittlung von Trend- und Sozialnutzen. Wobei Avantgarde als Nutzen bevorzugt zu werden scheint, denn die Umsetzungen sind ausgesprochen extravagant. Ein einprägsames Beispiel sind die C & A-Spots aus Mitte der 1990er Jahre. Diese waren fantastisch produziert, mit toller Schnitttechnik, Kamera- und Lichtführung, unterlegt mit melodisch-eingängiger Musik. Sie vermittelten damit eine für die Zielgruppe hoch attraktive Erlebniswelt (Young collection). Die Spots waren hochgelobt (z. B. Alice in Fashionland, Daydream, ’pauer), konfrontierten diese Zielgruppe jedoch vor Ort mit der Kaufhaustristesse des C & APOS. Die Spots waren zwar gut gemeint und auch gemacht, aber kontraproduktiv, da nicht integriert (vgl. youtube.com/watch?v=zaCOWbni06Y/.youtube.com/ watch?v=fq_I_zZ90j0). Eine große Rolle spielt dabei auch die Musik. Sie ist neben dem Bildelement Ausdrucksform des Lebensstils, vor allem bei „jungen“ Produkten. Oftmals wird die Musik auch als unterscheidungsfähiges Element bei Me-too-Produkten eingesetzt.

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

Zu denken ist an die berühmten Oldie-Spots von Levi’s, die es sogar schafften, längst vergessene Melodien und Interpreten wieder in die Hitparade zu bringen, und damit so ganz nebenbei den Anspruch des Originals unterstrichen (Let’s get in on, I heard it through the grapevine etc.) (vgl. youtube.com/ watch?v=ud9gtYb5yYs). Oder an die hoch prämierten Aral-Spots wie „You can get it“. Dabei sah man einem offensichtlich wenig talentierten Fahrschüler mit einem sichtlich genervten Fahrlehrer bei der Arbeit zu. Als der Tankinhalt sich der Reserve nähert, weist der Fahrlehrer auf eine Tankstelle am Straßenrand hin, wo der Fahrschüler aber erstaunlicherweise nicht anhält, weil dort die falsche Marke signalisiert wird, sondern souverän bis zur richtigen, der Aral-Zapfsäule, durchfährt (vgl. youtube. com/watch?v=nfLWMckMwGM). Auch Commercials für Veltins oder Merci / Storck nutzen Musik, die teilweise auch als Licensing-Produkt auf CD angeboten wird, zur Differenzierung. Häufig wird auch Humor als wesentliches Element der werblichen Umsetzung in der Werbung eingesetzt. In Großbritannien ist diese Technik bereits Legende, zu denken ist etwa an Hamlet-Cigars (z. B. youtube.com/watch?v=X0SbVFxl64A). Hierzulande tritt diese Komponente meist in Verbindung mit Tieren auf. So etwa bei der Toyota-Werbung, die Tieren menschliche Ausdrucksweisen in den Mund legte, die besonders witzig wirken. Problematisch ist dabei generell, dass der Witz die Produktbotschaft dominiert, man spricht dann von einem Bumerang-Effekt. So lachte zwar jeder über die tollen Affen im Toyota-Spot, doch wenn es darum ging, das dabei beworbene Modell zu nennen oder aus einer Reihe ähnlicher Fahrzeuge wieder zu erkennen, wurde schnell klar, dass die Produktprofilierung unter dem Gag gelitten hat. Nun ist Werbung aber bezahlte Produktinformation und nicht nur Unterhaltung. Die Lacher sind dann also teuer erkauft. Schließlich ist oft, wie halt im täglichen Leben auch, Erotik im Spiel, wenn Kreative über Umsetzungen nachdenken. Ein Beispiel dafür ist die Bacardi-Werbung, die eine Gruppe äußerst attraktiver junger Frauen und Männer in ungezwungener Freizeitsituation zeigt, die zahlreiche Chancen auf zwischenmenschliche Annäherung bietet, wobei weißer Rum etwaig vorhandene Zurückhaltung bekanntermaßen zu lockern versteht. Ein hervorragendes Beispiel ist die Print-Kampagne für die Tierschutzorganisation PETA. Darin zeigen sich Top-Models, Schauspielerinnen, Popstars u. Ä. splitterfasernackt und schauen vor einer Hohlkehle selbstbewusst direkt in die Kamera. Dazu wird nur die geniale Headline „I’d rather go naked than wear fure“ angeboten. Der Eyecatcher Nackheit wird so unmittelbar auf das Anliegen von PETA geerdet. In dieser Kampagne gibt es nahezu unzählige Motive, alle Prominente stellen sich kostenlos für das Shooting zur Verfügung, auch die Fotografen

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arbeiten ohne Honorar. Großenteils werden die Anzeigen- und Plakatflächen pro bono von den Medien zur Verfügung gestellt. Insofern entsteht eine Win-winSituation. Zwischenzeitlich ist das Tragen von echtem Pelz in der Öffentlichkeit als Pelzscham zurecht geächtet (vgl. fashionunited.de/nachrichten/mode/peta). Man darf jedoch die Distraktionswirkung dieses Ansatzes nicht unterschätzen, d. h. die gewählte Form der Umsetzung kann von der Produktbotschaft ablenken. Eine ähnliche Wirkung hat die Einbeziehung von Kindern oder Tieren in die Werbung. Beispiele sind die Spots von Kichemea Reizdarm oder Voltaren Schmerzgel. Auch diese schaffen zunächst einen Hingucker, überdecken jedoch womöglich den Auslobungskern (nicht umsonst empfinden professionelle Schauspieler Filmrollen neben Tieren oder Kindern als undankbar). Dafür hat man zumindest schon einmal die Aufmerksamkeit, die ansonsten für Werbung schwierig genug zu gewinnen ist. Make the Product the hero (auch Bigger than life) ist eine weitere Technik, die das Produkt in den Mittelpunkt stellt. Das heißt, das Produkt ist Held der Inszenierung. Diese Technik wird meist zur Dramatisierung bei Low Involvement-Produkten eingesetzt. Bei Spülmitteln etwa wird ein Problem derart dramatisiert, dass trotz intensiven Scheuerns immer noch Schmutzreste am Geschirr haften bleiben, gegen die auch das bis dato beste Spülmittel nichts hilft. Diese verzweifelte Situation wird nur durch das unvermutete Auftauchen des beworbenen Produkts als neuer Problemlösung gerettet, in dem Fall derart, dass selbst die hartnäckigsten Schmutzreste im Wasser gelöst und weggespült werden. Ähnliche Situationen kennt man aus der Waschmittel-Werbung mit Schmutzresten, die einfach nicht rauszukriegen sind oder der Bodenreiniger-Werbung mit Streifen und Schlieren, die spiegelnden Fliesen entgegenstehen. Ein prägnantes Beispiel war die Volkswagen Käfer / Beetle-Kampagne. Sie kultivierte das Underdog-Image des Produkts, war sympathisch, aber auch eigenwillig. Gerade weil der Käfer anderen Automodellen hinsichtlich aller relevanten Parameter aussichtslos unterlegen war, war die Herausstellung des Produkts unwiderstehlich. Dafür gibt es eine Reihe markanter Anzeigenbeispiele: • „Think small“ mit einer provozierend kleinen Produktabbildung des Käfers, im Kontrast zur ansonsten protzigen Autowerbung, • „Lemon“, ein völlig einwandfrei erscheinender Käfer, der dennoch wegen e­ iner Kleinigkeit durch die Qualitätskontrolle gefallen ist und nicht ausgeliefert werden durfte, • „Es gibt Formen, die man nicht verbessern kann“ mit der eigenständigen, unverwechselbaren Ei-Form der Käfer-Karosserie, • „It does all the work, but on Saturday night, which one goes to the party?“, der Käfer einsam in einer Doppelgarage. Trojanisches Pferd ist eine Form der Werbung, die äußerlich elegant auftritt, aber im Kern sehr verkäuferisch wirkt. Durch diese Kombination wird vermie-

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den, vermeidbar marktschreierisch / reklamig (aggressive attention) auftreten zu müssen, um die erforderliche Handlungskonversion zu erreichen oder aber zwar zurückhaltend, aber auch „in Schönheit sterbend“ (Kunst). Dieser Mittelweg ist sehr schwierig zu erreichen. Ein häufig genanntes Beispiel ist die nunmehr seit Jahrzehnten laufende SixtKampagne (Jung von Matt). Sie tritt souverän und großformatig auf, immer im gleichen Corporate Design und professionell gestaltet. Zugleich präsentiert sie auch immer ein konkretes Produktangebot (meist Mietwagen), das einen Angebotsvorteil gegenüber der Konkurrenz ausmacht. Dadurch ist sie potenziell sehr verkaufsstark. Zugleich vermeidet durch ihre intelligente Anlage, die von der Zielgruppe verstanden werden dürfte, platte werbliche Aufdringlichkeit. Headline-Beispiele sind: Lieber zu Sixt als zu teuer, Business Class fahren – Economy zahlen, Das Gerücht: Mercedes hat Sixt gekauft – Die Wahrheit: Sixt hat Mercedes gekauft, Anderer Wirkstoff, gleiche Wirkung (in Anlehnung an Viagra). Das Trojanische Pferd war lange Zeit Sinnbild der JvM-Werbephilosophie und sogar als vier Meter hohe Holzfigur im Foyer aufgebaut. Editorial (Long Copy) ist eine journalistisch angelegte Kampagnenform. In vergleichsweise langen Texten werden die Angebotsvorteile, die Verwendungs­ situation, die Problemlösung etc. eines Produkts in der Printwerbung erklärt. Dabei wird vorausgesetzt, dass die Zielpersonen diese Informationen als relevant, interessant, informativ o. Ä. genug empfinden, sich die Zeit zur Lektüre zu nehmen. Dies wird in einem schnelllebigen Umfeld jedoch immer zweifelhafter. Bemerkenswerte Ansätze stammen international von Rolls-Royce („At 60 miles an hour the loudest Noise in this new Rolls-Royce comes from the electric clock“ / O & M) und national von Rewe („Kartoffelkunde. Neu ausgegraben“ oder „Ein paar Körnchen Wahrheit über Reis“ / HSR & S). Legendär aber ist die Kampagne von o.b. / Carl Hahn. Sie berührte ein bis dato stigmatisiertes Thema, die Intimhygiene. Marktführend waren zu ihrer Zeit „Monatsbinden“. Es gab also zwei konkurrierende Produktsysteme für dieselbe Problemlösung und es ging daher zunächst um die generische Argumentation zu einem Systemwechsel. Tampons hatten erhebliche Leistungsvorteile (unsichtbar, sicher, praktisch nicht spürbar), jedoch begegneten Frauen ihnen damals mit Vorbehalten. Daher war generische Aufklärung erforderlich, um den Marktzugang zu ermöglichen. Zum ersten Mal wurde diese in Massenmedien durch kommerzielle Anzeigen geboten (vordem nicht oder allenfalls im redaktionellen Teil von Jugend- / Frauenzeitschriften). Als Zielgruppe wurden vor allem Mädchen / junge Frauen identifiziert, die wohl am ehesten zum Systemwechsel zu bewegen waren. Zu diesen wurde in sachlicher, unverklemmter und objektivierender Tonalität kommuniziert (z. B.: „Was ist eigentlich mit dem Jungfernhäutchen, wenn ein Mädchen Tampons nimmt?“). Der Erfolg war überwältigend (Agentur DDB) und Tampons sind heute trotz gravierender Leistungsverbesserungen bei Binden das marktführende System, und o.b. (J & J) nach wie vor Marktführer.

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9.2.4 Gestaltungsmittel Als Gestaltungsmittel werden darüber hinaus überall gleichermaßen folgende Elemente eingesetzt: • Tonalität / Tone of Voice als Stil der Ansprache der Zielpersonen, • Visualität / Key Visual als Kernbilder der Veranschaulichung, • Stilkonstanten wie Layoutraster, Typografie, Farbstimmung, Fotostil, Logo, Jingle, Slogan. Die Definition dieser Elemente ist unter Rücksicht auf Kreationsinteressen im Marketing nur als strategischer Rahmen zu sehen und keinesfalls als konkrete Gestaltungsfestlegung. Allerdings kann daraus nicht geschlossen werden, dass auf solche Definitionen zu verzichten sei. Ganz im Gegenteil. Denn gerade die Creative Platform hilft, die Unmenge möglicher Inszenierungen von Werbebotschaften auf eine bewältigbare sinnvolle Teilmenge zu konzentrieren. Damit aber stellt sie eben keine Einengung der Kreativität dar, sondern im Gegenteil ein Mittel zu deren Effektivitätssteigerung durch Vorgabe erfolgversprechender Suchfelder. Nicht mehr das Universum aller Möglichkeiten ist damit Ausgangspunkt kreativer Überlegungen, sondern ein selektierter, chancenreicher Zielkanal. Zwischen Positioning Statement und Creative Platform ergibt sich zugleich die Schnittstelle zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer in der Werbung bzw. Marketing und Kreation. Viele Unternehmen engen jedoch die Umsetzungsmöglichkeiten durch umfangreiche Vorgaben ein. So hat Procter & Gamble über Jahrzehnte hinweg auf internationaler Ebene dezidierte Gestaltungsvorgaben für die Werbemittel gekannt. Diese lauteten etwa wie folgt: • Werbung muss wirkungsvoll kommunizieren. • Das Bild soll die Geschichte erzählen. • Dazu gehört die Bestätigung des gebotenen Produktnutzens / Proof. • Der Produktnutzen muss demonstriert werden. • Die gezeigten Situationen dürfen dem Verbraucher nicht fremd sein. • Der Verbraucher soll dem Produkt in einer ihm vertrauten Umgebung begegnen. • Der Markenname muss akustisch und optisch überkommen, • Der Produktnutzen muss wiederholt festgehalten werden. • Sorgen über zu viele Worte sind trotz Low Involvement überflüssig. • Eigene Autoritäten haben Vorrang vor Prominenten wie legendär bei C ­ lementine. • Es ist nicht zwingend zu zeigen, warum das Produkt etwas leistet / Reason Why. • Außer dem rationalen Vorteil soll auch ein emotionaler Nutzen versprochen werden.

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• Der Einsatz bewährter Techniken wie Slice of Life, Verbraucher-Testimonial oder Produkt-Präsenter empfiehlt sich. Slice of Life-Geschichten sind besonders bewährt wie etwa beim Spülwettkampf zwischen Villa Riba und Villa Bacho mit Fairy Ultra. • Der Einsatz von Testimonials erhöht die Anteilnahme der Zuschauer und die Glaubwürdigkeit. • Der einzelne Präsenter kann mit oder ohne Produktdemonstration auftreten. • Musik zur Untermalung ist willkommen. • Vergleichende Werbung darf niemals die Konkurrenzmarke nennen. • Haben billige Handelsmarken einen hohen Marktanteil, können diese kommunikativ angegriffen werden. • Das Produkt muss ernsthaft behandelt werden. • Die Kontinuität erfolgreicher Kampagnen ist wichtig. • Werbung muss in Tests weiterentwickelt werden. Speziell für TV-Spot gelten aktuell folgende Empfehlungen („lessons learned“): • Preise den Nutzen prominent an. Beginne die Werbebotschaft mit einer direkten Anrede. Betone die Lösung, nicht das Problem. Zeige die Verpackung in den ersten acht Sekunden. Verbinde die Marke mit einer Story im Werbespot. Die Zielpersonen müssen den Nutzen sehen. Zeige das Produkt in Aktion, aber keine technischen Details. Zeige, was du sagst, sage, was du zeigst. Nimm „echte“ Menschen, keine bekannten Persönlichkeiten. Speziell für Printanzeigen gelten aktuell folgende Empfehlungen: • Verwende ein interessantes Bildelement. Zeige den Nutzen im Bildelement. Verbinde die Headline mit dem Bildelement. Zeige das Produkt. Halte die Anzeige kurz und bündig. Mache den Nutzen glaubhaft. Fasse die Aussage in einer Schlusszeile zusammen. Zwischenzeitlich sind demgegenüber erhebliche Auflockerungserscheinungen sichtbar, etwa bei Clearasil oder Oil of Olaz. Eine bekannte Forderung des hoch dekorierten Kreativen Michael Schirner (Ex-GGK-Chef) läuft demgegenüber auf einen Primat der Kreation für die Kampagnenarbeit hinaus. Er fordert: • Ein Kreativer soll Chef der Werbeagentur sein. Denn die Werbeagentur lebt letztendlich vom kreativen Produkt. Und für die flankierende kaufmännische Seite lassen sich vergleichsweise leicht geeignete Spezialisten finden. • Die Qualität der produzierten Kampagnen muss zum obersten Arbeitsziel der Agentur werden. Denn ebenso wie bei der Güterproduktion gilt auch für die kreative Beratungsleistung der Anspruch vom Total quality Management.

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• Kreative Mitarbeiter sollen bei der Marketingstrategie involviert sein. Mangelndes Fachwissen wird dabei potenziell durch unkonventionelle Sichtweisen, die neue Marktchancen eröffnen, mehr als überkompensiert. • Kreative Mitarbeiter sollen auch bei der Mediastrategie involviert sein. Denn häufig ist „the medium the message“, beispielsweise beim Conti-Reifenstapel als Litfaßsäulenmotiv. • Die Kreativen, die sich eine Kampagne ausgedacht haben, sollen sie auch beim Auftraggeber präsentieren. Denn es kommt weniger auf geschliffene Rhetorik als vielmehr auf Authentizität in der Überzeugung an. • Marktforschern soll „Hausverbot“ erteilt werden. Der Hintergrund dieser Forderung liegt in der leidvollen Erfahrung, dass viele ungewöhnliche Kampagnen den Mafo-Pretest nicht überstehen und damit gar nicht erst am Werbemarkt erscheinen. Eine lange Diskussion gibt es über die Präferenz unterhaltender oder informativer Werbung. Natürlich will jeder Werbungtreibende ein Maximum an Information über die diversen erstaunlichen Eigenschaften, die sein Produkt auszeichnen, überbringen. Das Problem ist jedoch, dass sich außer ihm selbst dafür kaum jemand wirklich interessiert. Da das Zustandekommen von Kommunikation aber gerade davon abhängig ist, dass es Botschaftsempfänger gibt, und diese für Unterhaltung im Allgemeinen aufgeschlossener als für Information sind, hilft es, wenn es eine unterhaltende Komponente gibt. Strittig ist allerdings der Anteil dieser Komponente. Denn Werbung hat definitionsgemäß immer auch einen Informationsanteil, im Unterschied zur reinen Unterhaltung. Insofern ist ein Kompromiss zwischen sowenig Unterhaltung wie als Mittel zum Zweck nötig und soviel Information wie im Transport möglich zu finden. Darüber, wo dieses Optimum auf einem Kontinuum anzusiedeln ist, gehen die Meinungen weit auseinander. Am weitesten in Richtung Information ist sicherlich die Werbung für Industriegüter ausgelegt. Denn vermeintlich handelt es sich dabei um einen sehr rationalen, analytischen Entscheidungsprozess. Am weitesten in Richtung Unterhaltung ist die Werbung für Hightouch-Güter wie Kosmetika, Modeartikel oder Duftwässer angesiedelt, weil diese untereinander sachlich kaum differenzieren, also nur durch „Welten“ zu trennen sind. Klar ist, dass der Mensch als Gefühlswesen immer einer unterhaltenden Komponente bedarf, diese aber wiederum nicht so ausgeprägt sein darf, dass die Produktinformation überdeckt wird. Die Gratwanderung dazwischen ist schwierig und gelingt recht selten. Die Entwicklung des Kampagnenformats ist zugleich die Schnittstelle von der Marketingfunktion hin zur Kreation. Das heißt, nunmehr geht es um die sinnlich wahrnehmbare Umsetzung des systematisch-analytischen Konzepts. Es hat sich bewährt, dafür ein „Konzeptpapier für die kreative Umsetzung“ in Form eines Formulars zugrunde zu legen, damit an der Schnittstelle keine Informationsverluste auftreten. Dieses ist später auch Messnormal für die Evaluierung des kreativen Outcome.

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Folgende Beispiele zeigen die konkrete Ausformulierung von Positioning Statement und Creative Platform auf. Zahnpflege / -gesundheit kommt Eigenwert zu, zumal in der Familie. Zwar putzen sich Kinder ungern die Zähne, doch weil sie angenehm nach Frucht schmeckt, mögen sie sehr wohl X.-Zahncreme. Die Fluorwirkstoffe in X. können so intensiv auf den Zahnschmelz einwirken und ihn härten. Das Gebiss ist besser gegen Karies geschützt, und die Milchzähne können ihre Statthalterfunktion erfüllen. Damit verringert sich die Gefahr von Fehlstellungen für die zweite Zahngeneration. Zielpersonen sind jeweils die Eltern als Entscheider. So ergeben sich verschiedene Akzentuierungen der Auslobung. Option 1: Geschmack • Angebotsanspruch: Mit X. putzen Kinder lieber, länger und öfter, die Zähne und bewirken damit Kariesprophylaxe. • Anspruchsbegründung: X. schmeckt angenehm nach Frucht. • Nutzenversprechen: Die Fluorwirkstoffe in X. wirken intensiver auf den Zahnschmelz ein, härten ihn und beugen damit Karies nachhaltig vor. Option 2: Spezifikum • Angebotsanspruch: X. ist der beste Kariesschutz speziell für Kinder, deshalb ist sie die geeignete Zahncreme zur Pflege der Milchzähne, • Anspruchsbegründung: X. schmeckt angenehm nach Frucht  – damit macht Zahnpflege Kindern Spaß, und dies schafft die Voraussetzungen für gute Zahngesundheit. • Nutzenversprechen: Gesunde Milchzähne verhindern kariesbedingte Zahnschmerzen und vorzeitigen Verlust der Milchzähne durch Karies. Option 3: Verantwortung • Angebotsanspruch: Verantwortungsvolle Eltern halten ihre Kinder so früh wie möglich zur Zahnpflege an. X. ist dafür die geeignete Zahncreme. • Anspruchsbegründung: Schon die Zahnpflege im frühen Kindesalter ist wesentlich entscheidend für die Zahngesundheit des erwachsenen Menschen. • Nutzenversprechen: Die Eltern können sicher sein, dass sie die besten Voraussetzungen für gesunde Zähne ihres Kindes schaffen. Option 4: Kariesbedrohung • Angebotsanspruch: X. bekämpft die allgegenwärtige Kariesbedrohung der Milchzähne, denn X. ist stärker als Karies. • Anspruchsbegründung: Moderne Ernährungsgewohnheiten bedrohen gerade bei Kindern die Zahngesundheit. X. aber hat hoch wirksame Fluorverbindun-

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gen, die vor Karies schützen. Der angenehme Fruchtgeschmack fördert zudem die Anwendung. • Nutzenversprechen: Keinerlei Sorge der Eltern mehr über den Süßigkeitenverzehr ihrer Kinder hinsichtlich deren Zahngesundheit. Denn der optimale Schutz vor Karies macht es leicht, den Kindern guten Gewissens etwas zu gönnen. Option 5: Angst vor dem Zahnarzt • Angebotsanspruch: X. erspart dem Kind die frühe Kariesbehandlung beim Zahnarzt. • Anspruchsbegründung. X. enthält hoch wirksame Fluorverbindungen zum Schutz vor Karies, der angenehme Fruchtgeschmack fördert die Anwendung und verlängert dadurch die Einwirkzeit. • Nutzenversprechen: Kindheit frei von Angst vor dem Zahnarzt. Z. ist die Automarke, mit der Autofahrer mehr vertraut sind als mit jeder anderen und die eine sehr hohe Sympathie genießt. Imagestärken liegen vor allem bei den Dimensionen Sicherheit, Zuverlässigkeit, Verbrauch, Verarbeitungsqualität und Kundendienst, Schwächen betreffen Komfort und gleicherweise Persönlichkeit. Eine Neupositionierung soll Akzente setzen und lautet wie folgt: • Angebotsanspruch: Alle Z.-Fahrzeuge verbinden auf intelligente Art erlebbare Funktionalität mit sprichwörtlicher Markensicherheit. • Anspruchsbegründung: Ausgereifte Technologie als Konzeptbestandteil aller Modellreihen gewährleistet hohe Bedienungsfreundlichkeit und Gebrauchstüchtigkeit. • Nutzenversprechen: Es ist vernünftig, einen Z. zu fahren. Und es macht außerdem Spaß. Diese Kombination macht Z.-Automobile für die Mehrzahl aller Auto­fahrer zum besten Kauf. • Nutzenbeweis: Konzept und Eigenschaften der einzelnen Modellreihen. D. stellt höchstwertige Lautsprechersysteme her, die als High-End-Boxen unter HiFi-Freaks ohnehin bekannt sind. Nun sollen zusätzlich gut verdienende Personen, die nicht unbedingt HiFi-Freaks sind, aber von ihrer Preisbereitschaft her als Käufer in Frage kommen, angesprochen werden: • Angebotsanspruch: Die Qualität der Lautsprecher bestimmt entscheidend die Klangqualität der gesamten Anlage. Daher sind erstklassige Lautsprecher unerlässlich für jede hochwertige Tonanlage. Das Positioning Statement lautet: D.Lautsprecher haben eine überlegene Qualität in Technik, Mechanik und Verarbeitung, allen voran das Top-Modell, aber mit den gleichen Familienmerkmalen die übrigen Modelle der Serie. • Anspruchsbegründung: Nur beste Lautsprecher sind in der Lage, alle elektrischen Informationen, die vorgeschaltete Anlagenkomponenten erzeugen und

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verarbeiten, optimal, also ohne etwas hinzuzufügen oder wegzulassen, in Ton umzusetzen. Konstruktive Besonderheiten in Form von Gehäusekorpus, Schallführung, Membranmaterial etc. sorgen bei D.-Lautsprechern für bestmögliche Ergebnisse. • Nutzenversprechen: Die richtigen Lautsprecher erlauben höchsten Hörgenuss, ausgedrückt in Schönheit, Klarheit, Dynamik, Lebendigkeit, Brillanz und Detailreichtum des Klangs.

9.3 Kreativtechniken Kreativität ist ganz allgemein die menschliche Fähigkeit, Kompositionen, Produkte oder Ideen hervorzubringen, die in wesentlichen Merkmalen neu sind. Und zwar im Einzelnen als vorstellungshaftes Denken, im Zusammenfügen von Gedanken, als Aufsummierung von bereits Bekanntem, durch Bilden neuer Muster und Kombinationen aus Erfahrungswissen, Übertragung bekannter Zusammenhänge auf neue Situationen und Entdecken neuer Beziehungen. Basis dafür ist das laterale Denken, das gewohnte Rahmen verlässt, um neue Problemlösungen zu erreichen, herkömmliche Gedankenmuster mittels intuitiver Einfälle verändert und dadurch neue Möglichkeiten erkennt sowie viele Ideen in vielen Richtungen erzeugt, indem Intuition bewusst eingesetzt wird. Dabei wird die Ideensuche auch dann fortgesetzt, wenn schon viel versprechende Lösungsmöglichkeiten vorliegen. Auch zunächst abwegig erscheinende Lösungswege werden weiterverfolgt, um durch Analogien zu guten Lösungen zu gelangen. Typisch sind in dieser Hinsicht ein sprunghaftes Vorgehen zur Bildung neuer Denkmuster und ein provokatives Vorgehen zur Generierung neuer Problemlösungen. Laterales Denken ist jedoch oftmals verpönt, weil logisches (vertikales) Denken in der Gesellschaft höher eingeschätzt wird. Hindernisse für Kreativität liegen somit in Blockaden vielfältiger Art, vor allem im unnötig eingeengten Suchfeld, im voreingenommenen Verständnis der Problemwahrnehmung, in eingeübten Mustern und Schubladendenken, in Gewohnheit mit Vernunftsbetonung und Logik durch invariate Deutung. Weitere Sperren sind emotionaler, kultureller und intellektueller Art, Umwelt-, Ausdrucks- und Fantasiescheren. Bremsend wirken auch Expertentum, Risikoscheu und vorschnelle Bewertung. Zur Stimulierung kreativer Prozesse wird eine Vielzahl verschiedenartiger Techniken vorgeschlagen. Es handelt sich insbesondere um intuitiv-laterale, logisch-diskursive und systematisch-adaptive Verfahren.

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9.3.1 Beispiele intuitiv-lateraler Techniken Intuitiv-laterale Verfahren entsprechen gemeinhin als „typisch“ angesehenen Kreativitätstechniken. Es handelt sich, neben zahlreichen anderen Verfahren, vor allem um das Brainstorming und die Methode 6-3-5. Das klassische Brainstorming ist die spezielle Form einer Gruppensitzung, in der durch ungehemmte Diskussion mit fantasievollen Einfällen kreative Leistungen erbracht werden. Sie ist die wohl bekannteste Kreativitätstechnik und arbeitet nach dem Prinzip freier Assoziation. Menschen werden ermutigt, spontan und ungehemmt eine große Anzahl von Ideen zu produzieren. Insofern kommen eher Problemstellungen in Frage, die wenig komplex und dafür klar definierbar sind. Dabei sind allerdings einige wenige Regeln zwingend einzuhalten: • Die Teilnehmer können und sollen ihrer Fantasie freien Lauf lassen. Jede Anregung ist willkommen. Ideen sollen originell und neuartig sein (Freewheeling is welcomed!). • Ideenmenge geht vor Ideengüte. Es sollen möglichst viele Ideen erzeugt werden, auf die Qualität kommt es hingegen zunächst nicht an (Quantity is wanted!). • Es gibt keinerlei Urheberrechte. Die Ideen anderer Teilnehmer können und sollen aufgegriffen und weiterentwickelt werden. So kommt es zu Assoziations­ ketten (Combinations and improvements are sought!). • Kritik oder Wertung sind während des Brainstorming streng verboten. Es kommt auf eine positive Einstellung gegenüber eigenen und fremden, selbst zunächst abstrus erscheinenden Ideen an (Criticism ruled out!). Die Methode 6-3-5 arbeitet mit sechs Gruppenmitgliedern, die jeweils drei Umsetzungsvorschläge nach neuer Problemdefinition innerhalb von mindestens fünf Minuten in ein Formblatt eintragen und dieses jeweils, insgesamt fünf Mal, im Uhrzeigersinn an ihren Nachbarn weiterreichen, der seinerseits drei weiterentwickelte Umsetzungsvorschläge hinzufügt, also 108 Vorschläge insgesamt. Dabei gelten folgende Regeln: • die Problemvorstellung wird zunächst durch den Auftraggeber vorgetragen und erläutert, • die Teammitglieder versuchen, das Problem in verschiedener Hinsicht neu zu formulieren, und der Auftraggeber wählt die ihm am interessantesten erscheinende Neuformulierung aus, • Eintragung der Neuformulierung in ein Formblatt, von nun an herrscht in der Gruppe absolutes Stillschweigen, • jedes Teammitglied trägt in sein Formblatt drei Ideen zur Umsetzung ein, die dafür zur Verfügung stehende Zeitspanne wird oft kontinuierlich verlängert,

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• die Formblätter werden an den jeweiligen Nachbarn weitergegeben, und jedes Teammitglied ergänzt die Ideen des Vorgängers um drei neue oder weiterent­ wickelte eigene Ideen, • die Formblätter werden danach wiederum weitergegeben, bis jeder Teilnehmer jedes Formblatt bearbeitet hat. 9.3.2 Beispiele logisch-diskursiver Techniken Logisch-diskursive Verfahren zeichnen sich durch einen kombinatorischen Ansatz zur Ideenfindung aus. Es handelt sich im Wesentlichen um den Morphologischen Kasten in zahlreichen Varianten. Der Morphologische Kasten nimmt die Aufgliederung eines Problems hinsichtlich aller Parameter und die Suche nach Möglichkeiten zu deren neuer Kombination (Was!) vor. Das Problem wird dabei in seine Problembestandteile zerlegt, die grafisch in einem Kasten untereinander angeordnet werden. Neben jedes Problemelement werden dann möglichst viele Lösungsmöglichkeiten geschrieben, deren Kombination verschiedene Lösungen des Gesamtproblems ergibt. Allerdings ist es oft schwierig, aus der großen Zahl der Kombinationsmöglichkeiten die beste auszuwählen. Die einzelnen Phasen lauten: • Genaue Beschreibung und Definition des Problems mit zweckmäßiger Verallgemeinerung, • Ermittlung der Parameter, der Aufgabenstellung, diese Faktoren werden in die Kopfspalte einer Matrix eingetragen, • Aufstellung des morphologischen Kastens mit Eintrag aller Lösungsvorschläge für Problemparameter jeder Zeile der Matrix, • Sichtung aller möglichen Lösungskombinationen auf Grundlage eines geeigneten Bewertungsverfahrens. Es gibt zahlreiche Varianten logisch-diskursiver Verfahren. Bei der Progressiven Abstraktion wird ein Problem in immer größeren Zusammenhängen betrachtet und auf die eigentliche Kernfrage bezogen. Mit jeder Stufe entfernt man sich zwar vom Ausgangsproblem, gewinnt aber zugleich auch neue Einsichten und damit Lösungsansätze. Der Relevanzbaum verfolgt die sukzessive Zerlegung eines Problems mit daran anschließender Alternativensuche zur Schwachstellenbeseitigung auf jeder Stufe der Beeinflussbarkeit. Dabei werden die Lösungsoptionen in geordneter Weise hierarchisch als Baumstruktur dargestellt.

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9.3.3 Beispiele systematisch-adaptiver Techniken Die systematisch-adaptiven Verfahren gehen bei der Ideenfindung von der beste­ henden Lösung als Ordnungsschema aus, scheinen also zunächst durchaus untypisch für Kreativitätstechniken. Häufigste Anwendung ist dabei der Fragenkatalog. Der Fragenkatalog impliziert die gedankliche Modifikation eines Ausgangsproblems durch systematische Infragestellung von Eigenschaften. Er arbeitet mit folgenden Ansatzpunkten zur Modifikation analog einer Checklist: • Vergrößern: Was soll hinzugefügt werden? In welcher Dimension? Stärke? Dicke? Länge? Höhe? Zusatznutzen? Mehr Bestandteile? Verdoppeln? Vervielfachen? Übertreiben? Muss man mehr Zeit aufwenden? Die Frequenz erhöhen? Das Objekt widerstandsfähiger machen? • Verkleinern: Was soll wegfallen? Komprimierter? Miniaturisiert? Niedriger? Kürzer? Weglassen? Aufspalten? Abschwächen? Aerodynamischer? Ist das Objekt in Einzelteile zerlegbar? • Verändern: Neue persönliche Note? Bedeutung? Farbe? Bewegung? Klang? Geruch? Form? Sind weitere Veränderungsmöglichkeiten denkbar? • Anders verwenden: Neue Verwendungsmöglichkeiten bei bestehender Form? Andere Verwendungsmöglichkeiten bei Abänderung des Objekts? Neue Anwendungsmöglichkeiten für andere Personen? • Adaptieren: Wem ähnelt der Gegenstand? Welche andere Idee lässt sich daraus ableiten? Gibt es Parallelen in der Vergangenheit? Kann man etwas übernehmen? Wer kann übertroffen werden? • Ersetzen: Ersatzperson/-sache? Anderer Bestandteil? Anderes Material? Anderes Verfahren? Andere Kraftquelle? Anderer Platz? Anderer Zugang? Anderer Klang? • Kombinieren: Mischung? Legierung? Sortiment? Set? Einheiten kombinieren? Zwecke kombinieren? Ideen verbinden? Mehrere Anwendungsbereiche? • Umkehren: Positiv / negativ vertauschen? Was bedeutet das Gegenteil? Untere Seite nach oben kehren? Rollen austauschen? Kopfseite umdrehen? Seitenflächen umdrehen? Was geschieht, wenn man die Reihenfolge des Ablaufs invertiert? • Neu anordnen: Komponenten austauschen? Neue Bauart? Anderes Layout? Ursache und Wirkung umkehren? Anderes Tempo? Anderer Zeitplan? • Autonomes Objekt: Eigenleben / Verselbstständigung des Problems möglich? Nähe / Abstand wechseln? Metaphern anwenden? Mind Maps arbeiten als Assoziationsverfahren und dienen vor allem als visuelle Hilfsmittel zur Ideenfindung. Dazu wird das Leitmotiv, etwa eine Kampagne zur Produktneueinführung, aussagefähig, aber knapp formuliert, in die Mitte eines Blattes bzw. einer Tafel gestellt. Dann werden Schlüsselwörter gesucht, die als

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IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

Grundlage für die nachfolgenden Assoziationen fungieren. Sie werden strahlenförmig um das Leitmotiv herum angeordnet. Pro Strahl gibt es nur ein Schlüsselwort. Um dieses herum werden kreative Assoziationen aus der Gruppe notiert, so dass daraus ein Netzwerk von Ideen entsteht, die geordnet um das Leitmotiv kreisen. Zunächst wird versucht, so viele Ideen wie möglich zu finden. Die Begriffe werden den dazugehörigen Schlüsselwörtern zugeordnet. Danach wird versucht, die Begriffe prägnanter als Substantive zu formulieren und die Zuordnungsstruktur zu straffen. Alles Überflüssige wird gestrichen. Das Chart kann währenddessen mehrfach gedreht werden, so dass sich neue Perspektiven ergeben. Neben Schrift kann auch mit Farben und / oder Symbolen gearbeitet werden. Vorteilhaft ist vor allem der geringe Arbeitsmitteleinsatz mit Papierbogen, Bleistift und Radierer, so dass auch spontane Improvisation möglich wird. Eingeschränkt ist dies auch als Mind Map-Software möglich. Ähnlich arbeitet Metaplan. Auch hier wird die Arbeit visualisiert, diesmal durch Pappkärtchen in verschiedenen Formen, Farben und Größen. Diese werden mit Pins auf einer Hefttafel befestigt. Dazu schreibt jeder Teilnehmer zunächst seine Idee kurz auf ein Kärtchen auf. Die Kärtchen aller Teilnehmer werden eingesammelt, vorgelesen und auf der Hefttafel zu Gruppen ähnlicher Inhalte angeordnet, für die durch das Team ein Oberbegriff gebildet wird. Jeder Teilnehmer erläutert seine Idee in max. 30 Sekunden, die Gruppe entscheidet dann über die Zuordnung zu den Klumpen, die evtl. auch gewichtet sein können. Die verdichteten Ideen werden danach in Kleingruppen bearbeitet und als detailliertere Ideenvorschläge präsentiert. Arbeitsmittel sind auch hier nur Pappkärtchen, Filzstifte und Pins. Denkbar ist aber auch die Verwendung von Symbolen oder Bildern. Vorteilhaft sind die gleichberechtigte Beteiligung aller Teilnehmer (Butler-Regel), von der eine hohe motivatorische Wirkung ausgeht. Auch die Dokumentation der Vorschläge ist praktisch, der Zeitaufwand bleibt gering. Allerdings bedarf es eines in der Methode geschulten Moderators zur Strukturierung des Ablaufs. Bei allen Techniken erfolgt erst nach Abschluss des Kreativprozesses eine Ideensichtung im Screening, indem alle erarbeiteten Ideen grob auf ihre kommunikative Eignung hin geprüft. Die wenigen Ideen, die diese Vorselektion überstanden haben, werden dann einer Ideenbewertung im Scoring unterzogen, um die beste Idee zu selektieren.

9.4 Konzeptverbund Aus der Konzeptentwicklung entsteht ein fester Verbund von Stufen: • Die Konzeptvorstufe besteht im Wesentlichen aus den Bausteinen Darstellung des Angebotsumfelds (3.1), Marktsegmentierung / Marketingstrategie (3.2/3.3), Kaufverhaltenseinflüsse (3.5), Kommunikationsziele (5.1), Kommunikationsbudgetierung (5.2), Ressourcenallokation (5.3) und Planungsrahmen (6.)

9. Entwicklung des Kampagnenformats 

419

• Die Konzepthauptstufe besteht, wie gerade behandelt, im Wesentlichen aus den Bausteinen Zielpersonengruppe (7.), Optionen der Absatzquelle (8.3), Festlegung der Positionierung (8.4) und Entwicklung des Kampagnenformats (9.). • Die Konzeptnachstufe besteht dann aus Klassischer Werbung / Werbemittel (10.), Internet-Kommunikation (12./13./14.), Nicht-klassischen Basis- und Zusatzins­ trumenten (15./16./17./18./19./20./21./22.) sowie der Implementierung des Kommunikations-Mix (23.). Der Konzeptverbund verengt sich dabei von der Vorstufe auf die Hauptstufe der Eckpfeiler und weitet sich von dort wieder auf die Nachstufe der Umsetzung aus (siehe Abbildung IV/96: Konzeptverbund).

Abbildung IV/96: Konzeptverbund (Quelle: eig. Darst.)

Zielpersonengruppen-, Absatzquellen-, Positionierungs- und Kampagnenformatdefinitionen bauen aufeinander auf. Dies muss jedoch nicht unbedingt in gerader Linie erfolgen. Vielmehr ist es eher typisch, dass auf jeder Stufe Verzweigungen stattfinden. Optionen sind dabei in erster Linie folgende:

420

IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

• es sind durchaus auch zwei oder mehr Zielgruppen parallel oder sukzessiv ansteuerbar, etwa wenn verschiedene Marktsegmente erschlossen werden sollen, • es sind zwei oder mehr Absatzquellen nebeneinander bestimmbar, wenn in diesen Marktsegmenten abweichende Kaufkraftquellen anzuzapfen sind, • es ist hingegen nur eine Positionierung denkbar wegen der Einheitlichkeit des Angebots und wegen unvermeidlicher Überlappungen im Markt, es sei denn, eine Teilzielgruppe grenzt sich gut von anderen ab, z. B. Gay-Gruppe, Ethnic-Gruppe, Teeny-Gruppe etc., dann sind auch abweichende Positionierungen denkbar, weil Überlappungen zwischen den Zielgruppen begrenzt bleiben, • es ist ebenso nur ein Kampagnenformat denkbar, allerdings kann dieses in differenzierter Weise exekutiert werden, jeweils angepasst an Zielpersonengruppen und Absatzquellen und Positionierungen, so dass per Saldo eine gewisse Diversität entsteht.

Abbildung IV/97: Optionale Konzeptdesigns

9. Entwicklung des Kampagnenformats 

421

So ergeben sich folgende optionalen Kombinationen (siehe Abbildung IV/97: Optionale Konzeptdesigns): • Einlinienstruktur, die Definitionen von Zielpersonengruppe, Absatzquelle, Positionierung und Kampagnenformat folgen dabei singulär aufeinander ab. • Verzweigungsstruktur, und zwar hin zu zwei oder mehr Zielpersonengruppen, zwei oder mehr Absatzquellen, verschiedenen Positionierungen und / oder verschiedenen Kampagnenformaten. Daraus wird auch die Bedeutung der Konzeptelemente als strategischer Rahmen für die kreative Umsetzung deutlich. Denn gerade diese helfen, die Unmenge möglicher Inszenierungen der gleichen Werbebotschaft auf eine bewältigbare, sinnvolle Teilmenge zu reduzieren. Damit aber stellen sie gerade keine Einengung der Kreativität dar, wie vielfach behauptet wird, sondern im Gegenteil rationalisieren diese durch Vorgabe effizienter Suchfelder. Nicht mehr das Universum aller Möglichkeiten ist damit Ausgangspunkt kreativer Umsetzung, sondern ein selektierter, von vornherein hoch chancenreicher Zielkanal.

9.5 Bewertungsverfahren Aufgrund des Konzeptdesigns ergeben sich zumeist zwei oder mehr Kampagnenformate. Dann ist zu entscheiden, welche und wie viele davon zur Umsetzung weiterverfolgt werden sollen. Dabei wird häufig eine subjektive, geschmäcklerische Bewertung zugrunde gelegt. Dies ist aber gefährlich, denn über Geschmack kann man trefflich streiten oder auch nicht. Zudem ist nicht der Geschmack der Marketing- und Werbeentscheider gefragt, sondern jener der Zielpersonen. Wie dieser aber konkret ausfällt, kann im Konzeptionsstadium kaum belastbar beurteilt werden. Aufgrund dieser massiven Unsicherheit ist zumindest zu versuchen, objektivierte Bewertungsverfahren für die Entscheidung zu erreichen. Dabei handelt es sich letztlich zwar um eine Scheinobjektivität, weil die Beurteilungskriterien wieder subjektiv basiert sind, jedoch kann zumindest eine transparentere Strukturierung der Entscheidung erreicht werden. Dafür stehen mehrere Bewertungsverfahren zur Verfügung. Ein Punktwertverfahren / Scoring ist anwendbar, sofern es sich um quantitative, kardinale Kriterien handelt, so dass sich die bestmögliche Option ergibt. Grundlage ist dabei eine metrische Punktskala. Dazu werden die relevanten Anforderungen an die Konzeptdefinitionen aufgelistet und jede Option wird hinsichtlich ihrer Ausprägung bei jedem Kriterium mit einem Punktwert / Score versehen. Ggf. kann eine Gewichtung der Kriterien vorgenommen werden. Als Basis dienen Expertenurteile, möglichst über mehrere Experten verschiedener Bereiche hinweg als einfacher oder gewichteter Durchschnittswert ausgewiesen. Dabei muss eine

422

IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

Punkteskala vorgegeben werden wie etwa 0–10 Pkt. Der höchste Punktwert bzw. das höchste Produkt aus Punktwert und Gewichtung ergibt dann die zu präferierende Option (siehe Abbildung IV/98: Punktwertverfahren). Problematisch ist, dass die Mehrzahl der Kriterien qualitativer Natur sein dürfte.

Abbildung IV/98: Punktwertverfahren (Beispiel)

Um zu einer realistischen Einschätzung zu gelangen, sollte besser eine Konstantsummenskala angewandt werden. Dabei ist die Gesamtzahl der zu vergebenden Punkte vorgegeben. Diese werden dann auf die Optionen verteilt. Dies zwingt zu einer Entscheidung, da ansonsten die Tendenz besteht, alles „sehr gut“ zu finden. Dazu sind beispielsweise je Merkmal 100 Punkte auf die zu beurteilenden Kampagnen zu verteilen. Die Option mit der höchsten Punktsumme ist dann die zu bevorzugende (siehe Abbildung IV/99: Konstantsummenskala). Die Bewertung erfolgt als qualifizierte Schätzung durch mehrere Experten, aus deren Ergebnissen ein, womöglich gewichteter, Durchschnitt gebildet wird. Checklist-Verfahren prüfen dichotom das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein vorgegebener Kriterien bei jeder Entscheidungsoption. Sie gilt damit für nominale Kriterien. Dabei können Musskriterien und Sollkriterien unterschieden werden, je nachdem, ob die entsprechenden Kriterien als Ausschluss oder als Wunsch angesehen werden. Die Beurteilung erfolgt jeweils durch „zutreffend“/ „unzutreffend“ (bipolar) bzw. „schwach“ / „mittel“ / „stark“ (gestuft). Die Option

9. Entwicklung des Kampagnenformats 

423

mit den meisten „Zutreffend“-Urteilen gilt als überlegen (siehe Abbildung IV/100: Checklist-Verfahren). Allerdings kann auch eine suboptimale Wahl entstehen, wenn alle Optionen mehr oder minder notleidend sind.

Abbildung IV/99: Konstantsummenskala (Beispiel) (Quelle: eig. Darst.)

Abbildung IV/100: Checklist-Verfahren (Beispiel)

Beim Paarvergleich werden von allen Optionen reihum jeweils zwei Optionen miteinander verglichen, die Option mit den meisten Überlegenheitsurteilen gilt als die beste. Dabei sind die Bewertungskriterien festzulegen. Sofern diese qualitativer Natur sind, müssen sie zunächst in quantitative Daten umgewandelt werden.

424

IV. Eckpfeiler der Konzeptentwicklung

Bei der Gegenüberstellung erhält die überlegene Option ein „ + “-Zeichen (oder 1), die unterlegene ein „ – “-Zeichen (oder -1). Bei Gleichstand ergibt sich eine „0“. In der Matrix werden sodann die Überlegenheitsvergleiche addiert und mit den Unterlegenheitsbereichen subtrahiert (siehe Abbildung IV/101: Prinzip des Paarvergleichs). Der Saldo gibt an, wie die Bedeutung einer Option relativ zu allen anderen zu beurteilen ist.

Summe

… ist im Vergleich zu dieser Idee A

Diese Idee …

A

B

C

D

E

F

G

1

1

1

−1

0

−1

1

1

0

1

−1

−1

−1

1

1

−1

−1

−4

1

−1

−1

−1

1

−1

−2

1

3

B

−1

C

−1

−1

D

−1

0

1

E

1

−1

−1

−1

F

0

1

1

1

−1

G

1

1

1

1

1

−1

Schlüssel: 1 besser 0 gleich −1 schlechter

4

Abbildung IV/101: Prinzip des Paarvergleichs (Quelle: zephram.de/Blog/ideen-bewertung/ideenbewertung-paarvergleichsmatrix/)

Bei der Dominanzprüfung werden nur zwei Entscheidungskriterien in Bezug auf jede Option bewertet. Durch die Reduktion auf zwei Kriterien kann dieser Vergleich grafisch in einem Quadranten vorgenommen werden. Dazu wird ein Fahrstrahl in den Quadranten gelegt, falls beide Kriterien gleichgewichtig sind, verläuft dieser winkelhalbierend, bei Ungleichgewichtigkeit ist der Steigungswinkel in Bezug auf das wichtigere Kriterium steiler, für das unwichtigere flacher. Dann wird die Leistungsfähigkeit der Optionen in Bezug auf die beiden Kriterien grafisch eingetragen. Diejenige Option hat als die leistungsfähigste zu gelten, deren Lot auf den Fahrstrahl von der Quadrantenposition aus am weitesten vom Ursprung entfernt liegt (siehe Abbildung IV/102: Dominanzprüfung). Die einzelnen Optionen können auch als Profil dargestellt werden. Dazu werden alle Kriterien untereinander aufgeführt. Neben jedes Kriterium werden jeweils die relevanten Ausprägungen der Alternativen angegeben. Dann wird für jede Option die gewählte Alternative markiert und diese Markierungen werden untereinander grafisch verbunden. Die sich ergebende Linie stellt somit das Leistungsprofil dar. Ebenso kann für jede Option die Idealausprägung markiert und diese untereinander gestellt verbunden werden. Die Abstände zwischen Idealprofil und Zielprofil weisen dann die hinzunehmenden Abweichungen aus, von mehreren Optionen ist diejenige die zu präferierende, die dem Ideal am nächsten kommt.

9. Entwicklung des Kampagnenformats 

425

Abbildung IV/102: Dominanzprüfung (Beispiel)

Literaturhinweise Backhaus, Klaus / Voeth, Markus: Industriegütermarketing, 10. Auflage, München 2014 Bak, Peter M.: Werbe- und Konsumentenpsychologie, 2. Auflage, Stuttgart 2019 Felser, Georg: Werbe- und Konsumentenpsychologie, 4. Auflage, Berlin / Heidelberg 2015 Foscht, Thomas / Swoboda, Bernhard / Schramm-Klein, Hanna: Käuferverhalten, 6. Auflage, Wiesbaden 2017 Großklaus, Rainer H. G.: Positionierung und USP, 2. Auflage, Wiesbaden 2015 Hoffmann, Stefan / Akbar, Payam: Konsumentenverhalten, 2. Auflage, Wiesbaden 2018 Ries, Al / Trout, Jack: Positionierung, München 2012 Scharf, Andreas / Schubert, Bernd / Hehn, Patrick: Marketing, 6. Auflage, Stuttgart 2015 Solomon, Michael: Konsumentenverhalten, 11. Auflage, Hallbergmoos 2016 Teichert, Thorsten / Trommsdorff, Volker: Konsumentenverhalten, 9. Auflage, Stuttgart 2019 Walsh, Gianfranco / Deseniss, Alexander / Kilian, Thomas: Marketing, 3. Auflage, ­Wiesbaden 2019 Weinberg, Peter / Diehl, Sandra / Terlutter, Ralf: Konsumentenverhalten  – angewandt, München 2003 Werani, Thomas: Business-to-Business-Marketing, Stuttgart 2012

V. Medien der Klassischen Werbung 10. Medien und Werbemittel Bei den Mediawerbemitteln der Klassischen Werbung handelt es sich um Anzeigen, Spots und Plakate. Sie unterteilen sich wiederum ein zahlreiche Kategorien (siehe Abbildung V/103: Klassische Werbemittel). Diese gilt es zu vergleichend zu bewerten und ihrem Leistungsprofil entsprechend für Marketingkommunikation einzusetzen. Plakate sind historisch die ältesten Werbemittel, da sie noch vor Druck- und erst recht Elektrotechnik nutzbar waren. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts kamen verstärkt Anzeigen in Printtiteln (vorwiegend Zeitungen) hinzu, danach dann Kinospots und ab Mitte der 1950er Jahre Hörfunk- und auch Fernsehspots.

Abbildung V/103: Klassische Werbemittel

428

V. Medien der Klassischen Werbung

10.1 Mediagattung Print Die Mediagattung Print umfasst im Einzelnen die Bereiche Zeitungsanzeigen, Zeitschriftenanzeigen und Sonstige Printwerbung. Dabei sind jeweils eine Reihe von Sonderformen vorzufinden. Dazu werden die nachfolgenden Informationen bereitgestellt (siehe Abbildung V/104: Formen der Mediagattung Print).

Abbildung V/104: Formen der Mediagattung Print

10.1.1 Zeitungsanzeige Der größte Bereich innerhalb der Anzeigenwerbung betrifft die Zeitungen. Die Zeitung vermittelt jüngstes Gegenwartsgeschehen in kurzer regelmäßiger Folge einer breiten Öffentlichkeit. Sie ist durch zeitliche Nähe als Aktualität, regelmäßige Abfolge als Periodizität, vielfältige Zielgruppen als Publizität und unterschiedlichste Themen als Universalität gekennzeichnet. Merkmale sind eine klare Gliederung des redaktionellen Inhalts, der sich immer in gleicher Reihenfolge präsentiert und am selben Platz. Das Format ist größer als das der Zeitschrift, mehrspaltig, mit mehr Text- als Bildanteil, schwarz-weiß und auf ungestrichenem Zeitungspapier gedruckt. Redaktionelle Schwerpunkte sind Politik, Wirtschaft, Zeitgeschehen, Kultur, Sport, Lokales. Zunehmend verschwinden allerdings Zeitungstitel vom Markt und bei den verbleibenden Titeln geht die Auflage drastisch zurück. Man unterscheidet dabei Zeitungen, • die regional aufliegen und solche, die überregional aufliegen (= Verbreitungsgebiet), • die überwiegend im Abonnement (auf Bestellung) bezogen und solche, die im Einzelverkauf (auf Nachfrage) vertrieben werden (= Bezugsart), • die täglich und solche, die wöchentlich erscheinen (= Erscheinungsintervall). Aus der Kombination dieser Kriterien ergibt sich die Beschreibung aller denkbaren Zeitungstypen. So ist die „Bild-Zeitung“ eine werktäglich erscheinende Kaufzeitung mit überregionaler Verbreitung, die „normale“ Tageszeitung eine täglich erscheinende regionale Abonnementzeitung, die „Zeit“ eine wöchentlich erscheinende, überregionale Kaufzeitung. Außerdem unterscheidet man nach dem Inhalt

10. Medien und Werbemittel

429

meinungsbildende, politische, wirtschaftliche oder kulturelle Zeitungen, die nach Verbreitungsgebiet, Bezugsart und Erscheinungsweise kombiniert auftreten. Daneben gibt es zahlreiche Unterformen wie Heimatzeitungen oder Kirchenzeitungen, die im Weiteren vernachlässigt werden. Tageszeitungen erreichen eine schnelle Verbreitung für aktuelle Botschaften, haben aber nur eine begrenzte Druckqualität, vor allem in Farbe, sind dafür, vor allem als Abo-Titel, recht genau steuerbar, bieten sehr kurze Buchungsfristen, meist zwei Tage vor Druckunterlagenschluss, und eignen sich so insbesondere für aktionale und lokale Maßnahmen. Allerdings ist auch kaum etwas so alt wie die Zeitung vom Vortag. Und das gilt ebenso für die darin befindlichen Anzeigen. Man unterscheidet drei Zeitungsformate, deren Bezeichnungen aber heute keinen räumlichen Bezug mehr haben: • Nordisches Format: 371 mm breit, 528 mm hoch, acht Anzeigenspalten, 4.224 Anzeigenmillimeter Inhalt pro Seite, • Rheinisches Format: 325 mm breit, 487 mm hoch, sieben Anzeigenspalten, 3.409 Anzeigenmillimeter Inhalt pro Seite, • Berliner Format: 278 mm breit, 430 mm hoch, sechs Anzeigenspalten, 2.580 Anzeigenmillimeter Inhalt pro Seite. Die Spaltenbreite beträgt einheitlich jeweils 45 Millimeter im Anzeigenteil. Außerdem gibt es Textteil-Anzeigen im redaktionellen Teil, meist l. Produkt mit überregionaler Redaktion, 2. Produkt mit lokaler Redaktion und AnzeigenteilAnzeigen/„Anzeigenfriedhof“. Für erstere werden Mindestformate vorgegeben, letztere sind zudem erheblich preisgünstiger. Lokale Inserenten erhalten einen um die Mittlerprovision ermäßigten Ortstarif auch für gestaltete Anzeigen. Der Anzeigenpreis berechnet sich nach Millimeter-Höhe je Spalte als mm-Preis im Anzeigen- bzw. Textteil. Die Kosten einer Zeitungsanzeige ergeben sich also als Produkt aus Anzahl der belegten Spalten, belegter Höhe in Millimeter und mmPreis. Da der Anzeigen- und der Textteil der Zeitung unterschiedliche Spaltenbreiten / Spaltenanzahl aufweisen, kann durch einen Umrechnungsfaktor (AnzeigenSpaltenanzahl : Textspaltenanzahl) auch bei einem einheitlichen Millimeterpreis auf den tatsächlichen Preis einer Anzeigenteil- bzw. einer Textteil-Anzeige umgerechnet werden. Fließtextanzeigen sind nicht gestaltet. Sie werden nach Anzahl der verwendeten Worte oder Zeilen, evtl. plus Chiffre-Gebühr, abgerechnet. Üblich ist die Einteilung nach Rubriken wie Finanzen, Gelegenheiten, Kraftfahrzeuge, Immobilien, amtliche Bekanntmachungen, Familie, Unterricht und Fremdenverkehr. Gewerbliche Inserenten sind dabei zu kennzeichnen. Große Teile des Anzeigenvolumens sind zwischenzeitlich auf spezialisierte Webseiten abgewandert. Insgesamt stellt sich daher die Frage nach der Zukunftsfähigkeit geprinteter Zeitungen. Die Prognose ist negativ. Im Internet hat sich zudem eine Free of ChargeKultur entwickelt, bei der Nutzer für Content generell nicht mehr zu zahlen bereit sind. Leider haben einige Zeitungsverlage diesen Trend mitgemacht, so dass es

430

V. Medien der Klassischen Werbung

heute schwierig ist, das journalistische Produkt entgeltlich anzubieten. Dies geht vor allem über Zusatznutzen-Angebote, die Möglichkeiten bleiben hier jedoch eng begrenzt, z. B. Kleinanzeigen. Einige Zeitungsverlage (wie Springer) betreiben im Internet dazu spezialisierte Plattformen. Dennoch büßt die Zeitung zu weiten Teilen auch ihre Bedeutung als Werbemedium ein. 10.1.2 Zeitschriftenanzeige Die Zeitschrift unterscheidet sich von der Zeitung dadurch, dass sie • mindestens im Wochenturnus, • in gebundener, gehefteter oder geklammerter Verarbeitung, • mit eigenständigem Cover, • höherer Seitenzahl, • bei kleinerem Format, meist A 4-ähnlich, als bei der Zeitung, • mit großem Vierfarbanteil, • auf besserem Papier, • zumeist zu höherem Preis, erscheint. Bei Zeitschriften gibt es eine beinahe unüberschaubare Titelvielfalt. Spezialtitel gewinnen aufgrund steigenden Freizeitanteils und intensivierter Hobbys zunehmend an Verbreitung, wohingegen aktuelle Illustrierte oder Programmzeitschriften kontinuierlich an Bedeutung verlieren. Dies führt bei sinkender Totalauflage zu einer Titelinflation. Auch hier kommen stetig neue Titel hinzu, während andere floppen. Die Auflage der Ausgaben schwankt zum Leidwesen der Verlage erheblich, vor allem in Abhängigkeit vom jeweiligen Cover bzw. dem Titelthema. Hinsichtlich der Zeitschriftenarten können nach der Anzahl der redaktionellen Inhalte (monothematisch / multithematisch) und der Art dieser Inhalte (monosektoral / multisektoral) vier Zeitschriftentypen wie folgt unterschieden werden (siehe Abbildung V/105: Zeitschriftenarten). Special Segment-Titel wenden sich an eine spezifische Zielgruppe mit allen thematischen Inhalten, die für diese relevant sind. Special Interest-Titel wenden sich an verschiedenartigste Zielgruppen, allerdings immer nur mit einem thematischen Inhalt (siehe Abbildung V/106: Auswahl von Special Interest-Titeln). General Interest-Titel wenden sich an verschiedenartigste Zielgruppen mit einer breiten Vielfalt von Themen. Und Professional Interest-Titel wie Fachzeitschriften wenden sich an nur eine Zielgruppe, gewerbliche Nutzer, mit nur einem Themenbereich, dem Brancheninteresse (siehe Abbildung V/107: Auswahl von Professional Interest-­ Titeln). Bei Special Interest- und Professional Interest-Titeln ist also ein redaktio-

10. Medien und Werbemittel

431

Abbildung V/105: Zeitschriftenarten

nelles Angebot mit thematischem Schwerpunkt gegeben, der in jeder der periodisch erscheinenden Ausgaben durchgängig und im gesamten Inhalt mit klarem Bezug aller Beiträge dazu vorliegt. Bei General Interest- und Special Segment-Titeln weist das redaktionelle Angebot hingegen vielfältige thematische Inhalte auf, so dass der persönliche Informations-, Wissens- und Freizeitbedarf im privaten Lebensbereich gedeckt werden kann (siehe Abbildung V/108: Sachgruppen für Special Interest- und Special Segment-Titel). Ebenso werden bei Professional Interest-Titeln zahlreiche Bereiche abgedeckt (siehe Abbildung V/109: Sachgruppen für Professional Interest-Titel). Professional Interest-Titel lassen sich in mehrere Rubriken unterteilen: • branchen- und themenorientierte Fachtitel, also Objekte, deren redaktionelles Programm sich an den Informationswünschen eines abgegrenzten Wirtschaftsbereichs orientiert, • branchenübergreifende, funktions- oder berufsgruppenorientierte Fachtitel, also solche, die auf Probleme von Funktionsbereichen eingehen und in Betrieben vieler Branchen vorhanden sind, • prinzip- oder produktorientierte Fachtitel, sie orientieren sich an technologischen Prinzipien, Verfahrenstechniken, Produkt- oder Werkstoffanwendungen, • wissenschaftliche Fachtitel, sie richten sich an Zielgruppen in Forschung und Lehre, finanzieren sich aber weitestgehend nicht über die Schaltung von Anzeigen, sondern über Abonnementeinnahmen, • Export-Fachtitel, deren Ziel es ist, das Leistungsangebot Abnehmern im Ausland zugänglich zu machen. Fachzeitschriften sind ihrem Typ nach eher redaktions- oder eher anzeigenorientiert. Sie können im Wechselversand nach Themenschwerpunkten, in bestimmten Intervallen, nach Kriterien wie Berufsgruppe oder PLZ, aber auch unsystematisch zugestellt werden, zu einem hohen Anteil auch gratis verteilt.

432

V. Medien der Klassischen Werbung

Abbildung V/106: Auswahl Special Interest-Titel

Deutsches Ärzteblatt Lebensmittel-Zeitung Textil-Wirtschaft Werben & Verkaufen Ärzte-Zeitung Computerwoche Horizont Maschinenmarkt Markt & Technik Allgemeine HotelGastronomie-Zeitung Bayerisches LandwirschaftsBlatt Deutsche Logistik-Zeitung FVW (Touristik) Top Agrar Elektronik

Lebensmittel-Praxis CRN (Computer) Land & Forst Pharmazeutische Zeitung Sportswear International Medical Tribune Zahnärztliche Mitteilungen Landwirtschaftl. Wochenblatt Westfalen-Lippe Elektronik-Praxis Deutsche Apotheker Zeitung Deutsche Handwerkszeitung Produktion IT Business News PTA heute Industrie-Anzeiger

Abbildung V/107: Auswahl Professional Interest-Titel

10. Medien und Werbemittel

433

Abbildung V/108: Sachgruppen für Special Interest- und Special Segment-Titel

Abbildung V/109: Sachgruppen für Professional Interest-Titel

Für Zeitschriften generell gilt, dass sie ihre Verbreitung im Markt langsam aufbauen, eine hohe Wiedergabequalität bieten, als SI-Titel gut steuerbar sind, allerdings Buchungsfristen von mindestens drei Wochen aufweisen und sich besonders für imageaufbauende und lernfähige Botschaftsinhalte eignen. Der Werbemittelkontakt ist durch die Eigenschaft der Zeitschrift als statuarisches Medium raumund zeitunabhängig wiederholbar.

434

V. Medien der Klassischen Werbung

10.1.3 Sonstige Printwerbung Daneben gibt es zahlreiche Sonderformen der Printwerbung. Als wichtigste sind folgende zu nennen. Supplements sind regelmäßig erscheinende, thematisch bestimmte, illustrierte Beilagen zu mindestens einem Trägerobjekt als Ergänzung dieser Trägerobjekte mit zusätzlichen redaktionellen Schwerpunkten, die im Trägerobjekt nicht oder nicht so tief behandelt werden. Sie sind kostenlos und werden von Lesern als dessen Bestandteil angesehen. Die Einteilung erfolgt nach den Trägerobjekten in Zeitschrift und Zeitung, nach der Erscheinungsweise in wöchentlich, monatlich oder quartalsweise, nach den redaktionellen Themen, nach der Beziehung Supplement zu Trägerobjekt, etwa gleicher Verlag, ein Trägerobjekt, mehrere Trägerobjekte, mehrere Verlage o. Ä. und nach den Zielgruppen national, regional, gehoben, Experten, Altersgruppe o. Ä. Häufig handelt es sich um Programm-Supplements wie RTV oder Prisma, Entertainment-Supplements oder Fachzeitschriften-Supplements. Der Lesezirkel „besteht“ aus festen Abonnenten, die sechs bis zehn Exemplare nach individueller Zusammenstellung des Inhalts in einer Lesezirkelmappe erhalten. Der Preis bestimmt sich nach Titelselektion und Aktualitätsgrad. Man unterscheidet die Erstmappe, Zweitmappe, Drittmappe, Viertmappe, jeweils ein, zwei, drei, vier Wochen verzögert zum Erstverkauf, die mit zeitlichem Abstand immer preisgünstiger werden. Hier ist Werbung durch Aufkleber auf der Mappenfrontund / oder Rückseite, Beihefter in der Mappe, lose Beilage / Prospekt möglich. Anzeigenblätter / Free Sheets werden kostenlos verteilt, es erfolgt die Belieferung fast aller Privat- und Geschäftshaushalte in regelmäßiger Erscheinungsweise und mit unaufgeforderter Zustellung. Sie haben ausgeprägt lokalen / sublokalen Charakter. Davon zu unterscheiden sind kommunale Wochenblätter im Auftrag der Gemeinden und Offertenblätter als Kaufanzeigentitel. Diese haben einen CopyPreis und oft Ersatzfunktion für lokale Tageszeitungen, die Erscheinungsweise ist meist zweimal wöchentlich. Inhalte sind Anzeigen, Sponsoring, Coop-Werbung, Bartering, PR-Veröffentlichung oder Gemeinschaftsaktion mit Hörfunk (meist unternehmensverbunden). Langzeitmedien bieten beachtliche Werbemöglichkeiten, wobei diese häufig nicht mehr geprintet, sondern elektronisch vorliegen. Adressbücher enthalten Daten, die für wirtschaftliche Beziehungen erforderlich sind. Zu denken ist dabei an Fachadressbuch, Internationale / Export-Adressbücher, amtliche Telefonbücher, Gelbe Seiten, Telefaxbuch, Postleitzahlenbuch, Adressbücher für Bevölkerungsdaten, Grundbesitz, Hersteller, Zwischenhändler, Behörden oder Verwaltungen: • Das Einwohneradressbuch wird von lokalen Verlagen in Form von meist lokalen Adressbüchern herausgegeben. Diese erscheinen meist jährlich, ihr Inhalt besteht aus Angaben zu Einwohnern, Firmen, Behörden, Verbänden, Vereinen, evtl. auch Straßen- und Häuserverzeichnissen. Es enthält Angaben zu Haushalten, Behörden, Unternehmen, Organisationen, im Einzelnen mit Branchen, Namen,

10. Medien und Werbemittel

435

Tel.-Nr., Straßenteil, Handelsregisterteil, Stadtplan. Werbung ist dort u. a. durch Zeileneintrag mit Hervorhebung, gestaltete Anzeigen, Fußleisten-Anzeigen, Kopfleisten-Anzeigen, Randleisten- Anzeigen, Anzeige auf Umschlagseiten, innere Titelblätter-Anzeigen, Beilagen / Beihefter, Inhaltsverzeichnis, (Seiten-) Schnittflächen, Buchrücken, Registerstab, Freiraum-Anzeigen, Deckelseiten und Vorsatzseiten möglich. • Das Telefonbuch wird in hoher Auflage von der Deutsche Telekom Medien herausgegeben. Die Gelben Seiten erscheinen ebenso mit hoher Auflage und werden auch von der Deutsche Telekom Medien herausgegeben, sie enthalten Daten von Gewerbetreibenden und Freiberuflern. Das Örtliche enthält alle eingetragenen Telefonanschlüsse eines Orts, wiederum durch Deutsche Telekom Medien. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass diese Medien teilweise nur noch aufgrund gesetzlicher Verpflichtung aufgelegt wurden und diese Bindung zwischenzeitlich großenteils entfallen ist. • Wirtschaftsnachschlagewerke werden vom Verband deutscher Adressbuchverleger herausgegeben. Sie enthalten Informationen über Unternehmen nach Branchen, Regionen, Märkten, Wirtschaftszweigen, Rechtsformen, Handelsregister, Produktions- und Lieferprogramme, Umsatzgröße und Beschäftigtenzahl. Zu den Wirtschafts-Adressbüchern gehören etwa Wer liefert was? und Bundes- / Landes-Adressbücher sowie Einkaufsführer. Außerdem gibt es Adressbücher für den privaten Bereich, Adressbücher für den geschäftlichen Bereich, regionale oder branchenspezifische Zielgruppen. Alle diese Verzeichnisse sind auch als elek­ tronische Medien online oder auf Datenträger erhältlich. Weitere Sonderformen der Printwerbeträger finden sich durch: • Stadtillustrierte als lokale Zeitschriften mit Zeitgeistredaktion und Veranstaltungshinweisen, besonders für die junge Generation, • Kundenmagazine als von Absatzmittlern oder in deren Namen kostenlos an Kunden verteilte Pressemedien mit Information und Werbung, etwa über Apotheken, Drogerien, Buchhandlungen, Hotels, Ärzte, Heimwerkerläden, Zoohandlungen, Computerläden, Krankenkassen, Banken, Reisebüros. Alternativ ist ein Versand direkt an Leser möglich, aber auch die entgeltliche Bereitstellung. Häufig ist ein Verlag für die Redaktion und Produktion zwischengeschaltet. Davon abzugrenzen sind traditionelle Mitarbeiterzeitschriften; • Rätselhefte, Taschenbücher, Kalender mit Werbeseiten oder Eindrucken, • Standes-, Berufs-, Verbands-, Vereins-, Haus-, Werksmitteilungen aller Couleur, • Zündholzwerbung, • Romanhefte, Taschenbücher, Stadtpläne, Kulturführer und sonstige tarifäre Druckerzeugnisse.

