Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden nach dem Unfallversicherungsrecht: Eine kritische Analyse der Neuregelung in §§ 104 ff. SGB VII [1 ed.] 9783428513390, 9783428113392

Ziel der Untersuchung ist es, die mit dem Inkrafttreten des SGB VII verbundenen Neuerungen im Bereich der unfallversiche

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Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden nach dem Unfallversicherungsrecht: Eine kritische Analyse der Neuregelung in §§ 104 ff. SGB VII [1 ed.]
 9783428513390, 9783428113392

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Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 228

Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden nach dem Unfallversicherungsrecht Eine kritische Analyse der Neuregelung in §§ 104 ff. SGB VII

Von

Meike Lepa

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

MEIKE LEPA

Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden nach dem Unfallversicherungsrecht

Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 228

Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden nach dem Unfallversicherungsrecht Eine kritische Analyse der Neuregelung in §§ 104 ff. SGB VII

Von

Meike Lepa

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn hat diese Arbeit im Jahre 2003 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

D5 Alle Rechte vorbehalten # 2004 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0227 ISBN 3-428-11339-X Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2003 von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn als Dissertation angenommen. Das Manuskript habe ich im wesentlichen im September 2002 fertiggestellt. Für die Veröffentlichung sind Rechtsprechung und Literatur – soweit möglich – noch bis August 2003 eingearbeitet worden. Begonnen habe ich mit der Arbeit während meiner Tätigkeit als wissenschaftliche Hilfskraft am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht und Zivilprozeßrecht von Professor Dr. Herbert Fenn. Herr Professor Dr. Fenn hat mich schon während meines Studiums gefördert und auch die ersten gedanklichen Schritte, die zu dieser Arbeit führten, kritisch begleitet. Er hat mir die Gewißheit gegeben, daß es sich um ein Thema handelt, das für Praxis und Wissenschaft gleichermaßen von großem Interesse ist. Sein Wohlwollen und seine Unterstützung werden mir in Erinnerung bleiben. Nach dem plötzlichen Tod von Herrn Professor Dr. Fenn hat sein Nachfolger, Herr Professor Dr. Raimund Waltermann, die weitere Betreuung der Arbeit mit großem Engagement übernommen. Während meiner Tätigkeit als wissenschaftliche Hilfskraft an seinem Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht und Sozialrecht hat er mir einen zeitlichen Freiraum gelassen, der es mir ermöglicht hat, die Arbeit zügig fertigzustellen. Er hat sich mir immer wieder als Gesprächspartner zur Verfügung gestellt. Dabei habe ich vielfältige Anregungen und konstruktive Kritik erfahren. Ihm gilt daher mein besonderer Dank. Dankbar bin ich auch Herrn Professor Dr. Meinhard Heinze für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens und für die Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit, mit der er mir begegnete. Bonn, im August 2003

Meike Lepa

Inhaltsverzeichnis A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

B. Die historische Entwicklung der Haftungsersetzung bis zum SGB VII . . . . . . . . . .

19

I. Die Ausgangssituation im 19. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

II. Das Reichshaftpflichtgesetz vom 7. 6. 1871 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20

III. Von § 95 UVG zu §§ 898, 899 RVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

IV. Das ErwZulG vom 7. 12. 1943 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

V. Die Entwicklung bis zum UVNG vom 30. 4. 1963 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

1. Die Haftungsfreistellung wegen „gefahrgeneigter Arbeit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

2. Konflikt der Grundsätze zur gefahrgeneigten Arbeit mit der Regelung zur Haftungsersetzung nach der RVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30

3. Das UVNG vom 30. 4. 1963 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

VI. Die Diskussion um die Verfassungsgemäßheit der Haftungsprivilegierung im UVNG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

VII. Die Ausweitung der §§ 636, 637 RVO in Bereichen der sog. unechten Unfallversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

VIII. Die Weiterentwicklung der Haftungsbefreiung durch §§ 104 ff. SGB VII . . . . .

39

1. Die Haftungsfreistellung des Unternehmers gemäß § 104 SGB VII . . . . . . . . .

39

a) Fortentwicklung des Grundtatbestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

b) Neue Ausnahmeregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

2. Die Haftungsfreistellung anderer im Betrieb tätiger Personen gemäß § 105 SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

a) Die von der Haftung freigestellten Schädiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

b) Die von der Haftungsfreistellung betroffenen Geschädigten . . . . . . . . . . . . .

40

10

Inhaltsverzeichnis 3. Die Haftungsfreistellung anderer Personen gemäß § 106 SGB VII . . . . . . . . . .

41

a) Haftungsfreistellungen im Bereich der sog. unechten Unfallversicherung

41

b) Die Haftungsfreistellung bei Tätigkeiten mehrerer Unternehmen auf einer gemeinsamen Betriebsstätte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung in §§ 104 ff. SGB VII . . . . . . . . . . . . .

43

I. Die Erweiterung des Kreises der nach § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII von der Haftung freigestellten Schädiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

1. Die Rechtfertigungsgründe für die Haftungsfreistellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

a) Die bisherigen Rechtfertigungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

b) Die Rechtfertigungsgründe für die Erweiterung des Schädigerkreises . . .

44

aa) Betriebsfrieden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

bb) Absicherung des Unternehmerprivilegs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

cc) Liquiditätsargument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

dd) Betriebs- und Gefahrengemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48

ee) Besonderes Schutzbedürfnis des Schädigers vor Haftungsrisiken . . .

49

2. Die Systemgerechtigkeit der Erweiterung des Schädigerkreises in § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

a) Diskussionsstand zu § 637 RVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

b) Divergenzen von betrieblicher und versicherter Tätigkeit und deren rechtliche Relevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

aa) Harmonisierung der Normanwendungsvoraussetzungen im Bereich der „Wie“-Beschäftigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55

bb) Verbleibende Divergenzen ohne rechtliche Relevanz . . . . . . . . . . . . . . .

56

c) Neue Interpretationsprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

3. Die Auswirkungen der neuen Konzeption der Haftungsfreistellung auf die Bestimmung der Grenzen der betrieblichen Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59

a) Betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen und Betriebssport . . . . . . . . . .

59

b) Beschaffung von Erfrischungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

c) Trunkenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

4. Unabhängigkeit des § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII von den Grundsätzen der Haftungsbeschränkung im Arbeitsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62

II. Die von §§ 104, 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII betroffenen Geschädigten . . . . . . . . . .

63

1. Die Rechtsstellung der nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII versicherten „Wie“-Beschäftigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

Inhaltsverzeichnis

11

a) Der Haftungsausschluß zu Lasten kurzfristig Hilfeleistender nach §§ 636, 637 RVO durch „doppelten Versicherungsschutz“ . . . . . . . . . . . . . . .

65

b) Behandlung der Fälle des „doppelten Versicherungsschutzes“ nach §§ 104, 105 SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

aa) Regelung des § 135 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69

bb) Auswirkungen des § 135 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII auf den Haftungsausschluß in den Fällen des „doppelten Versicherungsschutzes“ . . . . (1) Geltung des § 135 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII im Bereich der §§ 104, 105 SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Konsequenzen des Wegfalls „doppelten Versicherungsschutzes“

71 73

2. Versicherte, die „zu ihren Unternehmen in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen“ (§ 104 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 SGB VII) . . . . . .

74

III. Der Betriebsbegriff im Sinne von § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

1. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

2. Eigener Standpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

IV. Unfälle unter Beteiligung von Beamten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

1. Das Ziel des § 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

2. Der Regreß des Dienstherrn in analoger Anwendung des § 110 SGB VII . . .

85

3. Die Anwendung des Ausnahmetatbestandes bei Wegeunfällen . . . . . . . . . . . . .

86

4. Der Normenkonflikt zwischen § 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII und § 46 Abs. 2 BeamtVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

a) Arbeitnehmer verletzt Beamten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

b) Beamter verletzt Beamten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

V. Der Haftungsausschluß zu Lasten des Unternehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

1. Probleme der Einbeziehung des geschädigten Unternehmers in die Haftungsersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

a) Kreis der von der Erstreckung der Haftungsfreistellung betroffenen Unternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

b) Innere Rechtfertigung der Haftungsfreistellung zu Lasten des Unternehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

2. Die Ausgestaltung der Rechtsposition des von der Haftungsfreistellung betroffenen Unternehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

a) Die Leistungsansprüche des nicht versicherten Unternehmers . . . . . . . . . . .

97

aa) Berücksichtigung der Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

70

bb) Berücksichtigung des Mitverschuldens des Geschädigten . . . . . . . . . . . 103

12

Inhaltsverzeichnis b) Probleme der Verfassungsmäßigkeit der in § 105 Abs. 2 S. 2 bis 4 SGB VII getroffenen Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 aa) Prüfung am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 bb) Prüfung am Maßstab des Art. 14 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 cc) Prüfung am Maßstab des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 3. Analoge Anwendung der Vorschrift auf andere Unversicherte? . . . . . . . . . . . . . 111 VI. Der Haftungsausschluß nach § 106 Abs. 1 SGB VII – insbesondere: der Haftungsausschluß für Schulunfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 1. Die Reichweite des Haftungsausschlusses gemäß § 106 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 b) Eigene Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 2. Der Begriff „desselben Unternehmens“ im Sinne von § 106 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 3. Die Systemgerechtigkeit der Anknüpfung an die Betriebsangehörigkeit auf der Verletztenseite in § 106 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 VII. Der Haftungsausschluß zu Lasten Pflegebedürftiger gemäß § 106 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 1. Verfassungsrechtliche Überprüfung der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 2. Verfassungskonforme Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 VIII. Die Tatbestände des § 106 Abs. 3 SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 1. Das Haftungsprivileg bei Unfällen auf einer gemeinsamen Betriebsstätte . . . 122 a) Der Begriff der gemeinsamen Betriebsstätte im Sinne von § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 aa) Meinungsstand zum Begriff der gemeinsamen Betriebsstätte vor der Entscheidung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 bb) Auslegung des Begriffs durch den BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 cc) Eigener Standpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 dd) Die noch offenen Fragen zum Begriff der gemeinsamen Betriebsstätte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Verknüpfung durch räumliche Enge und das Erfordernis gegenseitiger Rücksichtnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Rechtliche Relevanz von Absprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Länger andauernde Zusammenarbeit zweier Unternehmen . . . . . (4) Zeitlich aufeinanderfolgendes Handeln zweier Unternehmen . . . (5) Gemeinsame Betriebsstätte im Straßenverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . .

132 132 133 134 135 137

Inhaltsverzeichnis

13

b) Einbeziehung des Unternehmers als Schädiger in den Schutzbereich des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 aa) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 bb) Eigene Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Erfordernis der Tätigkeit vor Ort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Erfordernis der Versicherteneigenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Systemkonformität des Auslegungsergebnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Keine Korrekturbedürftigkeit der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

141 141 142 143 143

cc) Komplikationen im Fall des gestörten Gesamtschuldverhältnisses und praktische Konsequenzen für die Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 (1) Grundlagen zum gestörten Gesamtschuldnerausgleich . . . . . . . . . 144 (2) Wirkung des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII im Rahmen der gestörten Gesamtschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 c) Kreis der einbezogenen Geschädigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 d) Auffangfunktion des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 aa) Haftungsbefreiung bei Leiharbeitsverhältnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 bb) Haftungsbefreiung in der ARGE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 2. Der Haftungsausschluß bei Rettungs- und Zivilschutzunternehmen . . . . . . . . . 159 IX. Der Haftungsausschluß Betriebsangehöriger gegenüber Unternehmensbesuchern gemäß § 106 Abs. 4 SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 X. Der Wegfall der Haftungsfreistellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 1. Der Wegfall der Haftungsfreistellung bei vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 2. Der Wegfall der Haftungsfreistellung bei Wegeunfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 a) Der frühere Ausnahmetatbestand der „Teilnahme am allgemeinen Verkehr“ – Befund der Rechtslage vor dem Inkrafttreten des SGB VII . . . . . . 166 b) Der Zusammenhang von § 8 Abs. 1 SGB VII und § 8 Abs. 2 SGB VII nach bisherigem Verständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 c) Der jetzige Ausnahmetatbestand des § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII . . . . 172 aa) Der betrieblich organisierte Weg zur Arbeit und zurück (insbes. Werkverkehr) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Auslegung des § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII im Lichte des alten Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Unfallversicherungsrechtliche Betrachtungsweise . . . . . . . . . . . . . . (3) Kritik an der Gesetzesfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Versuch einer Lösung de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

172 173 174 176

bb) Aufhebung des relativen Verständnisses des Ausnahmetatbestandes

180

172

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Inhaltsverzeichnis cc) Fortbestand der beamtenrechtlichen Sonderregelung . . . . . . . . . . . . . . . dd) Wegeunfälle im Schulbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Einschränkende Interpretation des Begriffs des Unternehmers in § 104 SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Erweiterung der Haftungsbefreiung für Betriebswege . . . . . . . . . . . . . . .

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D. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193

Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210

Abkürzungen ARGE ARS

UVG WFVG zfs ZfS

Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrechts-Sammlung, Entscheidungen des Reichsarbeitsgerichts und des Reichsehrengerichtshofs, der Landesarbeitsgerichte, Arbeitsgerichte und Ehrengerichte Unfallversicherungsgesetz vom 6. 7. 1884, RGBl. S. 69 Wehrmachtsfürsorge- und -versorgungsgesetz vom 26. 8. 1938, RGBl. I S. 1077 Zeitschrift für Schadensrecht Zentralblatt für Sozialversicherung, Sozialhilfe und Versorgung

Bezüglich der weiteren Abkürzungen wird verwiesen auf Kirchner, Hildebert / Butz, Cornelie Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 5. Auflage, Berlin, New York 2003.

A. Einführung Am 1. Januar 1997 ist das SGB VII in Kraft getreten. Die Einordnung des Unfallversicherungsrechts in das SGB war – anders als bei der Kranken- und Rentenversicherung – ausweislich der Begründung zum Regierungsentwurf nicht mit einer grundlegenden inhaltlichen Reform verbunden1. Dies sollte nach den Vorstellungen des Gesetzgebers im Grundsatz auch für die Vorschriften über die Haftungsbeschränkungen bei Arbeitsunfällen gelten2. Diese Haftungsbeschränkungen befinden sich von jeher im Unfallversicherungsrecht, zuletzt waren sie in §§ 636 ff. RVO geregelt. Sie entfalten ihre Wirkungen im Privatrecht, indem sie sich in Gestalt von Einwendungen gegen zivilrechtliche Schadensersatzansprüche richten3. Es handelt sich daher, wie zutreffend formuliert wurde, eigentlich „um ein Stück des Haftungsrechts“4. Die Vorstellung des Gesetzgebers, es solle im Bereich der Haftungsbeschränkungen im wesentlichen bei dem bisherigen Rechtszustand verbleiben, hat sich nicht bestätigt. Es wurde mehr verändert als auf den ersten Blick verändert schien. Schon die Flut von gerichtlichen Verfahren, die sich mit dem neu eingeführten Haftungsausschluß bei Tätigkeiten mehrerer Unternehmen auf einer gemeinsamen Betriebsstätte (§ 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII) beschäftigt haben, läßt den tatsächlichen Klärungsbedarf deutlich werden, den die Neuregelung hervorgerufen hat. Zwar sind in diesem Bereich mittlerweile die ersten Weichen für die Interpretation durch mehrere Entscheidungen des BGH gestellt. Das ändert aber nichts daran, daß noch zahlreiche Einzelfragen offen sind, wie die weiterhin große Zahl von gerichtlichen Entscheidungen zeigt, die zur Auslegung des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII ergehen. Durch die Diskussion um die Auslegungsprobleme des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII sind weitere Neuerungen, denen für die Praxis gleichfalls großes Gewicht zukommt, in den Hintergrund getreten. So sind bisher die Auswirkungen der Konkurrenzregelung des § 135 SGB VII auf den Haftungsausschluß weitgehend unbemerkt geblieben. Es zeigen sich weiterhin Nachlässigkeiten in der Gesetzesfassung, deren Überwindung einen zum Teil erheblichen Interpretationsaufwand erfordert. Dies gilt BT-Drucks. 13 / 2204, S. 73. Vgl. BT-Drucks. 13 / 2204, S. 100. 3 Vgl. BGH, Urt. v. 27. 6. 2002 – III ZR 234 / 01 –, r+s 2002, 374, 376 = BB 2002, 1866, 1868. 4 So Weber, VersR 1995, 875. 1 2

2 Lepa

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A. Einführung

insbesondere für die Neuregelung des Ausnahmetatbestandes bei Wegeunfällen. Die Anknüpfung an dieses unfallversicherungsrechtliche Kriterium, mit dem eine dem alten Tatbestand der „Teilnahme am allgemeinen Verkehr“ im wesentlichen entsprechende Regelung erlassen werden sollte, führt zu neuen Unstimmigkeiten. Auch muß vor dem Hintergrund der Gesetzesfassung in § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII der Begriff des „Betriebs“ im Zusammenhang mit der Beschränkung der Haftung anderer im Betrieb tätiger Personen gemäß § 105 SGB VII neu geklärt werden. Darüber hinaus ergeben sich Fragestellungen von grundsätzlicher Bedeutung. Die an verschiedenen Stellen zum Ausdruck kommende Ausweitung der Haftungsbeschränkungen im SGB VII – genannt seien hier neben dem unternehmensübergreifenden Haftungsausschluß des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII vor allem die Haftungsbeschränkungen anderer im Betrieb tätiger Personen gemäß § 105 SGB VII – wirft beträchtliche Legitimationsprobleme auf. Schließlich ist jede Haftungsprivilegierung auf der Seite des Geschädigten mit einem Rechtsverlust verbunden, der der Rechtfertigung bedarf. Bei den genannten Ausweitungen versagen die traditionellen Rechtfertigungsgründe jedoch. Dies führt zu der Frage, ob diese Regelungen von neuen Rechtfertigungsgründen getragen sind, die an die Stelle der bisherigen treten. An einzelnen Stellen hat der Gesetzgeber die Bahnen des bisherigen Rechts vollends verlassen. So entzieht er in § 105 Abs. 2 SGB VII dem nicht versicherten Unternehmer seine Ansprüche gegen eine betrieblich tätige Person und läßt an ihre Stelle eine hinter den Unfallversicherungsleistungen deutlich zurückbleibende Kompensation treten. Neu ist auch der in § 106 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII normierte Haftungsausschluß für Pflegepersonen zu Lasten von Pflegebedürftigen, die regelmäßig keinen Versicherungsschutz in der Unfallversicherung erhalten. Diese Vorschriften fordern zu einer verfassungsrechtlichen Prüfung heraus. Diese und weitere Fragestellungen erfordern eine kritische Analyse der mit dem SGB VII verbundenen Neuerungen im Bereich der Haftungsbeschränkungen. Eine solche Analyse setzt sich die vorliegende Arbeit zum Ziel. Zuvor erscheint ein Blick auf die Entstehungsgeschichte geboten; nur so werden die Wandlungen deutlich, die §§ 104 ff. SGB VII ihr Gepräge geben.

B. Die historische Entwicklung der Haftungsersetzung bis zum SGB VII I. Die Ausgangssituation im 19. Jahrhundert In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zeigte sich, daß die gesetzlichen Regelungen für Schadensfälle unzureichend waren. Während der meist langwierigen Schadensersatzprozesse erhielten die Arbeitnehmer keine Leistungen5. Vor allem aber richteten sich die Schadensersatzansprüche im allgemeinen nur gegen den unmittelbaren, in aller Regel unvermögenden Schädiger. Ausnahme war die Rechtslage im linksrheinischen Gebiet, in dem Art. 1384 des Code Civil6 galt. Danach haftete der Arbeitgeber auch für das Verschulden seiner Bediensteten und Angestellten7, die Regelung umfaßte sogar die Haftung für einfache Arbeiter8. Nachteilig war vor allem, daß es nur vereinzelte gesetzliche Regelungen gab, die eine Haftung für bestimmte Vorkommnisse ohne Nachweis eines Verschuldens des Schädigers vorsahen. Hervorzuheben ist hier das Preußische Gesetz über Eisenbahn-Unternehmungen vom 3. 11. 18389, das in § 25 eine Verpflichtung der Eisenbahngesellschaften zum Ersatz von Personen- und Sachschäden begründete, welche bei dem Betrieb der Bahn entstanden waren. Von dieser Haftung konnte sich die Gesellschaft nur befreien, wenn sie bewies, daß der Schaden auf eigene Schuld des Geschädigten oder auf unabwendbaren äußeren Zufall zurückzuführen war10. Der damaligen bürgerlichrechtlichen Gedankenwelt war mithin eine verschuldensunabhängige Haftung weitgehend fremd11. Bezeichnend dafür ist die Aussage von von Jhering aus dem Jahre 1867: „Nicht der Schaden verpflichtet zum Schadensersatz, sondern die Schuld. Ein einfacher Satz, ebenso einfach wie der des Chemikers, daß nicht das Licht brennt, sondern der Sauerstoff der Luft“12. Wannagat, S. 56. Wiedergegeben bei Barta, S. 86 Fn. 167. 7 Vgl. zu dieser Rechtslage die Begründung zum Entwurf des Reichshaftpflichtgesetzes, Stenographische Berichte des Reichstags, 1871, Band 3, Anlagen, Nr. 16, S. 69. 8 Lass / Zahn, S. 2 Fn. 1, diese Frage wurde allerdings kontrovers behandelt; vgl. Achenbach, Stenographische Berichte des Reichstags, 1871, Band 1, S. 449. 9 PrGS S. 505. 10 In S. 2 war klargestellt, daß die gefährliche Natur der Unternehmungen selbst nicht als ein von dem Schadensersatz befreiender Zufall zu betrachten ist. 11 Esser, S. 49; Gitter, S. 15. 12 von Jhering, S. 40. 5 6

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B. Die historische Entwicklung

Die Industrialisierung führte zu einem erheblichen Anstieg von Arbeitsunfällen. Die bestehende Gesetzeslage brachte jedoch angesichts der eng begrenzten Verantwortlichkeit des Schädigers den Beschäftigten, die bei industriellen Unternehmen durch eine widerrechtliche Handlung geschädigt worden waren, nur in seltenen Fällen Aussicht auf Schadensersatz13. Hier waren es insbesondere zwei Bergwerksunglücke in Neuiserlohn und Lugau, die auf die bestehenden rechtlichen Mängel aufmerksam machten14. Diese Unglücksfälle bildeten den Anlaß für eine Petition an den Reichstag des Norddeutschen Bundes, die eine Revision „der gesetzlichen Bestimmungen über Schadensersatzansprüche von Privatpersonen bei nicht von ihnen verschuldeten Unfällen“ forderte15. Die Petition wurde vom Reichstag zur „thunlichsten Berücksichtigung“ dem Bundeskanzler übergeben und bildete damit den Ausgangspunkt für die Diskussion um ein Gesetzgebungsvorhaben16. Das Ergebnis war der Erlaß des Reichshaftpflichtgesetzes vom 7. 6. 187117.

II. Das Reichshaftpflichtgesetz vom 7. 6. 1871 Grundgedanke des Reichshaftpflichtgesetzes war, den Rechtsschutz derjenigen zu stärken, die bei Unternehmen, die mit ungewöhnlichen Gefahren verbunden waren, an Leib und Leben geschädigt wurden. Man nahm also von einer weitgreifenden Reform Abstand, um zunächst denjenigen Schutz zu gewähren, die von den durch die Industrialisierung vermehrten Gefahren am stärksten betroffen waren18. Insofern sah man das Reichshaftpflichtgesetz als Übergangslösung an19. In § 1 dieses Gesetzes wurde für Eisenbahnunternehmer eine verschuldensunabhängige Haftung eingeführt, die – ähnlich der Regelung im Preußischen Eisenbahngesetz – nur begrenzt war durch eigenes Verschulden des Geschädigten oder höhere Gewalt. Die Begründung des Gesetzesentwurfs spricht insofern davon, daß ein Verschulden des Betriebs präsumiert werde20. Betreiber von Bergwerken, Stein13 So die Begründung zum Entwurf des Reichshaftpflichtgesetzes, Stenographische Berichte des Reichstags, 1871, Band 3, Anlagen, Nr. 16, S. 69. 14 Vgl. ausführlich Gitter, S. 14 ff. 15 Baron, Schriften des Vereins für Socialpolitik 1880, S. 101, 104; Endemann, S. 2; Ogorek, S. 100. 16 Vgl. dazu die Stenographischen Berichte des Reichstags, 1871, Band 1, S. 201 ff., 438 ff., 463 ff., 653 ff.; ausführlich Ogorek, S. 102 ff. 17 RGBl. S. 207. 18 Begründung zum Entwurf des Reichshaftpflichtgesetzes, Stenographische Berichte, 1871, Band 3, Anlagen, Nr. 16, S. 70; vgl. Hirsch, Stenographische Berichte des Reichstags 1878, Band 2, S. 838. 19 Vgl. Falk, Stenographische Berichte des Reichstags, 1871, Band 1, S. 205; dazu Ogorek, S. 103; Schulze, Stenographische Berichte des Reichstags, 1871, Band 1, S. 446, bezeichnet es als Notgesetz.

II. Das Reichshaftpflichtgesetz vom 7. 6. 1871

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brüchen, Gruben oder Fabriken hafteten gemäß § 2 des Reichshaftpflichtgesetzes auch, wenn ein Bevollmächtigter, Repräsentant oder eine zur Leitung oder Beaufsichtigung des Betriebs oder der Arbeiter „angenommene“ Person in Ausführung der Dienstverrichtung den Tod oder die Körperverletzung eines Menschen herbeigeführt hatte, allerdings unter der Voraussetzung, daß diese Person schuldhaft gehandelt hatte. § 4 Reichshaftpflichtgesetz sah vor, daß Versicherungsleistungen, die an einen gegen den Unfall versicherten Arbeiter gezahlt wurden, dann auf die Entschädigung des Unternehmers anzurechnen waren, wenn der Unternehmer die Versicherung mindestens zu einem Drittel mitfinanziert hatte. Die Vorschrift brachte damit erstmals Haftpflicht und Versicherung miteinander in Verbindung21. Damit erweist sich § 4 Reichshaftpflichtgesetz von seinem gedanklichen Ansatz als ein Vorläufer der §§ 104 ff. SGB VII. Der Reichstagsabgeordnete Lasker hob in der Debatte hervor, daß durch die Regelung des § 4 Reichshaftpflichtgesetz die Gemeinschaft zwischen Arbeitgeber und Arbeiter gestärkt werden sollte22. Man beabsichtigte mit dieser Regelung, die Versicherung der Arbeiter zu begünstigen23. Die Arbeitgeber sollten einen Anreiz haben, an der Gründung von Unfallversicherungskassen mitzuwirken24. Allerdings war die Regelung für den Arbeiter insofern nachteilig, als er zum Teil die Versicherungsprämie bezahlte, die dann den Unternehmer bei seiner Entschädigungspflicht entlastete25. Man meinte dies dadurch rechtfertigen zu können, daß kein Versicherungszwang bestand, sondern ein Vertrag zwischen Arbeiter und Arbeitgeber notwendig war; insofern sei davon auszugehen, daß Arbeiter auf eine solche Vereinbarung mit ihrem Arbeitgeber nur bei entsprechender Gehaltserhöhung eingehen würden26. Hinzu komme, daß diese Nachteile für den Arbeiter dadurch aufgewogen würden, daß er durch die Versicherung rasch eine Entschädigung bekomme und sich weder auf einen Prozeß noch auf Beweisunsicherheiten einzulassen brauche27. Doch stellte sich heraus, daß die Versicherungsgesellschaften, die sich in Folge des Reichshaftpflichtgesetzes bildeten28, in der 20 Stenographische Berichte des Reichstags, 1871, Band 3, Anlagen, Nr. 16, S. 70; Endemann, S. 16 ordnet die Haftung nach § 1 Reichshaftpflichtgesetz nicht als eine solche für vermutetes Verschulden ein, sondern sieht den Grund für die Haftungsbefreiung vielmehr darin, daß in diesen Fällen nicht der gefährliche Betrieb, sondern andere Umstände Ursache des Unfalls waren. 21 Gitter, SGb 1993, 297, 298; die Bedeutung des § 4 Reichshaftpflichtgesetz für die weitere Entwicklung des Unfallversicherungsrechts betont auch Fuchs, S. 34. 22 Lasker, Stenographische Berichte des Reichstags, 1871, Band 1, S. 488; vgl. auch Kohte, S. 258. 23 So Lass / Zahn, S. 3. 24 Lasker, Stenographische Berichte des Reichstags, 1871, Band 1, S. 488. 25 Kohte, S. 258 bezeichnet § 4 Reichshaftpflichtgesetz deshalb als „Risikoabwälzungsnorm“. 26 Lasker, Stenographische Berichte des Reichstags, 1871, Band 1, S. 488 f. 27 Zu diesem – vermeintlichen – Vorteil Lasker, Stenographische Berichte, 1871, Band 1, S. 488. 28 Baron, Schriften des Vereins für Socialpolitik 1880, S. 101, 121; Peters, S. 47.