436

V. Medien der Klassischen Werbung

10.1.4 Print-Sonderformen Als Sonderformen der Printwerbemittel sind folgende zu nennen. Beilagen werden einem Trägerobjekt lose beigefügt, sie sind nicht in die buchbinderische Verarbeitung einbezogen. Beilagen sind u. a. Druckerzeugnisse und Postkarten, Gegenstände wie Warenproben, elektronische Datenträger, individualisierte Rechnungen. Sie bleiben dann durch die Post ohne Berechnung für den Abo-Auflagenanteil, wenn es sich um Druckerzeugnisse handelt, die vom Verleger stammen. Sie dürfen, mit Ausnahme von Supplements, keine Anzeigen Dritter enthalten. Ein Supplement ist zu unterstellen, wenn nicht mehr als 70 % des Umfangs Anzeigen sind. Oder wenn ausschließlich für den Bezug von Zeitungen / Zeitschriften geworben wird. Beilagen werden durch Umschlag, feste Heftung oder Klebung zusammengehalten oder sind als lose Blätter dennoch als Einheit erkennbar. Mehrere getrennte Beilagen können zu einer gemeinsamen Beilage verbunden werden, die nur einmal durch die Post berechnet wird. Beilagen dürfen nicht schwerer sein als das Trägerobjekt, sie dürfen die Briefzustellung nicht erschweren, und sie dürfen nicht höher als 5 cm je Sendung sein. Beikleber, der auf eine Anzeige so aufgeklebt ist, dass er vom Interessenten abgelöst und verwendet werden kann. Tipp on-Karten sind auf eine Trägeranzeige punktgeklebt, Tipp in-Karten sind zusätzlich passgenau in das dort untergedruckte Motiv integriert. Bei geeigneter Form können auch Warenproben eingeklebt werden wie Sachets mit Duftwasser oder Creme, aber auch ultradünne Binden. Beihefter, der eine fest mit dem Trägerobjekt verbundene und fertig anzuliefernde Drucksache darstellt auch als Postkarten und Prospekte. Auch hierfür gibt es Format- und Gewichtsbegrenzungen. Je nach Papierwahl, also Qualität, Zusammensetzung, Oberfläche und Gewicht, kann ein redaktioneller Eindruck erreicht werden. Dann ist der Zusatz „Anzeige“ obligatorisch. Sonderwerbeformate betreffen folgende: • Gatefold: nach links oder rechts ausschlagbare Titelseite ganzseitig (Portal­ anzeige) oder halbseitig (China Cover), • Anzeige mit gestanztem Beikleber, Anzeige mit Briefumschlag, Anzeige mit posterähnlichem Beikleber, • Sonderformate wie Anzeige in Postkarten-Titel-Kooperation, Stufen-Anzeige, Rätselanzeige, Programmteilanzeige, • Beipack / Warenprobe, Versand-Aktion, Journale / Themen-Specials / Service-Scheck, • Stanzungen, Falzungen, Rubbel-Anzeigen, 3-D-Holografie-Anzeigen, 3-D-Popup-Anzeigen, akustische Anzeigen, Prägungen, Schaumdruck, Veredelung, Banderole etc.,

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• Schachbrettanzeige (auch Satelittenanzeige), deren zwei- oder mehrfache Platzierung auf einer Seite zueinander versetzt erfolgt, meist ist dazu die Buchung eines Mindestvolumens erforderlich, • Anzeigenstrecken: mehrere aufeinander folgende Seiten, evtl. mit S ­ trecken­rabatt, • Panorama-Anzeige: über Mittelsteg des Heftes laufend, • Tunnel-Anzeige: über Mittelsteg laufend, jedoch nicht über die vollen Seiten, sondern nur seitenanteilig, • L-Anzeige: nicht rechteckig, sondern L-förmig, • Insel-Anzeige: an allen vier Seiten von Redaktion umschlossen, • Titelkuller: Platzierung auf der Frontseite des Werbeträgers (Kleinanzeige), häufig bei Fachtiteln, • Griffecken-Anzeige: Platzierung unten rechts auf der rechten Seite, beschränkte Formatgröße, • Flexformat-Anzeige: Text der Redaktion läuft nach Sondervereinbarung asymmetrisch um die Anzeige herum, • Shadowprint: eine Anzeige ist dem Text hinterlegt, • Ausschlagbare Seite: Anzeigenseite kann nach oben, unten, rechts oder links ausgeschlagen werden, als Innenseite links oder rechts, • Altarfalz: Anzeigendoppelseite, aus der links und rechts je eine weitere Seite herausklappbar sind, so dass eine vierseitige Anzeige entsteht, • French Cover: Heftseite lässt sich aufklappen, so dass darunter eine zweiseitige Anzeige entsteht, • Geschlossene Anzeige: Anzeige ist an einer Seite nicht aufgeschnitten, • Rolling Gate: Altarfalz mit mehreren aufklappbaren Seiten, • Heft im Heft: Beihefter mit eigenständiger Klammerung (bei Abo-Zeitschriften namentlich adressiert), • Duftlack-Anzeige: setzt durch Rubbeln eingeschlossene Duftpartikel frei (Rubble Point), • Sonderfarben / Signalfarben / Leuchtfarben: fluoreszierende Farben, Metallic, Gold, Silberbronze, Wash-away-Farbe, • geografischer Split: zwei oder mehr Anzeigenmotive nach Nielsengebieten gesplittet, • mechanischer Split: zwei oder mehr Anzeigenmotive wechselweise in der Gesamtauflage gesplittet (also jedes x-te Exemplar), • Nielsen-Teilbelegung: nur Verbreitung in einzelnen Nielsen-Gebieten.

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Begehrt sind auch Platzierungen auf der 1. Umschlagseite / Cover, primär bei Fachtiteln, der 2. Umschlagseite / erste Innenseite, gegenüber Inhaltsverzeichnis, der 3. Umschlagseite / letzte Innenseite und vor allem der 4. Umschlagseite / Rückcover. Außerdem sind rechte Seiten beliebter als linke, Platzierungen vorne im Heft beliebter als hinten. Bei Schwerpunktthemen kommt auch eine Platzierung in diesem Teil des Werbeträgers in Betracht. Durchaus anfechtbare Marktforschung hat herausgefunden, dass die durchschnittliche Betrachtungszeit je Anzeige nur zwei bis drei Sekunden beträgt, was hohe Anforderungen an die Gestaltung stellt. Satzspiegel ist derjenige Teil der Seite, der für den Druck genutzt werden kann. Soll auch der Papierrand an allen vier Seiten bedruckt werden, handelt es sich um Anschnitt (auch bleed). Angeschnittene Anzeigen verlangen Beschnittzugaben rundum für anschnittgefährdete Anzeigenelemente in der Vorlagenerstellung, vor allem bei Platzierung in der Heftmitte bei gebundenen Heften. Die Tarifpreise sind für ein-, zwei-, drei- und vierfarbige Anzeigen meist identisch, schwanken allerdings gelegentlich nach Jahreszeit. Im Zeitungsbereich kommen Besonderheiten in Form von Bunddurchdruck als Panoramaanzeige, Griffeckenanzeigen unten außen auf jeder Seite, Titelkopfoder Eckfeldplatzierungen in der obere Hälfte auf der ersten Seite von Kaufzeitungen bzw. zweiseitig von Redaktion umschlossen hinzu, außerdem HiFi- und Insetteranzeigen als fertig angelieferte Druckprodukte, die vom Verlag komplett verarbeitet werden. Bei redaktioneller Werbung sind zwei Formen zu unterscheiden: • Redaktionell gestaltete Anzeigen. Dies ist der Abdruck entgeltlicher Veröffentlichungen, die durch Anordnung in Bild und Schrift wie Beiträge des redaktionellen Teils erscheinen, ohne für einen nicht unbeachtlichen Teil der flüchtigen Durchschnittsleser, denn auf diesen kommt es an, bei ungezwungener Auffassung erkennen zu lassen, dass sie bezahlte Wirtschaftswerbung darstellen. • Redaktionelle Werbebeiträge (modern: Native Advertising). Dies ist der unent­ geltliche Abdruck von journalistischen Beiträgen oder Hinweisen, die mit dem Anschein redaktioneller Objektivität, Waren, Dienstleistungen und Unternehmen erwähnen oder günstig beurteilen und dem privatwirtschaftlichen Erwerbsstreben dienen. Dabei kann es sich um aus eigener, journalistischer Initiative und ausschließlich publizistischen Gründen geschriebene Beiträge mit werblich relevanten Aussagen handeln, oder um von Werbungtreibenden durch Vorgabe entsprechender Informationen veranlasste Werbung durch redaktionelle Berichterstattung, auch durch Druck mit Anzeigenaufträgen. Da sie nicht von Werbungtreibenden bezahlt sind, kann ein „Werbung“-Hinweis entfallen. Redaktionell gestaltete Anzeigen von Werbungtreibenden sind irreführend gegenüber Lesern und unlauter gegenüber Mitbewerbern. Daher haben Verleger die Pflicht, in diesem Fall die Veröffentlichung mit dem Wort „Anzeige“ zu kenn-

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zeichnen. Dieser Hinweis muss, gemessen am gesamten Erscheinungsbild der Anzeige, nach Platzierung, Schriftart, Schriftgrad, Schriftstärke den Durchschnittsleser bereits bei flüchtiger Betrachtung auf den Anzeigencharakter aufmerksam machen. Ein Hinweis an anderer Stelle, etwa im Impressum, ist nicht ausreichend. Auch die Namensnennung des Absenders reicht nicht aus. Ebenso reichen andere Begriffe als „Anzeige“ nicht aus. Dies gilt in gleicher Weise in anderen Medien, etwa Fernsehen („Dauerwerbesendung“ o. Ä.) oder für gesponsorte InfluencerPosts.

10.2 Mediagattung Elektronik Die Mediagattung Elektronik umfasst die Bereiche Fernsehspot (10.2.1), Hörfunkspot (10.2.3) und Kinospot (10.2.4), jeweils wiederum mit zahlreichen Sonderformen. Vor allem der Bereich TV hat in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen. Ursächlich dafür sind nicht zuletzt Werbekreative, weil diese Form der werblichen Präsentation einen breiten Raum zur handwerklichen Selbstdarstellung bietet. Hingegen sind die Kapazitäten dieser Mediagattungen im Einzelnen durchaus hinterfragenswert. Nachfolgend wird zu dieser Mediagattung detaillierter Stellung genommen (siehe Abbildung V/110: Formen der Mediagattung Elektronik).

Abbildung V/110: Formen der Mediagattung Elektronik

10.2.1 Fernsehspot Fernsehwerbung lebt von der Kopplung bewegter Bilder mit Tonunterlegung. Dadurch steigen sowohl Anmutung als auch Erinnerung. Die Blockbildung führt allerdings zu Interferenzen, dabei überlagern impactstarke Spots impactschwache, was selbst bei gewährtem Konkurrenzausschluss je Block nicht unproblematisch

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ist. Außerdem sind Spots als transitorische Medien in der Aufmerksamkeit zeitraumgebunden, eine Wiederholung oder zeitliche Verschiebung der Wahrnehmung auf einen späteren Zeitpunkt ist also nicht möglich.

10.2.1.1 Öffentlich-rechtliche Sender Das Fernsehen hatte aufgrund der öffentlich-rechtlichen Trägerschaft und der staatsvertraglich limitierten Werbezeit von 20 Minuten ausschließlich vor 20.00 Uhr bei ARD und ZDF an Werktagen inkl. Samstag, jedoch nicht an Sonn- und Feiertagen, jahrzehntelang nur eine vergleichsweise geringe Bedeutung als Werbe­ medium. Als Folge davon wird die Kultur der Fernsehspots in Deutschland erst neuerdings ausgeprägt. Mit Aufkommen der privat-wirtschaftlichen Sender Anfang der 1980er Jahre, insb. Sat.1, ProSieben und RTL, die sich ausschließlich aus Werbe­einnahmen finanzieren, erhielten die tradierten Sender ARD und ZDF harte Konkurrenz. Es kommt zu Unterbuchungen ihrer ohnehin knapp bemessenen Werbekontingente. Öffentlich-rechtliche Anstalten sind Sender, die hoheitliche Trägerschaft und Kontrollorgane besitzen, vor allem um Interessenpluralität, wie sie für jede Demokratie unerlässlich und durch Medien latent gefährdet ist, zu erhalten. Sie wurden in Deutschland nach dem Weltkrieg II nach dem Muster der BBC gegründet und haben einen Grundversorgungsauftrag. Sie müssen damit ein die Interessen der Bevölkerung repräsentativ spiegelndes Programm bieten, wobei Minderheiteninteressen besonders zu berücksichtigen sind. Daher muss jeder Haushalt, der diese Programme empfangen kann, Rundfunkgebühren für diese entrichten. Es kommt dabei nicht auf das tatsächliche Sehen an, sondern nur auf Möglichkeit dazu. Das Procedere sieht dabei einheitlich Folgendes vor. Bis zum 30. 9. eines Jahres sind bei den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten alle Spots für das gesamte nächste Jahr fest zu buchen. Ein Rücktritt ist nur ausnahmsweise möglich, eine Nachbuchung nur im Rahmen freier Kontingente. Die beiden Sender sammeln jeweils alle Anmeldungen und ordnen ihnen Sendezeiten zu. Und zwar bis zur vorgegebenen Platzierung in Werbeblöcken, wobei allenfalls Konkurrenzausschluss im Block zugesagt wird. Tatsächlich sind die Werbemöglichkeiten vergleichsweise engen rechtlichen Rahmenbedingungen durch die Landesmedienanstalten auf Basis von Rundfunkstaatsvertrag und Werberichtlinien unterworfen. Dazu gehören folgende allgemeingültigen Inhalte: • Gebot der Trennung von Programm und Werbung. Dieser „Trennungsgrundsatz“ leitet sich daraus her, dass getarnte Werbung gegen die guten Sitten verstößt. Der Grundsatz dient der Glaubwürdigkeit der Berichterstattung in den elektronischen Medien. Nachrichtensprecher und Moderatoren politischer Sendungen

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dürfen nicht in der Fernsehwerbung auftreten. Werbeblöcke werden durch Werbelogo / Indikativ des Senders ein- und Abspann / Abdikativ ausgeleitet. • Pflicht zur Kennzeichnung der Werbung, sie leitet sich aus dem Trennungsgrundsatz ab. Werbung muss als solche klar erkennbar sein. Sie muss im Fernsehen durch optische und im Hörfunk durch akustische Mittel eindeutig von anderen Programmteilen getrennt sein. Allerdings ist die Unterscheidung in Werbung oder Programm oftmals schwierig geworden. • Verbot der Irreführung, d. h., Werbung darf nicht irreführen, den Interessen der Zuschauer / Zuhörer nicht schaden und nicht Verhaltensweisen fördern, welche die Gesundheit oder Sicherheit der Verbraucher sowie den Schutz der Umwelt gefährden. • Verbot der Beeinflussung. Werbung oder Werbungtreibende dürfen das übrige Programm inhaltlich und redaktionell nicht beeinflussen. So dürfen Einzelheiten des Programms nicht den Vorgaben der Werbungtreibenden angepasst werden (wie früher im Bartering). Unzulässig ist auch die Einflussnahme der Werbungtreibenden auf die Platzierung von Sendungen im Umfeld der Werbung. • Es ist nur Wirtschaftswerbung erlaubt auch von gemeinwirtschaftlichen Werbungtreibenden. Politische (außer zu Wahlen), weltanschauliche oder religiöse Werbung ist hingegen verboten. Kindersendungen und Gottesdienste dürfen nicht durch Werbung unterbrochen werden. Speziell für öffentlich-rechtliche Sender kommt hinzu: • Je Stunde darf nicht mehr als zwölf Minuten geworben werden. Die Gesamtdauer der Werbung darf je Werktag 20 Minuten im Jahresdurchschnitt nicht überschreiten. Maximal fünf Minuten dürfen von Tag zu Tag übertragen werden. Werbung nach 20.00 Uhr und an Sonn- und in Gesamtdeutschland anerkannten Feiertagen ist verboten. Werbung darf nur auf ARD und ZDF ausgestrahlt werden. Ein Vorteil der ARD liegt noch in der Regionalisierung der Programme, die durch lokale „Fenster“ der Privatsender nur unvollkommen ausgeglichen werden kann. Eine Ausnahme stellt das Bürgerfernsehen dar. Von Nachteil ist vor allem der hohe Anteil eher nachfrageinaktiver, sehr alter Zuschauer. Dies ist allein schon durch die Sendezeit des öffentlich-rechtlichen Werbefernsehens bedingt. Am Spätnachmittag bzw. Frühabend sind kaufkräftige Zielgruppen in aller Regel noch an ihrem Arbeitsplatz tätig, befinden sich auf dem Heimweg, erledigen die letzten Besorgungen oder sind mit Hausarbeit beschäftigt. Jedenfalls haben sie überwiegend nicht die Muße, animierende Werbespots zu betrachten. Dies gilt vielmehr eher für Rentner, Kinder oder Arbeitssuchende, die vielleicht aus Zeitvertreib fernsehen, aber als Zielgruppen zumeist weniger relevant sind. Daher rührt auch die Forderung nach dem Fall der 20.00 Uhr-Grenze bei ARD und ZDF. Dagegen wird bereits heute implizit durch Patronatssendungen „verstoßen“, die Werbungtreibende im Vor- und Nachspann redaktioneller Beiträge wie Sportsendungen in Bild und

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Ton ausloben. Das Verbot der Unterbrecherwerbung in Nachrichten wird ebenfalls aufgeweicht etwa beim Werbeblock im ZDF zwischen 19.00 Uhr-Nachrichten und Wetterbericht. Da gleichzeitig der zulässige Werbeumfang bei Privatsendern in Bezug auf Werbedauer, Blocklänge und Unterbrecherwerbung limitiert wird, kommt es im Ergebnis wohl zu einer Konvergenz. Ein großes Problem stellt allein die Tatsache dar, dass die Anzahl der Programme, die zu empfangen sind, sich in kurzer Zeit vervielfacht hat, die für Fernsehen reservierte Zeit der Zuschauer aber nur weit unterproportional dazu gestiegen ist. Die Folge ist, dass die Betrachtungsdauer je Station sich verkürzt, damit aber auch die Chance, durch Werbung erreicht zu werden, sich verringert. Alternativenzahl und Bedienungskomfort machen es leicht, Werbung zu vermeiden. Da zugleich die Programmkosten explodieren und ganz oder großenteils durch Werbeeinnahmen finanziert werden müssen, steigen die Tarifpreise. Es entsteht eine Schere aus verminderter Leistung zu höheren Kosten.

Abbildung V/111: TV-Sender (Auszug) (Quelle: https://images.ifun.de/wp-Content/uploads/2018/02/sender.jpg)

10.2.1.2 Privat-wirtschaftliche Sender Privat-wirtschaftliche Sender gehören privaten Personen oder Organisationen, welche die Ausstrahlung als Tätigkeit zur Erzielung von Einkommen betrachten. In Deutschland sind sie, um Manipulationsgefahren zu verringern, an rigide Bestimmungen über Inhalt und Form ihrer Programme gebunden, so darf u. a. kein Sender höhere Reichweiten als 25 % haben, niemand darf mehr als 50 % Geschäftsanteile an einem Sender halten. Sanktionsmittel dazu sind die öffentlich zu erteilenden Sendeerlaubnisse und Frequenzzuteilungen. Die Finanzierung erfolgt entweder durch Einnahmen im Gegenzug zur Ausstrahlung von Werbesendungen oder aus Abonnementgebühren.

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Die Buchung bei privat-wirtschaftlichen Sendern ist ebenfalls zum 30. 9. d. J. als Stichtag für die Jahresersteinbuchung des Folgejahres fällig. Vier bis sechs Wochen vor Ausstrahlung ist eine Optimierung auf Basis aktueller Programminformationen möglich, danach erfolgt die Umbuchung. Eine Woche vor Ausstrahlung soll die Sendekopie des Spots vorliegen, denn dann erfolgen die Prüfungen der technischen Qualität sowie auf rechtliche Unbedenklichkeit durch eine freiwillige Selbstkontrolle. Drei bis vier Tage vor Ausstrahlung ist eine Feinplanung der Werbeinseln durch den Sender für eine dramaturgisch harmonische Abfolge der einzelnen Spots einer Werbeinsel unter Berücksichtigung der gerechten Verteilung von Eckplatzierungen möglich. Dann erfolgt die elektronische Übermittlung der Daten an die Sendestationen und der Einbau ins Programm. Die Ausstrahlung selbst wird durch Sendeprotokoll bzw. Sendebestätigung dokumentiert. Aufträge werden nur für namentlich genau benannte Werbungtreibende entgegengenommen. Es besteht ein Rücktrittsrecht bis sechs Wochen vor der ersten Ausstrahlung in begründeten Fällen und auf schriftlichen Antrag hin. Eine Zurückweisung von Buchungen aus rechtlichen oder sittlichen Gründen ist möglich. Es besteht eine weitgehende Möglichkeit zur individuellen Platzierung von Werbespots in Abhängigkeit von redaktionellem Umfeld und mutmaßlicher Zuschauerschaft. Große Werbungtreibende wie P&G haben dies im Rahmen des Spot Placement derart perfektioniert, dass sie ihre Einschaltungen zwei Tage vorher tagesgenau variabel je nach Programmumfeld vorgeben. Freiwerdende Sendeplätze sind im Stand-by mit Nachlass zu erwerben. Dabei folgen sie den festen Programmschemata aller Sender. Die Rating- / Quotenwerte der Zuschauerstichprobe erlauben bereits am darauf folgenden Tag eine Kontrolle und ggf. Korrektur für den dann übernächsten Tag. Daher ist für die Zukunft durchaus mit der Durchsetzung einer ratingbezogenen Preisgestaltung der Sender zu rechnen. Dabei berechnen sich die Einschaltkosten auf Basis der aus der Zuschauerforschung ermittelten Seherzahlen. Das Preis-Leistungs-Verhältnis bleibt damit konstant, hohe Reichweite bedeutet hohe Spotkosten, die aber durch viele Zuschauer gerechtfertigt sind, und umgekehrt. Ansätze sind bereits zu beobachten, indem Sender Mindestreichweiten garantieren und andernfalls solange kostenlos nachschalten wie erforderlich oder Kontakthöchstpreise garantieren, deren Überschreitung durch Ausgleichsschaltung oder Preisermäßigung korrigiert wird. Die Standard-Spotlängen betragen 7, 15, 20, 30, 45 und 60 Sekunden. Es wird jedoch immer nach effektiver Länge abgerechnet. Einige Sender haben dysproportionale Spotpreise eingeführt, wobei kürzere Spots je Sekunde teurer sind als längere, weil geringere Spotlängen mehr Spots in einem Block bedeuten und von Zuschauern als störender empfunden werden als wenige, lange Spots, so dass die Gefahr des Ausstiegs aus dem Programm / Sender größer ist.

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Abbildung V/112: ZDF-Preisliste 2020 – Auszug: „Heute-Uhr“ (Quelle: zdf-werbefernsehen.de/angebot/special-Ads/heute-uhr/)

Werbeinseln werden zu Preisgruppen zusammengefasst, deren Tarif von Jahreszeit, Wochentag und Tageszeit, in Ausnahmefällen auch vom umgebenden redaktionellen Programm wie Sportveranstaltungen abhängig ist (siehe Abbildung V/112: ZDF-Preisliste – Auszug: „Heute-Uhr“). Jeder Sender verfolgt eine Programmstruktur, die sich täglich oder wöchentlich wiederholt. Die Tarifierung ist abhängig von Jahreszeit, Kalenderwoche, Wochentag, Tageszeit, Werbeblock und Werbeumfeld wie Ereignissen. Zu Beginn waren nur Scharnier-Werbeblöcke erlaubt, also solche zwischen zwei Sendungen. Dies wurde jedoch von Zuschauern häufig zum Umschalten auf einen anderen Sender genutzt. Daher wurde später auch Unterbrecher-Werbeblöcke erlaubt, also solche innerhalb einer Sendung und zwar typischerweise an besonders spannenden Stellen (Cliffhanger). So wird häufig vor dem Werbeblock ein Ausblick auf die danach folgenden televisionären Ereignisse gegeben. Verschärft hat sich die Diskussion um die altersmäßige Ausrichtung des werbefinanzierten Fernsehens. Die Preiswürdigkeit der Spotkosten wird gemeinhin anhand der Leistungswerte in der Altersklasse der 14–49-jährigen kalkuliert und verglichen. Sender, die hohe Einschaltquoten in diesen Altersklassen haben, können daher höhere Preise für ihre Slots / Werbeblöcke berechnen, selbst, wenn ihre Seherbeteiligung in den höheren Altersklassen deutlich niedriger liegt. Das hat dazu geführt, dass die Sender ihre Programmgestaltung verstärkt auf junge Nutzer, bevorzugt 14–29-jährige, ausrichten und „alterslastige“ Programme wie etwa

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Gameshows aus dem Programm verbannen. Dies scheint insofern verwunderlich, als höhere Altersklassen nicht nur erheblich länger fernsehen als jüngere, sondern auch über mehr frei verfügbare Haushaltseinkommen verfügen als diese, die sie für Konsum bereitstellen. Allerdings gelten höhere Altersklassen traditionell auch als werblich deutlich weniger beeinflussbar, so dass bei ihnen ein geringerer Werbeerfolg unterstellt wird. Ob diese Sichtweise aber angesichts der „Neuen Alten“ noch adäquat ist, ist zu bezweifeln. Die Sender versuchen darüber hinaus, die einmal gewonnenen Zuschauer über eine komplette Programmschiene hinweg zu behalten, dabei handelt es sich um den Audience Flow. Dazu werden gleichartige Themen (auch Programmfarben) zeitlich gebündelt und folgen beinahe nahtlos aufeinander ab. Sehr deutlich war das bei den Daily talks zu beobachten, die vom Vormittag bis in den späten Nachmittag hinein, allenfalls durch Nachrichtensendungen unterbrochen, aufeinander abfolgten. Auch im Abendprogramm zur Primetime werden Themen gebündelt, oft in der Verbindung von Filmen und Reportagen. Dabei bestimmt der Massengeschmack die Programminhalte, zunehmend auch bei den öffentlich-rechtlichen Sendern, deren Programmauftrag nach Staatsvertrag immer rudimentärer abgedeckt wird. Kritiker beklagen das zunehmend populistische Angebot und fordern statt dessen vermehrt anspruchsvollere Inhalte. Dabei scheint jedoch eine bedenkliche Geisteshaltung durch, die unterstellt, dass das Fernsehen einen Edukationsauftrag habe, um Zuschauer zu „niveauvollerem“ Sehverhalten anzuhalten. Oder drastischer ausgedrückt: Die Zuschauer sind unfähig zu erkennen, was für sie gut ist und müssen daher „erzogen“ werden. Vielleicht wollen Zuschauer sich am Fernsehen aber auch überwiegend nur unterhalten lassen. Die plebiszitäre Wirkung der Einschaltquoten deutet jedenfalls daraufhin. Kritik verkennt daher, dass die privaten Sender keinen Programm-, sondern vielmehr einen Werbeauftrag erfüllen, das Programm dient dabei als Vehikel für die eigentlich wichtige Spotaus­strahlung. Kritisch wird dabei ein als Übermaß empfundenes Angebot von Werbespots empfunden. Zuschauer reagieren darauf reaktant, was sich vor allem in folgenden Verhaltensweisen dokumentiert: • Zapping durch Programmwechsel, auch Herunterregeln von Lautstärke oder Bildhelligkeit, der ausschließlich dazu dient, jegliche Form von Fernsehwerbung zu vermeiden, • physisches Zapping durch Abwesenheit mit Programmverlust ohne vollzogenen Umschaltvorgang, der visuelle und akustische Einflussbereich des Geräts wird dabei verlassen, • Zipping durch Werbevermeidung bei Video durch Skipping bei Wiedergabe, Unterbrechung der Aufnahme oder schnitttechnische Nachbehandlung, • Zipping bei Aufnahme von VPS-codierten Sendungen auf VPS-tauglichen DVDRecordern ohne Werbeeinschaltungen vor- und nachher, wohl aber zwischendurch als Unterbrecherwerbeblöcke,

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• Flipping durch Durchschalten der Sender zur Programmselektion zu Beginn des Fernsehkonsums mit anschließender Auswahl eines präferierten Programms, • Switching / Grazing durch stetige Informations- und Selektionsvorgänge während des laufenden Programmangebots, um ein besseres Programm zu finden, • Hopping durch zwei oder mehr Programme, die durch gezielte Umschaltvorgänge verzahnt gleichzeitig verfolgt werden, • gedankliche Abwesenheit durch TV-Medium nur zur Begleitung für andere Tätigkeiten, dies verstärkt während der Werbeunterbrechungen. Für die Beziehung zwischen der Werbebotschaft und der sie umgebenden Redaktion sind verschiedene Hypothesen entwickelt worden, die einander allerdings in ihrer Bedeutung widersprechen. Im Einzelnen handelt es sich um folgende: • Der Übertragungseffekt geht davon aus, dass Programmumfelder mit positiver Stimmung das Behalten, Erinnern und Bewerten der Spots fördern und umgekehrt. • Der Kontrasteffekt geht davon aus, dass Programmumfelder mit negativer Stimmung das Behalten, Erinnern und Bewerten der Spots, weil herausgehoben, fördern und umgekehrt. • Der Kongruenzeffekt geht davon aus, dass ähnliche Stimmungen von Programmumfeld und Spot die Werbewirkung fördern und umgekehrt. • Der Divergenzeffekt geht davon aus, dass unterschiedliche Stimmungen von Programmumfeld und Spot in Kontrastierung die Werbewirkung fördern und umgekehrt. • Die Kurvilinearität geht davon aus, dass ein mittleres Erregungsniveau des Programmumfelds die Werbewirkung fördert, besonders geringe und besonders hohe Erregung sind hingegen hinderlich.

10.2.1.3 Werberichtlinien in TV Der Rundfunkveranstalter darf Werbungtreibenden keinen Einfluss auf die Programmgestaltung einräumen. Vor allem dürfen Einzelheiten des Programms nicht den Vorgaben der Werbungtreibenden angepasst werden. Unzulässig ist auch die Einflussnahme auf die Platzierung von Sendungen im Umfeld der Werbung. Öffentlich-rechtliche Sender dürfen für Werbung pro Werktag höchstens 20 Minuten vorsehen. Zur Berechnung wird der Jahresdurchschnitt zugrunde gelegt. Nicht vollständig genutzte Werbezeit darf höchstens bis zu fünf Minuten je Werktag nachgeholt werden. Nach 20 Uhr sowie an Sonn- und bundesweit geltenden Feiertagen dürfen keine Werbesendungen ausgestrahlt werden. In weiteren, bundesweit verbreiteten Fernsehprogrammen von ARD und ZDF und den Dritten Programmen sowie den Sonderkanälen ist Werbung tabu. Hinweise auf eigene

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Programme, Begleitmaterialien, unentgeltliche Beiträge sowie Spendenaufrufe gelten nicht als Werbung. Im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gibt es Teleshopping nur in Form von Teleshopping-Spots. Spotwerbung darf innerhalb einer Stunde maximal 20 % der Zeit ausmachen. Bei privat-wirtschaftlichen Sendern gilt vergleichsweise, dass Spotwerbung höchstens 20 % der täglichen Sendezeit inkl. Teleshopping-Spots und 15 % für reine Werbespots ausmachen darf. Für Privatsender gilt, dass Sendungen, die länger als 45 Minuten dauern, einmal von Werbung unterbrochen werden dürfen, bei Übertragung von Sportereignissen, die Pausen enthalten, darf Werbung nur in den Pausen gesendet werden. Der Abstand zwischen zwei aufeinander folgenden Werbeunterbrechungen innerhalb einer Sendung muss mindestens 20 Minuten betragen. Sendungen, die länger als 45 Minuten sind, dürfen je vollständigem 45 Minutenzeitraum einmal unterbrochen werden. Eine weitere Unterbrechung ist zulässig, wenn diese Sendungen mindestens 20 Minuten länger dauern als zwei oder mehr vollständige 45 Minutenzeiträume. Sendungen mit 90-minütiger Dauer dürfen also zweimal unterbrochen werden, bei über 110-minütiger Dauer auch dreimal und ein weiteres Mal je zusätzlicher 45 Minuten Dauer. Nachrichten-, Politik, Dokumentarsendungen und Sendungen religiösen Inhalts dürfen nur unterbrochen werden, wenn die Sendezeit mindestens 30 Minuten beträgt. Serien dürfen doppelt so häufig unterbrochen werden wie Spielfilme, daher ist es strittig, ob einzelne Spielfilme zu Serien verkoppelt werden dürfen, was naheliegt, um die besseren Werbemöglichkeiten nutzen zu können. Der Abstand zwischen zwei Werbeblöcken kann weniger als 20 Minuten betragen, allerdings darf sich die Zahl der Unterbrecherinseln insgesamt nicht erhöhen. Hinweise auf sendereigene Produkte im Merchandising gelten als Werbung und werden daher vollständig auf die Werbezeit angerechnet. Ebenso gelten ProgrammTrailer, die nicht nur auf eigene Sendungen hinweisen, sondern auch auf Sendungen anderer Sender der Senderfamilie, als „normale“ Werbung. Die Berechnung der Dauer einer Sendung richtet sich nach dem Bruttoprinzip, also Sendezeit plus aller Werbezeiten sowie Erläuterungen, die im Zusammenhang mit der Sendung stehen. Die Dauer der Werbung bestimmt sich nach der tatsächlichen Fernsehsendezeit inkl. Programmvorschautafeln und Textangeboten im Nicht-Bewegtbildangebot. Der Einstundenzeitraum bemisst sich normalerweise nach den vollen Uhrzeitstunden. Reststundenzeiten werden der ersten bzw. letzten vollen Programmstunde zugeordnet. Die Werbung in Blöcken bleibt zwar die Regel, jedoch sind auch Einzelspots möglich, sofern diese die Ausnahme bleiben. Durch die Einzelspots darf die Zahl der Unterbrecher nicht zunehmen. Exklusive Einzelplatzierungen sind für Sonderaktionen wie Kampagnenstarts, Firmenjubiläen oder Börsengänge in ProgrammHighlights möglich. Dies ist besonders für lange Spotformate und als Ergänzung zum Sponsoring sowie als einfachere Umsetzung zum Roadblocking als zeitpa-

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ralleler Ausstrahlung eines Spots auf mehreren Kanälen, geeignet. Ein solcher wirkungsstarker Exklusivauftritt verringert zudem die Zappingquote, bringt also tendenziell eine höhere Reichweite, allerdings auch zu einem hohen Preis mit sich. Maximal sind drei Werbeunterbrechungen pro Stunde zulässig, sofern dabei die Werkintegrität der Sendung erhalten bleibt. Dies erlaubt eine flexible und zuschauerfreundliche Platzierung etwa bei Sport- und anderen Live-Sendungen wie Spielshows oder Talkshows ohne natürliche Pausen, aber auch eine effektvolle Nutzung von Cliffhangers bei Annäherung an dramaturgische Höhepunkte, etwa in US-Serien und -Sitcoms. Dadurch ergibt sich keine Veränderung der durchschnittlichen Blocklängen und ihrer Reichweiten. In diesem Zusammenhang ist es auch sinnvoll, einen Blick in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Fernsehspots, hier im privatwirtschaftlichen Fernsehen, zu werfen. Dort finden sich folgende Regelungen. • Der Vertrag kommt durch schriftliche Bestätigung des Sendeauftrags oder durch Ausstrahlung der Werbesendung, was immer zeitlich vorhergeht, zustande. Mündliche oder telefonische Bestätigungen können eine schriftliche Bestätigung nicht ersetzen. Konkurrenzausschluss kann in keinem Fall wirksam vereinbart werden. Der Vertrag kommt mit der schriftlichen Bestätigung in dem in Auftrag gegebenen Umfang zustande, auch wenn die Platzierung der Werbesendung noch nicht festgelegt wurde. Die Platzierung wird in Einvernehmen mit dem Auftraggeber, ansonsten nach billigem Ermessen unter größtmöglicher Berücksichtigung der Interessen des Auftraggebers vorgenommen. Für sämtliche Sendeaufträge gelten ausschließlich die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Senders, die Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers wird ausdrücklich ausgeschlossen. Werbesendungen werden normalerweise in Werbeinseln platziert, und zwar entweder in Schanierinseln, also in Werbeinseln, die zwischen zwei redaktionellen Sendungen liegen, oder in Unterbrecherinseln, das sind Werbeinseln, die eine redaktionelle Sendung unterbrechen. Bei Werbesendungen, für welche die Platzierung in einem bestimmten besonderen programmlichen Umfeld, z. B. Sportübertragung, zugesagt wurde, gelten zusätzlich die besonderen Bedingungen für die jeweilige Werbesendung. Aufträge von Werbeagenturen werden i. d. R. nur für namentlich genau bezeichnete Werbungtreibende angenommen. Mit der Bestätigung wird der Sendeauftrag als Festauftrag angenommen. Im einzelnen begründeten Fällen kann dem Auftraggeber jedoch bis zu sechs Wochen vor der ersten Ausstrahlung der Werbesendung nach eigenem Ermessen eine Rücktrittsmöglichkeit eingeräumt werden, in ganz besonderen Fällen auch noch bis drei Wochen vor Ausstrahlung. Ein Rücktrittsantrag ist schriftlich zu stellen. Der Rücktritt ist nur wirksam, wenn und sobald ihm ausdrücklich und schriftlich zugestimmt wird. Innerhalb der letzten drei Wochen vor der Ausstrahlung der Werbesendung ist ein Rücktritt in keinem Fall möglich. Für Werbesendungen mit einer Dauer von drei Minuten und länger sowie für Programmsponsoring besteht keine Rücktrittsmöglichkeit. Es besteht keine

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Verpflichtung des Senders, die Werbung vor Annahme des Sendeauftrags anzusehen und zu prüfen. Daher gelten auch rechtsverbindlich angenommene Sendeaufträge nur vorbehaltlich rechtlicher, sittlicher oder ähnlicher Gründe der Zurückweisung. In diesen Fällen hat der Auftraggeber Anspruch auf Rückzahlung des Grundpreises. Die Geltendmachung weiterer Ansprüche wird ausgeschlossen. Im Fall der Zurückweisung hat der Auftraggeber das Recht, über die Gründe informiert zu werden. Der Grundpreis ist die Vergütung für die Ausstrahlung der Werbesendung. Er enthält keine Produktionskosten, diese gehen immer zulasten des Auftraggebers. Verbundwerbung bedarf der ausdrücklichen Vereinbarung, dabei ist die Erhebung eines Verbundzuschlages möglich. Aufträge werden innerhalb eines Jahres abgewickelt. Vertragsjahr ist das Kalenderjahr. Der Auftraggeber bestätigt mit der Auftragserteilung, dass er sämtliche zur Ausstrahlung in Hörfunk, Fernsehen und sonstigen Medien erforderlichen Nutzungsrechte der Inhaber von Urheber-, Leistungsschutz- und sonstigen Rechten an den von ihm gestellten Tonträgern, Videobändern oder sonstigen Sendeunterlagen erhalten hat. Der Sender ist von sämtlichen, wie auch immer gearteten Ansprüchen Dritter freigestellt, vor allem von presserechtlichen, wettbewerbsrechtlichen und urheberrechtlichen Ansprüchen. Der Auftraggeber verpflichtet sich, Sendeunterlagen und Sendematerial für die jeweiligen Sendungen rechtzeitig zur Verfügung zu stellen. Wenn Sendungen nicht oder falsch zur Ausstrahlung kommen, weil Unterlagen, Texte oder Sendekopien nicht rechtzeitig, mangelhaft oder falsch gekennzeichnet geliefert wurden, wird die vereinbarte Sendezeit in Rechnung gestellt. Dem Auftraggeber stehen keine Ersatzansprüche zu. Der Auftraggeber trägt auch die Gefahr bei der Übermittlung von Sendeunterlagen und Sendematerial. Die vereinbarten Sendezeiten werden nach Möglichkeit eingehalten. Eine Verschiebung der Sendezeit innerhalb einer bestimmten, in der Preisliste aufgeführten Preisgruppe ist jedoch, soweit nichts anderes schriftlich vereinbart wurde, möglich. Die Werbesendung wird in der gebuchten Werbeinsel platziert. Die Werbeinseln sind zu Preisgruppen zusammengefasst. Bei einer geringfügigen zeitlichen Verlagerung einzelner Inseln, etwa aus programmlichen oder technischen Gründen, bleibt der Inselpreis der jeweiligen Preisgruppe bestehen. Eine Gewähr für die Ausstrahlung der Werbesendung in bestimmter Reihenfolge wird nicht übernommen. Dies gilt auch dafür, dass neben den im Programmschema ausgewiesenen Werbeinseln keine weiteren Werbeinseln angeboten werden. Fällt eine Werbesendung aus programmlichen oder technischen Gründen, wegen höherer Gewalt, Streik oder aufgrund gesetzlicher Bestimmungen etc. aus, so wird die Werbesendung nach Möglichkeit entweder vorverlegt oder nachgeholt. Sofern es sich dabei nicht um eine unerhebliche Verschiebung handelt, wird der Auftraggeber informiert. Dies gilt auch, wenn die Werbesendung in ein anderes als das im Programmschema angegebene programmliche Umfeld eingebettet wird. Die Verlegung betrifft vor allem die kurzfristige Änderung des vorgesehenen Programmablaufs wegen aktueller Geschehnisse, Sportübertragungen oder ähnlich bedeutenden Ereignissen. Sofern der Auftraggeber darauf nicht schriftlich widerspricht, gilt dies als Einverständnis. Ist weder eine

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Vorverlegung noch Nachholung möglich oder widerspricht der Auftraggeber dem, hat er Anspruch auf Rückzahlung des Grundpreises. Weitere Ansprüche sind ausgeschlossen. Preisänderungen sind jederzeit möglich, sofern sie für vereinbarte und bestätigte Sendeaufträge mindestens einen Monat vor Ausstrahlung angekündigt werden. Dabei steht dem Auftraggeber innerhalb von fünf Tagen nach Erhalt der Mitteilung ein Rücktrittsrecht zu. Haftung auf Schadensersatz gilt nur wegen Verzugs, Nichterfüllung, Schlechterfüllung oder Delikt bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit. Die Haftung ist auf den üblicherweise und typischerweise in derartigen Fällen voraussehbaren Schaden begrenzt. 10.2.1.4 Fernseh-Sonderwerbeformen Aufgrund der vielfältigen Beschränkungen werden die Werbeblöcke zunehmend als „Ghetto“ gesehen, in das Werbung verbannt wird, ohne dass eine realistische Chance besteht, daraus auszubrechen. Da aber dual- oder werbefinanzierte Sender auf das Wohlwollen der werbungtreibenden Wirtschaft angewiesen sind, wurden im Laufe der Zeit zahlreiche Sonderwerbeformen entwickelt und sanktioniert. Faktisch stellt dies eine legale Umgehung von Werbevorschriften dar, daher spricht man hier, sachlich unzutreffend, da der Fördergedanke fehlt, ablenkend von Programmsponsoring und unterscheidet dabei: • externes Programmsponsoring, dies bedeutet, dass der Sponsor nicht in die Sendung mit einbezogen ist, • internes Programmsponsoring, dies bedeutet, dass der Sponsor durch Sonderwerbeformen in die Sendung mit einbezogen ist. Als solche Sonderwerbeformen im Rahmen des internen Programmsponsoring sind vor allem denkbar: • Placement als zulässige Platzierung „realer Requisiten“, aus denen der Sponsoringgeber hervorgeht (s. u.), • Patronat als Name / Logo des Sponsoringgebers, für eine bestimmte Zeit im Bild eingeblendet etwa bei Spielzeit/-stand von Sportübertragungen, • Gewinnspiel als Bereitstellung von Gewinnpreisen mit Erwähnung des Sponsoringgebers durch Moderatoren und bis zu 10 Sek.-Einblendungslänge, • Trailersponsoring, Titelsponsoring, Rubrikensponsoring, Labelsponsoring, SpotPremiere, Promostory etc. Beim externen Programmsponsoring handelt es sich um die Einspielung von Trailern mit max. sieben Sekunden Länge. Als Trailerinhalt sind die Nennung des Sponsors („präsentiert von …“), jedoch keine Werbeslogans erlaubt. Erlaubt sind außerdem die Einblendung der Marke, des Logos und des Firmennamens. Eine Bewegtbilddarstellung darf nicht den Charakter eines Werbespots annehmen. Der

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Sponsorhinweis muss kurz sein und darf nur so lange dauern, bis die Fremdfinanzierung deutlich erkennbar wird. Weder im Bild noch im Text darf auf spezielle Vorzüge oder Eigenschaften des Produkts hingewiesen werden. Außerdem darf der Sponsoringgeber keinerlei Einfluss auf den Programminhalt nehmen, indem die Verantwortung oder redaktionelle Unabhängigkeit des Rundfunkveranstalters beeinträchtigt wird. Während der Sendung darf kein weiterer Hinweis auf den Sponsor erfolgen, jedoch darf er in den Werbepausen „normale“ Werbespots schalten. Wer nach dem Staatsvertrag oder nach anderen gesetzlichen Bestimmungen nicht werben darf oder wer überwiegend Produkte herstellt oder verkauft oder wer Dienstleistungen erbringt, für die Werbung verboten ist, darf Sendungen nicht sponsorn wie etwa politische und weltanschauliche Vereinigungen, religiöse Gemeinschaften oder Zigarettenhersteller. Nachrichtensendungen, Sendungen zum politischen Zeitgeschehen und Dauerwerbesendungen müssen von Programmsponsoring frei bleiben. Alle gesponsorten Sendungen dürfen nicht zum Kauf, zur Miete oder Pacht von Erzeugnissen oder Dienstleistungen des Sponsoringgebers oder eines Dritten anregen. Daher ist eine umfangreiche Einzelfallprüfung zur Einhaltung dieser Rahmenbedingungen erforderlich. Hingegen ist ein Titelsponsoring jederzeit möglich, dabei wird der Name von Unternehmen und Produkten als Sendungstitel eingesetzt. Dadurch ist ein programmintegrierter Auftritt möglich, wenngleich auch die Gefahr der Inflationierung besteht. Programmsponsoring ist als Exklusiv-Sponsoring oder als Co-Sponsoring möglich, also in Verbund mit einem oder mehreren anderen Sponsoringgebern. Auch können mehrere Sendungen nacheinander gesponsert werden wie ehedem die Kulmbacher Filmnächte. Öffentlich-rechtliche Sender sind hinsichtlich des Programmsponsoring den privat-wirtschaftlichen gleichgestellt. Als wesentliche Vorteile des Programmsponsoring sind jedoch summarisch folgende zu nennen. Es ermöglicht den schnellen Aufbau von Bekanntheit, ist im Umfeld einer attraktiven Sendung platziert, erlaubt eine Alleinstellung mitten im Programmteil und außerhalb des Werbeblocks, lässt sich im Gegensatz zu Werbe­ blöcken nicht so leicht wegzappen, hat eine höhere Akzeptanz im Publikum als Werbung und ermöglicht die Verbindung zu anderen Sponsoringmaßnahmen. Als wesentliche Nachteile des Programmsponsoring gelten jedoch, dass der Eindruck erweckt wird, dass alles im Programm kommerzialisiert ist und evtl. auch Inhalte beeinflusst werden können wie Unterdrückung kritischer Berichterstattung. Außerdem ist keine Vermittlung unmittelbarer Produktinformationen möglich. Auch darf keine Anregung zum Kauf gegeben werden. Zusätzlich gibt es weitere Sonderwerbeformen wie folgt. Bildschirmteilung / Splitscreen bedeutet die parallele Ausstrahlung von redaktionellen und werblichen Inhalten, indem Werbung und Programm durch die räumliche Aufteilung des Bildschirms getrennt werden. Ein Splitscreen kann sowohl durch Spot-

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werbung in einem gesponsorten Fenster als auch durch optisch hinterlegte Laufbandwerbung erfolgen. Eine Teilbelegung des ausgestrahlten Bildes mit Werbung ist zulässig, wenn die Werbung vom übrigen Programm eindeutig optisch getrennt und als Werbung gekennzeichnet ist. Diese Bedingung ist dann erfüllt, wenn das Werbefenster während der Ausstrahlung stets den Schriftzug „Werbung“ trägt. Die Splitscreen-Werbung ist auf die Gesamtdauer der Spotwerbung, unabhängig von der Größe der Werbeeinblendung, vollständig anzurechnen. Dies gilt auch für Laufbandwerbung. Eine Bildschirmteilung ist unzulässig bei Sendungen für Kinder sowie bei der Übertragung von Gottesdiensten. Die Teilbelegung des TV-Bilds mit Werbung ist in beliebiger Größe und Proportion erlaubt. Diese Form der Werbung gilt jedoch nicht als Unterbrecherwerbung, ist also nicht von der Abstandsregelung der Werbepausen betroffen. Splitscreen-Werbung hat bei entsprechendem Redaktionsinhalt (z. B. Formel 1) eine hohe Akzeptanz bei Zuschauern und lässt einen positiven Imagetransfer erwarten, vor allem aber ist eine geringere Zappingquote im Vergleich zur normalen Vollbildwerbung gegeben. Dem steht jedoch der hohe Preis entgegen. Sie ist nicht in Kindersendungen erlaubt. Ausprägungen sind im Einzelnen u. a. Abspannsplit, Newscountdown, Diary Single Split, ProgrammSplitscreen, Trailer-Splitscreen, Pre-Split, Content-Split. Virtuelle Werbung darf in Sendungen eingefügt werden, wenn am Anfang und am Ende der Sendung darauf hingewiesen wird und wenn die Überblendung eine Werbung ersetzt, die am Ort der Übertragung vorhanden ist. Das heißt, es dürfen virtuell keine neuen, zusätzlichen Werbeflächen geschaffen werden. Der Hinweis, dass Werbung durch nachträgliche Bildbearbeitung verändert wird, muss optisch und akustisch erfolgen. Produkte und Dienstleistungen, für die ein Werbeverbot besteht, sind von virtueller Werbung ausgeschlossen. Virtuelle Werbung ist vor allem bei internationalen Sport-Events von Bedeutung, wo die Vermarktung im nationalen Markt nur ein begrenztes Potenzial bietet und geringere Streuverluste durch nationale Aussteuerung der Werbung möglich sind. Auf diese Weise können die Werbeinvestitionen effizienter gestaltet werden, zumal es sich um eine programmintegrierte Werbung mit permanenter Präsenz handelt, die jedoch hohe technische Anforderungen stellt. Dennoch ist sie bei Sendern kaum von großem Interesse, da diese meist nicht über die Rechte verfügen und auch medienethische Fragen berührt werden.

10.2.2 TV-Senderlandschaft Die Senderlandschaft im TV hat eine ungeheure Vielfalt erreicht. Gab es bis zu Beginn der 1980er Jahre noch nur zwei (öffentlich-rechtliche) Hauptsender (ARD / ZDF, die für Werbung stark begrenzt zur Verfügung standen) und regionale Dritte Programme (ohne Werbung), so kamen dann privat-wirtschaftliche Sender hinzu, deren Zahl und Struktur aus beschaulichen Anfängen mittlerweile unüberschaubar geworden ist. Sie finanzieren sich ergänzend durch durch Televoting oder

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Call in-Gewinnspiele, aber auch Spenden (z. B. Bibel-TV). Die Entwicklung stellt sich, stark vereinfacht, wie folgt dar. In den 1970er Jahren war das, ausschließlich öffentlich-rechtliche, Fernsehen durch das „Erste“ (ARD, ab 1952) dominiert, das in seiner politischen Ausrichtung in journalistischer Linie als links-liberal galt (und gilt). Zwar konnten konservative Kräfte 1963 die Gründung des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF) im traditionell CDU-regierten Rheinland-Pfalz durchsetzen, doch spielte (und spielt) dieses in der TV-Senderlandschaft nur eine untergeordnete Rolle. Daher sann man in konservativen Kreisen darauf, wie dies gebessert werden könnte, weil der Bewegtbildkommunikation erheblicher Einfluss auf die gesellschaftliche Meinungsbildung zukam und bis zum heutigen Tag zukommt (suggestive Kraft der Bilder, zuerst in der Nazi-Zeit). In anderen westlichen Ländern nahm da längst das privat-wirtschaftliche Fernsehen die führende Rolle ein. Dies war in Deutschland aufgrund seiner spezifisch unrühmlichen Vergangenheit gesetzlich ausgeschlossen. Eine einseitige Änderung des Rundfunkstaatsvertrags schien unmöglich, denn die SPD, damals einziges Politikgegengewicht, hätte dem keinesfalls zugestimmt. Helmut Kohl, damals Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, ersann daher die Idee, dass die einzige Möglichkeit zur Änderung der aus seiner Sicht misslichen Gesetzeslage entstünde, wenn „das Volk“ dies praktisch verlangte. Dazu aber musste die Bevölkerung erst einmal in den Genuss privater Programmangebote und damit des Vergleichs kommen. Dies war technisch ausgeschlossen, da in der terrestrischen Übertragung die Frequenzen komplett vorgegeben und verteilt waren. Ein großer Anhänger des privaten Fernsehens war damals Leo Kirch. Er verfügte über eine riesige Programmbibliothek meist US-amerikanischer Dauerserien, gelagert in klimatisierten Kellern bei München, die er für das ZDF bei den Produktionsgesellschaften in USA einkaufte und diesem zur entgeltlichen Nutzung weitergab. Einnahmen entstanden für ihn damit nur, wenn seine Lizenzsendungen auch ausgestrahlt wurden. Weitere Abspielkanäle waren insofern seine einzige weitere Erlösquelle, wenn auch die Wiederholungen abgespult waren. Kirch galt als sehr konservativ, so dass ihm naheliegend von Kohl angeboten wurde, in einem Gebiet in Rheinland-Pfalz, konkret dem Großraum Ludwigshafen, einen realen Test der Akzeptanz privatwirtschaftlicher Programmangebote durchzuführen. Dazu wurde dieses Gebiet zunächst komplett verkabelt und dann mit neuem Kirch-Archivmaterial (PKS) beliefert. Es entstand das Erste Private Fernsehen (EPF). Die Bürger dort wurden sodann testbegleitend nach ihrer Akzeptanz für weitere Programmangebote befragt. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen hatte damals einen sehr kulturbetonten Anspruch, das Programm war zäh, ernst und anspruchsvoll, vor allem an Feiertagen konnte dies schon zu Depressionen führen. Es begann nicht vor 17 Uhr (Kinderprogramm) und endete schon wieder kurz nach 22 Uhr (Spätnachrichten). Die Dritten Programme ab Ende der 1960er Jahre wendeten sich sogar explizit an klassische Bildungsbürger. Unterhaltung, Spaß, Filme, Kurzweil, Entspannung, Abwechslung, alles das, was heute selbstverständlich im Fernsehen ist, waren die große Ausnahme.

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Wie nicht anders zu erwarten, waren die Zuschauer denn auch dankbar für jede Abwechslung. Das Ergebnis des Tests wies aus, dass eine erweiternde Alternative von einem repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung dringend gewünscht wurde. Diesem Anliegen konnte sich denn auch die SPD nicht verschließen. So wurde nach umfangreichen Absprachen eine grundlegende Änderung des Rundfunkstaatsvertrags 1981 beschlossen und die Kirch-Gruppe (heute ProSiebenSat.1 Media SE) ging mit Sat.1 als erstem privaten Sender an den Start. Als legitime Konzession wurden auch SPD-nahe Privatsender zugelassen, in Form der von der Bertelsmann-Gruppe im damals traditionell SPD-regierten Nordrhein-Westfalen gegründeten RTL-Gruppe (mit RTL plus, zur Abgrenzung zu RTL / Radio Luxembourg). Aus diesem Duopol entstanden Senderfamilien, die bis zum heutigen Tage das TV-Angebot in Deutschland dominieren. Dennoch ist die Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens aufgrund von Zwangsgebühren (GEZ) und verbrieften gesetzlichen Privilegien immer noch deutlich größer als in vergleichbaren westlichen Ländern. Ein Nebeneffekt dieser Initiative war übrigens die Entwicklung des Elektronischen Mikro-Markttests (GfK) in Lizenz von BehaviourScan. Dieser findet in Haßloch statt, einem Ort nahe Ludwigshafen, der seit EPF-Zeiten komplett verkabelt war. Dort ist ein idealisierter Testmarkt vorhanden, der in einem ausgeklügelten Design sehr belastbare Prognosen über den späteren Markterfolg von Testprodukten auf Basis dort geschalteter Werbung zulässt. Seit Beginn der 2000er Jahre kommt noch eine Vielzahl von Bezugswegen für Content und Werbung hinzu, die durch technische Neuerungen, vor allem Digitalisierung, und sich entwickelnde Zuschaueransprüche entstanden. Im Folgenden wird versucht, diese Vielfalt zu rubrizieren. Dazu werden die Kriterien verschiedener • Senderarten nach Werbemöglichkeiten, Einnahmebasis, Inhaltsangebot, • Übertragungsarten nach Empfangbarkeit, Verbreitung, Richtung, • Programmarten nach Programmbreite, Programminhalte, Raumabdeckung. Diese Reinformen treten praktisch großenteils über zwei oder mehr Kriterien kombiniert auf. Vorab jedoch ein paar kurze Erläuterungen. Nach der Sendedauer wird zudem zwischen Fulltime- und Parttime-Programmen unterschieden. Fulltime ist ein Programm, das 24 Stunden rund um die Uhr sendet. Dies ist die Regel, allein schon wegen der teilweisen Übertragbarkeit von Werbezeiten von einzelnen Stunden auf ganze Tage bei privaten Sendern. Nachts und vormittags werden dabei meist Wiederholungen von Programmen aus der Primetime ausgestrahlt. Parttime ist ein Programm, das nur zeitweise ausgestrahlt wird. Es kann sich nach Tageszeiten richten, aber auch nach Jahreszeiten. Zu unterscheiden sind folgende Möglichkeiten: • ein Sender überträgt sein Programm fulltime auf einer Frequenz, dies ist der Regelfall der Belegung,

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• ein Sender überträgt sein Programm fulltime auf zwei Frequenzen, dies entsteht etwa bei internationalen Überlappungen, • ein Sender überträgt sein Programm parttime auf einer Frequenz, die restliche Zeit läuft dort kein Programm, z. B. KiKA, • zwei Sender teilen sich eine Frequenz zeitanteilig, etwa wegen abweichender Programmtypik (Channel Splitting), z. B. Teleshopping-Sender (tagsüber) und Erotiksender (nachts). 10.2.2.1 Senderarten Es gibt eine beinahe unüberschaubare Vielzahl von TV-Sendern, wie ein Blick in die Satelliten-Senderliste leicht zeigt. Um diese Vielzahl zu ordnen, bietet es sich an, verschiedene Senderarten nach ihren Werbemöglichkeiten, ihrer Einnahme­ basis und ihrem Programmangebot wie folgt zu unterteilen (siehe Abbildung V/113: Senderarten).

abofinanzierte Sender (Zeit)

Abbildung V/113: Senderarten

Nach den Werbemöglichkeiten ergeben sich folgende Unterscheidungsmöglichkeiten. Werbefreie Programme finanzieren sich ausschließlich aus Gebühreneinnahmen. Dabei kann es sich um die allgemeinen Rundfunkgebühren handeln wie bei den als Bildungsfernsehen gegründeten Dritten Programmen der ARD. Oder um Abonnementgebühren, die von Zuschauern im Gegenzug für Programminhalt

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und Verzicht auf Werbung entrichtet werden. Immer wieder wird auch eine völlige Werbefreiheit bei ARD und ZDF diskutiert. Werbefinanzierte Programme erzielen die Einnahmen für ihren Sendebetrieb ausschließlich durch die Ausstrahlung von Werbesendungen. Sie sind für Zuschauer kostenlos. Dies hat zur Folge, dass dort die Redaktion eine völlig andere Funktion erhält, sie ist Rahmenprogramm zur Attrahierung von Zuschauern, die dann auch im Zuge von Werbesendungen erreicht werden, eine Leistung, für welche die werbungtreibende Wirtschaft bereit ist, Einschaltkosten in differenzierter Höhe zu entrichten. (Duale) Mischformen wie ARD / ZDF sind öffentlich-rechtliche Programme, die ihre Einnahmen nicht mehr nur aus Rundfunkgebühren rekrutieren können, weil dort nach vielfachen Erhöhungen der Vergangenheit eine Schmerzgrenze erreicht ist, sondern zusätzlich auf Werbeeinnahmen angewiesen sind. Dabei wirken die Restriktionen des Staatsvertrags als erhebliche Bremse, die durch Ausweichlösungen zu umgehen versucht wird. Zu denken ist etwa an Programm-Sponsoring. Nach den Einnahmen wird zwischen Gebühren- und Beitragsfinanzierung unterschieden. Gebührenfinanziert / Fee-TV sind Programme, deren Empfangsmöglichkeit unabhängig von der tatsächlichen Nutzung bezahlt werden muss. Dies trifft etwa für die öffentlich-rechtlichen Sender in Form von hoheitlich erhobenen und eingezogenen Gebühren zu. Dabei handelt es sich um ein hoheitlich vorgeschriebenes Zwangsentgelt pro Haushalt, unabhängig von der Nutzung der Sender, sogar unabhängig davon, ob ein TV-Gerät oder Computer im Haushalt vorhanden ist und wie der Empfang erfolgt. Zeitabhängig-finanziert / Pay per Channel sind Programme, die durch privat geforderte Beiträge finanziert werden. Um Trittbrettfahrer-Effekte auszuschließen, muss dabei sichergestellt werden, dass wirklich nur diejenigen, die diesen Beitrag entrichten, von der Ausstrahlung profitieren können. Dies wird dadurch gewährleistet, dass die Programme bei der Ausstrahlung so encodiert / gescrambled werden, dass eine sinnvolle Nutzung unmöglich ist, es sei denn, es wird ein speziell freizuschaltender Decoder eingeschleift, der diese Daten wieder in erkennbare Bildsignale zurückverwandelt. Der Betrieb eines solchen Decoders ist mit Gebühren bewehrt, aus denen der Sender seinen Betrieb finanziert. Nutzungsabhängig-finanziert / Pay per View sind Programme, die durch Einzel­ buchung genutzt und per Download übertragen werden. Daher ist auch eine Offline-Nutzung möglich. Dies ist etwa bei Mediatheken der Fall wie Videoload, Maxdome, Amazon Prime Video etc. Der Interessent wählt aus einer Vielzahl von Angeboten, meist Unterhaltung, davon wiederum meist Filme, aus und bucht diese zur Nutzung. Dann hat er eine Zeitfrist bis zur ersten Einwahl in das Programm, üblicherweise über die TV- / Set-Top-Box-Fernbedienung. Häufig ist auch eine vordefinierte Anzahl von Abspielvorgängen im Preis enthalten. Die Inhalte werden dabei verschlüsselt übertragen und in der freizuschaltenden Set-Top-Box entschlüsselt.

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Nach dem Programmangebot können folgende Formen unterschieden werden. Bei linearem Programm wird senderseitig ein festes Programmgerüst vorgegeben, das nur bei tatsächlicher Nutzung entgolten werden muss. Das Programm gibt damit Realtime-Nutzungszeiten vor und wird wiederum encodiert ausgestrahlt, jedoch für Nutzer mit deren Anmeldung beim Sender decodiert. Gleichzeitig werden einmalige Aufschaltbeträge und nutzungsdauer- bzw. programm­ inhaltsabhängige Nutzungsbeträge berechnet. Mit Abmeldung beim Sender stoppen sowohl die Decodierung als auch die Kostenbelastung. Dazu ist allerdings eine Nutzeridentifizierung erforderlich, die wiederum im gleichen Medium über Rückkanal im Breitbandnetz oder über ein anderes Medium wie Telefonleitung erfolgen kann. Individuell zusammengestelltes, non-lineares Programm als Video on Demand verfügt über kein festes Programmgerüst, erlaubt also eine von der senderseitigen Programmuhr losgelöste Nutzung. Die Sender bieten dazu eine Programmbibliothek (Mediathek) an, aus der nach Belieben der Nutzer, immer gegen differenzierte Kostenbelastung, ein oder mehrere Ausschnitte per Download abgerufen werden können. Diese werden dann in eine um den Festspeicher erweiterte Set-Top-Box überspielt, aus dem sie nach zeitlichem Belieben abgerufen werden können. Damit können etwa Filme per Datenleitung auf den Speicher der Set-Top-Box überspielt werden, von wo aus sie jederzeit abrufbar sind. Damit kann man sich als Zuschauer praktisch sein eigenes Programm zusammenstellen und ist unabhängig von der Programmgestaltung der Fernsehsender. Die Abrechnung erfolgt nach Anzahl / Länge des übertragenen Content. Streaming / IP-TV erfolgt über Internet, und zwar gebührenfrei, etwa bei privaten und öffentlichen TV-Sendern, über Abo- oder Nutzungsgebühren. Es besteht keinerlei Verpflichtung von Sendern, ihr Programm über Internet verfügbar zu machen. Das Programm kann unverändert gegenüber dem Offline-Programm dargeboten werden oder nur auszugsweise bzw. zeitversetzt. Häufig ist auch eine kostenlose „Schnupperphase“, die dann bei einem Paywall endet. Voraus­ setzung ist eine funktionierende Internet-Verbindung zum Zeitpunkt und am Ort der Programmnutzung. Dies ist relevant, weil Streaming-Dienste sich von Programmverwertern zunehmend zu Programmanbietern wandeln, die Eigenproduktionen mit großem Aufwand und Erfolg exklusiv für ihre Kunden zur Verfügung stellen. Damit gibt es neben Fernsehen und Kino eine dritte Bewegtbild-Angebots­ form. 10.2.2.2 Übertragungsarten Eine weitere Form der Unterteilung ergibt sich, wenn man die Übertragungsarten im Fernsehen zugrunde legt, dabei kann im Einzelnen nach der Empfangbarkeit, der Verbreitung und der Kommunikationsrichtung wie folgt unterschieden werden (siehe Abbildung V/114: Übertragungsarten).

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Abbildung V/114: Übertragungsarten

Nach der Empfangbarkeit kann wie folgt unterschieden werden. Satellitengebundene Sender / DVB-S strahlen ihre Programme orbital aus. Dabei schickt eine erdgebundene Sendestation Funksignale an die Empfangsantennen eines Satelliten, der sich standortgebunden in konzentrischem Abstand zur Erdoberfläche bewegt. Dort werden die empfangenen Signale in auszusendende umgesetzt. Dabei wird immer ein Ausschnitt der Erdoberfläche abgedeckt, innerhalb dessen ein Empfang möglich ist, sofern eine Empfangsanlage als „Schüssel“ genau auf den Satelliten ausgerichtet wird. Die Signalqualität schwankt je nach Empfangsbedingungen, wichtig ist aber immer „Sichtkontakt“ des Transponders zum Satelliten, bei mehreren Satelliten auch mehrere Transponder. Zum Satellitendirektempfang sind Parabolantennen mit ca. 55 cm Durchmesser erforderlich, die starr auf einen Satelliten ausgerichtet oder drehbar installiert sind. Single-LNB-Antennen haben einen Ausgang für horizontale und vertikale Polarisation, Twin-LNB-Antennen zwei Ausgänge, Dual Output-Antennen je einen getrennten Ausgang für horizontale und vertikale Polarisation. Denkbar sind aber auch Gemeinschafts- bzw. Großinstallationen für Wohnanlagen oder Mehrteilnehmeranlagen für Mehrfamilienhäuser, die als gemeinsame Kopfstation dienen. Satellitenkommunikation erfolgt durch über 500 geostationäre Satelliten, die in 36.000 km Höhe über dem Äquator stehen, wo sich Fliehkraft der Umdrehung und magnetische Anziehungskraft der Erde ausgleichen. Die Geschwindigkeit wird dabei so gewählt, dass die Satelliten sich synchron zur Erdoberfläche bewegen. Sie stehen damit scheinbar still im Weltall und können von starren Antennen angepeilt werden. Auf der Erdoberfläche wird eine in etwa keulenförmige Fläche bestrahlt (auch Global Beam) oder schärfer abgegrenzt als Spot Beam. Darüber werden Ton-, Bild- und Daten-

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informationen gesendet. Eine wesentliche Nutzung besteht in Satelliten-Hörfunk und -Fernsehen und Sonderformen wie Business-TV zur firmeninternen Nutzung. Die wichtigsten Satelliten sind Eutelsat und Astra. Antennengebundene Sender / DVB-T strahlen ihre Programme terrestrisch aus. Dabei wird das Signal von einem Ursprungssendestandort aus netzförmig an weitere Übertrager (Sendemasten) geschickt, die jeweils ein Gebiet innerhalb eines definierten Umkreises abdecken. Der Empfang erfolgt dann nutzerseitig über eine möglichst genau auf den Standort des Funkturms ausgerichtete Stabantenne, die über oder unter Dach installiert ist. Die Signalqualität ist u. a. abhängig von den topografischen Gegebenheiten wie Abschattung durch Hügel, Mehrwegeempfang durch Reflexion oder Beeinträchtigung durch Witterung. Es ist möglich, mit einer Stabantenne mehrere unabhängige Nutzer zu versorgen, dafür sind Signalverstärker zwischen zu schalten. Kabelgebundene Sender / DVB-C strahlen ihre Programme über Kabelweg, großteils über Glasfaser, aus. Dabei wird das Signal von einem Ursprungssende­ standort über Satelliten oder Leitungswege an Verteilerstationen übertragen, von wo aus es zwischenverstärkt in Kabelnetze eingespeist wird, die wiederum in den Kellern von Häusern enden, von wo aus eine Anzapfung für mehrere unabhängige Nutzer möglich ist. Die Anzahl der übertragbaren Programme ist dabei von der Kapazität der verwendeten Kabel abhängig. Sender befinden sich zunehmend im Hyperbandbereich für Satellitenprogramme. Die Satellitensignale werden an einer Telekom-Kopfstelle aufgefangen und über Umsetzer ins Kabel eingespeist. Komfortable Empfangsgeräte sind mit mehreren Tunern ausgestattet. Internetgebundene Sender / IP-TV haben Programme, die über das WWW ausgestrahlt und empfangen werden. Dies erfolgt ebenfalls leitungsgebunden über Telefonkabel. Das aktuelle Programm kann als Livestream angesehen werden. Wegen der langen Strecken, die das Signal dabei im Netz zurückzulegen hat, kann es zu Zeitversatz bei der Übertragung kommen. Ebenso sind Ladepausen infolge der für Bewegtbild erforderlichen hohen Datenkapazitäten. speziell bei Vollformatwiedergabe, möglich. Die Sender reichern ihr IP-TV-Angebot zudem durch zahlreiche Serviceangebote an, vor allem Archiv- und Zusatzinformationen. Nach der Verbreitung ergeben sich zwei weitere Unterscheidungsmöglichkeiten. Öffentliche Programme sind flächendeckend frei empfangbar. Sie sind, evtl. unter limitierenden Voraussetzungen, allgemein zugänglich und qualifizieren sich damit als Massenmedien. Im Mittelpunkt stehen dabei nationale Hauptprogramme wie ARD, ZDF, RTL, VOX, ProSieben, Sat.1, Kabel Eins. Nicht-öffentliche Programme sind nicht flächendeckend empfangbar und auch nicht allgemein zugänglich, sondern nur über digitalen Zugang oder physische Präsenz. Sie richten sich vielmehr an ein räumlich und zeitlich mehr oder minder eng definiertes Publikum und stehen nur diesem zur Verfügung etwa als Board-TV in Verkehrsmitteln, als Hotel-TV oder als POS-TV in den Verkaufsräumen von Ein-

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zelhandel oder Banken. Oft werden diese von TV-Sendern mit Content beliefert und / oder produziert, z. B. n-tv für Deutsche Telekom und Commerzbank. Diese Ansprache wird im Rahmen fraktionierter Mediennutzung immer bedeutsamer. Bei Onboard-TV handelt es sich um die mobile Wiedergabe von Fernsehprogrammen. Beispiele finden sich in Oberklasse-Pkws, wo Rückbank oder Mittelkonsole mit Kleinmonitoren zum Fernsehempfang ausgestattet sind, ebenso wie in modernen Lkws, in ICE-Zügen, wo diese Bildschirme in die Rückenlehne des vorderen Sitzes eingebaut sind, ebenso wie in Flugzeugen oder in Schiffen, wo die Kabinen und Gesellschaftsräume mit Monitoren versehen sind. Teilweise wird auch ein gesondertes Videoprogramm nur für die Passagiere produziert. Hier ist die Platzierung von Werbeeinschaltungen ebenso möglich wie die Lancierung von entsprechend gekennzeichneten PR-Beiträgen in der Redaktion. Einen wachsenden Bereich nicht-öffentlicher Programme stellt das unternehmensinterne Fernsehen / Company-TV dar, etwa für Schulungszwecke / Aus- und Weiterbildung oder Interne PR. Die Vorteile sind vielfältig, so bei der schnelleren Einführung neuer Produkte oder Prozesse. Mit Schulungssendungen erhalten Mitarbeiter alle Informationen, die sie benötigen, per Rückkanal oder Intranet können zudem Fragen gestellt und auch geklärt werden. Insgesamt entsteht eine höhere Informationsqualität durch den Einsatz des jeweils besten Informationsträgers. Daraus resultieren Wettbewerbsvorteile durch besser informiertes Kundenkontaktpersonal sowie Einsparungen bei anderen internen Informationsmedien. In Krisensituationen können alle Mitarbeiter an allen Standorten schnell und unbürokratisch über aktuelle Entwicklungen informiert werden. Durch Verschlüsselung der Sendeinhalte können Informationen auch gegenüber Unbefugten gesperrt werden. Somit ist eine Selektion der Zielgruppen möglich, so können durch individuelle Freischaltung einzelner Empfangsanlagen bestimmte Sendungen etwa nur für Führungskräfte zugänglich gemacht werden. Auch sind Mitarbeiter unabhängig von ihrem Standort erreichbar. Nachteile entstehen allerdings durch die große Distanz bei komplizierten, schwierigen Lerninhalten oder Arbeitsabläufen. Auch besteht keine Eignung für Themen, die den direkten Face to Face-Kontakt erfordern. Nach der Richtung wird schließlich wie folgt unterschieden. Die Simplexübertragung, wie heute noch allgemein üblich, stellt eine Einbahnstraße in der Kommunikation dar (reaktives TV), der Sender sendet und der Empfänger empfängt. Eine Rückkopplung ist nicht möglich. Da diese aber immer stärker wünschenswert ist, werden Feedbackschleifen durch Medienwechsel ermöglicht wie Telefonanrufe in der Redaktion, in Sozialen Netzwerken oder über Microblogs. Halbduplexübertragung bedeutet, dass eine wechselweise Rückmeldung zum Sender möglich ist. Bei Beispiel stellt der Dienst Videotext (auch Teletex) dar, der zusätzlich zum Fernsehprogramm angeboten wird und zum Empfang einen Videotext-Decoder im Fernsehgerät voraussetzt. Die Daten werden als farbige Standbilder in der Austastlücke zwischen zwei Halbbildern des Programms übertragen. Insofern bedarf es zwar einer prägnanten Gestaltung, doch Videotext ist ein Text-

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medium. Da 625 Zeilen vorhanden sind, die abwechselnd als je 50 Halbbilder / Sekunde bei 2–4-facher Auslösungsrate/2K bis 4K geschrieben werden, bleiben pro Sekunde 25 Zeilen übrig, die nicht für den Bildaufbau verwendet werden. Diese stehen dann für Videotext zur Verfügung. Die Aussendung erfolgt zyklisch, daher ergeben sich Wartezeiten beim Zugriff auf einzelne Tafeln. Es sei denn, sie werden von intelligenten Videotext-Decodern vorgespeichert, so unmittelbar vorhergehende / folgende Seiten oder Übersichtsseiten für Themenbereiche. Videotext überträgt auch fernsehbegleitende Informationen wie Untertitel für Gehörgeschädigte oder Übersetzungen nicht synchronisierter Filme und hat Back-up-Funktion durch Verweis im TV-Spot auf Videotext-Tafeln. Dabei bestehen die folgenden Werbemöglichkeiten: • Streifenwerbung auf Übersichtsseiten, teilweise interaktiv, • komplette Werbeseiten, teils unterlegt mit dem Originalbild, • Rollseiten, die nach 15 Sekunden automatisch weiterblättern, • interaktive Seiten über Telefon zu Sprachcomputer via 0190/Audiotex für gesonderte, transparente Texttafeln mit Zugriff über die Fernbedienung, • dynamischer Videotext, dabei werden die Daten über Telefon eingegeben, die Antwort vom Werbungtreibenden erfolgt im System auf zugeteilten Seiten für andere unsichtbar, auch kundenindividuell. Videotext erlaubt den Abruf von Nachrichten-, Wirtschafts-, Sport-, Wetterinformationen, Unterhaltung, Serviceangeboten etc. im TV über die zugehörige Fernbedienung. Videotext-Werbung bedeutet die Nutzung dieses Mediums als Werbemittel. Möglich sind dabei im Einzelnen: • Zeilenwerbung (2–8 Zeilen), z. B. für Firmenlogo / Slogan im redaktionellen Textumfeld, • Seitenwerbung (bis zu 23 Zeilen) für kommerziell verwertbare Angebote wie Hotelplan, Flugplan, • Katalogwerbung (zwei und mehr Videotextseiten) für ausführliche Informationen, evtl. verbunden mit Hinweis in einem TV-Reminderspot, • Sponsoring von neutralem Informations- / Unterhaltungsangebot. Vorteile von Videotext liegen in der raschen Aktualisierbarkeit der Mitteilungen sowie der Möglichkeit zur Verknüpfung von Werbespots und Videotexttafeln. Der Einsatz kann sehr breit, aber auch zielgruppenspezifisch gesteuert werden, die technische Reichweite liegt bei nahezu 100 %. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist attraktiv. Von Nachteil sind vor allem die begrenzten Gestaltungsmöglichkeiten und der bei direktem Response erforderliche Medienwechsel von TV auf andere Endgeräte. Auch ist keine Messung auf Werbemittelkontaktebene möglich.

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Vollduplexübertragung (auch Interactive-TV / iTV) sind die zukünftig dominanten Programme, die ein Feedback der Zuschauer als Reaktion auf empfangene Sendungen im gleichen Medium erlauben (Red Button). Dabei kann es sich sowohl um eine Beeinflussung des Programms handeln wie verschiedene Kameraperspektiven beim Fußballspiel oder verzweigte Handlungsabläufe bei Filmen als auch um Bestellungen von Produkten oder Werbemitteln als Homeshopping. Die Digitalisierung der Daten bringt vor allem eine wesentlich bessere Bildauflösung, die größere Wiedergabeflächen zulässt, ohne dass die Wiedergabequalität darunter leidet, durch hochauflösendes Fernsehen / HDTV. Die Verbreiterung des Bildes auf 16 : 9 gleicht dem Cinemascope-Format aus dem Kino. Dies entspricht auch der Physiognomie der Augen, die leichter horizontal zu bewegen sind als vertikal. Die Bildwiederholfrequenz ist von 25 auf 100 Vollbilder pro Sekunde gesteigert. Dadurch wird ein völlig flimmerfreies Bild erreicht. Allerdings bedingt dies eine Vervierfachung der übertragenen Datenmenge. Ein Engpass ist dabei die enorme Datenmenge. Einen Ausweg stellt die asynchrone Übertragung dar. Dabei werden nur die Daten gesendet, die von Bild zu Bild einer Veränderung unterliegen. Diese werden zwischengespeichert, so dass in Phasen mit wenig Übertragungs­ bedarf Daten im Voraus gesendet werden, die in Phasen hohen Übertragungsbedarfs später ergänzt werden. Es können bis zu acht Tonkanäle, etwa für Originalton bei Filmen, übertragen werden. Außerdem ist es möglich, das TV-Bild zu skalieren, also höhere Auflösung (2K/4K) für große Screens bzw. weniger Auflösung für kleine. Weitere Features sind die Nutzererkennung über eingebaute Kamera, die Steuerung durch Handbewegung, die Sprachsteuerung oder die Fernbedienung über Handy-App. 10.2.2.3 Programmarten Die Fernsehsender als Werbeträger können auch unter dem Aspekt der Programmarten rubriziert werden. Dazu ergibt sich eine Einteilung nach der Programmbreite, den Programminhalten, der Raumabdeckung und der Sendedauer wie folgt (siehe Abbildung V/115: Programmarten). Nach der Programmbreite ergeben sich folgende Unterscheidungsmöglichkeiten. Vollprogramm ist ein Programm, das nach dem Muster aktueller Illustrierter (General Interest) beurteilt wird, also querbeet unterschiedliche redaktionelle Inhalte bietet. Dabei besteht ein Mix aus Information und Unterhaltung. Spartenprogramm ist ein Programm, das nach dem Muster von Special Interest-Zeitschriften angelegt ist, also nur einen redaktionellen Schwerpunkt aufweist. Beispiele sind nur Musikprogramm wie MTV, nur Nachrichten wie n-tv, nur Sport wie DSF. Spartenprogramm ist ein Programm, das nach dem Muster von Special Segment-Zeitschriften beurteilt wird, also nur einen redaktionellen Schwerpunkt auf-

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Abbildung V/115: Programmarten

weist. Beispiele sind nur Kinderprogramm wie KiKA, nur Frauenprogramm wie TLC, nur Männerprogramm wie DMAX. Nach der Erstellung der Programminhalte ergeben sich solche folgende Optionen. Eigenprogramm umfasst von einem Sender in eigener Regie erstellte Programminhalte, die jedoch zunehmend darunter leiden, dass die Produktionskosten infolge Stargagen, Nachbearbeitungstechnik oder Übertragungsrechten geradezu explodieren. Durch Outsourcing an selbstständige Produktionsfirmen gegen Festabnahmepreis wird zudem versucht, die Fixkosten der eigenen Organisation abzubauen. Zukaufprogramm umfasst von Dritten erstelltes Programm, das über den eigenen Sender ausgestrahlt wird. Dieses kann zumindest exklusiv erfolgen, also mit zeitlichem Vorsprung vor der Nutzung durch andere. Mantelprogramm umfasst für Dritte produziertes Programm (auch Syndication), das über mehrere Sender ausgestrahlt wird. Oft handelt es sich dabei um die Zweitverwertung von Eigenprogrammen in Ausschnitten oder Zeitabschnitten als Fenster. Nach der Raumabdeckung ergeben sich weitere Unterscheidungsmerkmale. Ein internationales Programm wird ländergrenzen-übergreifend ausgestrahlt, wegen der besseren Verständlichkeit meist in Englisch. Zunehmend werden jedoch „Sendefenster“ eingebaut, die nationalen Werbungtreibenden mit landesspezifischer Produktauslobung unnötige Streuverluste zu vermeiden helfen wie MTV.

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Ein nationales Programm wird für die Einwohner innerhalb der Landesgrenzen ausgestrahlt, ist aber im Rahmen von Media-Overspills auch in angrenzenden Regionen zu empfangen, ausnahmsweise auch in anderen Regionen wie Haberler für türkische Migranten in Deutschland. Dabei wirken dann allerdings transnational mangelhaft aufeinander abgestimmte Werbeinhalte irritierend. Ein regionales Programm wird für die Einwohner eines Landesteils ausgestrahlt wie tv.nrw, FR-TV Südbaden, RFNplus, Franken Fernsehen, Sachsen Fernsehen, Saar TV, TV Bayern. Meist handelt es sich um mehrere Bundesländer. Typisch ist dafür, dass es sich um keine eigenständigen Programme handelt, sondern diese in regionalen Fenstern der nationalen Programme stattfinden. Dort können auch regionale Werbungtreibende partizipieren. Ein lokales Programm (auch Ballungsraum-TV) wird für die Bewohner eines engen Einzugsgebiets, meist Städte oder Oberzentren, ausgestrahlt. Dabei handelt es sich um einen großen Trend, der durch verbesserte telekommunikative Infrastruktur und immer kostengünstigere technische Ausstattung ermöglicht wird. Dies eröffnet etwa dem Handel neue Perspektiven. Beispiele sind tv.berlin, münchen.tv, Hamburg 1. 10.2.3 Hörfunkspot Hörfunk (HF) zählt zu den ältesten klassischen Medien und wird schon seit den 1920er Jahren für Werbung genutzt. Neben die traditionelle Spotform treten angesichts nachlassender „Audibility“ zunehmend Sonderwerbeformen. 10.2.3.1 Grundlagen Funkwerbung ist als Basismedium weitgehend ungeeignet und hat zur Hintergrunduntermalung oft nur geringe Aufmerksamkeit. Vom Inhalt her bieten sich einfache, appellierende Botschaften an, von der Form stimmungs- und schwungvolle Darbietungen. Ohne Optik jedoch fehlt zumeist der „Appetite Appeal“. Allerdings wird durch Audio Visual Transfer gelernter, optischer Informationen anlässlich Jingle oder Werbetext eine Frequenzanhebung erreicht, auch über Ladenfunk als Sonderform, indem die gelernten Bildsequenzen aus dem Gedächtnis abgerufen werden, zumal die absoluten Einschaltkosten vergleichsweise günstig sind. Die Reichweite schwankt erheblich nach Tageszeit und Wochentag. So werden werktags morgens vor allem Familien beim Frühstück und Autofahrer auf dem Weg zur Arbeit intensiv erreicht. Am Vormittag läuft das Radio meist nur als Hintergrunduntermalung bei entsprechend geringer Werbewirkung mit. Zur Mittagszeit ist dann noch einmal ein Hoch zu verzeichnen. Am Nachmittag werden auch Schüler bei Erledigung ihrer Hausaufgaben erreicht. Spätnachmittags ist noch einmal intensiver Empfang im Autoradio gegeben. Abends wird der Hörfunk fast komplett

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durch das attraktivere Medium Fernsehen verdrängt. Dementsprechend schwanken die Tarifpreise je nach belegter Uhrzeit, nach Wochentag bzw. am Wochenende mit erheblich veränderten Hörbedingungen und Jahreszeit durch höhere Nutzung in der dunklen Jahreszeit. Hinsichtlich der Trägerschaft galt im Hörfunkbereich ebenfalls jahrzehntelang ein Monopol der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten, das nur durch RTL als von Luxemburg einstrahlendem Privatsender aufgelockert wurde. Allerdings haben die Programmverantwortlichen bereits viel früher dem Bedarf breiter Kreise der Bevölkerung nach einem unterhaltsamen, modernen Hörfunkprogramm Rechnung getragen, etwa durch Etablierung der dritten / vierten Programme. Die Vergabe von ebenfalls reglementierten Werbezeiten ist jedoch ähnlich umständlich wie beim Fernsehen. Die Liberalisierung des Betriebs privater Radiosender hat dazu geführt, dass zahlreiche privat-wirtschaftliche Stationen auf den Plan traten. Wegen der vergleichsweise niedrigen Investitionen war jedoch die kaufmännische Basis oft nicht hinreichend fundiert, um eine längere Präsenz am Funkmarkt zu gewährleisten. Die Folge daraus sind wechselnde Besitz- und Frequenzverhältnisse, die eine Planung erschweren. Vor allem ist es großen, national auftretenden Werbungtreibenden kaum möglich, mit einer Vielzahl überwiegend kleiner Privatstationen eine flächendeckende nationale Ausdeckung sicher zu stellen. Daher haben sich viele dieser Sender in meist regionalen Vermarktungsgemeinschaften zusammengefunden, um ein geschlossenes Angebotsbündel zu formulieren. Im Funkbereich sind mehr noch als im Fernsehen Sonderwerbeformen aushandelbar, welche die üblichen, durch Indikativ ein- und Abdikativ wieder abgeläuteten Werbeblöcke umgehen. Hörfunk-Sendertypen können neben ihrer Trägerschaft nach vielfachen anderen Kriterien eingeteilt werden (siehe Abbildung V/116: Hörfunk-Sendertypen): • Nach der Finanzierung erzielen sie Einnahmen aus Gebühren, aus Werbeschaltung, als Mischung aus Gebühren und Werbeschaltung, aus festen Beiträgen durch Abonnement (Pay Radio) oder aus variablen Bezügen durch einzelne Nutzungen (On demand Radio). • Nach den Inhalten sind im Wesentlichen die Genres von Information oder Unterhaltung vorzufinden. Dies kann ausschließlich (z. B. Deutschlandfunk bzw. Internet-Radio) oder dominant ausgeprägt sein (z. B. ARD-Programme wie WRD 4). • Nach der räumlichen Verbreitung kann diese punktuell angelegt sein (z. B. als POS-Radio), lokal (z. B. als Stadtradio), regional (z. B. als ARD-Fensterprogramme), national (z. B. als Deutschlandradio) oder international (z. B. als Deutsche Welle). • Nach dem Signalempfang ist dieser terrestrisch-basiert (Antenne / DVB-T), satelliten-basiert („Schüssel“ / DVB-S) oder kabel-basiert (Router / DVB-C).

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V. Medien der Klassischen Werbung

Abbildung V/116: Hörfunk-Sendertypen

• Hinsichtlich des Charakters handelt es sich um Vollprogramme mit breiter thematischer Ausdeckung für Information, Bildung, Beratung, Unterhaltung etc. oder um Spartenprogramme mit enger thematischer Fokussierung (z. B. OldiesSender). • Nach der Sendedauer kann diese fulltime, also rund um die Uhr, oder parttime, also nur tagesausschnittsweise, angelegt sein.

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• Nach dem ausgestrahlten Programmmaterial handelt es sich um ganz oder überwiegend eigenerstelltes Programm, ganz oder überwiegend zugekauftes Programm (Mantel / Syndication), jeweils einmalig, oder aber zyklisch sich wiederholendes Programm (Loop / Datenbank, etwa als Playlist). Unter Syndication versteht man ein Lizenzmodell für regional aufgesplittete Medienmärkte. Bei dieser Zentralvermarktung von Radioprogrammen kann ein Syndicator, der Produzent des Programms, sein Angebot bundesweit verbreiten. Er vergibt dazu aber die Lizenz für sein Programm innerhalb eines Bundeslandes exklusiv nur an eine Radiostation. Der Syndicator vertreibt sein Programm auf Sponsorbasis, dabei bekommt der Sender das Programm kostenlos, nennt dafür aber den Sponsor oder auf Cash-Basis, dabei bezahlt der Sender das Programm regulär. Da der Syndicator Rechte von Tonträgerherstellern in Anspruch nimmt, muss er einen Vertrag mit der IFPI schließen, die deren Interessen insbesondere auf dem Gebiet des Urheberrechts wahrnimmt. Reale Hörfunksender bilden unterschiedliche Kombinationen dieser Sendertypen ab. Dabei treten aber zunehmend auch Nicht-Sender als Programmanbieter auf. Diese nutzen ausschließlich das Internet als Übertragungsweg. Denkbar sind dabei Formen mittels linearen Radios als Livestream (z. B. Internetsender) oder nicht-linearen Radios aus einer Programmbibliothek / Datenbank per Download (z. B. i-Tunes). Linear verfügbare Internetsender finanzieren sich neben Werbeeinnahmen aus technischen Serviceleistungen und Datensammlung ihrer Hörer. Ihnen liegt i. d. R. ein festes Programmschema zugrunde. Nicht-linear anbietende Internetsender finanzieren sich ebenfalls durch Werbung oder zeit- bzw. nutzungsabhängige Beiträge (z. B. Podcasts). Damit ist eine individuelle Zusammenstellung möglich. Für die technische Realisierung werden verschiedene technische Systeme moderner Nutzung des Hörfunks angeboten. Audio Streamings bezeichnen encodierte Daten, die in Datenpakete zerlegt und über ein Netzwerk übertragen werden. Zusammengehörige Datenpakete werden als Stream bezeichnet. Dabei handelt es sich um vor der Übertragung komprimierte Tonsignale, die wiederum beim Empfang decodiert werden. Bei einem Download wird zuerst die gesamte Datei auf das lokale digitale, stationäre oder mobile Endgerät heruntergeladen und dann von dort autark wiedergegeben. Probleme entstehen dabei durch die Downloadzeiten bei großem Datenvolumen und die Beanspruchung der Speicherkapazität des Endgeräts. Beim Streaming werden die Daten auf Anforderung sukzessiv bereitgestellt und leicht zeitversetzt wiedergegeben, während der Wiedergabe des Pufferbestands wird das nächste Datenpaket geladen und verschränkt dann wiedergegeben und so fort. Dadurch kann die Wiedergabe rasch beginnen, auch zum Probehören, und die Auslastung der Datenleitungen wird verstetigt. Streams stellen eine Point to Point-Verbindung zwischen Server und Client her (im Unterschied zum Broadcasting parallel an eine unbestimmte Anzahl von Hörern). Der Client benötigt zur Wiedergabe nur ein Browser-Plug-in. Technisch wird die Übertragung nach verschiedenen Standards realisiert. Beispiele sind Spotify, Apple Music, Amazon Music, Google Play Music, Napster, Deezer etc.

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Gegenüber linearem Hörfunk entsteht für Nachfrager somit der Vorteil des Ondemand-Angebots, d. h., Inhalte können individuell gestartet werden. Für Anbieter liegt der Vorteil in der niederschwelligen Technik beim Markteintritt. Audio Downloads basieren auf MP3-Dateien (MPEG-1 Audio Layer 3), die wiederum eine Komprimierung der Ausgangsdaten um rd. 90 % darstellen (ab 196 Kbit/s), ohne dass dabei ein hörbarer Verlust entsteht. Basis ist der auditive Verdeckungseffekt, d. h. leisere Töne, die gleichzeitig mit lauteren wiedergegeben werden, werden durch diese maskiert. Man hört also nicht leise und laute Töne anteilig, sondern man hört im Wesentlichen nur die lauten Töne. Eine Software erkennt die maskierten Töne und löscht sie. Dadurch sind wesentlich kürzere Download-Zeiten bei gegebener Bandbreite möglich. Die Dateien werden in Datenbanken vorrätig gehalten und können von dort zeitversetzt, aber beliebig abrufbar, gegen Entgelt oder auch kostenlos heruntergeladen werden. Bei MP4-Dateien kann durch anschließende Expansion die Originaldatei wieder hergestellt werden. Dieser Compander-Effekt ist aus der Studiotechnik bekannt. Dort wurde er eingesetzt, um die begrenzte Dynamik analoger Tonträger aufzufangen, indem bei der Aufnahme der Dynamikumfang reduziert und spiegelbildlich dazu bei der Wiedergabe auf den ursprünglichen Dynamikumfang expandiert wurde. DAB (Digital audio Broadcasting) ist ein UKW-Nachfolgesystem mit höherer Klangqualität, besserem Bedienungskomfort und der Möglichkeit zur Übertragung zusätzlicher Daten und Grafiken. Die Tonwiedergabe erfolgt in Digitalqualität, absolut rausch- und störungsfreien Empfang und mit großer Dynamik. Hinzu kommen einige Zusatzleistungen. So erlaubt eine Codierung die Anzeige des Sendernamens der gerade eingestellten Frequenz. Außerdem wird die Vielzahl der Sender nach Rubriken (z. B. nach Musikart, Nachrichten) voreingestellt und kann am Empfangsgerät (Digitaltuner) derart selektiert werden, dass nur die der eingestellten Rubrik entsprechenden Stationen empfangen werden. Der jeweilige Sendername wird in Klarschrift angezeigt (PI = Programme Identification / PS  = Programme Service Name). Die empfangenen Sender werden auf gleiche oder unterschiedliche Programme verglichen, selbsttätig wird auf den Sender gleichen Programms mit der höchsten Feldstärke umgeschaltet. Voraussetzung ist eine Parabolantenne mit Transponder oder ein Tuner mit Kabeleingang. Außerdem wird Content von direkt abstrahlenden Rundfunksatelitten wie Astra, Eutelsat ausgestrahlt und ist auf mobilen Endgeräten empfangbar. Neben dem Ton sind weitere Inhalte wie Texte, Standbilder und Mitteilungen transportierbar. Diese werden dann im Gleichwellenbetrieb synchron übertragen oder wiederholt und sind sowohl stationär wie auch mobil zu empfangen. Dienste betreffen im einzelnen Programmname, Länderkennung, Anzeige in Landessprache, Zeitzone, Programmart, alternative Frequenz, Bezeichnung der Sendung, Name von Interpreten bzw. Moderator, Aufnahmedatum, Songtexte im Wortlaut, Sprechertexte, Standbilder der Interpreten, Komponisten, Plattencovers, Steuerinformation für Zusatzgeräte, weiterhin auch Verkehrslenk- und -leitsysteme, Verkehrsinformation,

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Wetterinformation, Personensuchmeldung, Katastrophenalarm, Parkhausinformation, Hotelbettennachweis, codierte Landkarte oder Videotextinformation. Das geht bis zur Elektronischen Zeitung mit redaktionellen Inhalten, selektierten Kleinanzeigen, Veranstaltungshinweisen, kommunalen Informationen, interaktiven Produktinformationen, Software / Computerspielen, touristische Informatio­ nen, die auf einem Display abgelesen werden können. Denkbar sind aber auch Inhouse-Infor­mationen an Filialen, Vertreter oder Kundendienstmitarbeiter, die Verteilung von Preisinformationen an Tankstellen oder Kaufhausketten, Börseninformation, Sperren gestohlener Kreditkarten und Informationszuführung zu elektronischen Werbeflächen. Eine andere Form ist Internet-Radio. Es ermöglicht die Übertragung einer enormen Vielzahl von Sendern und Programmen (über 2.500 in BRD). Zumeist handelt es sich um Spartenkanäle (Special Interest / Special Segment), wiederum weit überwiegend als Online only-Angebote (Native internet broadcaster). Den Rest machen Live-Streams offline übertragener Sender / Programme (Zweitverwerter) aus. Internet-Radio kann am PC über Streaming-Clients oder über spezielle WebRadios empfangen werden, außerdem über mobile Endgeräte mittels WLAN oder Mobilfunkkarte. Die Auswahl ist komfortabel nach Ländern, Genres, Favoriten etc. Voraussetzung ist ein breitbandiger Signalanschluss. Der Empfang ist unabhängig vom Standort global möglich. Teilweise werden schmalbandige Rückkanäle angeboten. Die Klangqualität ist, trotz Kompressionsverfahren wie MP3, im Allgemeinen sehr hoch. Für den Sendebetrieb ist keine staatliche Zulassung erforderlich, wohl aber eine Anzeige bei den Landesmedienanstalten. Kosten entstehen, neben dem laufenden Betrieb, für das übertragene Datenvolumen an den Provider, für GEMA- bzw. GVL-Gebühren und für die Einstellung bei Portalbetreibern. Werbespots werden durch Provider und / oder Sender übertragen. Provider-Spots werden einmalig bei Aufschalten auf eine Station übertragen, auch regional / lokal spezifiziert. Senderseitige Spots sind im Programm eingearbeitet, können aber je nach IP-Adresse spezifiziert werden (z. B. Distributionsgebiet, IP-Adresse). Die Werbeeinnahmen dienen der Finanzierung des Senderbetriebs. Andere Quellen sind Studiovermietung für Dritte, Events, gesponsorte Gewinnspiele etc. Öffentlich-rechtliche Internet-Stationen finanzieren sich aus den GEZ-Gebühren. Anschaulich werden gängige Hörertypen unterschieden, beispielsweise in: • Hintergrund-Hörer: Radio läuft hier den ganzen Tag als Hintergrundkulisse, bevorzugt werden eingängige Standards und kurze Wortbeiträge, vorwiegend Hausfrauen, Frührentner, Studierende, • „Schmiermittel“-Hörer: Radio füllt Zwischenräume und ist mit anderen Tätigkei­ ten verbunden (z. B. Weg zur Arbeit, Frühstück), Musik hat eher unauffälligen Standardcharakter, vorwiegend Berufstätige, mobile Personen, Musikinteressenten, • Stimmungssuchende: Radio wird aus spontanem Bedürfnis heraus eingeschaltet, Musik soll die momentane Befindlichkeit verbessern, Senderloyalität ist ge-

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ring, nicht Sender, sondern Musikrichtung ist wichtig, Konkurrenz zu CD / ­Audio streaming, vorwiegend Berufstätige und Musikinteressierte, • Strukturbedürftige: Radiohören dient der Strukturierung des Alltags, klare, vertraute Programmabläufe, Wechsel von Musik- und Wortbeiträgen, Personen ab 40 Jahren, vorwiegend öffentlich-rechtliche Sender, • Zielgerichtete Hörer: ausgewählte Sendungen oder Nachrichten, starkes Informa­ tionsbedürfnis, hohe journalistische Ansprüche, hängt am Moderator, vorwiegend öffentlich-rechtliche Sender, in allen Berufs- und Altersschichten vertreten. Für die Wahl des „richtigen“ Senders ist die dort vertretene Klangfarbe zentral, denn sie gibt Anhaltspunkte für dessen typische Hörerschaft. Die Hörfunksender lassen sich dazu in verschiedene Radioformate einteilen: • Adult Contemporary (AC): das erfolgreichste Radioformat in Deutschland, Orientierung am Massengeschmack, Popstandards der letzten Jahrzehnte, ergänzt durch aktuelle Hits, leichte Hörbarkeit, drei bis vier Titel ohne Unterbrechung, kurze Moderation, Informationen in kurzen Serviceteilen, aufwändige Gewinnspielaktionen, Kernzielgruppe: 25–49 Jahre, mehr weibliche Hörer, Musikbeispiele: Madonna, Elton John, Britney Spears, Whitney Houston, Subformate sind Oldie-based AC, Euro- / German-based AC, Soft-AC, Currentbased / Hot-AC. • Contemporary Hit Radio (CHR): aktuelle, schnelle Charthits, begrenzte Playlist, Tophits bis zu achtmal täglich, lange Musikstrecken, knappe, dynamisch-witzige Moderationen, geringer Informationsanteil, häufig Gewinnspiele und Promotions-Aktivitäten, Kernzielgruppe: 14–24 Jahre, konsumfreudige junge Menschen, Musik-Beispiele: Charthits, Subformate sind Mainstream CHR, Dance-oriented CHR, Rock-oriented CHR, Euro- / ​German-based CHR. • Middle of the Road (MOR): Vollprogramm, ausgewogener Wort- / Musikanteil, harmonisch-melodiöse Titel ohne spezielle Ausrichtung, ausführliche Nachrichten und Informationen, zum Teil anspruchsvolle redaktionelle Inhalte, Moderatoren-Persönlichkeiten, ruhige, sachliche Moderation, Kernzielgruppe: ­35–55 Jahre, gesetztere Hörer, Musikbeispiele: Dire Straits, Mike Oldfield, Chris Rea. • Melodie: Speziell für die Bedürfnisse des deutschen Markts entwickeltes Format, deutsche Schlager von 1955 bis heute, Evergreens, volkstümliche Musik, lockere Moderation, häufig Promotions-Aktionen, Kernzielgruppe: 40–60 Jahre, eher konservativ, Musikbeispiele: Nicki, Udo Jürgens, Andy Borg, Roland Kaiser. • Oldie: Internationale und nationale Oldies seit den 1920er Jahren, häufig mit Moderatoren-Persönlichkeiten, ruhige Moderation, Kernzielgruppe: 40 + Jahre, Musikbeispiele: Frank Sinatra, ABBA, Queen, Liza Minelli.

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• Album-oriented Rock (AR): Rockmusik verschiedener Richtungen, zum Teil unbekannte Titel, wenig Information, Kernzielgruppe: 18–34 Jahre, mehr männ­ liche Hörer, Musikbeispiele: Led Zeppelin, Scorpions, AC / DC, Subformate sind Classic Rock, Hard / Heavy / Soft Rock. • Klassik: beliebte klassische Stücke, meist verkürzt auf Ausschnitte aus Konzerten, Sinfonien, Opern, Operetten, zum Teil anspruchsvolle redaktionelle Inhalte, stündliche Nachrichten, zurückhaltende Moderation, Kernzielgruppe: 30 + Jahre, gebildete Besserverdiener, Musikbeispiele: Bach, Beethoven, Mozart. • Jazz: bekannte Jazztitel, zum Teil anspruchsvolle redaktionelle Inhalte, kultivierte Moderation, Kernzielgruppe: 30–60 Jahre, gebildete Besserverdiener, Musikbeispiele: Louis Armstrong, Miles Davis, Glenn Miller, Ella Fitzgerald. • Easy Listening: Sanfte, entspannende, meist ältere internationale Titel, geringer Wortanteil, stündliche Nachrichten, unaufdringliche, ruhige Moderation, Kernzielgruppe: 40+ Jahre, Musikbeispiele: Barry Manilow, The Beatles, Electric Light Orchestra. 10.2.3.2 Hörfunk-Sonderwerbeformen Sonderformen der Werbung bei privaten Hörfunksendern sind folgende: • Patronat als erkennbare Trägerschaft einer Sendung durch einen Werbungtreiben­ den mit Werbehinweis zu Beginn und am Ende der Sendung, aber ohne direkte redaktionelle Einflussnahme, dabei handelt es sich um Beiträge, die nicht in unmittelbarem wirtschaftlichen Interesse des Patrons liegen. • Tandem-Spots als Kopplung von zwei gleichen Werbeausstrahlungen in einem Werbeblock. Denkbar sind zwei Versionen: Erstens Vor- und Hauptspot, indem vor einem „normalen“ Spot ein Vorspot läuft, der auf den nachfolgenden Hauptspot hinweist, ausnahmsweise auch derart, dass ein kürzerer Spot / Teaser auf den später folgenden, eigentlichen Werbespot hinweist. Zweitens Haupt- und Nachspot, indem die wesentlichen Aussagen des Hauptspots in einem Nachspot wiederholt / zusammengefasst werden, normalerweise derart, dass ein längerer Spot als Vollversion von einem kürzeren, der sich auf diesen als Kurzversion bezieht, gefolgt wird und dazwischen eine anderweitige Werbung oder Redaktion stattfindet. • Dialog-Spot als Kombination aus Tonkonserve mit Liveansage durch Sprecher im Studio. Letztere dient dabei zumeist als Stichwortgeber für erstere. • Zeitansage in Kombination mit einer Werbedurchsage durch den Sprecher, analog auch Wetterbericht, dabei wird an die Zeitansage ein kurzer vorproduzierter Spot angehängt, oder der Moderator weist jeweils auf das Werbeobjekt hin. • Live Reader, also Werbung als Moderatorendurchsage live im Studio, TelefonGewinnspiel für Zuhörer / Zuschauer durch Anruf und Lösungsdurchsage, oft

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werden auch Firmenveranstaltungen in PSAs / Public Service Announcements einbezogen. • Event Promotion als Kombination aus Werbung und Promotion vor Ort, meist am Handelsplatz, durch mobile Sendestation für Liveschaltungen, dabei werden etwa Preisfragen zum beworbenen Produkt gestellt. • Gameshow als aleatorische Aktion in unterhaltende Rahmenhandlung eingebunden mit Spielen für Geschicklichkeit, Schlagfertigkeit, Raten, Wissen und Abenteuer. Die Werbung erfolgt vor, während und nach der Sendung durch Platzierung innerhalb der Show als Gewinnerpreise. Die Zielgruppe ist analog Yellow Press bei Print einzuschätzen. Hier gelten im Übrigen alle werberechtlichen Richtlinien und Vorschriften, also bis zu dreimalige Nennung der Marke, kurze Beschreibung des ausgelobten Preises, keine Anlockung durch übermäßige Vorteile, keine Ausnutzung der Spielleidenschaft. • Narrow Casting als Form der Spotwerbung, bei welcher der Werbespot eine spezielle programmliche Thematik aufgreift bzw. weiterführt und unmittelbar vor bzw. nach diesem themenverwandten Programmereignis ausgestrahlt wird. • Programming als gezielte Platzierung von Werbespots im Umfeld zielgruppeninteressierender Redaktion, teils auch mit Konkurrenzausschluss. • Anmoderierter Spot als einleitende Ansage der Werbung durch einen Sprecher live im Studio und außerhalb des regulären Programms. • Infomercial mit im Stil einer Informations- bzw. Dokumentationssendung aufbereiteten Spots, auch mit Teleshopping oder als Dauerwerbesendung, sofern als Werbung deutlich erkennbar und zeitlich limitiert. • Social Advertising Spots als unentgeltliche Schaltung für gemeinnützige, gesellschaftliche, ökologische Zwecke. Eine besondere Produktionsform stellt die Time-Compression-Methode dar, die eine um ein Viertel geringere Spotlänge durch Sprachbeschleunigung bei gleichzeitigem Tonhöhenausgleich ermöglicht, diese wird etwa auch beim Warnhinweis für Pharmazeutika genutzt. 10.2.4 Kinospot Kino / Lichtspielhaus gehört ebenfalls zu den ältesten klassischen Medien und wird schon seit den 1910er Jahren für Werbung genutzt. In neuerer Zeit hat hierbei die Elektronik die Vorführung revolutioniert. Statt Wiedergabe über Film- bzw. Diaprojektoren sind nunmehr Hochleistungs-Beamer mit digitalen Datenträgern als Quelle im Einsatz.

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10.2.4.1 Grundlagen Das Kino als Werbemedium hat nach einem tiefen Tal mit dem Wiederaufleben der Filmkultur einen neuen Aufschwung geschafft. Dies gilt insb. für jugendliche Zielgruppen. Da diese andererseits über TV-Spots nur ungenügend zu erreichen sind und den zielgruppenadäquaten HF-Spots die wichtige Bildkomponente fehlt, stellen Kinospots eine hervorragende Alternative dar. Die Perzeptionsbedingungen sind wegen der konzentrierten, überdimensionalen Wiedergabesituation ohnehin ideal. Der hohe Organisationsgrad der Lichtspielhäuser, die mittelfristige Verfügbarkeit, die genaue räumliche Zielung und die vergleichsweise niedrigen Einschaltkosten bieten eine sehr gute Planungsbasis. Von Nachteil ist die ungünstige Relation von Produktions- zu Streukosten. Da es sich bei Kinospots jedoch häufig um Gemeinschaftsproduktionen mit kürzeren TV-Spots handelt, fällt dies selten ins Gewicht. Zu warnen ist vor belustigenden Amateurproduktionen. Man bedenke, dass man sich mit solchen Machwerken im Umfeld höchstprofessionell produzierter Filme befindet, dabei also nur verlieren kann. Von Vorteil ist die hohe Bedeutung für Branchen, die anderweitigen Werbebeschränkungen unterliegen, außerdem fallen geringe Materialkosten an, eine kurzfristige / f lexible Buchung und eine einfache Stornierung sind möglich. Zudem ist ein hoher Content-Bezug darstellbar. Die Kinos lassen sich zudem klar in verschiedene zielgruppenspezifische Rubri­ ken einteilen: • Programmkinos sind Filmtheater mit festem Programm hoher, oft ausgefallener künstlerischer Qualität, die teilweise in einer „Arbeitsgemeinschaft Kino“ zusammenarbeiten. Sie sind überwiegend in Universitäts- und Großstädten anzutreffen, mit häufig wechselnden Programmen, die meist für einen Monat im Voraus angekündigt und als Vorschau an Interessenten versendet werden. Zielgruppe sind Studierende, Oberschüler, Cineasten. • Action-Kinos stellen eine Kategorie dar, die vorwiegend in Großstädten anzutreffen ist und ein ganz spezielles Filmangebot hat. Das Programm reicht vom ItaloWestern über Abenteuer- bis zu Science fiction-Filmen. Zielgruppenschwerpunkt sind männliche Jugendliche bis 25 Jahre. Diese Kategorie nimmt stark zugunsten der Familientheater ab. • Truppenkinos sind Filmtheater, die innerhalb oder in unmittelbarer Nähe von Kasernen / Fliegerhorsten / Soldatenheimen betrieben werden. Die Vorstellungen können nur von Soldaten und in geringem Umfang auch von zivilen Hilfskräften im Kasernenbereich besucht werden. Zielgruppe sind dementsprechend Männer von 18–25 Jahren. • Autokinos sind ebenfalls eine programmunabhängige Kategorie, die sehr stark besucht wird. Der Komfort mit Heizung in der kalten Jahreszeit, die private Atmo­sphäre, verbunden mit den Vorteilen des Kinos wie große Leinwand und

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aktuelle Produktionen sind dafür ursächlich. Zielpersonen sind alle Gruppen, die starken Bezug zum Auto haben. • Freiluftkinos während zumeist während der Sommermonate an zentralen Plätzen in vielen Großstädten betrieben. • Studiotheater und Filmkunst-Kinos sind in den letzten Jahren immer beliebter geworden und tragen wesentlich zur neuen Attraktivität des Mediums bei. Die Filmkunst-Theater gehören der „Gilde deutscher Filmkunsttheater“ an. Gezeigt werden anspruchsvolle Programme aus aller Welt. Zielgruppe sind ambitionierte Filmfreunde, auch über 30 Jahre. • Familienkinos und Normaltheater sind Kinos, die ein breitgefächertes Programmangebot mit Middle of the Road-Geschmack zeigen. Sie sind primär in Großstädten, aber auch in Klein- und Mittelstädten zu finden. Zielgruppe sind Familien. • Multiplex-Kinos stellen eine Großbetriebsform von Kinos mit mehr als sieben Kinosälen und über 1.500 Sitzplätzen dar, bei der mehrere Vorführsäle in einem Gebäude gemeinsam mit Gastronomie- und weiteren Unterhaltungsbetrieben wie Boutiquen, Bowling-Bahnen, Bars etc. untergebracht sind. Insofern kann der Freizeitspaß räumlich zentral wahrgenommen werden. • Cityplex-Kinos sind moderne, kleinere Center mit drei bis sechs Kinosälen, sie haben Innenstadtlage, meist in Mittelzentren gelegen. • IMAX-Kinos weisen gekrümmte Leinwände (3-D-Effekt / curved mit Spezialbrille) bis 1.000 qm auf. Dadurch kann eine besondere Perspektive, ähnlich wie bei Spielemonitoren, bei hoher Bild- und Tonqualität erreicht werden. Der Ton kommt über 5+1-Soundsystem. • 1 $-Kinos sind Discount-Lichtspiele mit niedrigem Eintrittspreis mit Spätver­ wertung von Filmen drei bis vier Monate vor deren Videoauswertung. • Wanderlichtspiele sind Vorführungen, 10.000 Besucher p. a., Gruppe 12 über 110.000 Besucher p. a. die an wechselnden Standorten mit einem eher anspruchslosen Programm stattfinden, die vor allem Orte abdecken, die ansonsten von Kinos nicht genügend versorgt sind wie ländliche Gebiete. Oft werden Kinder­ programme während der Sommerferien geboten. • Sex- / Porno-Kinos sind die Kategorie mit dem eindeutigsten Programm und dem unterschiedlichsten Publikum. Ihre Zahl nimmt ständig zugunsten clubähnlicher Kinos ab, bei denen auch Nebenleistungen geboten werden. 90 % aller Filmtheater sind der IVW zur Verbreitungsmessung angeschlossen. Diese teilt die Kinos in Stufen nach Besuchern pro Woche bzw. Jahr ein. Gruppe 1 hat bis. Die Buchung erfolgt je Leinwand / Vorführraum, gelegentlich auch für mehrere Leinwände gemeinsam. Starttag der Filme ist donnerstags, dies gilt auch für Kino­

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spots. Darauf folgen eine oder mehrere Laufwochen. Die Kosten pro Woche ergeben sich als Produkt aus Grundpreis mal Filmdauer in Sekunden mal Anzahl der IVW-Stufen, darauf gibt es Längen- und Mengenrabatte. Die Buchung und Organisation erfolgt durch Werbeverwaltungen, die zwischen Werbeagentur und Kinobetreibern zwischengeschaltet sind. Es gilt Konkurrenzausschluss je Werbeblock. Sonderwerbeformen werden praktiziert durch Catering, Dekoration, Event-People, Musikprogramm, Events und Promotions. Außerdem ist Product Placement im Film bei entsprechender Ankündigung im Vorspann erlaubt. Kinowerbung erreicht im Wesentlichen niedrigere Altersklassen ( l dagegen steigt / sinkt der Umsatz stärker als die Werbeausgaben. Inwieweit sich eine erhöhte Werbeintensität lohnt, hängt von der Umsatzrendite ab, also von dem verbleibenden Gewinn des Zusatzumsatzes. Weiterhin gibt es die (indirekte) Kreuzwerbeelastizität als relative Umsatzänderung des eigenen Produkts im Zähler zur relativen Werbeaufwandsänderung eines konkurrierenden Produkts im Nenner. Der Quotient liegt zwischen – ∞ und + ∞. Bei einer Kreuzwerbeelastizität von – l ist eine proportionale Änderung von konkurrierendem Werbebudget und eigenem Umsatz gegeben. Hier führt eine Erhöhung / Senkung der Werbeausgaben der Konkurrenz zu einer exakt gleichen eigenen Umsatzverminderung/-erhöhung. Bei Werten  – 1 dagegen steigt / sinkt der eigene Umsatz weniger stark als die Werbeausgaben der Konkurrenz sinken / steigen. Je höher der negative Koeffizient ist, desto intensiver ist also die Konkurrenzbeziehung. Die Ermittlung der Werbeelastizität ist allerdings wenig praktikabel, denn sie erfordert die Einhaltung der Ceteris-paribus-Bedingung. Diese besagt, dass alle anderen Größen, die auf das Ergebnis Einfluss nehmen können, außer der Absatzwerbung, zu eliminieren oder zumindest konstant zu halten sind. Vor allem wird von der Qualität der Werbung abstrahiert und nur auf das Budget abgestellt. Das mag sich zwar in der Theorie gut rechnen, in der Praxis ist dies jedoch nicht darstellbar. Insofern hat man nach pragmatischen Umsetzungen gesucht und die Modelle Netapps und Noreen entwickelt. Dazu ein Rechenbeispiel für die Werbeerfolgskontrolle auf Basis der direkten Werbeelastizität: • Ausgangsumsatz des Produkts: € 500.000,−, • Ausgangswerbebudget: € 50.000,−, • Erhöhung des Werbebudgets / Ursache um € 5.000,−, • Erhöhung des Umsatzes / Folge um € 25.000,−,

27. Leistungsmessungen

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• Werbeelastizität = ((525.000–500.000) : 500 000) : ((55.000–50.000) : 50.000)  = 0,5. Das heißt, eine Erhöhung der Werbeausgaben führt nur zu einer Umsatzsteigerung, die, relativ betrachtet, geringer ist als diese. Ebenso ein Rechenbeispiel für die indirekte (Kreuz-)Werbeelastizität. • Ausgangsumsatz Produkt A: € 500.000,−, • Ausgangswerbebudget Produkt B: € 50.000,−, • Erhöhung des Werbebudgets Produkt B um € 5.000,−, • Verringerung des Umsatzes Produkt A um € 25.000,−, • Kreuzwerbeelastizität =  – ((475.000–500.000) : 500.000) : (55.000–50.000) : ​ 50.000 = – 0,5. Das heißt, die Erhöhung der Werbeausgaben von B führt zu einer nur unterproportionalen Verringerung des Umsatzes von A. Die negative Hebelwirkung der Konkurrenzwerbung auf den eigenen Umsatz bleibt also gering. 27.6.5 Netapps-Modell Das Netapps-Modell (Akronym für Net Ad produced purchases / Starch) greift das Verhältnis von Werbeaufwand zu Werbeertrag auf. Es bezieht sich dabei auf die Zahl der nur durch den Einsatz der Werbemittel hervorgerufenen Käufe. Zur Versuchsanlage erforderliche Informationen umfassen dabei die: • Zahl der Personen, die das Werbemittel wahrnehmen, • Zahl der Personen, die das Werbemittel wahrnehmen und die Marke, für die geworben wird, in einem bestimmten Zeitraum kaufen, • Zahl der Personen, die das Werbemittel nicht wahrnehmen, • Zahl der Personen, die das Werbemittel nicht wahrnehmen und die dort beworbene Marke nicht kaufen, • Kosten des Werbemittels pro Person, die das Werbemittel wahrnehmen, • Erträge in Form von Käufen, die aufgrund der Wahrnehmung des Werbemittels getätigt werden. Als Datenbasis dienen dabei Panelbefragungen, die innerhalb eines angemessenen Zeitraums nach Erscheinen des Werbemittels durchgeführt werden. Kritisch ist anzumerken, dass nur der Anteil des Umsatzeffektes der Werbung erfasst wird, der unmittelbar nach deren Verbreitung auftritt, längerfristige Umsatzwirkungen, welche die gemessenen kurzfristigen Effekte verstärken oder abschwächen können,

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XI. Controlling der Marketingkommunikation

bleiben hingegen unberücksichtigt. Außerdem ist es schwierig, bei Werbemitteln, die in relativ kurzen Zeitabständen folgen, eine Kausalität zwischen Werbung und Mehrkäufen herzustellen, insofern scheint die Zurechenbarkeit der Umsätze auf Werbemittel fraglich. Ein Rechenbeispiel zur Werbeerfolgskontrolle durch Netapps sieht wie folgt aus: Die Anzahl der Befragten ist 2.000 Personen, davon sind: • Anzeigenleser und zugleich Käufer 360 Personen, • Anzeigenleser, aber Nichtkäufer 840 Personen, • Käufer, aber nicht zugleich Anzeigenleser 100 Personen, • Nichtkäufer und zugleich Nichtanzeigenleser 700 Personen. Daraus errechnen sich folgende Werte der Werbeerfolgskontrolle: • Die Anzahl der Käufer ist total 460 Personen, davon 360 Anzeigenleser und 100 Nichtanzeigenleser. • Die Anzahl der Nichtkäufer ist total l.540, davon 840 Anzeigenleser und 700 Nichtanzeigenleser. • Die Anzahl der Anzeigenleser ist total 1.200, davon 360 Käufer und 840 Nichtkäufer. • Die Anzahl der Nichtanzeigenleser ist total 800, davon 100 Käufer und 700 Nichtkäufer. • Der Anteil der Käufer an den Anzeigenlesern ist 30 % (360 von 1.200 Personen). • Der Anteil der Nichtkäufer an den Anzeigenlesern ist 70 % (840 von 1.200 Personen). • Der Anteil der Käufer an den Nichtanzeigenlesern ist 12,5 % (100 von 800 Personen). • Der Anteil der Nichtkäufer an den Nichtanzeigenlesern ist 87,5 % (700 von 800 Personen). • Der Anteil der Käufer an allen Befragten ist 23 % (460 von 2 000 Personen). • Der Anteil der Nichtkäufer an allen Befragten ist 77 % (1.540 von 2.000 Personen). Es ist also die Schlussfolgerung zulässig, dass 150 Personen mit Werbemittelkontakt auch ohne diesen gekauft hätten (= 12,5 % von 1.200 Personen mit Werbemittelkontakt, dies entspricht der Rate für Käufer ohne Werbemittelkontakt). Da 100 Personen ohne Werbemittelkontakt ohnehin gekauft haben, sind mithin 50 Käufe zusätzlich durch Werbemittelkontakt ausgelöst worden. Der Werbeerfolg beträgt also 10,9 % (50 zusätzliche von allen 460 Käufern). Diese Lösung ergibt sich auch durch eine entsprechende Kontingenztabelle.

27. Leistungsmessungen

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27.6.6 Noreen-Modell Beim Noreen-Modell sind in der Anlage vier verschiedene Werbeprogramme gegeben. Diese werden in vier räumlich voneinander getrennten Absatzmärkten eingesetzt. Pro Jahr werden so vier Werbeaktionen durchgeführt, die jeweils drei Monate dauern. Auf jedem Teilmarkt wird in jeder Saison nur eines der vier Werbeprogramme angewandt. Die verschiedenen Werbemaßnahmen laufen vier Jahre hindurch. Normwert ist der Mittelwert aller Programme, die Abweichung der einzelnen Programme nach oben oder unten zeugt von deren relativer Effektivität. Es ist wohl unmittelbar einsichtig, dass dieses Modell unter dem Problem des viel zu langen Ermittlungszeitraums leidet, um hilfreich zu sein. Dafür müssen die Bedingungen auf den einzelnen Absatzmärkten zwar nicht konstant bleiben, da endogene und exogene Veränderungen aufgrund der Testanlage heraus gerechnet werden können. Doch wirken zwischenzeitliche Marktveränderungen systematisch verzerrend. Das Modell liefert zudem nur Durchschnittswerte, somit also keine Informationen über exakte Ansatzpunkte. Auch wird nur eine Aussage über die relative Beurteilung der vier Programme getroffen, hingegen keine Aussage über deren absolute Erfolgspotenziale. Ein Rechenbeispiel zur Werbeerfolgskontrolle mit Noreen lautet für einen ausgewählten von vier Testmärkten wie folgt: • Werbeprogramm 1: 344 Käufe, • Werbeprogramm 2: 384 Käufe, • Werbeprogramm 3: 368 Käufe, • Werbeprogramm 4: 408 Käufe. Das arithmetische Mittel der Käufe je Quartal bei 16 Quartalen beträgt dann: • Werbeprogramm 1: 21,50 (344 Käufe : 16 Quartale), • Werbeprogramm 2: 24,00 (384 Käufe : 16 Quartale), • Werbeprogramm 3: 23,00 (368 Käufe : 16 Quartale), • Werbeprogramm 4: 25,50 (408 Käufe : 16 Quartale). Das gesamte arithmetische Mittel beträgt 23,50 durchschnittliche Käufe über alle vier Programme. Die relative Werbewirksamkeit der Programme ergibt sich als Differenz aus arithmetischem Mittel je Werbeprogramm und Gesamtdurchschnitt aller Werbeprogramme: • Werbeprogramm 1: – 2,00 (21,50 − 23,50), • Werbeprogramm 2: + 0,50 (24,00 − 23,50), • Werbeprogramm 3: – 0,50 (23,00 − 23,50),

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• Werbeprogramm 4: + 2,00 (25,50 − 23,50). Die Rangfolge der Werbeprogramme nach deren Umsatzwirkung lautet dann also: • Werbeprogramm 4 (+ 2,00) vor Werbeprogramm 2 (+ 0,50) vor Werbeprogramm 3 (− 0,50) vor Werbeprogramm l (− 2,00). Die Werbekosten dieser Programme betragen für: • Werbeprogramm 1: 0,75 Mio. €, • Werbeprogramm 2: 1,25 Mio. €, • Werbeprogramm 3: 1,00 Mio. €, • Werbeprogramm 4: 1,25 Mio. €. Der Werbeerfolg ergibt sich nun als Quotient aus arithmetischem Mittel und Werbekosten je Programm (in Mio. €): • Werbeprogramm 1: 28,7 (21,50 : 0,75), • Werbeprogramm 2: 19,2 (24,00 : 1,25), • Werbeprogramm 3: 23,0 (23,00 : 1,00), • Werbeprogramm 4: 20,4 (25,50 : 1,25). Die Rangfolge der Werbeprogramme nach deren Gewinnwirkung lautet also: • Werbeprogramm l (28,7) vor Werbeprogramm 3 (23,0) vor Werbeprogramm 4 (20,4) vor Werbeprogramm 2 (19,2). 27.6.7 Return on Advertising Der Return on Advertising / RoA (auch RoAI für Return on Advertising Investment) basiert auf der investitionstheoretischen Kapitalwertmethode. Dabei spielt die mindestens geforderte Rendite von Werbemaßnahmen eine zentrale Rolle für die Beurteilung des Werbeerfolgs. Im Kern geht es um die Relation zwischen Renditeerwartung einer Werbeaktivität und deren tatsächlichem Ergebnis. Das Ergebnis ist damit an die individuell geforderte Rendite gekoppelt. Zur Beurteilung sind daher alle Aktivitäten in einem einheitlichen Zeitraum zu betrachten oder durch Abzinsung darauf zu normieren (Endwert / Schlusszeitpunkt bzw. Barwert / Anfangszeitpunkt). Eine Werbemaßnahme ist danach nicht schon als erfolgreich einzustufen, weil sie mindestens ihre Kosten wieder einfährt, sondern erst, wenn sie eine Rendite oberhalb der geforderten Mindestverzinsung des eingesetzten Budgets erbringt. Diese Mindestrendite ist wiederum abhängig vom Ertrag aus der Dotierung alternativer Aktivitäten. Mindestens ist eine Rendite wie bei einer weitgehend risikolosen (systemischen) Anlage des Betrags am Kapitalmarkt zu erzielen. Dies reicht jedoch regelmäßig nicht aus, da mit der Dotierung von Werbemaßnahmen

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auch das Risiko des Untergangs dieser Investition entsteht, mithin eine Risiko­ prämie dafür eingerechnet werden muss. Diese ist unternehmensspezifisch zu bestimmen je nach individueller Risikoscheu (höher) oder -gier (niedriger). Erst wenn die Rendite des eingesetzten Kapitals oberhalb der systemischen und der individuellen Renditeforderung liegt, kann ein Werbeerfolg konstatiert werden. Von zwei oder mehr Werbeaktivitäten ist diejenige mit dem höchsten Geldrückfluss die beste. Dazu ein Rechenbeispiel. Unterstellt seien folgende Werte: • Entwicklungskosten einer Kampagne mit mehreren Motiven / Medien: 90.000 € (Jahr 0), • tatsächliche Laufzeit der Kampagne: 6 Jahre, • kalkulatorischer Zinssatz: 8,5 %, d. h. es wird eine Mindestverzinsung von 8,5 % p. a. verlangt, • Rechenprinzip: Barwertermittlung • laufende Streukosten in Jahr 1: 52.000 €, • laufende Streukosten in Jahr 2: 56.000 €, • laufende Streukosten in Jahr 3: 65.000 €, • laufende Streukosten in Jahr 4: 62.000 €, • laufende Streukosten in Jahr 5: 55.000 €, • laufende Streukosten in Jahr 6: 48.000 €, • einmalige Erlös durch Lizenzverkauf der Kampagnenvorlagen ins Ausland nach Laufzeitende: 15.000 €, • laufende werbebedingte Erlöse in Jahr 1: 38.000 €, • laufende werbebedingte Erlöse in Jahr 2: 35.000 €, • laufende werbebedingte Erlöse in Jahr 3: 39.000 €, • laufende werbebedingte Erlöse in Jahr 4: 38.000 €, • laufende werbebedingte Erlöse in Jahr 5: 40.000 €, • laufende werbebedingte Erlöse in Jahr 6: 37.000 €, Daraus ergeben sich folgende Werte: • Summe der laufenden Streukosten der Jahre 1–6: 338.000 €, • Summe der laufenden werbebedingten Erlöse der Jahre 1–6: 227.000 €, • Summe der Investitionsüberschüsse der Jahre 1–6: 111.000 €.

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• Abzinsungsfaktor des Überschusses im ersten Jahr: 0,9217, dieser ergibt sich, weil der nominale Überschuss nicht im Jahr 0 (Start der Kampagne) zur Verfügung steht, sondern erst am Ende des Jahres 1, dadurch entsteht ein Zinsentgang von 8,5 % für ein Jahr • Abzinsungsfaktor des Überschusses in Jahr 2: 0,8495, • Abzinsungsfaktor des Überschusses in Jahr 3: 0,7829, • Abzinsungsfaktor des Überschusses in Jahr 4: 0,7216, • Abzinsungsfaktor des Überschusses in Jahr 5: 0,6650, • Abzinsungsfaktor des Überschusses in Jahr 6: 0,6129, • Barwert des Überschusses im ersten Jahr: 12.903,23 €, dieser ist der reale Überschuss nach dem ersten Jahr, also der nominale Überschuss vermindert um den Zinsentgang bei 8,5 % Verzinsung, • Barwert des Überschusses in Jahr 2: 17.838,56 €, • Barwert des Überschusses in Jahr 3: 20.355,61 €, • Barwert des Überschusses in Jahr 4: 17.317,78 €, • Barwert des Überschusses in Jahr 5: 9.975,68 €, • Barwert des Überschusses in Jahr 6: 6.742,40 €. • Barwert der verkauften Produktionsvorlagen im sechsten Jahr: 9.194,18 €, dies entspricht einem nominalen Wert von 15.000 €, wenn über die Laufzeit von sechs Jahren hinweg jeweils 8,5 % p. a. an Verzinsung abgezogen werden, weil der Betrag nicht im Jahr 0, sondern real erst nach dem sechsten Jahr zur Ver­ fügung steht, • Summe der Barwerte der Jahre 1 bis 6 plus Einmalauszahlung im sechsten Jahr: 94.327,43 €, • Abzug der einmaligen Entwicklungskosten (Jahr 0, also ohne Abzinsung): 90.000 €, • Überschuss der werbebedingten Erlöse über die laufenden Streukosten: 4.327,43 €. Dies besagt, dass die Kampagne werbebedingte Erlöse produziert hat, die um 4.327,43 € über den Investitionskosten liegen, wenn man eine Verzinsung von 8,5 % p. a. über eine Laufzeit von sechs Jahren unter Berücksichtigung der jährlichen Überschüsse, der einmaligen Entwicklungskosten und des einmaligen Lizenzerlöses zugrunde legt. Bei einer verlangten Mindestrendite des eingesetzten Kapitals von 8,5 % ist die Kampagne damit als erfolgreich zu bewerten. Ihre tatsächliche Rendite liegt höher als verlangt, dieser Wert kann nach der Internen Zinsfuß-Methode errechnet oder zwischen zwei Zinsfüßen der Kapitalwertmethode interpoliert werden.