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B. Die historische Entwicklung

überwiegenden Zahl der Fälle eine Leistungspflicht bestritten. Sie zahlten nur dann, wenn der Unternehmer gerichtlich verurteilt wurde, so daß ein gerichtliches Verfahren zwischen Arbeiter und Arbeitgeber notwendig wurde. Dadurch wurde das Verhältnis von Arbeitern und Arbeitgebern belastet29. Das Reichshaftpflichtgesetz war vielfältiger Kritik ausgesetzt. Schon der Ansatz in Form eines Spezialgesetzes wurde für verfehlt gehalten, weil er zur Prinziplosigkeit führe30. Kritisiert wurde ferner, daß die unterschiedliche Behandlung der Betriebe in den §§ 1, 2 Reichshaftpflichtgesetz durch statistisches Material widerlegt sei31. Auch die Beschränkung des § 2 Reichshaftpflichtgesetz auf bestimmte Betriebe wurde für willkürlich gehalten32. Schließlich differenzierte das Reichshaftpflichtgesetz nicht zwischen der Haftung des Unternehmers gegenüber seinen Arbeitern und der gegenüber Dritten33. Die Rechtsprechung, insbesondere die des Reichsoberhandelsgerichts, half über die Mängel nicht hinweg34. In den Begründungen zu den Entwürfen eines Unfallversicherungsgesetzes fanden sich demgemäß Bemerkungen darüber, daß § 2 Reichshaftpflichtgesetz dem Zweck, den Arbeiter gegen die mit seinem Berufe verbundenen Gefahren zu sichern, nur unvollkommen entspreche und daß Arbeitgeber durch die Haftpflicht in übermäßiger Weise belastet werden könnten35. Wie die Mängel des Reichshaftpflichtgesetzes zu beseitigen waren, blieb jedoch zunächst ungeklärt. Vor allem stellte sich die Frage, ob die Lösung in einer weiteren Verschärfung der privatrechtlichen Arbeitgeberhaftung lag oder ob nicht eine öffentlich-rechtliche Lösung gewählt werden sollte. Die Regierung Bismarck favorisierte von Anfang an eine öffentlich-rechtliche Lösung. Grund dafür war, daß eine Erweiterung der Unternehmerhaftung zu erheblichen Spannungen zwischen Arbeitgeber und Arbeiter geführt hätte36. Dementsprechend sah der Regierungs29 So der Präsident des Reichskanzleramts Staatsminister Hofmann, Stenographische Berichte des Reichstags 1879, Band 1, S. 141 unter Hinweis auf Berichte der Fabrikinspektoren; vgl. auch Begründung des ersten Entwurfs betreffend die Unfallversicherung der Arbeiter, RT-Drucks. 1881, Nr. 41, Anlage 2, S. 21 und Bismarck, Stenographische Berichte des Reichstags, 1881, Band 1, S. 715. 30 So Endemann, S. 4. 31 Von Unruh, Stenographische Berichte des Reichstags, 1871, Band 1, S. 202; Duncker, Stenographische Berichte des Reichstags, 1871, Band 1, S. 214. 32 Baron, Schriften des Vereins für Socialpolitik 1880, S. 101, 106 ff., 112; Hirsch, Stenographische Berichte des Reichstags, 1878, Band 2, S. 838 f.; zur Kritik über die Unzulänglichkeit dieser Vorschrift auch Endemann, S. 89. 33 Endemann, S. 7. 34 Vgl. dazu Ogorek, S. 113 f. 35 RT-Drucks. 1881, Nr. 41, Anlage 2, S. 22 (erster Entwurf); wiedergegeben auch in RTDrucks. 1882 Nr. 19, S. 36 (zweiter Entwurf); Stenographische Berichte des Reichstags, 1884, 3. Band, Anlagen, Nr. 4, S. 65 (dritter Entwurf). 36 Bismarck, RT Anlagen, 1881, Bd. 3 Nr. 41, S. 228; Hofmann, Stenographische Berichte des Reichstags, 1879, Band 1, S. 141; vgl. Gitter, S. 26; Ogorek, S. 117 f.

III. Von § 95 UVG zu §§ 898, 899 RVO

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entwurf über die Reform des Haftpflichtrechts ein Gesetz betreffend die Unfallversicherung der Arbeiter vor37. Der Entwurf zum Unfallversicherungsgesetz war nur ein Teil der damals entstehenden Sozialversicherung, deren Anstoß die von Bismarck am 17. 11. 1881 verkündete Kaiserliche Botschaft38 bildete.

III. Von § 95 UVG zu §§ 898, 899 RVO Erst der dritte Entwurf39 für ein Unfallversicherungsgesetz erging am 6. 7. 1884 schließlich als Gesetz40 und trat am 1. 10. 1885 in Kraft. Man hatte sich damit endgültig für eine öffentlich-rechtliche Lösung entschieden. Die Begründung des dritten Entwurfs führt hierzu aus, daß die Sicherstellung der Arbeiter gegen die wirtschaftlichen Folgen der Unfälle sich nicht als eine privatrechtliche Verbindlichkeit der Betriebsunternehmer zum Schadensersatz, sondern als eine öffentlichrechtliche Fürsorgepflicht darstelle. Es sei unmöglich, über eine privatrechtliche Lösung zu einer Fürsorge für die Arbeiter und deren Hinterbliebene in allen denjenigen Fällen zu kommen, in denen Zufall oder eigenes Verschulden der Arbeiter den Unfall herbeigeführt habe41. Nach dem UVG bestand für bestimmte Unternehmer ein Versicherungszwang. Der Kreis der versicherten Betriebe ging über den des § 2 Reichshaftpflichtgesetz nur geringfügig hinaus. Doch war nach der Begründung des dritten Entwurfs eine Ausdehnung der Versicherung auf weitere Betriebe schon vorgesehen42. Die in solchen Unternehmen tätigen Arbeiter und Betriebsbeamten wurden gemäß § 1 UVG gegen die Folgen der sich beim Betrieb ereignenden Unfälle umfassend verschuldensunabhängig versichert. Nach § 5 UVG bestand nur dann kein Anspruch, wenn der Verletzte den Betriebsunfall vorsätzlich herbeigeführt hatte. Die Mittel für die Versicherung der Arbeiter wurden durch die Unternehmer allein aufgebracht43, die in Berufsgenossenschaften als öffentlich-rechtlichen Zwangsgenossenschaften zusammengeschlossen waren44. Dies wurde damit beErster Entwurf, vgl. RT-Drucks. 1881, Nr. 41, Anlage 1; Ogorek, S. 116. Stenographische Berichte des Reichstags, 1881 / 82, Band 1, S. 1 ff. 39 Dritter Entwurf, vgl. Stenographische Berichte des Reichstags, 1884, Band 3, Anlagen, Nr. 4, S. 50 ff.; zweiter Entwurf RT-Drucks. 1882, Nr. 19; erster Entwurf RT-Drucks. 1881, Nr. 41, Anlage 2. Die Streitpunkte im Gesetzgebungsverfahren waren im wesentlichen die Frage der Kostenbeteiligung des Staates in Form eines Reichszuschusses und die organisatorische Frage, ob eine Reichsversicherungsanstalt eingerichtet werden sollte. Der dritte Entwurf sah weder den Reichszuschuß noch die Reichsversicherungsanstalt vor. 40 RGBl. S. 69. 41 Stenographische Berichte des Reichstags, 1884, Band 3, Anlagen, Nr. 4, S. 66. 42 Vgl. Stenographische Berichte des Reichstags, 1884, Band 3, Anlagen, Nr. 4, S. 65. 43 Vgl. § 10 UVG. 44 Wannagat, S. 67; vgl. §§ 11 ff. des UVG. 37 38

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B. Die historische Entwicklung

gründet, daß in erster Linie die Unternehmer – wie die historische Entwicklung des UVG aus dem Reichshaftpflichtgesetz auch nahelegt – die Fürsorgepflicht für die Arbeiter treffe. Diese den Unternehmern obliegende Fürsorgepflicht sei ihnen auch bewußt, denn schon vor Erlaß des UVG sei über die Verpflichtungen nach dem Reichshaftpflichtgesetz hinaus freiwillig Fürsorge von Unternehmern geleistet worden. Wesentlich unterstützt wurde diese Auffassung durch die Erwägung, daß der Betriebsunternehmer die Kosten der Fürsorge nicht aus seinem eigenen Vermögen leiste, sondern daß er sie über die Preise seiner Erzeugnisse auf den Käufer abwälze45. Die finanziellen Erwartungen der Industrie, die eine Kostenbeteiligung des Staates erhofft hatte, erfüllten sich damit nicht46. Die Einführung dieser Versicherungslösung mußte angesichts der alleinigen Finanzierung des Versicherungsschutzes durch die Unternehmer Auswirkungen auf Bestand und Umfang des Schadensersatzanspruchs des Versicherten gegen den Unternehmer haben. § 95 UVG sah dementsprechend vor, daß der Schadensersatzanspruch nur gegen den Betriebsunternehmer gegeben war, bei dem durch strafgerichtliches Urteil festgestellt war, daß er den Unfall vorsätzlich herbeigeführt hatte. In einem solchen Fall beschränkte sich der Anspruch allerdings auf die sog. Schadensspitzen, d. h. auf den Betrag, der die Versicherungsleistungen überstieg. Über die Unternehmer hinaus wurden in § 95 UVG die Bevollmächtigten, Repräsentanten, Betriebs- und Arbeitsaufseher in die Haftungsbefreiung einbezogen. Grund hierfür war der Gedanke, daß man sie nicht schlechter stellen wollte als den Unternehmer. Der Unternehmer könne keine weitergehende persönliche – wenn auch nur moralische – Verantwortlichkeit für ihre Handlungen übernehmen, als die Arbeiter gegen Unfälle zu versichern47. Nach § 96 UVG bestand ein Rückgriffsanspruch der Genossenschaften und Krankenkassen gegen die Betriebsunternehmer, Bevollmächtigten, Repräsentanten, Betriebs- oder Arbeitsaufseher auf Ersatz der Aufwendungen, wenn durch strafgerichtliches Urteil festgestellt worden war, daß sie vorsätzlich oder, gemessen an der berufsüblichen Sorgfalt, fahrlässig gehandelt hatten. Dieses Prinzip der Ersetzung der Haftpflicht der Unternehmer durch einen direkten gesetzlichen Zwang zur Versicherung der Arbeiter gegen alle Unfälle (sog. Prinzip der Haftungsersetzung durch Versicherungsschutz48) war bereits im ersten Entwurf eines Unfallversicherungsgesetzes (§ 46)49 vorgesehen und dort schon gebilligt worden50. Die Begründung des dritten Entwurfs führt hierzu aus, daß das UVG neben der Sicherung der Arbeiter gegen die wirtschaftlichen Folgen der Un45 Begründung des dritten Entwurfs, Stenographische Berichte des Reichstags, 1884, Band 3, Anlagen, Nr. 4, S. 66. 46 Gitter, S. 32. 47 Vgl. Begründung des dritten Entwurfs, Stenographische Berichte des Reichstags, 1884, Band 3, Anlagen, Nr. 4, S. 89. 48 Sieg, ZHR 113 (1950), 95 ff., er bezeichnet die Unfallversicherung als den klassischen Anwendungsfall dieses Prinzips (S. 104). 49 RT-Drucks. 1881, Nr. 41, Anlage 1.

III. Von § 95 UVG zu §§ 898, 899 RVO

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fälle (sog. soziales Schutzprinzip51) das Ziel verfolge, alle Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitern über Entschädigungsansprüche, welche den letzteren aus Unfällen entständen, zu beseitigen und deshalb alle Entschädigungsansprüche, welche aufgrund eines Unfalls nach bis dahin geltendem Recht beständen, aufzuheben. Dies lasse sich damit rechtfertigen, daß die Arbeiter statt der unsicher zu realisierenden Entschädigungsansprüche die zwar begrenzte, aber dafür vollkommen sichere Entschädigung nach dem UVG erhielten, die auch dann eintrete, wenn sie den Unfall selbst verschuldet hätten. Dies bedeutet, daß in der Sache schon damals die heute mit den Begriffen „Liquiditätsargument“ und „Betriebsfriedensargument“ bezeichneten Rechtfertigungsgründe zur Erklärung des Haftungsausschlusses herangezogen wurden. Die Haftungsbefreiung der Unternehmer korrespondierte also von Beginn der Unfallversicherung an mit deren Verpflichtung, die Beiträge für die Unfallversicherung der Arbeiter allein zu tragen. Neben den bereits genannten Argumenten trat damit als weiterer Rechtfertigungsgrund für die Haftungsbefreiung der Gedanke hinzu, daß die privilegierten Unternehmer allein die Beiträge für die Unfallversicherung aufbringen (Finanzierungsargument). Dieser Regelungszusammenhang knüpfte gedanklich an die Regelung des § 4 Reichshaftpflichtgesetz an. Im Unterschied zu § 4 Reichshaftpflichtgesetz 52 finanzierten im UVG jedoch die Arbeiter die Haftungsbefreiung der Unternehmer nicht mit. Das somit gefundene Unfallversicherungssystem in Verbindung mit dem privatrechtlichen Haftungsausschluß ist in seiner Grundkonzeption bis heute unverändert geblieben. Es hat als Modell der Ersetzung der Individualhaftung durch einen Kollektivausgleich eine Vorreiterfunktion eingenommen53. Auch heute wird immer wieder seine Übertragbarkeit auf andere Schadenskonstellationen in der Literatur – insbesondere auf den Bereich des Straßenverkehrs54 aber auch etwa auf die Arzthaftung55 und die Umwelthaftung56 – diskutiert57. Freilich sind seitdem in wichti50 Vgl. RT-Drucks. 1882, Nr. 19, S. 46; es gab während des Gesetzgebungsverfahrens freilich auch kritische Stimmen gerade hinsichtlich dieser Regelung, vgl. Bebel, Stenographische Berichte des Reichstags, 1881, Band 1, S. 748 (der v.a. gegen die zu diesem Zeitpunkt noch vorgesehene Beteiligung der Arbeiter an der Versicherungsprämie plädierte); von Vollmar, Stenographische Berichte des Reichstags, 1884, Band 1, S. 40. 51 Vgl. Gitter, S. 38. 52 Vgl. dazu oben B.II. 53 Dazu von Hippel, Haftungsersetzung, S. 40, 43 f. Zu den Auswirkungen der deutschen Lösung auf das schweizerische Recht etwa Bernstein, S. 5 ff., insbes. Fn. 8; auf die österreichische Rechtsentwicklung Wicke, S. 123; auf die Rechtssysteme anderer Länder Marschall von Bieberstein, VersR 1968, 509, 515 m. w. N. 54 Heitmann, S. 144 ff.; von Hippel, Verkehrsunfälle, S. 45 ff., Gesetzesvorschlag S. 117 ff.; Möller, JW 1934, 1076, 1080; Sieg, ZHR 113 (1950), 95, 101 ff.; ausführlich auch Deutsch, Rn. 751 ff. (insbes. 758); gegen solche Reformpläne Weyers, S. 542 ff., 642 ff.; zu den Parallelen von Unfällen am Arbeitsplatz und im Straßenverkehr ferner Wannagat, FS Schnorr von Carolsfeld, S. 497, 512 ff. 55 Barta, FS Gitter, S. 9 ff.; dagegen aber Deutsch, Rn. 775 m. w. N. zu beiden Ansichten.

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B. Die historische Entwicklung

gen Einzelfragen Änderungen vorgenommen worden. Bereits am 28. 5. 1885 erging das erste Ausdehnungsgesetz, das eine Reihe weiterer Unternehmen der Unfallversicherung unterwarf58. Auch in den folgenden Jahren (bis 1900) wurden weitere Unternehmen in den Unfallversicherungsschutz einbezogen59. Am 19. 7. 1911 wurde die RVO verkündet60, die die bisherigen Arbeiterversicherungsgesetze zusammenfaßte. Fortschritte brachte die RVO vor allem durch die Vereinheitlichung der Gestaltung der Versicherungsbehörden und des Verfahrens, insbesondere der Zuständigkeit61. Die Vorschriften des UVG zur Haftungsersetzung wurden als §§ 898, 899 in die RVO übernommen. Dieser Rechtszustand bestand in seinem Kern für Jahrzehnte. Durch das sechste Gesetz zur Änderung der Unfallversicherung vom 9. 3. 194262 wurde die bisher als Betriebsversicherung ausgestaltete Unfallversicherung in eine Personenversicherung umgewandelt. Der Versicherung unterlagen nicht mehr bestimmte Betriebe, sondern die Beschäftigten selbst waren versichert63. Diese Änderung brachte einen umfassenden Versicherungsschutz aller aufgrund eines Arbeits-, Dienst- oder Lehrverhältnisses Beschäftigten mit sich; man beseitigte damit die bisherige Trennung zwischen versicherten (gefährlichen) und nicht versicherten (weniger gefährlichen) Betrieben64. Dies führte zu einer deutlichen Erweiterung des Anwendungsbereichs der Vorschriften zur Haftungsablösung.

IV. Das ErwZulG vom 7. 12. 1943 Eine wesentliche Änderung des Haftungsausschlusses brachte erst das ErwZulG65 vom 7. 12. 1943. Dessen § 1 Abs. 2 sah vor, daß dann, wenn ein Arbeitsunfall „bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr“ eingetreten war, der Versicherte und seine Hinterbliebenen Schadensersatzansprüche auch dann gegen den Unternehmer oder ihm Gleichgestellte geltend machen konnten, wenn diese nach §§ 898, 899 RVO bis dahin ausgeschlossen waren. Diese Ausnahmeregelung ist in ihrem Gehalt bis zum Inkrafttreten des SGB VII unverändert geblieben. Dieselbe 56 Wagner, S. 104 ff.; dazu auch Kinkel, ZRP 1989, 293, 295 f.; Marburger, AcP 192 (1992), 1, 34. 57 Für ein umfassendes Vorsorgesystem von Hippel, NJW 1969, 681, 684; Kötz, S. 40 ff.; ablehnend Stark, VersR 1981, 1 ff. 58 RGBl. S. 159. 59 Vgl. im einzelnen Peters, S. 63 f. 60 RGBl. S. 509 ff. 61 Vgl. ausführlich Peters, S. 78 f. 62 RGBl. S. 107. 63 Peters, S. 116; Wickenhagen, S. 278 f. 64 Gitter, SGb 1993, 297, 299; Klemm, DR 1944, 130, 131. 65 RGBl. I S. 674.

IV. Das ErwZulG vom 7. 12. 1943

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Regelung galt – und gilt auch heute noch – gemäß § 1 Abs. 1 des Gesetzes auch für Dienstunfälle von Beamten und anderen Geschädigten, die Ansprüche nach den Versorgungsgesetzen hatten. Im Vorspruch des Gesetzes wird als Begründung für diese Neuregelung angegeben, daß die Haftungsausschlüsse nach der RVO und den Versorgungsgesetzen bei Unfällen, die sich bei Teilnahme am allgemeinen Verkehr ereignet hätten, dazu geführt hätten, daß unter dem Schutz der Unfallversicherung stehende Verletzte und Hinterbliebene sich schlechter stünden als andere geschädigte Verkehrsteilnehmer. Das Gesetz solle diese Unbilligkeiten beseitigen und den Schutz der unfallversicherten Verletzten und ihrer Hinterbliebenen verstärken. Der Erlaß dieses Gesetzes muß im Zusammenhang mit der Ausweitung der Regelungen zur Unfallversicherung gesehen werden66. Der Begriff des Arbeitsunfalls hatte durch die Einbeziehung des Wegeunfalls im Jahre 192567 eine erhebliche Erweiterung erfahren. Zwar lag die Ausdehnung der Unfallversicherung im Interesse der Arbeiter, doch erweiterte sich damit auch der Haftungsausschluß. Infolgedessen wurde man sich auch der Nachteile der Regelung bewußt, die sich vor allem dann ergaben, wenn der Schaden des Arbeiters wesentlich höher war als die Versicherungsleistungen, die er erhielt. Man empfand es insbesondere als unbillig, daß der Haftungsausschluß auch dann eingriff, wenn ein Versicherter, der im Dienst einer öffentlichen Verwaltung stand, den Arbeitsunfall im Bereich einer anderen Verwaltung erlitten hatte, also in Fällen, in denen nur ein loser Zusammenhang zwischen Schädiger und Geschädigtem bestand68. In einigen vom RG in den Jahren zuvor getroffenen Entscheidungen waren diese als solche empfundenen „Unbilligkeiten“ offen zutage getreten: Das RG hatte zum einen über einen Fall zu entscheiden, bei dem ein Pionier am Bahnhof beim Verschieben des Eisenbahnpionierzuges, dem er zugeteilt war, tödlich verletzt wurde69. Es wies die Klage der Hinterbliebenen auf Schadensersatz gegen die Reichsbahn ab, weil die den damaligen §§ 898, 899 RVO entsprechende Regelung des § 134 WFVG von 193870 eingriff. Zum anderen hatte das RG wenig später über einen Fall zu entscheiden, bei dem sich ein Soldat unerlaubt von seiner Truppe entfernt hatte und auf einem Kraftwagen der Wehrmacht mitfuhr. Dieser Kraftwagen stieß an einem Eisenbahnübergang mit einem Zuge zusammen. Der Soldat wurde bei dem Unfall tödlich verletzt71. In diesem Fall waren die Voraussetzungen

66 Abweichend die Darstellung bei Rolfs, Haftung, S. 143 ff. und S. 29 f., der einen Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des Pflichtversicherungsgesetzes vom 7. 11. 1939 herstellt. Meines Erachtens ist ein solcher Zusammenhang nicht feststellbar. 67 Damaliger § 545 a RVO, eingeführt durch das zweite Gesetz über Änderungen in der Unfallversicherung vom 14. 7. 1925, RGBl. I S. 97. 68 Vgl. die amtliche Begründung zum ErwZulG, DJ 1944, 21; Bülow, DJ 1944, 25, 27 f. 69 RG, Urt. v. 12. 3. 1941 – VIII 7 / 41 –, RGZ 166, 257. 70 RGBl. I S. 1077. 71 RG, Urt. v. 16. 12. 1942 – III 61 / 42 –, RGZ 170, 311.

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B. Die historische Entwicklung

des Ausschlusses des § 134 WFVG nicht gegeben, weil infolge des unerlaubten Entfernens von der Truppe keine Wehrdienstbeschädigung vorlag. Anlaß zur Gesetzesvorlage war letztlich der während einer Urlaubsfahrt eingetretene tödliche Unfall eines Soldaten, dessen Zivileinkommen höher war als die Versorgungsbezüge seiner Hinterbliebenen72. Vergleiche zwischen der Rechtsposition eines Versicherten und der eines anderen Verletzten hatten sich – wie die Beispiele aus den damals diskutierten Fällen schon zeigen – vor allem bei Unfällen aufgedrängt, die sich im allgemeinen Verkehr zugetragen hatten. Dementsprechend wurde dieser Anknüpfungspunkt für die Beschränkung des Haftungsausschlusses gewählt. Außerdem wollte man mit diesem neu geschaffenen Rechtsbegriff verschiedene Situationen, in denen ein Unfall eintreten kann, erfassen: den Wegeunfall, den Unfall bei der Dienstreise und den Unfall bei der eigentlichen Arbeit73. Die amtliche Begründung enthielt auch Angaben, wie der Begriff der „Teilnahme am allgemeinen Verkehr“ zu verstehen sei. Die Frage, ob der Verletzte am allgemeinen Verkehr teilgenommen habe, müsse von Fall zu Fall beantwortet werden. Es komme auf das Verhältnis von dem Versicherten zum Unternehmer bzw. zur Verwaltung an, der Begriff sei also relativ zu verstehen74. In diesem Sinne haben die Rechtsprechung und herrschende Literatur diesen Begriff denn auch in der Folge interpretiert. Maßgebend war danach, ob der Versicherte den Unfall als „normaler“ Verkehrsteilnehmer oder gerade als Betriebsangehöriger erlitten hat; es durfte sich also, sollte der Haftungsausschluß wegen Teilnahme am allgemeinen Verkehr entfallen, kein betriebsbezogenes Verhältnis zwischen Verunglücktem und Schädiger verwirklichen75. Anders ausgedrückt: Es kam darauf an, ob sich der Unfall in einer Verkehrslage ereignet hatte, in die statt des Geschädigten in gleicher Weise ein beliebiger Dritter hätte geraten können, für den der Unfall kein Dienst- oder Arbeitsunfall gewesen wäre76. Mit diesen Kriterien hatte man eine sichere Grundlage für die – im Einzelfall nicht immer einfache – Auslegung des Begriffs der Teilnahme am allgemeinen Verkehr gefunden. Ob es sinnvoll war, diesen Ausnahmetatbestand im SGB VII durch eine neue Regelung zu ersetzen, wird noch einer genaueren kritischen Untersuchung bedürfen.

So Jaa, Zeitschrift der Akademie für deutsches Recht 1944, 80, 82 m. w. N. Vgl. die amtliche Begründung zum ErwZulG, DJ 1944, 21; Bülow, DJ 1944, 25, 27 f. 74 Amtliche Begründung, DJ 1944, 21; einzelne Fallgruppen werden auf S. 22 gebildet. 75 BGH, Urt. v. 16. 1. 1953 – VI ZR 161 / 52 –, BGHZ 8, 330, 337; Urt. v. 23. 11. 1955 – VI ZR 193 / 54 –, BGHZ 19, 114, 119; Urt. v. 5. 11. 1991 – VI ZR 20 / 91 –, BGHZ 116, 30, 33 f.; Urt. v. 13. 1. 1976 – VI ZR 58 / 74 –, VersR 1976, 539; RGRK / Steffen, Vor § 823 Rn. 99; Wussow / Schloen, 14. Aufl., Rn. 2646; a.A. Faecks, NJW 1973, 1021, 1025. 76 So Hartung, Karlsruher Forum 1983, 105, 110. 72 73

V. Die Entwicklung bis zum UVNG vom 30. 4. 1963

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V. Die Entwicklung bis zum UVNG vom 30. 4. 1963 Eine grundlegende Neuregelung der Unfallversicherung, die auch die Vorschriften zur Haftungsersetzung erfaßte, trat durch das Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz vom 30. 4. 196377 ein.

1. Die Haftungsfreistellung wegen „gefahrgeneigter Arbeit“ Handlungsbedarf hatte sich vor allem aufgrund der Rechtsprechung zur sog. „gefahrgeneigten Arbeit“ ergeben. In der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung hatte sich die Erkenntnis durchgesetzt, daß ein Arbeitnehmer, der bei einer ihrer Natur nach leicht zu Schädigungen führenden Arbeit fahrlässig einen Schaden herbeigeführt hat, gegenüber seinem Arbeitgeber nicht schlechthin haften soll. Als Ausgangspunkt dieser Entwicklung wird eine Entscheidung des ArbG Plauen aus dem Jahre 1936 angesehen78. Das Gericht nahm bei leichter Fahrlässigkeit nach Treu und Glauben einen Haftungsausschluß eines Berufskraftfahrers gegenüber seinem Arbeitgeber an, weil diese Tätigkeit in besonderer Weise schadensgeneigt sei und die Unvollkommenheit der menschlichen Natur es mit sich bringe, daß einem Menschen ab und zu Fehler unterliefen. Zudem hielt es das Gericht für entscheidend, daß die Entlohnung den Haftungsrisiken eines Berufskraftfahrers nicht angepaßt sei. Damit wies das Gericht auf entscheidende Gesichtspunkte für die spätere Diskussion bereits hin. Das RAG äußerte sich bereits wenig später in ähnlicher Weise79 und fand schließlich auch die später vielfach zitierte Formel zur Schadensgeneigtheit der Arbeit: Die Eigenart gewisser Dienste bringe es mit sich, daß auch gewissenhaften Dienstverpflichteten Fehlgriffe unterliefen, die zwar für sich allein betrachtet jedesmal vermeidbar seien, mit denen aber angesichts der menschlichen Unzulänglichkeit als mit einem typischen, mehr oder minder genau voraussehbaren Abirren der Dienstleistung erfahrungsgemäß gerechnet werde80. Diese Rechtsprechung wurde dahin weiterentwickelt, daß bei Schäden gegenüber Dritten, denen gegenüber der Arbeitnehmer weiterhin unbeschränkt haftete, der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf vollständige oder anteilsmäßige Freistellung von der Haftung hatte81. Die Literatur stimmte dieser Entwicklung zu82. BGBl. I S. 241. ArbG Plauen, Urt. v. 4. 11. 1936 – 1 Ca 189 / 36 –, ARS 29, 62. 79 RAG, Urt. v. 12. 6. 1937 – RAG 297 / 36 –, ARS 30, 3, 6; Urt. v. 8. 11. 1938 – RAG 60 / 39 –, ARS 37, 269, 271. 80 RAG, Urt. v. 18. 12. 1940 – RAG 49 / 40 –, ARS 41, 55, 58; diese Formel ist durch den Großen Senat des BAG in seinem Beschl. v. 25. 9. 1957 – GS 4 / 56 (GS 5 / 56) –, BAGE 5, 1, 7 = AP Nr. 4 zu §§ 898, 899 RVO übernommen worden; der Sache nach auch RAG, Urt. v. 14. 1. 1941 – RAG 201 / 39 –, ARS 41, 259, 264; Urt. v. 30. 9. 1941 – RAG 88 / 41 –, ARS 43, 108; Urt. v. 26. 3. 1943 – RAG 140 / 42 –, ARS 46, 136. 81 RAG, Urt. v. 18. 12. 1940 – RAG 49 / 40 –, ARS 41, 55, 60 f.; Urt. v. 30. 9. 1941 – RAG 88 / 41 -, ARS 43, 108, 109; LAG Hamm, Urt. v. 10. 6. 1954 – 3 Sa 117 / 54 –, BB 1955, 477. 77 78

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B. Die historische Entwicklung

Der BGH83 und der Große Senat des BAG schlossen sich der Rechtsprechung zur Haftungsbeschränkung bei gefahrgeneigter Arbeit an. Der Große Senat des BAG begründete sie aus den das Arbeitsverhältnis beherrschenden Treue- und Fürsorgepflichtgedanken, mit denen es sich nicht vertrage, daß der Arbeitgeber den Arbeitnehmer mit Schäden und Ersatzansprüchen belaste, die sich aus der besonderen Gefahr und Eigenart der ihm übertragenen Arbeit ergäben und als solche zum typischen vom Arbeitgeber zu tragenden Betriebsrisiko gehörten, auch wenn sie im Einzelfall vom Arbeitnehmer fahrlässig herbeigeführt worden seien. Ebenso machte er sich die Rechtsprechung zum Freistellungsanspruch zu eigen84.