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27.6.8 POS-bezogene Erhebungen Hier stehen mehrere Verfahren zur Verfügung. Einige seien beispielhaft genannt: • InfoScan ist ein scannerbasiertes Handelspanel der GfK, das in Verbrauchermärkten, Supermärkten, Discountern und Drogeriemärkten installiert ist. Dazu werden über Scannerkassen artikel- und wochengenaue Abverkäufe und Preise von allen GTIN-codierten Artikeln erfasst. Zusätzlich zu klassischen Handelspanel-Informationen werden auch Wochendaten ausgewiesen. Die Ergebnisse liegen zeitnah vor. Dabei werden GTIN-genaue Daten und echte Endverbraucherpreise ausgewiesen. • Nielsen Scan*Pro ist ein Analyseverfahren, mit dessen Hilfe es auf Basis wöchentlicher Scanningdaten und zusätzlich wöchentlich erhobener Kausaldaten etwa aus Verkaufsförderungsmaßnahmen möglich ist, die Effekte von Werbemaßnahmen wie Aktionspreis, Bonuspacks, Doppelpacks, Displayeinsatz, Handzettelwerbung oder TZ-Anzeigen modellhaft nachzubilden und zu quantifizieren. • Das Nielsen Preis-Promotion-Modell ist ein Simulationsmodell, mit dessen Hilfe die Wirkung von Preissenkungen und Werbeaktivitäten wie Handelsanzeige, Handzettel oder POS-Display auf den Absatz eines Artikels festgestellt werden kann. Es ist auf der Erkenntnis aufgebaut, dass der Absatz eines Artikels bei Aktionen reagiert, wobei das Verhältnis zwischen Aktionsabsatz und Normalabsatz bei gleicher Maßnahmenkombination relativ konstant ist und somit zuverlässig modellhaft abgebildet werden kann. Dadurch können die Absatzwirkungen verschiedener Werbeaktivitäten (und Preissenkungen) zueinander als Matrix ausgewiesen als Matrix werden. • Bei Madakom handelt es sich um ein Joint Venture zwischen GfK und CCG. Die Datenbasis ist eine Stichprobe mit Verkaufsstellen des scannenden Lebensmitteleinzelhandels aus ganz Deutschland von allen wichtigen Handelsorganisationen. Untersucht werden dazu Werbe- und Verkaufsmaßnahmen wie Bonuspack, Preisaktion, Display im Eingangs- oder Kassenbereich, Display am Regalgangende, Display an sonstigen Standorten, Propagandisten, Außenwerbung am POS, Innenwerbung am POS, Handzettel / Kundenhefte ohne / mit Produktabbildung, TZ-Handelsanzeige. Diese Daten werden wochengenau, verkaufsstellengenau und beliebig kombinierbar ausgewiesen.

27.7 Grenzen der Werbeeffizienzmessung Zur Werbeeffizienzmessung werden, wie gezeigt, vielfältige und einfallsreiche Verfahren eingesetzt. Dies täuscht jedoch nicht über die Tatsache hinweg, dass es dabei zahlreiche, enge Grenzen gibt. Diese beziehen sich sowohl auf die Leistungsprognose als auch die Leistungskontrolle. Zunächst zu den Grenzen der Ergebnisprognose (siehe Abbildung XI/203: Problematiken der Leistungsprognose).

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27.7.1 Prognosegrenzen

Abbildung XI/203: Problematiken der Leistungsprognose

In der Werbeeffizienzprognose sollen mit der Werbung verbundene Risiken nach Möglichkeit im Vorfeld eliminiert werden. Allerdings ergeben sich beträchtliche Schwierigkeiten aufgrund falscher Entscheidungssignale. Das zentrale Kriterium Aufmerksamkeitswirkung ist nur eine, allerdings notwendige Voraussetzung für den Markterfolg, nicht jedoch als dafür hinreichend anzusehen. Denn Aufmerksamkeit allein schafft noch keinen Handlungserfolg. Dazwischen liegen psychologisch und sozial bedingte Wirkungen, die trotz hoher Aufmerksamkeit zur Kaufverweigerung führen können oder umgekehrt trotz geringer Auffälligkeit zum Kaufabschluss. Tests, die allein die Aufmerksamkeitswirkung zum Gegenstand haben, spielen demnach auch ausschließlich diese Aufmerksamkeitswirkung zurück. Doch diese ist nur ein Element des Markterfolgs, praktisch der Auslöser, aber nicht die Gewähr dafür. Wobei eine für jedermann und leicht nachvollziehbare Schlüssigkeit zwischen beiden nicht gegeben sein muss. Aus Zeit- und Kostengründen wird oft nur ein Sujet einer Werbekampagne in den Werbemittel-Pretest einbezogen. Dies führt über Unzulänglichkeiten zur Ver-

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zerrung. Denn Erfahrungen zeigen, dass bereits vergleichsweise gering erscheinende gestalterische Veränderungen Ergebnisse unvorhersehbar und erheblich beeinflussen. Auf diese Weise kann es vorkommen, dass eine an sich arbeitsfähige Kampagne wegen eines schwächeren Motivs gekippt bzw. umgekehrt eine suboptimale Kampagne infolge eines überdurchschnittlichen Motivs, das zufälligerweise getestet wird, präferiert wird. Außerdem ist es typisch, dass eine Kampagne von ihren Machern im Zeitablauf immer ausgefeilter gestaltet und damit auch immer besser wird, während der Test meist nur frühe Entwicklungsstadien von Kampagnen repräsentiert. Aus Zeit- und Kostengründen wird ein Sujet meist nach nur einmaligem Werbemittelkontakt beurteilt. Dies unterschlägt Lernerfolge, die im Zeitablauf beinahe zwangsläufig entstehen. Denn gerade mehrmalige, in mehr oder minder großen Zeitabständen und Intensitäten wiederholte Werbemittelkontakte führen zu erheblichen Veränderungen der Kampagnenbewertung. Das heißt, zunächst irrelevante Umsetzungselemente gewinnen im Zeitablauf an Bedeutung, während andere, vordergründig prominente Elemente zurücktreten. Diese Effekte werden in PreTests unberechtigterweise vernachlässigt. So entlarven sich Gags nach einiger Zeit als vordergründige Effekthascherei während hintergründige Assoziationen immer mehr an Wirkung gewinnen. Testvorlagen werden meist isoliert und nicht in ein mehrkanaliges Anspracheumfeld eingebunden dargeboten. Dies ist unrealistisch. Gerade für eine Zeit, die durch Multimedialität und integrierte Kommunikation gekennzeichnet ist, ist der zeit- und raumgleiche Kontakt mit Botschaften über TV, Kino, Funk, Illu, TZ oder Plakat typisch und unvermeidlich. Da dem jeweiligen Medium innerhalb einer konzertierten Abstimmung des Konzepts definierte Aufgaben zugeordnet sind, kann die Berücksichtigung nur einer Werbemittelgattung diese komplexen Wirkzusammenhänge nicht annähernd erfassen. Gerade darauf beschränkt sich jedoch für gewöhnlich die Testanlage. Die Problematik wächst, wenn diese Vorlage isoliert und nicht lebensnah eingebunden innerhalb ihres organischen Umfelds dargeboten wird. Die zur Untersuchung herangezogenen Fallzahlen sind im Allgemeinen zu gering, um verlässlich zu sein. Dies führt zwangsläufig zu Verzerrungen. Bei demoskopischen Erhebungen wird durch elaborierte Auswahlverfahren und große Stichproben sorgsam auf die Aussagefähigkeit der Untersuchung hingearbeitet. Nur dadurch ist eine vertrauenswürdige Hochrechnung der Stichprobenergebnisse auf eine wie immer abgegrenzte Grundgesamtheit möglich. Bei Werbemittel-Pre-Tests hingegen sollen exemplarische, meist allerdings willkürlich ausgewählte Fälle ausreichen, um mit subjektiv hinreichender Sicherheit auf Reaktionen der Zielpersonen schließen zu können. Eine Hypothese, die teuer zu stehen kommen und vom Argument der qualitativen Erhebung nicht annähernd aufgehoben werden kann. Die Struktur der Probandengruppe ist häufig nicht repräsentativ für die Zusammensetzung der Grundgesamtheit. Auch dies führt zu Verzerrungen. Zum

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quantitativen Mangel der Kopfzahl kommt regelmäßig der qualitative Mangel der falschen Quotierung. Dieses Merkmal richtet sich in praxi eher an pragmatischen Verfügbarkeitskriterien, wie Adresskartei, zeitlicher Zugriff oder Auskunftsbereitschaft aus als an demografischen und erst recht psychologischen Kriterien der strategischen Zielgruppe. Dass unter diesen Bedingungen die Aussagefähigkeit der Ergebnisse erheblich in Mitleidenschaft gezogen ist, bleibt unausweichlich. Umso verwunderlicher scheint es, dass von dieser brüchigen Basis dennoch weitreichende Entscheidungen abhängig gemacht werden. Jedes Testergebnis ist individuell, deshalb fehlt eine aussagefähige Vergleichsbasis als Beurteilungsstandard / Benchmark. Dies scheint hinsichtlich der Interpretation willkürlich. Ist jeder Werbemittel-Pre-Test auf die zu bewertende Aufgabe abgestellt, was als Vorteil angeführt und vielfach gefordert wird, so differieren damit Zeit, Ort, Institut, Verfahren, Teilnehmer oder Fallzahl kumuliert bei jedem Einzelprojekt von allen anderen vorher und nachher. Es fehlt ein zuverlässiger Bewertungsmaßstab, der objektiviert indizieren könnte, ob ein Test mit Erfolg absolviert wurde oder nicht. Gerade dies ist aber die Erwartungshaltung an einen Test. Standarderhebungen sind oft zu grob gerastert und zeitigen verzerrte Ergebnisse, da sie nicht mit genügender Detailliertheit und Gerechtigkeit auf die Individualität der Kampagne einzugehen vermögen. Beispiele zeigen, dass solche Verfahren zur Ablehnung ex post hervorragend im Markt arbeitender Kampagnen führen, legendär ist hier die Fiat Panda-Kampagne, die tolle Kiste (s. u.), bzw. zur Zulassung sich ex post als verfehlt herausstellender Ansätze, legendär ist hier das Flop-Baukastenwaschmittel Skip / Unilever. Damit stellt auch die Standardisierung von Testbedingungen keine Lösungsmöglichkeit dar. Dies vernachlässigen mit klangvollen Namen versehene Verfahren der Marktforschungsinstitute. Eine Kopplung mit weiteren Untersuchungsgegenständen, die meist aus Kostenersparnis resultiert, führt zur unsachgemäßen Beeinflussung der Ergebnisse. Positive oder negative Anmutungen zu verwandten Themen wie Qualitätseinschätzung, Packungsakzeptanz oder Preisbereitschaft irradiieren, wie nicht anders zu erwarten, auf die Werbung und beeinflussen so deren Testresultat, ohne dass dies von den Probanden expliziert und damit in der Auswertung nachvollzogen werden könnte. Hier wird zweifellos an der falschen Stelle gespart. Vielfältige, subjektive Wertungen der Marktforscher fließen als Interpretation in der Zusammenfassung / Management summary mit ein, die überwiegend nur genutzt wird. Selbst, wenn man unterstellt, dass das Testdesign einwandfrei ist, sind Datenerhebung und Schlussfolgerung daraus nicht eindeutig trennbar. Insofern spielen implizite Werturteile des Auswerters eine beeinträchtigende Rolle. Ein Blick in die Ursprungsdaten / Anhang des Berichts, den man sich regelmäßig wegen dessen beängstigenden Umfangs und der Unübersichtlichkeit der dort dargestellten Ursprungsinformationen erspart, offenbart Zwischentöne und Zusammenhänge, die sich im Kommentarteil oft ganz anders darstellen. Dies kann nicht allein mit der Verknappung der Information erklärt werden. Und auch nicht mit

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Erfahrungswerten, denn insoweit würde dem Zweck des Tests, der Objektivierung, widersprochen. Soziale Phänomene können nicht antizipiert werden und bleiben daher außer acht. Gerade darin liegt aber eine Stärke der Werbung als Sozialtechnik. Dadurch werden wichtige Chancen vergeben. Denn viele Marktangebote werden weniger aufgrund ihrer objektiven Beschaffenheit oder Kampagnenqualität zum Erfolg, sondern weil gesellschaftliche Trends sie dazu machen. Solche Bezüge sind durch Tests üblicherweise in ihren Auswirkungen nicht determinierbar, weil die Laborsituation soziale Interdependenzen nicht simulieren kann, sondern diese sich erst evolutionär aus dem Marktgeschehen heraus ergeben. Die künstliche Laborsituation führt zu veränderten Reaktionen bei den Probanden. Diese fühlen sich aufgefordert, kritischer, involvierter, überlegter als sonst zu sein. Da die Probanden um ihre Funktion wissen, oft sogar um das zu beurteilende Meinungsobjekt, weicht ihre geäußerte oder in Handlung manifestierte Meinung von der einer unkonditionierten Konsumsituation im Feld erheblich ab. Reaktionen werden rationalisiert wie das später durch fehlenden Anlass meist nicht wieder geschieht. Dementsprechend sind auch die Ergebnisse von Werbemittel-Pre-Tests andere als a posteriori im Markt, der oftmals durch habituelle oder impulsive Entscheide dominiert ist. Apparative Erhebungsmethoden zur Ausschließung von Verzerrungen auf kognitiver Basis rufen erst recht Erhebungsverzerrungen durch ihre künstliche Umgebung hervor. Dies provoziert darüber hinaus auch unvollständige Ergebnisse durch hohe Testverweigerungsquoten bei den Probanden, die, obgleich als potenzielle Zielpersonen identifiziert, mit ihren Ergebnissen erst gar nicht in den auszuwertenden Datenstamm eingehen. Dies schafft schon prinzipbedingt unzulässige Ergebnisse. Das heißt, apparative Erhebungsmethoden bergen in sich das Übel, das sie zu bekämpfen vorgeben, nämlich den Erhebungs-Bias. Physiologische Testverfahren messen und beschreiben nur physiologische Dimensionen, nicht aber Anhaltspunkte für Markterfolge. Es fehlt an der Unterscheidbarkeit von Ursache und Anlass oder genauer, es mangelt an der unerlässlichen Stringenz zwischen dem beobachteten, gemessenen Reflex und seiner Bedingung. So kann das Eintreten eines Reflexes bei Erregung durch Ärger ebenso verursacht sein wie bei Erregung durch Freude. Damit muss der Anlass aber wiederum hinterfragt werden. Wenn aber ohnehin hinterfragt werden muss, bleibt offen, warum vorher auf unwillkürliche, nicht beherrschbare Reflexe rekuriert wird, deren Interpretation ohnehin ambivalent ist. Spontane Ablehnung für ungewöhnliche, kreative Umsetzungen kann sich häufig im Assimilationsprozess des realen Marktumfelds zur Zustimmung verändern. Werbemittel-Pre-Tests bevorzugen in der Beurteilung die Zustimmung für vertraute, bewährte, „normale“ gegenüber neuartigen, gewöhnungsbedürftigen, „ausgefallenen“ Sujets. Der Grund liegt darin, dass Menschen zur Vereinfachung

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ihre Umwelt kategorisieren und alles, was nicht auf Anhieb in dieses Denkschema passt, bei ihnen Unbehagen erzeugt. Erst nach näherer Auseinandersetzung mit der Materie steigen dann die Chancen auf Zustimmung. Dazu kann es im Labor aber kaum kommen. Insofern fördern Tests konventionelle Lösungen und führen zusätzlich zu immer gleichartigeren, austauschbaren Produkten zu immer gleichartigeren, langweiligen Kampagnen. Auftritte, die nicht mehr anecken, aber auch nicht mehr markant profilieren. 27.7.2 Kontrollgrenzen

Abbildung XI/204: Problematiken der Leistungskontrolle

Hinsichtlich der Werbeeffizienzkontrolle ergeben sich letztlich unüberwindliche Schwierigkeiten durch folgende Faktoren (siehe Abbildung XI/204: Problematiken der Leistungskontrolle). Die Zuordnung der Kommunikation innerhalb des Marketing-Mix ist problematisch. So ist nicht bekannt, aufgrund welcher Marketingparameter ein Markterfolg genau zustande gekommen ist und welchen Anteil die Kommunikation daran trägt. Eine sehr gute Kampagne mag gering wirken, weil gleichzeitig etwa Produktqualität, Erhältlichkeit oder Preisstellung unzureichend sind. Umgekehrt kann selbst eine schlechte Kampagne den Erfolg eines Angebots nicht aufhalten, wenn die übrigen Parameter hervorragend arbeiten. Damit aber ist der Einfluss der Werbung innerhalb des Marketing-Mix nicht mehr nachvollziehbar. Die zeitliche Abgrenzung der Werbewirkung ist problematisch. So ist unbekannt, wann genau die Initiierung für einen späteren Werbeerfolg stattgefunden hat, der sich irgendwann in Verhalten äußert. Es mag sein, dass länger zurück liegende Werbekontakte zum Einstellungsaufbau geführt haben, der sich aktuell erst in Handlung manifestiert und damit nicht derzeitigen Werbemaßnahmen zugerechnet werden darf. Umgekehrt können derzeitige Werbekontakte nicht spontan zur

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Handlung führen, sondern als Depotinformation gespeichert und erst zu einem späteren Zeitpunkt bei konkretem Bedarfsanlass abgerufen werden. Ein Erfolg, der aktuell nicht zu Buche schlägt. Insofern ist der zeitliche Einfluss der Werbung auf Einstellung und Kaufentscheid nicht nachvollziehbar. Die räumliche Abgrenzung der Werbewirkung ist problematisch. So ist nicht bekannt, wo genau die Kommunikation, die für einen Image- oder Absatzerfolg als ursächlich anzusehen ist, stattgefunden hat. Es mag sein, dass Werbekontakte in einem anderen Gebiet sich in diesem als Handlung auswirken. Und umgekehrt. Dies ist etwa regelmäßig der Fall, wenn Arbeits- und Wohnort auseinander fallen. Gleichfalls kann sich eine Werbeaktion in Ballungsräumen durch Abverkäufe in deren Vororten monetarisieren, wo großflächige Geschäftsstätten eine hohe Hebelwirkung ausüben. Deshalb ist eine genügende räumliche Abgrenzung der Werbewirkung nicht gegeben. Die Abgrenzung der Werbung im Kommunikations-Mix ist problematisch. Eine Einstellung oder Kaufhandlung kann sowohl aufgrund Klassischer Werbung wie Nicht-klassischer Instrumente, innerhalb dieser wiederum durch vielfältige Medien, zustande gekommen sein. So können etwa Verkaufsförderung am POS, Persönliche Kommunikation oder redaktionelle Berichterstattung mehr oder minder großen Anteil daran haben. Oder Packungsausstattung oder Verkaufsliteratur. Da der Anteil Nicht-klassischer Instrumente kontinuierlich steigt, sind mutmaßlich immer größere Anteile der Werbewirkung nicht mehr auf Klassische Werbung zurück zu führen. Die Isolierung gegenüber informeller Kommunikation ist problematisch. Ein Werbeerfolg muss nicht einmal aufgrund formaler Unternehmensaktivitäten zustande gekommen sein, sondern kann auch aus informellen Kontakten herrühren. Mund-zu-Mund-Propaganda, Erfahrungsaustausch unter Nachbarn, Bekannten und Verwandten ist zudem womöglich weitaus wirksamer als Unternehmenskommunikation. Gleichfalls mag eine Kaufverweigerung trotz leistungsfähiger Werbemaßnahmen aus eben diesem Grund entstehen. Die Wirkungen strategischer Kommunikation sind somit notwendigerweise nicht von denen zufälliger Natur zu trennen. Die Isolierung von Prädispositionen der Abnehmer ist problematisch. Selbst eine leistungsfähige Werbung kann historisch bedingte, negative Prädisposition nicht immer kompensieren. Andererseits ist denkbar, dass schlechte Werbung, die auf vorhandene positive Prädispositionen trifft, diese lange Zeit nicht überkompensieren kann und so dennoch in Handlungserfolg resultiert. Zwar ist die Remanenz von Images außerordentlich hoch, allerdings darf nicht unterschätzt werden, dass erodierte Imagewerte nur durch langwierige, intensive Kommunikation wieder zu beleben sind. Die Abgrenzung gegenüber autonomen Wettbewerberaktionen ist problematisch. Die Werbewirkung wird immer auch von erfolgreichen oder erfolglosen Aktivitäten der Mitbewerber beeinflusst. Eine an sich arbeitsfähige Kampagne

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kann zum Scheitern verurteilt sein, wenn der Mitbewerb dagegen Preissenkungen, Extraserviceleistungen oder Sonderplatzierungen stellt. Umgekehrt kann sich ein Erfolg aber auch schon allein dadurch ergeben, dass der Mitbewerb Preiserhöhung, Distributionsabbau oder Qualitätsabwertung vornimmt. Eigener Werbeerfolg ist somit nicht unabhängig vom Mitbewerb zu beurteilen. Vielmehr wird immer nur der Saldo aus eigenen und konkurrierenden Aktivitäten am Markt wirksam. Die Abgrenzung endogener Abnehmerverhaltensänderungen ist problematisch. Der Werbeerfolg hängt nicht nur von der Werbung selbst, sondern auch von autonomen Einstellungsänderungen der Abnehmer ab. Ein Angebot kann nicht nur aufgrund guter Werbung erfolgreich sein, sondern allein schon deshalb, weil ein starker Sozialtrend in der Abnehmerschaft darauf hinarbeitet. Dies gilt für Produkte besonderer Preisgünstigkeit ebenso wie für solche demonstrativen Konsums. Umgekehrt kann natürlich ein Produkt auch geächtet sein, etwa wenn sozial wenig akzeptierte Gruppen es häufig verwenden, ohne dass dies unzulänglicher Werbung zugeschrieben werden kann oder Fehlverhalten vorliegt.

27.7.3 Konsequenzen So haben sowohl Pre- als auch Post-Tests schon viele gute Kampagnenansätze gedeckelt. Doch verwundert zumindest die unvermindert große Beliebtheit von Werbemittel-Pre-Tests. Der Grund liegt in der Notwendigkeit zur Absicherung von Investitionsentscheidungen auf schlecht strukturierter Grundlage im Management. Da Marketingentscheider weit überwiegend nicht mit ihrem eigenen Geld agieren, sondern dem fremder Geldgeber, sind sie über ihre Handlungen berichtspflichtig und müssen diese revisionsfest machen. Bei qualitativen Aufgaben, wie sie für Kommunikation typisch sind, sind Testergebnisse ein probates Mittel der Absicherung. Das heißt, Werbemittel-Pre-Tests dienen vornehmlich nicht dem Zweck, dem sie vorgeben zu dienen, sondern sind eher Mittel zur Erreichung verständlicher anderer Ziele, die eigene Arbeitsplatzsicherheit und Karrierechancen lauten. Da Tests nur vergleichsweise geringe Budgetmittel binden und wissenschaftlich fundierten Anspruch erheben, ist gegen ihren Einsatz nur schwer etwas einzuwenden. Sie bieten eben das perfekte Alibi. Andererseits erwächst gegen die genannten und andere Messverfahren daraus aber auch kein Vorwurf. Sie sind mit der prinzipbedingten Unzulänglichkeit verbunden, die Zukunft nicht mit Sicherheit vorwegnehmen zu können, wie das auch keine andere bekannte Prognose vermag. Ein Vorwurf ließe sich allenfalls insofern ableiten, als einige Marktforscher den unzutreffenden Anschein zu erwecken versuchen, und diesen durch elaborierte Techniken erhärten, sie seien dazu dennoch in der Lage. Eine große Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang schließlich auch der Ästhetik zu. Denn wo objektive Verfahren mehr oder minder versagen, setzt das subjektive Empfinden wieder ein. Eine Objektivierung wird hier insofern versucht, als kompetente „Geschmacksinstanzen“ mehrheitlich ästhetische Werbung identifizieren bzw. auszeichnen und von daher

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zu unterstellen ist, dass diese so ganz falsch nicht sein kann. Damit soll keinesfalls der unzutreffende Anschein erweckt werden, solche Auszeichnungen seien Garant für Werbeerfolg, aber sie stellen doch zumindest ein gewisses Indiz dafür dar. Es gibt wenige Werbungtreibende, die von Werbeeffizienzmessungen zumindest nicht die Entscheidung über Einsatz oder Fortführung einer Kampagne abhängig machen. Dazu ein Beispiel. Als der Fiat Panda Anfang der 1980er Jahre werblich am Markt eingeführt werden sollte, standen Werbungtreibender und Agentur (M. C. & L. B., Frankfurt) vor keiner leichten Aufgabe. Denn das Fahrzeug kam äußerst spartanisch daher, kastenförmig, mit viel unverkleidetem Metall innen, spärlicher Ausstattung, so gänzlich ohne Charme, und von Komfort gar nicht zu reden, dafür aber eben billig. Nun ist der Preis meist das schwächste Argument, das auszuloben man zu vermeiden trachtet. So wurde eine Kampagne entwickelt, die aus den Nachteilen des Gefährts Vorteile machte, was, wenn es denn gelingt, ein besonders schöner Dreh ist. Das heißt, es wurde nicht verheimlicht, wie der Charakter des Autos ist, sondern im Gegenteil, dieser Charakter wurde noch betont, um diejenigen Zielpersonen anzusprechen, die nonkonformistisch keine gelackten Karossen wollten, sondern einen Typ mit Charakter, mit Ecken und Kanten, ganz so wie der Panda einer ist. So wurde das Modell in Anzeigen (1/1 S., 4c) nicht mit spiegelndem Lack, aus Weitwinkeloptik, mit Sandsäcken im Kofferraum und in schmeichelnder 3/4-Perspektive präsentiert, sondern in, für die Kategorie noch nicht erlebten, Situationen, im Wald, eingeschneit, in der Waschstraße, auf Schienen, in der Kiesgrube etc. Der Slogan dazu lautete: Fiat Panda. Die tolle Kiste. Die ersten Motive wurden in der Kleinwagenkäufer-Zielgruppe pre-getestet. Und es geschah etwas, was nicht anders zu erwarten war. Die große Mehrzahl der Probanden lehnte die Kampagne ab, weil sie so offensichtlich gegen alle Regeln verstieß, die man von Automobilwerbung erwartete. Wenige waren unentschlossen, und ebenso wenige fanden die Kampagne richtig gut. Normalerweise hätte dies dazu führen müssen, dass die Kampagne sofort gekippt und gänzlich neu entwickelt werden musste. Doch ein mutiges Team (um Werbeleiter Pläcking) schlug sich auf die Seite der wenigen, welche die Kampagne gut fanden und hoffte, diese dann auch als Käufer gewinnen zu können, denn so anspruchsvoll waren die Marktanteilserwartungen von Fiat ohnehin nicht. So wurde diese Kampagne dann mit extrem positiver Resonanz geschaltet. Es gab über 100 Motive, zwischenzeitlich in einem Buch festgehalten. Hier einige Beispiele: • Thema: Kraftstoffverbrauch. Bild: Fiat Panda neben Mann in Liegestuhl sitzend mit Sonnenschirm am Strand. Text: Während seines Urlaubs hieß es im Radio, er sei einstimmig für den Vorsitz der Energiesparkommission vorgeschlagen. • Thema: Liegesitze. Bild: Fiat Panda auf dunklem Waldweg, kleiner Junge schaut neugierig nach innen. Text: Was macht ihr da? • Thema: Unterhaltskosten. Bild: Doppelgarage vor Luxusvilla, davor geparkt Straßenkreuzer und Fiat Panda. Text: Als der Scheidungsrichter ihm den Achtzylinder zusprach, fiel ihr ein Stein vom Herzen.

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• Thema: Anschaffungspreis. Bild: Fiat Panda mit jugendlichem Fahrer am Steuer, Dachschild mit Firmierung. Text: Schon seine erste Investitionsentscheidung verriet den geborenen Unternehmer. • Thema: Zuladung. Bild: Fiat Panda vor Geschäft geparkt, daneben Stapel mit Warenkartons. Text: „Der 10.000ste Besucher darf mitnehmen, soviel in seinen Kofferraum passt.“ Die Geschäftsleitung verwünschte den Tag, an dem sie das beschloss. • Thema: Innenabmessung. Bild: Fiat Panda in Umkleideraum. Text: Die Vereinsführung beschloss, den Mannschaftsbus abzustoßen und dafür kleinere und schnellere Transportmittel sowie einen größeren Mittelstürmer einzukaufen. • Thema: Technik. Bild: Fiat Panda parkt neben Ferrari. Text: Rekord! Serienmäßiger 13-Ventiler findet völlig legalen Parkplatz in 10,5 Sek. (die 13 Ventile kommen durch Addition von 8 Motorventilen und 5 Reifenventilen zustande). • Thema: Frauenauto. Bild: Fiat Panda parkt vor Straßencafé. Text: Elfi hatte oft von ihm geträumt: ein kantiger Typ, nicht groß, aber kräftig. Dazu bescheiden und praktisch veranlagt. Eines Tages stand er vor der Tür. • Thema: Liegesitze. Bild: Fiat Panda mit abgestellten Schuhen vor der Tür. Text: Maria wachte auf. Sie lag in einem Bett. Und neben ihr lag ein Mann. Sie wusste nicht, wie sie in diese Situation gekommen war. • Thema: Kraftstoffverbrauch. Bild: Panda vor Öltank. Text: Gesucht, Fahrer, die den Club of Rome nicht für eine neue, heiße Disco halten. Ein weiteres Beispiel ist die legendäre VW-Käfer-Kampagne, die in den USA von Bill Bernbach konzipiert wurde. Sie wurde zum Glück zu keiner Zeit einem Pretest unterzogen, wäre das aber erfolgt, gehört nicht viel Fantasie dazu, vorauszusagen, dass diese Kampagne legendär gefloppt wäre. Denn zu einer Zeit chromblitzender Straßenkreuzer und protziger Reklame in den USA trat die KäferKampagne, die das alles vom Fahrzeug her nicht einlösen konnte, bescheiden, mit Understatement, auf. Die Kampagne war hoch argumentativ und hatte die technischen Besonderheiten des Käfers zum Inhalt, aber sie verzichtete darauf diese selbstzufrieden auszuloben, sondern umschrieb sie eher selbstironisch. Man sieht eine Wagenkolonne mit Trauergästen langsam eine Straße entlangfahren, in den verschiedenen schwarzen Straßenkreuzern sitzen offensichtlich die Angehörigen des Verstorbenen. Der Off-Sprecher sagt: „Ich, Maxwell E.  Snavely, verfüge im Vollbesitz meiner geistigen und körperlichen Kräfte Folgendes: (Man sieht in Fond eines Straßenkreuzers eine schmuckbehangene, trauernde Witwe.) Meiner Frau Rose, die Geld ausgab, als gäbe es kein Morgen, hinterlasse ich 100 Dollar und einen Kalender. (Man sieht zwei lebenslustige junge Männer auf der Rückbank einer Limousine, die verschmitzt grinsen.) Meinen Söhnen, die jeden Cent, den ich ihnen gab, für verrückte Autos und flotte Frauen ausgaben, hinterlasse ich … 50 Dollar in 10 Cent-Stücken. (Man sieht einen alten Mann, ein-

27. Leistungsmessungen

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gerahmt zwischen drallen jungen Damen, im geräumigen Fond eines großen Wagens.) Meinem Geschäftspartner Jules, dessen Motto hieß: Ausgeben, ausgeben, ausgeben, hinterlasse ich: nichts, nichts, nichts. (Man sieht wieder die Auto­kolonne die Straße entlangziehen.). Und meinen anderen Freunden und Verwandten, die auch nie den Wert eines Dollars schätzen lernten, hinterlasse ich: einen Dollar. (Man sieht ganz am Ende der Kolonne einen kleinen, unscheinbaren VW-Käfer. Darin sitzend ein ebenso unscheinbarer junger Mann, der offensichtlich tief und ehrlich trauert.) Letztendlich hinterlasse ich meinem Neffen Harold, der immer sagte: Ein gesparter Penny ist ein verdienter Penny, … mein gesamtes Vermögen in Höhe von 100 Millionen Dollar.“ Volkswagen-Logo, Slogan, Ende (vgl. youtube.com/watch?v=xKheglz0KPM). Wenn man sich nur etwas auf gesunden Menschenverstand verlassen kann, dann dürfte der Einsatz dieser Kampagne der Wertschätzung dieses Autotyps am Markt erheblich genutzt haben. Dies spielt sich allerdings in Regionen ab, die weit jenseits analytischer Werbeforschung liegen. Und doch sind sie pure Realität.

27.8 Kaufmännische Kontrolle Die kaufmännische Kontrolle bezieht sich im Wesentlichen auf drei Dimensionen von Belang, nämlich Zeit, Qualität und Schnittstellen. 27.8.1 Zeitdimension Die Zeitkontrolle stellt fest, ob die geplanten Zwischen- und Termintermine einge­ halten worden sind. Diese beziehen sich auf Fotoshooting, Filmdreh, Vkf-Aktion o. Ä. Im Audit wird dabei zunächst geprüft, ob ungeplante Ereignisse positiv oder negativ auf die Termine einwirkten, ob dabei Arbeitsschritte vergessen oder zu kurz oder lang terminiert wurden oder die Ereignisse tatsächlich unvorhersehbar waren, also auch bei sorgfältiger Bearbeitung nicht einplanbar. Zur Zeitkontrolle werden verschiedene Verfahren eingesetzt, vor allem aber die grafische Meilenstein-Trend-Analyse. Dabei handelt es sich um ein Koordinatensystem mit den geplanten Milestone-Terminen auf der Ordinate und den aktuellen Arbeitsfortschritten auf der Abszisse. Diese Termine werden laufend beobachtet und darin abgetragen (siehe Abbildung XI/205: Meilenstein-Trend-Analyse (Beispiel)). Daraus ergeben sich drei Möglichkeiten: • Eine waagerechte Linie im Zeitablauf zeigt an, dass alle vorgegebenen Termine wie geplant eingehalten worden sind. • Eine fallende Linie im Zeitablauf zeigt an, dass die vorgegebenen Termine sogar unterschritten wurden. Dabei stellt sich die Frage, wie die eingesparte Zeit produktiv genutzt werden kann.

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XI. Controlling der Marketingkommunikation

• Eine ansteigende Linie im Zeitablauf zeigt an, dass die vorgegebenen Termine überschritten wurden. Daraus resultiert ein Problem für die Termintreue. Wegen des hohen Anteils zeitabhängiger Kosten im Gemeinkostenbereich folgt daraus zugleich auch eine Kostenüberschreitung. In einer Feedback-Schleife sind wiederum Learnings festzuhalten, wie zukünftig eine exaktere Zeitplanung unter Berücksichtigung der gemachten Erfahrungen darstellbar ist. Dies ist besonders wichtig, weil Zeit einen entscheidenden Wettbewerbsfaktor ausmacht.

Abbildung XI/205: Meilenstein-Trend-Analyse (Beispiel) (Quelle: de.wikipedia.org / wiki / Meilensteintrendanalyse)

27.8.2 Qualitätsdimension Die Fehlerkontrolle stellt fest, ob die gewünschte und prioritäre Qualität eingehalten wird. Dazu ist eine Fehlererhebung erforderlich. Diese kann auf Meldungen der Beteiligten, Meldungen anderer Stellen / Personen, intern wie extern, oder automatischen Statusmeldungen beruhen. Fehler sind vor der Notwendigkeit zur Behebung durch Identifikation und Vorbeugung zu vermeiden. Dazu werden verschiedene Verfahren eingesetzt, vor allem aber das Ishikawa-(Ursache-Wirkungs-, Fischgrät-)Diagramm (siehe Abbil-

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dung XI/206: Ishikawa-Diagramm (Beispiel)). Es handelt sich um eine Methode zur Visualisierung der relevanten Einflussgrößen auf Fehler. Dabei werden bis zu sechs Trigger (6 Ms) für Fehler untersucht: • Mensch in Bezug auf Qualifikation, Verantwortungsgefühl, Motivation oder Belastungsgrad, • Maschine / Arbeitsmittel in Bezug auf Funktionsfähigkeit, Belastbarkeit, Präzision etc., • Methode in Bezug auf Realisierung, Arbeitsabfolge oder Prüfmethode, • Mitwelt / Milieu in Bezug auf Arbeitsbedingungen wie Zeitdruck, Motivation, Anleitung, • Material in Bezug auf Eignung wie Bildvorlagen, Textmanuskripte oder Post Production, • Messung in Bezug auf falsche Qualitätsziele oder irreguläre Qualitätsstandards,

Abbildung XI/206: Ishikawa-Diagramm (Beispiel) (Quelle: de.paperblog.com/das-ishikawa-diagramm-die-wahrenproblemursachen-aufspuren-1264331/)

Ausgangspunkt ist ein erkannter Fehler in der ablauforganisatorischen Umsetzung. Dieser steht am „Kopfende“ eines anzulegenden Diagramms. Für jede der sechs Einflussgrößen werden dann mögliche Fehlerursachen benannt und daraufhin untersucht, inwieweit sie relevant sind. Dazu wird die als wahrscheinlichste Fehlerursache angesehene Größe abgestellt und geprüft, inwieweit dadurch zukünftig eine Vermeidung des Fehlers möglich ist. Ist dies der Fall, ist die Technik abgeschlossen. Ist dies nicht der Fall, wird die als nächstwahrscheinlich angesehene Fehlerursache abgestellt und wiederum geprüft, ob das Qualitätsproblem

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damit behoben werden kann. Dies erfolgt über alle gedachten Fehlerursachen hinweg solange, bis der Fehler abgestellt ist. Gelingt dies nicht, wird erneut eine Fehlerquelleninspektion vorgenommen und nach anderen Möglichkeiten zur Abstellung gesucht. Ist die Fehlerursache entdeckt, muss sichergestellt werden, dass dieser Fehler nicht wieder auftreten kann. Danach wird der nächste Fehler in gleicher Weise untersucht und behandelt bis eine Null-Fehler-Situation/6 σ erreicht ist. Ein anderes Verfahren ist die Fehlerbaum-Analyse / Fault Tree Analysis. Dabei handelt es sich um eine systematische Untersuchung von Fehlerevents wie Kapazitätsabweichung oder Manpower auf deren unerwünschte Auswirkung auf das Gesamtsystem hin. Dazu werden die logischen Abhängigkeiten zwischen den Systemelementen grafisch dargestellt, indem diese deduktiv / Top-down ausgehend von einem Ausgangsfehler auf alle möglichen Verursachungen hin in Form einer Baumstruktur verzweigt werden (siehe Abbildung XI/207: Fehlerbaum-Analyse (mit fünf Fehlerquellen ohne Quantifizierung)). Die Arbeitsschritte sind folgende: • Untersuchung des Systems durch Aufteilung in Komponenten, Elemente etc., • Bestimmung von Systemfunktionen, Umgebungsbedingungen, Hilfsquellen, Orga­nisation, Verhalten etc., • Festlegung der Ausfallkriterien des unerwünschten Ereignisses, • Aufsplittung der Ausfallarten auf Ursache-Wirkungs-Beziehungen und Wahl der logischen Verknüpfung (And, Or, Xor etc.), • Aufstellung des Fehlerbaums mit Auswertung und Ergebnisbewertung, • evtl. Berechnung der Eintrittswahrscheinlichkeiten.

Abbildung XI/207: Fehlerbaum-Analyse (mit fünf Fehlerquellen ohne Quantifizierung) (Quelle: cdn-0.das-unternehmerhandbuch.de/wp-Content/uploads/ 2015/11/Fehrlerbaumanalyse.png)

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Vorteile sind die Strukturierung, Übersichtlichkeit und Vollständigkeit des Verfahrens. Nachteile sind die Quantifizierung der Elemente und Notwendigkeit zu aufwändiger Systemdurchdringung. 27.8.3 Schnittstellendimension Die Schnittstellenkontrolle bezieht sich auf die funktionalen, institutionalen und prozessualen Regelungen im Unternehmen. Im Audit wird dabei zunächst geprüft, ob die Organisation in Aufbau und Ablauf adäquat ausgelegt ist. Denkbar sind vor allem eine Überorganisation, die nicht genügend Flexibilität für erforderliche Disposition und unvermeidliche Improvisation lässt, aber auch eine Unterorganisation, die keine hinreichend geregelten Strukturen und Abläufe vorsieht. In Bezug auf die organisatorische Struktur ist eine Orientierung an Verrichtungen oder Objekten möglich. Bedeutsamer als diese sind aber die Prozesse. Durch den Workflow zwischen Stellen / Abteilungen, aber auch externen Partnern / Zulieferern entstehen komplizierte und komplexe organisatorische Abläufe, die anfällig für Unwirtschaftlichkeiten sind, die aus Doppelarbeiten, unterlassenen Arbeiten, ungenügend abgestimmten Kapazitäten und unzureichendem Wissensstand entstehen. Werbemaßnahmen tangieren üblicherweise verschiedenste Organisationseinheiten, zwischen denen Schnittstellen zu harmonisieren sind. Wichtig ist auch hier, Erkenntnisse zu dokumentieren und für weitere vergleichbare Aktivitäten nutzbar zu machen. Grundsätzlich ist eine schnittstellenfreie, horizontale Zuständigkeit wünschenswert. Dazu werden oft Process owners bestimmt, welche die Abläufe vom Beginn der Aktivitäten bis zum Finishing, möglicherweise auch zeitlich darüber hinaus, verfolgen. Da dies quer zur Aufbauorganisation verläuft, entstehen dabei vielfältige Konflikte, die vor allem aus Abteilungsegoismen resultieren. Dabei ist dann dem Workflow Priorität einzuräumen. Literaturhinweise Broadbent, Simon / Haarstick, Kathrin: Accountable Advertising, München 1999 Bruhn, Manfred: Kommunikationspolitik, 9. Auflage, München 2018 Ellinghaus, Uwe: Werbewirkung und Markterfolg, München u. a. 2000 Esch, Franz-Rudolf: Wirkung integrierter Kommunikation, 5. Auflage, Wiesbaden 2010 Kloss, Ingomar: Werbecontrolling, Konzepte – Instrumente – Fallbeispiele, Stuttgart 2003 Liebl, Christian: Kommunikations-Controlling, Wiesbaden 2003 Olert, Joachim: Integriertes Kommunikationsmanagement, Wiesbaden 2003 Pfannenberg, Jörg / Z erfaß, Ansgar (Hrsg.): Wertschöpfung durch Kommunikation, Frankfurt a. M. 2009

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Piwinger, Manfred / Porák, Victor (Hrsg.): Kommunikations-Controlling, Wiesbaden 2015 Rumler, Andrea / Stumpf, Marcus: Marken- und Kommunikations-Controlling, Berlin 2016 Scheier, Christian/Held, Dirk: Wie Werbung wirkt, 3. Auflage, Freiburg 2018 Steffenhagen, Hartwig: Wirkungen der Werbung, 2. Auflage, Aachen 2000 Straeter, Henning: Kommunikationscontrolling, Konstanz 2009 Thomas, Tim: Kommunikations-Controlling, Saarbrücken 2011 Zurstiege, Guido: Werbeforschung, Konstanz 2007

XII. Organisation der Marketingkommunikation 28. Aufbauorganisation der internen Werbeabteilung Unter Aufbauorganisation versteht man allgemein die sachliche und logische Aufteilung einer Gesamtaufgabe in Teilaufgaben und deren Zusammenfassung in Organisationseinheiten zur Erfüllung der Unternehmensziele. Für den Begriff „Organisation“ gibt es dabei drei Interpretationsansätze: • Der funktionale Organisationsbegriff versteht Organisation als zielgerichtete Tätigkeit zur Schaffung von Strukturen, insofern geht es also um die Tätigkeit des Organisierens. • Der institutionale Organisationsbegriff versteht Organisation als zielgerichtetes, sozio-technisches System mit einer formalen Struktur, insofern ist das Unternehmen dabei eine Organisation. • Der instrumentale Organisationsbegriff versteht Organisation als Instrument der Ordnung eines Unternehmens zur Zielerreichung, demnach hat das Unternehmen eine Organisation. Ziele, welche die Organisation dabei verfolgt, sind u. a. folgende: • effizienter Arbeitsvollzug, reduziertes Konfliktpotenzial, Verteilung / Legitimation / Sicherung der Leitung, kreative Entfaltung der Mitarbeiter, Grenzen der Selbstorganisation des Unternehmens, geordnetes Auftreten nach außen und innen, Absicherung der Unternehmensentwicklung. Der Begriff der Organisation ist abzugrenzen von verwandten Begriffen wie Disposition, diese besteht aus fallweisen Verfügungen anstelle systematischer Regelungen oder Improvisation, diese ist nur vorläufig ausgelegt und in ihrer Anlage unsystematisch. Um in der Marketingkommunikation organisieren zu können, gilt es, Stellen zu bilden und zu beschreiben (28.1), die Organisationsstruktur festzulegen (28.2) und die formale Struktur der Aufbauorganisation (28.3) zu bestimmen.

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XII. Organisation der Marketingkommunikation

28.1 Stelle und Stellenbeschreibung Eine Stelle ist die kleinste, selbstständig handelnde organisatorische Einheit. Mehrere Stellen können zu Abteilungen zusammengefasst werden. Stellen lassen sich vielfach differenzieren, so etwa nach der • Art der Aufgabenträger in Form von Menschen, Maschinen oder Mensch-­MaschineKombinationen / Cobots, • Anzahl der Aufgabenträger in Singular- / Einpersonen- oder Plural- / Mehrperso­ nenstellen, • Entscheidungsbefugnis in Leitungsstellen / Instanzen oder Ausführungsstellen ohne Entscheidungs- und Weisungsbefugnis. Ziel ist die Zusammenfassung von Aufgaben in einer Stelle, und zwar als • gemeinsame Verrichtung, etwa Mediaeinkauf, • gemeinsames Objekt wie Produkt, Gebiet, Kunde, • ganzheitliche Entscheidung als Führungsaufgaben, • Planung und Kontrolle, • Sekundäraktivität als Administration, • Sachausstattung wie Betriebsmittel oder Werkstoffe, etwa IT-Abteilung bei Digitalkommunikation, • Raum als lokale Zuordnung, etwa bestimmte Betriebsstandorte, • Zeit als temporale Zuordnung, etwa ein dezidiertes Werbeprojekt, • Prozess, etwa Auftragsbearbeitung, • Person als Aufgabenträger der Aktivitäten. Die interne Werbeabteilung ist zumeist der Marketing- oder Vertriebsabteilung in der Linie untergeordnet, seltener auch als Stabsstelle der Geschäftsleitung oder Hauptabteilungsleitung. Der Stelleninhaber wird zumeist Werbeleiter genannt. Die Anforderungen an den jeweiligen Stelleninhaber sind in der Stellenbeschreibung festgehalten. Die Stellenbeschreibung eines klassischen Werbeleiters enthält nach traditioneller Ansicht folgende Inhalte, die im Folgenden als Beispiel angeführt sind: • Name des Stelleninhabers, Inhaber / Bezeichnung der vorgesetzten Stelle, Inhaber der unterstellten Stelle. • Zielsetzung der Stelle: Ausbau, Weiterentwicklung und Sicherung der produktbezogenen Kommunikation, Verbesserung der Wirtschaftlichkeit des Unternehmens und Unterstützung der Marketingzielsetzungen.

28. Aufbauorganisation der internen Werbeabteilung

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• Organisation: Der Werbeleiter ist Vorsitzender des Werbekreises und ordentliches Mitglied der Marketingremien. Er ist fachbezogenes Mitglied des Planungsausschusses und offizieller Gesprächspartner für externe Kommunikationsdienstleister. Er vertritt in Abwesenheit den Leiter der Marktforschung. Er wird in Abwesenheit vom Leiter Marketing sowie vom stellvertretenden Werbeleiter vertreten. • Aufgaben: Der Werbeleiter meldet Informationsbedürfnisse der Werbung beim Marketingleiter, beim Marktforschungsleiter sowie beim Außendienstleiter an. Er analysiert die Konkurrenzwerbung hinsichtlich der eigenen Zielsetzungen. Er informiert sich kontinuierlich über Veränderungen auf dem Markt und behält immer den Aktualitätsaspekt im Auge. Er formuliert aufgrund der Marketingzielsetzung Werbeziele und legt sie zur Genehmigung vor. Er operationalisiert die Werbeziele in Abstimmung auf einzelne Produkte und werbliche Mitarbeiter. Er erarbeitet ein Rahmenkonzept für die gesamte Kommunikation des Unternehmens. Er erarbeitet eine Werbekonzeption mit genauer Budgetierung und Terminierung in Abstimmung mit dem Produktmanagement und legt sie zur Genehmigung und Integration in das Marketingkonzept dem Marketingleiter vor. Er stimmt das Werbesubinstrumentarium mit den anderen Marketinginstrumenten ab. Er steht bei der Erstellung von Produkt- und Vertriebs-Marketingkonzeptionen hinsichtlich der synergetischen Verzahnung von Zielen und Maßnahmen der Werbung beratend zur Seite. Er ist Gesprächspartner der PR-Abteilung und wirkt bei entsprechenden Aktivitäten beratend und koordinierend mit. Der Werbeleiter verabschiedet die Werbedetailpläne wie Mediaplan, Gestaltungsplan oder Textplan. Er ist der verantwortliche Veranlasser aller Produktionen im werblichen Bereich. Er legt den Zeitplan für den Einsatz der einzelnen Maßnahmen fest und übernimmt die Überwachung. Er organisiert die Präsentationen von Werbeagenturen. Er beauftragt in Abstimmung mit dem Produktmanagement, unter Berichterstattung an die Marketingleitung bzw. die Werbeagentur. Er ist Gesprächspartner der Werbeagentur und erstellt das Umsetzungs-Briefing, sofern diese Aufgabe nicht vom Produktmanagement federführend übernommen wird. Er sorgt für eine konstruktive und effiziente Zusammenarbeit mit der Werbeagentur. Er beurteilt die verbale und visuelle Gestaltung sowie die Wirkung der einzelnen operativen Maßnahmen auf Basis seines Fachwissens. Er holt in Zusammenarbeit mit der Beschaffungsabteilung bei wichtigen Großaufträgen drei unabhängige Angebote bei der Vergabe von Werbeaufträgen ein und bewertet sie kostenmäßig, qualitativ und zeitlich. Er vergibt über die Einkaufsabteilung eigenverantwortlich im Rahmen seines Budgets die Aufträge. Der Werbeleiter veranlasst die juristische Überprüfung der werblichen Aktivitäten hinsichtlich der Wettbewerbsgesetze. Er sorgt ggf. für die Durchführung von Pretests hinsichtlich Werbung und Packungsgestaltung. Er sorgt für eine detaillierte Effektivitätsanalyse im Post-Stadium der Werbemaßnahmen hinsichtlich Faktoren wie Impact, Kosten, Umsatz und Image und legt die Ergebnisse der Marketingleitung vor. Er veranlasst innerhalb seiner Abteilung die Vorbereitung der Präsentation von Konzepten und / oder Werbemaßnahmen gegenüber der Geschäftsleitung und dem Außendienst. Er berät alle Stellen des Hauses in kommunikationsspezifi-

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schen Fragen. Er ist zuständig für die Produktion und Entwicklung von Messeständen sowie die diesbezügliche Organisation. Der Werbeleiter übernimmt die Organisation von Werksbesichtigungen, Tagen der offenen Tür oder Sonderaktionen, sofern keine PR-Abteilung hierfür vorhanden ist. Er wirkt bei der Gestaltung und Durchführung von Außendiensttagungen mit. Er berät die Personalabteilung bei der Abfassung von Personalanzeigen und veranlasst die Mediaplanung und -beauftragung. Er verwaltet die Werbegeschenke und gibt sie nach einem Verteilerschlüssel an die Abteilungen oder direkt nach außen weiter. Er gibt periodisch eine Kundenzeitschrift und eine Mitarbeiterzeitschrift heraus und leitet die Redaktionen. Er ist zuständig für die Archivierung sämtlicher Werbematerialien und -konzepte und übernimmt die Aufsicht über die Lagerung. Der Werbeleiter koordiniert die Arbeit innerhalb seiner Abteilung und sorgt für effiziente und zielgerichtete Arbeitsprozesse. Er stellt qualifizierte Mitarbeiter in Zusammenarbeit mit der Personalabteilung ein. Er übermittelt selbstentwickelte Gehaltsvorschläge für seine Mitarbeiter an den Marketingleiter. Er sorgt für ein motivationsförderndes Arbeitsklima innerhalb seiner Abteilung. Er hält seine Mitarbeiter zur ständigen Weiterbildung an. Er pflegt den persönlichen Kontakt zu anderen Werbeleitern, Kommunikationsfachverbänden sowie Werbefachschulen. Er macht in Abstimmung mit dem Außendienstleiter sporadische Informationsbesuche bei Kunden und im Handel. Er sichert seine persönliche Weiterbildung durch Belegung entsprechender Seminare nach Budgetvorgabe. Er repräsentiert das Unternehmen nach außen. • Verantwortlichkeiten: Der Werbeleiter trägt Ergebnisverantwortung für die Erreichung der Kommunikationsziele mit den verabschiedeten Budgetmitteln. Er trägt Mitverantwortung für das Image von Unternehmen und Produkt. Der Werbeleiter trägt Realisierungsverantwortung für die Einhaltung der Führungsgrundsätze sowie die Umsetzung der Werbekonzeption nach Genehmigung. Der Werbeleiter trägt Führungsverantwortung gegenüber seinen Mitarbeitern. • Befugnisse: Der Werbeleiter hat Handlungsvollmacht. Stellenbeschreibungen sind personenunabhängig zu bestimmen. Es entspricht einem häufigen praktischen Fehler, Stellenbeschreibungen um bestimmte Mitarbeiter herum zu definieren. Doch fallen diese Mitarbeiter aus irgendeinem Grund dann später aus, wird es kaum gelingen, einen Nachfolger mit exakt demselben Leistungsprofil zu finden. Das bedeutet, dass deswegen die Stellenbeschreibung modifiziert werden muss. Da Stellenbeschreibungen sich aber wie Puzzleteile ergänzen, bedeutet die Veränderung einer Stellenbeschreibung im Regelfall auch die Veränderung anderer, so dass bei jedem Personenwechsel Anpassungen erforderlich werden, was durch Dominoeffekt zu einer steten Unruhe in der Organisation führt. Bei Führungsstellen wird auf eine Stellenbeschreibung oft verzichtet. Als Argument wird dazu angeführt, dass die Aufgaben dort zu komplex und kompliziert seien, um sie in Stellenbeschreibungen zu normieren. Doch bei Managementquere-

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len ist nicht selten der Anlass, dass das, was der Manager als Aufgabe verstanden hat und machen möchte, nicht dem entspricht, was das Unternehmen als Aufgabe zu besetzen hat. Daraus entstehen teure Missverständnisse.

28.2 Organisationsstruktur Die Organisationsstruktur wird formal durch das Organigramm als grafische Darstellung der Über- und Unterordnungsverhältnisse in der Aufbauorganisation sowie der organisatorischen Strukturierung gefasst. Daraus ergeben sich Weisungsund Berichtsbeziehungen, Leitungsspannen und -tiefen, die Verteilung der Aufgaben und Zuständigkeiten sowie die Einordnung von Leitungshilfsstellen, angelegt als vertikale / horizontale Pyramiden, Säulen oder Blöcke. Dies ermöglicht einen raschen Überblick. In neuerer Zeit hat sich die Leitungstiefe erheblich verringert, dies entspricht dem Postulat des Lean Management. Dies hängt einerseits an dem Erfordernis zur Reduktion der Overheads als Gemeinkosten für nicht-wertschöpfende Tätigkeiten, andererseits an der Informationsfilterung und -verzerrung über mehrere Hierarchiestufen hinweg. Dies ist sowohl Top-down problematisch, wenn dadurch die Einheit der Leitung gefährdet wird, als auch Bottom-up, da davon auszugehen ist, dass die Mitarbeiter an der Basis den besten Einblick in konkrete Sachverhalte haben. Dabei ergeben sich vor allem vier zentrale Probleme: • Wie ist bei der Aufgabenzuordnung und Stellenbildung zweckmäßig vorzugehen? • Welche Stellenarten sind einer Aufgabenverteilung zugänglich? • Wie viele Stellen werden zur Aufgabenerfüllung benötigt? • Wie können Stellen zu größeren Abteilungen sinnvoll zusammengefasst werden? Ergebnis dieser Überlegungen ist eine quantitative Aufgabenzuordnung, dabei arbeiten zwei oder mehr Stellen parallel an derselben Aufgabe. Oder eine qualitative Aufgabenzuordnung, und zwar horizontal durch gleichrangige Stellen nebeneinander oder vertikal durch direkt über- und untergeordnete Stellen. Die qualitative Aufgabenzuordnung führt zur Spezialisierung, diese kann im Einzelnen nach den Dimensionen Verrichtung, Objekt, Rang, Phase, Zweckbeziehung, Sachmittel, Zeit oder Raum stattfinden. Die Aufgabenzuordnung hängt von den Kompetenzen des jeweiligen Stelleninhabers ab, dabei handelt es sich im Einzelnen um: • Wissen, bezogen auf bestimmte Tätigkeiten oder allgemein als Fachkompetenz, • Können durch manuelle oder geistige Fertigkeiten als Methodenkompetenz, • Verhalten zur interpersonellen Disposition als Sozialkompetenz, • Verantwortung mit motivationaler Komponente als Individualkompetenz.

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Methoden-, Sozial- und Individualkompetenzen werden auch als Schlüsselquali­ fikationen bezeichnet. Von ihnen wird heute verbreitet angenommen, dass sie bedeutsamer sind als die Fachkompetenz. So werden nicht nur in Kommunikationsabteilung und -unternehmen verstärkt Mitarbeiter ohne fachspezifischen Background eingestellt. Dies hat, neben der generellen Angebotsknappheit bei Werbespezialisten, vor allem damit zu tun, dass es eher möglich erscheint, einem Mitarbeiter mit guten „weichen“ Kompetenzen die Inhalte und Zusammenhänge der Marketingkommunikation zu vermitteln als umgekehrt einem fachspezifisch gut ausgebildetem Mitarbeiter die Soft Skills seines Arbeitsfelds. Ideal wäre natürlich die Kombination aus guter Ausprägung sowohl bei Hard Skills als auch bei Soft Skills, jedoch ist dies in praxi nur selten vorzufinden. Und vielleicht schließt es ja sogar einander auch aus. Die Konseqenzen sind allerdings nicht zu vernachlässigen, denn sie bedeuten, dass viele Mitarbeiter qualifizierte Stellen einnahmen, die sich den zugehörigen fachlichen Background erst noch erarbeiten müssen. Wenn man zudem bedenkt, dass es eine erhebliche Verbreitung von Job rotations gibt, bedeutet dies, dass letztlich die Mehrzahl der Mitarbeiter sich kontinuierlich im Wissenserwerbsstadium befindet. Nimmt man jetzt noch hinzu, dass vor allem Werbeagenturen nach wie vor nur sehr begrenzt in die Ausbildung ihrer Mitarbeiter zu investieren bereit sind, folgt daraus ein Problem, denn man erwartet von Beratern, dass sie sich in ihrem Fachgebiet besser auskennen als man selbst, denn ansonsten bedürfte es keiner Beratung. Das sieht bei Werbungtreibenden durchaus anders aus, hier wird intensiv in die Mitarbeiterqualifikation investiert. So verwundert es nicht, dass zunehmend Aufgaben re-outgesourced, also in das Unternehmen zurückgeholt werden und Werbeagenturen als verlängerte Werkbank dienen. Verbunden damit ist eine geringere Wertschätzung der Werbeberatung als sie vergleichsweise anderen Beratern zukommt, etwa Anwälten, Wirtschaftsprüfern, Steuerberatern o. Ä., wie an den Stunden- / Tagessätzen ihrer Arbeit leicht ablesbar ist. Die Aufbauorganisation kann nach den Dimensionen Spezialisierung, Konfiguration und Koordination eingeteilt werden. Jeweils ergeben sich dabei Unterformen, die spezifische Vor- und Nachteile aufweisen, wie im Folgenden erläutert.

28.3 Formen der Aufbauorganisation Bei der Primärorganisation handelt es sich um die Aufbauorganisation durchgängig nach einem Prinzip. Denkbar sind dabei das Verrichtungsprinzip nach Funktionen oder das Objektprinzip nach Produkt bzw. Branche, Gebiet bzw. Land oder Kunde bzw. Kundengruppe. In der Realität ist aber fast nur die Primärorganisation nach dem Verrichtungsprinzip anzutreffen. Eine Primärorganisation nach dem Objektprinzip bleibt die Ausnahme (siehe Abbildung XII/208: Formen der Aufbauorganisation).

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Abbildung XII/208: Formen der Aufbauorganisation

28.3.1 Spezialisierung Die Spezialisierung in der Aufbauorganisation nach Funktionen oder Objekten entspricht dem naheliegenden und bewährten Prinzip der Arbeitsteilung. Diese wird verbreitet als Basis für Produktivitätssteigerungen angesehen. 28.3.1.1 Funktionsstruktur Dabei sind die betrieblichen Funktionen, wie die Werbung, Gliederungskriterium für den Aufbau der Organisation. Dies ist sehr naheliegend und daher auch die ursprüngliche Form der Aufbauorganisation nach betrieblichen Grundfunktionen wie Beschaffung, Produktion, Absatz, Finanzen, Rechnungswesen, Personal, Technik etc. (siehe Abbildung XII/209: Prinzip der Funktionsstruktur der Werbung).

Abbildung XII/209: Prinzip der Funktionsstruktur der Werbung (Quelle: eig. Darst.)

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Als Vorteile der Funktionsorganisation in Bezug auf die Marketingkommunika­ tion sind folgende zu sehen: • Nutzung von Spezialisierungs- und Kostendegressionsvorteilen, vor allem in Großunternehmen, • flexible Reaktion auf volatile Umfeldbedingungen wie sie für die Marketingkommunikation typisch sind, • vergleichsweise einfache Personalbeschaffung, da klares Anforderungs- und Verantwortungsprofil, • klar geregelte Zuständigkeiten durch eindeutige Abgrenzung der Aufgaben, • Betonung der Fachautorität durch jeweils kompetente Mitarbeiter in allen Funktionen, • übersichtliche Steuerung und Kontrolle der einzelnen Stelleneinheiten, • Nutzung von spezifischen Sachmitteln, wie sie für die Werbung erforderlich sind. Als Nachteile sind folgende zu sehen: ­ nt­ernehmen, • mangelnde Gesamtübersicht der jeweiligen Stelleninhaber über das U • häufiger Ressortegoismus mit der Folge von Betriebsblindheit, • geringe Orientierung an Markt und Kunden, was gerade für Werbung problematisch ist, • zahlreiche Überschneidungsbereiche zwischen Funktionen mit Schnittstellenproblemen, • hoher interner Kommunikations- und Koordinationsbedarf zwischen den einzelnen Stellen, • keine pretiale Lenkung am Erfolg möglich, da Zurechnungsprobleme für Erfolge / Misserfolge auftreten, • tendenzielle Überlastung der Unternehmensspitze durch generelle Top-downStruktur, • Personalentwicklung auf Funktionsspezialisten eingeschränkt. Die Funktionsstruktur der Organisation ist die älteste und auch nahe liegendste Form der Aufbauorganisation. In Bezug auf Werbung ist aus heutiger Sicht vor allem die hohe Marktferne der Tätigkeit zu monieren. Dafür ist ein hohes Maß an Integration über alle Produkte, Gebiete und Kunden hinweg möglich. Allerdings stellt sich die Marktrealität heute so differenziert dar, dass das daraus resultierende Maß an Komplexität nur schwer beherrschbar ist.

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28.3.1.2 Objektstrukturen Die Objektorganisation (auch Spartenorganisation) ist in Reinform, also als Primärorganisation, praktisch nur ab der zweiten Hierarchieebene anzutreffen, eindimensional als divisionale Organisationsform, zwei- und mehrdimensional als Matrix- / Tensororganisationsformen. Bei der eindimensionalen Form lassen sich die Orientierung an Produkten bzw. Produktgruppen, an Gebieten bzw. Regionen und an Kunden bzw. Kundengruppen / Branchen unterscheiden. Dies entspricht zugleich der historischen Entwicklung. Die Produktorganisation geht davon aus, dass die Produkte im Unternehmensprogramm die zentralen Erfolgsfaktoren darstellen und es daher zweckmäßig ist, diese als Basis für den organisatorischen Aufbau zu wählen, „erfunden“ von P&G in den 1930er Jahren für die Seife Camay. Dies bietet sich bei heterogenem Produktprogramm, bei abweichenden Vermarktungsbedingungen der Produkte oder bei hoher Marktkomplexität und -dynamik an (siehe Abbildung XII/210: Prinzip der Objektstruktur nach Programmausschnitt). Für die Werbung bedeutet dies, dass sie nach einer Produktordnung organisiert ist. Dies ist naheliegend, werden doch die Produkte / Dienste als wesentliche Erlösquelle angesehen. Allerdings stellt sich die Situation angesichts räumlicher Ausbreitung und heterogener Kundenstruktur als ausgesprochen schwierig dar.

Abbildung XII/210: Prinzip der Objektstruktur nach Programmausschnitt (Quelle: eig. Darst.)

Als Vorteile der Produktorganisation in Bezug auf die Marketingkommunikation sind folgende zu sehen: • große Marktnähe durch Berücksichtigung der Produktcharakteristika, • frühzeitige Erkennung von Marktveränderungen mit entsprechender Reaktions­ zeit,

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XII. Organisation der Marketingkommunikation

• effiziente Abstimmung produktbezogener Aktivitäten über die einzelnen Funktionen hinweg, • klare Zuständigkeiten für Aufgaben, damit wenig Schnittstellen und Friktionen, • Nutzung von spezifischen Talenten, die zu einem Wettbewerbsvorsprung führen kann, • hohe marktbezogene Flexibilität / Reaktionsfähigkeit der Organisation, • Leistungsmotivation durch Möglichkeit der Erfolgszurechnung. Als Nachteile sind folgende zu sehen: • Gefahr von Kompetenzkonflikten zwischen den Organisationseinheiten einer Ebene, • hohe Kompetenzanforderungen an die jeweiligen Stelleninhaber, • vergleichsweise hohe Personalkosten durch mehrfache Aufgabenzuordnung nach Produkten, • Gefahr des Zerfalls der Corporate Identity infolge von „Produktegoismen“, • Verteilungskonflikte um knappe Ressourcen, hier insb. das Kommunikationsbudget, • Doppelarbeit bei Programmüberlappungen (z. B. Zubehör, Bundling, Kundendienste). Die produktorientierte Aufbauorganisation ist in der Marketingpraxis wohl am weitesten verbreitet. Allerdings sind davon interne Serviceabteilungen wie die Werbung häufig ausgenommen, da sie für mehrere / alle Produkte marketingkommunikative Aufgaben erledien, so dass sich hier eine Zentralisierung anbietet. Die Gebietsorganisation geht davon aus, dass die Konzentration auf die Absatzmärkte den zentralen Erfolgsfaktor darstellt. Dabei wird auf die Abweichungen zwischen Marktgebieten, im regionalen, nationalen, vor allem aber im internationalen Rahmen abgehoben. Dies bietet sich bei Unternehmen an, die unterschiedliche Marktgebiete mit abweichenden Vermarktungsbedingungen bearbeiten oder wenn bereits genaue Kenntnisse über Marktgebietscharakteristika vorliegen (siehe Abbildung XII/211: Prinzip der Objektstruktur nach Absatzgebiet). Für die Werbung bedeutet dies, dass sie nach einer Gebietsordnung organisiert ist. Dies bietet sich angesichts verbreitet transnationaler Unternehmens- und damit auch Kommunikationsaktivitäten durchaus an und ist daher praktisch auch häufig vorzufinden. Als Vorteile der Gebietsorganisation sind folgende zu sehen: • Gebietsspezifische Konzepte zur Vermarktung und Bewerbung können erarbeitet und umgesetzt werden. • Die Effizienz von Kommunikationsaktivitäten steigt.

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Abbildung XII/211: Prinzip der Objektstruktur nach Absatzgebiet (Quelle: eig. Darst.)

• Es sind klare Zuständigkeiten gegeben, wenn Gebiete überschneidungsfrei zuordnenbar sind. • Es liegt eine transparente, gut steuerbare Organisationsstruktur vor allem bei internationalen Aktivitäten vor. • Entlastung der Leitungsspitze durch hohe Marktnähe in den Gebietseinheiten ist gegeben. Als Nachteile sind folgende zu sehen: • Gefahr von Kompetenzkonflikten zwischen den Organisationseinheiten einer Ebene, etwa bei mehreren Standorten, • vergleichsweise hohe Personalkosten durch mehrfache Aufgabenzuordnung nach Gebieten, • Tendenz zum Eigenleben der Gebietseinheiten, somit Gefahr für die ­Corporate Identity, • bewusste Überbetonung gebietsspezifischer Besonderheiten aus abteilungsegois­ tischen Gründen, • Verteilungskonflikte um knappe Ressourcen, hier konkret das Kommunikations­ budget. Die gebietsorientierte Aufbauorganisation ist vor allem bei international tätigen Unternehmen installiert. Die Werbung ist dann entsprechend dieser Einteilung aufgestellt. Als Argument werden häufig tatsächliche oder vorgebliche Landes- / 

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Ländergruppenbesonderheiten angeführt, die ohnehin abweichende Werbeeinsätze erfordern. Die Kundenorganisation geht davon aus, dass nicht die Produkte oder Gebiete die eigentlichen Erfolgsfaktoren des Unternehmens sind, sondern die Kunden, die Leistungen des Unternehmens abnehmen. Daher macht es Sinn, diese in den Mittelpunkt der Struktur zu stellen. Dabei ist an Kundengruppen zu denken, dort wiederum vor allem an Großkunden / Key-Accounts, aber auch an Sonder-, Potenzial- und Problemkunden. Eine verstärkte Ausprägung stellt das Kundenbeziehungsmanagement / CRM dar. Dies bietet sich bei divergierenden Kundenbedürfnissen oder bei hohem Informationsstand über die Bedürfnisse der Kunden an (siehe Abbildung XII/212: Prinzip der Objektstruktur nach Kundengruppe). Für die Werbung bedeutet dies, dass sie nach einer Kundenordnung organisiert ist. Dies entspricht vor allem dem Trend zu Individualisierung im Marketing (Segment of One). Allerdings stellt sich die Kundenstruktur als volatil dar, so dass letztlich eine wenig stabile Ausprägung gegeben ist.

Abbildung XII/212: Prinzip der Objektstruktur nach Kundengruppe (Quelle: eig. Darst.)

Als Vorteile der Kundenorganisation in Bezug auf die Marketingkommunikation sind folgende zu sehen: • angemessenes Eingehen auf Kunden durch zielgruppenspezifische Vermarktung und Bewerbung, • Konzentration der Kommunikationsaktivitäten auf die wichtigsten Kunden ist möglich, • Veränderungen der Kundenbedürfnisse können frühzeitig erkannt werden, • Stärkung der Verhandlungsposition bei Kunden durch individualisierte Werbekonzepte,

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• im Grundsatz eindeutige Einteilung mit entsprechender Zuordnung der Zuständigkeiten. Als Nachteile sind folgende zu sehen: • hohe Personalkosten durch mehrfache Aufgabenzuordnung, • Kompetenzkonflikte mit Funktionsabteilungen, vor allem dem Vertrieb, sind möglich, • evtl. Eigenleben der Kundeneinheiten mit Gefährdung der Corporate Identity, • Verteilungskonflikte um knappe Ressourcen, konkret das Kommunikationsbudget, • Abgrenzung von Zuständigkeiten ist nicht immer eindeutig, etwa bei diversifizierten Unternehmen. Die kundenorientierte Aufbauorganisation ist nicht weit verbreitet, aber etwa bei Industriegütern, OEM-Lieferanten etc. vorzufinden. Dort müssen maßgeschneiderte Kommunikationsangebote dargestellt werden, die sich mithin zwischen Kunden/-gruppen unterscheiden. Dies bietet sich aber nur bei hoher aktueller oder potenzieller Umsatz- / Gewinnbedeutung an. 28.3.2 Konfiguration Die Konfiguration betrifft die Verbindung zwischen über- und untergeordneten Stellen in der Organisationsstruktur. Einflussfaktoren darauf sind Größen wie: • Art der Abteilungsaufgabe, Entscheidungsspielräume der Mitarbeiter, Qualifikation / Motivation der Mitarbeiter, Führungsstil, Anteil von Ausführungsaufgaben, soziale Kompetenz des / der Vorgesetzten, vorhandene Hilfsmittel, Entlastung durch Leitungshilfsstellen. Daraus ergeben sich einerseits die Leitungsspanne als Anzahl der einer vorgesetzten Stelle direkt unterstellten abhängigen Stellen (auch Subordinationsquote / ​ Kontrollspanne) und andererseits die Leitungstiefe als Anzahl der Hierarchiestufen im Unternehmen, die einer vorgesetzten Stelle unterstellt sind. Eine kleine Leitungsspanne bedingt c. p. eine hohe Leitungstiefe et vice versa. Dabei ist ein deutlicher Trend zu geringer Leitungstiefe (auch Lean Management / f lache Organisation) zu verzeichnen. Generelle Vorteile daraus sind u. a. kurze Informationswege, Entscheidungen von der Basis aus, weniger Overheads, Motivationssteigerung oder mehr Kreativität. Nachteile sind demgegenüber u. a. Überlastung der Leitungsstellen, schwierige Kontrolle oder limitierte Karriereperspektiven. Es ergeben sich mehrere Optionen zur Organisationskonfiguration, so als Einlinien-, Mehrlinien-, Stablinien- und Kreuzlinienstruktur.

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28.3.2.1 Einlinienstruktur Kennzeichnend hierfür ist die Einheit der Auftragserteilung, der Dienstweg ist dabei der einzige Weisungs- und Berichtsweg. Eine Ausnahme stellt lediglich die Fayol’sche Brücke dar, der „kleine, informelle Dienstweg“ auf gleicher Ebene. Es handelt sich um den „Normalfall“ der Organisationsstruktur, die historisch erste Organisationsform und die bis heute am weitesten verbreitete. Für die Werbung bedeutet dies, dass sie in klarer hierarchischer Ordnung organisiert ist. Angesichts der Komplexität der Marktrealität stellt dies jedoch womöglich eine unzulässige Vereinfachung dar und ist damit weder als sach- noch als fachgerecht anzusehen. Als Vorteile der Einlinienorganisation in Bezug auf die Marketingkommunikation sind folgende anzusehen: • klare Weisungs- und Vollzugsbeziehungen der Stellen untereinander, • einheitliche Willensbildung ohne Eingriffe Dritter, da die Hierarchieebene ausschlaggebend ist, • eindeutige, zielorientierte Entscheidungsfindung, • klare Zuordnung von Kompetenz und Verantwortung, • leichte Steuerung und Kontrolle für lückenlosen, vertikalen Informationsfluss, • gute Verständlichkeit und Überschaubarkeit des Leitungssystems für alle Beteiligten, • Schutz der Hierarchie vor verunsichernden „Übergriffigkeiten“ anderer Stellen / Abteilungen, • fachübergreifend handelnde Generalisten als Vorgesetzte, • Stärkung des Sicherheitsgefühls der Mitarbeiter in Bezug auf Standing und Ressourcen. Als Nachteile sind folgende anzusehen: • hohe quantitative und qualitative Belastung der Instanzen durch Kommunikations­ prozesse, die sie nicht betreffen, • Gefahr, dass die systematische, an objektiven Sachverhalten orientierte Entscheidungsfindung vernachlässigt wird, • vielfache Informationsfilterung und -verfälschung durch „Stille Post“-Prinzip, • nachgeordnete Stellen sind in hohem Maße von der ihr vorgesetzten Instanz abhängig, • Hang zur Bürokratisierung bzw. zu fehlender Dynamik im Managements, • Betonung der Positionsmacht des Vorgesetzten gegenüber der Fachkompetenz,

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• überdimensionierte Kommunikationsstrukturen, vor allem bei übergeordneten Stellen, • Motivationsverlust auf den unteren Ebenen, • kritische Position der „Zwischeninstanzen“, die sich in einer „Sandwich“-Position befinden. Werbeaufgaben können dann stringent ausgeführt werden. Allerdings ergeben sich vielfache Hürden in der Querabstimmung mit anderen Funktionen und marketingrelevanten Objekten wie Produkten, Absatzgebieten und Kunden. Da es häufig auf kurze Reaktionszeiten ankommt, ist die Linie für Marketingkommunikationsaufgaben tendenziell besser geeignet, da es aber auch um Umsicht und Achtsamkeit geht, sind netzwerkähnliche Strukturen nicht unerheblich. 28.3.2.2 Mehrlinienstruktur Hierbei wird das Prinzip des kürzesten Wegs durch Mehrfachunterstellung der ausführenden Stellen angestrebt. Vorgesetzte sind jeweils Funktionsspezialisten und Manager. Diese Form ist kaum mehr vorzufinden, aber noch in Teilen des Öffentlichen Dienstes, wo Fach- und Disziplinarvorsetzung in den Stellen auseinander fallen können, anzutreffen (siehe Abbildung XII/213: Prinzip der Mehrlinienstruktur der Werbung).

Abbildung XII/213: Prinzip der Mehrlinienstruktur der Werbung (Quelle: eig. Darst.)

Für die Werbung bedeutet dies, dass sie mit multipler Über- / Unterstellung organisiert ist. Die daraus abfolgenden Vorteile sind gegen die Nachteile aufzurechnen, mit dem Ergebnis, dass die entstehende Komplexität überwiegt. Die Zuordnung im Öffentlichen Dienst ist häufig, da dort Werbeaufgaben durchaus eine bedeutende

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Rolle spielen, etwa im Stadtmarketing, bei der lokalen Wirtschaftsförderung, im Recruiting etc. Als Vorteile der Mehrlinienorganisation in Bezug auf die Marketingkommunika­ tion sind folgende anzusehen: • Entlastung der Marketingleitung von operativen Aufgaben, • Betonung der Fachkompetenz des Vorgesetzten anstelle allein seiner Hierarchie­ position, • die jeweils kompetentesten Mitarbeiter treffen Entscheidungen, hier in Bezug auf Marketingkommunikation, • kurze Informationswege, so dass wenig Filterung und Zeitverlust entsteht, • hohe Flexibilität durch enge Vernetzung der Entscheidungsträger, • Spezialisierung der Leitung durch Verteilung der Funktionen auf mehrere Instanzen, • Konflikte können positiv aufgelöst werden. Als Nachteile sind folgende anzusehen: • keine eindeutige Zuweisung von Verantwortungen, Aufgaben und Kompetenzen für Marketingkommunikation, • Ressourcenkonflikte zwischen Vorgesetzten durch ausgeprägtes Ressortdenken, • möglicherweise widersprüchliche Vorgaben für Mitarbeiter, dadurch Verunsicherung, • hoher Informationsbedarf und Koordinationsaufwand, um alle Beteiligten auf dem aktuellen Stand zu halten, • Gefahr „fauler“ Kompromisse (kleinster gemeinsamer Nenner), statt „klarer Kante“ in der Werbung, • viele Entscheidungsstellen / Instanzen sind einzubeziehen, damit Kommunika­ tionsaktivitäten starten können, • Zurechnung von Erfolgen / Misserfolgen ist wegen diffuser Verantwortlichkeiten problematisch. 28.3.2.3 Stablinienstruktur Dies ist eine Kombination der Einlinienorganisation mit Leitungshilfsstellen. Dabei kommt es zu einer personellen Trennung von formaler Leitungsbefugnis zur Entscheidungsdurchsetzung und Entscheidungsvorbereitung. Eine Stabsstelle kann einer oder mehreren Instanzen zuarbeiten, die Stabsstellen können auf meh-

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reren Hierarchieebenen angesiedelt sein (siehe Abbildung XII/214: Prinzip der Stablinien­struktur der Werbung). Für die Werbung bedeutet dies, dass ihr geringerer Stellenwert zugemessen wird und sie nur beeinflussend an Entscheidungen teilhaben können. Außerdem ist wichtig, wo die Stabsstelle angedockt ist, denkbar sind etwa Geschäftsleitung, PR-Abteilung, Marketingservice-Abteilung, Vertrieb o. Ä. Dies sagt zugleich etwas über die Bedeutung, die Werbung im betreffenden Unternehmen beigemessen wird, ambivalent hoch durch direkte Zuordnung zu einer Leitungsstelle oder niedrig durch hierarchische Ausgliederung. Häufig sind Stabsstellen auch Einstiegs- oder Durchgangspositionen, etwa um die Organisation stressreduziert kennenzulernen oder sich ein Netzwerk darin aufzubauen.

Abbildung XII/214: Prinzip der Stablinienstruktur der Werbung (Quelle: eig. Darst.)

Als Vorteile der Stablinienorganisation in Bezug auf die Marketingkommunikation sind folgende anzusehen: • qualitative und quantitative Entlastung der Instanzen durch Zuarbeit der Stabsstellen, • besserer Informationsstand für umfassende, qualifizierte Entscheidungen der Instanzen, • Qualität der Entscheidungen steigt damit potenziell an, • passgenauere Weisungen durch sorgfältige Vorbereitung, • schnelle Entscheidungsfindung in der Linie durch gründliche Vorbereitung im Stab, • transparente Aufbaustruktur mit Weisungsbefugnissen und Berichtspflichten, • einheitlicher, unverwässerter Entscheidungsweg in der Linie.

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XII. Organisation der Marketingkommunikation

Als Nachteile sind folgende anzusehen: • Konfliktpotenziale zwischen formaler Kompetenz in der Linie und materieller Kompetenz im Stab sind möglich, • Tendenz zu überdimensionierter Stabsstellenstruktur als Statussymbol von Instanzen, • Gefahr der Manipulation von Entscheidungen durch Stäbe, • fachliche und soziale Kompetenz der Leitungsstelle ist für den Erfolg entscheidend, • Demotivationsgefahr der Stabsmitarbeiter infolge bewusster Blockierung der Stabsempfehlungen in der Organisation, • Tendenz zu Stabshierarchien („Küchenkabinett“) mit problematischen Effekten, • Auseinanderfallen vom formellem Status und informeller Macht der Stabsmitarbeiter. 28.3.2.4 Zwei- / Dreidimensionale Formen Eine zweidimensionale Organisationsstruktur ist praktisch meist simultan nach einer funktionsorientierten, horizontalen und einer objektorientierten / vertikalen Ebene als Matrixorganisation aufgebaut. Theoretisch ist aber auch die Kombination zwischen zwei objektorientierten Ebenen möglich. Damit unterscheidet sie sich von der Mehrlinienorganisation, die eindimensional sukzessiv aufgebaut ist. An den Matrixschnittstellen sind Aufgaben von zwei Managern koordinativ zu übernehmen, meist jeweils funktions- und objektorientierte. Zur Konfliktprävention sind hier die Priorisierung einer Dimension, eine aufgabenabhängig jeweils dominante Zuordnung, die Beschränkung der Matrix auf bestimmte Aufgaben oder informelle Regelungen möglich. Diese Lösungen schwächen jedoch den Charakter der Matrixorganisation. Zentral ist die Sichtweise, dass Konflikte als positives Element akzeptiert und daher bewusst institutionalisiert werden (siehe Abbildung XII/215: Prinzip der Matrixorganisation). Für die Werbung bedeutet dies, dass eine engmaschige Vernetzung der Aktivitäten stattfindet, aber auch, dass komplexe Abstimmungen erforderlich werden. Insofern gilt es abzuwägen, welche Vor- bzw. Nachteile überwiegen. Dies gilt erst recht bei Großunternehmen, die dann Tensororganisationsformen nutzen. Als Vorteile der Matrixorganisation in Bezug auf die Marketingkommunikation werden folgende angesehen: • Entlastung der Marketingleitung durch Delegation von Entscheidungsbefugnissen und -verpflichtungen, • unterschiedliche Perspektiven auf ein Problem erbringen durchdachte, innovative Lösungsansätze,

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Abbildung XII/215: Prinzip der Matrixorganisation (Quelle: eig. Darst.)

• kurze Informationswege sind gegeben, damit wenig Zeitverlust und Sachstandsverzerrung, • Kompetenzen werden wichtiger als Hierarchieposition, was gerade bei Kommunikationsaktivitäten hilfreich ist, • hohe motivatorische Wirkung durch signifikante Entscheidungsbeteiligung, • Konflikte können durch gegenseitige Abstimmung positiv aufgelöst werden, • schnelle, flexible Reaktion auf Umfeldveränderungen. Als Nachteile werden folgende angesehen: • schwierige Zuordnung von Erfolgen / Misserfolgen auf die jeweiligen Stelleninhaber, • unklare Regelung von Entscheidungsbefugnissen / Unterstellungsverhältnissen, • hoher Zeitaufwand zum gewünschten und erforderlichen Interessenausgleich erforderlich, • langsame Entscheidungsfindung mit Gefahr „fauler“ Kompromisse, • geringeres Verantwortungsbewusstsein führt zu risikoreicheren Lösungen bzw. Bedürfnis zur Verantwortungsabsicherung führt zu chancenarmen Lösungen, • hohe fachliche Anforderungen an Stelleninhaber, damit hohe Personalkosten, • hohe soziale Kompetenz als Schlüsselqualifikation in den Dimensionen erforder­ lich, • stressresistente, frustrationstolerante Führungskräfte sind zum Ausgleich von Konflikten zwischen Stellen erforderlich, • Bürokratisierungstendenz infolge Überorganisation, so dass zu wenig Zeit und Aufmerksamkeit für operative Belange bleibt, • komplexe Koordinationsstrukturen, die wenig transparent sind.

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Bei der Tensororganisation handelt es sich um eine Weiterentwicklung der Matrixorganisation mit drei Ebenen, im Regelfall einer funktionsorientierten und zwei verschiedenen objektorientierten. Dies wird vor allem bei komplexen Umfeldbedingungen und hohen Unternehmensgrößen häufig als einzige Möglichkeit gesehen, die Organisation noch angemessen zu strukturieren. Die Vor- und Nachteile entsprechen denen der Matrixorganisation, nur jeweils verstärkt. 28.3.3 Koordination Die Koordination der Aufbauorganisation versucht festzulegen, wie die Abstimmung zwischen Stellen / Abteilungen geregelt wird und ob diese Abstimmung eigenständig oder fremdbestimmt erfolgt. Eigenständig bedeutet hier durch Selbstabstimmung informell etwa über Intranet, Blogs oder Soziale Netzwerke. Dabei ergeben sich mehrere Optionen zur Organisationskoordination in Projekt, Team, Gremium und Center. 28.3.3.1 Projektstruktur Bei Projekten handelt es sich allgemein um zeitlich befristete Aktivitäten. Projekte sind neuartig, komplex und bedürfen ressortübergreifender Koordination (z. B. Planung, Organisation, Durchführung, Kontrolle einer Verkaufsförderungsaktion). Sie sind zielorientiert, finanziell definiert und risikobehaftet. In Unternehmen, die mit derartigen Aufgaben zu tun haben, wie in der Werbebranche, bietet sich ein Projektmanagement an. Dafür gibt es drei Grundformen:

Abbildung XII/216: Prinzip der Stabs-Projektorganisation (Quelle: eig. Darst.)

• Bei der Stabs-Projektorganisation wird ein Mitarbeiter zum Projektkoordinator bestimmt und koordiniert Mitarbeiter der Linienabteilungen zur Erfüllung seiner Projektaufgabe (siehe Abbildung XII/216: Prinzip der Stabs-Projektorgani­ sation). Der Projektkoordinator ist nicht weisungsbefugt, die Mitarbeiter der Linienabteilungen übernehmen die Projektaufgabe zusätzlich zu ihren Linien-

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aufgaben. Daher kommt es hier vor allem auf Überzeugungsarbeit an. Die Effektivität ist meist gering. • Bei der reinen Projektorganisation werden Mitarbeiter aus den Linienabteilungen in eine Projektgruppe als Taskforce abgestellt (siehe Abbildung XII/217: Prinzip der Reinen Projektorganisation). Sie sind von ihren „normalen“ Aufgaben entbunden und unterstehen für die Projektdauer der fachlichen Anweisung des Projektleiters, die disziplinarische Weisung verbleibt zumeist bei der Linieninstanz. Die Projektgruppe ist hierarchieneutral und cross-funktional aufgebaut. Nach Ende des Projekts kehren die Mitarbeiter in ihre Linienstellen oder eine vergleichbare andere zurück. Dabei ergeben sich praktisch große Probleme.

Abbildung XII/217: Prinzip der Reinen Projektorganisation (Quelle: eig. Darst.)

• Bei der Matrix-Projektorganisation sind zwei Dimensionen gegeben, eine primäre nach Funktion oder Objekt und eine sekundäre nach dem Projekt (siehe Abbildung XII/218: Prinzip der Matrix-Projektorganisation). Der Projektleiter trägt die Verantwortung für das Projekt und kann den Mitarbeiter in der primären Dimension Weisungen erteilen, diese sind daher zweifach unterstellt, ihrem Linienvorgesetzten im Rahmen ihrer Routinetätigkeiten und dem Projektleiter im Rahmen ihrer Sonderaufgaben. Auch daraus resultieren zumeist Konflikte.

Abbildung XII/218: Prinzip der Matrix-Projektorganisation (Quelle: eig. Darst.)

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XII. Organisation der Marketingkommunikation

Teils wird für die Projektzeit eine rechtlich selbstständige Gelegenheitsgesellschaft als Arbeitsgemeinschaft oder Konsortium gegründet oder es werden dafür eigens Mitarbeiter mit befristeten (Werk-)Verträgen eingestellt. Eine Projektorganisation bietet sich bei komplexen Aufgaben, bei Arbeitsumfängen, welche die Kapazität einer Person überschreiten oder bei hoher Bedeutung eines Projekterfolgs für den Gesamtunternehmenserfolg an. Dies trifft durchaus auf Werbeaufgaben zu, etwa bei Produktneueinführungen, Absatzmarkterschließungen oder Akquisitionsoffensiven. Gleiches gilt aber auch für deutlich kleinere Projekte, etwa zur Messevorbereitung, zur Steuerung einer Vkf-Aktion oder zur Renovierung der Internet-Präsenz. Als Vorteile der Projektorganisation in Bezug auf die Marketingkommunikation werden folgende angesehen: • die laufenden Arbeiten im Unternehmen bleiben bei geeigneter Auslegung unbeeinträchtigt, • die vorhandene Organisationsstruktur muss wegen der Sonderprojekte nicht zwangsweise verändert werden, • die Mitarbeiter werden zur Identifikation angemessen involviert, • Störungen und Abweichungen im Projekt kann rasch begegnet werden, • es besteht die besondere Möglichkeit zur Personalentwicklung und Talentförderung, • bietet sich vor allem bei hohem Anteil an Below the Line-Aktivitäten an. Als Nachteile werden folgende angesehen: • mehr oder minder große Abhängigkeit des Erfolgs vom Goodwill der Linienvorgesetzten, • schwerfällige und uneinheitliche Entscheidungsfindung bei ungeeigneter Auslegung, • Gefahr von Ressourcenengpässen und daraus abfolgenden Konflikten, • hoher Koordinationsbedarf, vor allem bei mehreren Projekten parallel im Multiprojektmanagement, • Gefahr der temporären Überlastung der Mitarbeiter oder aber deren Unterauslastung, • Gefahr, dass Aufgaben außerhalb eines Projekts wegen Gewöhnungseffekts vernachlässigt / uninteressant werden, • umfangreiche Stellvertretungsregelungen für Routinearbeiten notwendig, • setzt hohe Sozialkompetenz voraus, da komplexe Interaktionen vorliegen,

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• Unsicherheit über berufliche Zukunft nach dem Projekt, daher Rekrutierungsprobleme für qualifizierte Mitarbeiter, • Wiedereingliederungsprobleme in die Hierarchie durch fortschreitenden Entfremdungseffekt.

28.3.3.2 Teamstruktur Ein Team ist allgemein durch folgende Kennzeichen charakterisiert: • Mehrpersoneneinheit, • cross-funktionale Zusammensetzung mit Aufgabendifferenzierung, • hierarchieneutrale Auslegung, aber Teamleiter als Sprecher, • überwiegend ist jeder Mitarbeiter parallel Mitglied in zwei oder mehr Teams, • die Teamaufgabe ist von vornherein zeitlich unbegrenzt angelegt, • direkte Interaktion zwischen den Teammitgliedern ist gegeben, • gruppendynamische Effekte, aber auch Defekte, • Aufgabe ohne zeitliche Begrenzung, • Betonung von Fach- und Sozialkompetenzen. Teams spielen vor allem in der Werbung eine große Rolle. Dabei geht es um die Kooperation so verschiedenartiger Talente wie Strategie, Konzeption, Text, Grafik, Media, Produktion u. A. Eine Teamorganisation kann etwa wie folgt aufgebaut sein (siehe Abbildung XII/219: Prinzip der Teamorganisation der Werbung). Für die Werbung bedeutet dies, dass sie nach dem Gruppenprinzip organisiert ist. Dabei arbeiten Mitarbeiter aus Kundenkontakt, Marketing / Marktforschung, Kreation Text / K reation Art, Media, Produktion sowie ggf. Spezialdisziplinen der Werbung crossfunktional zusammen. Dies gelingt aber häufig nur deshalb gut, weil es sich durchweg um junge, flexible und aufgabenzentrierte Personen handelt, für die Status nicht oder noch nicht wichtig ist. Teams „funktionieren“ nicht von selbst, sondern bedürfen eines Teambuilding, um zu „High Performance Teams“ (Tuckman) zu werden. Dabei sind folgende Phasen erforderlich: • Forming durch Ausprobieren und Orientierung des Einzelnen in der Gruppe als Kennenlernphase, • Storming zur Konfliktlösung in dem Maße wie unvermeidlich Differenzen zutage treten als Behauptungsphase,

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XII. Organisation der Marketingkommunikation

Abbildung XII/219: Prinzip der Teamorganisation der Werbung (Quelle: eig. Darst.)

• Norming als Akzeptanz und Findung des Zusammenhalts und eines Modus vivendi als Organisationsphase, • Performing durch Konzentration auf Sachfragen vor Personenfragen und Etablie­ rung von Rollenbeziehungen als Produktivitätsphase. Als Vorteile der Teamorganisation in Bezug auf die Marketingkommunikation werden folgende angesehen: • Bündelung der Expertise Vieler in einer cross-funktionalen Expertengruppe, • hohes Maß an Abwechslung und Wissenstransfer dient der Personalentwicklung, • individuelle Zusammenstellung des Teams nach unterschiedlichen Talenten, die zur Aufgabenbewältigung erforderlich sind, • gruppendynamische Effekte wirken positiv auf Prozess und Ergebnis, • konstruktive Arbeitsmöglichkeiten durch statusneutrale Aufstellung, • fehlende Hierarchie vermindert normalerweise auftretende Spannungen, • fachliche Eignung und menschliche Chemie sind für Kommunikationsaktivitäten kombinierbar. Nachteile der Teamorganisation sind folgende: • erhöhter Koordinationsaufwand durch Überzeugung im Team anstelle von Anweisung, • Konkurrenz der Aufgaben in Bezug auf die Kapazität jedes Teammitglieds,

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• schlecht planbare Arbeitsbilanz durch Belastungsspitzen und Leerzeiten wahrscheinlich, • Zurechnung von Leistungen / Verantwortlichkeiten auf einzelne Teammitglieder ist schwierig. 28.3.3.3 Gremienstruktur Gremien spielen vor allem in großen Unternehmen eine Rolle zur Komplexitäts­ bewältigung (siehe Abbildung XII/220: Prinzip der Gremienorganisation der Werbung). Inwieweit diese immer hilfreich sind, kommt auf den Einzelfall an. Gremien sind allgemein durch folgende Merkmale gekennzeichnet: • Personenmehrheit, idealerweise drei bis sieben Mitglieder, • zeitüberdauernde Beständigkeit als Standing Committee, • direkte Interaktion zwischen den Gremiumsmitgliedern, • gemeinsame Normen und Verhaltensstandards, • Wir-Gefühl ohne Cliquen und Untergruppen, • Rollendifferenzierung nach Aufgaben.

Abbildung XII/220: Prinzip der Gremienorganisation (Quelle: eig. Darst.)

Gremien können als Haupttätigkeit wie bei Lenkungskomitees, Arbeitsgruppen oder in Nebentätigkeit wie bei Ausschüssen, Taskforces angelegt sein. Ihrer Art nach unterscheidet man: • Informationsgremien zum Austausch von Daten und Fakten, • Beratungsgremien zur Entscheidungsvorbereitung durch Diskussion, • Entscheidungsgremien zur Auswahl unter ausgearbeiteten Vorlagen,

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• Ausführungsgremien zur erwarteten Umsetzung von Maßnahmen, • Kontrollgremien zur Überprüfung von Vorgehensweisen und Überwachung von Ergebnissen. Die Beschlussfassung in Gremien kann auf Basis verschiedener Abstimmungsprocederes erfolgen: • Primatkollegialität bedeutet, dass der Vorsitzende durch Mehr- / Zweitstimme bei Stimmengleichheit den Ausschlag gibt, • Abstimmungskollegialität bedeutet, dass Beschlüsse auf einfacher Mehrheitsbasis getroffen werden, • Kassationskollegialität bedeutet, dass im Vier-Augen-Prinzip, also mit Gegenzeichnung, gearbeitet wird, • Ressortkollegialität bedeutet, dass es getrennte Aufgaben- und Entscheidungsbereiche nach Zuständigkeit im Gremium gibt. Den Gegensatz dazu bildet das Direktorialprinzip mit letztendlichem Einzelentscheid des ranghöchsten Gremiumsmitglieds. Gremien können funktionsübergreifend horizontal zusammengesetzt sein und / oder aus verschiedenen Rang­ stufen vertikal. Sie können befristet oder unbefristet angelegt sein. Werbung ist für Gremienentscheide denkbar ungeeignet, sofern diese geschmacksbezogen beurteilt wird, denn Geschmäcker gehen interpersonell stark auseinander und man kann bekanntlich darüber nicht streiten. Besser sieht dies allenfalls aus, wenn, wie wünschenswert, ein Kriterienkatalog und ein geeignetes Messverfahren (z. B. Konstantsummenskala) zur Abstimmung zugrunde gelegt werden. Meist gilt der berühmte Spruch „A camel is a horse, designed by a committee“, d. h. am Anfang stand der Wunsch nach einem eleganten Rennpferd, am Ende sind alle schon froh, wenn daraus wenigstens ein zerzaustes Lasttier wird. Als Vorteile der Gremienorganisation in Bezug auf die Marketingkommunikation werden folgende angesehen: • Nutzung vorhandener Managementkapazitäten, die in Gremien zusammen­ gefasst werden, • mutmaßlich höhere Entscheidungsqualität durch geballte Kompetenz, • bessere Einbringung der Kenntnisse und Fertigkeiten aller Beteiligten, • Poolung von Spezialisten-Know-how für anspruchsvolle Aufgabenstellungen, • bessere Arbeitsergebnisse anstelle von zweifelhaftem Aktionismus, • Einhaltung formaler Procederes ist gewährleistet, so dass Entscheide revisionsfest sind, • bietet bei hohen zu verantwortenden Budgetsummen an.

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Nachteile der Gremienorganisation sind folgende: • Tendenz zu faulen Kompromissen zwischen Linie und Gremien, • zeitaufwändige und nervenaufreibende Konsensfindung bei Zweifeln über Zuständigkeiten, • missachtet die Problemlösungskompetenz der einzelnen Fachmitarbeiter im Vergleich zum Gremium, • kontraproduktive Gruppendefekte etwa hinsichtlich Risiken- und Chanceneinschätzung, • Profilierungssucht einzelner Personen und / oder Abteilungen im Gremium wirkt störend, • Einreden durch Personen ohne erkennbare kreative Kompetenz. 28.3.3.4 Center-Struktur Querschnittsfunktionen, die überwiegend marktfern sind, werden häufig in Zentralbereichen organisiert als Back Office wie IT, Controlling, Recht / Steuern oder Finanzen. Die marktnahen, operativen Funktionen werden hingegen in Divisions / Sparten organisiert. Dabei handelt es sich neben Werbung vor allem um Vertrieb, Ausgangslogistik oder Kundendienst. Ziele von Zentralbereichen sind die Nutzung von Synergieeffekten, die Sicherstellung der Rationalität der Unternehmensführung und die Zurverfügungstellung interner Services als Shared ­Services Center. Ein solcher Zentralbereich ist in der Praxis neben anderen oft die Werbung (auch Marketingservices) (siehe Abbildung XII/221: Prinzip der Center-Organisation). Problematisch ist allerdings, dass im Marketing oft alle anderen Parameter außer der Werbung unzugänglich sind. So wird die Produkt- / Programmpolitik international festgezurrt und häufig durch die Technik dominiert, die Preis- / Konditionenpolitik liegt häufig in der Obhut des Controlling oder der Vertriebssteuerung und die Distributionspolitik beim Vertrieb. Da toben sich viele Linienmanager gern in der Werbung als verbleibendem Spielfeld aus, zumal diese Arbeit wenigstens Spaß verspricht. Center bilden oft eine Overlay-Struktur mit Sekundärorganisation. Dies kann dabei erfolgen als: • Cost Center mit Verantwortung der Sparten für die Einhaltung vorgegebener Kostenbudgets, • Revenue Center mit Verantwortung der Sparten für die Umsatzergebnisse, • Profit Center mit Verantwortung der Sparten für das betriebswirtschaftliche Ergebnis, • Investment Center mit Verantwortung der Sparten für die interne Gewinnverwendung.

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XII. Organisation der Marketingkommunikation

Abbildung XII/221: Prinzip der Center-Organisation (Quelle: eig. Darst.)

Eine Entscheidung ist dahingehend zu fällen, ob diese Zentralbereiche von den Divisions in Anspruch genommen werden müssen oder können. Bei obligatorischer Inanspruchnahme kann zwar die zu vermutende überlegene Kompetenz der Zentralbereichsmitarbeiter genutzt werden, dafür besteht in den Divisions die Exkulpationsmöglichkeit für nicht zufriedenstellende Ergebnisse darin, dass man über Entscheidungen im Zweifel nicht selbst disponieren konnte, sondern von den Zentralbereichen abhängig war. Bei fakultativer Inanspruchnahme besteht die Gefahr, dass die Divisions Entscheidungen suboptimal selber fällen und teure Zentralbereichsmitarbeiter unterausgelastet bleiben, obgleich ihre Einschaltung mutmaßlich zu besseren Entscheiden geführt hätte. Dafür ist dann aber eine einwandfreie Ergebniszurechnung möglich. Hier ist eine klare Zuordnung zu schaffen. Als Vorteile der Zentralbereichsorganisation werden folgende angesehen: • Entlastung und Unterstützung der Leitungsinstanzen durch Arbeitsteilung nach Fachkompetenz, • gute Nutzbarkeit / Auslastung von kostenintensiven Fachspezialisten in Zentralbereichen möglich, • Querabstimmung im Unternehmen wird durch Aufgabenbündelung in Zentralbereichen verbessert, • die jeweils kompetentesten Mitarbeiter übernehmen anstehende Aufgaben, • potenziell bessere Entscheidungsqualität vor allem bei Spezialistenaufgaben, • gewinnorientierte Führung durch pretiale Lenkung als Center-Bildung wird möglich.

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Als Nachteile werden folgende angesehen: • hoher Bedarf an Spezialisten, damit hohe Overheads und Fixkostenlastigkeit, • Gefahr von Kompetenzkonflikten bei nicht eindeutiger Steuerung der Aufgabenteilung, • Ressortdenken überwiegt womöglich pragmatische, marktorientierte Lösungen, • Autonomieverlust der operativen Einheiten bei „wichtigen“ Entscheiden, • Exkulpationsmöglichkeit der Divisions bei obligatorischer Inanspruchnahme der Back Offices, • Gefahr ungenutzter, aber teurer Kapazitäten im Back Office bei nur fakultativer Inanspruchnahme.

29. Strukturschnittstelle Externe Werbeberatung An den Schnittstellen zur Externen Werbeberatung ergeben sich vielfach Übergänge, vor allem solche in Bezug auf Rechtsbeziehung (29.1), Werbeagenturvertrag (29.2), historische Entwicklung der Werbeagentur (29.3), Merkmale des Werbeagenturgeschäfts (29.4), Leistungsgrundsätze von Werbeagenturen (29.5), Vergütung der Werbeagentur (29.6), Auswahl einer Werbeagentur (29.7) und Optionen der Agenturanbindung (29.8). Diese Erwägungen werden im Folgenden beleuchtet.

29.1 Rechtsbeziehung Der Begriff der Werbeagentur ist nur sporadisch definiert. So etwa als „Erwerbs­ unternehmen …, die gegen Entgelt aufgrund ständiger Betrauung andere Unternehmen oder Institutionen (Werbungtreibende) in Fragen der Werbung und Absatzförderung beraten und für diese die einheitliche Planung, Gestaltung, Streuung und Kontrolle ihrer Werbung übernehmen“ (Behrens). Werbeagenturen sind als Dienstleistungsunternehmen in drei Richtungen tätig: • in Richtung der Werbungtreibenden als Auftraggeber im Zuge deren ausgelagerter Betriebsabteilung für alle Belange der Werbung, • in Richtung der Werbungdurchführenden als Medien im Zuge deren ausgelagerter Akquisitionsabteilung / Absatzhelfer für Anzeigen, Spots, Plakate etc., wofür sie ggf. Provision erhalten, • in Richtung der Werbemittelproduzierenden als ausgelagerte Akquisitionsabteilung für die Werbemittelerstellung, auch hier sind, teils versteckte Provisionen gegeben. Werbeagenturen sind ihrer Rechtsbeziehung nach als Absatzhelfer tätig. Sie begleiten den Vermarktungsprozess zwischen den Marktbeteiligten, sind aber nicht direkt in den Waren-, Geld- und Informationsstrom im Absatzkanal einbezogen, sondern parallel dazu selbstständig tätig. Sie nehmen dabei leistungsergänzende, akquisitorische und logistische Funktionen der Geschäftsbesorgung wahr. Dabei vergeben sie nach Abstimmung Unteraufträge. Sie sind aber auch als Treuhänder für ihnen anvertrautet Budget tätig sowie neuerdings verstärkt als Absatzmittler, also im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Im Folgenden werden die Rechtsbeziehungen näher erläutert. Agenturen sind als leistungsergänzende Absatzhelfer für Werbungtreibende tätig. Sie werden dabei auf Basis eines Werkvertrags aktiv. Dies ist ein privatrecht-

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licher Vertrag über den gegenseitigen Austausch von Leistungen, bei dem sich ein Teil, die Werbeagentur, verpflichtet, ein Werk, die Werbekampagne in Planung, Entwicklung, Durchführung und Kontrolle, gegen Zahlung einer Vergütung durch den Besteller, den Werbungtreibenden, herzustellen. Im Unterschied zum Dienstvertrag wird dabei nicht nur die bestmögliche Leistungsbemühung, sondern vielmehr der Erfolg einer Leistung geschuldet. Damit ist nicht der Werbeerfolg gemeint, sondern der Erfolg der Kampagnenkonzeption, -organisation und -realisierung. Ansonsten besteht kein Anspruch auf den Werklohn, das Agenturhonorar. Diese typische Auslegung der Werbeagenturtätigkeit wird jedoch praktisch durch einige weitere Auslegungen ergänzt, so dass keine spezifische Rechtsgrundlage für den Werbeagenturvertrag besteht, sondern die Geschäftstätigkeit aus der Kombination verschiedener Vertragsformen kombiniert ist. Vor allem ist das Handelsvertreterrecht nicht auf die Werbeagentur anwendbar, da diese nicht damit betraut ist, dem Auftraggeber für seinen Sach- oder Dienstleistungsabsatz einen Kundenstamm zu gewinnen bzw. zu erhalten. Vielmehr ist die Werbeagentur auf der Beschaffungsseite des Marktes tätig. Auch das Handelsmaklerrecht ist nicht einschlägig, da die Werbeagentur keine Vertragsabschlüsse für das vertretene Unternehmen besorgt und häufig regelmäßig und nicht nur fallweise für dieses aktiv wird. Gleiches gilt für das Kommissionärsrecht, da nicht in eigenem Namen und auf fremde Rechnung agiert wird. Weiterhin werden Agenturen als akquisitorische Absatzhelfer für Werbungdurchführende aktiv. Sie sind als selbstständige Gewerbetreibende (Vermittlungsvertreter im Einkauf)  ständig damit betraut, Geschäfte für ein anderes Unternehmen anzubahnen oder in dessen Namen abzuschließen. Grundlage ist ein Geschäftsbesorgungsvertrag durch selbstständige, jedoch weisungsunterworfene Tätigkeit wirtschaftlicher Art unter Wahrung der Vermögensinteressen des Auftraggebers als Sachwalter / Treuhänder. Sie können typischerweise ihre Tätigkeit frei gestalten, es gibt also keinen vorgegebenen Tagesarbeitsplan und ihre Arbeitszeit selbst bestimmen, insb. also keine Mindestarbeitszeit. Außerdem verfügen sie für gewöhnlich über eigene Geschäftsräume, eigene Betriebseinrichtungen und Buchführung sowie eigene Kostentragung. Absatzhelfer müssen bei ihrer Tätigkeit das Interesse des / der vertretenen Unternehmen(s) wahren und haben Anspruch auf Honorierung bzw. Provision / Commission. In diesem Kontext kommt der Handelsvertretervertrag der Werbeagenturtätigkeit am nächsten. In Bezug auf die Relation zu Werbungdurchführenden, also Verlagen, Sendern, Pächtern, ist die Agentur ähnlich einem Abschlussvertreter tätig, d. h., sie schließt Einschaltaufträge für das vertretene Unternehmen, den Werbungtreibenden, gegenüber Werbungdurchführenden ab und verpflichtet damit ihren Auftraggeber, für die eingegangene Verpflichtung einzustehen. Daher wird vertraglich eine explizite Auftragsfreigabe vereinbart. Im Unterschied zum Handelsvertreter schließt die Agentur entsprechende Verträge nicht in fremden Namen und auf fremde Rechnung, sondern vielmehr in fremden Namen, also unter Angabe ihres Auftraggebers,

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und auf eigene Rechnung, zur Wahrung ihres Provisionsanspruchs (15 % AE) seitens der Werbungdurchführenden. Streubudgets werden insofern von der Agentur im Treuhandverhältnis verwaltet. Sie darf nur Verpflichtungen eingehen, wenn die Treuhandgeberin darin eingewilligt hat und ihr stehen alle daraus resultierenden Vorteile zu, also Rabatte, Skonti, Sonderkonditionen etc. Der Mediaauftrag weist dabei ausdrücklich aus, dass die Buchung von Werbemitteln im Auftrag des werbungtreibenden Kunden erfolgt, also nicht im Eigengeschäft. Die Abrechnung erfolgt jedoch zwischen Werbungdurchführenden und Werbungsmittlern, also auf Rechnung der Werbeagentur. Daraus folgt auch ein Schuldverhältnis zwischen beiden, also Forderung auf Seiten der Werbungdurchführenden und Verbindlichkeit bei Werbungsmittlern. Das daraus resultierende Risiko wird durch Vorauszahlungen der Werbungtreibenden an ihre Werbungsmittler abgedeckt. Zugleich verpflichtet sich die Werbeagentur, mit dem bereitgestellten Budget nach Treu und Glauben so zu verfahren als wenn es sich um eigenes Geld handelte. Dies setzt ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Werbungtreibendem und Werbeagentur voraus. Als logistische Absatzhelfer werden Agenturen für Werbemittelproduzierende tätig. Dabei kann es sich um Unterauftragnehmer (Subkontraktoren) handeln, die sie in Abstimmung mit ihrem Auftraggeber nach Ausschreibung mit der Erstellung von Arbeiten beauftragt, welche die Werbeagentur selbst nicht erbringen kann. Dazu beschafft der Subkontraktor die erforderlichen Sachmittel, steuert die erforderlichen Arbeitsleistungen bei und rechnet beide gegenüber der Agentur ab. Zu denken ist hier an Druckaufträge, FFF-Produktionen, Fotoshootings. Marktforschungserhebungen etc. Im Zuge der Nachunternehmerhaftung kann sich die Agentur als Unterauftraggeber für die ordnungsgemäße Leistung des Subkontraktors verantwortlich zeichnen. Häufig ist in diesem Zusammenhang von „Regieverträgen“ die Rede, d. h., die Agentur agiert im eigenen Namen, aber auf (fremde) Rechnung ihres Auftraggebers. Dies entspricht im Grundsatz dem Kommissionsgeschäft, allerdings fehlt es an der Warenbasis, stattdessen sind Dienstleistungen gegeben, die ohne wesentliche Be- oder Verarbeitung durchgereicht werden. Eine weitere Form ist die Beauftragung von Freelancers, also Personen, die freiberuflich Leistungen erbringen, welche die Werbeagentur zwar erbringen kann, aber im spezifischen Fall nicht erbringen will, z. B. aus Kapazitätsgründen. Die Agentur wird hier im Eigengeschäft tätig, wobei die Bestimmungen des Werklieferungsvertrags hier nur begrenzt anwendbar sind, weil die Leistungen häufig immaterieller Art sind wie Dienstleistungen als Copywriter, Layouter, Promotion-Spezialist etc. und kein bereitzustellendes „Werk“ betreffen. Insofern ist auch hier die Rechtsbeziehung spezifisch. Kennzeichen ist im Allgemeinen, dass der Werbungtreibende Freelance-Leistungen nicht freigibt, nicht kennt und auch nicht bezahlt. Daraus entstehen nicht unerhebliche Probleme in Bezug auf Geheimhaltung, daher ist der Inhalt des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen einschlägig.

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Gegenüber Werbungdurchführenden kommt es jedoch vermehrt zu einem Abschluss im eigenen Namen und auf eigene Rechnung der Werbeagentur, also nicht als Absatzhelfer, sondern als Absatzmittler. Dabei kauft die Agentur, genauer Mediaeinkaufsagentur, Werbeplätze (modern: Inventar) zu möglichst günstigen Konditionen bei Verlagen / Sendern / Pächtern ein und verkauft diese als solche, gebündelt oder gestückelt an interessierte Werbungtreibende weiter. Die Agentur profitiert dabei von der Differenz zwischen ihrem Einkaufs- und Verkaufspreis, der Handelsspanne. Insofern handelt es sich dem Typ nach um klassische Kaufverträge. Dem Abnehmer bleiben die Einkaufskonditionen zwar verborgen, dies ist jedoch nachrangig, da sie ihm als Werbungtreibenden ohnehin nicht ohne Weiteres zugänglich wären.

29.2 Werbeagenturvertrag Der Werbeagenturvertrag regelt die Rechtsbeziehungen zwischen dem werbungtreibenden Unternehmen und der werbungsmittelnden Agentur. Wesentliche Inhalte von Werbeagenturverträgen sind dabei folgende (siehe Abbildung XII/222: Typische Inhalte eines Werbeagenturvertrags).

Abbildung XII/222: Typische Inhalte eines Werbeagenturvertrags

29.2.1 Inhalte Die Inhalte des Werbeagenturvertrags beziehen sich vor allem auf die Aufgabenstellung und Leistungen der Agentur, die Grundsätze für den Arbeitsablauf, den Zahlungsverkehr, die Vertragsdauer sowie Eingangs- und Schlussbestimmungen. Bei Aufgabenstellung und Leistungen der Agentur wird ein Rahmen abgesteckt für den Bereich, in dem die Agentur tätig werden soll und für den sie erklärt, dass sie dafür die sachliche und fachliche Kompetenz besitzt. Weiterhin für den Bereich, in dem die Agentur tätig werden darf und innerhalb dessen die Agentur zu

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einem Tätigwerden für ihren Kunden berechtigt und verpflichtet ist. Und für den Bereich, in dem die Agentur tätig werden kann und für den die Agentur als die einzige Beauftragte des Kunden anzusehen ist. Die Leistungen selbst bereiten oft Schwierigkeiten bei der Formulierung. Denkbar sind etwa folgende Inhalte: • Beschaffung von Informationen, Daten und Unterlagen für die Planung, die Gestaltung und den Einsatz von Werbemaßnahmen, in Abstimmung mit dem Auftraggeber auch durch eigene Erhebungen, Erfassung, Zusammenstellung und Aufbereitung aller zugänglichen primär- und sekundärstatistischen Daten, Beob­ achtung und Analyse der Konkurrenzwerbung, beratende, vorbereitende und überwachende Mitwirkung bei der Anlage und Auswertung von Forschungsaufträgen, Mitarbeit bei der Produktgestaltung und -ausstattung, Erarbeitung der Werbekonzeption in Übereinstimmung mit Marketingplan und Briefing, • Erarbeitung der Gestaltungskonzeption als Verbalisierung und Visualisierung der Werbekonzeption, Entwicklung von Ideenskizzen, Layouts, Entwürfen, Treatments und Storyboards der Werbemittel und Verkaufshilfen in Bild, Text und Ton, Koordination der Gestaltung auf allen Ebenen, Herstellung der Grund­ motive unter Berücksichtigung aller technischen Anforderungen der Weiterverarbeitung, Durchführung von Pre- und Post-Tests zur Wirkungskontrolle in Abstimmung mit dem Auftraggeber, • technische Beratung über Verfahren und Lieferanten im Bereich der Werbemittel­ herstellung, Lieferung der benötigten Art und Anzahl fachlich wie technisch einwandfreier Reproduktionsvorlagen nach genehmigten Entwürfen, Lieferung der Gestaltungskonzepte, Drehbücher und Textmanuskripte für die Film-, Funkund Fernsehproduktion nach genehmigten Entwürfen, Abwicklung der Produktionsaufgaben mit Angebotseinholung, Kostenvoranschlagserstellung, Produktionsauftragserteilung, Herstellungsüberwachung und eigenverantwortlicher Abnahme des Produktionsergebnisses und der Rechnungskontrolle, • objektive und neutrale Beratung in allen Fragen des Einsatzes von Werbemitteln, vor allem auch der Eignung von Werbeträgern, Erarbeitung der Mediakonzeption und -planung nach den jeweils vorliegenden neuesten Erkenntnissen der Mediaforschung und unter Berücksichtigung bewährter Optimierungs- und Selektionsprogramme, Durchführung der Werbemittelstreuung nach vom Auftraggeber genehmigten Plänen zu den jeweils günstigsten Bedingungen der Werbeträger wie Konzernrabatt, Konditionen, sonstige Nachlässe, Überwachung und Kontrolle der ordnungsgemäßen Durchführung der Werbemittelstreuung, Abrechnung der Streuung und Abwicklung des Zahlungsverkehrs mit Beleglieferung, • Vergütung der Agenturleistungen. Nach welchem System und in welcher Höhe die Leistungen der Agentur vergütet werden, ist ausschließlich Verhandlungs­ sache. In der Praxis gibt es vielfältige Kombinationen. Vor allem sind offene Rückvergütungen der Mittler-Provision legal, nicht hingegen „Geheimvergütungen“, die das treuhänderische Agieren der Agentur behindern.

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Zu den Grundsätze für den Arbeitsablauf gehören vor allem folgende Punkte: • Protokolle, die von der Agentur unverzüglich und fortlaufend von jeder Besprechung mit dem Auftraggeber angefertigt und verteilt werden. Der Inhalt dieser Protokolle gilt als verbindliche Arbeitsgrundlage, soweit er innerhalb einer Frist unwidersprochen bleibt. Die Protokolle dienen damit der Information aller Beteiligter und gelten als Ermächtigung für die Agentur, danach so zu verfahren wie dort niedergeschrieben. • Die externe Auftragserteilung durch die Agentur bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Auftraggebers sowie bei Herstellung und Einsatz von Werbe­ mitteln des vollständigen Genehmigungsumlaufs dort. Eine stillschweigende Zustimmung reicht nicht aus, da diese Aufträge eine direkte oder weiterberechnete Zahlungsverpflichtung nach sich ziehen. • Die Werbemittel-Herstellung bedarf zur Beauftragung der Einholung von norma­ lerweise drei Konkurrenzangeboten. Branchenübliche Mehr- oder Minderlieferungen werden entgegen etwaig bestehenden AGBs nicht akzeptiert. • Zur sorgfältigen und pfleglichen Verwahrung von Werbematerial im Eigentum des Auftraggebers ist die Agentur verpflichtet. Die Dauer der Verwahrung ist mit ihm anhand einer Inventurliste in regelmäßigen Zeitabständen abzustimmen. • Nebenpflichten, insb. Haftung, Geheimhaltung und Konkurrenzausschluss. Der Konkurrenzausschluss ergibt sich allein schon aus der Branchenüblichkeit. Zu seiner Aufhebung bedarf es der ausdrücklichen Einwilligung des Auftraggebers. Jedoch ist die Abgrenzung des Relevanten Marktes schwierig. Die Vertreter einer restriktiven Regelung finden sich vornehmlich auf Auftraggeberseite, die Vertreter einer eher flexiblen Regelung verständlicherweise auf Agenturseite. In jedem Fall soll eine Interessenkollision bei der Agentur vermieden werden. Die Geheimhaltungspflicht bezieht sich auf Geschäfts- und Betriebstatbestände, die nach dem bekundeten oder erkennbaren Willen des Auftraggebers geheim bleiben sollen und an deren Geheimhaltung er ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse hat. Auch diese Regelung ist branchenüblich. Sie verpflichtet die Agentur zu nötigen Vorkehrungen wie Übernahme dieser Verpflichtung in die Verträge der festen und freien Mitarbeiter, Sicherung der Schadensersatzansprüche auch gegen ehemalige Mitarbeiter. Oft ist eine „Abtretung“ der pflichtwidrig handelnden Mitarbeiter der Agentur an den Auftraggeber vorgesehen, damit dieser Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche selbst geltend machen kann. Eine Agentur, die diesen Namen verdient, verfügt immer über einen nach Art und Umfang in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb, fällt also immer auch unter die Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Kaufmanns. Vor allem muss man von ihr die spezifischen Fachkenntnisse der Wirtschaftswerbung verlangen. Für gewöhnlich ist die Agentur über Bestimmungen und Grundsätze in ihrem Metier besser informiert als der Kunde, haftet also auch für alle Arbeiten. Dies gilt nicht für Anregungen, Ideen und Vorschläge, auf denen der Auftraggeber besteht, wohl aber für solche, die von ihm nur als unverbindlicher Beitrag deklariert

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werden. Als Äquivalent verpflichtet sich der Auftraggeber, die Agentur bei allen Werbeaufgaben im definierten Markt als einzigen Berater einzuschalten. Dies gilt vor allem für Aufgaben, die Vergütungsbasis sind. Ausnahmen stellen allenfalls Gefälligkeitsdispositionen dar. • Rechteübergang, insb. urheberrechtliche Nutzungsrechte. Gewerbliche und urheberrechtliche Befugnisse, die sich aus der Arbeit der Agentur oder eines von ihr beauftragten Dritten im Rahmen der Zusammenarbeit ergeben, gehen üblicherweise räumlich, zeitlich und inhaltlich uneingeschränkt auf der Auftraggeber über. Abweichend davon sind die räumliche, zeitliche oder inhaltliche Beschränkung sowie deren Außerkraftsetzen gegen zusätzliche Honorierung ausdrücklich zu vereinbaren. Dies gilt auch für Leistungen von Dritten, die im Auftrag der Agentur gearbeitet haben. Auch ist die Anmeldung und Eintragung in einem Register für den Auftraggeber als Inhaber der Rechte zulässig. Das Eigentum an allen Werkstücken, Texten, Entwürfen, Fotografien, Vorlagen, Druckunterlagen, Kopien, Ausarbeitungen, Mustern oder Modellen, die von der Agentur oder einem von ihr beauftragten Dritten in Erfüllung des Vertrags hergestellt worden sind, geht mit dem Zeitpunkt der Genehmigung an den Auftraggeber über. Dieser wird dadurch Eigentümer und kann mit der Sache nach Belieben verfahren, etwa durch Herausgabe, Überlassung an Dritte, Schenkung, Vernichtung oder Aufbewahrung. Arbeiten, die nicht genehmigt werden, sind frei zum anderweitigen Einsatz für die Agentur, sofern damit Geheimhaltungspflichten nicht verletzt werden. Hinsichtlich des Zahlungsverkehrs können vereinbart werden: • Vorauszahlung zwischen Auftragserteilung und Rechnungsdatum. In diesem Fall stellt der Auftraggeber der Agentur Finanzmittel zur Verfügung, die diese bis zur Fälligkeit wie eigene behandeln kann, etwa für zinsbringende Anlage (wo möglich) oder Rechnungszahlung an Dritte. • Vorauszahlung auf Ziel bis vor Fälligkeit der Rechnung des Auftragnehmers. In diesem Fall ist sichergestellt, dass die Agentur über die liquiden Mittel zur Zahlung verfügt, ohne vorfinanzieren zu müssen. • Nachzahlung auf Ziel bei oder nach Fälligkeit der Rechnung des Auftragnehmers. Hier leistet die Agentur vor und läuft vor allem hinsichtlich der Zahlungsfähigkeit des Auftraggebers Gefahr. • Bei Vorauszahlungen wird dem Auftraggeber der Skontonachlass, den die Agentur im Einzelfall tatsächlich erzielt, eingeräumt. Alternativ kann ein pauschaler Skontosatz vereinbart werden. Wichtig ist, dass der Werbungdurchführende sich für die Gegenleistung seiner Leistung nur an die Agentur als Vertragspartner wenden wird und kann. Rechtsbeziehungen zwischen dem Werbungdurchführenden und dem Werbungtreibenden als Auftraggeber der Agentur, die diesen zur Zahlung verpflichten könnten, bestehen nicht. Ist die Gegenleistung für seine Leistung an die Agentur durch diese nicht erfolgt, entstehen Ansprüche nur bei Kreditsicherungsmitteln, die selten vereinbart werden.

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Der Agenturvertrag kann auf unbestimmte Vertragsdauer, auf eine bestimmte Mindestzeit hin oder von vornherein befristet abgeschlossen werden, oder in jeder Kombination daraus etwa bei Befristung mit automatischer Verlängerung oder Befristung mit Verlängerungsoption. Üblich ist eine Vertragsverlängerung um jeweils ein Jahr mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten. Die Kündigung soll schriftlich erfolgen, evtl. durch Einschreiben, und zwar eingehend bis zum letzten Tag der Frist beim Vertragspartner. Ergänzend kommen Eingangs- und Schlussbestimmungen hinzu. Hier sollen die Vertragspartner mit ihrem vollen Namen bezeichnet werden, also in der Form, mit der sie im Handels- / Vereinsregister eingetragen sind. Die Angabe der Adresse ist nicht erforderlich, da sie sich leicht ändern kann und für die Identität der Firma ohne Belang ist. Die Angabe der bevollmächtigten Vertreter hingegen ist zweckmäßig, weil dadurch die Vertretungsbefugnis dokumentiert und Streitigkeiten vorgebeugt wird. Änderungen und Ergänzungen des Vertrags sind zweckmäßigerweise in Schriftform gehalten. Als Erfüllungsort und Gerichtsstand wird meist der Firmensitz des Auftraggebers vereinbart. International ist damit gleichzeitig entschieden, welches Landesrecht zur Anwendung kommt. Die salvatorische Klausel verhindert, dass der ganze Vertrag ungültig ist, weil nur Teile von ihm ungültig sind. Außerdem wird meist eine Schiedsklausel zur endgültigen außergerichtlichen Entscheidung vorgesehen. Der Vertrag tritt vereinbarungsgemäß in Kraft mit Ort, Datum und Unterschrift der Vertragspartner.

29.2.2 Einzelregelungen Als allgemeine Musterinhalte eines Werbeagenturvertrags kommen aus Sicht der Werbeagentur etwa folgende Formulierungen in Betracht (nach GWA). Aus Sicht des Werbungtreibenden sind naturgemäß andere Regelungen erstrebenswert, aber so ergibt sich schon einmal eine Sicht auf neuralgische Punkte: • Auftrag: Der Auftraggeber beauftragt die Agentur mit der umfassenden werblichen Betreuung von XYZ im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Die Agentur nimmt diesen Auftrag an und sichert engste Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber zu. • Zusammenarbeit: Die Agentur wird die Interessen des Auftraggebers nach besten Kräften wahrnehmen. Der Auftraggeber seinerseits wird im Sinne einer vertrauensvollen Zusammenarbeit alle benötigten Markt-, Produktions- und Verkaufszahlen und sonstige für die Leistung der Agentur wesentliche Daten zur streng vertraulichen Behandlung zur Verfügung stellen. • Briefing: Basis der Tätigkeit der Werbeagentur bildet das Briefing des Auftraggebers. Wird dieses ausnahmsweise mündlich erteilt, folgt ein Briefingprotokoll (Call Report) als verbindliche Arbeitsunterlage.

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• Kostenvoranschlag: Vor Beginn jeder kostenverursachenden Arbeit hat die Werbeagentur dem Auftraggeber einen schriftlichen KVA zu unterbreiten. Aufträge in eigenem Namen / für eigene Rechnung werden von der Agentur nur nach Genehmigung durch ihren Auftraggeber erteilt. • Auftragserteilung: Der Auftrag wird durch Genehmigung des KVA erteilt. Dies erfolgt i. d. R. schriftlich, falls mündlich, wird ein entsprechender Call Report erstellt. Kleine Einzelaufträge bis xxx € sowie Aufträge im Rahmen laufender Arbeiten bedürfen keiner vorherigen Erlaubnis zur Ausführung. Aufträge werden i. d. R. im Namen und auf Rechnung des Auftraggebers erteilt. Die Werbeagentur überwacht die Ausführung und das Ergebnis. • Werbevorbereitung: Analyse der Marktposition und der Konkurrenzsituation der zu betreuenden Produkte, Untersuchung der Verbraucherstruktur und der Konsumgewohnheiten auf Grundlage vorhandener Studien oder sonstiger, allgemein zugänglicher Sekundärmaterialien, Erarbeitung von Vorschlägen für ergänzende Markt-, Produkt- und Verbraucheruntersuchungen und Empfehlungen geeigneter Marktforschungsinstitute für deren Durchführung. • Werbeberatung: Formulierung der Werbeziele auf der Grundlage der mit dem Auftraggeber abgestimmten Marketingziele, Entwicklung der Kommunikationsstrategien und Werbekonzeptionen, Auswertung der Werbemittel- und Werbeträgerforschung zur Optimierung des Werbeeinsatzes. • Werbegestaltung: Gestaltung von Werbetexten für alle Formen Klassischer und Nicht-klassischer Werbung wie Anzeigen, TV- und Kino-Filme, Hörfunk und Fernsehen, Gestaltung von Entwürfen in Scribbleform für Anzeigen und Plakate sowie Storyboards und Drehbücher für Film-, Funk- und Fernsehwerbung. • Werbeplanung und -einschaltung: Erstellung der Mediastrategie und Ausarbeitung von Einschaltplänen für den Einsatz in tariflich gebundenen und sonstigen Werbeträgern inkl. entsprechender Kostenvoranschläge, Vergabe der Einschaltaufträge zu den für den Auftraggeber günstigsten Bedingungen entsprechend den Tarif- und Geschäftsbedingungen der Medien, Abschluss der Einschaltverträge, wobei Weisungen an und Verkehr mit den Werbeträgern nur über die Agentur abgewickelt werden, termingerechte Auslieferung der einschaltfähigen Vorlagen und Werbemittel an die Werbungdurchführenden, Überwachung und Kontrolle der Auftragsabwicklung, finanztechnische Abwicklung der Aufträge mit den Werbungdurchführenden in eigenem Namen und für eigene Rechnung der Agentur auf der Grundlage der vom Auftraggeber genehmigten Mediapläne. Allerdings gibt es hier zunehmend Direktkontakte. • Werbemittelherstellung: Ermittlung der kostengünstigsten Methoden unter Berücksichtigung qualitativer Aspekte für die Herstellung der Werbemittel, Auswahl der erforderlichen Spezialisten bzw. Lieferanten wie Druckereien, Filmproduzenten, Tonstudios, Sprecher oder Modelle, Einholen von Lieferantenangeboten, deren Auswahl und Überwachung, Auftragserteilung nach Geneh-

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migung durch den Auftraggeber, Überwachung der sach- und termingerechten Ausführung bzw. der Regie und Herstellung bei den Dreh- und Aufnahmearbeiten im FFF-Sektor inkl. der Rechnungs- und Zahlungsabwicklung sowie Kontrolle, Klärung der Künstlersozialversicherungspflicht und Überwachung ausländischer Lieferanten und zollrechtlicher Fragen. Abgaben, die nachträglich entstehen, werden vom Auftraggeber übernommen. • Sonstige Leistungen der Agentur: Auf besonderen Wunsch des Auftraggebers kann die Agentur neben den genannten Leistungen die folgenden Aufgaben gegen ein gesondert zu vereinbarendes Honorar übernehmen: – Research: Durchführung aller Marktforschungsmaßnahmen wie Copytests, Pre- und Posttests, Recall-Erhebungen, – Corporate Design: Entwicklung von Markensignets, Firmenzeichen und Geschäftsausstattungen, – Digitale Medien: Konzeption, Entwicklung, Gestaltung, Produktion und Projektmanagement für Werbemaßnahmen in digitalen Medien, insb. Internet / Intranet, Interaktive Medien, – Spezialtexte: Erarbeitung von Fachtexten und Fremdsprachentexten, – internationale Koordination von Werbemaßnahmen und Koordination mit ausländischen Werbeagenturen, Übernahme einer Lead agency-Funktion, – Dialogwerbung: Gestaltung von Texten und Layouts für Prospekte, Werbebriefe oder Gebrauchsanleitungen sowie Vorschläge für Werbeaktionen und Musterverteilungen, – Ausstellungen / Events: Konzeption, Entwicklung, Umsetzung, Koordination und Überwachung, – Sales promotions: Beratungs-, Planungs- und Durchführungsarbeiten im Bereich der Verkaufsförderung, Außendiensttagungen, Fachveranstaltungen, Symposien oder Messen sowie die Gestaltung von Display-Material, Prospekten und sonstigen Verkaufshilfen, – Public Relations: Planung, Kontrolle und Durchführung von PR-Aktionen, – Produktentwicklung: Beratung und Mitwirkung bei der Entwicklung neuer oder verbesserter Produkte, Entwicklung von Marken, Namen und Kennzeichen, Ausstattungen und Packungsgestaltung, – laufende Wettbewerbsbeobachtung: Storechecks, Interpretation von Handelsund Verbraucher-Paneldaten sowie Werbeaufwandserhebungen entsprechender Institute, – Sponsoring: Entwicklung und Umsetzung von Sponsoring-Konzepten, – Sonstiges: Beschaffung rechtlicher Absicherung durch rechts- und / oder wirtschaftswissenschaftliche Fachgutachten oder Produktion von audiovisuellem

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und sonstigem Material wie Filme, Video, Aufbau und Verwaltung von Database-Management. • Angaben zum Werbebudget: Der Auftraggeber wird der Agentur für das Geschäftsjahr die geplanten Maßnahmen und das zur Verfügung stehende Budget mitteilen. • Auftragserteilung über die Agentur: Der Auftraggeber leitet Aufträge für die Einschaltung in tarifgebundenen und nicht tarifgebundenen Medien für das betreute Werbeobjekt ausschließlich über die Agentur. Er überträgt der Agentur außerdem die Herstellung der für die Durchführung der Werbemaßnahmen notwendigen Unterlagen. • Besprechungsprotokoll: Besprechungsprotokolle gelten als kaufmännische Bestätigungsschreiben, sie werden inhaltlich verbindlich, sofern der Auftraggeber nicht binnen drei Werktagen widerspricht. Dazu übergibt die Agentur innerhalb von y Arbeitstagen Kontaktberichte (Call Reports). • Vertraulichkeit: Die Werbeagentur behandelt alle Informationen und Unterlagen, die sie im Rahmen der Zusammenarbeit gewahr wird und die nicht zur Weiterleitung an Dritte bestimmt sind, über die Dauer der Vertragslaufzeit hinaus streng vertraulich. Sie verpflichtet ihre Mitarbeiter zu ebensolcher Vertraulichkeit. • Genehmigungen: Der Auftraggeber verpflichtet sich, Genehmigungen rechtzeitig zu erteilen, damit der Arbeitsablauf der Agentur nicht beeinträchtigt wird und die Agentur in der Lage ist, die Folgearbeiten ohne Mehrkosten und Qualitätsrisiko zu erbringen. • Agenturprovision: Die Basis der Agenturvergütung bildet ein Entgelt von X % des Werbeetats des Auftraggebers. Für die mediengebundenen Leistungen der Agentur berechnet sie ein Honorar von X % (+ MwSt.) auf das Kundennetto der über tarifgebundene Werbeträger abgewickelten Media-Umsätze. Das Kundennetto ist dabei der Rechnungsbetrag der Werbeträgerunternehmen vor MwSt nach Rabatt, jedoch ohne Skonto. Für alle medienfreien Leistungen berechnet die Agentur ein Honorar von X % auf die Rechnungen Dritter (Service Fee). • Honorar für sonstige Leistungen: Für alle sonstigen Leistungen wird das Honorar von Fall zu Fall im Voraus zwischen Auftraggeber und Agentur vereinbart. Falls im Voraus keine Vereinbarung getroffen ist, gelten die aktuellen Vergütungssätze der Agentur. Rechnungen Dritter (Fremdkosten) im Rahmen dieser sonstigen Leistungen werden mit einem Honorar von X % auf den Nettopreis an den Auftraggeber weiterberechnet. • Änderungen oder Abbruch der Arbeiten: Wenn der Auftraggeber Aufträge, Arbeiten, umfangreiche Planungen o. Ä. außerhalb der laufenden Betreuung ändert und / oder abbricht, wird er der Agentur alle angefallenen Kosten ersetzen, inkl. anfallender Provisionen, Honorare und angefallener Zeitkosten und sie von allen Verbindlichkeiten gegenüber Dritten freistellen.