2. Konflikt der Grundsätze zur gefahrgeneigten Arbeit mit der Regelung zur Haftungsersetzung nach der RVO Diese Grundsätze gerieten bei der Schädigung eines Arbeitskollegen in Widerspruch zur Haftungsfreistellung nach der RVO. Der schädigende Arbeitnehmer haftete in diesen Fällen zwar grundsätzlich unbeschränkt85. Er konnte indes seinerseits seinen Arbeitgeber auf Freistellung von der Schadensersatzpflicht in Anspruch nehmen, wenn die genannten Voraussetzungen – gefahrgeneigte Arbeit, keine schwere Schuld – vorlagen. Der Arbeitgeber mußte in einem solchen Falle daher über den Umweg des Freistellungsanspruchs doch für den Unfall haften, obwohl er bereits die Unfallversicherung für den geschädigten Arbeitnehmer finanzierte. Wollte man diesen Konflikt lösen, so blieb nur die Möglichkeit, die Haftung auch unter Arbeitskollegen zu beschränken. Der Große Senat des BAG entschied deshalb am 25. 9. 1957, daß ein Arbeitnehmer, der fahrlässig den Arbeitsunfall eines anderen verursacht hatte, dem Geschädigten nicht hafte, wenn und soweit ihm eine Belastung mit solchen Schadensersatzansprüchen deshalb nicht zugemutet werden könne, weil seine Schuld im Hinblick auf die besondere Gefahr der ihm übertragenen Arbeit nach den Umständen des Falles nicht schwer sei86. Das BAG sah von einer analogen Anwendung des § 899 RVO mit Rücksicht auf dessen Ausnahmecharakter ab87 und leitete die Haftungseinschränkung aus ei82 Vgl. Denecke, RdA 1952, 209; Dersch, RdA 1951, 78, 79; Gumpert, BB 1955, 480, 482; Hueck, ARS 41, 64 ff.; ders. / Nipperdey, § 35 II 4 m. w. N.; Nikisch, § 27 V 4 m. w. N. 83 BGH, Urt. v. 10. 1. 1955 – III ZR 153 / 53 –, BGHZ 16, 111, 116. 84 BAG GS, Beschl. v. 25. 9. 1957 – GS 4 / 56 (GS 5 / 56) –, BAGE 5, 1, 8 = AP Nr. 4 zu §§ 898, 899 RVO. 85 Soweit der Verletzte Leistungen aus der Sozialversicherung erhielt, ging sein Anspruch nach § 1542 RVO (heute § 116 SGB X) auf den Sozialversicherungsträger über, so daß dieser den Schädiger in Anspruch nehmen konnte. 86 BAG GS, Beschl. v. 25. 9. 1957 – GS 4 / 56 (GS 5 / 56) –, BAGE 5, 1 = AP Nr. 4 zu §§ 898, 899 RVO LS. 87 BAG GS, Beschl. v. 25. 9. 1957 – GS 4 / 56 (GS 5 / 56) –, BAGE 5, 1, 14 = AP Nr. 4 zu §§ 898, 899 RVO, ohne jedoch die in dieser Vorschrift enthaltene Bevorzugung des Arbeitsaufsehers gegenüber dem einfachen Arbeiter für rechtspolitisch einleuchtend zu halten.

V. Die Entwicklung bis zum UVNG vom 30. 4. 1963

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ner sinnvollen Weiterentwicklung der von der Rechtsprechung erarbeiteten Lehre von der Beschränkung der Haftung des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber und der Lehre von der Freistellungspflicht des Arbeitgebers bei gefahrgeneigter Arbeit ab. Dieses Prinzip der Haftungsbefreiung im Sinne einer innerbetrieblichen Schadensverteilung sei auf Arbeitsunfälle auszudehnen, die der Arbeitskamerad des Verletzten fahrlässig herbeigeführt habe. Der Grundsatz der Betriebsgemeinschaft gelte auch zwischen den Arbeitnehmern, da zwar in aller Regel kein Vertragsverhältnis zwischen ihnen bestehe, dafür aber ein Gemeinschaftsverhältnis. Die Betriebsverbundenheit wirke auf die Rechtsstellung des einzelnen Arbeitnehmers ein. Die Arbeitnehmer müßten aufeinander besondere Rücksicht nehmen, müßten aber auch mit leichten Versehen der Arbeitskameraden rechnen. Sie wüßten, daß ihnen ein solches Versehen ebenfalls passieren könne und wollten in diesem Fall auch nicht haftbar gemacht werden. Das BAG sah sich dadurch bestätigt, daß die Bundesregierung in einem wenige Monate zuvor dem Bundesrat zugeleiteten Entwurf zur Neuregelung der gesetzlichen Unfallversicherung ebenfalls einen Ausschluß der Haftung auch gegenüber den übrigen Betriebsangehörigen vorgesehen hatte, wenn diesen im Falle der Inanspruchnahme durch den Verletzten gegenüber dem Unternehmer ein Anspruch auf Freistellung zustehen würde. Diese Regelung war auch mit der Überlegung begründet worden, daß nicht über den Umweg eines fahrlässig handelnden Betriebsangehörigen eine Unternehmerhaftpflicht begründet werden solle88. Der in der nächsten Legislaturperiode vorgelegte Entwurf der Bundesregierung zum UVNG von 1958 ging über diese Entscheidung des BAG und den letzten Gesetzentwurf noch hinaus, indem in § 628 Abs. 1 RVO angeordnet wurde, der Haftungsausschluß gelte bei Arbeitsunfällen für Ersatzansprüche eines Versicherten und dessen Hinterbliebenen gegen einen in demselben Betrieb tätigen Betriebsangehörigen, wenn dieser Arbeitsunfall durch eine betriebliche Tätigkeit verursacht worden sei89. Der Entwurf begründete diesen Haftungsausschluß über die Haftungsprivilegierung der Arbeitsaufseher und Bevollmächtigten hinaus mit dem Interesse an der Aufrechterhaltung des Betriebsfriedens. Auch wurde auf die Rechtsprechung zur Frage der Haftung von Arbeitskollegen hingewiesen und die damals geltende Regelung des § 151 BBG (vgl. heute § 46 BeamtVG) als Parallelnorm angeführt90. Dieser Entwurf wurde jedoch ebenfalls nicht Gesetz. Das BAG ging sogar noch einen Schritt weiter und entschied in – vermeintlicher – Fortentwicklung der Entscheidung des Großen Senats, daß ein Arbeitnehmer, der fahrlässig den Arbeitsunfall eines mit ihm zusammenarbeitenden Arbeitnehmers verursacht habe, auch wenn dieser im Arbeitsverhältnis zu einem anderen Arbeitgeber stehe, dem Geschädigten nicht hafte, wenn und soweit ihm eine Belastung mit solchen Schadensersatzansprüchen nicht zugemutet werden könne, weil seine 88 89 90

BT-Drucks. II / 3318, S. 66, 85 f. BT-Drucks. III / 758. BT-Drucks. III / 758, S. 60.

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B. Die historische Entwicklung

Schuld im Hinblick auf die besondere Gefahr der ihm übertragenen Arbeit nicht schwer sei91. Argumentiert wurde, daß die Haftungsbeschränkung, die der Große Senat angenommen habe, auf der Tatsache beruhe, daß beide beteiligten Arbeitnehmer sich zur gemeinsamen Arbeit verbunden hätten. Auf die bestehenden Arbeitsverhältnisse komme es insoweit nicht an. Diese Rechtsprechung weist bereits in die Richtung der heute durch § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII gesetzlich vorgesehenen Reichweite der Haftungsbeschränkungen zwischen Arbeitnehmern bei Arbeitsunfällen. Die Entscheidung wurde in der Literatur kritisiert92 und vom BAG auch wenig später aufgegeben93. Die neue Entscheidung begründete die Aufgabe der Rechtsprechung damit, daß es keinen Grund gebe, in einem solchen Fall der Schadenszufügung zwischen nicht in einem Betrieb arbeitenden Arbeitnehmern eine Beschränkung der Haftung des schädigenden Arbeitnehmers vorzunehmen. Selbst wenn es sich um einen Fall der schadensgeneigten Tätigkeit handele und der Schädiger nur mit leichter Schuld gehandelt habe, sei ihm die Tragung der vollen Haftung dem geschädigten Arbeitnehmer gegenüber schon deshalb zuzumuten, weil er seinerseits einen Freistellungsanspruch gegen seinen Arbeitgeber habe. § 898 RVO stehe in einem solchen Fall dem Freistellungsanspruch nicht entgegen, da diese Vorschrift im Verhältnis des geschädigten Arbeitnehmers zu dem Arbeitgeber des schädigenden Arbeitnehmers nicht anzuwenden sei. Die Kollision, die den Großen Senat des BAG zur Fortentwicklung der Haftungsfreistellung veranlaßt hatte, trat in diesem Fall also nicht ein.

3. Das UVNG vom 30. 4. 1963 Die Rechtsprechung des Großen Senats des BAG war durch die schließlich verabschiedete Neuregelung des UVNG vom 30. 4. 1963 schon bald wieder überholt. Im Bereich der Haftungsersetzung knüpfte das UVNG eng an die bisherige Regelung an. Die Gesetzesmaterialien führten dazu aus, daß die Regelung der §§ 898 ff. RVO beibehalten werden müsse, weil sonst die Grundlage der gesetzlichen Unfallversicherung erschüttert würde und die alleinige Beitragspflicht der Unternehmer ihren Sinn verlöre94. 91 BAG, Urt. v. 23. 11. 1962 – 1 AZR 304 / 61 –, BAGE 13, 326, 332 = AP Nr. 27 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers; eine andere Tendenz läßt freilich BGH, Urt. v. 26. 9. 1961 – VI ZR 30 / 61 –, VersR 1961, 1002, 1003 erkennen. Nach dieser Entscheidung sind die Rechtsgrundsätze des BAG nicht anzuwenden, wenn jemand nur vorübergehend in einem anderen Betrieb wie ein aufgrund eines Arbeitsverhältnisses Beschäftigter tätig geworden ist. 92 Vgl. Achterberg, AcP 164, 14, 45; Gumpert, BB 1963, 140; Hueck, Anm. zu BAG, Urt. v. 23. 11. 1962 – 1 AZR 304 / 61 –, AP Nr. 27 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers. 93 BAG, Urt. v. 11. 1. 1966 – 1 AZR 268 / 65 –, AP Nr. 35 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers. 94 BT-Drucks. IV / 120, S. 62.

V. Die Entwicklung bis zum UVNG vom 30. 4. 1963

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Der neu eingeführte § 636 Abs. 1 RVO entsprach der Regelung des § 898 RVO und enthielt damit den Grundfall des Haftungsausschlusses zugunsten des Unternehmers gegenüber seinem Arbeitnehmer. Neu war die Regelung in § 636 Abs. 2 RVO, durch die der Haftungsausschluß auch auf Ersatzansprüche Versicherter, die Beschäftigte eines weiteren Unternehmers waren, ausgedehnt wurde. Bei dieser Regelung – deren Bedeutung aus sich heraus schwer verständlich war95 – war nach der Entwurfsbegründung vor allem an Arbeiterleihverhältnisse und die bei Arbeitsgemeinschaften mehrerer Unternehmer bestehenden Arbeitsverhältnisse gedacht worden. In diesen Fällen sei die Bindung an den Stammbetrieb nur vorübergehend gelockert und ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis in dem anderen Betrieb begründet worden. Diese Regelung sollte eine Klarstellung der bis dahin zu §§ 898, 899 RVO ergangenen Rechtsprechung ohne eine inhaltliche Änderung bringen96. Der BGH hatte im Anschluß an das RG bei Leiharbeitsverhältnissen den entleihenden Unternehmer einem Bevollmächtigten oder Repräsentanten des Stammunternehmers im Sinne des § 899 RVO gleichgestellt und somit einen Haftungsausschluß nach §§ 898, 899 RVO zugunsten dieses Unternehmers angenommen97. Die Rechtsprechung hatte sogar darüber hinausgehend zuletzt anerkannt, daß ein Haftungsausschluß im Sinne der §§ 898, 899 RVO mehreren Unternehmen zugerechnet werden könne. Dies setze allerdings voraus, daß sich der Geschädigte bei seiner Arbeit zeitweilig der Arbeitsleistung eines fremden Betriebes unterstellt habe, mit der Folge, daß er auch den Versicherungsschutz dieses Unternehmens genieße98. Allerdings dürften die §§ 898, 899 RVO nicht dahingehend verstanden werden, daß es einem Geschädigten grundsätzlich versagt sei, Schadensersatzansprüche aus fahrlässigem Verhalten gegen Unternehmer anderer Betriebe zu stellen, mit denen er bei seiner Arbeitsleistung in Berührung komme99. Demgemäß hat die Rechtsprechung § 636 Abs. 2 RVO auch nur als eine Klarstellung verstanden100. Für die Ausnahme vom Haftungsausschluß bei Vorsatz war nach der Neuregelung eine strafgerichtliche Feststellung des vorsätzlichen Handelns des Schädigers nicht mehr erforderlich. Man hielt dies für überflüssig, weil jedes Gericht im Einzelfall den Vorsatz feststellen könne101. Eine weitere – rein gesetzessystematische, Vgl. Hueck, RdA 1962, 185, 186. Vgl. BT-Drucks. IV / 120, S. 62; so auch schon der Vorgängerentwurf BT-Drucks. III / 758, S. 60. 97 RG, Urt. v. 20. 9. 1943 – III 44 / 43 –, RGZ 171, 393, 398 f.; BGH, Urt. v. 16. 1. 1953 – VI ZR 161 / 52 –, BGHZ 8, 330, 336. 98 BGH, Urt. v. 19. 3. 1957 – VI ZR 277 / 55 –, BGHZ 24, 247, 248 ff.; Urt. v. 12. 5. 1959 – VI ZR 117 / 58 –, VersR 1959, 607, 608. 99 BGH, Urt. v. 4. 7. 1956 – VI ZR 214 / 55 –, BGHZ 21, 207, 210 ff.; Urt. v. 21. 1. 1958 – VI ZR 309 / 56 –, VersR 1958, 184; Urt. v. 12. 5. 1959 – VI ZR 117 / 58 –, VersR 1959, 607, 608; Urt. v. 7. 1. 1966 – VI ZR 165 / 64 –, VersR 1966, 387. 100 BGH, Urt. v. 18. 5. 1971 – VI ZR 242 / 69 –, VersR 1971, 735; vgl. auch RGRK / Steffen, Vor § 823 Rn. 79. 101 BT-Drucks. IV / 120 S. 62. 95 96

3 Lepa

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B. Die historische Entwicklung

nicht inhaltliche – Neuerung war, daß das ErwZulG vom 7. 12. 1943 in die RVO eingearbeitet wurde, soweit es sozialversicherungsrechtlichen Inhaltes war. Die Begründung des Entwurfs verwies auf die dem Gesetz zugrundeliegenden gesetzgeberischen Gedanken; diese hätten noch unverändert Gültigkeit102. Dementsprechend bestimmte § 636 Abs. 1 S. 1 RVO, daß die Haftungsfreistellung nicht eingreife, wenn der Arbeitsunfall bei „Teilnahme am allgemeinen Verkehr“ eingetreten war. Die bereits erwartete Neuerung enthielt die Vorschrift des § 637 RVO. Sie schloß an § 899 RVO an und regelte den Haftungsausschluß aller in dem Betrieb tätigen Betriebsangehörigen, wenn diese den Arbeitsunfall bei einer betrieblichen Tätigkeit verursacht hatten. Die Begründung für die Neuregelung entsprach – wortgleich – der des Entwurfs von 1958103. Das Gesetz dehnte damit die Haftungsprivilegierung deutlich weiter aus als die bisherige Rechtsprechung es in Anknüpfung an den Großen Senat des BAG getan hatte: Es stellte weder auf die Gefahrgeneigtheit der Arbeit ab noch war die Haftungsfreistellung auf Fälle des nicht schweren Verschuldens beschränkt, sondern griff bei jeder Fahrlässigkeit ein. Von einer darüber hinausgehenden Regelung, die auch Arbeitnehmer von der Haftung freistellte, die nur vorübergehend im Betrieb tätig waren, ohne diesem als Arbeitnehmer anzugehören, wurde abgesehen. Insoweit blieb die Regelung in ihrer Reichweite hinter der zwischenzeitlich vom BAG vertretenen Auffassung zurück. Der Bericht des sozialpolitischen Ausschusses begründet diese Beschränkung mit dem Zweck der Vorschrift, der darin liege, den Betriebsfrieden nicht durch Rechtsstreitigkeiten der Betriebsangehörigen untereinander stören zu lassen. Dieser Gesichtspunkt habe bei Personen, die dem Betrieb nicht als Arbeitnehmer angehörten, keine Bedeutung104. Die Schwierigkeiten der Legitimation eines betriebsübergreifenden Haftungsausschlusses, wie er heute insbesondere in § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII vorgesehen ist, waren also schon damals Gegenstand der Diskussion.

VI. Die Diskussion um die Verfassungsgemäßheit der Haftungsprivilegierung im UVNG In der Folgezeit setzten mehrere Gerichte anhängige Verfahren aus und legten dem BVerfG die §§ 636, 637 RVO zur verfassungsrechtlichen Prüfung insbesondere im Hinblick auf den durch die Vorschriften ausgeschlossenen Schmerzensgeldanspruch (§ 847 BGB a.F., heute § 253 Abs. 2 BGB) vor105. Außerdem hatte ein 102

BT-Drucks. IV / 120, S. 63; so auch schon im früheren Entwurf BT-Drucks. III / 758,

S. 61. Vgl. oben B.V.2. mit Fn. 90. BT-Drucks. IV / 938, S. 18. 105 ArbG Marburg, Beschl. v. 1. 12. 1970 – Ca 387 / 70 –, AP Nr. 5 zu § 636 RVO; zur Entscheidung des LG Hamburg (14. 5. 1971 – 3 O 71 / 70) vgl. OLG Hamburg, Beschl. v. 103 104

VI. Die Diskussion um die Verfassungsgemäßheit

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Arbeitnehmer unter dem gleichen Gesichtspunkt Verfassungsbeschwerde eingelegt. Das BVerfG entschied, daß §§ 636 Abs. 1 S. 1, 637 RVO insoweit mit dem Grundgesetz vereinbar seien, als sie den Anspruch auf Schmerzensgeld ausschlössen106. In dieser Entscheidung hat das BVerfG zugleich die Maßstäbe entwickelt, die auch heute noch für die Beurteilung verfassungsrechtlicher Probleme im Zusammenhang mit den unfallversicherungsrechtlichen Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden gelten. Das BVerfG prüfte die Vereinbarkeit der Vorschriften insbesondere am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG. Nach seinem damaligen Verständnis verbot der Gleichheitssatz dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches willkürlich ungleich und wesentlich Ungleiches willkürlich gleich zu behandeln107. Der Gleichheitssatz lasse danach Differenzierungen zu, die in tatsächlichen Verschiedenheiten der Lebensverhältnisse ihren Grund hätten und deren Berücksichtigung für eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise gerechtfertigt erscheine. Verletzt sei der Gleichheitssatz nur, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlicher Grund für die verschiedene Behandlung nicht finden lasse108. Das BVerfG betonte die aus diesem Verständnis des allgemeinen Gleichheitssatzes folgende Beschränkung seiner Überprüfungskompetenz und machte eigene Zweifel deutlich, ob die gefundene Regelung den Interessen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber am ehesten gerecht werde109. Das Gericht stellte dementsprechend die Rechtsposition eines Arbeitnehmers, der durch einen vom Arbeitgeber oder sonst in dem Betrieb tätigen Betriebsangehörigen (grob) fahrlässig verursachten Arbeitsunfall einen Personenschaden erleidet, der eines nicht durch Arbeitsunfall Geschädigten gegenüber. Der Arbeitnehmer erhielt die Leistungen aus dem damaligen dritten Buch der RVO, verlor aber insbesondere seinen Schmerzensgeldanspruch. Der nicht durch Arbeitsunfall Geschädigte hatte hingegen unter den Voraussetzungen der §§ 823 ff., 847 a.F. BGB einen Anspruch auf Schmerzensgeld sowie die weiteren deliktischen Ansprüche, ohne aber Leistungen nach der RVO beanspruchen zu können. Es lag somit eine Ungleichbehandlung vor. Diese Ungleichbehandlung war jedoch nach Auffassung des BVerfG gerechtfertigt. Das Gericht hob hervor, daß der Haftungsausschluß der §§ 636 ff. RVO nicht 1. 2. 1971 – 1 W 46 / 70 –, VersR 1971, 835; LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 27. 1. 1972 – 9 Sa 19 / 71 –. 106 BVerfG, Beschl. v. 7. 11. 1972 – 1 BvL 4, 17 / 71 und 10 / 72; 1 BvR 355 / 71 –, BVerfGE 34, 118, 119. 107 Zur „Willkür-Formel“ vgl. BVerfG, Urt. v. 23. 10. 1951 – 2 BvG 1 / 51 –, BVerfGE 1, 14, 52; Beschl. v. 9. 8. 1978 – 2 BvR 831 / 76 –, BVerfGE 49, 148, 165 m. w. N. 108 BVerfG, Beschl. v. 22. 6. 1971 – 2 BvL 10 / 69 –, BVerfGE 31, 212, 218 f.; vgl. auch BVerfG, Urt. v. 23. 10. 1951 – 2 BvG 1 / 51 –, BVerfGE 1, 14, 52; Beschl. v. 21. 6. 1955 – 1 BvL 33 / 51 –, BVerfGE 4, 219, 243 f. 109 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 7. 11. 1972 – 1 BvL 4, 17 / 71 und 10 / 72; 1 BvR 355 / 71 –, BVerfGE 34, 118, 131. 3*

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B. Die historische Entwicklung

isoliert, sondern im Rahmen des Leistungssystems der Unfallversicherung zu betrachten sei. Der Gesetzgeber sei bei der Ausgestaltung der Voraussetzungen und des Inhalts der Leistungen in der Unfallversicherung nicht an die Sachgesetzlichkeiten des Zivilrechts gebunden gewesen. Für den Haftungsausschluß der §§ 636, 637 RVO könnten sachliche Gründe angeführt werden. Die Regelung des Unfallversicherungsrechts bezwecke den Schutz des Arbeitnehmers, dem im Falle des Arbeitsunfalls stets ein leistungsfähiger Schuldner gegenüberstehe. Der Arbeitnehmer erhalte die Leistungen zur Wiederherstellung seiner Erwerbsfähigkeit und zu seiner wirtschaftlichen Sicherung ohne Verzögerung durch langwierige Streitigkeiten über Verschulden und Mitverschulden. Zwar müsse der Arbeitgeber die Aufwendungen der Unfallversicherung tragen, doch werde auch für ihn durch den zivilrechtlichen Haftungsausschluß das Risiko bei Arbeitsunfällen kalkulierbar. Ferner würden durch den Haftungsausschluß die Anlässe zu Konflikten im Betrieb wenn auch nicht ausgeschlossen, so doch zumindest eingeschränkt. Im übrigen wiege die Rente aus der Unfallversicherung bei leichten und mittelschweren Unfällen ein entgangenes Schmerzensgeld auf. Die Ausdehnung der Haftungsfreiheit auf alle Betriebsangehörigen durch § 637 RVO hielt das BVerfG insbesondere für gerechtfertigt, weil der Gesetzgeber auf den Betriebsfrieden abgestellt habe und durch den Haftungsausschluß ein bedeutsamer Anlaß zu Konflikten unter Arbeitskollegen vermieden würde. Diese Erwägungen behalten auch weiterhin ihre Gültigkeit, obwohl das BVerfG die Vereinbarkeit von Vorschriften mit dem allgemeinen Gleichheitssatz heute vorwiegend anhand der sog. „neuen Formel“ überprüft. Danach ist Art. 3 Abs. 1 GG dann verletzt, wenn keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten110. Auch bei Zugrundelegung dieses Maßstabs ist entscheidend, daß für den Ausschluß des Schmerzensgeldanspruchs bei Arbeitsunfällen tragfähige sachliche Gründe angeführt werden können. Das BVerfG sah auch das Sozialstaatsprinzip (vgl. Art. 20 Abs. 1 GG) und Art. 2 Abs. 1 GG durch den Ausschluß des Schmerzensgeldes nicht als verletzt an. Auf eine mögliche Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG ging es in der Entscheidung – ebenso wie die vorlegenden Gerichte – nicht ein. Doch gibt eine bereits vorher zur Parallelvorschrift des § 91 a SVG ergangene Entscheidung des BVerfG Aufschluß darüber, wie das Gericht über eine Verletzung dieses Grundrechts in einem solchen Falle dachte111. Es legte in dieser Entscheidung dar, daß durch die Vorschrift zum Haftungsausschluß die allgemeinen Ansprüche von vornherein beschränkt würden, da bereits im Zeitpunkt ihres Entstehens – also bei der Verletzung oder Tötung – gesetzlich feststehe, daß sie nicht geltend gemacht werden könnten. Die Ansprüche 110 BVerfG, Beschl. v. 9. 11. 1988 – 1 BvL 22 / 84, 71 / 86, 9 / 87 –, BVerfGE 79, 87, 98; Beschl. v. 30. 5. 1990 – 1 BvL 2 / 83, 9, 10 / 84, 3 / 85, 11, 12, 13 / 89, 4 / 90 und 1 BvR 764 / 86, BVerfGE 82, 126, 146 m. w. N. 111 BVerfG, Beschl. v. 22. 6. 1971 – 2 BvL 10 / 69 –, BVerfGE 31, 212, 220; das BVerfG, Beschl. v. 7. 11. 1972 – 1 BvL 4, 17 / 71 und 10 / 72; 1 BvR 355 / 71-, weist in BVerfGE 34, 118, 132 ausdrücklich auf die Vergleichbarkeit der beiden Entscheidungen hin.

VI. Die Diskussion um die Verfassungsgemäßheit

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entstünden also nur mit dieser rechtlichen Einschränkung, sie könnten insoweit von den Betroffenen zu keinem Zeitpunkt durchgesetzt werden. Wie Art. 14 GG aber auch nur Rechtspositionen schütze, die einer Person bereits zustünden112, so stelle auch die von Anfang an bestehende Anspruchsbeschränkung keinen Entzug im Sinne der Eigentumsgarantie dar. Im übrigen wies das BVerfG darauf hin, daß der Entzug der Ansprüche nicht ersatzlos geschehe und in der Regelung deshalb eine mit der Substanz des Art. 14 GG zu vereinbarende Inhalts- und Schrankenbestimmung zu sehen sei. Die Literatur hat die Entscheidung des BVerfG zu §§ 636 ff. RVO im wesentlichen begrüßt113. Kritisch angemerkt wurde allerdings, daß das BVerfG sich nicht mit der Anspruchssituation der Schwerverletzten auseinandergesetzt habe114. Dieses Versäumnis hat das BVerfG 1995 nachgeholt, als es seine Rechtsprechung bestätigte und entschied, daß der Ausschluß des Schmerzensgeldes auch gegenüber Schwerverletzten nicht gegen das GG verstoße115. Dies begründete es damit, daß sich die Rechtslage seit dem Rentenreformgesetz 1992 durch § 93 Abs. 2 Nr. 2 a SGB VI zugunsten Schwerstverletzter verbessert habe. Durch diese Regelung werde auch bei Schwerstverletzten zumindest ein Teil des immateriellen Schadens und nicht nur der Verdienstausfall durch die Gesamtrente ausgeglichen, so daß die frühere Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit des Schmerzensgeldausschlusses auch für Schwerstverletzte zutreffe116. Angesichts dieser Entscheidungen des BVerfG ist die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Einbeziehung des Schmerzensgeldes in den Haftungsausschluß geklärt117. Es ist nicht ersichtlich, daß sich an dieser Rechtssituation durch die Neufassung des § 253 Abs. 2 BGB durch das Zweite Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. 7. 2002118 etwas geändert hätte119. Vgl. BVerfG, Beschl. v. 20. 4. 1966 – 1 BvR 20 / 62 und 27 / 64, BVerfGE 20, 31, 34. Däubler, JuS 1986, 425, 428 m. w. N.; Gamillscheg / Hanau, S. 155; Gitter, SGb 1973, 356; ders., FS Sieg, S. 139, 148 f.; Schulin / Gitter / Nunius, HS-UV § 4 Rn. 97; kritisch Faecks, NJW 1973, 1021, 1024 f. Bogs, FS Gitter, S. 123, 132 hat die Entscheidung zwar ebenfalls kritisiert, allerdings nur, weil es das BVerfG versäumt habe, in einem obiter dictum dem Gesetzgeber neue Wege für die Verletztenentschädigung in der Unfallversicherung zu weisen. 114 Gitter, FS Sieg, S. 139, 147. 115 BVerfG, Beschl. v. 8. 2. 1995 – 1 BvR 753 / 94 –, NJW 1995, 1607. 116 Dazu Gitter, FS Krasney, S. 173, 179 ff.; Rolfs, AR-Blattei, SD 860.2 Rn. 15 f., 178; siehe auch KassKomm / Gürtner, § 93 SGB VI Rn. 18. 117 Daß das Schmerzensgeld zu den vom Haftungsausschluß betroffenen Personenschäden gehört, ist in den letzten Jahren – sogar Jahrzehnten – soweit ersichtlich auch in der Literatur nicht mehr in Frage gestellt worden, vgl. Gitter / Schmitt, § 22 Rn. 8; Kater / Leube, § 104 Rn. 36; Rolfs, Haftung, S. 208 ff.; Wannagat / Waltermann, § 104 Rn. 18. Zur früheren Diskussion vgl. nur Hanau, JurA 1970, 112, 114 ff. m. w. N. 118 BGBl. I S. 2674. 119 Allerdings ließe sich erst recht darüber diskutieren, ob es de lege ferenda nach dem praktischen Wegfall der Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes (vgl. dazu Wagner, 112 113

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B. Die historische Entwicklung

VII. Die Ausweitung der §§ 636, 637 RVO in Bereichen der sog. unechten Unfallversicherung120 Der Wirkungskreis der Vorschriften zur Haftungsbefreiung blieb nicht auf das Arbeitsleben beschränkt, sondern dehnte sich mit der Ausweitung des versicherten Personenkreises auch auf andere Lebensbereiche aus. Eine erhebliche Ausweitung haben die §§ 636, 637 RVO durch die Einführung einer Unfallversicherung für Schüler, Studenten sowie Kinder in Kindergärten121 erfahren. Ausgelöst wurde dieser gesetzgeberische Schritt durch ein Urteil des BGH, in dem dieser einen Aufopferungsanspruch einer Schülerin abgelehnt hatte, die sich im Turnunterricht eine schwere Körperverletzung zugezogen hatte. Der BGH hatte in seiner Entscheidung bemerkt, es stünde einem Rechtsstaat freilich an, einem Schulkind, das ihm mit der Einschulung anvertraut werde, in geeigneter Weise Fürsorge zuteil werden zu lassen und Vorsorge dafür zu treffen, daß einem Kind, das bei schweren Körperschäden, die es durch einen Unfall als Folge einer schulischen Maßnahme erleide, eine angemessene öffentlich-rechtliche Entschädigung gewährt werde, auf die der Verletzte selbst einen Anspruch habe122. Mit der Einführung des Unfallversicherungsschutzes hat der Gesetzgeber zugleich durch den neu eingeführten § 637 Abs. 4 RVO eine Haftungsbefreiung der Unternehmer und Betriebsangehörigen bei der Verletzung eines dieser Versicherten, aber auch eine Privilegierung dieser Versicherten selbst vorgesehen. Aufgabe der Praxis blieb es danach, die auf das Arbeitsleben zugeschnittenen Begriffe und Definitionen der Haftungsbefreiung im Unfallversicherungsrecht insbesondere auf den praktisch bedeutsamsten Schulbereich zu übertragen123. Zuletzt hat der Gesetzgeber im Zusammenhang mit der 1994 eingeführten Pflegeversicherung den versicherten Personenkreis nochmals durch die Einführung eiNJW 2002, 2049, 2054) rechtspolitisch angezeigt erscheint, einen Schmerzensgeldanspruch in das unfallversicherungsrechtliche Leistungssystem aufzunehmen (dahingehend auch Katzenmeier, JZ 2002, 1029, 1036; dazu bereits Gitter, S. 191 ff.; ders., FS Sieg, S. 139, 149 ff.; Hanau, JurA 1970, 112, 125). 120 Mit der sog. unechten Unfallversicherung wird im sozialrechtlichen Schrifttum der inhomogene Kreis der in der Unfallversicherung Versicherten bezeichnet, die in keinem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen, vom Gesetzgeber jedoch als sozial schutzbedürftig angesehen und daher in der Unfallversicherung pflichtversichert wurden, vgl. dazu ausführlich Schulin / Gitter / Nunius, HS-UV § 7 Rn. 1 ff.; Waltermann, SozR Rn. 243; z.T. werden allerdings die Lernenden, Schüler und Studierenden nicht der sog. unechten Unfallversicherung zugerechnet, da sie zumindest in einem sehr entfernten Bezug zum Arbeitsleben stehen, so etwa KassKomm / Ricke, Vor §§ 2 – 6 SGB VII Rn. 2. 121 Gesetz über Unfallversicherung für Schüler und Studenten sowie Kinder in Kindergärten vom 18. 3. 1971, BGBl. I S. 237. 122 BGH, Urt. v. 16. 1. 1967 – III ZR 100 / 65 –, BGHZ 46, 327, 331; vgl. zu diesem Zusammenhang auch Kötz, S. 41; Schulin / Schlegel, HS-UV § 18 Rn. 56. 123 Vgl. dazu BGH, Urt. v. 12. 10. 1976 – VI ZR 271 / 75 –, BGHZ 67, 279, 281 ff.; Rolfs, VersR 1996, 1194 ff.

VIII. Die Weiterentwicklung der Haftungsbefreiung

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ner Unfallversicherung von Pflegepersonen im Sinne des § 19 SGB XI erweitert (§ 539 Abs. 1 Nr. 19 RVO), um diese Personen bei ihrer uneigennützigen Tätigkeit zu schützen und so die häusliche Pflege von Pflegebedürftigen zu unterstützen124. Zugleich hat er auch in § 637 Abs. 5 RVO die Ersatzansprüche einer Pflegeperson, deren Angehörigen und Hinterbliebenen gegen den Pflegebedürftigen wie auch Ersatzansprüche von Pflegepersonen desselben Pflegebedürftigen untereinander entsprechend § 636 RVO ausgeschlossen.

VIII. Die Weiterentwicklung der Haftungsbefreiung durch §§ 104 ff. SGB VII Die Neuregelung des Unfallversicherungsrechts im SGB VII hatte in erster Linie das Ziel, das Unfallversicherungsrecht in das Sozialgesetzbuch einzuordnen. Eine grundlegende inhaltliche Reformierung war nicht angestrebt, sondern vielmehr eine rechtssystematische Überarbeitung, die auch zu einer übersichtlicheren Gestaltung und Straffung der Rechtsnormen führen sollte. Im Bereich der Haftung sollte es gleichfalls im wesentlichen bei dem bisherigen Rechtszustand verbleiben. Eine inhaltliche Weiterentwicklung sollte die Neuregelung nach der Begründung des Regierungsentwurfs allerdings erfahren, indem „die Freistellung des Arbeitnehmers gegenüber Schadensersatzansprüchen seines Unternehmers [ . . . ] erweitert“ wurde125. 1. Die Haftungsfreistellung des Unternehmers gemäß § 104 SGB VII a) Fortentwicklung des Grundtatbestandes § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII entspricht im Kern dem früheren § 636 Abs. 1 S. 1 RVO. Durch die neue Formulierung „Versicherte, die für ihre Unternehmen tätig sind“ soll jedoch erreicht werden, daß eine besondere Regelung für Leiharbeitnehmer (wie der frühere § 636 Abs. 2 RVO) entbehrlich ist126. Mit dieser Regelung bezweckte der Gesetzgeber aber keine Änderung des bestehenden Rechtszustands. Ausweislich der Gesetzesbegründung beschränkt § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII die Haftung des Unternehmers „entsprechend dem geltenden Recht (§ 636 Abs. 1 S. 1 RVO) auf vorsätzliches Handeln des Unternehmers und auf Wegeunfälle“127. 124 Art. 7 des Gesetzes zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit (Pflege-Versicherungsgesetz – PflegeVG) vom 26. 5. 1994, BGBl. I S. 1014, 1050, insoweit in Kraft getreten am 1. 4. 1995; vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 12 / 5262, S. 162. 125 Vgl. die Begründung zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung BT-Drucks. 13 / 2204, S. 73. 126 BT-Drucks. 13 / 2204, S. 100. 127 BT-Drucks. 13 / 2204, S. 100.

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B. Die historische Entwicklung

b) Neue Ausnahmeregelung Ferner ist die Ausnahme vom Haftungsausschluß bei Teilnahme am allgemeinen Verkehr ersetzt worden durch eine Ausnahme vom Haftungsausschluß in den Fällen, in denen der Unfall auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt wurde. Dort ist geregelt, daß auch das Zurücklegen des Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit und eine Reihe weiterer damit zusammenhängender Wege eine versicherte Tätigkeit ist. Die auf diesen Wegen herbeigeführten Unfälle werden gemeinhin als Wegeunfälle bezeichnet 128. Bei Wegeunfällen ist demnach der Haftungsausschluß entsperrt. Liegen die Voraussetzungen dieses oder des weiteren Ausnahmetatbestandes – der vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls – vor, bleibt der Schadensersatzanspruch des Geschädigten bzw. seiner Hinterbliebenen erhalten; er mindert sich dabei allerdings nach § 104 Abs. 3 SGB VII in Höhe der Sozialversicherungsleistungen, die der Versicherte aufgrund des Arbeitsunfalls erhält. Diese Regelung entspricht dem früheren § 636 Abs. 1 S. 2 RVO; sie verhindert eine Doppelentschädigung. § 104 Abs. 1 S. 2 SGB VII stellt neuerdings klar, daß der dem Versicherten verbleibende Anspruch nicht im Zeitpunkt seiner Entstehung nach § 116 SGB X auf den Unfallversicherungsträger übergeht129. 2. Die Haftungsfreistellung anderer im Betrieb tätiger Personen gemäß § 105 SGB VII a) Die von der Haftung freigestellten Schädiger § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII knüpft an den früheren § 637 RVO an und beschränkt entsprechend der in § 104 Abs. 1 SGB VII für Unternehmer getroffenen Regelung die Haftung der im Betrieb tätigen Personen. Es wird dabei nicht mehr – wie noch in § 637 RVO – auf eine Betriebsangehörigkeit des Schädigers abgestellt. Ziel dieser Neuregelung ist, auch Nicht-Betriebsangehörige von der Haftung zu befreien, die durch eine betriebliche Tätigkeit – zum Beispiel eine vorübergehende Tätigkeit nach § 2 Abs. 2 SGB VII – einen Versicherungsfall von Versicherten desselben Betriebes verursachen130. b) Die von der Haftungsfreistellung betroffenen Geschädigten Von der Haftungsfreistellung betroffen sind gemäß § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII – wie bereits in § 637 Abs. 1 RVO – zunächst die „Versicherten desselben Betriebs“. 128 129 130

Vgl. nur Geigel / Kolb, Kap. 31 Rn. 54. BT-Drucks. 13 / 2204, S. 100. Vgl. BT-Drucks. 13 / 2204, S. 100.

VIII. Die Weiterentwicklung der Haftungsbefreiung

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§ 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII erstreckt die in S. 1 getroffene Regelung darüber hinaus auf die Schädigung von Personen, die für denselben Betrieb tätig und nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherungsfrei sind, also in erster Linie auf die Schädigung von Beamten. Diese erhalten eine den Leistungen der Unfallversicherung entsprechende Unfallfürsorge. Eine neue Regelung findet sich auch in § 105 Abs. 2 SGB VII. Nach dessen S. 1 werden auch die Ansprüche des nicht versicherten Unternehmers im Falle seiner Schädigung entsprechend der in § 105 Abs. 1 SGB VII getroffenen Regelung beschränkt. § 105 Abs. 2 S. 2 SGB VII sieht – als Kompensation – vor, daß der nicht versicherte Unternehmer wie ein Versicherter Leistungen der Versicherung erhält. Dieser Anspruch ist jedoch ausgeschlossen, wenn eine zivilrechtliche Ersatzpflicht des Schädigers nicht besteht. Für die Berechnung von Geldleistungen gilt der Mindestjahresarbeitsverdienst als Jahresarbeitsverdienst. Geldleistungen werden nur bis zur Höhe des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs gewährt. Der nicht versicherte Unternehmer ist damit nicht vollständig in das unfallversicherungsrechtliche Leistungssystem eingebunden, verliert aber dennoch seine zivilrechtlichen Ansprüche gegen den Schädiger. Nach der Begründung des Entwurfs ist diese Neuregelung der Haftungsfreistellung des Arbeitnehmers gegenüber seinem Unternehmer ein wesentlicher Aspekt bei der inhaltlichen Weiterentwicklung131.

3. Die Haftungsfreistellung anderer Personen gemäß § 106 SGB VII a) Haftungsfreistellungen im Bereich der sog. unechten Unfallversicherung In § 106 Abs. 1 SGB VII wird die bisherige Regelung des § 637 Abs. 4 RVO und damit vor allem der Haftungsausschluß in Schulen, Hochschulen und Kindertageseinrichtungen weitergeführt. Ausweislich der amtlichen Begründung zum Regierungsentwurf regelt die Vorschrift „wie im geltenden Recht“ die entsprechende Anwendung der Haftungsbeschränkungen nach §§ 104, 105 SGB VII für die nach §§ 2 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 8 Versicherten132. Durch die Fassung verschiedener Tatbestände ist die Regelung jedoch im wesentlichen neu formuliert. § 106 Abs. 2 SGB VII erweitert die Haftungsfreistellung bei Unfällen unter Beteiligung von Pflegepersonen gegenüber dem bisherigen § 637 Abs. 5 RVO um den Ausschluß der Ersatzpflicht entsprechend §§ 104, 105 SGB VII der Pflegepersonen gegenüber den Pflegebedürftigen.

131 132

Vgl. BT-Drucks. 13 / 2204, S. 73. BT-Drucks. 13 / 2204, S. 100.

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B. Die historische Entwicklung

b) Die Haftungsfreistellung bei Tätigkeiten mehrerer Unternehmen auf einer gemeinsamen Betriebsstätte Eine Neuerung von großer Praxisrelevanz enthält § 106 Abs. 3 SGB VII in seiner dritten Alternative. Die Vorschrift regelt eine Haftungsbeschränkung für Fälle vorübergehender Aktivitäten mehrerer Unternehmen auf einer „gemeinsamen Betriebsstätte“. Diese Regelung hatte kein Vorbild im alten Recht, und die Gesetzesbegründung enthält keine Hinweise, wie sie zu behandeln ist. Ihre Anwendung, die durch neuartige Begriffsbildungen („gemeinsame Betriebsstätte“) noch erschwert wird, hat denn auch zu Unsicherheiten in der praktischen Rechtsanwendung geführt. Es handelt sich hier um die gravierendste Fortentwicklung der Haftungsbefreiung durch §§ 104 ff. SGB VII. Der BGH hat in einer Grundsatzentscheidung vom 17. 10. 2000 die Grundlagen der Bestimmung des Begriffs der gemeinsamen Betriebsstätte für die Praxis festgelegt. § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII erfaßt danach die betrieblichen Aktivitäten von Unternehmen, die bewußt und gewollt ineinandergreifen, miteinander verknüpft sind, sich ergänzen oder unterstützen, wobei es ausreicht, daß die Verständigung stillschweigend durch bloßes Tun erfolgt133. In zwei weiteren Leitentscheidungen vom 3. 7. 2001 hat der BGH entschieden, daß der für den Geschädigten fremde Unternehmer nur dann nach § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII von der Haftung freigestellt ist, wenn er selbst vor Ort betrieblich tätig war und überdies versichert ist134.

BGH, Urt. v. 17. 10. 2000 -VI ZR 67 / 00 –, BGHZ 145, 331, 336. BGH, Urt. v. 3. 7. 2001 – VI ZR 198 / 00 –, BGHZ 148, 209, 211 f.; Urt. v. 3. 7. 2001 – VI ZR 284 / 00 –, BGHZ 148, 214, 216. 133 134

C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung in §§ 104 ff. SGB VII I. Die Erweiterung des Kreises der nach § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII von der Haftung freigestellten Schädiger Gemäß § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII sind Personen schon dann von der Haftung befreit, wenn sie „durch eine betriebliche Tätigkeit einen Versicherungsfall von Versicherten desselben Betriebes verursachen“. Dies bedeutet eine erhebliche Erweiterung des Kreises der haftungsprivilegierten Schädiger. Bisher mußte der Schädiger nach § 637 Abs. 1 RVO „Betriebsangehöriger“ sein, um in den Genuß des Haftungsprivilegs zu kommen. Selbstverständlich fallen Betriebsangehörige als Schädiger weiterhin nach § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII in den Kreis der Haftungsprivilegierten, wenn sie betrieblich tätig sind. Der entscheidende Punkt, in dem sich die Neuregelung auswirkt, besteht aber darin, daß in Zukunft auch betriebsfremde Personen, die betriebliche Tätigkeiten ausüben, durch das Haftungsprivileg begünstigt sind.

1. Die Rechtfertigungsgründe für die Haftungsfreistellung Diese Erweiterung des Kreises der Schädiger über die Betriebsangehörigen hinaus erscheint gemessen am allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht unbedenklich.

a) Die bisherigen Rechtfertigungsgründe Wie oben ausgeführt135, hat das BVerfG die Haftungsfreistellung, der ein entsprechender Anspruchsverlust – insbesondere ein Verlust des Schmerzensgeldanspruchs – auf seiten des Geschädigten gegenübersteht, nur deshalb nicht als eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG gewertet, weil sie durch tragfähige Rechtfertigungsgründe gedeckt war. Für das BVerfG war inbesondere entscheidend, daß der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 637 RVO auf den Betriebsfrieden abgestellt hatte. Durch den Haf135

Vgl. dazu B.VI.

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

tungsausschluß werde ein bedeutsamer Anlaß zu Konflikten unter Arbeitskollegen vermieden. Es komme hinzu, daß die Betriebsgemeinschaft eine Gefahrengemeinschaft darstelle. Einerseits erhalte der Arbeitnehmer als Schädiger durch den Haftungsausschluß einen Vorteil; andererseits habe er als Geschädigter den Nachteil hinzunehmen, daß er gegen seinen Arbeitskollegen keine Schadensersatzansprüche habe, die über die Leistungen der Unfallversicherung hinausgingen. Diese Kombination stelle einen gerechten Ausgleich dar. Das BVerfG hat ferner in der Absicherung des Unternehmerprivilegs durch § 637 Abs. 1 RVO einen sachlichen Grund für die Haftungsbefreiung des Arbeitskollegen als Schädiger erblickt. Der Arbeitgeber sollte davor bewahrt werden, über Freistellungs- und Erstattungsansprüche seines schädigenden Arbeitnehmers im Ergebnis doch die Haftungslast zu tragen, obwohl er gerade durch § 636 Abs. 1 S. 1 RVO von der Pflicht zum Ersatz solcher Personenschäden frei sein sollte136. Das BAG legt diese Rechtfertigungsgründe auch für § 105 SGB VII zugrunde: Sinn und Zweck der Haftungsbeschränkung bestünden weiterhin darin, Haftungsstreitigkeiten unter den Betriebsangehörigen im Interesse des Betriebsfriedens zu vermeiden und den Arbeitgeber, der den Unfallversicherungsschutz finanziere, von Freistellungs- und Erstattungsansprüchen nach den Regeln über den innerbetrieblichen Schadensausgleich zu entlasten137.

b) Die Rechtfertigungsgründe für die Erweiterung des Schädigerkreises Eine genauere Betrachtung zeigt jedoch, daß sich diese bei der Prüfung am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG als Rechtfertigungsgründe herangezogenen Argumente für die hier in Rede stehende Erweiterung des Schädigerkreises nicht mehr in Anspruch nehmen lassen. Es gibt indes einen durchgreifenden weiteren Rechtfertigungsgrund, der vor Art. 3 Abs. 1 GG Bestand hat.

aa) Betriebsfrieden Das auf den Betriebsfrieden abstellende Argument ist nur tragfähig, soweit sich der Haftungsausschluß auf die Betriebsangehörigen bezieht138. Das Argument erBVerfG, Beschl. v. 7. 11. 1972 – 1 BvL 4, 17 / 71 und 10 / 72 –, BVerfGE 34, 118, 136 f. BAG, Urt. v. 14. 12. 2000 – 8 AZR 92 / 00 –, AP Nr. 1 zu § 105 SGB VII = VersR 2001, 720; so auch MünchArbR / Blomeyer, § 61 Rn. 2. 138 Gegen das Argument des Betriebsfriedens sind schon früher Bedenken angemeldet worden. Es könne nicht tragend sein, weil für Sachschäden die Unfallversicherung nicht eingreife und somit ein Betriebsfrieden durch die Ausschaltung von betriebsinternen Rechtsstreitigkeiten ohnehin nicht erreicht werden könnte, vgl. Rein, BB 1968, 44, 45; Steindorff, SAE 1967, 272; Steininger, GS Gschnitzer, S. 393, 397; so auch Otto / Schwarze, Rn. 534. 136 137

I. Nach § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII von der Haftung freigestellte Schädiger

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faßt nur den Betriebsfrieden im einzelnen Unfallbetrieb, nicht etwa einen über den einzelnen Betrieb hinausgehenden allgemeinen „Arbeitsfrieden“. Durch gerichtliche Auseinandersetzungen mit betriebsfremden Personen, die möglicherweise nur kurzfristig im Betrieb mitgeholfen haben, sind regelmäßig keine intensiven Störungen der Zusammenarbeit zu erwarten. Dies hat auch der Gesetzgeber gesehen. Im Gesetzgebungsverfahren zu § 637 RVO hatte man von einer Regelung abgesehen, die auch Personen freistellt, die nur vorübergehend im Betrieb tätig sind, ohne diesem als Arbeitnehmer anzugehören. Begründet wurde dies damit, daß der die Regelung tragende Gedanke des Betriebsfriedens bei Personen, die dem Betrieb nicht als Arbeitnehmer angehörten, keine Bedeutung erlange139. Die Ausweitung des Haftungsprivilegs auf Betriebsfremde läßt daher erkennen, daß sich der Gesetzgeber jetzt vom Gedanken des Betriebsfriedens gelöst hat140; zumindest hat er ihn in den Hintergrund treten lassen.

bb) Absicherung des Unternehmerprivilegs Demgegenüber kommt dem Finanzierungsargument im Grundsatz für die §§ 104 ff. SGB VII auch weiterhin Bedeutung zu. Der grundsätzlichen Bedeutung des Finanzierungsarguments kann nicht entgegengehalten werden, daß die Beiträge für die Unternehmer Lohnkosten sind, die sie in die Preise der von ihnen produzierten Güter und Leistungen einbringen und so auf die Abnehmer abwälzen können141. Die Möglichkeit der Abwälzung von Kosten – soweit es der Markt hergibt – ändert schließlich nichts daran, daß es sich bei der Zahlung der Beiträge um eine Eigenleistung der Unternehmer handelt, aus der diese Rechte herleiten können142. Gewichtiger ist indessen der Einwand, das Finanzierungsargument rechtfertige den Haftungsausschluß nur, soweit Versicherungsleistungen erbracht werden, nicht aber den darüber hinausgehenden umfassenden Haftungsausschluß, der sich auch auf einen eventuellen Restschaden beziehe143. Diese Sichtweise vernachlässigt jedoch, daß die beiden rechtlichen Ordnungssysteme der gesetzlichen Unfallversicherung und des Deliktsrechts verschieden sind und deshalb jedes für sich betrachtet werden muß144. Das Finanzierungsargument ist daher auch tragfäBogs, FS Gitter, S. 123, 129 hält das Friedensargument sachlich für unschlüssig, da die kollektive Arbeitsrechtsordnung etwa mit dem Tarifvertragssystem genug starke und für sich tragfähige Säulen enthalte. 139 BT-Drucks. IV / 938, S. 18; vgl. dazu bereits B.V.3. 140 So auch Otto / Schwarze, Rn. 538; abweichend Geigel / Kolb, Kap. 31 Rn. 98; der BGH, Urt. v. 3. 7. 2001 – VI ZR 284 / 00 –, BGHZ 148, 214, 220 lehnt eine Argumentation mit dem Betriebsfrieden im Verhältnis zu Betriebsfremden schon im Ansatz ab, hält ihn allerdings im Rahmen des § 105 SGB VII weiterhin für beachtlich, vgl. Urt. v. 25. 6. 2002 – VI ZR 279 / 01 –, r+s 2002, 376. 141 Vgl. Bernstein, S. 98 f.; Kötz / Wagner, Rn. 600; Tamm, RdA 1960, 412, 414. 142 Überzeugend Gitter, S. 239; zustimmend auch Rolfs, Haftung, S. 48; Schiller, S. 53. 143 So Gitter, S. 239.

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

hig, soweit die Leistungen der Unfallversicherung den zivilrechtlichen Ansprüchen nicht entsprechen, weil sie beispielsweise einerseits ein Schmerzensgeld des Geschädigten nicht vorsehen und andererseits den Geschädigten nicht mit einem Mitverschulden belasten. Es kann demnach sowohl den Haftungsausschluß des Unternehmers selbst als auch die Absicherung des Unternehmerprivilegs vor den Freistellungs- und Erstattungsansprüchen seiner Arbeitnehmer und damit deren Haftungsausschluß rechtfertigen. Auch das Finanzierungsargument versagt indessen für die hier in Rede stehende Erweiterung des Schädigerkreises. Man kann ihm entgegenhalten, daß der Arbeitgeber nur den Freistellungs- und Erstattungsansprüchen seiner eigenen Arbeitnehmer ausgesetzt ist, nicht aber denen von Betriebsfremden, für die der Haftungsausschluß jetzt ebenfalls greift. Anders wäre es hingegen, wenn man das Finanzierungsargument entgegen dem traditionellen Verständnis in dem Sinne verstehen müßte, daß alle Unternehmer in ihrer Gesamtheit für die Versicherten in ihrer Gesamtheit Beiträge leisten und nicht für die in ihren jeweiligen Unternehmen Versicherten145. Dann wäre auch die Absicherung der Privilegierung des fremden Unternehmers als ein Ziel für die Erweiterung des Schädigerkreises durch § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII anzuerkennen. Der BGH hat in anderem Zusammenhang ein betriebsübergreifendes Verständnis des Finanzierungsarguments abgelehnt146. Dem ist zuzustimmen. Gegen ein solch weites Verständnis spricht zunächst die Gestaltung der Finanzierung der Unfallversicherung. Sie zeigt, daß der Unternehmer die Versicherungsleistungen für Versicherungsfälle seiner Beschäftigten aufgrund der Gefahren seines Unternehmens erbringt. So richtet sich die Beitragshöhe des Unternehmers nach der Lohnsumme des Unternehmens, die sich aus dem Arbeitsentgelt der Versicherten errechnet (vgl. § 153 Abs. 1 SGB VII). Dieser Berechnungsfaktor trägt dem Umstand Rechnung, daß auch die Versicherungsleistungen auf der Grundlage des Arbeitsentgeltes zu erbringen sind. Einen weiteren Faktor der Beitragsberechnung bildet die Gefahrenklasse, die den Grad der Unfallgefahr innerhalb eines Gewerbezweiges widerspiegelt147. Den individuellen Gefahren eines Unternehmens wird zudem durch das Beitragsausgleichsverfahren (§ 162 SGB VII) Rechnung getragen148. Auch die organisatorische Gestaltung der Unfallversicherung in Form von Berufsgenossenschaften149 kann gegen ein be144 BVerfG, Beschl. v. 7. 11. 1972 – 1 BvL 4, 17 / 71 und 10 / 72; 1 BvR 355 / 71 –, BVerfGE 34, 118, 131. 145 So Gitter, FS Grüner, S. 161, 164. 146 BGH, Urt. v 3. 7. 2001 – VI ZR 284 / 00 –, BGHZ 148, 214, 219. 147 von Hoyningen-Huene / Compensis, SGb 1992, 145, 147; Platz, BB 1991, 2437 ff.; Wicke, S. 255 f.; zum Arbeitsentgelt als Bemessungsgrundlage Papier / Möller, NZS 1998, 353, 358; zur Gefahrklassenbildung BSG, Urt. v. 12. 12. 1985 – 2 RU 40 / 85 –, SozR 2200 § 731 Nr. 2. 148 Platz, BB 1991, 2437, 2439. 149 Vgl. dazu allgemein Gitter / Schmitt, § 21 Rn. 1 ff.; Schulin / Bieback, HS-UV § 54 Rn. 18; Waltermann, SozR, Rn. 251; Wicke, S. 161 ff.

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triebsübergreifendes Verständnis des Finanzierungsarguments angeführt werden. Möglicherweise erbringt eine andere Berufsgenossenschaft Versicherungsleistungen, als die, der der Unternehmer angehört, dessen Haftungsprivileg abgesichert werden soll. Mag man diesem Argument auch entgegenhalten können, daß ein Finanzausgleich unter den verschiedenen Berufsgenossenschaften in Extremfällen durch die §§ 173 ff. SGB VII gewährleistet wird150 und diese Regelung erkennen läßt, daß die Berufsgenossenschaften eine Solidargemeinschaft bilden151, so ändert dies nichts daran, daß die übrigen Gründe einem betriebsübergreifenden Verständnis des Finanzierungsarguments entgegenstehen. Allerdings ließe das Finanzierungsmodell der Unfallversicherung durchaus eine unternehmensübergreifende Geltung des Finanzierungsarguments zu, wenn sich die unternehmensspezifischen Gesichtspunkte als die von dem Unternehmer gesetzte Gefahr interpretieren ließen. Damit wäre die Unfallversicherung als eine umfassende Pflicht-Haftpflichtversicherung aller Unternehmer für die Schädigungen aller versicherten Beschäftigten zu verstehen. Eine solche Konzeption erscheint de lege ferenda grundsätzlich denkbar. Es wird jedoch an keiner Stelle deutlich, daß dies das derzeitige Konzept des Gesetzgebers ist. Dagegen spricht vor allem, daß ein umfassender Haftungsausschluß aller fremden Unternehmer in den §§ 104 ff. SGB VII nicht vorgesehen ist152.

cc) Liquiditätsargument Zur Rechtfertigung der Erweiterung des Haftungsausschlusses könnte zwar das Liquiditätsargument herangezogen werden. Das BVerfG hat der Erwägung, daß der Verletzte mit dem Versicherungsträger einen liquiden Schuldner habe, zur Rechtfertigung des Haftungsausschlusses Bedeutung beigemessen153. Dieses Argument vermag indes trotz seines Gewichts allein den Anspruchsverlust des Geschädigten nicht zu rechtfertigen. Ihm läßt sich entgegenhalten, daß auch sonst keinem Schuldner durch das Gesetz ein Nachlaß dafür gewährt wird, daß aus anderen Gründen für die prompte Begleichung seiner Schuld gesorgt wird154.

150 Dazu Gitter, SGb 1993, 297, 301; Wicke, S. 258; vgl. auch Wannagat / Schulz, § 176 Rn. 4 ff. 151 Denck, S. 106; Hanau, JurA 1970, 112, 126; Löwisch / Schüren, SGb 1980, 317; anders allerdings BSG, Urt. v. 12. 12. 1985 – 2 RU 40 / 85 –, SozR 2200 § 731 Nr. 2. 152 Andere Länder sehen einen solchen umfassenden Haftungsausschluß aller Arbeitgeber vor, vgl. Fleming, IntEncCompL XV 9 – 9. 153 BVerfG, Beschl. v. 7. 11. 1972 – 1 BvL 4, 17 / 71 und 10 / 72; 1 BvR 355 / 71 –, BVerfGE 34, 118, 132.