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• Werbung im Ausland: Falls die von der Agentur entwickelte und gestaltete Werbung im Ausland geschaltet wird, erhält die Agentur ein Honorar von X % für Schaltung und Abrechnung auf das Kundennetto. • Sonstige Kosten: Barauslagen und besondere Kosten, die der Agentur auf ausdrücklichen Wunsch des Auftraggebers entstehen, werden zum Selbstkostenpreis berechnet. Hierzu zählen u. a. außergewöhnliche Kommunikations-, Versandund Vervielfältigungskosten. GEMA-Gebühren und sonstige nutzungsrechtliche Abgeltungen, Künstlersozialversicherungsabgaben und Zollkosten werden dem Auftraggeber netto in Rechnung gestellt. Nachträglich anfallende Kosten werden ebenfalls in Rechnung gestellt. • Reisekosten: Kosten für Reisen zum Firmensitz des Auftraggebers im Rahmen der normalen Betreuung werden nicht berechnet. Alle sonstigen Reisen, etwa zur Überwachung von Film-, Funk- und Fernseharbeiten, Drucküberwachung und Druckabnahmen oder Reisen im besonderen Auftrag des Auftraggebers werden diesem berechnet. • Mehrwertsteuer: Sämtliche Leistungen der Werbeagentur verstehen sich zuzüglich der gesetzlich gültigen Mehrwertsteuer. Bei Rechnungen an Leistungsempfänger außerhalb Deutschlands wird keine Umsatzsteuer berechnet. Die Rechnungen tragen die VAT-Nummer des Leistungsempfängers. • Zahlungsweise und Skonti: Die von der Agentur dem Auftraggeber ausgestellten Rechnungen sind nach Erhalt ohne Abzüge fällig. Bei Vorauszahlung werden dem Auftraggeber alle erreichbaren Skontoabzüge vergütet. Es gilt folgende Rechnungsstellung: Für Werbeeinschaltungen fordert die Agentur zu den auf den Mediarechnungen angegebenen Zahlungsterminen Zahlungen so rechtzeitig und vollständig an, dass alle erreichbaren Vorauszahlungsskonti weitergegeben werden können. Im Bereich der Werbemittelherstellung erstellt die Agentur nach Abschluss eines Auftrags die Abrechnung. Bei größeren Aufträgen oder solchen, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, ist die Agentur berechtigt, Zwischenabrechnungen bzw. Vorausrechnungen zu erstellen und à contoZahlungen abzurufen. Skonti auf Agenturvergütungen werden nicht gewährt. • Haftung: Die Werbeagentur haftet ihrem Auftragsgeber für die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns. Die Haftung für leichte Fahrlässigkeit wird ausgeschlossen, außer es werden wesentliche Vertragspflichten verletzt. Die Haftung beschränkt sich auf den Ausgleich eines vorhersehbaren und vertragstypischen Schadens. Eine Haftung ist ausgeschlossen, sofern die Werbeagentur ihren Auftraggeber auf rechtliche Bedenken hinsichtlich einer Werbemaßnahme hingewiesen hat, dieser aber dennoch auf deren Realisierung besteht. Zur Prüfung rechtlicher Risiken kann eine besonders sachkundige Person / Institution herangezogen werden, für die der Auftraggeber nach Abstimmung die Kosten trägt. Der Auftraggeber stellt die Werbeagentur von Ansprüchen Dritter auf erstes Anfordern frei. Schadensersatzansprüche verjähren binnen einem Jahr.

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• Aufbewahrung: Die Werbeagentur bewahrt alle Berichte, Werbeunterlagen, Filme, Illustrationen etc. für ein Jahr / zwei Jahre auf, danach werden diese dem Auftraggeber auf dessen Wunsch hin ausgehändigt oder andernfalls vernichtet. Die Aufbewahrung ist kostenlos, die Aushändigung kostenpflichtig. Alle Daten werden mit Vertragsende an den Auftraggeber in geeigneter, weiterverarbeitbarer Form herausgegeben. • Nutzungsübertragung: Alle Nutzungsrechte zur werblichen Verwendung und alle bezahlten Arbeitsergebnisse gehen exklusiv an den Auftraggeber für das Vertragsgebiet und den Vertragszweck zeitlich und inhaltlich unbeschränkt über. Nutzungsrechte an Arbeiten Dritter, wie Fotografen, Illustratoren, Komponisten, Darsteller, Sprecher, Models etc. gehen ebenfalls über. Sofern Beschränkungen vorliegen, wird der Auftraggeber darüber informiert, auf Weisung verhandelt die Werbeagentur über eine Abgeltungsgebühr. Weitergaben der Nutzungsrechte durch den Auftraggeber an Dritte und nicht-verbundene Unternehmen bedürfen der Zustimmung der Werbeagentur. Die Nutzungsrechte der Arbeitsergebnisse der Werbeagentur sind durch die Agenturvergütung abgegolten. Nutzungsrechte über das Vertragsgebiet und den Vertragszeitraum hinaus sind gesondert zu vergüten, auch bei abgeänderter, erweiterter oder umgestellter Form oder beim Einsatz in anderen Werbeträgern. Das Lizenzhonorar beträgt dann z % des Agenturhonorars. • Eigenwerbung: Die Werbeagentur darf Arbeitsergebnisse ganz oder ausschnittsweise zum Zweck der Eigenwerbung, auch nach Vertragsbeendigung, nutzen und mit ihrer Urhebernennung versehen. • Vertragsdauer: Der Vertrag wird auf unbestimmte Zeit geschlossen und ist mit einer Frist von xxx Monaten / zum Quartalsende beidseitig schriftlich kündbar. Verpflichtungen, welche die Werbeagentur über das Vertragsende hinaus eingegangen ist, laufen entsprechend gegen Vergütung weiter oder werden vom Auftraggeber gegen Abschlag übernommen (z. B. Reservierungen bei tarifgebundenen Werbeträgern). • Konkurrenzausschluss: Die Werbeagentur verpflichtet sich, während der Vertragsdauer im Vertragsgebiet keine Aufgaben, die Gegenstand des Vertrags sind, für direkte Wettbewerber des Auftraggebers für identische oder vergleichbare Produkte zu übernehmen. Der Auftraggeber verpflichtet sich im Gegenzug, für die Vertragsprodukte keine andere Werbeagentur im Vertragsgebiet während der Vertragslaufzeit zu beauftragen. Zum Vertragsende ist eine zeitliche Überlappung von zwei Monaten zulässig. • Sonstiges / AGB: Vertragsänderungen/-ergänzungen bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Es gilt die Salvatorische Klausel. Bei Vertragsstreitigkeiten wird unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs ein Schiedsgericht beauftragt, dessen Zusammensetzung und Verfahren sich aus der Schiedsordnung ergibt. Es findet deutsches Recht Anwendung. Gerichtsstand ist der Sitz des

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Auftraggebers, alternativ der Werbeagentur. Solle eine Vertragsbestimmung unwirksam sein oder werden, bleibt die Gültigkeit des Vertrags im Übrigen unberührt. Anstelle der unwirksamen Bestimmung soll eine Regelung treten, die im Rahmen des rechtlich Möglichen dem Willen der Parteien am nächsten kommt.

29.3 Historische Entwicklung der Werbeagentur Das Geschäftsmodell der Werbeagentur hat sich binnen vergleichsweise kurzer Zeit gravierend verändert. Die wesentlichen Schritte dieses Wegs werden im Folgenden skizziert (siehe Abbildung XII/223: Entwicklung des WerbeagenturGeschäftsmodells).

Abbildung XII/223: Entwicklung des Werbeagentur-Geschäftsmodells

Nach der industriellen Revolution stieg das Niveau der Wirtschaftstätigkeit in Westeuropa steil an. Stark erhöhte Produktionskapazitäten ließen die rentable Fertigung eines erweiterten Angebots zu. Gleichzeitig expandierte das Beschäftigungsniveau. Die vermehrten Einkommenszahlungen wurden in kaufkräftige Nachfrage umgesetzt. Große Absatzmärkte entstanden. Voraussetzung für diese Multiplikationseffekte war die Bekanntheit des entsprechenden Angebots. Voraussetzung dafür wiederum war der Einsatz werblicher Maßnahmen. Zunächst vollzog sich diese „Reklame“ noch auf lokaler Ebene in wenigen Medien wie Affichen und Reklameschilder. Die Kontaktpersonen der Medien waren bekannt und die Abwicklung der Werbeeinschaltung erfolgte problemlos. Im Rahmen des Wachstumspfads schritt die Produktion fort. Zu deren Absatz mussten räumlich weiter entfernte Gebiete erschlossen werden. Dazu war die Bekanntmachung des eigenen Angebots erforderlich. Nur, dass das vorgegebene Werbeumfeld weitaus weniger vertraut war. Die Medien und deren Bedingungen waren daher risikobehaftet. Zur gleichen Zeit veränderte sich der Zeitungsmarkt von einem elitären Zirkel für Intellektuelle zu einem Massenmarkt. Die Anzahl der Titel stieg sprunghaft, Auflagenzahlen und Verbreitungsgebiete änderten sich rasch. „Neue“ Medien kamen hinzu, Plakatflächen, Lichtspielhäuser, später Illustrierte. Die Medienlandschaft wurde dadurch immer unübersichtlicher.

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Parallel dazu intensivierten sich die Konkurrenzbeziehungen der Anbieter, deren Distribution sich nunmehr in den Stammgebieten überlappte. Dies galt auch für die Verlagshäuser, die in eine verstärkte Konkurrenzsituation gerieten. Immer mehr Blätter wurden gegründet, die lokale Monopole in Frage stellten. Damit stiegen die Anforderungen an redaktionelle Inhalte und Aufmachung als wesentliche Wettbewerbsparameter. Dies erforderte hohe Aufwendungen, die nur zum Teil über steigende Auflagenzahlen bei allerdings fallenden „Copy“-Preisen finanziert werden konnten. Die Unterdeckung musste durch Annoncen ausgeglichen werden. Insofern waren die Verlage auf die Einschaltung von Anzeigen als duale Finanzierung mindestens ebenso angewiesen wie die Hersteller. Nun traf die Akquisition von Werbevolumen leider nicht unbedingt das Interesse der Redakteure. Diese sahen sich vielmehr ihrem Informationsauftrag verpflichtet. So kamen Vermittler auf, die den Verlagen anboten, in ihrem Namen und Auftrag Reklame zu akquirieren und dafür einen Anteil an deren Werbeeinnahmen verlangten. Einnahmen, die sich aus den Listenpreisen ergaben, welche die Verlage für Insertionen vorsahen. Diese Mittlerprovision wurde auf 15 % der Insertionskosten lt. Tarif fixiert und gleich in den Listenpreis fest eingerechnet. Die Vermittler nannten sich Annoncen-Expediteure, die meist für Tageszeitungen Anzeigenaufträge warben und die Druckvorlagen, damals noch Klischees oder Lithos, beim Werbungtreibenden abholten und dem Verlagshaus übergaben, also expedierten. Die Provision wurde danach AEProvision (für Annoncen-Expedition) genannt. Die Mittler boten sich Werbungtreibenden als Kenner der regionalen Tageszeitungsszene an und versorgten diese mit Informationen über Markt- und Mediengegebenheiten. Damit empfahlen sie sich als Berater in Sachen Werbemitteleinsatz, zumal für die Auftraggeber kostenlos, da sie ihre Provision ja aus den Tarifpreisen erhielten. Den Verlagen dienten die Annoncen-Expediteure somit als Akquisiteure für das ungeliebte, wirtschaftlich aber unverzichtbare Werbevolumen, das anderweitig nur mit hohem Aufwand zugänglich gewesen wäre. Und für die Werbungtreibenden waren sie Ansprechpartner zur Orientierung in der immer schnelllebigeren Medienlandschaft. Schließlich boten die Vermittler auch die Betreuung der Abwicklung der Werbung an, also das Handling der Anzeigenaufträge von der Auftragsannahme, Platzierung, Rechnungserstellung bis hin zu Belegkontrolle und Delkredere. Da sich der Wettbewerb unter den Annoncen-Expeditionen verschärfte, musste Geschäftsausweitung gesucht werden. Diese ergab sich durch die Mediaplanung. Werbungtreibende wurden also dahingehend beraten, welche von mehreren Titeln aufgrund der vorgegebenen Zielsetzung als optimal zweckgeeignet anzusehen waren, bis hin zur zeitlichen und räumlichen Erstreckung der Werbemaßnahmen. Dazu mussten sich die Vermittler aber von ihrer Bindung an Verlagshäuser lösen, denn anders war eine neutrale und seriöse Beratung nicht möglich. Die Werbungsmittler wurden also autonom und nahmen fortan eine Maklerfunktion zwischen Herstellern und Verlagen ein, später mit Ausweitung auf andere Mediagattungen. In ihrer Beratungsfunktion waren die Vermittler nun nicht mehr nur Auftragsempfänger, sondern konnten Werbevolumen beeinflussen und lenken. Danach lag es nahe,

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dass neben der Frage der Media-Vermittlung auch die der Werbemittelgestaltung auftauchen musste. So wurden Gebrauchsgrafiker und Texter in Ateliers beschäftigt, welche die kreative Gestaltung übernahmen. Die Vermittler nannten sich nun zutreffend Reklamebüros. Dieser anfängliche Zusatzumsatz wurde später zum Basisgeschäft. Denn den Werbungtreibenden, die eher in Produktion, Finanzierung und Beschaffung zu Hause waren, war der kreative Bereich eigentlich immer schon suspekt. Sie bedienten sich zwar freier Mitarbeiter im Reklamebereich, der für sie jedoch immer exotisch blieb. Nun, da die Bedeutung der Werbung wuchs, begrüßten sie das Angebot kompetenter Beratung. Dies zog weitere Services nach sich. Denn wer anders sollte die vorgeschlagenen Werbemittel realisieren als die Reklamebüros. Und zwar von der Auftragserteilung bis zur Vorlagenerstellung. Damit entwickelten sich Spezialistenberufe wie Reinzeichner, Produktioner oder Skizzeure / modern: Layouter. Dieser Aufgabenumfang konnte nur noch arbeitsteilig organisiert werden. Das erforderte wiederum einen zentralen Ansprechpartner für den Auftraggeber, den Kontakter. Dieser kannte zwangsläufig bald die Kundenprobleme und -ziele besser als jeder andere im „Team“, so dass ihm binnen kurzer Zeit zentrale Bedeutung zukam. Zugleich entwickelten sich aus sporadischen Einzelaktionen kontinuierliche, schlagkräftige Kampagnen, denn die Verhältnisse waren vom Verkäufer- zum Käufermarkt umgeschlagen. Der Arbeitsumfang und das geforderte Qualitätsniveau verlangten seitens der Reklamebüros nach guter „fester“ Manpower. Dies bedeutete aber eine erhebliche Fixkostenbelastung, der variable und damit ungewisse Erlöse gegenüber standen. Denn die Beauftragung der Werbungtreibenden bezog sich immer nur auf einzelne Werbemaßnahmen. Diese Situation gefährdete den Bestand. So lag es nahe, dass Mittler den Auftraggebern das Angebot machten, sie auf vertraglich fixierter Grundlage permanent zu beraten. Und zwar im Full Service, also von der Auftragsentgegennahme („Briefing“) bis zur Durchführung und Kontrolle der Maßnahmen. Im Gegenzug mussten sie dafür den Werbungtreibenden einen Anreiz bieten. Sie entschlossen sich, Konkurrenzausschluss zu gewähren. Das machte für beide Seiten Sinn. Werbungtreibende konnten sich auf diese Weise qualifizierter Berater dauerhaft versichern und diese auf elegante Weise für Wettbewerber sperren. Die Berater, zwischenzeitlich Werbeagenturen zu nennen, erhielten ein kalkulierbares Arbeitsfundament. Die Idee kam aus den USA und ist in Deutschland untrennbar mit dem Namen Hubert Strauf verbunden. Damit waren die ersten Full Service-Werbeagenturen entstanden, die nicht mehr nur Mediaberatung boten, sondern auch Marketing-, Kreations- und Produktionsberatung. Deutschland war zwischenzeitlich zu einem der wichtigsten Konsumgütermärkte geworden. Ausländische, vor allem amerikanische, Unternehmen begannen mit massivem Export, später mit Direktinvestitionen. Da lag es für die ausländischen Anbieter nahe, ihre „vertraute“ Agentur aus der Heimat mitzubringen, die Produkte und Managementmethoden kannte. Und sei es, mit sanftem Druck. So kamen nach dem Weltkrieg II die großen US-Agenturen nach Deutschland. Sie arbeiteten mit überlegenem Marketing-Know-how und entwickelten sich so sehr

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erfolgreich. Da sich diese Entwicklung nicht nur hierzulande vollzog, sondern auch andernorts, wuchsen bald große internationale Agenturkonzerne heran. Die Networks waren geboren. Da sich auch die Industrieunternehmen internationalisier­ ten und einem heftigen Konzentrationstrend unterlagen, entstanden diversifizierte Konzerne mit vielfältigen Konkurrenzbeziehungen zueinander. Diese Konzerne übertrugen Networks die internationale Betreuung ihrer Produkte. Es kam zur Alignment Policy. Und schon machte sich der Nachteil der Konkurrenzausschlussklausel bemerkbar. Denn diese wurde zur Wachstumsbremse für ansonsten aggressiv akquirierende, global agierende Agenturketten. Diese versuchten dieser Fessel durch die Konstruktion von Holdings zu entgehen, unter deren Dach mehrere Networks operativ unabhängig voneinander, nebeneinander tätig wurden. Mit dem Ziel, unterschiedliche Werbungtreibende aus einer Branche konfliktfrei parallel betreuen zu können. Japanische Agenturholdings sind hier Vorreiter, aber auch amerikanische wie IPG und Omnicom oder britische wie Saatchi & Saatchi oder WPP. Glaubwürdigkeitsprobleme auf Seiten der Auftraggeber konnten dadurch aber nicht ganz behoben werden. Danach fusionierten dann Networks miteinander und bildeten noch größere Networks. Jedes dieser Networks kaufte auf nationaler Ebene wiederum erfolgversprechende Agenturen auf. Dies hatte eine Veränderung der Agenturlandschaft mit einer klaren Zweiteilung zur Folge. Auf der einen Seite die Networks und ihre nationalen Ableger, die vorwiegend internationale Großkunden betreuten, und auf der anderen mittelständische, inhabergeführte, deutsche Agenturen, denen Teilaufgaben bei Großkunden, vor allem aber kleinere bodenständige Klientel blieben. Danach erfolgte die nächste große Veränderung dadurch, dass erkannt wird, dass Werbung nur ein Instrument im Konzert der Kommunikation ist und es daneben viele weitere gibt, die bestimmte Marketingziele partiell besser zu erreichen imstande sind. Zwar hatte sich schon in der Vergangenheit eine leistungsfähige Infrastruktur von Dienstleistern, etwa für Öffentlichkeitsarbeit, Dialogwerbung, Packungsgestaltung, Verkaufsförderung herausgebildet. Doch als Krone galt immer noch die Klassische Werbung. Viele Hersteller verlagerten jedoch angesichts verschärfter Wettbewerbsbedingungen und erkennbarer Grenzen der Werbewirkung ihre Investitionen in den nicht-klassischen Bereich. Dieser repräsentiert längst den größeren Teil der Kommunikationsaufwendungen. Auf der Suche nach Wachstumspotenzial gliederten sich Werbeagenturen zunehmend Dienstleister der genannten und anderer B-t-l-Bereiche an oder gründeten diese selbst. Die Kommunikationsagentur entstand. Dort bearbeiten Spezialisten die Problemlösung ihrer Kunden, welche die Medienorientierung hinter sich gelassen haben und unabhängig von den dazu erforderlichen Medien eine Lösung aus einer Hand und aus einem Guss beraten (siehe Abbildung XII/224: Problemorientierung in der Kommunikation). Denn Großagenturen verfügen heute selbstverständlich über das gesamte Instrumentarium der Kommunikation. So erhält der Begriff „Full Service“ eine neue Dimension.

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Abbildung XII/224: Problemorientierung in der Kommunikation (Quelle: eig. Darst.)

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In neuerer Zeit sind vor allem kundenindividuelle Werbeagenturkonstrukte (Customized agencies) en vogue (z. B. Antoni / Mercedes-Benz, iBeauty / L’Oréal, We are unlimited / McDonald’s). Dabei bietet eine Agentur ihrem großen aktuellen oder potenziellen Auftraggeber an, eine Werbeagentureinheit (Unit) speziell für seinen Aufgabenumfang einzurichten. Diese ist typischerweise in räumlicher Nähe zum Standort des Auftraggebers lokalisiert und damit aus dem Agenturbetrieb ausgegliedert. Damit kann dem Auftraggeber ein Gefühl der besonderen Wertschätzung vermittelt werden, außerdem können Konkurrenzkonflikte bei diversifizierten Werbungtreibenden entschärft und Profilierungswünsche qualifizierter Mitarbeiter durch zusätzliche Führungspositionen bedient werden. Der Auftraggeber kann seine Agentur als „verlängerte Werkbank“ nutzen wie er das von anderen Zulieferern, etwa im Sachgüterbereich, bereits gewohnt ist. Auch muss er Kapazitäten und Aufmerksamkeit nicht unbedingt mit fremden Auftraggebern teilen und er kann sich exklusiv der Zuarbeit von ihm besonders wertgeschätzter Marketing- und Kreationsberater versichern, meist nicht so sehr auf Media und Produktion bezogen. Für die Agentur bedeutet die Gründung einer solchen Unit zunächst erhebliche Fixkosten und hohes Risiko, selbst bei langlaufenden Beratungsverträgen. Dafür erhofft sie sich eine starke Kundeneinbindung und damit auf Dauer auskömmliches Geschäft.

29.4 Merkmale des Werbeagenturgeschäfts Die Werbeberatung unterliegt einer Reihe von branchentypischen Besonderheiten. So ist die kreative Leistung, die das Kernangebot jeder Werbeagentur ausmacht, ihrem Wesen nach nicht voraussehbar und erschwert damit jeden Planungsversuch. Wenn aber ungewiss ist, wann ein angestrebtes Ergebnis eintritt oder vielleicht ob überhaupt, steht jede Rentabilitätsrechnung auf wackligem Boden. Sind nicht einmal alle Basisinputdaten sicher, bleibt der unternehmerische Erfolg fraglich. Agenturen haben in aller Regel nur wenige Auftraggeber, jeder von ihnen vereint also selbst in großen Beratungsunternehmen ein vergleichsweise hohes Geschäftspotenzial auf sich. Dieses ist zudem durch permanente Kündigungsgefahr bedroht und damit immanent gefährdet. Oft sind die Restlaufzeiten der Verträge kürzer ausgelegt als die Möglichkeiten zur personellen und materiellen Anpassung des Betriebs an ein geringeres Geschäftsvolumen. Kostenremanenz verlängert somit die Reaktionsgeschwindigkeit. Viele Auftraggeber wünschen lediglich eine Betreuung auf Projektbasis, also ohne feste vertragliche Bindung an eine Agentur. Gleichzeitig erwarten sie mit großer Selbstverständlichkeit prompten, qualitativ hochstehenden Service, was umso schwieriger zu bewerkstelligen ist, als das Arbeitsvolumen und dessen zeitlich verteilter Anfall naturgemäß schwankt, und in Ermangelung festen Einkommens eine kontinuierliche Kapazitätsbereitstellung schwerfällt. Wird ein solches

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Projekt vom prospektiven Auftraggeber als eine Art Probearbeit avisiert, kommt für die Agentur der Zwang hinzu, besonders gute Leistungen zu erbringen, um sich für einen in Aussicht gestellten Zeitvertrag zu empfehlen. Werbeagenturen repräsentieren ein äußerst personalintensives Geschäft. Mit der persönlichen Anbindung zum Auftraggeber steht und fällt oft genug der Etat, wie das für die Dienstleistungsbranche durchaus üblich ist. Hinzu kommt, dass die Personalkosten den größten Einzelposten ausmachen und durch ebenso hohe Qualifikation wie Belastbarkeit der Mitarbeiter gerechtfertigt werden. Da die Branche durch ungewöhnlich starke Mobilität und damit Fluktuation gekennzeichnet ist, steigt dieser Kostenblock tendenziell durch Einkauf immer neuen Personals, der nicht selten sogar unter akutem Zeitdruck zu erfolgen hat. So windet sich die Payroll-Spirale unaufhaltsam nach oben. Werbung ist eine sehr komplexe Materie, deren Regeln nicht ohne Weiteres rational erklärbar sind und sich einer objektiven Prüfung weitgehend entziehen. Dementsprechend scheint eine operationale Werbeerfolgskontrolle problematisch und gewinnen eher emotionale Dimensionen die Überhand. Dies erschwert die Unternehmensplanung ungemein und birgt erhebliche Gefahrenmomente. Der verstärkte Leistungsdruck in der Branche initiiert und fördert teilweise unfaire Geschäftspraktiken. Die Grenzmoral setzt sich wie überall durch und bestimmt das mäßige Image der Branche in der Öffentlichkeit. Dazu gehören etwa die Einwilligung zu unbezahlten Präsentationen, Personalabwerbung und ruinöses Preisdumping. Diese Auswüchse werden dadurch mit verursacht, dass de facto keine Marktzutrittsschranken für Werber vorhanden sind. Jedermann, der Lust und Laune hat, oder besser den Mut dazu, kann sich mit nur unwesentlichen Investitionen „Werbeagentur“ nennen. Die gebotenen Leistungen halten dann nach Umfang und Qualität oft genug nicht das versprochene, dominieren aber in ihrer Breitenwirkung die überschaubaren Spitzenanbieter der Branche. Es fehlt völlig am Erfordernis des Nachweises von Zulassung wie bei Gaststätten, Privatkliniken oder Versteigerern, der Sachkunde wie durch Kaufmannsgehilfenbrief, der Befähigung wie bei Apothekern, Notaren, Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern oder der Kapitalbasis wie bei Banken und Versicherungen, noch wird nach Bedarfsvolumen wie bei Taxis oder Anbieterzahl wie bei Schornsteinfegern selektiert. Erschwerend kommt hinzu, dass Werbung leider oft als „Showgeschäft“ missverstanden wird und deshalb zuweilen sogar zweifelhafte Elemente anzieht. Deshalb sind Berufsverbände unerlässlich. Die heterogene Struktur des Marktes führt gleichzeitig dazu, dass Grenzunternehmen zur Erhaltung ihrer zumindest vorübergehenden Existenz bereit und willens sind, um fast jeden Preis anzubieten und damit ein unrealistisch niedriges Preisniveau etablieren, das kostendeckenden oder gar gewinnbringenden Erlösen nicht entspricht. Auftraggeber wie Prospects berufen sich jedoch gern auf diese Kampfpreisangebote, um bessere Qualität zu günstigeren Preisen durchzusetzen.

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Infolge mangelnder Solidarität kann keine Werbeagentur sicher sein, dass Mitbewerber nicht auf dieses Ansinnen eingehen und sieht sich zunehmend veranlasst, selbst betriebswirtschaftlich unsinnigen Konditionen zuzustimmen. Da im Gegenzug die Aufwendungen im Personalbereich und bei technischen und administrativen Kosten steigen, klafft bald eine Rentabilitätslücke. Auftraggeber neigen verstärkt dazu, ihr Gesamtbudget aufzuteilen, um die Spezia­listenleistungen mehrerer Agenturen in Anspruch zu nehmen. Dies entspricht einerseits den immer differenzierteren Leistungsanforderungen der Auftraggeber sowie andererseits dem immer vielfältiger werdenden Angebot von Spezialservices am Markt. Die Auftraggeber werden infolge Konkurrenzdrucks immer anspruchsvoller und überfordern damit partiell das Arbeitsniveau vieler Full Service-Agenturen alten Zuschnitts. Da Werbeagenturen außerdem selbst rechtlich und wirtschaftlich verbundene Branchen- und Funktions-Spezialisten nur schwer in ihre Arbeit integrieren können, ist eine Etatfraktionierung beinahe unvermeidlich. Aus Kostengründen werden zudem mehr Aufgaben von Auftraggebern an freie Dienstleister wie Grafiker, Drucker, Modellbauer und Hotshops aller Couleur vergeben oder lediglich Teilleistungen wie Typoskizze oder Vkf-Konzept beauftragt, die dann in eigener Regie von Zentraleinkauf oder Produktmanagement zur Realisierung vergeben werden. Oft spricht dafür auch ein verminderter Zeit- und Abstimmungsaufwand. Im Ergebnis stellen sich jedoch Erlösausfälle und Ertragseinbußen in erheblichem Ausmaß gerade bei großen Budgets ein, die an sich noch am ehesten profitabel zu führen wären. Die Mitarbeiterqualität steigt nicht in gleichem Maße wie Auftraggeber ihre Anforderungen hochschrauben. Der Grund liegt in fehlenden Bemühungen um bessere, quantitativ umfassendere Ausbildung des Berufsnachwuchses und mangelnder Attraktivität der Werbung bei Karrieristen. Das Ausbildungsdilemma hat bei Agenturen Tradition, ließ sich doch schon in der Vergangenheit bei hohen Wachstumsraten der zusätzliche Personalbedarf nicht aus eigenem Ausbildungsreservoir decken, sondern nur durch ergänzendes Headhunting. Eben dieses Phänomen führt zur rapiden Rotation von Mitarbeitern innerhalb des immer gleichen Agenturzirkels, allerdings auf spiralförmig sich erhöhendem Gehaltsniveau bis an die Grenze der individuellen Zahlungsfähigkeit von Agenturen. Potenzielle Auftraggeber sehen sich aufgrund interner Anlässe, die mit Werbung meist nichts zu tun haben, wie Managementwechsel, Importdruck oder Eigentumsübergang, des öfteren veranlasst, die Wahl ihrer Agenturbeziehung durch Wettbewerbspräsentation zu überprüfen. Da viele Agenturen kostenlose Präsentationsbeteiligung offerieren, wähnen Unternehmen sich bereits großzügig handelnd, sofern überhaupt ein Präsentationshonorar gezahlt wird. Der regelmäßig für erforderlich gehaltene Vorbereitungsaufwand für einen solchen Anlass auf Agenturseite wird aber nicht entfernt durch das Honorar gedeckt, so dass nicht nur im Misserfolgsfall, sondern selbst bei Vertragsverlängerung erst einmal Verluste auflaufen.

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Die meisten maßgeblichen Agenturen gehören internationalen Agenturketten an, die wiederum meist amerikanischen, ausnahmsweise auch britischen, französischen oder japanischen Ursprungs sind. Dort werden auf bekannt pragmatische Art durch die Zentrale Leistungskennziffern / K PIs vorgegeben, die indem sie nur schwerlich zu erreichen sind, die Arbeitsplatzsicherheit von Management und Belegschaft belasten. Vor diesem Hintergrund sehen sich immer mehr Agenturen zu hektischem Handeln veranlasst, was die Bizarrheit der Szene weiter steigert. Immer weniger Werbungtreibende vereinen im Zuge fortschreitender Konzentration in allen Teilen der Wirtschaft immer höhere Etatvolumina auf sich. Die damit einhergehende Verhandlungsmacht wird ausgespielt, um gleiche Leistung zu geringeren Kosten oder mehr Leistung zum gleichen Preis einzukaufen. Die Chancen zur Durchsetzung solcher günstigeren Vertragsbedingungen stehen gut, ist die Solidarität der Werbebranche doch gering. Die Zunahme der Bedeutung neuartiger Kommunikationsformen zwingt klassische Agenturen dazu, ihren angestammten Arbeitsbereich zu verlassen oder, um keine Einnahmequelle zu verlieren, in fremde Bereiche zu diversifizieren. Das erhöht das Unternehmensrisiko weiter, ist doch externe Akquisition mit der Konsequenz hohen Kapitaldienstes erforderlich oder aber Eigengründung mit allen daraus folgenden Unwägbarkeiten jedes neuen Marktes.

29.5 Leistungsgrundsätze von Werbeagenturen Als Leistungsgrundsätze seriöser Werbeagenturen können folgende Aspekte angenommen werden (lt. GWA). Die Interessen des Auftraggebers werden in allen Belangen zu Eigeninteressen gemacht, indem sich die Agentur als loyaler Treuhänder für Kundenziele versteht. In praxi ergeben sich jedoch gelegentlich Interessenkonflikte, etwa wenn es gilt, zwischen einer „richtigen“, aber eher unscheinbaren und einer spektakulären, für den Auftraggeber aber riskanten Kampagnenempfehlung zu entscheiden. Die Beratung erfolgt objektiv und neutral, dabei unterlässt die Agentur jeden Versuch, die Kundenmeinung zu manipulieren. Auch hierbei ergeben sich Anfechtungen, etwa wenn die Agentur ihrem Kunden einen präferierten Zulieferer empfiehlt, dieser aber aus Kostengründen abgelehnt wird. Konkurrenzausschluss wird gewährt indem sich die Agentur verpflichtet, aus einer Branche jeweils nur einen Anbieter zu betreuen. Dabei stellt sich allerdings das Problem der Marktabgrenzung. So gibt es Kunden, die Pils- und Export-Biere als verschiedene Märkte tolerieren, aber auch solche, die ihre objektiv sehr verschiedenartigen Geschäftsfelder als verbunden definieren wie P&G. Die Kosten und Vergütungen je Auftrag werden offengelegt, vor allem werden keine Provisionen von Dritten angenommen. Leider zahlen Zulieferer nicht selten

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verdeckte Rückvergütungen für die Auftragsvermittlung an die Agentur, die dem Auftraggeber keineswegs immer gutgeschrieben werden. Es erfolgt keine Bindung an einzelne Werbungdurchführende, also Verlage, Sender, Pächter, oder Zulieferer. Aufträge werden daher normal dreifach ausgeschrie­ ben und Angebote gesichtet (Triple Pitch). Allerdings gibt es eine Tendenz zu Gefälligkeitsaufträgen außerhalb dieser Norm, etwa wenn Wiedergutmachung für Agenturfehler, die der Zulieferer ausgebügelt hat, erforderlich wird. Durch souveräne Kapital- und Personalausstattung soll eine Abhängigkeit vom Auftraggeber ausgeschlossen werden. So fordern große Werbungtreibende von ihren Agenturen eine hohe Mindestgröße, um u. a. internationale Präsenz zu gewährleisten. Allerdings unterliegt die Personaldecke angesichts erodierender Erlöse und steigender (überwiegend Personal-)Kosten einer Ausdünnung, was die Beratungskapazität für Marketing, Kreation, Media und Produktion weiter beansprucht. Ziel ist die Gesamtetatbetreuung des Auftraggebers. Dazu wird ein Full ServiceAngebot vorgehalten, also vom Briefing bis zur Erstellung sämtlicher Werbevorlagen und deren Schaltung werden alle Funktionen aus einer Hand angeboten. Dies scheint den verbreiteten Spezialisierungsvorteilen zu widersprechen, bietet aber den Nutzen einer integrierten Leistungserstellung über alle Medien und Aufgaben hinweg. Es ist jedoch fraglich, ob die Mehrzahl vor allem großer Auftraggeber noch des Full Service-Gedankens bedarf. Probepräsentationen erfolgen nur gegen Bezahlung. Es gibt keine unentgeltlichen Vorleistungen. Hier sind viele Agenturen allerdings bereit, spekulative Investitionen zu leisten. Soweit dies Fremdkosten betrifft, wird dadurch die Liquidität belastet. Manche potenziellen Auftraggeber ziehen aus dieser Lage Vorteil, um diesbezügliche berechtigte Preisforderungen von Agenturen gegeneinander auszuspielen. Es erfolgt eine leistungsgerechte Honorarberechnung, vor allem werden keine Leistungen subventioniert, aber auch keine „vergoldet“. Bei der verursachungsgerechten Kostenzurechnung ergeben sich allerdings aufgrund des hohen Fixkostenanteils Probleme. Der Deckungsbeitrag als Kennziffer ist daher nur begrenzt aussagefähig. Für eigene und zugekaufte Leistungen soll eine bestmögliche Preis-LeistungsRelation erreicht werden, Arbeiten sind damit so anzulegen, dass die Preiswürdigkeit maximiert wird. Das ist in praxi schwierig, denn wer weiß schon im Vorhinein, ob eine teurere Filmproduktion ihren Aufpreis auch durch bessere Qualität mehr als wieder einspielt. Kernfunktionen des Angebots sind Werbeberatung, -planung, -gestaltung und -durchführung. Angegliedert werden jedoch zunehmend ergänzende, vor allem Nicht-klassische Werbung betreffende Services im Bereich von Branchenspezialitäten angeboten. Kenntnisse, Fähigkeiten und Arbeitstechniken der Mitarbeiter werden ständig verbessert. Dies betrifft im Allgemeinen Learning by doing, denn Agenturen wen-

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den für die Weiterbildung ihres Personals traditionell eher wenig auf, weil eine hoch arbeitsbelastete Branche sich „Ausfallzeiten“ durch Ausbildung kaum leisten will. Obwohl dies eine recht kurzfristige Sichtweise der Dinge darstellt. Es werden nur erfolgversprechende, zieladäquate Maßnahmen empfohlen und realistische Leistungs-, Termin- und Kostenschätzungen abgegeben. Dies soll Auftraggeber davor schützen, im Vertrauen auf Kompetenz und Motivation der Agentur Maßnahmen zuzustimmen, die nach ihrer Art und Anlage unrealistisch sind. Auch hier sind weite Grenzen gesteckt, denn der Nachweis, dass Werbemaßnah­ men erfolgversprechend sind, ist äußerst flexibel zu führen. Fairness gilt als oberstes Gebot gegenüber allen Geschäftspartnern, darin ist die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns angelegt. Dieser Hinweis ist erforderlich, weil einige Grenzanbieter der Branche ein solches Geschäftsgebahren nicht immer und überall an den Tag legen. Der Service für einen Auftraggeber darf nicht zulasten anderer Auftraggeber gehen. Hier besteht die Versuchung, bei Kapazitätsengpässen die wirtschaftlich bedeutenderen Auftraggeber bevorzugt zu behandeln. Deshalb fühlen sich kleinere Werbungtreibende oft auch in kleineren Agenturen besser aufgehoben, da sie unterstellen können, dass sie dort als „wichtig“ wahrgenommen werden. Strengste Vertraulichkeit aller Kundeninformationen wird gewährleistet. Dies gilt vor allem gegenüber möglichen Mitbewerbern. In praxi ist dies nur schwer darstellbar, da Werbung Kommunikationsgeschäft ist und von der Weitergabe und Verarbeitung des Rohstoffs Information lebt. Jedenfalls ist die Weitergabe von Auftragsunterlagen an Dritte ausgeschlossen.

29.6 Vergütung der Werbeagentur Für die Vergütung der Werbeagentur stellen sich verschiedene Optionen (siehe Abbildung XII/225: Vergütungsformen der Werbeagentur). Die traditionelle Vergütung stellt das Provisionssystem dar. Die Werbeagentur ist im Namen und für Rechnung ihres Kunden als Mittler zwischen Werbungtreibendem und Werbungdurchführendem für Klassische Werbung tätig. Ihre Vergütung dafür erhält sie nicht vom Auftraggeber, dem werbungtreibenden Unternehmen, sondern vom Auftragnehmer, dem Verlag, Sender oder Pächter. In deren Tarifen sind nämlich 15 % (AE-)Mittlerprovision eingerechnet. Das heißt, der Werbungtreibende zahlt den vollen Tarifpreis der Werbemittel, die Werbeagentur erhält vom Werbedurchführenden auf diesen Preis 15 % Provision als Entgelt für ihre Vermittlungstätigkeit. Dieses System hat als Vorteil eine hohe Transparenz der gegenseitigen Konditionen. In dem Maße, wie nicht-klassische Werbemittel, die keinen festen Tarifpreisen unterliegen, sondern individuell ausgehandelten Konditionen, vordringen, erweist sich diese Form der Vergütung jedoch als ungerecht, weil sie nur die klassischen Werbemittel Anzeige, Spot, Plakat abdeckt.

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Abbildung XII/225: Vergütungsformen der Werbeagentur

Häufig wird das Provisionssystem degressiv ausgelegt als Sliding scale commission. Der Provisionssatz ist dabei umso geringer, je höher das betreute Schaltvolumen ausfällt. Dies wird durch Rückvergütungen der erhaltenen AE-Provision der Werbeagentur an ihre Auftraggeber realisiert. Dabei kann durchgerechnet oder angestoßen vorgegangen werden. Ersteres bedeutet, dass bei Überschreiten einer Schwelle der niedrigere Provisionssatz auf das gesamte Schaltvolumen angewendet wird und umgekehrt, letzteres bedeutet, dass bei Überschreiten einer Schwelle der niedrigere Provisionssatz nur auf das überstehende Volumen angewendet wird, wohingegen die bis dahin aufgelaufenen Beträge zum bis dahin geltenden höheren Satz abgerechnet werden. Zunehmend erfolgt eine Umstellung der Vergütung auf pauschalierter Honorarbasis. Die Werbeagentur erhält dabei eine Pauschalzahlung für ihre Arbeitsleistung und leitet dafür die von Medien erhaltene Provision voll an den Auftraggeber zurück. Ist der Arbeitsaufwand vorübergehend gering, werden dadurch temporär Zusatzgewinne auf Seiten der Agentur realisiert, ist der Arbeitsaufwand vorübergehend hoch, werden analog Zusatzverluste eingefahren. Wichtig ist nur, dass per Saldo der Arbeitsaufwand und die Honorarzahlung zueinander passen. Häufig wird auch eine Kombination aus Service Fee-Aufschlag und Provisionssystem praktiziert. Dabei werden die provisionsfähigen Werbemittel traditionell abgerechnet. Der Systemnachteil bei nicht-klassischen Werbemitteln wird durch einen Aufschlag von 17,65 % auf die Fremdkosten beseitigt. Dieser Aufschlag entspricht Auf-Hundert gerechnet 15 % In-Hundert. Fremdkosten / Out-of-pocket expenses sind durchlaufende Posten in der Werbeagenturabrechnung. Sie entstehen durch Rechnungen von Zulieferern wie Drucker oder Fotograf, die per Originalbeleg an Kunden weiter berechnet werden. Als Vergütung für den mit der Auftragsdurchführung verbundenen Aufwand rechnet die Werbeagentur vorher allerdings 17,65 % Service Fee-Aufschlag hinzu. Dadurch werden auch Arbeiten für an sich nicht provisionsfähige Medien umsatzabhängig entlohnbar. Gerade bei sporadischen Arbeiten von Werbeagenturen für Auftraggeber kommt es auch zur Vereinbarung einer einmaligen Abfindung als Vergütung. Diese beruht

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auf einer individuellen Vorkalkulation und wird für jedes Projekt erstellt. Da letztlich kein Projekt dem nächsten gleicht, kann damit sehr genau auf die spezifischen Arbeitsgegebenheiten eingegangen werden. Der Preis gilt als vereinbart, wenn der Kunde einem entsprechenden Kostenvoranschlag zugestimmt hat. Erst danach sollte mit Arbeiten begonnen werden. Am Ende geht das Arbeitsergebnis einschließlich aller Rechte gegen Rechnungsbegleichung an den Auftraggeber über. Gelegentlich wird auch nach Stundenaufwand abgerechnet (Billable Hours). Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass kreative Arbeit im Vorhinein nur äußerst schwer zu kalkulieren ist und Arbeitszeit nun einmal den wesentlichen Kostenfaktor der Werbeagentur darstellt. Dazu füllen alle Mitarbeiter täglich Stundenzettel aus, in die sie eintragen, für welche Auftraggeber bzw. welche Aufträge welcher Kunden sie wie lange gearbeitet haben. Jeder Mitarbeiter hat einen internen Stundensatz aus Gehalt, Nebenkosten, Overheads, Gewinn und Kosten der seinem Arbeitsplatz zurechenbaren technischen Einrichtungen. Addiert man alle aufgeschriebenen Stunden als Mengengerüst und multipliziert diese mit den gewichteten Stundensätzen, ergibt dies den investierten Zeitaufwand für einen Kunden bzw. Auftrag als Wertgerüst. Diese Aufstellung / Datei wird dem Auftrag­ geber als Abrechnung zur Verfügung gestellt. Nachteilig ist für diese, dass Mitarbeiter dazu tendieren, mehr Zeit aufzuschreiben als sie tatsächlich geleistet haben und diese Überschreibungen meist zulasten der großen Etats gehen, weil diese dies vermeintlich eher verkraften können. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, nach Preislistenpositionen abzurechnen. Dafür hat eine Werbeagentur eine Preisliste, in der für jede Teilleistung feste Positionen ausgewiesen sind. Meist handelt es sich um Werbemittel als Ergebnis der Arbeit. Die angegebenen Beträge beruhen auf der Kalkulation des für die Erstellung dieses Werbemittels erfahrungsgemäß erforderlichen Aufwands einschließlich aller Nebenarbeiten und Overheads. Die Beträge werden gemäß der aktuellen Kostenentwicklung fortgeschrieben. Der Vorteil liegt hier vor allem in der klaren, einfachen Angebotskalkulation und der leichten Nachprüfbarkeit der Abrechnung. Schließlich werden nur die im Rahmen der Zusammenarbeit gelieferten Werbemittel mit den Rechnungsposten abgeglichen. Dieses Procedere gleicht dann durchaus dem in anderen Einkaufsbereichen des Unternehmens. Ein starker Trend geht in Richtung einer erfolgsabhängigen Vergütung der Werbeagentur. Dabei wird das Entgelt gesplittet, in einen vergleichsweise hohen, erfolgsunabhängigen Teil und einen geringeren, erfolgsabhängigen Teil. Dadurch soll ein verstärkter Leistungsanreiz auf die Werbeagentur ausgeübt werden. Bemessungsgrundlage sind ökonomische Erfolgsgrößen wie Ab Werk-Verkäufe, Marktanteil, Preisniveau. Weitere Kriterien sind Kampagnenentwicklung, Testergebnisse und Marktbewährung. Dem liegt die Hypothese zugrunde, dass Werbung verkauft. Allerdings lässt sich die Ursächlichkeit der Werbung für ökonomischen Erfolg praktisch nicht feststellen. Sowohl Werbeerfolgsprognose als auch -kontrolle unterliegen starken Bedenken. Das bedeutet in der Konsequenz ein Vabanque-Spiel für

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die Werbeagentur. Denn ihre Vergütung ist von Einflussgrößen abhängig, die sie selbst gar nicht steuern kann. Hingegen kann man sich diesem Anliegen kaum entziehen, ohne sich dem Verdacht auszusetzen, dass man selbst nicht an den Erfolg der beratenen Werbemaßnahmen glaubt. Denn würde man daran glauben, müsste man eine erfolgsabhängige Vergütung ja geradezu anstreben. Letztlich ist auch jede Kombination aus diesen Vergütungssystemen denkbar. Denn die Werbeagenturbranche zeichnet sich durch ein Höchstmaß an Flexibilität in der Entgeltfrage aus, wenn es dadurch erst einmal zu einer Beauftragung kommt.

29.7 Auswahl einer Werbeagentur Die Geschäftsbeziehung zu einer Werbeagentur impliziert nicht unerhebliche Chancen und Risiken. Daher ist es gerechtfertigt, sich diesen Partner besonders sorgfältig auszuwählen, ist doch eine Kontinuierung und Qualität der Geschäftsgrundlage im Regelfall das Ziel. Gemessen daran finden Auswahlprozesse häufig jedoch auf emotionaler, statt faktischer Basis statt. Darüber gibt es erheblichen Dissens. Die Befürworter einer emotionalen Entscheidung argumentieren, dass es sich schließlich um „People Business“ handelt und nicht um den Einkauf von Schrauben. In der Tat spielt dies auch bei Dienstleistungen im privaten Bereich eine entscheidende Rolle. So sucht man sich seinen Zahnarzt wohl kaum nach objektiven Daten wie Größe der Behandlungszimmer, Anzahl der Telefonanschlüsse, Baujahr der Praxisräume etc. aus, sondern nach Reputation und Vertrauen. Allerdings liegt die Werbeagenturbeauftragung zunehmend in der Domäne des Einkaufs der Unternehmen und dort ist schwer einsehbar, dass man an die Auswahl einer Werbeagentur grundsätzlich andere Anforderungen stellen sollte als an den Einkauf anderer, qualifizierter Leistungen. Und dabei nehmen objektive Daten erklärtermaßen eine zentrale Position ein. Zumal Werbeagenturen es noch kaum geschafft haben, ihre Leistungen aus der Commoditisierung alleinstellend herauszuheben (die Söhne des Schusters haben eben doch die schlechtesten Schuhe). Ansätze, Werbeagenturleistungen breiter aufzustellen (etwa als Innovationsberater / Kassaei) sind fruchtlos geblieben. 29.7.1 Agenturtypen Im Rahmen der Auswahl einer Werbeagentur sollte man zunächst nach dem Agenturtyp unterscheiden. Welcher Typ dabei in Frage kommt, hängt von der jeweils zu lösenden Aufgabe ab. Es gibt Full Service-Werbeagenturen, die Marketingberatung, Kreationsberatung, Mediaberatung und Produktionsberatung für alle anfallenden Werbemittel, Above the Line und Below the Line, aus einer Hand und aus einem Guss leisten. Daneben gibt es auf bestimmte Arten Nicht-klassischer Werbung spezialisierte Agenturen.

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Internet-Agenturen kümmern sich um den Einsatz von Werbemitteln in Online-Bereich wie WWW oder Newsletter. Gerade für diese Bereiche ist eine rasch wachsende Bedeutung gegeben. Allerdings verhindert die grundsätzliche Andersartigkeit dieser Medien eine bloße Adaptation bereits vorgefertigter Lösungen anderer Medien. Damit ist dies ein stark wachsender Bereich. Verwandt sind hier AV-Agenturen zu nennen, die sich elektronischen Offline-Medien wie DVD, Kiosken o. Ä. widmen. Packaging-Agenturen kümmern sich nur um die marketingorientierte Gestaltung von Packungen als Design und Produkthüllen als Styling. Dies ist von erheblicher Bedeutung überall dort, wo Produkte selbstverkäuferisch arbeiten müssen. So weiß man etwa aus der Lebensmittelbranche, dass es sich beim Großteil der Einkäufe um geplante Spontankäufe handelt, also zwar der Warengruppe nach beabsichtigt, aber in Bezug auf die Markenwahl erst impulsiv am Ort des Verkaufs / POS entschieden, wo die physische Präsenz wichtig ist. PR-Agenturen übernehmen alle Arten von Aufgaben in der Öffentlichkeitsarbeit, noch spezialisierter als Sponsoring-Agenturen, Placement-Agenturen oder Networking-Agenturen. Letztlich ist eine überschneidungsfreie Abgrenzung zum Arbeitsbereich der Klassischen Werbeagentur jedoch kaum möglich. Vor allem die genannten Neuen Formen der PR gewinnen an Boden, scheinen sie doch geeignet, die zunehmende Reaktanz von Zielpersonen gegenüber allgemeiner werblicher Beeinflussung zu unterlaufen. Vkf-Agenturen übernehmen alle Arten von Aufgaben in der Absatzförderung gegenüber der eigenen Verkaufsmannschaft, im Rein- bzw. Rausverkauf des Handels und zu Endabnehmern hin. Zwar werden dazu ähnliche Medien eingesetzt wie bei der Klassischen Werbung, jedoch wird den Klassischen Werbeagenturen weithin eine gewisse Lieblosigkeit im Umgang mit Verkaufsförderungs-Projekten nachgesagt. Insofern kann es sinnvoll sein, dafür ambitionierte Promotion-Freaks zu engagieren, die sich auch für einen Regal-Wobbler nicht zu schade sind. Dialogwerbung-Agenturen befassen sich mit der Direktansprache von Zielpersonen über Medien, meist schriftlich oder telefonisch, auch mit elektronischen Medien wie Direct Response-TV oder Online-Banner. Dialogwerbung erfreut sich erheblicher Zuwachsraten, wird darin doch eine erfolgversprechende Möglichkeit gesehen, die Flüchtigkeit von Medien gegenüber Zielpersonen zu überwinden. Allerdings sind hierzulande, vielleicht gerade deshalb, enge rechtliche Grenzen gesteckt. Event-Agenturen übernehmen die Konzipierung, teilweise auch Ausführung von Präsentationen auf internen oder externen Veranstaltungen sowie am Handelsplatz etwa durch Propagandisten oder Merchandiser. Vor allem interne Events, etwa bei Mitarbeitern oder Handelspartnern, stellen eine fatale Möglichkeit dar, sich zu blamieren und wollen daher hoch professionell vorbereitet und umgesetzt sein. Denn Erlebnissen wird eine nachhaltige Verhaltenswirkung nachgesagt.

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Verkaufsliteratur-Agenturen nehmen sich der, vor allem im After Sales-Bereich immer wichtigeren Konzipierung und Gestaltung von Bedienungsanleitungen, aber auch Prospekten oder Salesfolders an. Diese Werbemittel wurden in der Vergangenheit oft eher lieblos umgesetzt und stellten sich damit als Quellen vermeidbarer Unzufriedenheiten infolge kognitiver Dissonanzen heraus. Alle diese spezialisierten Agenturen kümmern sich in ihrem jeweiligen Werbemittelbereich sowohl um die Marketingberatung, die Kreationsberatung, die Mediaberatung und die Produktionsberatung. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Werbeagenturen, die sich, historisch gewachsen, um vermeintlich besondere Märkte kümmern, wie Finanzdienstleistungen, Pharmazeutika oder Sportprodukte. Inwieweit diese behaupteten Besonderheiten wirklich bestehen, darf jedoch sehr bezweifelt werden. Denn letztlich funktionieren alle Märkte nach den gleichen Mechanismen, und die handwerklichen Unterschiede können rasch erlernt werden. Es gibt allerdings zunehmend auch eine funktionale Teilung der Aufgaben. So haben Unternehmensberatungen immer schon die Aufgabe der Marketingberatung für werbungtreibende Unternehmen übernommen. Da liegt es nahe, nicht mit dem formulierten Konzept aufzuhören, sondern auch für dessen schlüssige kreative Umsetzung, den Einsatz in Werbeträgern und die Erstellung von Produktionsunterlagen zu sorgen. Dabei kommt ihnen zugute, dass sie durch ihre Vorarbeiten bereits die Strukturen und Prozesse der beratenen Unternehmen sehr gut kennen und über hoch qualifizierte Consultants verfügen, wie sie in Werbeagenturen nur vereinzelt zu finden sind. Eigentlich immer schon gab es Agenturen, die ihre Spezialisierung ausschließlich in der gestalterischen Konzipierung und Umsetzung von Werbeideen auf Basis eines komplett formulierten Marketingbriefing sahen und diese nur bis zur konkreten Umsetzung als Fotoaufnahme, Illustration, Animation, Video oder Film begleiten. Meist handelt es sich dabei um Kreative, die sich auf ihre Kernkompetenz konzentrieren und von anderem „Ballast“ befreien wollen (Hotshops / Boutiquen). Ihnen wird jedoch eine gewisse Kurzlebigkeit nachgesagt, insofern ist es fraglich, ob sie die verantwortliche kreative Betreuung langfristig angelegter Markenartikel wirklich zu leisten vermögen. Es sind durchaus auch Unternehmen vorzufinden, die über eine hauseigene Werbeagentur verfügen. Dies ist eine ausgelagerte Werbeabteilung, die vor allem dem Zweck dient, die AE-Provision gegenüber den Verlagen / Sendern / Pächtern zu verdienen. Dort stellt sich dann nicht die Frage der Auswahl, wohl aber die Frage des Benchmarking mit externen Vergleichsunternehmen. Seit vielen Jahren gibt es spezialisierte Mediaagenturen, die sich entweder um Mediaplanung und Mediaeinkauf oder auch nur um den Mediaeinkauf kümmern. Dies liegt in explodierenden Werbebudgets und der Komplexität der Medienlandschaft begründet, die hohe Verantwortung und Expertise erfordern. Bedenklich ist dabei allerdings das Auseinanderfallen zwischen kreativer und medialer Um-

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setzung. Oft sind die Mediaagenturen jedoch Schwesterunternehmen großer Full Service-Agenturen, so dass von einer engen Zusammenarbeit ausgegangen werden kann. Innerhalb der Mediaagenturen ist heutzutage wiederum eine Spezialisierung nach Mediagattungen, also Printwerbung in Anzeigen, TV- und HF-Werbung, Kinowerbung und Plakatwerbung anzutreffen. Für alle Medien werden vor allem die vielfältigen Formen der Mediaoptimierung genutzt. Gering verbreitet sind hingegen Produktions-Servicer, die im Print- und / oder Elektronik-(FFF-)Bereich dafür Sorge tragen, dass aus den Werbevorlagen reproduktions- bzw. ausstrahlungsfähige Materalien werden. Da die Komplexität der Realisierung rapide anwächst, kann viel Ineffizienz verursacht werden, welche die Einbindung fachlich entsprechend geeigneter Produktioner durchaus ratsam macht. Zumal dort auch sehr kostenintensive Arbeiten anfallen, die bei falscher Ausführung neben Aufwand auch jede Menge Ärger einbringen können. 29.7.2 Auswahlkriterien Hat man sich für einen Agenturtyp entschieden, ist es in der nächsten Stufe erforderlich, innerhalb der Vertreter dieses Typs weiter zu selektieren. Dazu werden verschiedene Entscheidungskriterien herangezogen. Im Folgenden werden die wichtigsten von ihnen erläutert (siehe Abbildung XII/226: Auswahlkriterien der Werbeagentur).

Abbildung XII/226: Auswahlkriterien der Werbeagentur

Eine wichtige Entscheidung betrifft die einer für notwendig erachteten Internationalisierung. In vielen Fällen sind deutsche werbungtreibende Unternehmen Teil internationaler Konzerne oder selbst internationalisiert. Für diesen Fall stellt sich die Frage, ob die Werbung international mehr oder minder vereinheitlicht eingeschaltet werden soll oder nicht. So gibt es große Werbungtreibende, die sich weltweit von einer oder wenigen ausgewählten Agenturketten betreuen lassen und ihren jeweiligen Landesniederlassungen per Alignment Policy vorgeben, mit welcher

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Agentur vor Ort sie zusammen zu arbeiten haben, aber auch Werbungtreibende, die, obgleich sie transnational operieren, individuelle Vereinbarungen mit verschiedenen Partnern jeweils vor Ort haben. Oder auch Werbungtreibende, die ihre Stammland-Agentur veranlassen, sich zu internationalisieren oder zumindest zu losen Ketten („Patchworks“) zu verbinden. Dabei findet sich eine Abstufung der Internationalisierung von Agenturen mit steigender Stringenz. Am Anfang steht die fallweise Kooperation mit ausländischen Agenturen für einzelne Kunden. Dies hat sich in der Praxis jedoch als keine tragfähige Konstruktion erwiesen. Einen Schritt weiter geht die Verbindung rechtlich und wirtschaftlich selbstständiger Agenturen zu losen Agenturketten, die gegenseitig Geschäft akquirieren. Auch dies ist weithin erfolglos geblieben. Dann folgt logisch die anteilige kapitalmäßige Einbringung des nationalen Geschäfts in eine Dachagentur. Oft treffen dabei allerdings Agenturkulturen aufeinander, von denen rasch und drastisch klar wird, dass sie nicht zueinander passen. Falls doch, kann daraus eine mehrheitliche Kapitalübernahme durch die Dachagentur werden. Dies ist die erste wirklich sichere Basis für eine straffe Koordination internationalisierter Werbung, die schließlich in einem Aufgehen der Agentur in der Dachagentur (meist verbunden mit Namensverlust) endet. Dann stellt sich die Frage der Agenturgröße. Auch darüber gibt es kontroverse Ansichten. Eine Meinung ist die, dass große Agenturen sich durch Arbeitsteilung und Anziehungskraft einen qualifizierteren Mitarbeiterstamm und leistungsfähigere Infrastrukturen aufbauen können und daher in ihrer Professionalität überlegen sind. Dafür spricht zumindest der erste Anschein, denn diese großen Agenturen sind ja zumindest u. a. deshalb groß, weil sie offensichtlich erfolgreich sind, und wären kleinere Agenturen auch so erfolgreich, blieben sie nicht so klein. Andererseits fühlen sich gerade Werbungtreibende mit kleinen und mittleren Budgets dort oft unter Wert repräsentiert. In der Tat liegt es nahe, anzunehmen, dass ein Auftraggeber umso mehr Aufmerksamkeit des Agenturmanagements und der Mitarbeiter gewidmet erhält, je höher sein Werbebudget ist. Das entspricht durchaus kaufmännischer Denkweise. Und bei gegebenem Budget bleibt damit die Aufmerksamkeit umso geringer, je größer die Agentur ist. Andererseits kann diese geringere Aufmerksamkeit durch eventuell höhere Professionalität mehr als wieder ausgeglichen werden. Für kleine Agenturen spricht vor allem, dass dort eine unmittelbarere und damit engagiertere Betreuung durch die Inhaber zu erwarten ist. Dies mag dann etwaig vorkommende Unzulänglichkeiten mehr als kompensieren. Generell ist allerdings ein deutlicher Trend zu Großagenturen nicht zu übersehen. Zumal diese sich angesichts härteren Wettbewerbs auch bereits um kleinere Etathöhen intensiv bemühen. Daher spricht a priori viel für die Wahl einer Großagentur. Auch sollte aus Sicherheitsaspekten der Anteil des eigenen Etats am Etatvolumen (= Billings / Außenumsatz) der Werbeagentur 25–30 % nicht überschreiten. Auch hinsichtlich der Bedeutung des Standorts einer Werbeagentur gehen die Meinungen auseinander. Die Befürworter einer im lokalen Einzugsgebiet ansässigen Werbeagentur führen zumeist die Notwendigkeit zur unkomplizierten,

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schnellen und kostengünstigen Abstimmung angesichts eines zunehmend hektischeren Vermarktungsumfelds an. Und in der Tat stößt die Überbrückung großer Entfernungen bei einer immer unübersichtlicheren Verkehrsituation an Zumutbarkeitsgrenzen. Gerade diese Ad-hoc-Abstimmung wird jedoch aus dem anderen Standpunkt heraus als bei guter Arbeitsplanung hinlänglich vermeidbar angesehen. Damit wäre es dann weitgehend gleichgültig, wo eine Agentur räumlich angesiedelt ist. Zumal moderne Telekommunikation zur Abstimmung nicht mehr die physische Präsenz der Gesprächspartner erforderlich macht. Letztlich kommt es wohl auf die Art der zu leistenden Arbeit an. Handelt es sich um punktuelle Aktivitäten, ist eine räumliche Nähe sehr hilfreich, geht es hingegen um die Betreuung langfristig laufender Kampagnen, ist diese durchaus zu erübrigen. Ein Sonderfall ist in diesem Zusammenhang bei Pattern campaigns gegeben. Dabei ist die betreuende Agentur nicht einmal im eigenen Land ansässig, sondern jenseits der Grenzen. Die Werbemittel werden dort zentral konzipiert und erstellt und erfahren im Einsatzland lediglich eine landesspezifische Adaptation wie Übersetzung, rechtliche Hinweise oder Adressierung. Häufig wird auch Wert auf bereits vorhandene Branchenerfahrung bei der Auswahl der Werbeagentur gelegt. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass vor allem die Einarbeitungszeit der Werbeagentur erheblich verkürzt wird, wenn Mitarbeiter dort bereits über branchenspezifische Erfahrung verfügen, sei es, weil sie selbst in der nunmehr zu bearbeitenden Branche tätig waren oder weil die Werbeagentur zuvor bei einem Mitbewerber des zu betreuenden Unternehmens unter Vertrag war. Dafür spricht in der Tat, dass die Vermarktungssituationen immer komplexer werden, so dass es aus dem Stand heraus kaum mehr möglich scheint, einem werbungtreibenden Unternehmen, das vielleicht schon Jahrzehnte in dieser Branche vertreten ist, Verbesserungshinweise zu geben. Andererseits sind es gerade die Scheuklappen der Branche, die oftmals innovative Lösungen verhindern. Und bei näherem Hinsehen stellt man zudem fest, dass die von Auftraggebern gern behaupteten fundamentalen Besonderheiten, meist aber Probleme ihrer Branche so besonders gar nicht sind, denn alle Märkte funktionieren generell nach den gleichen Prinzipien und sehen sich alle den grundsätzlich gleichen Herausforderungen gegenüber, so dass gerade der Transfer von Erfahrungen aus anderen Branchen fruchtbar sein kann. Im Übrigen hat nicht die Werbeagentur Branchenerfahrung, sondern sie hat allenfalls einzelne Mitarbeiter, die branchenerfahren sind. Bei der überdurchschnittlichen Fluktuationsrate in Werbeagenturen sollte man allein darauf nicht bauen. Zudem veraltet Branchenwissen infolge des raschen Wandels ausgesprochen schnell. Zuweilen wird auch die Marktbestandsdauer einer Werbeagentur als Auswahlkriterium zugrunde gelegt. Dies ist insofern nicht von der Hand zu weisen, als Kommunikationsberatung a priori mittel- bis langfristig angelegt sein sollte und nicht auf schnelle Effekte abheben darf, das Agenturgeschäft aber durch rapiden Wandel gekennzeichnet ist. Insofern bietet eine längere Marktpräsenz eine höhere Gewähr, dass die betreffende Werbeagentur auch noch in einigen Jahren am Markt

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präsent sein wird und als Betreuer zur Verfügung steht. Im Übrigen indiziert eine längere Marktpräsenz zudem einen gewissen Mindesterfolg. In diesem Zusammenhang ist auch interessant, einmal die Betreuungsdauer der gehandelten Etats zu betrachten. Eine hohe Konstanz in der Zusammenarbeit lässt auf ein hohes Maß an Zufriedenheit schließen, während rasche Fluktuation zumindest den Verdacht aufkommen lässt, dass dies auch auf mangelnde Qualität der Betreuung zurückzuführen ist, wenngleich Werbeagenturen dies mit Hilfe zahlreicher Argumente von sich weisen werden. In der Tat sorgen etwa internationale Konkurrenzkonflikte oder Alignment policies für unverschuldete Verluste nationaler Etats. Bei Werbungtreibenden nehmen die Kriterien Termintreue und Kostenbewusstsein, ganz entgegen der Erwartung der meisten Werbeagenturen, einen sehr hohen Stellenwert ein. Denn was hilft die beste Kreation, wenn sie nicht „Just in Time“ verfügbar oder letztlich unbezahlbar ist. Inwieweit dahingehende Versprechungen von Werbeagenturen berechtigt sind, lässt sich a priori jedoch kaum feststellen. Hilfreich ist vor allem zweierlei. Zum ersten das Einholen von Referenzen bei von der betreffenden Werbeagentur schon betreuten Kunden. Meist gibt es ohnehin informelle Kontakte oder man hat noch einen Freundschaftsdienst gut. Zweitens die Beauftragung mit einer begrenzten Probearbeit. So kann „live“ die Zuverlässigkeit und Effizienz der Agenturarbeit verfolgt werden, obgleich der Verdacht gerechtfertigt ist, dass sich Werbeagenturen gerade bei solchen Probearbeiten keine Blöße geben und nahezu perfekt sind, wohingegen die relative Sicherheit einer Etatübertragung den Fokus später eher auf Probearbeiten anderer potenzieller Auftraggeber wandern lässt. Von daher ist dieses Kriterium mangels Beurteilung nur eingeschränkt zur Auswahl tauglich. Agenturarbeit ist „People Business“, damit unterscheiden sich Werbeagenturen nicht von allen anderen Dienstleistungsbranchen. Insofern verkörpern in erster Linie die diensteerbringenden Mitarbeiter die Qualität der Arbeit. Es ist jedoch ausgesprochen problematisch, deren Qualifikation zu objektivieren. Erstens, weil es keine geregelten Ausbildungsgänge für viele der qualitätsentscheidenden Funktionen in der Werbeagentur gibt, aus denen, wie in anderen Berufszweigen, auf eine formale Qualifikation geschlossen werden könnte, zweitens, weil im Detail ungewiss ist, wer im Einzelnen in einer Werbeagentur in welchem Ausmaß für einen Kundenetat tätig ist, und drittens, weil ebenso ungewiss bleibt, wie lange diese Mitarbeiter der betreuenden Werbeagentur noch erhalten bleiben. Schließlich herrscht ein erhebliches Maß an Fluktuation. Insofern ist dieses Kriterium kaum entscheidensrelevant zu beurteilen. Schließlich kann auch die verbreitete Agenturphilosophie als Entscheidungskriterium auf Übereinstimmung mit der Unternehmensphilosophie des Werbungtreibenden herangezogen werden. Jede Werbeagentur, die auf sich hält, leistet sich Philosophie-Statements wie „It’s not creative, unless it sells“ / Bates, „Disruption“ / BDDP, „Truth well told“ / McCann und „Orchestration“ / O & M. Es bleibt jedoch fraglich, wie generell bei solchen Business Missions, inwieweit diese wirklich gelebt werden oder nur dem „Window dressing“ dienen. Außerdem sind diese

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Statements meist so universell, dass sie ganz verschiedenartige Konsequenzen sanktionieren, wie ja auch die Beispiele unterschiedlicher Kampagnen einer Werbeagentur beweisen, die, ganz im Gegenteil, keinen Agenturstil haben sollte. Und außerdem ist Werbung so komplex und abstrakt, dass sie sich kaum in gängige Statements gießen lässt. Insofern ist dieses Kriterium kaum entscheidensrelevant. Anhand dieser Kriterien sollte es gelingen, den Kreis der möglichen Agenturpartner auf eine überschaubare Größenordnung zu reduzieren. Auf jeden Fall muss man der Versuchung widerstehen, möglichst viele Werbeagenturen zur Präsentation aufzufordern. Denn „viel hilft nicht viel“, sondern stiftet nur viel Verwirrung. Gerade gute Werbeagenturen lehnen eine Beteiligung ab, sofern sie den Teilnehmerkreis für unzumutbar groß halten. Daher ist für die Vorgehensweise eine weitere Einengung unerlässlich. 29.7.3 Vorgehensweise Für die Auswahl einer Werbeagentur bietet sich die nachfolgende Vorgehensweise an (siehe Abbildung XII/227: Stufen zur Auswahl einer Werbeagentur).

Abbildung XII/227: Stufen zur Auswahl einer Werbeagentur

29.7.3.1 Shortlist Darunter versteht man eine Sichtung der Werbeagenturen, die den gegebenen Anforderungskriterien entsprechen. Dazu ist zunächst eine Übersicht über alle in Frage kommenden Agenturen erforderlich. Dafür gibt es viele Quellen, vor allem aus den einschlägigen Verbänden. Dies verschafft aber allenfalls einen groben Überblick. Wenn es, was häufig der Fall ist, darauf ankommt, eine möglichst kreativstarke Werbeagentur zu verpflichten, sind wirtschaftliche Kenndaten nur sehr begrenzt aussagefähig. Doch auch dafür gibt es gute Informationsquellen. Das ADC-Jahrbuch (für Art Directors Club) enthält jährlich eine Zusammenstellung der besten kreativen Arbeiten von ADC-Mitgliedern bzw. ihren Agenturen, auch als Blueray erhältlich. Der ADC vergibt jährlich goldene, silberne und bronzene „Nägel“ für als herausragend erachtete und von ihren Erfindern eingereichte Werbung. Agenturen, die dort überproportional häufig auftauchen, darf mit Fug und Recht

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ein hohes kreatives Potenzial zugebilligt werden. International angelegt ist das Cannes-Werbefilm-Festival, bei dem jährlich die besten Werbemittel, vor allem Spots, unter weltweit eingereichten Bewerbungen von einer kritischen Jury ausgewählt und mit goldenen, silbernen und bronzenen Löwen, sowie einem Grand Prix, prämiert werden. Das sind aber nur die beiden wichtigsten von beinahe unüberschaubar vielen Kreativwettbewerben, die Anhaltspunkte für das kreative Potenzial bieten. Außerdem gibt es unzählige Spezialpreise nach Werbemittelgattungen und Branchen. Allerdings muss man wissen, dass die Veranstalter sich meist aus den Anmeldegebühren der teilnehmenden Werbeagenturen finanzieren, also nur prämiert werden kann, was angemeldet ist, und dass in den meisten Fällen die Kreativen sich gegenseitig mit Lorbeerkränzen behängen. Nun ist unstreitig, dass hohes kreatives Niveau einer Kampagne vor wirtschaftlichem Misserfolg beim Auftraggeber nicht schützt. Es kommt also nicht so sehr auf vordergründig „tolle“ Kreation, sondern vor allem auf effektive Kommunikation an. Diese Absicht verfolgt der Effie des GWA. Das heißt, hierbei steht der Markterfolg im Vordergrund, wobei dieser aus theoretischer Sicht durchaus großzügigerweise vor allem auf die eingeschaltete Werbung zurückgeführt wird. Dennoch sind Agenturen, denen es wiederholt gelungen ist, den Effie zu erringen, gewiss als Könner ihres Fachs anzusehen. Ganz pragmatisch kann man sich auch die Werbung, die in der Vorentscheidungsphase in den Medien eingeschaltet wird, bewusst daraufhin vor Augen führen, ob man sich vorstellen kann, mit einer Werbeagentur, die derartige Werbemittel kreiert, zusammenarbeiten zu können. Oftmals entdeckt man ja eine Seelenverwandtschaft zwischen dieser bereits realisierten Werbung und den eigenen, rein gefühlsmäßig basierten Vorstellungen darüber, wie Werbung angelegt sein sollte. Aus Gründen des Konkurrenzausschlusses kommen regelmäßig keine Werbeagenturen in Betracht, die bereits für direkte Mitbewerber arbeiten. Eine weitere wichtige Informationsquelle sind Branchentitel wie Werben & Verkaufen / München, Horizont / Frankfurt, Kontakter / Hamburg und New Business / Hamburg. Dort finden sich wöchentlich detaillierte Berichte über die Werbebranche, also Werbeagenturen, Werbungtreibende und Werbungdurchführende. Verfolgt man einige Ausgaben hintereinander, erhält man einen recht guten Eindruck von Szene und Trends. Man lernt Agenturadressen mit Fallbeispielen, Interviews ihrer Top-Manager, Etatgewinnen und -verlusten kennen und kann daraus erste Schlussfolgerungen ziehen. Eine gut organisierte Marketingabteilung sollte ohnehin über eine laufende Erfassung von Agenturkontakten verfügen. Dazu gehören die, im Übermaß anzutreffenden, unaufgefordert zugesandten Initiativbewerbungen der Werbeagenturen, in denen diese mehr oder minder geschickt behaupten, dass man als Werbungtreibender mehr aus seinem Budget herausholen könne als das in der bestehenden Agen-

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turverbindung geschieht. Diese Aussendungen kann man zumindest archivieren, um dann bei Bedarf auf sie zurückzugreifen. Gleiches gilt für die Verfolgung von PR-Maßnahmen wie Eigenwerbungs-Anzeigen oder Veranstaltungen. Bei letzteren muss man sich als Teilnehmer aber immer darüber im Klaren sein, dass der Veranstalter nur peripher an der Person als Mensch interessiert ist, sondern vor allem an ihr als potenziellem Auftraggeber. Dies hinterlässt bei einiger Sensibilität zumindest einen schalen Beigeschmack. Weiterhin kann man, genügend Zeit vorausgesetzt, auch Werbeagenturen, die sich in initiativen Telefonanrufen anbieten, ihr Haus zu präsentieren, einladen. Allerdings sollte man sich im Klaren sein, dass wirklich gute Berater so etwas nicht nötig haben dürften. Daher kann dies allenfalls für Speziallösungen sinnvoll sein. Schließlich bleibt auch noch der Weg der Einholung von Referenzen. In Unternehmen, für die eine näher ins Auge gefasste Werbeagentur arbeitet, kennt man vielleicht den einen oder anderen ehemaligen Arbeits- oder Studienkollegen, Vorgesetzten oder Mitarbeiter, bei dem man sich kurz in Erinnerung bringen kann. Einmal im Gespräch vertieft, kann man auch beiläufig auf die Zusammenarbeit mit der Werbeagentur zusteuern und erhält so wertvolle, vor allem atmosphärische Hintergrundinformationen. Die umso vertrauenswürdiger sind, als der Referenzgeber in aller Regel keinen Vorteil aus seiner Informationsabgabe zieht, also auch kein Interesse an Schönfärberei hat. Auf diese Weise sollte es gelingen, den Kreis der potenziellen Werbeagenturen auf eine überschaubare Anzahl einzuengen. Sinnvoll sind bis zu zehn Werbeagenturen, wenn es um eine Kampagnenpräsentation geht bzw. bis zu fünf Werbeagenturen, wenn es sich um ein Projekt handelt. Ein Outsourcing dieser Vorarbeiten an eine externe Pitch-Beratung ist möglich, aber nicht unbedingt hilfreich. Abgesehen vom finanziellen Aufwand entsteht dabei auch eine doppelte Informationsfilterung, die verzerrend wirken kann.

29.7.3.2 Kontaktaufnahme In einer zweiten Phase beginnt nun die Sondierung. Dazu werden die relevanten Werbeagenturen kontaktet und um eingehendere Information über ihr Haus angegangen. Dabei sollte man allerdings nicht zu konkret den Wunsch nach einer Zusammenarbeit durchscheinen lassen, denn dann wird man die Geister, die man rief, so schnell nicht wieder los. Vielmehr sollte man eher den Eindruck erwecken, es gehe um eine nur routinemäßige Aktualisierung der Sekundärunterlagen. Für diese Zwecke halten alle Agenturen eine Stelle vor, die für New Business zuständig ist. In Großagenturen ist dies oftmals eine eigenständige Funktion für Mitarbeiter mit hohem Frustrationslevel, in kleineren Agenturen wird diese Aufgabe regelmäßig vom Chef selbst wahrgenommen. Werbeagenturen halten jedenfalls, im Gegensatz zur Industrie, immer noch das Neugeschäft für ihre wichtigste Ge-

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schäftsquelle, so dass man davon ausgehen kann, dort auf besonders qualifiziertes Personal zu treffen. Den Anruf sollte man übrigens selbst erledigen und nicht der Sekretärin / dem Assistenten überlassen. Denn aus diesem ersten Kontakt kann man bereits wertvolle Informationen gewinnen. Das beginnt mit dem Telefonverhalten des Empfangs, geht über die Erreichbarkeit des als zuständig angegebenen Mitarbeiters bis zum eigentlichen Gesprächseindruck mit ihm. So kann man sich bereits ein erstes, grobes Bild von Arbeitsweise und Kultur der Agentur machen (wie: Ist das Auftreten seriös? Wird ein versprochener Rückruf eingehalten?). Auf keinen Fall sollte man sich zu diesem Zeitpunkt auf einen Besuch durch das Management der Werbeagentur einlassen. Natürlich wird man dort, wenn man nur halbwegs auf Draht ist, und das sind die meisten Manager von Werbeagenturen durchaus, versuchen, die „Falle“ gleich zuschnappen zu lassen. Dafür ist es aber, wenn überhaupt, noch viel zu früh. Vielmehr geht es um aussagefähige Unterlagen zur Agenturarbeit. Traditionell finden diese in Form eindrucksvoller, großformatiger, reichlich bebilderter Agenturbroschüren statt. Dadurch sollte man sich aber nicht blenden lassen. Natürlich wird sich jeder für das erste Kennenlernen besonders schön herausputzen und nur seine allerbesten Seiten zeigen. Und ebenso natürlich hat jeder auch seine Schattenseiten, die bei diesem ersten Blick verborgen bleiben und nach Bekanntwerden für eine rasche Abkühlung der Euphorie sorgen würden. Das ist ganz menschlich, und ganz so ist das auch mit Werbeagenturen. Anhand der eingeholten formalen und informellen Informationen kann nun eine Nutzwertanalyse durchgeführt werden. Darunter versteht man eine Aufstellung der meist qualitativen Anforderungskriterien, die womöglich nach Bedeutung gewichtet sein können, und eine Punktverteilung für die graduell abgestufte Erfüllung dieser Kriterien durch die einzelnen Agenturkandidaten. Dann wird jede Werbeagentur hinsichtlich aller dieser Kriterien bewertet. Die Addition der gewichteten Punktzahlen weist dann ein Ranking der Kandidaten nach der Papierform aus. Nun weiß jeder aus dem täglichen Leben, dass eine zu große Auswahl eher verunsichert als bei der Entscheidung hilft. Daher muss der Kreis der Kandidaten nochmals verkleinert werden. Sinnvoll sind drei bis fünf Werbeagenturen bei Kampagnen bzw. zwei bis drei Werbeagenturen bei Projekten. Dabei ist noch die Frage nach dem Schicksal des Etathalters zu klären. Meist handelt es sich bei der Etatvergabe ja nicht um ein völlig neues Produkt, sondern um ein solches, das auch schon bisher in Zusammenarbeit mit einer Werbeagentur dotiert wird. Daher ist es üblich, den Etathalter in jedem Fall in diesen engen Kandidatenkreis mit aufzunehmen, es sei denn, er ist indiskutabel schlecht und scheint auch unverbesserlich oder er signalisiert eindeutig, oft aus verletztem Stolz, ein fehlendes Interesse an weiterer Zusammenarbeit, etwa weil die Beziehung sich im Lauf der Zeit verschlissen hat oder sogar irreparabel zerrüttet ist. Selbstverständlich ist dabei zunächst ein Blick in die Vertragsgestaltung mit der bestehenden Werbeagentur zu werfen, um dort

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vereinbarte Kündigungsbedingungen, vor allem Fristen, einzuhalten. Meist wird der Vertrag vorsorglich gekündigt. Allerdings sollte man sich ernsthaft fragen, ob ein Wechsel von der bestehenden Werbeagentur überhaupt notwendig ist. Denn oft entspringt der Wunsch danach nur einer spontanen Unzufriedenheit, wie sie immer wieder vorkommt, wenn Menschen unter kompetitiven Bedingungen hart miteinander arbeiten. Oder dem Wunsch des Umworbenseins, das man ansonsten selten genug erleben mag. Auf jeden Fall bedeutet ein Agenturwechsel aber immer einen erheblichen Zeitaufwand in Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung. Und einen erheblichen Kostenaufwand, bei dem in bewerteten Mannstunden enorme Beträge auflaufen. Vor allem aber bedeutet ein Beraterwechsel einen enormen Know-how-Verlust, denn eine neue Werbeagentur bedingt immer auch, den gesamten Wissenstransfer, der mit der alten Werbeagentur bereits erbracht wurde, von Neuem zu bewältigen. Selbst bei Werbeagenturen, die branchenerfahren sind, ist eine Einstellung auf die betriebs- oder markenspezifischen Hintergrundinformationen erforderlich. Und schließlich bedeutet jeder Beraterwechsel auch immer das Risiko, dass die „neuen Besen“ nicht ganz so gut kehren, wie man sich das vorab versprochen hat, zumindest nicht erkennbar sauberer als die alten. Daher ist es in jedem Fall sinnvoll, zunächst mit der bestehenden Werbeagentur ein Krisengespräch zu führen. Darin sollte der Werbungtreibende die Gründe seiner Unzufriedenheit deutlich machen und die Werbeagentur zur Stellungnahme auffordern. Gelegentlich geht, vor allem in Großbetriebsformen von Werbeagenturen, die Kontrolle über Job-Unzulänglichkeiten in der Hektik des Tagesgeschäfts schon einmal verloren. Was zwar nicht vorkommen sollte, aber mit etwas gutem Willen auf beiden Seiten kann diese Schieflage meist leicht wieder gerade gerückt werden. Schließlich ist eine Werbeagentur keine anonyme Fabrik, sondern es arbeiten Menschen dort, und diesen ist nun einmal zueigen, dass sich leicht ein „Schlendrian“ einschleicht. Macht der Auftraggeber dann seine Unzufriedenheit deutlich, sind oft schon erhebliche Verbesserungen auch ohne Agenturwechsel darstellbar. Es ist auch durchaus legitim, seine Werbeagentur von Zeit zu Zeit auf den Prüfstand zu stellen und eine formale Präsentation abzufordern, um ihren aktuellen Leistungsstandard zu verifizieren. Werbeagenturen spüren schnell, dass sie sich bei dieser Gelegenheit keine Blöße geben dürfen und werden sich ordentlich ins Zeug legen, um eine drohende Ablösung zu vermeiden. Denn sie wissen um die verlockenden Hochglanzbroschüren und die beeindruckenden Vorstellungen der Konkurrenz, schließlich agieren sie bei deren aktuellen Auftraggebern im Vorfeld selbst so, und sie wissen auch um den enormen Aufwand von Materialschlachten, bei denen höchstens einer gewinnen kann und alle anderen verlieren werden.

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29.7.3.3 Agenturbesuch Nun ist die Zeit gekommen, die Kandidaten näher unter die Lupe zu nehmen. Dafür ist es unbedingt empfehlenswert, sich der Mühe zu unterziehen, die Werbeagenturen vor Ort zu besichtigen. Als Teilnehmer für die Agenturbesuchsrunde kommen alle Entscheider in Betracht, wenngleich man vermeiden sollte, mit einer Armada von Managern einzufallen. Aber ein Blick vor Ort sagt tatsächlich mehr als tausend Worte. Auch eine Videokonferenz ist für eine so weitreichende Entscheidung wie die der Auswahl seiner Werbeagentur allein nicht zureichend. Authen­tischer ist in jedem Fall eine kundige Face to Face-Kommunikation. Zumal Werbeagenturen auf solche Besuche alles andere als unvorbereitet sind. Gemeinhin empfangen sie potenzielle Auftraggeber in einer repräsentativen Rezeption, führen sie auf kurzem Weg unter Auslassung der Räumlichkeiten der neugierigen Blicken ausgesetzten Kreation in einen nicht minder repräsentativen Konferenzraum und bewirten sie dort stilvoll. Nach kurzem gegenseitigen Bekanntmachen spult jede Werbeagentur dann mit beeindruckender Präzision ihre Credentials-Präsentation ab. Darunter versteht man die Vorstellung der Werbeagentur in Bezug auf Agenturhistorie, Agenturphilosophie, Geschäftsentwicklung, internationale Anbindung, Mitarbeiterstruktur und Kundenliste. Daran schließt sich regelmäßig eine Vorstellung von Arbeitsbeispielen an. Die Credentials-Präsentation wird für gewöhnlich vom Agentur-Top-Management vorgenommen, Chairman, Managing Director, Chief Creative Officer o. Ä. sind deren beeindruckende Titel, und mit hoher Souveränität vorgetragen. Dabei darf man nicht vergessen, dass Werbeagenturen ständig solche Credentials-Präsentation vollziehen und ihr Gewerbe nahe dem Showgeschäft angesiedelt ist. Auch sollte man nicht vergessen, dass man den Präsentator dabei womöglich zum drittletzten Mal in seinem Berufsleben sieht, danach nur noch für die Wettbewerbspräsentation und die Vertragsverhandlungen. Dadurch relativiert sich die Situation doch sehr. Zumal man, ordentliche Vorbereitung vorausgesetzt, auch wenig gravierend Neues dabei erfahren dürfte. Viel entscheidender als diese formale Ebene ist denn auch die informale. Denn die Agenturkultur drückt sich vor Ort in unzähligen Elementen wie Symbolen, Ritualen, Helden und Jargons aus. Zu den Symbolen gehören etwa Gestik, Kleidung, Haartracht, Statusinsignien der Beteiligten und anderer Mitarbeiter. Dazu gehören ggf. auch Kunst an der Wand und im Raum, Mobiliar, Boden- und Wandbeläge oder Beleuchtung. Häufig sind weiß gestrichene Rauhfaserwände, schwarzer Teppichboden und Alu-Büroausstattung vorherrschend. Zu den Ritualen gehören immer noch Ehrerbietungen, die man bei genauer Beobachtung gewahr wird. Daraus lässt sich etwa auf die hierarchische oder teamorientierte Aufbauorganisation der Werbeagentur schließen. Viele Werbeagenturen kennen Helden, also Personen, tot wie Bill Bernbach, oder lebend wie Jean-Remy von Matt, echt oder fiktiv, die hoch angesehene Eigenschaften besitzen und den Agenturtypus in idealer Weise

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verkörpern. Daraus können Rückschlüsse auf die Tradition der Werbeagentur gezogen werden. Jargons hingegen sind nicht nur in Werbeagenturen, sondern auch bei vielen Markenartiklern verbreitet. Sie sagen zumindest etwas über die Professionalität und Internationalität des betriebenen Geschäfts aus. All diese Signale sind wichtig für die Prüfung der qualitativen Frage, ob die vermutete Chemie zwischen Auftraggeber und Werbeagentur stimmen dürfte. Dies lässt sich schwerlich aus formalen Informationen allein ableiten, ist aber für die Dauer und Effektivität einer Zusammenarbeit von entscheidender Bedeutung. An dieser Stelle sollte auch die Chance zu kritischen Fragen genutzt werden. Vielleicht ist bei der Vorrecherche der eine oder andere „weiße Fleck“ aufgetaucht, den es jetzt mit Informationen zu füllen gilt. Vielleicht sind auch Fragen über die Präsentation hinaus offen geblieben. Sicher hat man als potenzieller Auftrag­ geber auch einige Restriktionen für eine mögliche Zusammenarbeit vorzugeben. Dann ist jetzt der Zeitpunkt zu klären, ob und inwieweit diese akzeptiert werden. Schließlich kann man auch näher beschreiben, um welches Produkt es sich beim zu bewerbenden handelt. Dabei gilt aber Vorsicht, Werbeagenturen haben offene Türen. Jedenfalls sollte man versuchen, die Präsentatoren in ein Gespräch zu verwickeln und von ihren eingefahrenen, selbstsicheren Credentials abzubringen. Dabei sollten vor allem die Behauptungen der Werbeagentur wie Branchenerfahrung, hoch qualifizierte Mitarbeiter oder Qualitätsmanagement auf den Prüfstand gestellt werden. 29.7.3.4 Wettbewerbspräsentation Nach einer internen Bewertung dieser Agenturkontakte ergeben sich zwei Alternativen. Die erste ist, dass man glaubt, die Werbeagentur seiner Wahl bereits aufgrund der bislang gesammelten Eindrücke gefunden zu haben. Dann wird man im Folgenden nur mit dieser in Kontakt bleiben und die Kampagne / das Projekt briefen. Dies ist freilich selten der Fall und auch nicht ganz risikolos. Häufiger ist daher der zweite Fall, dass man zwei bis drei Werbeagenturen evtl. plus ­Etathalter zu einer Wettbewerbspräsentation einlädt. Bei einem solchen Pitch wird das Briefing für die Kampagne / das Projekt nicht nur an eine, sondern gleichlautend an mehrere Werbeagenturen gegeben. Übrigens ist es stillos und bringt auch in der Sache nichts, das Briefing an alle Teilnehmer der Präsentationsrunde gemeinsam zu geben. Das Briefing hat immer sowohl schriftlich als auch mündlich zu erfolgen. Es sollte, je nach Komplexität der Aufgabe, möglichst kurz gehalten werden und die Werbeagentur nicht bereits vorab in ihrer Arbeit festlegen. Zum Briefing gehört eine Beschreibung der Vermarktungssituation, also Marktumfeld, Konkurrenz, Absatzmittler, Werbesituation und etwaige Restriktionen. Dann die Beschreibung des Werbeobjekts, also des Produkts, das es zu bewerben gilt, sowie die Definition des Werbeziels und die Festlegung des Werbebudgets. Ausnahmsweise kann es

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auch sinnvoll sein, Werbeobjekt, Werbeziel und Werbebudget der Beratung durch die Werbeagentur zu überlassen, etwa um abzuchecken, ob sie zu ähnlichen Ergebnissen kommt wie interne eigene Überlegungen. Weiterhin gehören die Definition der Absatzquelle / Source of Potential Demand, also die Kaufkraft, von der das Angebot leben soll, die Definition der Zielpersonengruppe / Target Group, also die Personen, die diese Kaufkraft verkörpern und die Definition der Positionierung als Angebotsanspruch / Claim und Anspruchsbegründung / Reason Why dazu. Auch hier kann es wieder ausnahmsweise sinnvoll sein, dies der Beratung der Werbeagentur zu überlassen. Allerdings muss man sich darüber im Klaren sein, dass, je offener das Briefing gehalten ist, desto weniger die Ergebnisse der Kandidaten miteinander vergleichbar sind. Die Teilnahme an einer Wettbewerbspräsentation ist grundsätzlich vom Auftraggeber zu honorieren. Dies ist jedoch im beinharten Wettbewerb zu Wunschdenken verkommen. Selbst öffentliche Auftraggeber, die diesem Druck nicht unterliegen und höheren ethischen Anforderungen genügen sollten, schreiben Etats zunehmend wie Preisausschreiben aus und teilnehmen kann jeder, honoriert wird hingegen nur der Beste, und das mit schmalem Betrag. Offiziell streiten praktisch alle ernstzunehmenden Werbeagenturen die Beteiligung an solchen honorarfreien Wettbewerbspräsentationen ab. Bei genauerem Hinsehen stellt sich jedoch bald heraus, dass praktisch jede ernstzunehmende Werbeagentur zu einer Ausnahme bereit ist. Die finanziellen Konsequenzen sind umso gravierender als für eine solche Präsentation hohe Eigen- und vor allem auch Fremdkosten für externe Zulieferer / Freelancers anfallen. Man kann davon ausgehen, dass diese selbst bei Zahlung eines üppigen Präsentationshonorars nicht annähernd gedeckt würden. Zumal der Gewinner kein Präsentationshonorar erhält, sondern den Zuschlag für die Betreuung der Kampagne / des Projekts. Als Argument für niedrige oder gar entfallende Honorierung führen Werbungtreibende gern an, dass es ihnen nicht um eine Materialschlacht geht, also um aufwändig gestaltete „Pappen“ und „Animatics“. Schließlich sei man ja unter Profis, und da reiche ein Scribble als Entwurfsskizze zum gegenseitigen Verständnis völlig aus. Und dafür könne man, von den Eigentümern zur strikten Wirtschaftlichkeit verpflichtet, schließlich nicht viel Honorar hergeben. Werbeagenturen, die sich auf diese unprofessionelle Argumentation einlassen, belassen es aber letztlich keineswegs dabei, sondern versuchen, einen Präsentationsvorteil allein schon dadurch zu erreichen, dass sie die schöneren „Pappen“ und die lebendigeren „Animatics“ vorführen, in der irrigen Annahme, ihre Konkurrenten kämen darauf nicht. Und diese sind wiederum nur zu (Fremd-)Kosten zu erstellen, die ein Vielfaches dessen betragen, was als Honorar in Aussicht gestellt wird. Ähnlich vertrackt ist die Lage beim Zeitrahmen der Wettbewerbspräsentation. Für eine Kampagne werden vier bis sechs Wochen als absolute Untergrenze angesehen, für ein Projekt zwei bis drei Wochen. Die Realität sieht hingegen im Allgemeinen so aus, dass im Vorfeld der Entscheidung bereits soviel Zeit vergangen

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ist, dass nun an der an sich wichtigsten Zeit zur kreativen Inkubation gespart werden muss. Zugleich wird dies von Auftraggebern gern auch als erster Beweis für die erwartete Flexibilität der Agentur („Schnellschuss“) angesehen. Die Folgen sind insofern verheerend, als man bereits aus der industriellen Produktion weiß, dass Unzulänglichkeit im Entwicklungsstadium später kaum mehr oder nur sehr kostspielig zu korrigieren sind. Und gerade so verhält es sich mit der Entwicklung von Werbung auch. Denkbar ist auch nur eine Konzeptpräsentation über die verbalisierte Strategie für eine spätere kreative Umsetzung in Nutzenversprechen / Benefit und Nutzenbeweis / Proof, jedoch noch ohne diese Umsetzung selbst. Dadurch kann zwar die konzeptionelle Fähigkeit der Werbeagentur getestet werden, ohne dass dies in eine Materialschlacht ausartet. Jedoch ist das entscheidende allein eben die kreative Umsetzung, das eigentlich Produkt der Werbeagentur, das es zu erstehen gilt. Insofern besteht die Gefahr, dabei die „Katze im Sack“ zu kaufen. Daher wird teilweise auch nur eine Umsetzungspräsentation abgenommen, also das kreative Produkt in Wort, Text, Bild und Ton, ohne den konzeptionellen Hintergrund vorzustellen. Das vordergründige Argument ist dabei, dass schließlich die Zielpersonen der Werbung auch nicht die Chance hätten, dieses Konzept kennen zu lernen, sondern sie allein mit der kreativen Umsetzung des Konzepts konfrontiert würden. Insofern käme es auch nur auf dessen Beurteilung an. Diese Ansicht ist jedoch unter professionellen Anforderungen fragwürdig. Denkbar ist schließlich auch eine mehrstufige Präsentation, in der zumeist zuerst die verbalisierte Strategie vorgetragen und diskutiert wird. Auf Basis dieser Ergebnisse wird dann erst die kreative Umsetzung angegangen und erneut diskutiert. Und danach erfolgt dann erst die Mediaempfehlung. Wegen der engen Verzahnung dieser Bereiche ist ein solches Vorgehen jedoch meist unzweckmäßig und widerspricht auch der üblichen Arbeitsdisziplin, ganz abgesehen vom involvierten Zeitaufwand. 29.7.3.5 Ergebnisauswertung Für die Wettbewerbspräsentation ist es zweckmäßig, die Teilnehmer zum gegebenen Termin am gegebenen Ort nacheinander präsentieren zu lassen. Als Dauer sollten zwei Stunden je Präsentation ausreichen. Dabei ist darauf zu achten, dass neben dem reinen Vortrag genügend Zeit zur Diskussion eingeplant wird. Es ist nötig, dass alle Verantwortlichen, die mit Werbung im Unternehmen zu tun haben, bei dieser Präsentation persönlich und durchgängig anwesend sind. Zum einen, weil nur dieser unmittelbare Eindruck eine zuverlässige Entscheidungsgrundlage bildet, zum anderen, weil nur dann eine unverzügliche Entscheidungsfindung, die im Interesse aller Beteiligten liegt, möglich ist. Gleichzeitig sollte der Teilnehmerkreis aber so klein wie möglich gehalten werden. Bei den Präsentationen empfiehlt es sich, zunächst nur aufmerksam zuzuhören und Verständnisfragen zu stellen. Man kann davon ausgehen, dass jede Präsenta-

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tion einer wohl durchdachten Dramaturgie folgt, die man auf sich wirken lassen sollte. In der anschließenden Diskussion sind dann durchaus kritische, rigorose Fragen erlaubt, schließlich geht es um eine Entscheidung, die viel Geld kostet, und da kann niemand hartnäckiges Nachfragen verübeln. Alle Entscheider sollten für die Präsentation eine Kurzinformation über die jeweilige Werbeagentur vorliegen haben, aus der die wesentlichen Eckdaten des Geschäfts und die Gründe für eine Aufnahme in den Kandidatenkreis hervorgehen. Gleichfalls sollte allen Entscheidern das Briefing, das auch die Werbeagenturen erhalten haben, vorliegen. Schließlich ist eine Kriterienliste zur Bewertung jeder Präsentation unmittelbar nach deren Ende hilfreich, dafür ist jeweils eine kurze Pause zwischen den Präsentationen einzuplanen, die im Übrigen auch Gelegenheit gibt, sich einmal kurz die Füße zu vertreten und die E-Mail zu checken. Denn erfahrungsgemäß verwischen die Eindrücke am Ende eines Präsentationstags, so dass die Entscheidung unsicherer wird. Welche Kriterien für die Beurteilung ausschlaggebend sind, hängt von der jeweiligen Prioritätensetzung des Auftraggebers ab. Häufig werden in diesem Zusammenhang genannt: • Entwicklung durchdachter, fundierter Kommunikationsstrategien, problem- und ergebnisorientierte Arbeit, pünktliche und zuverlässige Tagesarbeit, hohes Kostenbewusstsein, qualifizierte Kundenberatung, außergewöhnliches kreatives Potenzial, kreative Werbekonzeption, strategische Orientierung, aktives, dynamisches Management, funktionsfähige Organisationsstruktur, durchdachte Marketingstrategie, Stärke in Verkaufsförderung und Handelsmarketing, sicheres, seriöses Auftreten, professionelle Mediaplanung, effizienter Mediaeinkauf, geringe Mitarbeiterfluktuation, internationales Know-how, qualifizierte Marktforschung, Stärke in Dialogwerbung. Inwieweit dies wirklich objektivierbare Beurteilungskriterien sind, mag dahingestellt bleiben. Wie dem auch sei, die Werbeagenturen sollten über das weitere Procedere in Kenntnis gesetzt werden. Dazu gehört vor allem die Frist bis zur Mitteilung der Entscheidung. Einerseits sind Werbeagenturen nach einer Menge Blut, Schweiß und Tränen naturgemäß begierig zu wissen, ob ihr Einsatz Früchte getragen hat, andererseits braucht die Übernahme eines Etats eine angemessene Vorlauffrist zur Bereitstellung von Kapazitäten und Infrastruktur. Zumutbar sind Fristen bis zu zwei Wochen, üblich hingegen Fristen bis zu sechs Monaten. Das Ergebnis der Entscheidung kann der Zuschlag des Etats für einen Kandidaten sein. Nur mit dieser Werbeagentur werden dann die Verhandlungen fortgesetzt, die anderen Kandidaten erhalten ihr vereinbartes Honorar, verbunden mit heißem Dank für ihr Engagement. Üblich ist eine kurze Erläuterung der Entscheidungsgründe, möglichst im (fern-)mündlichen Gespräch, und die Versicherung, dass der Ausgang des Rennens tatsächlich äußerst knapp war, weil alle Kandidaten bemerkenswerte Leistungen gezeigt hätten. Ein weiteres Ergebnis kann ein „totes

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Rennen“ sein, in dem zwei oder mehr Werbeagenturen vergleichbare Leistungen gezeigt haben oder keine der Präsentationen befriedigen konnte. Dann ist ein NachBriefing üblich, um im zweiten Durchgang zu einer entscheidungsfähigen Basis zu gelangen. Meist jedoch wird die von den Entscheidern präferierte Umsetzung in einen Pretest gegeben, indem Marktforschung die mutmaßliche Werbewirkung einer präsentierten Umsetzung im Wettbewerbsumfeld gegenüber Abnehmern der beworbenen Leistung prüfen soll. Ein solcher Pretest dauert, je nach Anlage, dafür gibt es ja eine breite Varietät von Verfahren, bis zu neun Monaten. Meist ist dafür die Erstellung / Ü berarbeitung von Testvorlagen erforderlich, die bereits von der präferierten Werbeagentur vorgenommen wird. Das Testergebnis kann ein „Go“ sein, dann werden die Werbemittel als erfolgversprechend erachtet, ein „On“, dann sie sind zunächst noch einmal gemäß Pretest-Ergebnissen zu überarbeiten, oder ein „No-go“, dann scheinen die Werbemittel ungeeignet zur Zielerreichung. Dann geht das Präsentationsprocedere von vorne los. Bei etwas mehr Aufwand ist es auch möglich, die Umsetzungen aller präsentierenden Werbeagenturen gegeneinander im Pretest zu prüfen. Und den Etat­zuschlag von den dabei erzielten Ergebnissen abhängig zu machen. Dies ist allenfalls sinnvoll, wenn es keinem der Kandidaten gelungen ist, anderweitige Präferenzen aufzubauen. Letztlich zeigt dieses Vorgehen auch Entscheidungsschwäche, denn fachkundigen Beurteilern sollte es möglich sein, die Übereinstimmung vorgeschlagener Lösungen mit ihren Marketingzielen und dem Vermarktungsumfeld selbst zu bewerten. Dies ist allerdings angreifbar, weil vorgeblich jeder im Unternehmen etwas von Kommunikation versteht und weil subjektive Maßstäbe zugrunde liegen, über die sich trefflich streiten lässt. Insofern verstecken sich gerade angestellte Manager gern hinter der „Voice of the Customer“, nicht wissend oder nicht beachtend, dass Marktforschungsergebnisse auch auf ganz andere Art und Weise zustande kommen. Gerade für den Fall der Betreuung neuer Produkte bietet sich als andere Vorgehensweise die des progressiven Kennenlernens an. Man beauftragt seine potenzielle Werbeagentur zunächst nur mit der Situationsanalyse eines intendierten Marktes und diskutiert anschließend mit ihr die Ergebnisse. Oder man beauftragt sie zur Formulierung von Marketingzielsetzungen für diesen Markt und diskutiert die Ergebnisse. Oder man beauftragt nur einzelne Kommunikationsinstrumente, um daraus auf die gesamte Arbeitsweise zu schließen. Die Vergütung erfolgt jeweils auf Projektbasis. So kann im Lauf der Zeit unter realistischen Bedingungen festgestellt werden, ob ein Agenturpartner passt oder nicht. Für bestehende Produkte aus Running Business ist dies jedoch meist nicht möglich. Denkbar ist auch die Vereinbarung eines gemeinsamen Workshops zur praktischen Absehbarkeit einer Zusammenarbeit. Dabei sollte es um eine konkrete, eng umrissene Aufgabe aus der Marketingkommunikation handeln, in die sich potenzielle Werbeagentur und Werbungtreibender einbringen, um so zu erfahren, ob man wirklich auf der gleichen Wellenlänge tickt wie vermutet oder sich die Che-

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mie doch als nicht tragfähig herausstellt. Dann ist bis dahin für beide Seiten nur wenig Porzellan zerschlagen. Hat man sich zugunsten einer Werbeagentur entschieden, müssen vor einer weiteren Zusammenarbeit unbedingt die vertraglichen Bedingungen festgezurrt werden. Dabei ist wichtig zu wissen, dass es keine Pauschalregelungen gibt, sondern jeder Vertrag so individuell ist wie die Agentur-Kunden-Beziehung. Daher kommt es auf das Verhandlungsgeschick an, wie man sich einigt.

29.8 Optionen der Agenturanbindung Unterscheidet man nach den vier primären Wertschöpfungsstufen, Beratung in Marketing, Kreation, Media und Produktion, so können diese alternativ vom Werbungtreibenden intern oder der Werbeagentur extern wahrgenommen werden. Dementsprechend ergeben sich für die Anbindung einer Werbeagentur an den Werbungtreibenden mehrere Möglichkeiten. Die fünf häufigst vorkommenden Ausprägungen werden im Folgenden kurz dargestellt (siehe Abbildung XII/228: Optionen der Werbeagenturanbindung). Die Konstellation einer hauseigenen Werbeagentur war früher weiter verbreitet als heute. Deren Funktion entspricht der einer Werbeabteilung des Unternehmens. Da jedoch nur Mittler Anspruch auf 15 % AE-Provision der tarifgebundenen Medien haben, nicht aber direkte Auftraggeber, behält die Werbeagentur dabei einen rechtlich selbständigen Status. Die Werbeagentur übernimmt sowohl die absatzwirtschaftliche als auch die kreative Betreuung des Hausetats. Fallweise werden sogar externe Auftraggeber akzeptiert.

Abbildung XII/228: Optionen der Werbeagenturanbindung

Im Unterschied dazu können der absatzwirtschaftliche und der kreative Part aber auch getrennt werden. So mögen Marketing und Kreation im eigenen Haus erfolgen, etwa weil dort bei stark erklärungsbedürftigen Produkten mehr spezifisches Know-how vorhanden ist, während Realisation und Schaltung der Werbung nach außen vergeben werden, etwa wegen der dort vermuteten größeren Kompetenz in den komplexen Bereichen Produktion und Media.

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Umgekehrt können aber auch gerade die hoch sensiblen Bereiche Marketing und Kreation an externe Zulieferer, die frei von innerbetrieblichen Scheuklappen sind, vergeben und die Media- und Produktions-Parts intern abgewickelt werden. Extern kann es sich neben der Dauerbetreuung durch eine Werbeagentur auch um die einzelfallabhängige Vergabe an Freelancer handeln. Schließlich können auch alle werbebedingten Arbeiten nach außen vergeben werden. Hierbei ist eine Dauervergabe an eine Full Service-Agentur denkbar oder wiederum die wechselnde, projektabhängige Beauftragung einzelner Zulieferer für das gesamte Package. Große Werbungtreibende binden eine oder mehrere internationale Agenturketten /  Networks als feste Partner an sich und beauftragen diese global mit ihren Werbeaufgaben im Rahmen einer Alignment Policy. Dafür verlangen sie die Berücksichtigung eines oftmals exzessiven Konkurrenzausschlusses. Hinsichtlich der externen Vergabe besteht ein Trend zur Trennung von Marketing-, Kreations- und Produktions-Parts einerseits sowie Media-Part andererseits. Für letzteres kaufen Mediaagenturen in eigenem Namen und für eigene Rechnung Werbeplätze als Anzeigenseiten, Spotsekunden, Plakatflächen in großem Umfang ein und handeln dafür mit den Sendern, Verlagen und Pächtern großzügige, die offiziell ausgewiesene Rabattstaffel weit überschreitende Nachlässe aus. Dann bieten sie Werbungtreibenden eben diese Werbeplätze als Blockangebote zu gewinnbringenden Konditionen an (= Brokerage). Der Vorteil für die Werbungdurchführenden liegt in der Hebelwirkung großer Absatzmengen in wenigen Transaktionen, der Vorteil der Werbungtreibenden in den daraus resultierenden günstigeren Konditionen, die sie selbst mit ihrem begrenzten Werbevolumen nicht erreichen können. Dieses Verfahren führt allerdings zur Gigantomanie, da die Nachlässe seitens der Werbedurchführenden umso höher ausfallen, je größer das Abnahmevolumen an Werbeplätzen ist. Außerdem fördert es die Intransparenz der Werbebranche, da Konditionen nicht mehr fest sind, sondern Verhandlungssache werden. Das System wird dadurch unterlaufen, dass Mediaagenturen zunehmend nicht mehr nur als Mittler / Treuhänder auftreten, sondern Mediavolumen in eigenem Namen und auf eigene Rechnung zu großen Mengen als Bulk Buying einkaufen und dieses Inventar dann gebündelt oder auch einzeln an Werbungtreibende weitergeben. Damit entfällt die Mittlerfunktion und auch die Provisionsbasis. Vielmehr werden von Werbungdurchführenden teils enorm hohe Mengenrabatte auf das Einkaufsvolumen gewährt. Für die Werbeberatung bedeutet dies womöglich, dass die Arbeitsbasis der neutralen Empfehlung verlassen wird, weil man annehmen kann, dass Empfehlungen der Agentur nicht mehr auf objektiven Ergebnissen beruhen, sondern auf dem „Lagerdruck“ vorrätiger Werbeplätze, die unter dem Problem des drohenden Verfalls bis zum Einschalttermin stehen und danach nicht mehr verkäuflich sind. Alternativ kann man annehmen, dass Werbungdurchführende unter dem Druck des Trading bereit sind, Entgelte an Agenturen zu zahlen, die über die in der Vergangenheit übliche 15 %-Grenze hinausgehen. Da diese Entgelte direkt mit der

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treuhänderischen Tätigkeit der Agentur zusammenhängen, steht außer Zweifel, dass diese Rückvergütungen der werbungtreibenden Wirtschaft zustehen und nicht der Agentur. Es ist jedoch kaum nachvollziehbar, ob dies so von Agenturen tatsächlich auch so praktiziert wird, im Gegenteil, im Einzelfall ist bereits (gerichts-) aktenkundig, dass dies eben nicht so praktiziert wurde.

30. Ablauforganisation der Beauftragung Für den Erfolg der Zusammenarbeit ist Struktur, sondern auch der Prozess der Organisation abzuklären. Das Briefing stellt dabei die Schnittstelle zwischen Planung und Umsetzung von Werbung dar. Es geht entweder an die interne Werbeabteilung oder eine externe Werbeagentur. Der Briefingprozess (30.1) unterscheidet sich zwischen beiden kaum. Den Abschluss bilden allgemeine Hinweise zum Briefing für Werbungsmittler (30.2) und Werbungtreibende (30.3).

30.1 Briefingprozess Der Begriff „Briefing“ stammt aus dem Angelsächsischen und dort wiederum aus dem Militärwesen und meint die Unterrichtung über und Einweisung in eine Thematik sowie die Einsatz- oder Lagebesprechung. Da die in den 1960er Jahren auflebende Werbebranche in den USA noch stark von Militarismen durchsetzt war, wurde dieser Begriff in die Werbung übernommen und dort für eine kurze, exakte Lageinformation und Auftragserteilung eingesetzt. Im deutschsprachigen Raum wurde der Begriff dann mangels einer prägnanteren Alternative übernommen. Auch heute noch verraten zahlreiche Managementbegriffe diesen Background, wie Chief Executive Officer, Werbefeldzug.

Abbildung XII/229: Elemente des Briefing

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Für das Briefing sind der Geschäftsrahmen (30.1.1), die Durchführung (30.1.2), die Inhalte (30.1.3) und die Abfolge (30.1.4) zu klären. Darauf wird im Folgenden detailliert eingegangen. Die Umstände des Briefing sind im Einzelnen von einer Reihe von Faktoren abhängig, vor allem von der Dauer der Zusammenarbeit, der Art der zu briefenden Werbeaktivitäten, dem Umfang der Werbeaktivitäten und der Anzahl potenzieller Auftragnehmer (siehe Abbildung XII/229: Elemente des Briefing). 30.1.1 Geschäftsrahmen Der Geschäftsrahmen gibt die Leitlinien des Briefingprozesses vor. Dazu gehören die vorliegende oder beabsichtigte Dauer der Zusammenarbeit, die Art der jeweils infrage stehenden Werbeaktivitäten, deren instrumentaler Umfang und die Anzahl der daran beteiligten Auftragnehmer. 30.1.1.1 Dauer der Zusammenarbeit Zunächst kommt es darauf an, ob die Partner erstmalig zusammen arbeiten oder ob es sich um eine bereits laufende Zusammenarbeit handelt. Bei einer erstmaligen Zusammenarbeit ist notwendigerweise ein größerer Wissenstransfer zwischen den Beteiligten zu leisten. Denn es gilt, zunächst die Rahmendaten des Unternehmens zu vermitteln, also die unterliegende Unternehmensphilosophie, die übergeordneten Unternehmensziele und die generalistischen Marketingziele. Diese brauchen im Verlauf der weiteren Zusammenarbeit normalerweise nicht mehr vermittelt zu werden, da sie längerfristigen Bestand haben, sondern erst wieder, wenn sich diese Rahmendaten ändern. Zusätzlich zu diesen Rahmendaten sind dann die jeweils spezifischen Projektdaten zu vermitteln. Bei einer laufenden Zusammenarbeit hingegen reicht es im Allgemeinen aus, nur die spezifischen Projektdaten zu vermitteln, da vorausgesetzt werden kann, dass die umfangreichen Rahmendaten bereits bekannt und vertraut sind. Häufig wird von beauftragenden Werbungtreibenden für die erstmalige Zusammenarbeit gerade die notwendige Vermittlung der Rahmendaten versäumt. Dies liegt nahe, handelt es sich doch aus Sicht der Briefenden um Selbstverständlichkeiten der täglichen Arbeit, wobei ihnen allerdings nicht bewusst ist, dass sie von anderen nicht in dem Maße gekannt und auch nicht ohne Weiteres recherchiert werden können. Gerade das Nichtgesagte führt daher im Briefing zu vielfältigen Missverständnissen. Deshalb ist es im Sinne der Effizienz erforderlich, bei erstmaliger Zusammenarbeit intensiv auf die Rahmendaten einzugehen, zumal es sich dabei zumeist um „weiche“ Faktoren handelt, die ansonsten in den Briefinginhalten kaum zum Ausdruck kommen, das Ergebnis der Arbeiten aber enorm beeinflussen. Aus Gründen der Schnittstelleneffizienz ist es zweckmäßig, die Berater nicht unnötig häufig zu wechseln. Denn jeder Wechsel zieht Informationsverluste nach

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sich. So geht das einmal vermittelte Know-how des Grundlagen-Briefing verloren. Ebenso geht das im Betreuungsverlauf aufgebaute Know-how verloren und kommt später vielleicht sogar Mitbewerbern zugute. Es ist freilich einfach, bei mangelndem Erfolg die Verursachung bei Externen zu suchen, vielleicht zu einfach. Vor allem sollte man sich als Auftraggeber immer wieder vor Augen führen, dass der Output nur so gut sein kann wie der Input, das Briefing, dies zulässt. 30.1.1.2 Art der Werbeaktivitäten Auch hinsichtlich der spezifischen Projektdaten ist Umsicht erforderlich. Das Briefing hat umso umfangreicher und detaillierter zu sein, je weitreichendere Werbeaktivitäten als Ergebnis der Arbeiten erwartet werden. Handelt es sich um eine laufende Kampagne, die lediglich um aktuelle Maßnahmen ergänzt werden soll, können viele der notwendigen Briefinginhalte als aus dem ursprünglichen Briefing der Werbekampagne bereits bekannt vorausgesetzt werden. Handelt es sich hingegen erst um die Beauftragung einer solchen neuen Kampagne, muss weitaus mehr Informationshintergrund bereitgestellt werden. In diesem Zusammenhang ist es ratsam, laufende Werbekampagnen nicht unnötig häufig zu wechseln. Es braucht eine nicht geringe Zeit, bis sich ein Angebot / Anbieter im allgemeinen Überfluss der Informationen bei seinen Zielpersonen bemerkbar gemacht hat, erst dann können nennenswerte Markterfolge erreicht werden. Wird eine Werbekampagne aber noch vor Erreichen dieses Stadiums „gekippt“, fängt die Nachfolgekampagne weitgehend wieder von vorn an, das bedeutet, dass bereits aufgebaute Bekanntheit und Vertrautheit verlorengeht und neu zurück gewonnen werden muss. Es ist daher wichtig, der werblichen Penetration eine Chance zu geben. Nur dann kann eine Treppe entstehen, bei der jeder Werbeanstoß auf dem nächsten aufbaut und insgesamt ein immer höheres Niveau erreicht wird. Dem steht der Zwang nach immer kurzfristigeren Ergebnissen nur scheinbar entgegen. Denn ist die Aktionsbasis erst einmal fundiert, kann darauf aufbauend auch kurzfristig Erfolg erreicht werden. 30.1.1.3 Umfang der Werbeaktivitäten Auch hinsichtlich des Umfangs der beauftragten Arbeiten ist zu unterscheiden. Zunehmend werden im Zuge integrierter Marketingkommunikation instrumente­ übergreifende Aktivitäten eingesetzt. Das heißt, neben der Klassischen Werbung werden etwa auch Dialogwerbung, Verkaufsförderung und Öffentlichkeitsarbeit als Basisinstrumente, inkl. aller üblichen Subinstrumente, gebrieft. Ein solches Briefing hat notwendigerweise weitreichender angelegt zu sein als ein Briefing nur für ein Kommunikationsinstrument oder gar ein Subinstrument.

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Unternehmen, die es sich leisten können, mehrere Ansprachekanäle parallel einzusetzen, profitieren dabei bei geschickter Anlage von synergetischen Effekten. Dazu können die verschiedenen Kanäle ihre Wirkung gegenseitig verstärken oder auch ergänzen. Voraussetzung ist allerdings immer ein aufeinander abgestimmtes Konzept der Werbeaktivitäten. Dies führt dazu, dass isolierte Briefings nur für ein Kommunikationsinstrument immer seltener werden, sondern zunehmend alle Instrumente gemeinsam betrachtet werden. Daher ist es ausgesprochen weitsichtig, im Briefing für ein Kommunikationsinstrument bereits eine Ausweitung auf andere Kommunikationsinstrumente als Option zu berücksichtigen. Auf diese Weise erhält man sich zumindest die Chance auf die Nutzung synergetischer Effekte, die konkret budgetschonend wirken. 30.1.1.4 Anzahl der Auftragnehmer Ein weiterer Einflussfaktor auf die Briefing-Inhalte ist die Anlage der Auftragserteilung. Denkbar ist die feste Zusammenarbeit mit einem Agenturpartner, der weiß, dass er der einzige Auftragnehmer ist. Dies entspricht der in der Industrie weit verbreiteten Philosophie des Single Sourcing. Zunehmend gehen werbungtreibende Unternehmen aber dazu über, in immer kürzeren Zeitabständen ihre Agenturbeziehungen auf den Prüfstand zu stellen. Dies kann durch verschiedene Formen erfolgen. Verbreitet ist die parallele Auftragserteilung an mehrere Zulieferer als Pitch mit der Maßgabe, dass der Provider mit dem besten Ergebnis den Auftrag erhält. Meist werden dazu drei potenzielle Auftragnehmer parallel zum Briefing eingeladen, häufig ufert diese Zahl aber auch erheblich aus. Vielfach werden zudem kostenlose Vorleistungen in Form der Briefing-Erfüllung verlangt, die als Vorqualifikation gelten, um für eine spätere Beauftragung überhaupt in Betracht zu kommen. Im Fall der Ausschreibung ist darauf zu achten, dass alle Agenturen identische Briefings erhalten, damit der Zweck einer Konkurrenzpräsentation auch erfüllt werden kann. Falls es eine bestehende Agenturbeziehung gibt, kann dies für die betreffende Agentur je nach Lage der Dinge durchaus ein Vor- oder Nachteil sein, ein Vorteil, weil ein Informationsvorsprung aus der Vergangenheit vor den Mitbewerbern besteht, ein Nachteil, weil erst Kundenunzufriedenheiten Auslöser für die Konkurrenzpräsentation gewesen sein mögen. Aus diesem Grund, aber auch aus gekränkter Eitelkeit, verzichten Agenturen zunehmend auf eine Verteidigung ihres Etats in einem Pitch.

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30.1.2 Durchführung Zur Durchführung gehören im Einzelnen als Variable die Art, Teilnehmer, Erteilung und Taktik des Briefing. 30.1.2.1 Art des Briefing Für die praktische Durchführung des Briefing muss nach der Art der Briefinginhalte unterschieden werden. Denkbar sind prinzipiell drei Briefinginhalte. Es kann sich um ein Strategiebriefing handeln. Darunter versteht man ein Briefing mit der Erwartung einer verbal ausgearbeiteten Kommunikationsstrategie als Ergebnis. Bei exakter Vorgehensweise gibt die Kommunikationsstrategie bereits den Rahmen für das werbliche Ergebnis vor. Es kann sich um ein Gestaltungsbriefing handeln. Darunter versteht man ein Briefing mit der Erwartung bereits ausgearbeiteter Werbemittel als Ergebnis. Dabei kann die Kommunikationsstrategie durch den Auftraggeber bereits ausgearbeitet worden sein oder vom potenziellen Auftragnehmer als Voraussetzung für die Erarbeitung einer werblichen Umsetzung geleistet werden. Es kann sich um ein reines Mediabriefing handeln. Darunter versteht man ein Briefing mit der Erwartung einer ausgearbeiteten Mediastrategie als Ergebnis. Dabei wird auf vorhandenen Werbemitteln aufgebaut, es geht um den darauf aufbauenden Mediaeinsatz. Da die genannten drei Inhalte sehr unterschiedliche Anforderungen stellen, bildet sich zunehmend eine Spezialisierung hinsichtlich dieser drei Gruppen heraus. Kommunikationsstrategien werden etwa verstärkt von Unternehmens- und Marketingberatungen ausgearbeitet, werbliche Umsetzungen von auf Grafik- und Textkreation spezialisierten Agenturen als Hotshops und Mediastrategien von selbstständigen Mediaagenturen. 30.1.2.2 Teilnehmer am Briefing Bei den Teilnehmern am Briefing ist zwischen Teilnehmern auf der Auftraggeberseite und solchen auf der Auftragnehmerseite zu unterscheiden. Auf der Auftraggeberseite ist die Anzahl und Zusammensetzung der Teilnehmer von der Bedeutung des Briefing abhängig. Bei grundsätzlichen Briefings kann die Besetzung von der Geschäftsleitung über die Marketingleitung, das Produktmanagement bis hin zur Werbeleitung erfolgen. Mit abnehmender Bedeutung werden die oberen Hierarchie­ ebenen immer seltener zu den Briefingteilnehmern auf Auftraggeberseite zählen. Ähnlich verhält es sich bei den Teilnehmern auf der Auftragnehmerseite. Hier ist bei grundsätzlichen Briefings an Geschäftsleitung, Kundenberatung, Kreativ-

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beratung und evtl. Mediaberatung zu denken. Mit abnehmender Bedeutung werden auch hier die oberen Hierarchieebenen seltener auftreten. Allerdings zählt die Kundenberatung aufgrund ihrer Kontaktaufgabe immer zu den Teilnehmern und häufiger als vielleicht notwendig tritt auch die Geschäftsleitung auf, weil es potenziellen Auftraggebern schmeichelt, wenn hochrangige Agenturmitarbeiter zum Briefing erscheinen. Für Auftragnehmer ist es bedeutsam, sicher zu stellen, dass erstens eine Kontinuität der Ansprechpartner vom Briefing über die Präsentation und im Erfolgsfall anschließende Job-Abwicklung bis zur Realisation in der Agentur gewährleistet ist und zweitens die Ansprechpartner unmittelbar auf die Umsetzung Einfluss nehmen können und nicht „über der Sache schweben“ oder intern nur repräsentierende Bedeutung haben. Dann geht das Briefing an die Falschen. 30.1.2.3 Erteilung des Briefing In Bezug auf die Form soll ein Briefing, außer es handelt sich um reine Routinearbeiten, die einzuleiten sind, mündlich erfolgen. Auch in Zeiten telekommunikativer Arbeitsmittel bleibt Werbung immer noch „People Business“. Es kommt neben den Hard facts der Briefinginhalte entscheidend auf den Fit zwischen Auftraggeber- und Auftragnehmerseite an. Wenn die Chemie dabei nicht stimmt, sind alle Bemühungen von vornherein limitiert, so sorgfältig sie auch ausgearbeitet sein mögen. Räumliche Distanz lässt dabei eine Sperre entstehen, die eine emotionale Einschätzung der Partner nur schwer zulässt. Naturgemäß ist eine solche Einschätzung umso weniger erforderlich, je bekannter und vertrauter die Teilnehmer einander sind, sei es aufgrund laufender oder auch früherer Zusammenarbeit. Dann sind moderne Informations- und Kommunikationstechnologien, etwa zur Zwischenabstimmung oder Inhaltsergänzung, durchaus sehr effizient einsetzbar. Generell schwierig ist die Briefingerteilung nur auf schriftlichem Weg, selbst wenn es sich um eine eingefahrene Zusammenarbeit handelt. Denn häufig sind schriftliche Briefings nicht selbsterklärend, sondern bedürfen der gemeinsamen Hinterfragung. Das führt dann nach kritischer Diskussion nicht selten bis zur totalen Umformulierung des Briefing. Was keineswegs bedeutet, dass auf ein schriftliches Briefing verzichtet werden kann. Im Gegenteil, kein Briefing darf ohne schriftliche Grundlage erteilt oder entgegen genommen werden. Dies hat neben Gründen der Rechtssicherheit zur Honorarabrechnung auch didaktische Ursachen. Eine schriftliche Fixierung von Inhalten erfordert nämlich vom Auftraggeber ein sehr viel genaueres Durchdenken als das einfache mündliche Dahersagen. Zudem ist eine Verdichtung der Inhalte erforderlich, damit der Auftragnehmer „on strategy“ arbeiten und dies auch kontrolliert werden kann.

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Dies hat bei vielen Werbungtreibenden zur Einführung von Ein-Seiten-Briefings / Single Sheet geführt. Dabei werden alle für das Briefing notwendigen Kerninformationen auf eine Seite, meist in Form eines Formulars oder einer Checklist, zusammengefasst. Dies sichert einerseits eine gewisse Vollständigkeit, erfordert andererseits aber auch eine Fokussierung der Inhalte auf die knappest mögliche Form. Welche Inhalte zu einem solchen verknappten Briefing gehören, hängt wiederum von den Umständen des Einzelfalls ab. Bei neuer Zusammenarbeit, bei einer umfassenden Werbekampagne oder bei Einsatz mehrerer Kommunikationsinstrumente haben diese ausführlicher zu sein als bei laufender Zusammenarbeit, werblichen Einzelmaßnahmen oder monadischem Instrumentaleinsatz. Außerdem hängt es davon ab, ob eine Strategie-, eine Umsetzung- oder eine Mediapräsentation erwartet wird. Denkbar ist auch die Kombination zwischen einem konzentriertem Briefing und ergänzendem Informationsmaterial. Unter Effizienzgesichtspunkten nicht akzeptabel ist es hingegen, wenn dem Auftragnehmer selbst die Auswahl der relevanten Informationen überlassen wird, denn dies führt leicht zur Falschauswahl und damit zu nicht belastbaren Ergebnissen. Außerdem ist das Arbeitsresultat immer nur so gut wie das ihm zugrunde liegende Briefing. 30.1.2.4 Briefingtaktik Für Auftraggeber ist es unbedingt sinnvoll, darauf zu dringen, dass die unmittelbar Arbeitsausführenden zum Briefingtermin persönlich anwesend sind. Und das aus mehreren Gründen. Erstens ist es von hohem Interesse zu erfahren, in wessen Hände man konkret sein Problem mit der Hoffnung auf eine adäquate Lösung legt. Zweitens dürfte die Motivation der Beteiligten höher sein, wenn sie sich unmittelbar ihrem Auftraggeber gegenüber in der Pflicht fühlen. Und drittens vermeidet man auf diese Weise das ärgerliche „Stille Post“-Prinzip mit erheblichen Informationsverzerrungen bei der Weitergabe von Briefinginhalten von Stelle zu Stelle. Die Auftragnehmer haben hingegen meist eine andere Interessenlage. Sie schicken routinierte Kontakter vor, welche die Agentur geschliffen präsentieren, die Arbeit „Zuhause“ aber im Wesentlichen von anderen erledigen und sich fertig gestellt wieder übergeben lassen, um sie dann zu präsentieren. Gerade in dieser Praktik liegt häufig die Wurzel allen Übels bei Briefingmisserfolgen. Allerdings darf man bei der Konfrontation mit anderen Agenturmitarbeitern auch nicht verschreckt ob der Personen, die als Kreativberater vorgestellt werden, reagieren. Außerdem ist es wichtig, beim Briefing soviel unmittelbares Erleben der relevanten Prozesse im Auftraggeberunternehmen zu vermitteln wie nur möglich. Es gilt, Produktionsanlagen zu zeigen, Abteilungsspezialisten zu Wort kommen zu lassen, Produktmuster bereitzustellen, kurz alles zu tun, um das gebriefte Problem so an-

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schaulich wie nur möglich werden zu lassen. Diese Eindrücke können gar nicht hoch genug bewertet werden, liefern sie doch häufig bereits den Kern der Problemlösung. Dies gilt vor allem bei sachinformationslastigen Werbemitteln wie Katalogen, Prospekten oder Bedienungsanleitungen. 30.1.3 Inhalt Inhalte des Briefing betreffen die strategische Anlage, die Ausgangsdaten, konzeptionelle Vorgaben und Umsetzungsleitlinien. 30.1.3.1 Briefingstrategie Hinsichtlich der gängigen Elemente des Briefing bestehen durchaus verschiedenartige Ansichten. Im Kern geht es darum, ob das Briefing sich auf die Rahmendaten beschränken soll, die dem Auftragnehmer ein Lösungsfeld freilassen, das er inhaltlich unter Nutzung seiner Kompetenzen ausfüllen kann, oder ob im Briefing bereits konkrete Vorgaben für die Lösung gegeben werden sollen, die anzeigen, wie genau der Auftraggeber sich „seine“ Lösung vorstellt. Beide Ansichten haben Vor- und Nachteile, so dass es letztlich auf die Unternehmenskultur ankommt, welche Ansicht man sich zueigen macht. Die Beschränkung auf Vorgaben der Rahmendaten erlaubt es, das Leistungspotenzial der Agentur möglichst vollständig auszuschöpfen. Dafür muss man in Kauf nehmen, dass Arbeiten später zwar innerhalb des Lösungsfelds liegen, aber dennoch ganz anders „aussehen“ als man sich das ursprünglich vorgestellt hätte. Die konkrete Vorgabe von Inhalten, die dann nur noch zu detaillieren und auszuschmücken sind, ergibt zwar mit viel höherer Wahrscheinlichkeit eine Lösung, wie man sie sich wünscht, nutzt aber die überlegene Kompetenz des Partners nur unvollkommen. Mit beiden Ansichten werden durchaus gute Lösungen erreicht, es kommt daher auf den Einzelfall an. Viele Werber sind auch dankbar für eine möglichst konkrete Vorgabe dessen, was von ihnen erwartet wird, weil sie dann zielgerichteter und mit weniger Umwegen arbeiten können. Andere Werber hingegen betrachten diese Vorgaben als Einengung ihrer beraterischen Souveränität und möchten bewusst mehr Freiraum eingeräumt erhalten oder lehnen Aufträge andernfalls ab. 30.1.3.2 Ausgangsdaten Ein Briefing der Ausgangsdaten besteht wiederum im Einzelnen aus zwei Bausteinen, dem Vermarktungsumfeld und dem Marketingkonzept. Die Elemente des Vermarktungsumfelds sind die Folgenden:

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• Unternehmensdarstellung. Hier geht es um das Selbstverständnis des werbungtreibenden Unternehmens, was naturgemäß nur bei erstmaliger Zusammenarbeit mit einer Agentur von Belang ist. Aber auch bei nur sporadischer Zusammenarbeit ist ein Update gerade bei der rapiden Fortschrittsgeschwindigkeit der Wirtschaftswirklichkeit von hoher Bedeutung. Vor allem geht es dabei um die Vermittlung der obersten Unternehmensziele / Mission Statement und der übergeordneten Marketingziele, aus denen die Werbeziele logisch ableitbar sein müssen und dann in einzelnen Aktionszielen münden. • Werbeumfelddarstellung. Hierbei geht es um die Rahmenbedingungen für Werbeaktivitäten. Dazu gehören der Relevante Markt, auf dem man sich zu behaupten gedenkt sowie um die relevanten Konkurrenten dort, gegen die man sich durchzusetzen hat. Weiterhin ist an die Wiederverkäufer bei indirekter Distribution und die Endkunden zu denken, die als Zwischen- oder Endabnehmer die Erlösquelle jedes Unternehmens darstellen. Da die Vermarktungsbedingungen sich immer intransparenter darstellen, ist hier eine intensive Analyse unerlässlich. • Werbeobjektdarstellung. Hier geht es um die Art des zu bewerbenden Angebots. Gerade bei erklärungsbedürftigen, komplexen Produkten ist es wichtig, die Agentur möglichst genau darüber in Kenntnis zu setzen, worin deren Leistungsmerkmale bestehen. Dabei geht es wohlgemerkt nicht darum, wie eine Leistung technisch zustande kommt, sondern darum, worin diese Leistung besteht und welche Leistungsmerkmale sie potenziellen Nutzern bietet. Zum besseren Verständnis bieten sich Demonstrationen oder Betriebsbesichtigungen an, die schon häufig instruktive Eindrücke für mögliche Lösungen geboten haben. • Werbebudgetdarstellung. Hier geht es darum zu spezifizieren, welche Geldmittel über welchen Zeitraum für welche Zwecke der Werbung zur Verfügung stehen. Wer im Briefing keine Budgetbegrenzung nennt, etwa aus falscher Scham über ein absolut geringes Budget oder aufgrund noch nicht abgeschlossener Budgetplanungen, darf sich nicht wundern, dass er zwar gute, für ihn aber mutmaßlich unbezahlbare Lösungen erhält. Denn natürlich denkt jeder Werber zuerst einmal „groß“. Allerdings ist die Aussage, dass es nur auf gute Ideen und nicht auf das Geld ankommt, auch unsinnig. Gute Ideen ohne angemessene Verbreitung und Penetration verpuffen kläglich, wohingegen es mittelprächtige Ideen bei hohem Budget und entsprechender Penetration schaffen. • Werbezieldarstellung. Hier geht es darum, möglichst präzise das Werbeziel zu spezifizieren. Je exakter die Zielvorgabe ist, desto eher kann man erwarten, mit einer Problemlösung möglichst nahe des anvisierten Ziels zu landen. Punktlandungen sind ohnehin nur möglich, wenn das Werbeziel genau ausformuliert ist. Es ist darauf zu achten, dass Ziele in Anbetracht der Ressourcen realistisch sind und Maßstäbe verankert werden, anhand derer die häufig qualitative Zielerreichung später dann auch angemessen geprüft und beurteilt werden kann. • Darstellung der Randbedingungen. Hier werden alle Elemente genannt, die allgemein auf die Zielerreichung einwirken. Dazu gehören etwa rechtliche Vorgaben

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wie spezifische Gesetzgebung, Selbstbeschränkungsabkommen oder Verbandsübereinkünfte, aber auch unternehmenspolitische Maßgaben wie Werbeträgerauswahl, Werbeaussagen, Werbemittelproduktionsmethoden und Rücksichten auf Anspruchsgruppen wie bestimmte Shareholder, Branchenräson, politische Gruppen. Zentral für die Arbeit sind jedoch die Angaben des auszudeckenden Werbegebiets und des abzudeckenden Werbezeitraums. 30.1.3.3 Konzeptionelle Basis Neben dem Vermarktungsumfeld ist die Konzeption der zweite obligatorische Baustein des Briefing. Dessen Elemente sind die Folgenden: • Zielgruppe. Die Zielgruppe definiert, welche Personen / Entscheider die vorher bestimmte Kaufkraft verkörpern. Dabei ist neben herkömmlichen funktionalen und abteilungsbezogenen Abgrenzungen vor allem an solche psychologischer oder soziologischer Art zu denken. Je aussagefähiger die Datenbasis in dieser Richtung ist, desto genauer können Zielpersonen anvisiert werden. Neben allgemeinen Beschreibungen sind dazu konkrete Interaktionsdaten von Bedeutung, wie sie im Rahmen des Database Management vorliegen sollten. Außerdem sind durchaus zwei oder mehr, nach kriteriellen Maßstäben definierte Teilzielgruppen sinnvoll, die mit unterschiedlichen Fokus anvisiert werden. • Absatzquelle. Die Absatzquelle bestimmt, wo die Kaufkraft am Markt herkommen soll, von der ein Angebot existieren will. Klassische Beispiele betreffen die Gewinnung von Erstkäufern der Produktgattung, von Probierkäufern der Marke, die Stabilisierung der Wiederkaufrate, die Anregung zur ausschließlichen Nutzung eines Angebots durch Käufer, zur zeitlich verkürzten Nutzung des Werbeobjekts oder zur Nutzung höherpreisiger Formen des Objekts, die Induzierung von Mehrfachkäufen als Cross Buying oder die Motivation zur Weiterempfehlung. Je nach Bestimmung der Absatzquelle kommen naturgemäß ganz verschiedenartige Werbeformen und -inhalte in Betracht. Daher ist eine zutreffende Bestimmung der Absatzquelle von erheblicher Bedeutung. • Positionierung. Die Positionierung gibt darüber Auskunft, was das beworbene Angebot besser zu können behauptet als jedes andere (= Claim). Ohne eine solche, glaubhafte und zumindest ansatzweise vorhandene, auch kommunikative Alleinstellung haben neue Angebote kaum mehr eine Chance am Markt bzw. geraten bestehende Angebote in akute Gefahr der Verdrängung. Die Positionierung ist dabei erst Konzepttext und noch nicht Werbetext, es kommt also auf die präzise und buchstabengenaue Formulierung an. Bedeutsam ist auch die Angabe der Begründung für die Behauptung (= Reason Why). Die Elemente der Konzeption sind von essenzieller Bedeutung für das Briefing. Um exakte Arbeitsvoraussetzungen zu schaffen, ist unbedingt der Versuchung zu widerstehen, diese Definitionen in blumige und langatmige Formulierungen zu

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verpacken. Ideal sind max. drei Sätze zu jedem Element. Um auf diese Formulierung zu kommen, bedarf es jedoch vieler Formulierungsansätze, denn je knapper die Fassung, desto exakter muss sie durchdacht sein.