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dd) Betriebs- und Gefahrengemeinschaft Ebensowenig kann die Betriebsgemeinschaft 155 weiterhin als Rechtfertigung der Haftungsfreistellung herangezogen werden, da auch sie sich nur auf Betriebsangehörige, nicht aber auf Betriebsfremde erstreckt. Allerdings läßt sich der Gedanke der Gefahrengemeinschaft auch für das SGB VII fruchtbar machen. Tragender Gesichtspunkt ist dabei nicht die Betriebszugehörigkeit, sondern die Verrichtung gemeinsamer Arbeiten. Diese über den einzelnen Betrieb hinausgreifende Bedeutung des Gedankens der Gefahrengemeinschaft ist in der Literatur schon im Rahmen des alten Rechts gesehen worden156. Die Zusammenarbeitenden sind im Rahmen ihrer gemeinsamen Arbeit demselben Risiko ausgesetzt, durch eine leichte Unachtsamkeit große Schäden zu verursachen. Sie haben daher ein gemeinsames Interesse daran, selbst von Haftungsrisiken entlastet zu werden und müssen es deshalb hinnehmen, als Geschädigter in der gleichen Lage auf einen Schadensersatzanspruch zu verzichten. Die beiden Seiten des Haftungsausschlusses müssen in ihrem Zusammenspiel gesehen werden; erst die Kombination von Belastung mit dem Haftungsausschluß einerseits und Begünstigung durch das Haftungsprivileg andererseits stellt einen gerechten Ausgleich dar157. Die Verrichtung gemeinsamer Arbeiten sieht auch der BGH in seiner Rechtsprechung zum neuen Recht als entscheidend für das Argument der Gefahrengemeinschaft an158; ebenso wird in der Literatur die Bedeutung des Gedankens der Gefahrengemeinschaft betont159. Der Begriff der Betriebsgemeinschaft als Rechtfertigungsgrund sollte daher durch den Begriff der Gefahrengemeinschaft ersetzt werden. Aber auch dieser Gesichtspunkt vermag trotz seines Stellenwertes im Arbeitsleben den Haftungsausschluß in seiner heutigen Ausgestaltung nicht allein zu rechtfertigen. Das gesellschaftliche Zusammenleben führt zu vielgestaltigen Typen von Gefahrengemeinschaften, die keinen vollständigen Haftungsausschluß mit sich bringen. Selbst innerhalb der ehelichen Lebensgemeinschaft werden gemäß § 1359 BGB die Sorgfaltspflichten nur auf die eigenübliche Sorgfalt (§ 277 BGB) beschränkt, nicht aber alle etwaigen Schadensersatzansprüche vollständig ausgeschlossen160. Daher bedarf es mit Blick auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Gamillscheg / Hanau, S. 153; vgl. dazu auch Rolfs, Haftung, S. 44. Zur Problematik des Begriffs der Betriebsgemeinschaft ausführlich Gitter, S. 244 ff.; die „betriebliche Verbundenheit“ wird auch in der Begründung zum Gesetzesentwurf von 1963, BT-Drucks. IV / 120, S. 48 und in BAG GS, Beschl. v. 25. 9. 1957 – GS 4 / 56 (GS 5 / 56) –, BAGE 5, 1, 16 f. = AP Nr. 4 zu §§ 898, 899 RVO betont. 156 Vgl. Denck, S. 101 ff.; ders., Anm. zu BAG, Urt. v. 13. 4. 1983 – 7 AZR 650 / 79 –, AP Nr. 13 zu § 637 RVO; Gitter, S. 246; Migsch, VersR 1972, 109, 113; Schiller, S. 91 ff. 157 Grundlegend so Gitter, S. 246. 158 BGH, Urt. v. 3. 7. 2001 – VI ZR 198 / 00 –, BGHZ 148, 209, 212; Urt. v. 3. 7. 2001 – VI ZR 284 / 00 –, BGHZ 148, 214, 220. 159 Schmidt, BB 2002, 1859, 1860; Waltermann, NJW 2002, 1225, 1228. 160 So auch Rolfs, Haftung, S. 53. 154 155

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Art. 3 Abs. 1 GG eines hinter dem Gesichtspunkt der Gefahrengemeinschaft stehenden sachlichen Rechtfertigungsgrundes, warum gerade die hier in Rede stehende Gefahrengemeinschaft besonders schutzbedürftig ist, so daß sie vom Gesetzgeber eigenen Regeln unterworfen wird.

ee) Besonderes Schutzbedürfnis des Schädigers vor Haftungsrisiken Ein solcher Rechtfertigungsgrund ist im besonderen Schutzbedürfnis der Gruppe von Schädigern zu erblicken, um die es hier geht. Schon die Reichweite des Haftungsausschlusses in § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII, aber auch andere Regelungen, die noch zur Sprache kommen werden161, lassen deutlich werden, daß sich der Gesetzgeber bei Schaffung der §§ 104 ff. SGB VII offenbar von einem weiteren, die bisherigen Rechtfertigungsgründe überlagernden, umfassenden Schutzgedanken hat leiten lassen. Während zunächst die Konzeption der Unfallversicherung darauf abzielte, sozial schutzbedürftigen Geschädigten sichere Ansprüche zu gewähren und die Privilegierung der Unternehmer nur eine Konsequenz ihrer Finanzierung dieser sozialen Absicherung der Geschädigten war, ist heute gleichermaßen der Schutz sozial schutzbedürftiger Schädiger in das Blickfeld der gesetzgeberischen Konzeption gerückt. Die Entwicklung in diese Richtung hatte bereits mit dem UVNG begonnen162. Schon hier reichte die Haftungsfreistellung Betriebsangehöriger über den für die Absicherung des Haftungsprivilegs des Unternehmers notwendigen Rahmen hinaus163. Dies galt insbesondere, solange die Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung nach der Rechtsprechung nur bei gefahrgeneigter Arbeit eingriffen, und nicht – wie seit der Entscheidung des Großen Senats des BAG vom 27. 9. 1994164 – lediglich eine betrieblich veranlaßte Tätigkeit erforderten165. Aber auch nach dieser Ausweitung der Haftungsbeschränkung ging § 637 RVO über § 636 RVO hinaus, indem er bis einschließlich zur groben Fahrlässigkeit die Haftung vollständig ausschloß166. Für das alte Recht ließ sich diese Reichweite allerdings mit dem Betriebsfrieden rechtfertigen. Nachdem jedoch auch dieser Rechtfertigungsgrund für das heutige Recht versagt, tritt eine neue gesetzgeberische Intention zutage: Personen, die im Arbeitsleben betriebliche Tätigkeiten ausüben, sind in diesem Rahmen erheblichen Haftungsrisiken ausgesetzt, Siehe Abschnitt C.IV.1.; C.V.1.b); C.VIII.1.a)cc); C.VIII.1.b)bb)(3); C.IX. Waltermann, RdA 1998, 330, 339. 163 Vgl. Denck, S. 106; ders., DB 1986, 590, 591; dahingehend auch bereits Leichsenring / Petermann, SGb 1989, 464, 465. 164 Dazu BAG GS, Beschl. v. 27. 9. 1994 – GS 1 / 89 (A) –, BAGE 78, 56 LS. 165 Rolfs, Haftung, S. 50. 166 Vgl. Denck, DB 1986, 590, 591; Rolfs, Haftung, S. 50. Nach Zöllner / Loritz, § 19 II 3, S. 257 ist der Sinn der über den Zweck der Vermeidung von Freistellungs- und Regreßansprüchen hinausgehenden Haftungsfreistellung dunkel. 161 162

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die sie weder rechtlich noch tatsächlich steuern können. Diese Risiken werden durch die Unternehmer geschaffen, die den Produktionsprozeß und die Organisation der Unternehmen steuern und daher die Verantwortung tragen müssen. Damit sind die Argumente genannt, die die Rechtsprechung und das arbeitsrechtliche Schrifttum zur Entwicklung der Grundsätze der Haftungsbeschränkung im Arbeitsverhältnis veranlaßt haben167. Sie erweisen sich auch hier als tragfähig. Der Verantwortung der Unternehmer für die sich in diesem Zusammenhang ergebenden Schadensfälle wird durch ihre alleinige Finanzierung der Unfallversicherung Rechnung getragen. Bisher ist die Haftung des Arbeitnehmers gegenüber Dritten – sog. „Außenhaftung“ – in ihrem Grundsatz von der Haftungsbeschränkung der Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis unberührt geblieben. Eine über das Arbeitsverhältnis hinausgehende Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung ist jedoch in den letzten Jahren vermehrt diskutiert worden. Im Vordergrund der Diskussion steht dabei allerdings die Privilegierung des Arbeitnehmers gegenüber (außenstehenden) Betriebsmittelgebern, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeit mit deren Material ausführen muß, also etwa mit einem geleasten Fahrzeug. In diesen Fällen tritt die gesetzliche Schutzlücke besonders zutage, wenn der arbeitsrechtliche Freistellungsanspruch des Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber versagt, weil dieser insolvent ist. Auch der BGH hat sich mit der Frage der Beschränkung der Außenhaftung des Arbeitnehmers in zwei Entscheidungen intensiv auseinandergesetzt168. De lege lata läßt sich eine generelle haftungsrechtliche Sonderbehandlung des Arbeitnehmers mit der ganz herrschenden Ansicht169 nicht begründen, da sie die Grenzen der möglichen Rechtsfortbildung übersteigt170. Eine solche Regelung wäre vielmehr Aufgabe des Gesetzgebers. In der Literatur ist die Umsetzung einer Neuordnung der Verteilung von Schadensrisiken aus unselbständiger Arbeit durch eine Fortentwicklung des Unfallversicherungsrechts zu einer Unfallversicherung für das Arbeitsleben vorgeschlagen worden171. Die Ausweitung der Haftungsfreistellung betrieblich tätiger Personen läßt sich als ein Schritt in diese Richtung verstehen. Es blieb dem Gesetzgeber demnach unbenommen, den in der Rechtsprechung entstan167 Siehe dazu BAG GS, Beschl. v. 27. 9. 1994 – GS 1 / 89 (A)-, BAGE 78, 57, 63 ff.; Canaris, RdA 1966, 41, 45; Gick, JuS 1980, 393, 398; Lieb, Rn. 214; MünchArbR / Blomeyer, § 59 Rn. 50 ff.; vgl. dazu bereits B.V.1.; ausführlich unten C.V.2.a)aa). 168 BGH, Urt. v. 19. 9. 1989 – VI ZR 349 / 88 –, BGHZ 108, 305 ff.; Urt. v. 21. 12. 1993 – VI ZR 103 / 93 –, NJW 1994, 852, 854 f. 169 BGH, Urt. v. 19. 9. 1989 – VI ZR 349 / 88 –, BGHZ 108, 305, 307 ff.; Urt. v. 21. 12. 1993 – VI ZR 103 / 93 –, NJW 1994, 852, 854 f.; Beckers, S. 172; Krause, VersR 1995, 752, 756; MünchArbR / Blomeyer, § 60 Rn. 3 ff.; Otto / Schwarze, Rn. 473; Walker, JuS 2002, 736, 742; zur Frage einer eventuellen Sonderbehandlung der genannte Fallgruppe der Haftung gegenüber Betriebsmittelgebern vgl. stellvertretend Otto / Schwarze, Rn. 492 ff. m. w. N. 170 Vgl. die überzeugende Begründung BGH, Urt. v. 19. 9. 1989 – VI ZR 349 / 88 –, BGHZ 108, 305, 309 ff.; Urt. v. 21. 12. 1993 – VI ZR 103 / 93 –, NJW 1994, 852, 855. 171 Seewald, S. F 14 ff.

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denen Gedanken der Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung im SGB VII fortzuentwickeln. Der Entzug der Ansprüche auf der Geschädigtenseite ist vor allem deshalb sachlich gerechtfertigt und mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, weil der Geschädigte seinerseits als Schädiger von einer Belastung mit Schadensersatzansprüchen befreit wird. Demnach liegt in dem durch die Risiken des Arbeitslebens geschaffenen besonderen Schutzbedürfnis der Schädiger einerseits und der Absicherung der Geschädigten durch die Unfallversicherung andererseits die Besonderheit der hier in Rede stehenden Gefahrengemeinschaft und damit zugleich die Rechtfertigung der Haftungsfreistellung in ihrer heutigen Gestalt. Diese neuartige Konstruktion läßt sich als „soziale Haftpflichtversicherung“172 bezeichnen. Es handelt sich dabei indessen nur um ein die Funktionszusammenhänge verdeutlichendes Bild, das nicht verdecken darf, daß es sich bei der Haftpflichtversicherung einerseits und der Haftungsprivilegierung in der Unfallversicherung andererseits um verschiedenartige Regelungskomplexe handelt, die ihren eigenen und voneinander unabhängigen Bedingungen unterliegen173. Bei der Prüfung, ob die hier in Rede stehende Regelung am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG Bestand hat, ist weiter zu berücksichtigen, daß sich nach der Rechtsprechung des BVerfG aus den Postulaten des Sozialstaatsprinzips rechtfertigende Gründe für eine differenzierende Regelung ergeben können174. Dieser Gesichtspunkt kommt hier zum Tragen. Der Schutz sozial schutzbedürftiger Schädiger ist nämlich letztlich eine Konsequenz des Sozialstaatsprinzips aus Art. 20 Abs. 1 GG175. Danach kann es sich der Gesetzgeber zur Aufgabe machen, einzelne Gruppen, die aufgrund ihrer persönlichen Lebensumstände – wie hier den Risiken des Arbeitslebens – Benachteiligungen ausgesetzt sind, zu privilegieren176. Das BVerfG hat ausgeführt, daß das Sozialstaatsprinzip nicht nur als ein Schutz sozial besonders Schwacher zu begreifen sei. Die sozialstaatliche Pflicht beziehe sich im Interesse der Allgemeinheit an der Arbeitswelt als einer wesentlichen Grundlage 172 So Waltermann, RdA 1998, 330, 339; ders., NJW 2002, 1225, 1227. Für § 637 RVO wurde eine Haftpflichtversicherungsfunktion insbesondere von Denck, S. 91 ff. vertreten. 173 So zutreffend Gitter, S. 74 f. Zweifelhaft ist es daher, aus der Haftpflichtversicherungsfunktion der Unfallversicherung etwa auf die Verfehltheit des § 110 SGB VII zu schließen, so aber Fuchs, FS Gitter, S. 253, 257. 174 BVerfG, Urt. v. 2. 3. 1999 – 1 BvL 2 / 91 –, BVerfGE 99, 367, 395; vgl. auch Beschl. v. 15. 12. 1970 – 1 BvR 559, 571, 586 / 70 –, BVerfGE 29, 402, 412; Urt. v. 1. 7. 1980 – 1 BvR 349 / 75 und 378 / 76 –, BVerfGE 54, 251, 273; so auch Jarass / Pieroth, Art. 20 Rn. 23; Schoch, DVBl. 1988, 863, 869. 175 So auch Seewald, S. F 19 f.; vgl. ferner BGH, Urt. v. 19. 9. 1989 – VI ZR 349 / 88 –, BGHZ 108, 305, 309 f. 176 Vgl. BVerfG, Urt. v. 5. 6. 1973 – 1 BvR 536 / 72 –, BVerfGE 35, 202, 236; Beschl. v. 22. 6. 1977 – 1 BvL 2 / 74 –, BVerfGE 45, 376, 387; Beschl. v. 27. 4. 1999 – 1 BvR 2203 / 93 –, 897 / 95 –, BVerfGE 100, 271, 284; Jarass / Pieroth, Art. 20 Rn. 108; von Münch / Kunig / Schnapp, Art. 20 Rn. 37. Zur Bedeutung des Sozialstaatsprinzips für den Schutz der Arbeitnehmer Neuner, S. 253; Zacher, S. 783.

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der Volkswirtschaft auch auf die Absicherung der einzelnen Arbeitnehmer gegen die mit dem Arbeitsleben der Industriegesellschaft zwangsläufig verbundenen Risiken. Dem Einzelnen werde es nur möglich, seinen für die Allgemeinheit wichtigen Beitrag in der Arbeitswelt zu leisten, wenn diese Risiken durch umfassende Systeme der sozialen Sicherung wie insbesondere durch die gesetzliche Unfallversicherung aufgefangen oder doch gemildert würden177. Diese Gedanken finden in der Neuregelung ihren Ausdruck. Mit Blick auf das Gewicht der genannten Gesichtspunkte ist daher davon auszugehen, daß die Änderung des Konzepts der Haftungsbefreiung und die mit ihr verbundene Erweiterung des Kreises der haftungsprivilegierten Schädiger sachlich gerechtfertigt ist und somit auch vor dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG Bestand hat.

2. Die Systemgerechtigkeit der Erweiterung des Schädigerkreises in § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII Die Tragfähigkeit des Konzepts des unfallversicherungsrechtlichen Haftungsausschlusses allgemein und des nach § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII insbesondere stützt sich nach dem Gesagten entscheidend auch darauf, daß die Belastung mit dem Haftungsprivileg auf der Geschädigtenseite mit der Bevorzugung auf der Schädigerseite korrespondiert. Vor diesem Hintergrund führt die Neuregelung des § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII zu Bedenken, weil der Gesetzgeber den Schädiger privilegiert, wenn er durch eine „betriebliche Tätigkeit“ einen Versicherungsfall herbeiführt, während auf der Geschädigtenseite vorausgesetzt wird, daß die betroffene Person „versichert“ ist. Diese fehlende Deckungsgleichheit in den Normanwendungsvoraussetzungen hat bereits dazu geführt, daß die Vereinbarkeit der Regelung mit Art. 3 Abs. 1 GG in Frage gestellt worden ist178. Sie überrascht umso mehr, als diese Fragestellung schon im alten Recht diskutiert worden war.

a) Diskussionsstand zu § 637 RVO § 637 RVO stellte „Betriebsangehörige“ von der Haftung frei. Die Betriebsangehörigkeit im Sinne dieser Vorschrift hatte nach der Rechtsprechung und einem Teil der Literatur zur Voraussetzung, daß der Schädiger – wenn auch nur vorübergehend – in die betriebliche Organisation des Unfallbetriebs eingegliedert und darüber hinaus der Weisungs- und Direktionsbefugnis des Inhabers des Unfallbetriebs bzw. seiner Bevollmächtigten unterworfen gewesen war179. Auf der Seite

BVerfG, Beschl. v. 22. 6. 1977 – 1 BvL 2 / 74 –, BVerfGE 45, 376, 387. Hanau, FS BGH, S. 481, 494. Der BGH, Urt. v. 3. 7. 2001 – VI ZR 198 / 00 –, BGHZ 148, 209, 213 betont indessen die Wechselseitigkeit, ohne auf die Divergenzen einzugehen. 177 178

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des Geschädigten hatte das alte Recht hingegen nur vorausgesetzt, daß er ein Versicherter war, wofür es nach § 539 Abs. 2 RVO, der Vorläufernorm zu § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII, ausreichte, daß er – und sei es auch nur vorübergehend – „wie“ ein im Unfallunternehmen angestellter Beschäftigter tätig geworden war. Der Kreis der haftungsprivilegierten Betriebsangehörigen war nach der Rechtsprechung und einem Teil der Literatur folglich enger gezogen als der des mit dem Privileg belasteten, im Unfallbetrieb tätigen Versicherten180. Die Unterschiedlichkeit dieser Anforderungen der Rechtsprechung und der ihr folgenden Literatur an die Begünstigung mit dem Haftungsprivileg einerseits und die Belastung mit diesem Privileg andererseits kam zum Tragen, wenn Betriebsfremde in einen Arbeitsunfall verwickelt waren. Diese Divergenz hatte in der Praxis zu Mißverständnissen geführt181, die nicht zuletzt durch die Benutzung des Begriffs der „Eingliederung“ sowohl für die Schädiger- als auch für die Geschädigtenseite hervorgerufen wurden. Für den BGH war diese Divergenz hinnehmbar. Sie könne, so führt er aus, zwar als ein Bruch empfunden werden, entspreche aber der Entscheidung des Gesetzgebers, der Bestrebungen, das Haftungsprivileg auf im Unfallbetrieb zwar vorübergehend, aber nicht in ihm wie Arbeitnehmer eingegliederte Tätige zu erstrecken, bewußt zurückgewiesen habe. Der Gesetzgeber habe sich nicht – insbesondere nicht zur Wahrung des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) – dazu veranlaßt sehen müssen, den Kreis der mit dem Haftungsprivileg Belasteten enger zu ziehen182. Ein erheblicher Teil der Literatur hat sich gegen diese vom Wortlaut her naheliegende Interpretation des § 637 Abs. 1 RVO gewandt und eigenständige Lösungsansätze entwickelt183. Grund hierfür war, daß es als unbillig angesehen wurde, wenn ein betriebsfremder Geschädigter den Haftungsausschluß zwar gegen sich gelten lassen mußte, seinerseits jedoch mangels Betriebsangehörigkeit nicht privi179 BGH, Urt. v. 10. 5. 1983 – VI ZR 252 / 81 –, VersR 1983, 687, 688 = NJW 1983, 2883, 2884; Urt. v. 5. 7. 1988 – VI ZR 299 / 87 –, VersR 1988, 1166; Urt. v. 20. 1. 1998 – VI ZR 311 / 96 –, VersR 1998, 582, 583; BAG, Urt. v. 13. 4. 1983 – 7 AZR 650 / 79 –, BAGE 42, 194, 198 = AP Nr. 13 zu § 637 RVO; Urt. v. 1. 7. 1969 – 1 AZR 316 / 68 –, DB 1969, 1896; Bernert, SAE 1984, 229 ff.; RGRK / Schick, § 618 Rn. 203; RGRK / Steffen, Vor § 823 Rn. 93; Wussow / Schloen, 14. Aufl., Rn. 2627. 180 BGH, Urt. v. 6. 12. 1977 – VI ZR 79 / 76 –, VersR 1978, 150, 151; Urt. v. 3. 7. 1979 – VI ZR 51 / 77 –, VersR 1979, 934, 935; Urt. v. 22. 6. 1982 – VI ZR 240 / 79 –, VersR 1983, 31, 32; BAG, Urt. v. 13. 4. 1983 – 7 AZR 650 / 79 –, BAGE 42, 194, 197 f. = AP Nr. 13 zu § 637 RVO; Urt. v. 15. 1. 1985 – 3 AZR 59 / 82 –, AP Nr. 16 zu § 637 RVO; Kohte, ArbuR 1986, 251, 253 f.; RGRK / Steffen Vor § 823 Rn. 93. 181 Vgl. nur OLG Koblenz, Urt. v. 17. 12. 1979 – 12 U 1000 / 78 –, VersR 1980, 723, 724; ferner BGH, Urt. v. 9. 7. 1996 – VI ZR 155 / 95 –, VersR 1996, 1412. 182 BGH, Urt. v. 6. 12. 1977 – VI ZR 79 / 76 –, VersR 1977, 150, 152. 183 Eine Mittellösung hatte Baltzer, FS Grüner S. 33, 42 ff. entwickelt, indem er die Eingliederung von Geschädigtem und Schädiger nach einheitlichen Kriterien beurteilen wollte, dabei zwar eine Weisungsgebundenheit nicht für erforderlich hielt, allerdings auch nicht jeden kurzzeitigen Handgriff als Eingliederung ansah (vgl. im einzelnen S. 46 ff.).

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legiert war, wenn er bei der Tätigkeit einen anderen Arbeitnehmer verletzte184. Dabei kam ein Teil der Auffassungen zu dem Ergebnis, man müsse die Ungleichbehandlung beseitigen, indem der Kreis der haftungsprivilegierten Schädiger über den Wortlaut hinaus auf alle Personen ausgedehnt werde, die in dem Betrieb versichert seien und damit auch auf die sog. „Wie“-Beschäftigten im Sinne des § 539 Abs. 2 RVO185. Begründet wurde diese Sichtweise insbesondere mit der durch die gemeinsame Tätigkeit entstehenden „Gefahrengemeinschaft“, in die auch betriebsfremde Arbeitnehmer einbezogen seien186. Ein anderer Teil der Literatur hatte – mit im einzelnen wiederum sehr unterschiedlichen Ansätzen – die Lösung darin gesucht, den Kreis der dem Haftungsausschluß ausgesetzten Geschädigten einzuengen auf Betriebsangehörige187. Diese einschränkende Interpretation des § 637 RVO wurde vor allem mit dem Gedanken des Betriebsfriedens begründet, der der Regelung des § 637 RVO zugrundeliege und nur für die Betriebsangehörigen eingreife188.

b) Divergenzen von betrieblicher und versicherter Tätigkeit und deren rechtliche Relevanz Vor dem Hintergrund dieser Diskussion hätte es nahegelegen, daß der Gesetzgeber, der den Haftungsausschluß erweitern wollte, im Zuge der Neuregelung in § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII auch auf der Schädigerseite die Versicherteneigenschaft zur Voraussetzung für den Haftungsausschluß gemacht hätte. Eine genauere Betrachtung ergibt indessen, daß die Personenkreise auf Schädiger- und Geschädigtenseite trotz der Anknüpfung an verschiedene Tatbestandsmerkmale in weiten Bereichen durch die Neuregelung harmonisiert und verbleibende Divergenzen hinnehmbar sind.

Vgl. zuletzt Rolfs, Haftung, S. 128 f. Vgl. Denck, S. 101 ff.; ders., Anm. zu BAG, Urt. v. 13. 4. 1983 – 7 AZR 650 / 79 –, AP Nr. 13 zu § 637 RVO; Fenn, SGb 1975, 517, 519; Hartmann, BB 1971, 48, 50; von Hoyningen-Huene, NZA 1993, 145, 155; Löwisch / Schüren, SGb 1980, 317; Migsch, VersR 1972, 109, 113 f.; Weitnauer, Anm. zu BAG, Urt. v. 11. 1. 1966 – 1 AZR 268 / 65 –, AP Nr. 35 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers; so auch noch LAG Frankfurt, Urt. v. 19. 3. 1966 – 5 Sa 481 / 65 –, NJW 1966, 2330, 2331. 186 Vgl. Denck, S. 101 ff.; ders., Anm. zu BAG, Urt. v. 13. 4. 1983 – 7 AZR 650 / 79 –, AP Nr. 13 zu § 637 RVO; Migsch, VersR 1972, 109, 113. 187 Vgl. Deutschländer, VersR 1989, 340, 345; Gamillscheg / Hanau, S. 172 f.; Hanau, JurA 1970, 112, 128; Rolfs, Haftung, S. 137 ff.; siehe dazu auch unten C.II.1.a). 188 So Deutschländer, VersR 1989, 340, 345; Hanau, JurA 1970, 112, 128; Rolfs, Haftung, S. 137. 184 185

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aa) Harmonisierung der Normanwendungsvoraussetzungen im Bereich der „Wie“-Beschäftigung Eine Harmonisierung ist vor allem im Bereich der gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII versicherten „Wie“-Beschäftigten eingetreten, die für die gesetzliche Regelung entscheidend waren189. Gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII genießt eine Person Versicherungsschutz, wenn sie eine ernstliche, dem in Betracht kommenden fremden Unternehmen dienende Tätigkeit verrichtet, die dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht und ihrer Art nach auch von Personen verrichtet werden kann, die in einem dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnis stehen; diese Tätigkeit muß ferner unter solchen Umständen geleistet werden, daß sie einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich ist190. Stellt man diese Voraussetzungen denen gegenüber, die in Rechtsprechung und Literatur an eine „betriebliche Tätigkeit“ gestellt werden, so ergibt sich, daß nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII versicherte Personen zugleich auch betrieblich tätig sind191. Eine betriebliche Tätigkeit liegt nämlich schon dann vor, wenn die Tätigkeit im Interesse und im nahen Zusammenhang mit dem Betrieb und dem betrieblichen Wirkungskreis erfolgt192. Die wesentlichen Aspekte der Definition des Vgl. BT-Drucks. 13 / 2204, S. 100. BSG, Urt. v. 25. 1. 1973 – 2 RU 55 / 71 –, BSGE 35, 140, 142; Urt. v. 17. 3. 1992 – 2 RU 22 / 91 –, SozR 3 – 2200 § 539 Nr. 16; Urt. v. 20. 4. 1993 – 2 RU 38 / 92 –, SozR 3 – 2200 § 539 Nr. 25 (alle zur Vorgängernorm des § 539 Abs. 2 RVO); Brackmann / Wiester, § 2 Rn. 804; KassKomm / Ricke, § 2 SGB VII Rn. 104; Krasney, NZS 1999, 577, 578 ff.; Otto / Schwarze, Rn. 551; Plagemann, NJW 1996, 3173, 3174; Rolfs, AR-Blattei SD 860.2 Rn. 96 ff.; Wannagat / Jung, § 2 Rn. 64; Mummenhoff, SGb 1988, 29, 30 beschränkte den Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 2 RVO auf betriebstypische Tätigkeiten. Der BGH hat für den Versicherungsschutz des § 539 Abs. 2 RVO – weniger differenziert – für erforderlich gehalten, daß die Tätigkeit der Person wegen ihrer Ähnlichkeit mit der aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses geleisteten es rechtfertigt, den Verunglückten einem Arbeitnehmer des Unfallbetriebes gleichzustellen. Insbesondere müsse kein Abhängigkeitsverhältnis wirtschaftlicher oder gar persönlicher Art vorliegen, sonst würde die Erweiterung des § 539 Abs. 2 RVO gegenüber den von § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO (jetzt § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) erfaßten Fällen der Beschäftigung aufgrund eines Arbeitsverhältnisses weitgehend leerlaufen, vgl. BGH, Urt. v. 7. 6. 1977 – VI ZR 99 / 76 –, VersR 1977, 959; Urt. v. 6. 12. 1977 – VI ZR 79 / 76 –, VersR 1978, 150, 151; Urt. v. 16. 12. 1986 – VI ZR 5 / 86 –, SGb 1988, 28, 29; siehe auch BGH, Urt. v. 5. 7. 1983 – VI ZR 273 / 81 –, VersR 1983, 855. 191 Dies entspricht der allgemeinen Ansicht, vgl. OLG Hamm, Urt. v. 15. 6. 1998 – 6 U 34 / 98 –, NJW 1998, 2832, 2833; Gitter, FS Wiese, S. 131, 134 f.; KassKomm / Ricke, § 105 SGB VII Rn. 3; Kater / Leube, § 105 Rn. 8; Rolfs, NJW 1996, 3177, 3180; Waltermann, NJW 2002, 1225, 1227. 192 BGH, Urt. v. 12. 10. 1976 – VI ZR 271 / 75 –, BGHZ 67, 279, 281; Urt. v. 2. 3. 1971 – VI ZR 146 / 69 –, VersR 1971, 564, 565; Urt. v. 2. 11. 1971 – VI ZR 50 / 70 –, VersR 1972, 145, 146; (eine engere Begriffsfassung scheint der Senat allerdings noch seinem Urt. v. 24. 10. 1967 – VI ZR 67 / 66 –, VersR 1967, 1201, 1202 zugrundezulegen); BAG, Urt. v. 9. 8. 1966 – 1 AZR 426 / 65 –, BAGE 19, 41, 45 f.; Urt. v. 14. 3. 1974 – 2 AZR 155 / 73 –, VersR 1974, 1077; OLG Köln, Urt. v. 2. 5. 1969 – 3 U 200 / 68 –, VersR 1970, 353, 355; 189 190

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

„Wie“-Beschäftigten stimmen mit der Definition der betrieblichen Tätigkeit überein, d. h. die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII gehen nicht weiter als die der betrieblichen Tätigkeit. Insbesondere gilt sowohl für die betriebliche Tätigkeit193 als auch für den Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII194, daß auch Tätigkeiten erfaßt sind, die objektiv betrieblichen Zwecken nicht dienlich sind, von denen der Arbeitnehmer aber ohne grobe Fahrlässigkeit annehmen durfte, daß sie es seien. bb) Verbleibende Divergenzen ohne rechtliche Relevanz Die Gegenüberstellung der Voraussetzungen der betrieblichen Tätigkeit mit denen der „Wie“-Beschäftigung zeigt indessen auch, daß es Fallkonstellationen gibt, in denen zwischen den Begriffen ein Unterschied zutage tritt. § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII setzt voraus, daß die Tätigkeit unter solchen Umständen geleistet wird, daß sie einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich ist. Deshalb entfällt der Versicherungsschutz bei Verrichtungen aufgrund mitgliedschaftlicher, gesellschaftsrechtlicher oder körperschaftlicher Verpflichtung und auch bei Gefälligkeitshandlungen, die unter Verwandten vorgenommen werden und von familiären Beziehungen zwischen Angehörigen geprägt sind195. Einer Einstufung als betriebliche Tätigkeit steht eine solche anderweitige Funktion oder Eigenschaft indessen nicht entgegen196, so daß auch diese Personen als Schädiger nach § 105 ErfK / Rolfs, § 105 SGB VII Rn. 3; Küppersbusch, Rn. 409; Wannagat / Waltermann, § 105 Rn. 12; anders wohl Klein, S. 77; ders., BB 1964, 644, 645. Die Art, wie eine Arbeit verrichtet wird (sachgemäß oder fehlerhaft, vorsichtig oder leichtsinnig) entscheidet nicht darüber, ob es sich um eine betriebliche Tätigkeit handelt, vgl. BAG, Urt. v. 9. 8. 1966 – 1 AZR 426 / 65 –, BAGE 19, 41, 48; Urt. v. 14. 3. 1967 – 1 AZR 310 / 66 –, AP Nr. 1 zu § 636 RVO; BGH, Urt. v. 19. 12. 1967 – VI ZR 6 / 66 –, VersR 1968, 353, 354; Urt. v. 17. 1. 1973 – IV ZR 146 / 71 –, NJW 1973, 515, 516; < LAG Düsseldorf, Urt. v. 27. 5. 1998 – 12 (18) Sa 196 / 98 –, BB 1998, 1694, 1695; > Urt. v. 30. 6. 1998 – VI ZR 286 / 97 –, VersR 1998, 1173, 1174; Denck, S. 94; Geigel / Kolb, Kap. 31 Rn. 104; Hagen, VersR 1972, 809, 812. 193 LAG Düsseldorf, Urt. v. 27. 5. 1998 – 12 (18) Sa 196 / 98 –, BB 1998, 1694, 1695; Denck, DB 1986, 590, 591; Gamillscheg / Hanau, S. 190; Kohte, Jura 1985, 304, 308; Otto / Schwarze, Rn. 585; Rolfs, Haftung, S. 75. 194 Brackmann / Wiester, § 2 Rn. 813; KassKomm / Ricke, § 2 SGB VII Rn. 105; Krasney, NZS 1999, 577, 579; Otto / Schwarze, Rn. 551; Rolfs, Haftung, S. 62; vgl. allgemeiner auch BSG, Urt. v. 28. 2. 1964 – 2 RU 30 / 61 –, BSGE 20, 215, 218; Urt. v. 24. 6. 1981 – 2 RU 87 / 80 –, BSGE 52, 57, 59; Urt. v. 18. 2. 1987 – 2 RU 19 / 86 –, SozR 2200 § 539 RVO Nr. 120. 195 Vgl. BSG, Urt. v. 30. 1. 1985 – 2 RU 69 / 83 –, SozR 2200 § 539 Nr. 108; Urt. v. 17. 3. 1992 – 2 RU 6 / 91 –, SozR 3 – 2200 § 539 Nr. 15; Urt. v. 20. 4. 1993 – 2 RU 38 / 92 –, SozR 3 – 2200 § 539 Nr. 25; Krasney, NZS 1999, 577, 580 ff. Dies bedeutet indessen nicht, daß ein Versicherungsschutz gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII bei Tätigkeiten von Familienangehörigen ausgeschlossen ist; es bedarf vielmehr einer sorgfältigen Prüfung des Gesamtbildes der den Einzelfall prägenden Umstände, Krasney, NZS 1999, 577, 580; vgl. auch Fenn, S. 505 ff.; Holtmann, Rn. 41. 196 Vgl. auch Brackmann / Krasney, § 105 Rn. 6; KassKomm / Ricke, § 105 SGB VII Rn. 3.

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Abs. 1 S. 1 SGB VII haftungsprivilegiert sind, sich aber selbst als Geschädigte den Haftungsausschluß nicht entgegenhalten lassen müssen. Auch in einem weiteren Bereich besteht keine Deckungsgleichheit: Betrieblich tätig werden können auch Personen, die nach § 4 SGB VII versicherungsfrei sind, insbesondere Beamte, Mitglieder geistlicher Orden etc.197. Dies wird in der Praxis indessen nicht häufig zu einer Unausgewogenheit führen, da die bedeutsamste Gruppe der versicherungsfreien Personen, die Beamten, sich gemäß § 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII ebenfalls den Haftungsausschluß entgegenhalten lassen müssen. Damit bleibt festzustellen, daß trotz der unterschiedlichen Anknüpfungspunkte an das Haftungsprivileg des § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII auf der Schädiger- und Geschädigtenseite in der Sache eine weitreichende Übereinstimmung in den Anforderungen besteht. Allerdings besteht keine vollständige Kongruenz, so daß der Begriff der betrieblichen Tätigkeit nicht mit dem der versicherten Tätigkeit gleichgesetzt werden kann198. Diese fehlende Parallelität von Entlastung und Belastung in den Randbereichen kann sicherlich weiterhin als ein Bruch empfunden werden. Verfassungsrechtlich unterliegt diese Regelung indessen keinen durchgreifenden Bedenken. Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG stellt eine Systemwidrigkeit im Sinne einer Verletzung der vom Gesetz selbst statuierten Sachgesetzlichkeit für sich allein noch keinen Gleichheitsverstoß dar, sie kann allenfalls einen solchen Verstoß indizieren. Wenn aber plausible Gründe für eine gesetzliche Regelung sprechen, scheidet ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG aus199. Um einen solchen Fall geht es hier. Es steht in Einklang mit der Konzeption der Haftungsbefreiung, diejenigen Personen von der Haftung zu befreien, die dem Betrieb dienliche Tätigkeiten ausführen. Auf der Rechtsfolgenseite führt die Anknüpfung an die betriebliche Tätigkeit also zurück in das System.

c) Neue Interpretationsprobleme Die Regelung erweist sich demnach als systemgerecht. Es sei jedoch darauf hingewiesen, daß sie dennoch neues Verwirrungspotential geschaffen hat. Dies hat 197 Brackmann / Krasney, § 105 Rn. 6; Hauck / Noftz / Nehls, § 105 Rn. 11; KassKomm / Ricke, § 105 SGB VII Rn. 3; Kater / Leube, § 105 Rn. 13; Leube, BG 2001, 139, 140; Waltermann, NJW 2002, 1225, 1227. Auch § 637 RVO setzte nicht voraus, daß der Schädiger Versicherter ist, vgl. OLG Celle, Urt. v. 4. 6. 1969 – 9 U 183 / 68 –, VersR 1969, 1019; Fenn, S. 472; Gamillscheg / Hanau, S. 179. 198 Bedenklich daher die Feststellung des BAG, Urt. v. 14. 12. 2000 – 8 AZR 92 / 00 –, AP Nr. 1 zu § 105 SGB VII = VersR 2001, 720, betriebliche Tätigkeit sei grundsätzlich gleichzusetzen mit versicherter Tätigkeit. 199 BVerfG, Beschl. v. 16. 12. 1958 – 1 BvL 3, 4 / 57, 8 / 58 –, BVerfGE 9, 20, 28; Beschl. v. 10. 11. 1981 – 1 BvL 18, 19 / 77 –, BVerfGE 59, 36, 49; Beschl. v. 6. 11. 1984 – 2 BvL 16 / 83 –, BVerfGE 68, 237, 253; Urt. v. 23. 1. 1990 – 1 BvL 44 / 86 und 48 / 87 –, BVerfGE 81, 156, 207; zuletzt Beschl. v. 10. 10. 2001 – 1 BvL 17 / 00 –, DVBl. 2002, 189, 190.

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sich bereits in ihrer kurzen Geltungszeit gezeigt. In Literatur und Rechtsprechung der Oberlandesgerichte hat die Feststellung, daß die „Wie“-Beschäftigten gemäß § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII sowohl als Schädiger als auch als Geschädigte unter den Haftungsausschluß fallen, zu der Ansicht geführt, die Voraussetzungen für die Haftungsfreistellung des Schädigers einerseits und für den Versicherungsschutz des Geschädigten andererseits entsprächen einander200. Vereinzelt wird sogar angenommen, daß der Schädiger zumindest „wie ein im Unfallbetrieb Beschäftigter“ tätig geworden, also im Sinne von § 2 Abs. 2 S. 1, Abs. 1 Nr. 1 SGB VII „eingegliedert“ sein muß201. Verstärkt werden diese Unsicherheiten in der Auslegung weiterhin durch die Benutzung des Begriffs der „Eingliederung“, an der auch für das neue Recht festgehalten wird202. Dies zeigt eine Entscheidung des LSG BadenWürttemberg. Das Gericht erörtert die Frage, ob sich der Schädiger in den fremden Unfallbetrieb „eingegliedert“ habe und deshalb der Haftungsausschluß des § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII greife, ohne auf das Merkmal der „betrieblichen Tätigkeit“ einzugehen. Stattdessen klärt es die Frage der „Eingliederung“ des Schädigers durch die Anwendung der Vermutungsregel, daß dann, wenn sich bei einer Tätigkeit Fremdbestimmung und eigenwirtschaftliche Bestimmung nicht trennen ließen, die Wahrnehmung einer Aufgabe für den Stammbetrieb vorliege203. Diese Vermutungsregel ist in der Rechtsprechung entwickelt worden, um eine eindeutige Zuordnung des Handelns des Geschädigten zu ermöglichen204. Es ließe sich zwar daran denken, sie auch für den Begriff der betrieblichen Tätigkeit anzuwenden. Die Frage der Übertragbarkeit wird in der Entscheidung indessen nicht erörtert. Sie ist auch im Ergebnis abzulehnen. Die Voraussetzungen der betrieblichen Tätigkeit sind allein objektiv zu bestimmen. Eine auf die subjektive Willensrichtung des Schädigers abstellende Vermutung ist der Regelung fremd; sie steht überdies in Widerspruch zu der gesetzgeberischen Intention, durch die Neuregelung des § 105 SGB VII die Haftungsfreistellung zu erweitern.

200 OLG Hamm, Urt. v. 15. 6. 1998 – 6 U 34 / 98 –, NJW 1998, 2832, 2833; OLG Köln, Urt. v. 5. 6. 2001 – 3 U 17 / 00 –, r+s 2001, 327, 328; Bereiter-Hahn / Mehrtens, § 105 Rn. 3.6; Otto, NZV 1996, 473, 476 f.; dahingehend auch Staudinger / Oetker, § 618 Rn. 369. 201 Maschmann, SGb 1998, 54, 61; dahingehend auch OLG Köln, Urt. v. 5. 6. 2001 – 3 U 17 / 00 –, r+s 2001, 327, 328. 202 Siehe dazu auch die Ausführungen von Wussow, WJ 1999, 28, der es als streitige Frage erörtert, ob § 105 SGB VII weiterhin eine Eingliederung des Schädigers voraussetzt. Kritik an der Verwendung des Merkmals der „Eingliederung“ für verschiedene Zusammenhänge im Rahmen des alten Rechts auch bei Wank, SGb 1991, 374, 375. 203 LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 3. 8. 2001 – L 1 U 5070 / 00 –, NJW 2001, 1290. 204 Vgl. im einzelnen dazu noch unten C.II.1.a).

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3. Die Auswirkungen der neuen Konzeption der Haftungsfreistellung auf die Bestimmung der Grenzen der betrieblichen Tätigkeit Erweist sich die Erweiterung des haftungsprivilegierten Schädigerkreises durch § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII unter systematischen und insbesondere auch grundrechtlichen Gesichtspunkten im Ergebnis auch als unbedenklich, so bleibt dennoch festzustellen, daß sich die in dieser Vorschrift hervorgetretene Änderung der Konzeption der Haftungsfreistellung und ihre Einbettung in das allgemeine System der Haftungsprivilegierungen im Arbeitsleben auf die Auslegung des Begriffs der betrieblichen Tätigkeit auswirkt. Legt man die „soziale Haftpflichtversicherungsfunktion“ der Haftungsfreistellung des § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII zugrunde, muß für die Auslegung nicht nur das Schutzbedürfnis des Schädigers Beachtung finden, sondern es ist zugleich zu berücksichtigen, in welchen Bereichen auf der Geschädigtenseite ein Versicherungsschutz besteht, und es damit an einem weitergehenden Schutzbedürfnis des Geschädigten fehlt. Dies führt für einzelne Fallgruppen zu neuen Auslegungsergebnissen.

a) Betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen und Betriebssport Betriebliche Tätigkeit wird in der Literatur205 für die Fälle verneint, in denen betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen oder Betriebssport unter Versicherungsschutz stehen. Diese Fallgestaltungen ragen in den Bereich der Freizeitgestaltung hinein. Das BSG und die ihm einhellig folgende Literatur bejahen indessen den Unfallversicherungsschutz bei Teilnahme von Beschäftigten etwa an Betriebsfesten, Betriebsausflügen oder ähnlichen Gemeinschaftsveranstaltungen, wenn sie dem Unternehmen zugerechnet und daher der versicherten Tätigkeit gleichgesetzt werden können. Vorausgesetzt ist, daß die Zusammenkunft der Pflege der Verbundenheit zwischen der Unternehmensleitung und der Belegschaft sowie der Betriebsangehörigen untereinander durch die Teilnahmemöglichkeit möglichst aller Betriebsangehörigen dient und deshalb grundsätzlich allen – bei Großbetrieben mindestens allen Arbeitnehmern einzelner Abteilungen oder anderer betrieblicher Einheiten – offen stehen soll und daß sie von der Unternehmensleitung selbst veranstaltet oder zumindest gebilligt oder gefördert und von ihrer Autorität als Gemeinschaftsveranstaltung getragen wird206. Gamillscheg / Hanau, S. 190; Plagemann / Plagemann, Rn. 432; Rolfs, Haftung, S. 80 f. BSG, Urt. v. 22. 8. 1955 – 2 RU 49 / 54 –, BSGE 1, 179, 182 f.; Urt. v. 26. 6. 1958 – 2 RU 281 / 55 –, BSGE 7, 249, 250 ff.; Urt. v. 30. 8. 1962 – 2 RU 15 / 60 –, BSGE 17, 280, 281; Urt. v. 26. 4. 1977 – 8 RU 2 / 77 –, SozR 2200 § 548 Nr. 30; Urt. v. 25. 8. 1994 – 2 RU 23 / 93 –, SozR 3 – 2200 § 548 Nr. 21; Urt. v. 27. 6. 2000 – B 2 U 25 / 99 R –, SozR 3 – 2200 § 548 Nr. 40 = NJW 2001, 1669; Bereiter-Hahn / Mehrtens, § 8 Rn. 7.20 ff.; Gitter, SGb 1990, 393, 397; KassKomm / Ricke, § 8 SGB VII Rn. 77 ff.; Kater / Leube, § 2 Rn. 94 ff.; Krasney, VSSR 1993, 81, 98 f.; Rolfs, DB 2001, 2294, 2295; Waltermann, NJW 2002, 1225, 1226. 205 206

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

Diese Grundsätze lassen sich auf die Auslegung des Tatbestandsmerkmals der betrieblichen Tätigkeit übertragen, wenn es um die Einordnung betrieblicher Gemeinschaftsveranstaltungen geht. Auch in solchen Fällen entsteht ein die Haftungsfreistellung rechtfertigendes Schutzbedürfnis des Schädigers. Selbst wenn kein rechtlicher Teilnahmezwang207 besteht, muß für den Haftungsausschluß berücksichtigt werden, daß in derartigen Fällen regelmäßig eine faktische Beeinflussung stattfindet. Die betriebliche Gefahrengemeinschaft setzt sich bei solchen Veranstaltungen fort. Es ist daher systemgerecht, bei betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen in Wertung des Begriffs der betrieblichen Tätigkeit einen Haftungsausschluß des Schädigers eingreifen zu lassen. Dies kann etwa dann zum Tragen kommen, wenn bei einem Betriebsausflug einer der Arbeitnehmer es übernimmt, zu grillen und dabei aus Unachtsamkeit durch das Feuer ein anderer Arbeitnehmer verletzt wird. Eine betriebliche Tätigkeit ist hingegen abzulehnen, wenn der Schaden die Folge einer Spielerei oder Neckerei ist208. Für den Haftungsausschluß in der Praxis wesentlicher ist die Frage, ob eine betriebliche Tätigkeit auch für die Teilnahme am Betriebssport bejaht werden kann. Der Betriebssport ist unfallversichert, wenn er geeignet ist, die durch die Tätigkeit bedingte körperliche Belastung auszugleichen, mit einer gewissen Regelmäßigkeit stattfindet und in einem dem Ausgleichszweck entsprechenden Zusammenhang mit der Betriebsarbeit steht; der Zusammenhang wird in der Regel durch einen im wesentlichen auf Betriebsangehörige beschränkten Teilnehmerkreis sowie durch die der Betriebsarbeit entsprechende Zeit und Dauer der Übungen begründet209. Die damit gestellten Anforderungen beschränken den Unfallversicherungsschutz auf die sportlichen Betätigungen, die dem Betriebsinteresse dienen und daher dem Unternehmen zuzurechnen sind. In solchen Fällen besteht für den Schädiger ein betriebsbezogenes Schutzbedürfnis. Verletzen sich Versicherte im Rahmen des Betriebssports, ist dieser Unfall so wesentlich durch den betrieblichen Zusammenhang geprägt, daß der Haftungsausschluß auch hier eingreifen muß. Es wäre nicht sachgerecht, wenn der bei einer betrieblichen Sportveranstaltung Verletzte – anders als der bei seiner eigentlichen Arbeit Verletzte – neben den Leistungen der Unfallversicherung auch seine zivilrechtlichen Ansprüche und damit insbesondere seinen Anspruch auf Schmerzensgeld gegen den Schädiger geltend machen könnte. Auch im Rahmen des versicherten Betriebs207 BSG, Urt. v. 22. 8. 1955 – 2 RU 49 / 54 –, BSGE 1, 179, 183 betont, daß eine Teilnahmepflicht für den Versicherungsschutz keine Voraussetzung ist. 208 Vgl. allgemein zu dieser Grenze der betrieblichen Tätigkeit BGH, Urt. v. 19. 12. 1967 – VI ZR 6 / 66 –, VersR 1968, 353, 354; Urt. v. 30. 6. 1998 – VI ZR 286 / 97 –, VersR 1998, 1173, 1174; BAG, Urt. v. 9. 8. 1966 – 1 AZR 426 / 65 –, BAGE 19, 41, 47. 209 BSG, Urt. v. 28. 11. 1961 – 2 RU 130 / 59 –, BSGE 16, 1, 4 ff.; Urt. v. 19. 3. 1991 – 2 RU 23 / 90 –, BSGE 68, 200, 201 f.; Urt. v. 25. 2. 1993 – 2 RU 19 / 92 –, SozR 3 – 2200 § 548 Nr. 16; Urt. v. 2. 7. 1996 – 2 RU 32 / 95 –, SozR 3 – 2200 § 548 Nr. 29; Gitter, SGb 1990, 393, 394 ff. (mit Kritik in Einzelfragen); KassKomm / Ricke, § 8 SGB VII Rn. 60 ff. (einschränkend); Kater / Leube, § 2 Rn. 82 ff.; Krasney, VSSR 1993, 81, 99; Ludwig, ZfS 1996, 258 ff.; Rolfs, DB 2001, 2294, 2295.

I. Nach § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII von der Haftung freigestellte Schädiger

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sports kommt demnach der Haftungsausschluß des § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII zum Tragen. b) Beschaffung von Erfrischungen In der Literatur wird eine betriebliche Tätigkeit des Schädigers ferner bei der Beschaffung von Erfrischungen abgelehnt, weil eine solche Handlung nicht unmittelbar betrieblichen Interessen diene210. Die Wege zur Besorgung von Nahrungsmitteln oder zur Einnahme einer Mahlzeit, deren Verzehr der Erhaltung der Arbeitskraft dient, unterliegen jedoch dem Unfallversicherungsschutz211. Das BSG hat einen Arbeitsunfall angenommen, als eine Beschäftigte nach dem Mittagessen das Kasino durch eine Drehtüre verlassen wollte, dabei jedoch durch das unvermutete Beschleunigen des Vorausgehenden in der Drehtür eingeklemmt wurde und eine Gehirnprellung erlitt. Entscheidend sei in diesem Fall, daß der Unfall wesentlich durch die objektiv gefährliche Betriebseinrichtung – die Drehtür der Kantine – mitverursacht sei212. Die Essenseinnahme und der dazu zurückgelegte Weg zur Kantine diente zwar nicht den unmittelbaren betrieblichen Interessen, eine betriebliche Tätigkeit des Schädigers könnte daher abzulehnen sein. Diese Sichtweise läßt indessen den engen betrieblichen Zusammenhang solcher Tätigkeiten außer Betracht, die auch das BSG zu der Erstreckung des Unfallversicherungsschutzes veranlaßt hat213. Ereignet sich ein Unfall im betrieblichen Risikobereich, für den der Unfallversicherungsschutz eingreift, so entspricht es dem System, einen Haftungsausschluß zu bejahen. Auch insoweit besteht ein Schutzbedürfnis des Schädigers, der sich im betrieblichen Organisationsbereich bewegt. Dies spricht dafür, auch in der Beschaffung von Erfrischungen eine betriebliche Tätigkeit zu erblicken. Ebenso ist eine betriebliche Tätigkeit anzunehmen, wenn der Unfallversicherungsschutz auf körperliche Reinigung erstreckt wird, die unmittelbar wegen der versicherten Tätigkeit notwendig ist214. c) Trunkenheit Ein weiterer Grenzfall bei der Interpretation des Begriffs der betrieblichen Tätigkeit ist die Ausübung einer Handlung im Zustand der Trunkenheit. Der BGH hat die unfallversicherungsrechtliche Betrachtung, nach der der Versicherungsschutz Gamillscheg / Hanau, S. 190; Plagemann / Plagemann, Rn. 432; Rolfs, Haftung, S. 77. BSG, Urt. v. 5. 8. 1993 – 2 RU 2 / 93 –, BB 1993, 2454; Urt. v. 27. 6. 2000 – B 2 U 22 / 99 R –, SozR 3 – 2200 § 548 Nr. 40 = NJW 2001, 1670; Holtmann, Rn. 57; KassKomm / Ricke, § 8 SGB VII Rn. 74; Lauterbach / Schwerdtfeger, § 8 Rn. 229 ff. 212 BSG, Urt. v. 22. 6. 1976 – 8 RU 146 / 75 –, SozR 2200 § 548 Nr. 20. 213 So wohl auch Kohte, Jura 1985, 304, 308. 214 BSG, Urt. v. 28. 2. 1962 – 2 RU 110 / 59 –, BSGE 16, 236, 239; a.A. Rolfs, Haftung, S. 77. 210 211

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

entfällt, wenn Trunkenheit die allein wesentliche Ursache des Unfalls war215, als für die haftungsrechtliche Beurteilung nicht anwendbar erklärt216. In dem von ihm zu entscheidenden Fall hatte ein Betriebsangehöriger, der damit beauftragt war, die an auswärtiger Arbeitsstelle eingesetzte Arbeiterkolonne im firmeneigenen Kraftwagen zur Arbeit und zurück zu befördern, durch einen Verkehrsunfall den Tod eines Arbeitskollegen verursacht. Das verkehrswidrige Fehlverhalten beruhte auf alkoholischer Beeinflussung. Der BGH hat eine betriebliche Tätigkeit des Fahrers angenommen und den Haftungsausschluß nach §§ 636, 637 RVO bejaht. Diese Beurteilung ist überzeugend, weil sich die Schädigungshandlung im Zuge einer betrieblichen Aufgabe vollzog. Anders wäre hingegen zu entscheiden, wenn ein Betriebsangehöriger so stark alkoholisiert ist, daß er nicht mehr in der Lage ist, eine versicherte Tätigkeit zu verrichten, und sich nur noch auf dem Betriebsgelände aufhält. Dann hat er sich von seiner eigentlichen Tätigkeit in ähnlicher Weise wie bei einer Spielerei gelöst, so daß ein dabei verursachter Schaden nicht mehr in einem inneren Zusammenhang mit dem Betrieb steht. In diesem Fall besteht für den Schädiger nicht ein durch die betrieblichen Risiken entstandenes Schutzbedürfnis. Die Definition der betrieblichen Tätigkeit setzt also keine unmittelbare Betriebsdienlichkeit voraus; es reicht aus, wenn die Tätigkeit auf Betriebsinteressen beruht und auf diese Weise mit dem Zweck der Beschäftigung im Zusammenhang steht217. Legt man diese Definition zugrunde, wird der Haftungsausschluß des § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII in den Bereichen erweitert, in denen für den Schädiger durch betriebliche Haftungsrisiken ein Schutzbedürfnis entsteht, der Geschädigte jedoch durch das Eintreten der Unfallversicherung hinreichend geschützt ist.

4. Unabhängigkeit des § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII von den Grundsätzen der Haftungsbeschränkung im Arbeitsverhältnis Die Haftungsprivilegierung bei betrieblicher Tätigkeit steht als Rechtsfigur neben der Haftungsbeschränkung des Arbeitnehmers bei betrieblich veranlaßter Tätigkeit. Zwar wurde in der Literatur für § 637 RVO die Ansicht vertreten, daß sich die Voraussetzungen der betrieblichen Tätigkeit und der Haftungsbeschränkung des Arbeitnehmers bei betrieblich veranlaßter Tätigkeit entsprächen218. Der Be215 BSG, Urt. v. 30. 6. 1960 – 2 RU 86 / 56 –, BSGE 12, 242, 245 f.; Urt. v. 25. 11. 1977 – 2 RU 55 / 77 –, BSGE 45, 176, 178; Urt. v. 28. 6. 1979 – 8a RU 34 / 78 –, BSGE 48, 224, 226; Krasney, VSSR 1993, 81, 110; Wannagat / Jung, § 8 Rn. 29 f., 44, 75 f. 216 BGH, Urt. v. 19. 12. 1967 – VI ZR 6 / 66 –, VersR 1968, 353, 354; zustimmend Denck, S. 94; Sieg, SGb 1981, 366. 217 Enger BGH, Urt. v. 12. 10. 1976 – VI ZR 271 / 75 –, BGHZ 67, 279, 281; Urt. v. 30. 6. 1998 – VI ZR 286 / 97 –, VersR 1998, 1173, 1174; die Definition steht jedoch mit BAG, Urt. v. 9. 8. 1966 – 1 AZR 426 / 65 –, BAGE 19, 41, 45 f. in Einklang. 218 Kohte, Jura 1985, 304, 308; Rolfs, Haftung, S. 75; vgl. auch Richardi, NZA 1994, 241, 243; für das neue Recht so jetzt auch Kock, S. 122 ff.

II. Die von §§ 104, 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII betroffenen Geschädigten

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schluß des Großen Senats des BAG vom 27. 9. 1994219 legt auch ein solches Verständnis der Rechtsprechung nahe. Eine solche Sichtweise läßt allerdings nicht nur unberücksichtigt, daß die Haftungsfreistellung gemäß § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII über die Grundsätze der Haftungsbeschränkung im Arbeitsverhältnis hinausgeht220. Vor allem aber berücksichtigt sie nicht hinreichend, daß die Normauslegung des § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII schon aus systematischen Gründen vom Sozialversicherungsrecht geprägt ist. Zutreffend ist jedoch, daß das Merkmal der betrieblichen Tätigkeit im Sinne von § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII insoweit den Grundsätzen der Haftungsbeschränkung im Arbeitsverhältnis entsprechen muß, als es der Absicherung des Unternehmerprivilegs weiterhin dient221. Dem trägt die hier befürwortete Auslegung des Begriffs der betrieblichen Tätigkeit Rechnung, die über das arbeitsrechtliche Verständnis der betrieblich veranlaßten Tätigkeit hinausgeht.