30.1.3.4 Umsetzungsleitlinien Im Bereich der konkreten Vorgaben handelt es sich um Umsetzungsleitlinien, die nicht disponibel sind. Diese können formale oder materielle Aspekte betreffen. Formal sind vor allem drei Bereiche zu nennen: • Visualität. Hier geht es um die Vorgabe bestimmter visueller Gestaltungselemente, die sich etwa auf die Verwendung der Hausfarben, den Einsatz bestimmter Fotostile oder auch unterliegende einheitliche Layoutraster beziehen. Durch diese Vorgaben wird der Gestaltungsspielraum der Umsetzung bereits stark eingeschränkt. Jedoch kommt es zu einer stärkeren optischen Geschlossenheit des Auftritts. • Tonalität. Hier geht es um die Vorgabe des Stils der Ansprache. Dies ist besonders wichtig, kommt darin doch das Verhältnis des Botschaftsabsenders zu seinen Zielpersonen zum Ausdruck. Unternehmen haben dafür häufig individuelle Ansprachestile bestimmt, die ihr Selbstverständnis zum Ausdruck bringen und sich meist an den Sprachgebrauch ihrer Kernziele anlehnen. • Stilkonstanten. Hier geht es um die Vorgabe von Identitätselementen, die durchgängig berücksichtigt und eingesetzt werden müssen. Je nach Umfang dieser Elemente kann dadurch eine mehr oder minder starke Einschränkung der Gestaltungsfreiräume für die Agentur entstehen. Dabei handelt es sich vor allem um Logo und Slogan / Claim. Weiter einschränkend wirken materielle Aspekte. Dabei belässt es der Auftraggeber nicht dabei, Negativabgrenzungen vorzunehmen, also das Feld der Möglichkeiten abzustecken, sondern er gibt dem Auftragnehmer positiv bestimmte Gestaltungen vor. Dies ist etwa der Fall, wenn ein Unternehmen unverrückbar an den Erfolg bestimmter Elemente glaubt und diese in jeder Umsetzung berücksichtigt wissen will. Inwieweit es klug ist, im Briefing derartig weit reichende formale und materielle Einschränkungen zu machen, ist fraglich. Denn akzeptiert man den Werbeberater, so ist einleuchtend, dass er in seinem Metier besser firm ist als man selbst, denn ansonsten bedürfte es ja keines Beraters. Wenn die Kompetenz aber auf Seiten des Beraters liegt, ist es zumindest unklug, vielleicht sogar schädlich, ihm konkrete Verhaltensweisen für seine Arbeit vorzugeben. Damit nutzt man gerade nicht das Potenzial des Beraters, den man bezahlt, sondern macht ihn zum Ausführungs­ gehilfen – in der Produktion würde man das „verlängerte Werkbank“ nennen. Vielmehr ist es sinnvoll, das ausdifferenzierte Ziel, das man durch Werbemaßnahmen

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zu erreichen sucht, die realen Mittel, die zur Zielerreichung zur Verfügung stehen, und die Restriktionen, die auf dem Weg dahin einzuhalten sind, anzugeben und die Kompetenz des Werbeberaters zu nutzen, um daraus eine bestmögliche Zielerreichung zu schaffen. Ebenso wie die verlängerte Werkbank in der Produktion „out“ ist, so ist auch die Vorgabe von Umsetzungsleitlinien zunehmend als überholt erkannt. Wichtig ist, folgende Maßgaben zu beachten: Das Briefing soll • schriftlich erfolgen, der Aufgabe entsprechend vollständig sein, aber so kurz wie möglich, präzise / eindeutig formuliert sein, konkret und verständlich gefasst werden, kreativen Freiraum lassen, motivierend wirken, mündlich besprochen werden, mit einem Re-Briefing versehen sein, immer vom Auftraggeber erstellt, von beiden Seiten als hinreichend erachtet, gestuft nach Basis-Briefing (Kampagne, Erstkontakt), Detail-Briefings (für Instrumente) eingeteilt sein. 30.1.4 Abfolge Die Abfolge der Briefing-Aktivitäten umfasst das eigentliche Briefing-Gespräch, ein Briefing-Formular, das Re-Briefing der beauftragten Problemstellung und das De-Briefing über die Arbeitsergebnisse. 30.1.4.1 Briefing-Gespräch Das Briefing soll, wie dargestellt, immer als mündliches Gespräch erfolgen. Diese Form bietet durch Dialog die Möglichkeit zur Hinterfragung der Ausführungen und zur Diskussion um das zutreffende Verständnis der Inhalte. Außerdem ist die Auftragserteilung immer auch eine Sache der „Chemie“, zumindest aber eine solche der Atmosphäre, und dafür ist das mündliche Gespräch am besten geeignet. Die Zeitdauer ist von der Art des Briefing im Einzelfall abhängig. Man sollte jedoch bedenken, dass Zeiteinsatz, der für eine präzise Auftragsformulierung eingesetzt wird, durch erhöhte Effizienz bei den nachfolgenden Arbeiten mehr als wieder herausgeholt werden kann. Allein, wenn es gelingt, unnötigen Arbeitsaufwand zu vermeiden, hat sich der Zeitaufwand für ein ausführliches Briefing schon bezahlt gemacht. Insofern sind enge Zeitbegrenzungen, wie sie im Management gern als Zeichen hoher Arbeitsbelastung ausgewiesen werden, in diesem Fall wenig sinnreich. Was den Ort des Briefinggesprächs anbelangt, ist es unbedingt empfehlenswert, dieses beim Auftraggeber stattfinden zu lassen. Erstens kann die Agentur / Beratung auf diese Weise vielfältig und unmittelbar die Unternehmenskultur des Auftraggebers wahrnehmen, eine wichtige Voraussetzung für die Stimmigkeit der Arbeiten. Zweitens können dort Unterlagen, deren Notwendigkeit sich erst im Verlauf des

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Briefing-Gesprächs herausstellt, unkompliziert beschafft werden. Und drittens ist ein Blick in relevante Abteilungen vor Ort möglich. Dabei treten nicht selten äußerst wertvolle Informationen zutage. 30.1.4.2 Briefing-Formular Aus Gründen der Systematik und auch, um nichts Wichtiges zu vergessen und eine gleiche Informationsbasis zu erreichen, bietet sich unbedingt die Nutzung eines Briefing-Formulars an. Dieses soll so kurz und prägnant wie möglich gehalten sein. Als zentrale Inhalte jedes Briefings stellen sich folgende dar (siehe Abbildung XII/230: Briefingformular).

Abbildung XII/230: Briefingformular

Zugleich können der Werbeagentur die für die Beurteilung anzulegenden Kriterien vermittelt werden. Das ist nur fair. Weiterhin sollte ein gut erreichbarer Ansprechpartner für Rückfragen angegeben, vor allem aber auch die Zeitleiste zur Aufgabenerfüllung aufgezeigt werden.

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30.1.4.3 Re-Briefing Es ist ein bekanntes Phänomen, dass ein und dieselben Botschaften von verschiedenen Empfängern durchaus verschiedenartig verstanden werden. So sind denn auch Briefing-Formulierungen meist nicht so eindeutig wie es wünschenswert wäre. Daher hat es sich, in der Sache zwar unnötig, aber doch bewährt, dass der Auftragnehmer im Re-Briefing zunächst die Briefinginhalte nach seinem Verständnis noch einmal mit eigenen Worten explizit wiedergibt. Daraus kann der Auftraggeber zeitnah ersehen, ob er richtig verstanden worden ist und ggf. noch korrigierend eingreifen, bevor wertvolle Zeit verloren gegangen oder unnötiger Kosteneinsatz aufgelaufen ist. Ein Re-Briefing ist auch dann sinnvoll, wenn die Briefing-Inhalte nicht so präzisiert sind wie das eigentlich wünschenswert wäre, ein Auftrag aber dennoch unbürokratisch ausgeführt werden soll. Auftraggeber verlassen sich oft aus Bequemlichkeit auf dieses Re-Briefing, weil dann die Arbeit der Fokussierung beim Auftragnehmer verbleibt. Dies ist allerdings fahrlässig, denn so erreicht regelmäßig der Andere seine Ziele zulasten der eigenen. Häufig ergibt sich bei genauerem Durchdenken eines Briefing auch eine andere Sicht des Problems, vor allem sind erfahrungsgemäß weitreichendere Maßnahmen erforderlich als die vom Auftraggeber gebrieften. Insofern ist das „Falsche“ gebrieft worden und die Arbeit nach Briefing führt womöglich nicht zur allseits gewünschten Problemlösung. Dann gibt das Re-Briefing die Chance, sich über die erweiterte oder auch verengte Problemsichtweise zu verständigen, noch bevor große Kosten für unzureichende Aktivitäten aufgelaufen sind. Denkbar ist auch die Ausarbeitung einer „Pflichtlösung“, die sich exakt auf die eigentlich gebriefte Problemstellung bezieht, sowie einer „Kürlösung“, die das neuformulierte Problem zum Gegenstand hat. Das hilft etwa dem Auftraggeber, sein Gesicht zu wahren, erhöht die Chancen in Konkurrenzpräsentationen und sichert dem Auftragnehmer die Bezahlung zumindest der Pflichtlösung. 30.1.4.4 De-Briefing Vom Re-Briefing zu unterscheiden ist das De-Briefing. Dieses erfolgt seitens des Auftraggebers nach Ausführung und Beendigung der jeweils gebrieften Arbeiten. Dabei handelt es sich um eine ausgesprochen sinnvolle Vorgehensweise. Dazu werden die Arbeitsergebnisse aufgrund des Briefings in ihren späteren Erfolgen am Markt durch den Werbungtreibenden dargestellt. Daraus kann dann leicht der Erfolg oder auch Misserfolg der Arbeiten abgelesen werden. Auf dieser Basis kommt es zur Manöverkritik. Nur auf diese Weise ist es möglich, fortgesetzt gemeinsam auf ein höheres Wissensniveau zu gelangen. Denn erfolgreiche Arbeiten geben den Werbern im De-

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Briefing Sicherheit in der Richtigkeit ihrer Herangehensweise für eine Problemlösung, und nicht erfolgreiche Arbeiten zeigen ihnen, wie es nicht sein kann und erhöhen somit die Effektivität für Folgearbeiten. Zwar erfordert das De-Briefing etwas Arbeitsaufwand beim Auftraggeber, dafür kommt es jedoch zum „Lernen des Lernens“. Auftraggeber und -nehmer erreichen auf diese Weise im Zeitablauf ein Wissensniveau, das die Chancen zukünftiger Projekte konkret erhöht. Wird hingegen auf dieses Deutero-Lernen verzichtet und die Agentur bei Misserfolg zügig gewechselt oder bei Erfolg nicht über die dem zugrunde liegenden Marktmechanismen aufgeklärt, bleibt Potenzial ungenutzt. Naturgemäß lohnt sich ein De-Briefing nur, wenn man gewillt ist, längerfristig mit einem Berater zusammenzuarbeiten. Dann kann dieser Vorgang auch als Brand review Meeting institutionalisiert werden. Dazu treffen sich alle an den Kommunikationsaktivitäten beteiligten Personen in regelmäßigen Zeitabständen und tauschen ihre Erfahrungen über die Zusammenarbeit aus. Wichtig ist, dass dies konstruktiv und ohne Schuldzuweisungen erfolgt, wie dies unter professionellen Partnern aber selbstverständlich sein sollte.

30.2 Hinweise für Werbungsmittler Ein Briefing muss vorbereitet werden. Nur scheinbar liegt die Arbeit dabei primär beim Briefenden. Briefing bedeutet für die Agentur nämlich nicht, sich entspannt zurücklehnen zu können, sondern erfordert die Einholung von Vorabinformationen auf eigene Initiative hin, vor allem um keine „dummen“ Fragen zu stellen. Denkbar ist etwa die Vorbereitung eines Fragenkatalogs, um eine gewisse Vollständigkeit der Briefinginhalte zu gewährleisten. Wichtig ist auch ein ehrliches Interesse für das Kundenunternehmen / sein Produkt. Dies fällt oft gerade im Business to Business-Bereich nicht leicht. Tatsächlich aber ist jedes Problem spannend und häufig lassen sich übergreifende Parallelen in den Marktmechanismen erkennen. Insofern ergibt es sich, dass das gebriefte, und meist vom Auftraggeber als besonders schwierig zu lösend, einmalig, kompliziert etc., dargestellte Problem in seiner Struktur durchaus Problemen sehr ähnelt, welche die Werbungsmittler bereits früher erfolgreich bearbeitet haben. Dennoch soll man unbedingt der Versuchung widerstehen, Lösungen „aus dem Handgepäck“ zu präsentieren oder zu „recyclen“. Nicht nur, dass spontane oder abgelegte Lösungseinfälle seltenst zur wirklichen Problemlösung geeignet sind, darüber hinaus wird auch das Leistungsempfinden beim Auftraggeber empfindlich gemindert, denn die Leistung erscheint zu einfach und der Preis dafür zugleich zu hoch. Das überlegene Wissen um die Lösung werbebezogener Spezialprobleme darf außerdem, auch nicht unbewusst, dazu verführen, eine gewisse Arroganz gegenüber Bedenken der in solchen Dingen weniger erfahrenen Kundenmanager durch-

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scheinen zu lassen. Kundenmanager haben für solche Signale sehr feine Antennen und reagieren rigoros. Pünktlichkeit zum Erscheinen im Briefing-Gespräch dürfte sich von selbst verstehen. Denn wenn man es nicht einmal schafft, pünktlich zur Auftragserteilung zu erscheinen, wie will man dann vermitteln, dass man in der Lage ist, in der Auftragsausführung zeitnah zu agieren? Bei Gruppengesprächen ist auch auf Rangadäquanz der Beteiligten zu achten. Die Struktur wird von der Auftraggeberseite vorgegeben, die Auftragnehmerseite hat sich entsprechend darauf einzustellen. Bei angebotenem Informationsmaterial ist es für gewöhnlich sinnvoller, eher mehr Informationsmaterial mitzunehmen und dieses später detailliert zu sichten und nach Relevanz auszusortieren. Denn Information ist die wichtigste Ressource überhaupt, daher kann es davon selten genug und erst recht nicht zu viel geben. Ohnehin ist die Umarbeitung des Briefing von einem externen AuftraggeberBriefing in ein internes Briefing der verschiedenen Fachabteilungen, wie Account Planning, Kreation und / oder Mediaplanung, erforderlich. Dabei kommt es zwangsläufig zu Umgewichtungen, Ergänzungen von Informationen oder Weglassen von Details. Wichtig ist, dass der Sinn des Auftraggeber-Briefing dabei auf keinen Fall verzerrt, sondern gerade angespitzt wird.

30.3 Hinweise für Werbungtreibende Aus der Beachtung der Hinweise für die Agentur können auftraggeberseitig bereits wertvolle Anhaltspunkte gewonnen werden, wenn es darum geht, ob eine neue Agentur die Richtige bzw. eine bestehende noch die Richtige ist: Erscheint die Agentur pünktlich zum Briefing? Ist die Zusammensetzung des Arbeitsteams adäquat? Haben sich die Personen entsprechend vorinformiert? Vermitteln sie den Eindruck, sich dem eigenen Problem zielführend anzunehmen? Melden sie sich mit einem Re-Briefing, wenn ja, ist der Inhalt sachverständig ausgeführt? Das alles sind wichtige Signale für eine anstehende Zusammenarbeit. Dennoch liegt die Hauptlast unzweifelhaft beim Briefenden. Ein Briefing professionell aufzubereiten, erfordert denn auch viel Arbeit. Je nach Wichtigkeit der Arbeit kann das nicht durch Assistenten o. Ä. geleistet werden. Vor allem ist dafür zu sorgen, dass die Briefinginhalte zuvor intern abgestimmt und insofern „endgültig“ sind. Denn jede Briefingveränderung bedeutet Zeit- und Geldvernichtung, zumal sie auch der Motivation der Ausführenden allseits abträglich ist. Wichtig ist ein sorgfältig ausgearbeitetes Briefing auch deshalb, weil es bei Vorlage der Problemlösung als Messlatte gilt, anhand derer die Eignung einer vorliegenden Problemlösung objektivierend beurteilt werden kann. Denn häufig herrscht nach der Präsentation große Ratlosigkeit, weil der eine diese Lösung, der andere aber jene präferiert, oder der eine diese Lösung für sehr gut, der andere aber für

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völlig unbrauchbar hält. Diese Ratlosigkeit rührt meist daher, dass kein Einvernehmen über die zugrunde gelegten Anforderungen herrscht. Vielmehr wird diffus nach Sympathie, subjektiver Erfahrung oder auch Abteilungstaktik argumentiert. Gibt es hingegen ein aussagefähiges Briefing, löst sich diese Konfusion rasch auf, denn das Briefing enthält die Aufgabenbeschreibung. Anhand des Lösungsvorschlags kann nunmehr vergleichsweise einfach abgeglichen werden, ob die vorab genannten Anforderungen erfüllt werden oder nicht. Werden sie erfüllt, handelt es sich um eine im Sinne des Briefing arbeitsfähige Lösung, unabhängig davon, ob sie „anspricht“ oder nicht. Erfüllt sie die Anforderungen nicht, kommt die Lösung nicht in Betracht, gleich wie ansprechend sie auch immer sein mag. Das trägt zur rapiden Versachlichung und damit Verbesserung der Entscheidung bei, vorausgesetzt natürlich, das Briefing ist nicht leichtfertig gehandhabt worden, sondern liegt schriftlich, aussagefähig und gut durchdacht vor. Dann stellt sich allenfalls das Dilemma der Wahl zwischen mehreren „guten“ Lösungen, aber das ist sicherlich noch eines der angenehmeren Probleme. Literaturhinweise Back, Louis / Beuttler, Stefan: Handbuch Briefing, 2. Auflage, Stuttgart 2006 Hartleben, Ralph E.: Werbekonzeption und Briefing, 3. Auflage, Erlangen 2014 Kemper, Wulf-Peter: Typen: Die Typologie der Agenturführung, Hamburg 2016 Kieser, Alfred / Walgenbach, Peter: Organisation, 6. Auflage, Stuttgart 2010 Meichle, Thomas: Gebrauchsanweisung für Werbeagenturen, Freiburg 2016 Pawlowski, Klaus / Pawlowski, Peter: Zielführende Kommunikation zwischen Agentur und Kunde, Wiesbaden 2018 Schreyögg, Georg: Organisation, 6. Auflage, Wiesbaden 2015 Schreyögg, Georg: Grundlagen der Organisation, 2. Auflage, Wiesbaden 2016 Schulte-Zurhausen, Manfred: Organisation, 6. Auflage, München 2013 Vahs, Dietmar: Organisation, 10. Auflage, Stuttgart 2019

Stichwortverzeichnis AGF / GfK  1079 AGOF 514 AIDA  29, 286 AWA 511 Abfrage erinnerter Wege (Plakat)  1082 Ablaufplan 239 Absatzhelfer, akquisitorisch  1144 Absatzkanalkonflikte 823 Absatzkanalstruktur 820 Absatzmittler  822, 1146 Absatzmittler, Vkf-Rausverkauf  833 Absatzmittler, Vkf-Reinverkauf  830 Absatzquellenoptionen 343 Abschlussvertreter 1144 Abschlusswiderstände 889 Absenderidentität 963 Adoptionsprozess 306 Addressable-TV 767 Adressabgleich 772 Adressbank 768 Adressquellen  770, 771 Affiliate Marketing 607 Affiliations, Betrugsmöglichkeiten  610 Affiliations, Tracking  608 Affiliations, Vergütung  609 Affinitätswert  505, 531 Akteure der „Werbeindustrie“  54 Aktivierende Elemente  254 Aktualgenetische Verfahren  1029 Allgemeinstelle 479 Ambient Media, Mainstream  484 Ambient Media, Stunt  484 Ambush-PR 697 Angebots-Analyse 70 Angebotsanspruch (Claim)  385 Angebotsdimensionen 359 Angebotsplattformen 643 Angebotsumfeld (Abnehmer)  68 Angebotsumfeld (Kommunikation)  69 Angebotsumfeld (Markt)  59 Angebotsumfeld (Wettbewerb)  65

Angebotswahrnehmung 127 Anglemeter 1031 Annoncen-Expedition 1157 Anspruchsbegründung (Reason Why) 386 Anteilsstruktur-Analyse 75 Antwortzeitmessung 1040 Anzeigenblatt 434 Appellationsebene (der Kommunikation)  1 Apps, Erfolgsanalyse  649 Apps, Erfolgskennzahlen  655 Apps, Erscheinungsformen  649 Apps, Löschungsrate  653 Apps, Monetarisierung  653 Apps, Nutzungsrate  651 Apps, Offpage-Optimierung  651 Apps, Onpage-Optimierung  651 Audimeter 1079 Audio Download 468 Audio streaming  467 Aufbauorganisation (der Werbeabteilung) ​ 1115 Aufbauorganisation, Konfiguration  1127 Aufbauorganisation, Koordination  1134 Aufbauorganisation, Spezialisierung  1121 Auflagenbegriffe 520 Auskunftseinheiten, Mafo-Auswahl  149 Ausstattung (Produkt)  905 Ausstellung, Beurteilung  728 Ausstellung, Kostenpositionen  729 Ausstellung, Nachbereitung  733 Ausstellung, Standarchitektur  733 Ausstellung, Standart  732 Ausstellung, Standausstattung  735 Ausstellung, Standbau  732 Ausstellung, Standerstellung  732 Ausstellung, Standpersonal  734 Ausstellung, Ziele  727 Ausstellungsmarketing 733 Ausstellungsplanung 736 Auswahlprogramme (Kaufverhalten)  132 Auswahlverfahren, offline  149

Stichwortverzeichnis Auswahlverfahren, online  160 Außenwerbung, Formen  478 Außenwerbung, Formen am POS  738 Außenwerbung, Ladenfront  739 Außenwerbung, Sonderformen  482 B-t-b-Geschäftsarten 313 B-t-b-Marktkennzeichen 316 Banner Ads 594 Banner, einfach  595 Banner, elaboriert  596 Banner, Landing Page 600 Banner, Platzierung  599 Barrierefreiheit 579 Basispositionsoptionen 371 Befragung (Werbeleistungsmessung)  1027 Befragungsexperiment, Ablauf  1050 Befragungsexperiment, Ergebnis  1050 Befragungsexperiment, Formen  1049 Befragungsformen, computergestützt  156 Befragungsformen, fernmündlich  154 Befragungsformen, mündlich  150 Befragungsformen, schriftlich  154 Befragungskanäle (Online)  165 Befragungstaktik (Online)  169 Befragungsverfahren 149 Beihefter 436 Beikleber 436 Beileger 436 Beobachtungsverfahren, offline  158 Beobachtungsverfahren, online  164 Benchmarking 245 Benefit Selling 888 Beschaffungsverhalten, Einflüsse  137 Best Agers-Werbung 545 Bestellung unter Bezugnahme auf Werbung ​ 1090 Besucherbefragung (Kino)  1081 Bewertungsportale 635 Beziehungsausbau (mit Kunden)  897 Big Data 646 Bigger than life (Kreation)  407 Bildschirmteilung 452 Biostruktur 298 Blickregistrierung, bewusst  1038 Blickregistrierung, unbewusst  1039 Brainstorming 415 Brandpark 753

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Bridging-Konzept (Internationalisierung) ​951 Briefing (für Werbung)  1189, 1193 Briefingformular 1201 Briefinggespräch 1193 Briefingprozess, Abfolge  1200 Briefingprozess, Durchführung  1193 Briefingprozess, Geschäftsrahmen  1190 Briefingprozess, Inhalt  1196 Briefingstrategie 1196 Broadcasting 658 Bruttokontaktsumme 539 Budgetdimensionen 230 Budgetierung, ADBUDG  219 Budgetierung, Dorfman / Steiner-Modell ​227 Budgetierung, erfahrungsbasiert-mono­ variabel 214 Budgetierung, Ergebnisanteil  214 Budgetierung, erfahrungsbasiert-poly­ variabel ​217 Budgetierung, Fixbetrag  215 Budgetierung, Fortschreibung  218 Budgetierung, konkurrenzabhängig  216 Budgetierung, Little-Modell  221 Budgetierung, Makrogrößen  219 Budgetierung, modellgestützt-mono­variabel ​ 221 Budgetierung, modellgestützt-poly­variabel ​ 225 Budgetierung, Restwert  218 Budgetierung, Umsatz / Absatz  214 Budgetierung, Vidale / Wolfe-Modell  225 Budgetierung, Ziel-Mittel-Maßstab  215 Budgetierungsrestriktionen 231 Budgetierungstechniken, Kritik  220, 228 Budgetzuordnungen 230 Bundling 350 Buying Center-Konzept 329 Buzz-PR 700 CSR 711 C-Box (Werbeleistungsmessung)  1081 Cache-Speicher 620 Call Center-Einsatz 758 Cause-Related Marketing 696 Center-Organisation 1140 Chancen-Risiken-Profil 72 Checklist-Verfahren (Bewertung)  423 Citylight-Poster 482

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Stichwortverzeichnis

Commitment 969 Communicating 641 Community 641 Company-TV 462 Content Aggregation 634 Content-Analyse 500 Copy-Analyse 363 Copy-Test 1072 Corporate Blog 637 Corporate Behaviour 965 Corporate Citizenship 666 Corporate Communications 966 Corporate Design 966 Corporate Governance 711 Corporate Identity 963 Corporate Image 968 Corporate Mission 964 Corporate Personality 967 Corporate Publishing 669 Corporate Social Responsibility 667 Corporate Website, Anlage  573 Corporate Website, Elemente  575 Corporate Website, Funktionalitäten  575 Corporate Website, Gestaltung  572 Corporate Website, Nutzererfahrung  577 Corporate Website, Nutzerführung  579 Corporate Website, Probleme  580 Creative Platform 389 Credentials (Werbeagentur)  1181 Cross Selling 347 Couponing 818 DAB 468 DR-R 767 DR-TV 763 Dachkampagne 233 Daktyloskopie (Werbeleistungsmessung) ​ 1040 Data-Mining 776 Datavox 758 Datenauswertung (Mafo)  172 Datenbank, B-t-b-Bereich  768 Datenbank, B-t-c-Bereich  769 Datenbasis 142 Datenquellen 144 Dauerwerbeformen 483 De-Briefing 1202 Degenerationsphase (PLZ)  65

Dekadenplan 930 Dependenzanalyse 1024 Dialogmedien, elektronische  762 Dialogmedien, geprintete  768 Dialogmedien, telefonische  757 Dialogwerbung, Arten  755 Diffusionsprozess 309 Digital out of Home (DooH)  485 Digitalkommunikation 553 Direct Mailing, Abwicklung  781 Direct Mailing, Adresskonvertierung  782 Direct Mailing, Bewertung  785 Direct Mailing, Konzipierung  778 Direct Mailing, Portooptimierung  783 Direct Mailing Package 778 Direktbefragung (Werbung)  1091 Display-Werbung 594 Distributionsdesign 820 Dokumentation 804 Dokumentation, Wissenstypen  804 Domain 573 Dominanzprüfung 425 ESG 711 EA-CA-Experiment 1052 EBA-Experiment 1052 EBA-CBA-Experiment 1052 CB-EA-Experiment 1052 E-Katalog 857 E-Mail, Aufbau  624 E-Mail, Einordnung  622 E-Mail, Ergebnismessung  627 E-Mail-Werbeplanung 622 Editorial (Kreation)  408 Effektivität 1025 Effizienz 1025 Einkaufslisten-Test 1043 Einkaufspläne (Media)  933 Einlinienorganisation 1128 Einnahmebasis (TV)  456 Einsatzabfolge (der Werbung)  921 Einsatzaktivierbarkeit (der Werbung)  920 Einsatzintensität (der Werbung)  918 Einsatzzeitpunkt (der Werbung)  923 Einstellung 257 Einstellungs-Verhaltens-Kontext 258 Einstellungsmessung 1017 Einwegkommunikation 11

Stichwortverzeichnis Einwegspiegel 1039 Einzelinterview 150 Einzelproduktwerbung 231 Einzeluntersuchungen (Media)  513 Eisberg-Modell (Schein)  979 Elektromyografie (Werbeleistungs­messung) ​ 1036 Elementenverringerung (Werbeleistungsmessung) 1032 Emotion 254 Empfangbarkeit (TV)  458 Empfängeranalysen (Media)  1074 Empfehlung (von Kunden)  900 Endbenefit 390 Entscheidungssituationen 241 Equity Story 710 Erfahrungsgutcharakter 555 Ergänzung (Kreation)  395 Ergebnisausgabe (Media)  526 Erstpositionierung 369 Ethik (Marketingkommunikation)  991 Evaluierung (Media)  536 Event 746 Experiment, formal  1053 Experiment, informal  1052 Experimentaleffekte 1053 Fachwerbung, Charakter  542 Fachwerbung, Beurteilung  543 Familie (Kaufverhalten)  269 Farbbedeutung 801 Fehlerbaum-Analyse 1112 Feldtheorie 367 Fernseh-Sonderwerbeformen 450 Fernsehen, öffentlich-rechtlich  440 Fernsehen, privat-wirtschaftlich  443 Fernsehforschung 1078 Fernsehspot 440 Financial Community 708 Firewall 621 Formatierung (Test)  1032 Frageformen (Erhebung)  152 Fragenkatalog 417 Freelancer 1145 Fremdeinschätzungsebene (der Kommunikation) 5 Frühwarnsysteme (Krisenkommunikation) ​ 717

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Fulltime-TV 455 Funktionsorganisation 1121 GRP (Gross Rating Points) 539 Gain & Loss-Analyse  1062 Gaming 659 Ganzstelle 479 Gebietsausdehnung 351 Gebietsorganisation 1124 Gebietsverkaufstest 1055 Gebrauchsanleitung, Funktionen  806 Gebrauchsanleitung, Konzeptansatz  806 Gebrauchsanleitung, Nutzertypen  807 Gedächtnisstruktur 293 Gedankenprotokoll 1028 Gehirnstrommessung (EEG)  1034 Gehirnstruktur (Neuroökonomie)  299 Gemeinschaftsuntersuchungen(Media) 511 Gemeinschaftswerbung 23 Generic Offer  379 Geschäftsausstattung 720 Geschäftsbesorgungsvertrag 1144 Geschäftsmodelle (B-t-b)  328 Gesellschaftliche Schichtung  250 Gestaltungsmittel (kreative)  409 Gewichtung (der Medien)  525 Global Advertising, Ausgangsthesen  947 Gremienorganisation 1138 Großfläche 478 Gruppe 268 Gruppendiskussion 1028 Gruppeninterview 150 Gruppenwerbung 23 Guerilla-PR 697 Gütertypen 126 Härtetest (Kreation)  401 Häufigkeitsanalyse 1023 Handelspanel 1087 Haushaltspanel 1087 Haushaltsverteilung 787 Harvard-Methode (Verhandlung)  893 Hit 612 Hörertypen 469 Hörfunk-Sendertypen 465 Hörfunk-Sonderwerbeformen 471 Hörfunk, Finanzierung  465 Hörfunk, Inhalte  465

1212

Stichwortverzeichnis

Hörfunk, „Nicht-Sender“  467 Hörfunk, öffentlich-rechtlich  465 Hörfunk, privat-wirtschaftlich  465 Hörfunk, Programmcharakter  466 Hörfunk, Programmmaterial  467 Hörfunk, Sendedauer  466 Hörfunk, Signalempfang  465 Hörfunk, Verbreitung  465 Hörfunkspot 462 Homeshopping 765 Hotspots (im Katalog)  846 Humor (Kreation)  406 Hybrides Kaufverhalten  130 IVW 1074 IPA-Formel 1081 Idealpunktmodell 358 Idealvektormodell 358 Identitätspolitik, Elemente  963 Imagery-Hypothese 798 Individualkommunikation 15 Industriefilm 477 Influencer 277 Infomercial 763 Informationsanforderungen 142 Informationsgestaltung (im MarketingMix) ​41 Informationsgewinnung 148 Informations-Konzept 335 Informationsliteratur, Bildgestaltung  798 Informationsliteratur, Textargumentation ​ 793, 795 Informationsliteratur, Textgestaltung  793 Informationspolitik (im Marketing)  36 Informationsquellen (Mafo)  148 Informationsverarbeitung  33, 288 Inhaltsangebot (TV)  457 Innenwerbemittel (POS)  740 Innovationsphase 61 Innovatoren-Konzept 332 Instant Messaging 657 Integrationsfähigkeit (der Medien)  1000 Integrationsgrad (der Medien)  1001 Integrationsnutzen 901 Integrierte Kommunikation  995 Intensitätssteigerung 344 Interactive-TV 462 Interaktionsrelationen (B-t-b)  321

Interdependenzanalyse 1024 Interessenhalter 988 Interessentenauswahl 895 Interferenztheorie 297 Intermediavergleich  50, 502 Internal Marketing Relations 718 Internationale Kampagnenführung  958 Internationale Marktführung  956 Internet-Kommunikation  45, 553 Internet-Radio 469 Internet, Aufbau  557 Internet, Betreiber  561 Internet, Dienste  559 Internet, Infrastruktur  557 Internet, Multimedialität  560 Internet, Präsenzen  565 Internet, Rechtsaspekte  569 Internet, Sicherheit  563 Internet, Sprachen  562 Interpersonale Variable (Kaufverhalten)  266 Intramediavergleich 505 Intrapersonale Variable (Kaufverhalten)  254 Investor Relations, fakultative Instrumente 706 Investor Relations, Informationsinhalte  710 Investor Relations, obligatorische Instrumente ​703 Investor Relations, Zielgruppen  708 Involvement  258, 969 Ishikawa-Diagramm 1111 K-Wert (Plakat)  1083 Kalkülisierung (Mediaoptimierung)  539 Kampagnenformat 385 Kampagnenführung, internationale Fokussierung 959 Kampagnenführung, internationale Generalisierung 958 Kapitalwert-Methode  225, 1096 Katalog, Arten  845 Katalog, Auftragsabwicklung  855 Katalog, Bildgestaltung  850 Katalog, E-  857 Katalog, Erfolgsmessung  860 Katalog, Gestaltung  850 Katalog, Konzeption  845 Katalog, Package  848 Katalog, Planung  848

Stichwortverzeichnis Katalog, Print-  845 Katalog, Produktion  853 Katalog, Response-Elemente  849 Katalog, Sonder-  848 Katalog, Testmöglichkeiten  862 Katalog, Textgestaltung  852 Katalog, Zahlungsformen  855 Katalogmarketing 844 Kaufentscheidungsanteile 269 Kaufklassen (B-t-b)  326 Kaufkraft  136, 137 Kaufmännische Kontrolle (der Werbung) ​ 1109 Kaufnachbereitung 891 Kaufvereinfachung 135 Kaufverhalten, Einflüsse  123 Kennzahlensteuerung 242 Kino-Projektion 476 Kino-Rubriken 473 Kino-Werbefilm 475 Kino-Werbespot 475 Kino, Sonderwerbeformen  476 Kinospot 472 Kinowerbetechnik 475 Klangfarben (Hörfunk)  470 Klassische Medien, Profil  503 Klassische Medien, Vergleich  50 Klassische Werbemittel  427 Klassische Werbung, Medien  46, 427 Kognitive Dissonanzen  891 Kollektivwerbung 23 Kommunikations-Analyse 69 Kommunikations-Mix 1004 Kommunikation, akquisitorische  875 Kommunikation, Axiome  7 Kommunikation, Begrifflichkeiten  16 Kommunikation, Definition  16 Kommunikation, Dynamisierung  32 Kommunikation, Empfänger  10 Kommunikation, Grundlagen  1 Kommunikation, internationale  947 Kommunikation, Merksätze  8 Kommunikation, Sender  10 Kommunikation, Übertragung  10 Kommunikationsanforderungen 19 Kommunikationsbudgetierung 212 Kommunikationsebenen 5 Kommunikationselemente 201

1213

Kommunikationsfluss 11 Kommunikationsgebiet, Abgrenzung  915 Kommunikationsgebiet, Raumab­ deckung 917 Kommunikationskanäle 15 Kommunikationsperiode 919 Kommunikationsplanung 235 Kommunikationspolitik (Implementierung) ​ 915 Kommunikationsprinzipien 4 Kommunikationsprozess 10 Kommunikationsrahmen 59 Kommunikationsstörungen 13 Kommunikationstests 1044 Kommunikationsvoraussetzungen 1 Kommunikationswege 12 Kommunikationswirkungen (Phasen)  29 Kommunikationsziele, ökonomisch  203 Kommunikationsziele, psychografisch  205 Komplementärangebot 351 Konkurrenzverdrängung 347 Konstantsummenskala  423, 1023 Kontaktanalysen 1071 Kontaktbewertungskurve 1047 Kontaktfrequenz, durchschnittliche  531 Kontaktintensitätswert  505, 531 Kontaktqualität  490, 549 Kontaktverteilung 531 Konzeptbewertung  Konzeptdesign 419 Konzeptentwicklung, Eckpfeiler  249 Konzeptverbund (kreativer)  418 Korrespondenzhypothese (Verhandlung) ​ 894 Kostenführerschaft 102 Kostenplan (Media)  934 Kreativtechniken, intuitiv-lateral  415 Kreativtechniken, logisch-diskursiv  416 Kreativtechniken, systematisch-adaptiv  417 Krisen-PR 711 Krisenprävention 716 Kündigungsprävention 902 Kultur 267 Kultursponsoring 693 Kulturwandel 1. Ordnung  983 Kulturwandel 2. Ordnung  984 Kulturwandel, hybrid  984 Kundenakquisition 896

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Stichwortverzeichnis

Kundenbeziehungs-Erfolgskette 38 Kundenbeziehungs-Kreislauf 38 Kundenbeziehungsaufbau 895 Kundenbeziehungsphasen 895 Kundenbindung 344 Kundenclub, Formen  672 Kundenclub, Inhalt  672 Kundenclub, Refinanzierung  675 Kundenkarte 681 Kundenkontaktprogramm 682 Kundenleiter 39 Kundenmagazin 436 Kundenorganisation 1126 Kundenreaktivierung 901 Kundenrückgewinnung 348 LAE 510 Ladeneinzelhandel 822 Lambda-Hypothese 255 Landeskultur, Hall / Hall-Ansatz  954 Landeskultur, Hofstede-Ansatz  952 Landing Page 600 Langzeitmedien (Print)  435 Layer Ads 597 Lead Country-Konzept 950 Lebensstil 263 Leistungsführerschaft 102 Lernen am Modell  291 Lernen durch Einsicht  290 Lernen durch Rezeption  292 Leserbegriffe 520 Lesezirkelmappe 434 Lichtschrankenmessung 1039 Lichttonfilm 477 Lidschlagmessung 1036 Lifestyle (Kreation)  405 Lifestyle-Typologie 183 Lineare Programmierung  541 Location based Services 656 Lock-in-Effekte 554 Logfile  579, 610 Logo 721 Lückentext-Test 1044 MA 509 MPM-Netzplan 239 Magnitude-Skala 1017 Markenablösung 121

Markenaktualisierung 121 Markenartikel, Bedeutung  106 Markenauswahl 110 Markeneigenschaften 107 Markeneinstellung 122 Markeninhalte 106 Markenpflege 121 Markenschutz 112 Markenstrategien, absenderbezogen  117 Markenstrategien, horizontal  114 Markenstrategien, vertikal  117 Markenwahlmodell 1061 Markenwert 122 Markenzeichen 108 Marketing-Idee 36 Marketing-Mix 41 Marketing, Definition  37 Marketinggenerationen 37 Marketinginstrumente 41 Marketingkommunikation, Abgrenzung  17 Marketingkommunikation, Akteure  54 Marketingkommunikation, Anforderungen  18 Marketingkommunikation, Anlage  18 Marketingkommunikation, Controlling  1009 Marketingkommunikation, Erfolgskette  1013 Marketingkommunikation, Formen  18 Marketingkommunikation, Grundlagen  1 Marketingkommunikation, Inhalte  19 Marketingkommunikation, Kanäle  45 Marketingkommunikation, Kategorien  22 Marketingkommunikation, Organisation  1115 Marketingkommunikation, Planung  201 Marketingkommunikation, Steuerung  59 Marketingkommunikation, Wirkung  29 Marketingstrategie, Basis  96 Markov-Ketten 1061 Markt-Media-Analysen  508, 516 Marktabdeckung 79 Marktabdeckung, international  950 Marktabgrenzung 77 Marktbearbeitung 78 Marktdurchdringungsmodell 1065 Markterfassungen  81, 83, 85 Marktführung, ethnozentrisch  956

Stichwortverzeichnis Marktführung, geozentrisch  958 Marktführung, polyzentrisch  957 Marktführung, regiozentrisch  957 Marktinitiative 104 Marktkennzeichen (B-t-b)  316 Marktlebenszyklusphasen 60 Marktnischenposition 381 Marktpolarisierung 101 Marktrollen 103 Marktschaffung 354 Marktschnittstellenposition 380 Marktsegmentierung 76 Marktsegmentierung, B-t-b  92 Marktsegmentierung, B-t-c  86 Marktsegmentierung, Anforderungen  87 Marktsegmentierung, aktiografisch  90 Marktsegmentierung, demografisch  88 Marktsegmentierung, Rahmenbedingungen  86 Marktsegmentierung, Stufen  92 Marktspezialisierung 84 Marktstimulierung 97 Markttest-Verfahren 1057 Marktunifizierung 82 Marktverhalten 103 Marktwachstum 354 Mashup 656 Maslow-Bedürfnishierarchie 257 Massenkommunikation 15 Matrixorganisation 1132 Matrix-Projektorganisation 1135 Me-too Offer  379 Mechanistische Testverfahren  1037 Media-Daten 925 Media-Tarif 926 Mediaagentur (Outsourcing)  943, 1188 Mediadisposition 925 Mediadurchführung 925 Mediagattung, Auswahl  502 Mediagattung Außenwerbung  478 Mediagattung Elektronik  439 Mediagattung Print  428 Mediagattungen, Profil  494 Mediagattungen, qualitative Bewertung  486 Mediagattungen, quantitative Bewertung  490 Mediakontrolle, Einschaltung  941 Mediakontrolle, Kosten  942

1215

Mediakontrolle, Prozess  942 Mediakontrolle, Qualität  941 Mediakontrolle, Zeit  942 Medialeistung, Aufbautempo  489 Medialeistung, Erreichbarkeit  489 Medialeistung, Kontaktdichte  489 Medialeistung, Kumulierung  489 Medialeistung, Menge  489 Medialeistung, Wiederholbarkeit  489 Medialeistungswerte 528 Mediaökonomie, Budgetrahmen  488 Mediaökonomie, Einschaltkosten  488 Mediaökonomie, Produktionskosten  488 Mediaoptimierung 939 Mediapläne 538 Mediaplanung (Klassische Werbemittel)  499 Mediaplanung, Problemfelder  548 Mediaplanung, Wettbewerbsverhalten  501 Mediascanner 1080 Mediasharing 632 Mediastrategie, Auswahl der Mediagattung  499 Mediastrategie, Auswahl der Werbemittelausstattung 504 Mediastrategie, Auswahl der Werbeträger  505 Mediastrategie, Wettbewerbsverhalten  501 Mediataktik 501 Mediatechnik, Buchungsfrist  487 Mediatechnik, Darbietung  488 Mediatechnik, Ortsbestimmung  487 Mediatechnik, Periodizität  487 Mediatechnik, Person  487 Mediatechnik, Streugebiet  487 Mediatechnik, Verfügbarkeit  487 Mediatechnik, Zielung  487 Medien, Darstellungsmöglichkeit  495 Medien, Funktion als Werbeträger  495 Medien, Funktion für Nutzer  494 Medien, Kampagnenaufbau  498 Medien, Nutzungssituation  494 Medien, Reichweite  497 Medien, Verfügbarkeit  497 Medien, Zeiteinsatz  496 Medien, Zielgruppenumfeld  496 Mediengesellschaft 1 Mediengewichtung 998

1216

Stichwortverzeichnis

Mediengruppen 45 Medienlandschaft 1 Medienprofil 494 Medienprogramm 996 Mehrfachbelegungen 537 Mehrfacheinschaltungen 537 Mehrlinienorganisation 1129 Mehrspeichermodell (Gedächtnis)  293 Mehrthemenbefragung 151 Meilensteinplanung 240 Meilenstein-Trend-Analyse 1109 Meinungsführerschaft 273 Methode 6-3-5 415 Microblog 640 Mikrogeografische Segmentierung  773 Mikro-Markttest 1060 Mini-Markttest 1060 Mitbewerberpositionen 361 Mobile-Werbeplanung 660 Mobile-Werbung  648, 661 Mobile Ad, Abrechnung  662 Mobile Advertising 648 Morphologischer Kasten  416 Moskito-PR 701 Motivation 235 Multiattributivmodell 1019 Multimedialität 560 Musik (Kreation)  405 Nachbereitung (Verkauf)  890 Nachfrageeffekte 129 Nearfield Communication 660 Netapps-Modell 1093 Networking 672 Netzplantechnik (Planung)  238 Netzwerkeffekte 554 New Window Ads 598 Newsgroup 641 Newsletter-Werbeplanung 622 Newsletter, Aufbau  624 Newsletter, Einordung  622 Newsletter, Ergebnismessung  627 Nicht-klassische Basisinstrumente  665 Nicht-klassische Kommunikation  45 Nicht-klassische Medien, Vergleich  53 Nicht-klassische Zusatzinstrumente  791 Nichtkäufer-Aktivierung 353 Noreen-Modell 1095

Normen 267 Nutzendarlegung 399 Nutzenfacette 401 Nutzenleiter 391 Nutzenversprechen 389 Nyktoskop 1032 Objektivität 176 Objektorganisation 1123 Öffentlich-rechtliche Sender  440 Öffentlichkeitsarbeit, moderne Formen  671 Öffentlichkeitsarbeit, Prinzipien  665 Öffentlichkeitsarbeit, Sonderformen  696 Öffentlichkeitsarbeit, traditionelle Formen  666 Offline-Erhebung 160 Offline Reader  621 Online-Erhebung, Auswahlverfahren  160 Online-Erhebung, Befragungskanäle  165 Online-Erhebung, themenorientierte Beobachtung 164 Online-Katalogprofil 858 Online-Kennzahlen, werbeergebnis­bezogen ​ 619 Online-Kennzahlen, werbemittelbezogen ​ 617 Online-Kennzahlen, werbenutzerbezogen ​ 618 Online-Kennzahlen, werbeträgerbezogen ​ 616 Online-Marktforschung, Bewertung  171 Online-Mediastudien 514 Online-Medien, Vergleich  51 Online-Währung 613 Online-Werbung 553 Organisation, Absatzgebiet  1125 Organisation, Centerform  1141 Organisation, Funktion  1121 Organisation, Gremienform  1139 Organisation, Kundengruppe  1126 Organisation, Matrixform  1133 Organisation, Mehrlinienform  1129 Organisation, Programmausschnitt  1123 Organisation, Projektform  1134, 1135 Organisation, Stablinienform  1131 Organisationaler Wandel, BPR  984 Organisationaler Wandel, Kaizen  984 Organisationskonfiguration   1127

Stichwortverzeichnis Organisationskoordination   1134 Organisationsspezialisierung 1121 Organisationsstruktur   1119 Overreporting POS-Auftritt (im stationären Einzelhandel)  737 POS-Kiosk 742 POS-TV 742 POS-Vorzugsplätze 842 POS-Werbeerfolgskontrolle 1099 POS-Werbemittel Akustik  743 POS-Werbemittel Degustation  745 POS-Werbemittel Haptik  746 POS-Werbemittel Olfaktorik  744 POS-Werbemittel Optik  742 PR, Absatzmarkt  668 PR, Beschaffungsmarkt  667 PR, externe  667 PR, interne  670 PR, moderne  671 PR, Multiplikatoren  669 PR, Vermarktungsumfeld  668 Paarvergleich  424, 1023 Pacing 847 Packung 905 Packungsfunktion Dimensionierung  905 Packungsfunktion Entsorgung 908 Packungsfunktion Information  907 Packungsfunktion Präsentation  908 Packungsfunktion Qualitätsauslobung  909 Packungsfunktion Rationalisierung  905 Packungsfunktion Verkaufserleichterung ​ 908 Packungsfunktion Verwendungserleichterung ​907 Page Impression 612 Page View  611, 613 Pagination 846 Panelanlage 1086 Paneleffekt 1089 Panelerhebung 1086 Panelrotation 1089 Panelroutine 1089 Panelsterblichkeit 1089 Parfitt-Collins-Modell 1065 Partialmodelle, horizontal (B-t-b)  336 Partialmodelle, vertikal (B-t-b)  328, 336

1217

Passive People Meter 1080 Penetrationsphase 62 Perimeter 1031 Persönliche Kommunikation, Accessoires  868 Persönliche Kommunikation, Arten  864 Persönliche Kommunikation, Gestik  866 Persönliche Kommunikation, Kleidung  867 Persönliche Kommunikation, Mimik  867 Persönliche Kommunikation, non-verbale Elemente 866 Persönliche Kommunikation, Raummodalitäten 868 Persönliche Kommunikation, situative Elemente 868 Persönliche Kommunikation, soziale Distanzen 868 Persönliche Kommunikation, verbale Elemente 865 Persönliche Kommunikation, Zeitablauf  869 Personenzuordnungs-Test 1042 Picture-Frustration-Test 1042 Placement, Bewertung  686 Placement, Formen  683 Plakat-Media-Analyse 507 Plakat, mobil  481 Plakat, stationär  478 Plakatseher pro Stelle (PpS)  480, 1083 Plakatvideoshow 1081 Plankombination 535 Planung, Anpassungsfähigkeit  235 Planung, Benchmarking  245 Planung, Entscheidungen  241 Planung, Fristigkeit  236 Planung, Kennzahlen  242 Planung, Koordination  237 Planung, Prozesse  238 Planung, Rhythmus  237 Planung, Richtung  236 Planung, Zeitabfolge  236 Planungsrahmen 234 Podcast 658 Polaritätenprofil 1018 Polygrafie (Test)  1036 Portable Meters 1080 Positionierungsanforderungen 386 Positionierung, Parameter  338 Positionierung, Stellgrößen  356

1218

Stichwortverzeichnis

Positioning Statement 385 Positionsaktualisierung 371 Positionsanlässe 368 Positionsentwicklung, Stufen  356 Positionsoptionen  372, 380 Positionsverstärkung 370 Postwurfsendung 788 Präferenz-Position 97 Präferenzmessung 1023 Präsenzstreckung 345 Preis-Leistungs-Quotient 128 Preis-Mengen-Position 99 Presse-Großhandel 521 Primärquellen 146 Print-Sonderformen 436 Print-Day After Recall 1069 Privat-wirtschaftliche Sender  443 Problemweckung 353 Produkt-Markt-Kombinationen 80 Produkt-Personifizierung 1042 Produktanzahlerhöhung 899 Produktausstattung 904 Produktdesign, Nachhaltigkeit  910 Produktdesign, Urheberrechtsschutz  911 Produkteigenschaften (B-t-b)  324 Produktionsplan (Media)  937 Produktlebenszyklus, Beeinflussung  106 Produktlebenszyklus, Konzept  104 Produktorganisation 1123 Produktspezialisierung 85 Produktunifizierung 82 Produktwandel 352 Produktwerterhöhung 899 Professional Interest-Titel  432, 433 Programmanalysator 1040 Programmarten (TV)  463 Programmatic Advertising 605 Programmausschnittwerbung 232 Programmbreite (TV)  462 Programminhalte (TV)  462 Programmsponsoring, extern  451 Programmsponsoring, intern  450 Projektiv-assoziative Testverfahren  1041 Projektorganisation 1134 Projektplan 241 Promotional Marketing-Mix  813 Promotoren-Konzept 333 Provider 561

Proxy Server 620 Prüfexemplar 543 Psychogalvanometer 1033 Psychomotorische Testverfahren  1033 Pulsfrequenzmessung 1035 Punktwertverfahren 422 Pupillometer 1034 Purpose 970 Qualitätskontrolle (der Werbeausführung)  1110 Quick Response-Code 658 RFMR-Verfahren 861 RSS-Feed 656 Rangordnung 1023 Rangreihung 527 Ratingskala 1017 Raumabdeckung (der Werbung)  917 Raumabdeckung (TV)  463 Re-Briefing 1202 Reaktanz 281 Reagierer-Konzept 334 Recall-Test 1068 Recognition-Test 1071 Redaktionelle Werbung  439 Reduktion (Kreation)  396 Regalplatzknappheit 823 Reichweite, einzeln  536 Reichweite, kombiniert  537 Reichweite, kumuliert  536 Reichweite, technisch  529 Reichweitenstruktur 536 Reichweitenwert  505, 528 Reichweitenzuwachs 528 Reine Projektorganisation  1135 Reklamationsabwicklung 891 Reklamebüro 1158 Relevant Set of Brands 110 Relevanter Markt  338 Reliabilität 173 Reputation 969 Ressourcen-Analyse 76 Ressourcenallokation 229 Retargeting 603 Retourenhandling 859 Return on Advertising 1096 Richtung (TV)  460

Stichwortverzeichnis Risikoempfinden 259 Roadshow 752 Rohrschach-Test 1042 Rollen 272 Roper Socio Styles 190 Rundfunkstaatsvertrag 441 SoA / SoM-Relation  223 STAS-Potenzial 1072 Sachinformationsebene (der Kommuni­ kation) ​5 Sales Promotion, Marketing-Mix  813 Salesfolder 808 Same Day Recall  1069, 1077 Sammelwerbung 23 Saturationsphase 63 Satz-Ergänzungs-Test 1043 Satzarten 794 Satzspiegel 438 Schaufenstergestaltung 739 Schauwerbung 738 Schleichwerbung 29 Schlüsselqualifikationen 1120 Schnellgreifbühne 1031 Schnittstellenkontrolle (der Werbeaus­ führung) ​1113 Schriftarten 795 Schriftklassen 794 Seeding 698 Segmentierung (Media)  524 Sekundärquellen 142 Selbstoffenbarungsebene (der Kommuni­ kation) 5 Semantisches Differenzial  1019 Semiometrie 265 Senderarten 456 Sendertypen (HF)  466 Sensation-PR 700 Set-Alternative 349 Share of Customer  898 Shareholder Value 988 Shoppingcenter-Stelle 483 Shortlist 1176 Sichtspaltdeformation 1031 Sigma-Milieus 188 Signalübermittlung 10 Signifikanz 176 Skaleneffekte 555

1219

Skalenarten 177 Slice of Life (Kreation)  402 Social Bookmarking 635 Social Commerce 642 Social Media-Kanäle 629 Social Media-Werbeplanung 644 Social Media-Werbung 629  Social Media, Erfolgsmessung  645 Social Media, Werbeformen  629 Social Networks 630 Sonderwerbeformate (Print)  437 Soziale Milieus (Schulze)  193 Soziale Milieus (Sinus)  186 Soziale Schichten  268 Soziosponsoring 694 Special Interest-Titel  432, 433 Special Segment-Titel 433 Speichelflussmessung (Werbeleistungs­ messung) 1036 Sponsoring, Bewertung  695 Sponsoring, Merkmale  688 Sportsponsoring 692 Stablinienorganisation 1130 Stabs-Projektorganisation 1134 Stadtillustrierte 436 Stärken-Schwächen-Profil 70 Stakeholder-Gruppen 989 Stakeholder Value 988 Statistikanalysen, strukturentdeckend  181 Statistikanalysen, strukturprüfend  178 Stellenbeschreibung (Werbung)  1116 Stellenbewertungsverfahren (Plakat)  1083 Stimmfrequenzmessung 1035 Störfaktoren (Experiment)  1052 Store-Test 1059 Storyboard 1015 Storyboard-Test 1046 Storytelling 397 Straßenbefragung 1081 Strategische Gruppe  340 Strategisches Geschäftsfeld  338 Streuplan 931 Strukturbeeinflussung 345 Subkulturen 267 Suchmaschinen-Marketing 585 Suchmaschinen-Optimierung, offsite  586 Suchmaschinen-Optimierung, onsite  586 Suchmaschinen-Ranking 588

1220

Stichwortverzeichnis

Suchmaschinen-Werbung 591 Suchmaschinen, Arten  583 Suchmaschinen, Meta-  583 Suchmaschinen, Volltext-  583 Suchmaschinen, Web-Katalog  583 Suchmaschinen, Werbeformen  592 Superposter 479 Supplement 434 SWOT-Analyse 73 Symbolische Demonstration (Kreation)  405 Syndication (Hörfunk)  467 Systemvergleich (Kreation)  399 Systemwechsel 350 1.000-Auflage-Preis 544 1.000-Kontakt-Preis 522 1.000-Nutzer-Preis (Leser, Seher, Hörer)  532 TOWS-Matrix 73 TC-Score 1078 TV-Besonderheiten (Mediaplanung)  522 TV-Day After Recall 1069 TV-Sender 442 TV-Senderlandschaft 453 TV, Einnahmen  455 TV, Empfangbarkeit  458 TV, Programmangebot  457 TV, Programmarten  462 TV, Programmbreite  462 TV, Programminhalte  463 TV, Raumabdeckung  463 TV, Senderarten  455 TV, Übertragungsarten  458 TV, Übertragungsrichtung  460 TV, Verbreitung  459 Tachistoskop 1030 Tacho-Akustoskop 1032 Targeting, situativ  602 Targeting, sprachbasiert  602 Targeting, technisch  603 Teamorganisation 1137 Telecontrol 1078 Telefaxwerbung 761 Telefonnummer (Mehrwert-)  760 Telefonwerbung, inbound  757 Telefonwerbung, outbound  757 Teleshopping 764 Testanlage 1029

Testimonial (Kreation)  402 Testmarkt-Ersatzverfahren 1057 Testmarktsimulation 1058 Testsituation, offen  1054 Testsituationen, verdeckt  1054 Testverfahren, apparativ  1030 Testverfahren, explorativ  1027 Testverfahren, figural  1041 Testverfahren, mechanistisch  1037 Testverfahren, psychomotorisch  1033 Testverfahren, verbal  1043 Textgestaltung, Grammatik  793 Theatre-Test 1044 Thematischer Apperzeptions-Test  1041 Thermografie 1036 Theorie des autonomen Verfalls  297 Tit for tat (Verhandlung)  893 Tracking-Studie 1070 Transaktionen, geschäftlich  313 Transaktionen, komplementär  871 Transaktionsanalyse, Lebenskonzept  874 Transaktionsanalyse, strukturell  870 Transaktionsanalyse, überkreuzend  872 Transaktionsanalyse, verdeckt  873 Treuhandvertrag 1145 Trojanisches Pferd (Kreation)  408 Two Cycles-Ansatz 275 Two-Step-Flow 273 Typografie 795 Typologie der Wünsche  514 Typologie Sozialer Milieus  185 Typologien, Konzept  183 Überschneidungen (Media)  529 Übertragungsarten (TV)  458 Umfeld-Analyse 75 Umfeldbedingungen (Medienlandschaft)  3 Umpositionierung 370 Umschlagseiten 438 Umsetzungstechniken, kreative  394 Umweltsponsoring 694 Underreporting 1089 Unique Advertising Proposition (UAP)  373 Unique Selling Proposition (USP)  372 Unternehmenshaltung 969 Unternehmenskultur, Bewertung  981 Unternehmenskultur, Inhalt  978 Unternehmenskultur, Typisierung  982

Stichwortverzeichnis Up Selling 345 User Journey 601 Urheberrechtsschutz 911 VuMA 510 Validierung (Media)  524 Validität 174 Verbreitung (TV)  459 Verbundwerbung 24 Verfremdung (Kreation)  394 Vergessen 297 Verhandlungsführung 892 Verkaufsförderung, Angebots-Mix  814 Verkaufsförderung, Aufmerksamkeits­ gewinnung  827, 830, 833, 837, 841 Verkaufsförderung, Begriff / Abgrenzung  810 Verkaufsförderung, Einordnung  812 Verkaufsförderung, Erfordernis  811 Verkaufsförderung, GegenleistungsMix 816 Verkaufsförderung, gewerbliche End­ abnehmer ​836 Verkaufsförderung, Informations-Mix  825 Verkaufsförderung, Instrumente  813 Verkaufsförderung, Interesseweckung  828, 831, 835, 838, 842 Verkaufsförderung, Kaufauslösung  829, 832, 836, 839, 843 Verkaufsförderung, Preisnachlass  817 Verkaufsförderung, private Endabnehmer ​ 840 Verkaufsförderung, Produktaktualisierung ​ 815 Verkaufsförderung, Verfügbarkeits-Mix  820 Verkaufsförderung, Vertriebsmannschaft ​ 827 Verkaufsförderung, Vorzugsplätze  824 Verkaufsgespräch, Kontaktwiderstände  881 Verkaufsgespräch, Kundenqualifizierung ​ 882 Verkaufsgespräch, Präsentation  883 Verkaufsgespräch, Terminvereinbarung  877 Verkaufsgespräch, Vorbereitung  876 Verkaufsgespräch, Vorteilsargumentation ​ 887 Verkehrsmittelwerbung 481 Verlagstypologien 513

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Verrechnung (Media)  526 Vertrauen 969 Videotext 460 Viral-PR 697 Virtuelle Welten  634 Virtuelle Werbung  452 Visibility (in Suchmaschinen)  587 Visit  611, 613 Visitenkarte 720 Vorauszahlungsübersicht 935 Vorverkaufswerbemittel 808 WWW-Erfolgsmessung 610 WWW-Werbemittelwahl 594 WWW-Werbeplanung 593 WWW-Werbeträgerwahl 593 Wahlentscheid(Kaufverhalten) 124 Wahrnehmung, Effekte  282 Wahrnehmung, Gesetzmäßigkeiten  286 Wahrnehmung, Informationsverarbeitung ​ 288 Wahrnehmung, Inhalt  280 Web 1.0-Werbeträger  572 Web 1.0, werbeergebnisbezogene Erfolgsmessung 619 Web 1.0, werbemittelbezogene Erfolgs­ messung 610 Web 1.0, werbenutzerbezogene Erfolgs­ messung 618 Web 1.0, werbeträgerbezogene Erfolgs­ messung 616 Weblogs 636 Website-Traffic 588 Weiterempfehlung (Referenzierung)  895 Wellenerhebung 1070 Werbe-Metrics 1072 Werbe-Servicers 55 Werbeagentur, Anbindung  1187 Werbeagentur, Auswahlkriterien  1172, 1176 Werbeagentur, Entwicklung  1156 Werbeagentur, Full Service  1159, 1187 Werbeagentur, Geschäftsmodelle  1156 Werbeagentur, hauseigen  1187 Werbeagentur, Holding  1159 Werbeagentur, Internationalisierung  1172 Werbeagentur, kundenindividuell  1161 Werbeagentur, Leistungsgrundsätze  1164 Werbeagentur, Network  1159

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Stichwortverzeichnis

Werbeagentur, Typen  1169 Werbeagenturanbindung 1187 Werbeagenturauswahl, Agenturtypen  1169 Werbeagenturauswahl, Kriterien  1169 Werbeagenturauswahl, Vorgehensweise ​ 1176 Werbeagenturentwicklung (historisch)  1156 Werbeagenturgeschäft (Merkmale)  1161 Werbeagenturvergütung, Abfindung  1167 Werbeagenturvergütung, erfolgsabhängig ​ 1168 Werbeagenturvergütung, Honorar  1166 Werbeagenturvergütung, Preisliste  1168 Werbeagenturvergütung, Provision  1166 Werbeagenturvergütung, Service Fee 1167 Werbeagenturvergütung, Stundenaufwand ​ 1168 Werbeagenturvertrag, Einzelregelungen ​ 1150 Werbeagenturvertragsinhalte, Arbeits­ ablauf 1146 Werbeagenturvertragsinhalte, Leistungen ​ 1146 Werbeagenturvertragsinhalte, Vertragsdauer ​ 1150 Werbeagenturvertragsinhalte, Zahlungs­ verkehr 1149 Werbeartikel, Ausprägungen  721 Werbeartikel, Steuern  723 Werbeaufwendungen 498 Werbeberatung, Rechtsbeziehung  1143 Werbecontrolling  1009, 1104 Werbedruck 923 Werbeeffizienz 1009 Werbeeffizienzmessung (Grenzen)  1099 Werbeelastizität, direkt  1092 Werbeelastizität, indirekt  1092 Werbeerfolg  1010, 1012 Werbeerfolg, ökonomisch  1009 Werbeerfolgskontrolle  1025, 1086 Werbeerfolgsprognose  1026, 1049 Werbeinvestitionen 48 Werbeleistung 1013 Werbemittel, Transparenz  506 Werbemittelausstattung, Auswahl  504 Werbemöglichkeiten (TV)  455 Werberichtlinien (TV)  447 Werbestatistik  47, 499

Werbetechnik 483 Werbeträger, Auswahl  505 Werbewert-Formel 1073 Werbewirkung  1010, 1011 Werbewirkung, psychografisch  1009 Werbewirkungskontrolle  1026, 1068 Werbewirkungsprognose  1026, 1026 Werbung, Absender  25 Werbung, Absicht  26 Werbung, Adressatenzahl  27 Werbung, Anlässe  24 Werbung, Empfänger  26 Werbung, informativ  28 Werbung, Objekte  25 Werbung, Stufigkeit  26 Werbung, suggestiv  28 Werbung, unbewusst  29 Werbung, unterschwellig  28 Werbung, Wahrnehmungskanäle  27 Werbung, Wahrnehmungssinne  27 Werbemitteltransparenz 506 Werbungsmittler 1203 Werbungtreibende 1204 Werkvertrag 1143 Werthaltung 260 Wettbewerber-Analyse 65 Wettbewerbspräsentation 1182 Wikis 634 Wirkungsvergleich (zwischen Medien)  548 Wirtschaftlichkeitswert  505, 532 Wirtschaftskommunikation 16 Wissensbasis 555 Wort-Assoziations-Test 1043 Zeichen (Analyse)  12  Zeichen-Test 1042 Zeitkontrolle (der Werbeausführung)  1109 Zeitschrift, General Interest 430 Zeitschrift, Professional Interest  430, 431, 432, 433 Zeitschrift, Special Interest  430, 431, 432 Zeitschrift, Special Segment  430, 431, 433 Zeitschriftenanzeige Zeitschriftenarten 431 Zeitung, Bezugsart  428 Zeitung, Erscheinungsintervall  428 Zeitung, Format  429 Zeitung, Verbreitungsgebiet  428

Stichwortverzeichnis Zeitungsanzeige 430 Zielanforderungen (allgemein)  201 Zielausmaß 208 Ziele, horizontale Einordnung  209 Ziele, vertikale Einordnung  209 Zieldimensionen 202 Zieleinordnungen 209 Zielgewichtung 205 Zielgruppe, B-t-b  313 Zielgruppe, B-t-c  249

Zielgruppenoperationalisierung 523 Zielinhalt 203 Zielpersonengruppe, Bestimmung  249 Zielpositionierung 366 Zielraumbezug 211 Zielrichtung 207 Zielzeitbezug 210 Zusatzpositionsoptionen 380 Zusatzverkäufe 346 Zweiwegkommunikation 11

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