II. Die von §§ 104, 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII betroffenen Geschädigten Der Kreis der Geschädigten, die dem Haftungsausschluß nach §§ 104, 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII ausgesetzt sind, ist durch den Begriff des Versicherten festgelegt. Die Formulierung in § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII hat sich gegenüber der in § 636 Abs. 1 S. 1 RVO indessen verändert. Während § 636 Abs. 1 S. 1 RVO für den Haftungsausschluß des Unternehmers voraussetzte, daß der Geschädigte ein „in seinem Unternehmen tätiger Versicherter“ sein mußte, sieht § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII einen Haftungsausschluß zu Lasten der Versicherten vor, die für die Unternehmen der haftungsprivilegierten Unternehmer tätig sind oder „zu ihren Unternehmen in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen“. Die Begründung zum Regierungsentwurf äußert sich zur Einfügung dieser zweiten Alternative nicht. Den Kernbestand der Versicherten, die mit dem Haftungsausschluß der §§ 104, 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII belastet sind, bilden die nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherten Beschäftigten. Jenseits dieses Kreises bestanden im Rahmen der Geltung der RVO Unsicherheiten über die Einbeziehung weiterer Geschädigter. Für diese Fallgruppen erhebt sich die Frage, ob sie durch das SGB VII eine Neubewertung erfahren. Dabei bleiben hier zunächst die sog. „mehrseitigen Beschäftigungsverhältnisse“ außer Betracht, weil die insoweit auftretenden Rechtsfragen erst im Zusammenhang mit § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII erschöpfend dargestellt werden können222. BAG GS, Beschl. v. 27. 9. 1994 – GS 1 / 89 (A) –, BAGE 78, 56, 67. Vgl. oben C.I.1.b)ee). 221 Vgl. auch Ahrens, DB 1996, 934, 937; Denck, DB 1986, 590, 591 (beide zu § 637 RVO); MünchArbR / Blomeyer, § 59 Rn. 36; Otto / Schwarze, Rn. 136, 584. 222 Vgl. im einzelnen unten C.VIII.1.d). 219 220

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

1. Die Rechtsstellung der nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII versicherten „Wie“-Beschäftigten Dem Kreis der Versicherten gehören gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII auch die „Wie“-Beschäftigten an223. Die Frage der Geltung des Haftungsausschlusses zu ihren Lasten war im alten Recht umstritten224. In der Literatur wurde hierzu die Auffassung vertreten, daß der Begriff des Versicherten für § 637 RVO einschränkend ausgelegt werden müßte, so daß nur versicherte Betriebsangehörige erfaßt würden225. Begründet wurde diese Ansicht mit der ratio des § 637 RVO, dem Betriebsfrieden226. Dieses Argument ist für § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII nicht mehr tragend, so daß eine derartige teleologische Reduktion des Versichertenbegriffs für das neue Recht nicht haltbar ist. Es ist deshalb grundsätzlich davon auszugehen, daß sich unterschiedslos die nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII in einem Betrieb Versicherten den Haftungsausschluß der §§ 104, 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII entgegenhalten lassen müssen227. In der neuen Terminologie des § 104 Abs. 1 SGB VII fallen die nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII versicherten „Wie“-Beschäftigten unter die erste Alternative („Versicherte, die für ihre Unternehmen tätig sind“). Dies entspricht der Rechtslage, die sich zu § 636 RVO entwickelt hat. Die in Rechtsprechung und Literatur zum Teil vertretene Auffassung, daß die nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII Versicherten nur in einer „sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung“ zu ihrem Unternehmen stünden, also der neu eingefügten zweiten Alternative des § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII zuzuordnen seien228, kann nicht überzeugen. Die erste Alternative des § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII spricht von „Tätigen“. Dieser Wortlaut stimmt mit § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII überein229. Für die Rechtsfolgen ist diese Abgrenzung zwischen den beiden Alternativen des § 104 SGB VII indes unerheblich, sie unterscheiden sich nicht230. Entscheidend ist nur, daß die nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII Versicherten den Haftungsausschluß gegen sich gelten lassen müssen. Die Neuregelung hat indes zu einer Änderung der Rechtsposition der Ge223 Zu den Voraussetzungen des Versicherungsschutzes nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII im einzelnen oben C.I.2.b). 224 Dazu bereits oben C.I.2.a). 225 Gamillscheg / Hanau, S. 172. 226 Vgl. oben C.I.2.a). 227 Allgemeine Auffassung für das SGB VII, vgl. BGH, Urt. v. 3. 7. 2001 – VI ZR 198 / 00 –, BGHZ 148, 209, 211; Urt. v. 3. 7. 2001 – VI ZR 284 / 00 –, BGHZ 148, 214, 221; OLG Koblenz, Urt. v. 5. 3. 2001 – 12 U 1355 / 99 –, r+s 2001, 196, 197; KassKomm / Ricke, § 104 SGB VII Rn. 6; Maschmann, SGb 1998, 54, 58; Otto, NZV 1996, 473, 474 f.; Stern-Krieger / Arnau, VersR 1997, 408, 410; Waltermann, NJW 2002, 1225, 1227. 228 OLG Hamm, Urt. v. 14. 4. 2000 – 9 U 3 / 00 –, NZA-RR 2000, 648; Hauck / Noftz / Nehls, § 104 Rn. 23; Maschmann, SGb 1998, 54, 58; Wannagat / Waltermann, § 104 Rn. 10 f. 229 Im Ergebnis so auch KassKomm / Ricke, § 104 SGB VII Rn. 6; Leube, BG 2001, 139; LPK / Zilch, § 104 Rn. 13. 230 So auch KassKomm / Ricke, § 104 SGB VII Rn. 6.

II. Die von §§ 104, 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII betroffenen Geschädigten

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schädigten geführt, die als „Wie“-Beschäftigte in einen „doppelten Versicherungsschutz“ geraten sind.

a) Der Haftungsausschluß zu Lasten kurzfristig Hilfeleistender nach §§ 636, 637 RVO durch „doppelten Versicherungsschutz“ In den Jahren vor Inkrafttreten des UVEG war eine besondere Fallkonstellation in die Diskussion gelangt, und zwar der Haftungsausschluß zu Lasten eines Beschäftigten, der kurz in einem fremden Betrieb hilft und dabei von einem Arbeitnehmer dieses Betriebes geschädigt wird. Ein solcher Geschädigter steht über seinen Stammbetrieb nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII – früher § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO – unter Versicherungsschutz. Seine kurzfristige Hilfeleistung im fremden Unfallbetrieb kann aber dazu führen, daß zusätzlich die Voraussetzungen des Versicherungsschutzes nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII – früher § 539 Abs. 2 RVO – vorliegen. Es entsteht also ein „doppelter Versicherungsschutz“231. In diesem Falle kommt sowohl der Haftungsausschluß des fremden Unternehmers nach § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII (früher § 636 Abs. 1 RVO) als auch der Haftungsausschluß anderer im fremden Unfallbetrieb tätiger Personen gemäß § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII (früher § 637 Abs. 1 RVO) in Betracht. Diese Fälle werden in der Praxis insbesondere beim Be- und Entladen von Fahrzeugen relevant. Der BGH232 hatte unter Geltung der RVO einen Fall zu entscheiden, bei dem der Arbeitnehmer eines Speditionsunternehmens verletzt wurde, als er auf dem Werksgelände eines fremden Unternehmens half, das Transportgut auf der Ladefläche des von ihm geführten Wagens abzusetzen. Er hatte den (Leih-) Arbeitnehmer des fremden Unternehmens angewiesen, die Transportpalette so auf dem LKW abzusetzen, daß sie zwischen den anderen Paletten stand. Dabei berührte der (Leih-) Arbeiter das schon verladene Gut derart, daß ein 500 kg schweres Werkstück von der Ladefläche des LKW herunterfiel und den Fahrer schwer verletzte. Hier entstand die Frage, ob der Verletzte, der ohnehin unter dem Versicherungsschutz seines Stammunternehmens stand, zusätzlich in den Versicherungsschutz des fremden Unfallbetriebes gelangt war. Greift der – zweite – Versicherungsschutz ein, dann muß sich der Geschädigte auch den Haftungsausschluß des betriebsfremden Schädigers entgegenhalten lassen. Für diesen Anspruchsverlust erhält der Geschädigte kein Äquivalent, weil er den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung bereits über seinen Stammbetrieb genießt233. Um dieses problematische Ergebnis zu vermeiden, hat der 27. Verkehrs231 In der Literatur findet sich vereinzelt die Auffassung, daß es nicht zu einem „doppelten Unfallversicherungsschutz“ kommen könne, so etwa Bereiter-Hahn / Mehrtens, § 104 Rn. 8.3; wohl auch Otto / Schwarze, Rn. 552, 562. Eine nähere Begründung wird indes nicht gegeben. 232 BGH, Urt. v. 8. 4. 1986 – VI ZR 61 / 85 –, VersR 1986, 868. 233 Deutschländer, VersR 1989, 340, 345.

5 Lepa

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

gerichtstag 1989 eine Empfehlung ausgesprochen, nach der in den Fällen kurzfristiger Hilfeleistung, in denen der Geschädigte bereits Unfallversicherungsschutz in seinem Stammunternehmen genießt, eine einschränkende Interpretation des Begriffs des Versicherten erfolgen solle, um diese Fälle aus dem Anwendungsbereich der §§ 636, 637 RVO herauszuhalten; auf diese Weise sei gewährleistet, daß der Verletzte seine ihm nach dem allgemeinen Recht zustehenden Schadensersatzansprüche, insbesondere den Anspruch auf Schmerzensgeld, realisieren könne234. Die Rechtsprechung ist dieser Empfehlung nicht gefolgt. Sie hat für entscheidend gehalten, ob Aufgaben des Unfallbetriebs oder solche des Unternehmens, dessen Arbeitnehmer der Verletzte war, der Tätigkeit, in deren Verlauf es zu der Schädigung gekommen ist, das Gepräge gegeben haben235. Für diese Wertung war die jeweilige Vertragslage entscheidend236. Bei der unfallversicherungsrechtlichen Zuordnung der schadensträchtigen Tätigkeit des Verletzten bestand in den letzten Jahren indessen auch in der Rechtsprechung des BGH und der ihm folgenden Literatur die Tendenz, die Anwendung der §§ 636, 637 RVO einzuschränken, indem die Anforderungen an die Eingliederung Betriebsfremder erhöht wurden237. Der BGH hat sich dazu seit 1986 einer Beweisregel bedient, nach der bei Tätigkeiten, die sowohl dem Stammbetrieb als auch dem fremden Unfallbetrieb dienten, im Zweifel davon auszugehen sei, daß der Verletzte allein zur Förderung der Belange seines Stammbetriebes gehandelt habe238. Der Sinn dieser Rechtsprechung wurde darin gesehen, in Fällen, in denen die unfallbringende Tätigkeit den Interessen mehrerer Unternehmen diente, die notgedrungen auftretenden Schwierigkeiten einer Zuordnung durch einen klaren Grundsatz zu vermeiden239. Der BGH240 konnte 234 Empfehlung Nr. 3 des Arbeitskreises IV, VGT 1989, 11; ebenso Deutschländer, VersR 1989, 340, 345; Lemcke, r+s 1995, 161, 164 f. 235 BGH, Urt. v. 8. 4. 1986 – VI ZR 61 / 85 –, VersR 1986, 868, 869; Urt. v. 11. 10. 1988 – VI ZR 67 / 88 –, VersR 1989, 67, 68; Urt. v. 17. 4. 1990 – VI ZR 244 / 89 –, VersR 1990, 994, 995; Urt. v. 25. 9. 1990 – VI ZR 285 / 89 –, VersR 1990, 1409, 1410; Urt. v. 24. 3. 1998 – VI ZR 337 / 96 –, LM Nr. 56 zu § 636 RVO = NJW 1998, 2365, 2366. 236 BGH, Urt. v. 22. 6. 1982 – VI ZR 240 / 79 –, VersR 1983, 31, 32; Urt. v. 22. 5. 1984 – VI ZR 234 / 82 –, VersR 1984, 736, 737; Urt. v. 24. 3. 1998 – VI ZR 337 / 96 –, LM Nr. 56 zu § 636 RVO = NJW 1998, 2365, 2366. 237 Lepa, NZV 1997, 137, 141; Maschmann, SGb 1998, 54, 58; Wussow / Schneider, Kap. 80 Rn. 37. 238 BGH, Urt. v. 8. 4. 1986 – VI ZR 61 / 85 –, VersR 1986, 868, 869; Urt. v. 28. 10. 1986 – VI ZR 181 / 85 –, VersR 1987, 384, 385; Urt. v. 11. 10. 1988 – VI ZR 67 / 88 –, VersR 1989, 67, 68; Urt. v. 17. 4. 1990 – VI ZR 244 / 89 –, VersR 1990, 994, 995; Urt. v. 9. 7. 1996 – VI ZR 155 / 95 –, VersR 1996, 1412 f.; Urt. v. 20. 1. 1998 – VI ZR 311 / 96 –, VersR 1998, 582, 583; Urt. v. 24. 3. 1998 – VI ZR 337 / 96 –, LM Nr. 56 zu § 636 RVO = NJW 1998, 2365, 2366; zustimmend Benz, SGb 1996, 670; Elsner, zfs 2000, 475, 477; Rolfs, Haftung, S. 100; ders., DB 2001, 2294, 2295; Wannagat / Waltermann, § 104 Rn. 11; dahingehend auch Fuchs, FS Gitter, S. 253, 262. Ein ähnlicher Ansatz findet sich auch bei Wank, SGb 1991, 374, 376. Letztlich entspricht diese Auffassung derjenigen, die Gamillscheg / Hanau, S. 170, bereits Jahre zuvor für den Haftungsausschluß des Unternehmers gemäß § 636 RVO vertreten haben. 239 BGH, Urt. v. 9. 7. 1996 – VI ZR 155 / 95 –, VersR 1996, 1412, 1413; so auch Benz, SGb 1996, 670; Wannagat / Waltermann, § 104 Rn. 11.

II. Die von §§ 104, 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII betroffenen Geschädigten

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sich dabei auf die Rechtsprechung des BSG beziehen, die bei Tätigkeiten, die objektiv sowohl dem fremden als auch dem eigenen Interesse gedient haben, den eigenwirtschaftlichen Aspekt als maßgeblich erachtet hat241. In dem oben geschilderten Fall hat der BGH unter Anwendung dieser Regel angenommen, daß der Fahrer des LKW für seinen eigenen Betrieb handelte, als er den fremden Arbeiter anwies, die Paletten zwischen den anderen zu stapeln und nicht auf dem hinteren Teil der Ladefläche des LKW. Das Speditionsunternehmen sei zum Transport des Materials verpflichtet gewesen, so daß es auch für das verkehrssichere Beladen des LKW (§§ 22, 23 StVO) verantwortlich gewesen sei. Daraus folgte, daß dem Geschädigten seine deliktischen Schadensersatzansprüche gegen den Schädiger erhalten blieben. In der Rechtsprechung des BAG war hingegen eine solche einschränkende Tendenz nicht erkennbar. Es hatte einen Fall242 zu entscheiden, bei dem der Fahrer eines Transportunternehmens verletzt wurde, als er die Kranseile löste, nachdem sein Fahrzeug mit Stahlträgern beladen worden war. Die Beladung des LKW mit dem Kran war Aufgabe eines anderen Unternehmens. Das BAG hat angenommen, daß der Fahrer dadurch, daß er, nachdem die Stahlträger bereits auf der Ladefläche des LKWs abgesetzt waren, die Kranseile löste, vorübergehend wie ein Beschäftigter des Unfallbetriebs tätig wurde. Der Haftungsausschluß nach §§ 636, 637 RVO griff also zu seinen Lasten ein. Der Arbeitsvorgang sei nicht mehr von der Transportaufgabe des Stammbetriebes geprägt gewesen. Das BAG hat dabei nicht für entscheidend gehalten, daß der Fahrer mit der Hilfeleistung möglicherweise den Zweck verfolgte, seine Fahrt alsbald fortsetzen zu können.

b) Behandlung der Fälle des „doppelten Versicherungsschutzes“ nach §§ 104, 105 SGB VII Der Gesetzgeber hat zur Frage des „doppelten Versicherungsschutzes“ in Fällen kurzfristiger Hilfeleistungen bei der Neufassung der Haftungsfreistellung nicht Stellung genommen. Die Erörterung dieser Problematik ist im Rahmen des neuen Rechts auch hinter der Diskussion um das neue Haftungsprivileg bei Tätigkeiten von Beschäftigten verschiedener Unternehmen auf einer gemeinsamen Betriebsstätte (§ 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII), von dem noch die Rede sein wird, zurückgetreten. Sie hat sich durch diese Regelung jedoch nicht etwa erledigt, wenn auch nicht zu verkennen ist, daß sie in einer Vielzahl von Fällen durch die Anwendbarkeit des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII nicht zum Tragen kommen wird. § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII erfaßt indessen nicht alle Fälle der Hilfeleistung in fremden Unternehmen. Der Wirkungsbereich der Vorschrift ist begrenzt auf Unfälle, die im Zuge 240 241 242

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BGH, Urt. v. 28. 10. 1986 – VI ZR 181 / 85 –, VersR 1987, 384, 385. BSG, Urt. v. 28. 6. 1984 – 2 RU 63 / 83 –, BSGE 57, 91, 93. BAG, Urt. v. 28. 2. 1991 – 8 AZR 521 / 89 –, BB 1991, 1193.

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

einer Arbeitsleistung auf einer für Schädiger und Geschädigten „gemeinsamen Betriebsstätte“ geschehen. Hierunter sind nach Auffassung des BGH – wie bereits oben ausgeführt – nur Unfälle zu verstehen, bei denen der Geschädigte und der Schädiger miteinander verknüpft tätig geworden sind. Außerdem ist nach Auffassung des BGH – wie gleichfalls oben schon ausgeführt – der für den Verletzten fremde Unternehmer als Schädiger nach § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII nur dann von der Haftung befreit, wenn er selbst vor Ort tätig geworden und überdies versichert ist243. Greift § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII nicht ein, so bleibt es bei der oben erörterten Problematik eines möglichen Anspruchsverlusts des Geschädigten gemäß §§ 104, 105 SGB VII in den Fällen des „doppelten Versicherungsschutzes“. Die Problematik kommt vor allem weiterhin im Rahmen der Haftungsfreistellung des Unternehmers gemäß § 104 SGB VII zum Tragen, also etwa dann, wenn zu Lasten des für den Geschädigten fremden Unternehmers die Haftungsvoraussetzungen der §§ 823, 831 BGB, 7 StVG vorliegen. Solche Fälle treten durchaus nicht selten auf. Das gilt insbesondere für eine Haftung des Unternehmers aus § 831 BGB, weil an die Exkulpation des Geschäftsherrn nach § 831 Abs. 1 S. 2 BGB von der Rechtsprechung erhebliche Anforderungen gestellt werden, was in der Praxis nicht immer beachtet wird244. Der Unternehmer kann ferner aus § 823 Abs. 1 BGB haften, wenn er schuldhaft seine Pflicht verletzt hat, für die Gefahrensicherung in seinem Organisationsbereich zu sorgen (sog. Organisationsverschulden)245. Aus der Halterhaftung des § 7 StVG folgt seit dem Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. 7. 2002246 am 1. 8. 2002 auch ein Schmerzensgeldanspruch (vgl. § 11 StVG), der bei Eingreifen der §§ 104 ff. SGB VII ausgeschlossen ist. Diese Norm muß also ebenfalls in die Betrachtung miteinbezogen werden. Auch für den Bereich der betrieblich Tätigen ist die Relevanz des hier in Rede stehenden Problems nicht von vornherein ausgeschlossen. Der Begriff der gemeinsamen Betriebsstätte i. S. von § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII erfaßt nach der zuvor genannten Begriffsbestimmung nicht Hilfeleistungen im Unfallbetrieb, die unabhängig von der Arbeitstätigkeit der in dem Unfallbetrieb Beschäftigten erfolgen. Für schadensträchtige Berührungen in Arbeitsabläufen, denen das Element der Gemeinsamkeit der Betriebsstätte fehlt, gibt § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII keine Lösung, so daß die bisherige Problemlage fortbesteht.

243 Vgl. dazu oben B.VIII.3.b) und im einzelnen noch unten C.VIII.1.a)cc) und C.VIII.1.b)bb). 244 BGH, Urt. v. 15. 11. 1983 – VI ZR 57 / 82 –, VersR 1984, 67; Urt. v. 1. 7. 1997 – VI ZR 205 / 96 –, r+s 1997, 364, 365; Lemcke, r+s 2000, 221, 222. 245 BGH, Urt. v. 13. 5. 1955 – I ZR 137 / 53 –, BGHZ 17, 214, 220 f.; Urt. v. 30. 1. 1996 – VI ZR 408 / 94 –, VersR 1996, 469, 470; RGRK / Steffen, § 823 Rn. 155. 246 BGBl. I S. 2673.

II. Die von §§ 104, 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII betroffenen Geschädigten

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aa) Regelung des § 135 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII Der Gesetzgeber hat indes – sei es auch unbewußt – im Zuge der Novellierung der gesetzlichen Unfallversicherung an anderer Stelle eine Neuregelung geschaffen, die für die hier erörterte problematische Fallgruppe des Haftungsausschlusses Beachtung finden muß. Durch § 135 SGB VII sind die Konkurrenzregelungen zu den Versicherungstatbeständen zusammengefaßt und ergänzt worden247. Gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII geht die Versicherung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII der Versicherung nach § 2 Abs. 2 SGB VII vor. Diese Regelung hat die Problematik des durch eine vorübergehende Hilfeleistung entstehenden „doppelten Versicherungsschutzes“ obsolet gemacht. Eine dem § 135 SGB VII entsprechende Regelung gab es in der RVO nicht. Die Berufsgenossenschaften hatten, um langwierige Auseinandersetzungen zu vermeiden und die bestehenden Zweifel möglichst weitgehend auszuschließen, eine Vereinbarung über die vereinfachte Klärung der Zuständigkeit für die Unfallentschädigung in den Fällen des § 539 Abs. 2 RVO248 geschlossen, nach der ein Unfallversicherungsträger, bei dem eine Person aufgrund des § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO versichert ist, die Entschädigung auch für die Arbeitsunfälle übernahm, die der Versicherte bei einer nach § 539 Abs. 2 RVO versicherten Tätigkeit erlitt, wenn diese Tätigkeit nur vorübergehend ausgeübt wurde. Dieses Abkommen galt jedoch nur im Verhältnis der an ihm beteiligten Versicherungsträger untereinander249. Allerdings nahmen die Sozialgerichte bisher schon für die Zuständigkeit der Versicherungsträger eine eindeutige Zuordnung der Tätigkeit vor. Es konnte danach nur ein Versicherungsverhältnis geben, aus dem der Geschädigte Leistungen erhielt250. Bei der Abgrenzung stand das Handeln zur Erfüllung des jeweiligen Versicherungstatbestandes (sog. Handlungstendenz)251 im Vordergrund. Eine eindeutige gesetzliche Regelung dieses Inhalts gab es indes nicht. Im Unterschied dazu liegt mit § 135 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII jetzt eine gesetzliche Konkurrenzregelung vor. Die Bedeutung dieser Vorschrift ist bisher noch weitgehend ungeklärt. Zum Teil wird die Auffassung vertreten, daß sie nur das bisheriBT-Drucks. 13 / 2204, S. 108. Abgedruckt bei Lauterbach / Schwerdtfeger, § 2 Rn. 720. 249 BAG, Urt. v. 15. 1. 1985 – 3 AZR 59 / 82 –, AP Nr. 16 zu § 637 RVO; Denck, Anm. zu BAG, Urt. v. 13. 4. 1983 – 7 AZR 650 / 79 –, AP Nr. 13 zu § 637 RVO; Hauck / Noftz / Riebel, § 2 Rn. 292; Lauterbach / Schwerdtfeger, § 2 Rn. 720; a.A. Rolfs, Haftung, S. 139 f. 250 BSG, Urt. v. 28. 5. 1957 – 2 RU 150 / 55 –, BSGE 5, 168, 175; Urt. v. 6. 4. 1960 – 2 RU 198 / 57 –, BSGE 12, 65, 68; Urt. v. 28. 1. 1966 – 2 RU 151 / 63 –, BSGE 24, 216, 218; Urt. v. 14. 12. 1967 – 2 RU 1 / 65 –, BSGE 27, 233, 236; Urt. v. 28. 4. 1977 – 2 RU 259 / 74 –, SozR 2200 § 539 Nr. 34; Urt. v. 29. 9. 1992 – 2 RU 44 / 91 –, SozR 3 – 2200 § 539 Nr. 19; so auch RG, Urt. v. 27. 6. 1925 – IV 14 / 25 –, RGZ 111, 159, 160 f.; a.A. noch RG, Urt. v. 4. 7. 1910 – VI 348 / 09 – RGZ 74, 222, 224. 251 Vgl. BSG, Urt. v. 9. 12. 1976 – 2 RU 37 / 76 –, BSGE 43, 65, 67 f.; Urt. v. 29. 9. 1992 – 2 RU 44 / 91 –, SozR 3 – 2200 § 539 Nr. 19. 247 248

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

ge Recht aufgreife252. Danach behielte weiterhin auch das Abkommen der Berufsgenossenschaften entscheidende Bedeutung253. Eine weitere Ansicht geht davon aus, daß § 135 SGB VII nur sicherstelle, daß die Tätigkeit für ein Unternehmen, die mehreren Tatbeständen zugeordnet werden könne, jeweils nur nach einem Tatbestand unter Versicherungsschutz stehe und damit die eindeutige Zuordnung zu einem einzigen Unfallversicherungsträger gegeben sei. Der Fall, daß eine Tätigkeit zugleich für mehrere Unternehmen stattgefunden habe, die bei verschiedenen Unfallversicherungsträgern versichert seien, werde nicht erfaßt254. Ein anderer Teil der Literatur nimmt hingegen eine weitergehende Bedeutung des § 135 SGB VII an. Nach dieser Auffassung ist es angesichts der Neuregelung nicht mehr notwendig, die zur RVO entwickelten Rechtsprechungsgrundsätze des BSG für die nicht ausdrücklich geregelten Konkurrenzfragen weiter anzuwenden255. Für ein umfassendes Verständnis des § 135 SGB VII im Sinne der letztgenannten Auffassung spricht zunächst der Wortlaut, demzufolge die Vorschrift die Fälle der mehrfachen Versicherung regelt. Hinzu kommt, daß ein solches Verständnis auch dem Willen des Gesetzgebers – soweit er sich aus der Begründung zum Regierungsentwurf des UVEG ergibt – entspricht. § 135 SGB VII sollte die vorhandenen Konkurrenzregeln ergänzen256. Allein ein umfassendes Verständnis wird ferner Sinn und Zweck einer Konkurrenzregelung gerecht, die im Interesse der Funktionstüchtigkeit des Systems Zweifelsfälle der Versicherung nach mehreren Vorschriften eindeutig regeln soll. Aus diesem Verständnis des § 135 SGB VII folgt zugleich, daß für das Abkommen der Berufsgenossenschaften kein Raum mehr besteht257.

bb) Auswirkungen des § 135 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII auf den Haftungsausschluß in den Fällen des „doppelten Versicherungsschutzes“ Die Konsequenzen der Regelung des § 135 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII für den Haftungsausschluß sind bisher offensichtlich kaum gesehen worden258. Im Hinblick auf die dargestellte Diskussion zur Problematik des „doppelten Versicherungsschutzes“ in Fällen kurzfristiger Hilfeleistung muß dies überraschen. So wohl KassKomm / Ricke, § 135 SGB VII Rn. 5. Lauterbach / Schwerdtfeger, § 2 Rn. 720. 254 Kater / Leube, § 135 Rn. 2 f. 255 Hauck / Noftz / Graeff, § 135 Rn. 3; Wannagat / Jung, § 135 Rn. 4; dahingehend wohl auch Brackmann / Wiester, § 2 Rn. 14 ff. 256 BT-Drucks. 13 / 2204, S. 108. 257 So auch Bereiter-Hahn / Mehrtens, § 2 Rn. 34.31; Wannagat / Jung, § 2 Rn. 66. 258 Bereiter-Hahn / Mehrtens, § 104 Rn. 8.3 weist auf die Vorschrift hin und sieht eine Parallele. Er ist dabei der Auffassung, daß sich die Frage der Eingliederung erst stellt, wenn sich der Verletzte beim Unfallvorgang aus seinem Stammbetrieb gelöst hat; Otto / Schwarze, Rn. 562 weisen ebenfalls ohne nähere Erläuterung auf die Vorschrift hin. 252 253

II. Die von §§ 104, 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII betroffenen Geschädigten

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(1) Geltung des § 135 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII im Bereich der §§ 104, 105 SGB VII Die §§ 104, 105 SGB VII knüpfen an die Versicherung des Verletzten im Betrieb bzw. Unternehmen an. Eine solche Versicherung besteht aber dann nicht, wenn sie gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII zurücktritt. Dies hat zur Folge, daß ein Beschäftigter, der über seinen Stammbetrieb bereits nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versichert ist, insoweit keinen Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII in einem fremden Betrieb bzw. Unternehmen erlangt. Es mangelt mithin an dem in §§ 104, 105 SGB VII vorausgesetzten Anknüpfungspunkt für einen Haftungsausschluß in dem fremden Unternehmen bzw. Betrieb. Dem könnte entgegengehalten werden, daß die Regelung des § 135 SGB VII nur formeller Natur ist, also nur eine Zuständigkeitsregelung darstellt. Eine solche Interpretation würde zwar ihrer Stellung im Gesetzesgefüge – ihrer Einordnung im Abschnitt der Zuständigkeiten – Rechnung tragen. Ein solches Verständnis ist indes keineswegs zwingend. Auch die in demselben Abschnitt stehende Regelung des § 136 Abs. 3 SGB VII, die den Begriff des Unternehmers näher bestimmt, wird nach ganz einhelliger Auffassung für die Auslegung des Unternehmerbegriffs in § 104 SGB VII herangezogen259. Es kommt hinzu, daß § 135 SGB VII ausweislich der Gesetzesbegründung die bisher in § 539 RVO enthaltenen Konkurrenzregelungen zusammenfassen und ergänzen sollte260 und somit weiterhin in engem Zusammenhang zum heutigen § 2 SGB VII zu sehen ist. Der Wortlaut der Vorschrift spricht ebenfalls für ein umfassendes Verständnis, weil sie sich – anders als die §§ 130 bis 134 SGB VII – nicht ausdrücklich auf die Regelung der Zuständigkeit der Versicherungsträger bezieht, sondern eine Regelung für die Versicherung nach mehreren Vorschriften trifft. Der Normaussagegehalt des § 135 SGB VII reicht damit über eine bloße Zuständigkeitsregelung hinaus. Die Vorschrift regelt zugleich, daß zwei Versicherungsverhältnisse nicht nebeneinander bestehenbleiben, sondern daß es nur ein Versicherungsverhältnis gibt, aus dem auch Versicherungsleistungen fließen261. Das bedeutet, daß § 135 SGB VII – ebenso wie dies für § 136 Abs. 3 SGB VII anerkannt ist – auch eine materielle Dimension zukommt. Wird aber in § 135 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII einem Versicherungsverhältnis nach § 2 Abs. 2 SGB VII die rechtliche Relevanz neben einem Versicherungsverhältnis aus § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII abgesprochen, dann ist es damit ausgeschlossen, an dieses Versicherungsverhältnis aus § 2 Abs. 2 SGB VII Rechtsfolgen zu knüpfen, weil ein vom Gesetzgeber negiertes Versicherungsverhältnis nicht die Quelle von Rechtsfolgen sein kann. Diese Konsequenz erstreckt sich – zwangsläufig – auch auf die 259 Vgl. Kater / Leube, § 104 Rn. 4; Schmitt, § 104 Rn. 3; Staudinger / Oetker, § 618 Rn. 328 f.; Wannagat / Waltermann, § 104 Rn. 7; zum alten Recht BGH, Urt. v. 4. 10. 1988 – VI ZR 7 / 88 –, VersR 1988, 1276, 1277. 260 BT-Drucks. 13 / 2204, S. 108. 261 Dahingehend auch Hauck / Noftz / Graeff, § 135 Rn. 1; KassKomm / Ricke, § 2 SGB VII Rn. 4.

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

Vorschriften zur Haftungsbeschränkung. Das gilt insbesondere dann, wenn es um Rechtsfolgen geht, die – wie oben ausgeführt – mit Blick auf das Regelungssystem der Haftungsbeschränkung als problematisch anzusehen sind und in der rechtswissenschaftlichen Diskussion als unerwünscht erachtet worden sind. Die Neuregelung entzieht der Rechtsprechung des BGH und der ihm folgenden Literatur zum „doppelten Versicherungsschutz“ den Boden. Der BGH hatte der Rechtsprechung der Sozialgerichte, die bisher schon das Bestehen nur eines Versicherungsverhältnisses annahm, aus dem der Geschädigte seine Leistungen erhielt, für den Bereich des Haftungsausschlusses bisher keine Bedeutung beigemessen262. Er hatte vielmehr schon vor dem Inkrafttreten des UVNG aus der Vereinbarung der Berufsgenossenschaften geschlossen, daß das Nebeneinanderbestehen zweier Versicherungsverhälnisse für möglich gehalten wurde263. Zur Begründung hatte er ausgeführt, daß in den Fällen einer zweiten Versicherung die gesetzespolitische Rechtfertigung des Haftungsausschlusses ebenfalls greife. Auch in diesem Falle solle dem Unternehmer ein Ausgleich dafür gewährt werden, daß er durch seine Leistungen für einen umfassenden Versicherungsschutz der bei ihm arbeitenden Personen sorge264. Diese Argumentation überzeugte schon zum alten Recht nicht, weil auch danach der Unfall als im Stammbetrieb des Geschädigten geschehen anerkannt wurde, so daß der Versicherungsschutz über den Unfallbetrieb nach § 539 Abs. 2 RVO nicht eingriff265. Dies mag jedoch dahinstehen. Jedenfalls kann angesichts des rechtlichen Gehalts der neuen Regelung in § 135 SGB VII die Begründung des Haftungsausschlusses in diesen Fällen nicht mehr in den Versicherungsleistungen des fremden Unternehmers erblickt werden266. Die hier vertretene Auffassung könnte auf den ersten Blick der Tendenz des SGB VII widersprechen, die Haftung im Arbeitsleben noch weiter als bisher zu beseitigen267. Diese Tendenz der Neuregelung besteht jedoch nicht schrankenlos, Vgl. RGRK / Steffen, Vor § 823 Rn. 79. BGH, Urt. v. 19. 3. 1957 – VI ZR 277 / 55 –, BGHZ 24, 247, 249. Nach Inkrafttreten des UVNG wurde die Möglichkeit des Nebeneinanderbestehens mehrerer Versicherungsverhältnisse im Rahmen des Haftungsausschlusses (sog. Mehr-Unternehmer-Theorie, vgl. zu diesem Terminus Bley / Kreikebohm / Marschner, Rn. 896; Denck, ZfA 1989, 265, 269; Weitnauer, Anm. zu BAG, Urt. v. 15. 1. 1985 – 3 AZR 59 / 82 –, AP Nr. 16 zu § 637 RVO) auch vom BSG auf die Regelung zu den Leiharbeitsverhältnissen und Arbeitsgemeinschaften in § 636 Abs. 2 RVO gestützt, vgl. Urt. v. 16. 5. 1984 – 9b RU 68 / 82 –, BSGE 56, 279, 282. Der BGH hat hingegen in § 636 Abs. 2 RVO nur eine Bestätigung früherer höchstrichterlicher Rechtsprechung erblickt, die für bestimmte Fallgruppen den Satz aufgestellt hatte, der Haftungsausschluß könne neben dem sog. Stammunternehmen auch einem Fremdunternehmen zugute kommen (sog. mehrseitiges Arbeitsverhältnis), vgl. Urt. v. 18. 5. 1971 – VI ZR 242 / 69 –, VersR 1971, 735; siehe auch RGRK / Steffen, Vor § 823 Rn. 79. 264 BGH, Urt. v. 19. 3. 1957 – VI ZR 277 / 55 –, BGHZ 24, 247, 250. 265 Denck, Anm. zu BAG, Urt. v. 13. 4. 1983 – 7 AZR 650 / 79 –, AP Nr. 13 zu § 637 RVO; Rolfs, Haftung, S. 137. 266 Die Frage, wer den Unfallversicherungsbeitrag getragen hat, hielt im Rahmen von § 636 Abs. 2 RVO auch Mayer-Maly, ZfA 1972, 1, 25 für entscheidend. 262 263

II. Die von §§ 104, 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII betroffenen Geschädigten

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vielmehr kommt es dem Gesetzgeber nur darauf an, Schadensersatzansprüche der Tätigen untereinander auszuschließen. Dies wird besonders in § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII deutlich, der noch zur Sprache kommen wird268. Gerade dieser Norm läßt sich entnehmen, daß die Erweiterung der Haftungsfreistellung nicht auch der Unternehmerseite zugute kommen sollte, für deren Haftungsfreistellung die Berücksichtigung des § 135 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII praktisch in erster Linie bedeutsam werden wird. (2) Konsequenzen des Wegfalls „doppelten Versicherungsschutzes“ Die Berücksichtigung des § 135 SGB VII hat Auswirkungen auch auf die Bindung der Gerichte gemäß § 108 Abs. 1 SGB VII (früher § 638 RVO). Nach dieser Vorschrift sind die ordentlichen Gerichte und die Arbeitsgerichte bei ihrer Entscheidung über Ersatzansprüche der in den §§ 104 bis 107 SGB VII genannten Art an eine unanfechtbare Entscheidung der Unfallversicherungsträger oder der Sozialgerichte hinsichtlich der drei dort genannten Themen – Vorliegen eines Versicherungsfalls, Umfang der zu erbringenden Leistungen, Zuständigkeit des Unfallversicherungsträgers – gebunden. Die Rechtsprechung und ihr folgend die ganz herrschende Literatur nimmt an, daß die Anerkennung eines Schadensereignisses als Arbeitsunfall durch die Berufsgenossenschaft des Stammbetriebes nicht die Möglichkeit ausschließt, das Unfallereignis auch einem anderen Betrieb als Arbeitsunfall zuzurechnen269. Soweit die Konkurrenz zweier Versicherungstatbestände in Frage steht, die durch § 135 SGB VII geregelt ist, ist durch eine Entscheidung im Sinne von § 108 SGB VII nunmehr abschließend festgestellt, welche Versicherung besteht. Für ein weiteres Versicherungsverhältnis ist daneben kein Raum mehr270. Zusammenfassend ist damit festzustellen, daß die Fälle kurzfristiger Hilfeleistung, in denen der Geschädigte bereits Unfallversicherungsschutz in seinem Stammunternehmen genießt, aufgrund der neuen Regelung in § 135 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII nicht mehr vom Haftungsausschluß nach §§ 104, 105 SGB VII erfaßt werden271. Der Verletzte kann in diesen Fällen seine ihm nach allgemeinem Recht 267 Vgl. BT-Drucks. 13 / 2204, S. 73 und die bereits oben unter B.VIII. vorgestellten Erweiterungen der Haftungsfreistellung durch das SGB VII. 268 Vgl. nachfolgend unter C.VIII.1.a)cc), b)bb)(3) und (4). 269 BGH, Urt. v. 19. 3. 1957 – VI ZR 277 / 55 –, BGHZ 24, 247, 252; Urt. v. 4. 5. 1995 – VI ZR 327 / 93 –, BGHZ 129, 195, 199; Urt. v. 7. 6. 1977 – VI ZR 99 / 76 –, VersR 1977, 959; Urt. v. 22. 9. 1981 – VI ZR 55 / 80 –, VersR 1982, 40, 41; Urt. v. 22. 6. 1982 – VI ZR 240 / 79 –, VersR 1983, 31, 32; OLG Celle, Urt. v. 30. 1. 1978 – 9 U 90 / 77 –, VersR 1978, 837; Geigel / Kolb, Kap. 31 Rn. 124; Holtmann, Rn. 102; Küppersbusch, Rn. 421; RGRK / Steffen, Vor § 823 Rn. 103; Wannagat / Waltermann, § 108 Rn. 4; Wussow / Schneider, Kap. 80 Rn. 85; a.A. noch RG, Urt. v. 27. 6. 1925 – IV 14 / 25 – RGZ 111, 159, 160 f. 270 Zur RVO so schon Hanau, FS Steffen, S. 177, 189; Rolfs, Haftung, S. 140. 271 Zu demselben Ergebnis sind für das alte Recht Hanau, FS Steffen, S. 177, 189; Rolfs, Haftung, S. 140 mit ihrer Lösung über die eingeschränkte Wirkung des § 638 RVO gelangt; Rolfs, NJW 1996, 3177, 3182 hält an seiner Auffassung auch für das neue Recht fest.

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

zustehenden Schadensersatzansprüche, insbesondere seinen Schmerzensgeldanspruch, realisieren. Soweit er Versicherungsleistungen aus seinem nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII bestehenden Versicherungsverhältnis erhält, steht dem Versicherungsträger der Regreß gegen den Schädiger des fremden Betriebs bzw. Unternehmens nach § 116 SGB X offen. Dieser Anspruch wäre dem Versicherungsträger bei Eingreifen der §§ 104, 105 SGB VII hingegen verschlossen. Hat sich der Verletzte durch seine Hilfeleistung indessen vollständig von seinem Stammbetrieb gelöst, dann erhält er über den fremden Unfallbetrieb nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII Versicherungsschutz. In diesem Falle muß er auch die §§ 104, 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII gegen sich gelten lassen. Die Beantwortung der Frage, ob der Geschädigte noch für seinen Stammbetrieb gehandelt hat und damit unter Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII steht, bedarf der Prüfung im Einzelfall. Die Neuregelung des § 135 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII hat also zur Folge, daß in diesen Fällen an die Stelle des „doppelten Versicherungsschutzes“ ein alternativer Versicherungsschutz getreten ist mit den daraus folgenden Konsequenzen für den Haftungsausschluß. 2. Versicherte, die „zu ihren Unternehmen in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen“ (§ 104 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 SGB VII) Für den Haftungsausschluß nach §§ 104, 105 SGB VII sind in erster Linie die bereits behandelten Versicherungstatbestände des § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1 SGB VII relevant. Doch kann sich der Versicherungsschutz eines Geschädigten auch aus anderen Versicherungstatbeständen ergeben mit der Folge, daß der Haftungsausschluß nach §§ 104, 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII in Frage steht. § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII hat durch seine neue Formulierung, daß auch „Versicherte, die zu ihren Unternehmen in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen“, den Haftungsausschluß gegen sich gelten lassen müssen, eine Neuregelung eingeführt, die keinen Vorgänger hat. Diese Formulierung ist so weit gefaßt, daß die Regelung in der Rechtsanwendung unklar ist. Welche Fallkonstellationen von dieser zweiten Alternative erfaßt werden, ist noch offen. Ein Teil der Literatur erblickt die Bedeutung der Regelung insbesondere darin, daß die nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII Versicherten von dieser Alternative erfaßt werden und damit einem Haftungsausschluß ausgesetzt sind272. Diese Auffassung kann – wie bereits oben dargestellt273 –, nicht überzeugen. Die zweite Alternative erhält daher vor allem für Haftungstatbestände, die sich außerhalb des eigentlichen Arbeitslebens ergeben haben, ihre Bedeutung. 272 273

Hauck / Noftz / Nehls, § 104 Rn. 23; Wannagat / Waltermann, § 104 Rn. 11. Vgl. oben unter C.II.1. mit Fn. 229 f.

II. Die von §§ 104, 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII betroffenen Geschädigten

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Der Anwendungsbereich der Regelung ist zunächst in der Geltung zu Lasten der in § 106 Abs. 1 und 4 SGB VII genannten Versicherten zu suchen. Bei diesen Tatbeständen des § 106 SGB VII handelt es sich um abgeschlossene Regelungen, die hinsichtlich der Rechtsfolge auf die §§ 104, 105 SGB VII verweisen. Es muß überraschen, daß dort eine Haftungsfreistellung des Unternehmers gegenüber den in § 106 Abs. 1 und 4 SGB VII genannten Versicherten nicht vorgesehen ist; über diese Fallgestaltung schweigt das Gesetz. Man könnte auf den ersten Blick aus der detaillierten Regelung in § 106 SGB VII schließen, daß diese Lebenstatbestände dort abschließend geregelt sind, so daß Ansprüche, die sich gegen den Unternehmer richten, von der Haftungsbefreiung nicht erfaßt würden. Dies wäre indes ein befremdliches Ergebnis. Die Begründung zum Regierungsentwurf für § 106 Abs. 1 SGB VII läßt denn auch deutlich werden, daß die dort getroffene Regelung – die insbesondere Kinder in Tageseinrichtungen, Schüler und Studierende erfaßt – der Vorgängerregelung in § 637 Abs. 4 RVO entsprechen sollte274. § 637 Abs. 4 RVO sah ausdrücklich auch einen Haftungsausschluß des Unternehmers vor. Dieser war vom Gesetzgeber für erforderlich gehalten worden, da Lernende nicht in dem Unternehmen tätig sind i. S. von § 636 RVO275. Unter Berücksichtigung dieser Regelung ist angesichts der neuen Formulierung der zweiten Alternative in § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII eine Haftungsbefreiung des Unternehmers – bei Schülern also etwa des Schulträgers – anzunehmen276. Der BGH geht davon mit Selbstverständlichkeit aus277. Eine solche Auslegung wird durch die Begründung des Regierungsentwurfs zu § 133 Abs. 1 SGB VII unterstützt. In dieser Vorschrift findet sich eine dem § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII ähnliche Formulierung. Die Begründung des Regierungsentwurfs nennt das Verhältnis von Kindergartenkind zum Kindergarten als Beispiel für die zweite Alternative278. Damit erfaßt § 104 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 SGB VII jedenfalls die Haftungsbefreiung des Unternehmers gegenüber den in § 2 Abs. 1 Nr. 2, 3, 8 SGB VII Versicherten. Von § 104 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 SGB VII wird ferner auch die Haftungsbefreiung des Unternehmers gegenüber den in § 3 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII kraft Satzung der Unfallversicherungsträger Versicherten erfaßt. Diese Personen erlangen den Versicherungsschutz aufgrund ihres Aufenthaltes auf der Unternehmensstätte und stehen somit in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung zu dem Unternehmen. Ziel dieser Versicherung ist gerade die Ablösung der Unternehmerhaftpflicht, so daß der Regelung eine Haftpflichtversicherungsfunktion zukommt279. Dieses Verständnis wird ebenfalls dadurch bestätigt, daß hinsichtlich BT-Drucks. 13 / 2204, S. 100. BT-Drucks. VI / 1333, S. 5. 276 So auch Brackmann / Krasney, § 104 Rn. 13; Kater / Leube, § 104 Rn. 28; Lemcke, r+s 2000, 221, 223; Leube, VersR 2000, 948, 949; LPK / Zilch, § 104 Rn. 14; § 106 Rn. 3. 277 BGH, Urt. v. 12. 10. 2000 – III ZR 39 / 00 –, BGHZ 145, 311, 313. 278 BT-Drucks. 13 / 2204, S. 108. 274 275

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

dieses Tatbestandes ein weitergehender Haftungsausschluß für die Betriebsangehörigen in § 106 Abs. 4 SGB VII geregelt ist280. Ob und wieweit die Formulierung auch andere Sachverhalte erfaßt, bleibt offen und ist umstritten. Es entspricht wohl allgemeiner Auffassung, daß auch nach neuem Recht der Haftungsausschluß zu Lasten von Hilfeleistenden bei Unglücksfällen und Nothilfe nicht eingreift, obwohl diese nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 a SGB VII versichert sind. Entscheidend ist hier, daß solche Handlungen der Allgemeinheit dienen und nicht einzelnen Personen. Es fehlt daher an einem Unternehmer, zu dessen Gunsten die Haftungsprivilegierung eingreifen könnte281. In diesen Fällen kann sich allerdings die Frage erheben, ob der Hilfeleistende nicht auch nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 2 S. 1 SGB VII unter Versicherungsschutz steht, so daß aus diesem Grund der Haftungsausschluß des § 104 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 SGB VII eingreift. Besteht gleichzeitig Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII, beispielsweise wenn ein Beschäftigter hilft, einen Brand in seinem Unternehmen zu löschen, der gleichzeitig auch eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt (Absonderung giftiger Gase), dann hat dieser Versicherungsschutz schon gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 5 SGB VII Vorrang282. Kommt neben der Versicherung nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 a SGB VII indessen der Versicherungsschutz des § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII in Betracht, sieht auch § 135 Abs. 1 bis 5 SGB VII keine eindeutige Konkurrenzregelung vor. Gemäß § 135 Abs. 6 SGB VII ist damit entscheidend, welcher Versicherung die Tätigkeit vorrangig zuzurechnen ist. Die Zurechenbarkeit ist im Einzelfall unter Berücksichtigung der Handlungstendenz des Versicherten festzustellen283. Der BGH hat zur Beurteilung der Frage, ob ein Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 1 Nr. 9 a RVO (Vorgängernorm zu § 2 Abs. 1 Nr. 13 a SGB VII) besteht, für das alte Recht darauf abgestellt, ob etwaige Umstände, die für einen Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 RVO in Betracht zu ziehen sind, insbesondere mit Blick auf die Motive von derart untergeordneter Bedeutung sind, 279 Vgl. Begründung zum Entwurf des Gewerbe-Unfallversicherungsgesetzes vom 17. 11. 1896, RT-Drucks. Nr. 570, Begründung S. 17 f., 9. Legislaturperiode, IV. Session, VI. Band; Ricke, NZS 1998, 420, 421; Schulin / Schlegel, HS-UV § 19 Rn. 24. 280 So auch Kater / Leube, § 104 Rn. 28; § 106 Rn. 21; Ricke, NZS 1998, 420, 421. Ein Teil der Literatur geht indessen davon aus, daß die Haftungsfreistellung des Unternehmers gegenüber den Unternehmensbesuchern aus § 106 Abs. 4 SGB VII folgt, so Imbusch, VersR 2001, 547, 554; Maschmann, SGb 1998, 54, 59; Otto / Schwarze, Rn. 596; Waltermann, NJW 2002, 1225, 1230. 281 Leube, BG 2001, 139, 140; Otto, NZV 1996, 473, 475; vgl. zum alten Recht schon BGH, Urt. v. 27. 11. 1962 – VI ZR 217 / 61 –, BGHZ 38, 270, 280; Urt. v. 20. 3. 1979 – VI ZR 14 / 78 –, VersR 1979, 668 f.; Urt. v. 2. 12. 1980 – VI ZR 265 / 78 –, VersR 1981, 260, 261; Urt. v. 28. 10. 1986 – VI ZR 181 / 85 –, VersR 1987, 384, 385; Urt. v. 15. 5. 1990 – VI ZR 266 / 89 –, VersR 1990, 995, 996; RGRK / Steffen, Vor § 823 Rn. 85; Wussow / Schloen, 14. Aufl., Rn. 2619 f. 282 Bei Unglücksfällen im Betrieb ist der Arbeitnehmer zu solchen Notarbeiten verpflichtet, insoweit ergibt sich die Arbeitspflicht aus der Treuepflicht, vgl. MünchArbR / Blomeyer, § 48 Rn. 35; Schaub, § 45 Rn. 32. 283 Vgl. Kater / Leube, § 135 Rn. 9; Wannagat / Jung, § 135 Rn. 10.

II. Die von §§ 104, 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII betroffenen Geschädigten

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daß sie als rechtlich unerheblich unberücksichtigt zu bleiben haben284. In einer späteren Entscheidung hat er in Anlehnung an die Rechtsprechung des BSG den Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 1 Nr. 9 a RVO als im Verhältnis zu § 539 Abs. 2 RVO subsidiär bezeichnet285. Unklarheit besteht, ob das Haftungsprivileg des § 104 SGB VII zu Lasten von Rehabilitanden, die nach § 2 Abs. 1 Nr. 15 a SGB VII versichert sind, anzuwenden ist286. Die Behandlung dieser Fallgruppe war bereits im Rahmen von § 636 RVO umstritten. Die herrschende Meinung lehnte es ab, §§ 636, 637 RVO zugunsten des Krankenhausträgers oder der im Krankenhaus Beschäftigten anzuwenden, wenn ein solcher Patient etwa aufgrund einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht verunglückte. Begründet wurde diese Auffassung in erster Linie damit, daß den Patienten die Schädigung nicht in einer Tätigkeit trifft, die ähnlich einer arbeitnehmerähnlichen Beschäftigung einen inneren Bezug zu der Betriebs- und Gefahrengemeinschaft des Unternehmens hat, der die Privilegien Rechnung tragen sollen287. Der Haftungsausschluß kann indessen auch im Rahmen des SGB VII nicht zu Lasten von Rehabilitanden eingreifen, weil nach § 136 Abs. 3 Nr. 2 SGB VII Unternehmer der Rehabilitationsträger und nicht das Krankenhaus ist288. Ob der Haftungsausschluß des § 104 SGB VII zu Lasten der nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 c SGB VII versicherten Strafverfolger greift, ist ebenfalls umstritten. Auch in diesen Fällen ist jedoch ein Dienst für die Allgemeinheit anzunehmen, so daß es damit an einem Unternehmer fehlt289. Ebenso streitig ist, ob der Haftungsausschluß des § 104 SGB VII die zivilrechtlichen Ansprüche von Blut- und Organspendern, die nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 b SGB VII versichert sind, gegen die Unternehmer erfaßt. Hier hat sich eine Veränderung vollzogen: Die Zuständigkeit für Blutspender bestimmt sich – anders als zur Zeit der Geltung der RVO290 – nach der 284 BGH, Urt. v. 15. 5. 1990 – VI ZR 266 / 89 –, VersR 1990, 995, 997 mit Hinweisen auf die entsprechende Rechtsprechung des BSG. 285 BGH, Urt. v. 4. 5. 1995 – VI ZR 327 / 93 –, BGHZ 129, 195, 199; so bereits Rolfs, Haftung, S. 106; dahingehend zum neuen Recht auch Otto / Schwarze, Rn. 547. 286 Kater / Leube, § 104 Rn. 28; Leube, BG 2001, 139 gehen wohl von der Anwendbarkeit aus. 287 BGH, Urt. v. 13. 1. 1981 – VI ZR 26 / 80 –, BGHZ 79, 216, 219 ff. ; RGRK / Steffen, Vor § 823 Rn. 87; Rolfs, Haftung, S. 107 f.; Wussow / Schloen, 14. Aufl., Rn. 2623; a.A. OLG Braunschweig, Urt. v. 10. 3. 1978 – 2 U 89 / 77 –, VersR 1978, 622, 623; Sanftleben, VersR 1978, 403, 404. 288 KassKomm / Ricke, 104 SGB VII Rn. 11 a; Otto, NZV 1996, 473, 475; zum alten Recht so auch schon BGH, Urt. v. 13. 1. 1981 – VI ZR 26 / 80 –, BGHZ 79, 216, 222. 289 BGH, Urt. v. 19. 5. 1969 – VII ZR 9 / 67 –, BGHZ 52, 115, 122; Kater / Leube, § 104 Rn. 12; LPK / Zilch, § 104 Rn. 9; a.A. Leube, BG 2001, 139, 140; Bereiter-Hahn / Mehrtens, § 104 Rn. 8 nimmt sogar eine Tätigkeit für das Unternehmen (§ 104 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 SGB VII) an. 290 Zuständiger Unfallversicherungsträger für die Entschädigung der Blutspender war das jeweilige Bundesland oder der von diesem bestimmte gemeindliche Unfallversicherungsträger, vgl. BSG, Urt. v. 22. 11. 1984 – 2 RU 49 / 83 –, BSGE 57, 231 LS.

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

allgemeinen Zuständigkeit (§ 133 Abs. 1 SGB VII), so daß das Unternehmen zuständig ist, bei dem das Blut gespendet wird (z. B. städtischer Blutspendedienst, Arzneimittelfirma)291. Infolgedessen wird in der Literatur ein Haftungsausschluß dieser Unternehmer etwa bei der Verletzung des Blutspenders durch ein infiziertes Blutabnahmegerät bejaht292. Vom Wortlaut ist eine solche Auslegung erfaßt. Sie vernachlässigt jedoch, daß auch Blutspender zugunsten der Allgemeinheit tätig werden293, so daß nach Sinn und Zweck der Haftungsausschluß nicht eingreift294. Ebensowenig kann es überzeugen, den Haftungsausschluß des § 104 SGB VII zu Lasten von nach § 2 Abs. 1 Nr. 11 b versicherten Zeugen anzuwenden295. Die Einbeziehung von Zeugen würde eine Überspannung der Funktion des Haftungsausschlusses mit Blick auf seine Entstehung bedeuten. Schon diese Streitfälle zeigen, daß gravierende Zweifel über den Anwendungsbereich der zweiten Alternative des § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII bleiben. Es erscheint mißlich, daß die Norm, obwohl es um Ansprüche von unter Umständen existentieller Bedeutung geht – man denke nur an den Schmerzensgeldanspruch eines Blutspenders, der durch eine Infektion einen irreparablen Gesundheitsschaden davongetragen hat – keine zuverlässige Anwort auf die Frage gibt, ob ein Anspruch besteht oder nicht. Es wäre zu erwarten gewesen, daß der Gesetzgeber, wenn er schon eine neue Regelung einführt, zumindest an Beispielen ihren Anwendungsbereich klarstellt. Indessen erscheinen die aufgezeigten Mängel durch eine am System der Haftungsbeschränkungen orientierte Gesetzesauslegung als überwindbar.

III. Der Betriebsbegriff im Sinne von § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII Schädiger und Geschädigter müssen nach § 105 Abs. 1 SGB VII im Unfallzeitpunkt in demselben „Betrieb“ tätig gewesen sein. Damit formuliert die Vorschrift den Risikobereich, auf den sich der Haftungsausschluß bezieht, anders als § 104 SGB VII, der auf den Unternehmer, also den Risikobereich des „Unternehmens“, bezogen ist. Der Gesetzgeber bewegte sich mit der Verwendung des Betriebsbegriffs in den Bahnen des bisherigen Rechts: Auch § 637 Abs. 1 RVO sah eine

291 BT-Drucks. 13 / 2204, S. 107; KassKomm / Ricke, § 2 SGB VII Rn. 72; Kater / Leube, § 2 Rn. 322; Lauterbach / Schwerdtfeger, § 2 Rn. 470; Leube, SozVers 1998, 232 f.; LPK / Richter, § 2 Rn. 147; a.A. Wolber, SozVers 1998, 147, 149. 292 Leube, BG 2001, 139, 140; vgl. auch KassKomm / Ricke, § 105 SGB VII Rn. 4. 293 Zum besonderen öffentlichen Interesse an Blutspenden vgl. auch BSG, Urt. v. 22. 11. 1984 – 2 RU 49 / 83 –, BSGE 57, 231, 233 f. 294 So im Ergebnis auch Kater / Leube, § 104 Rn. 12; LPK / Zilch, § 104 Rn. 9. 295 Leube, BG 2001, 139, 140.

III. Der Betriebsbegriff im Sinne von § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII

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Haftungsbefreiung eines Schädigers vor, der einen in demselben „Betrieb“ tätigen Versicherten geschädigt hatte. Wenn es auch an einer allgemein anerkannten Definition des Betriebsbegriffs fehlt296, so hat es sich durchgesetzt, unter einem Betrieb eine organisatorische Einheit zu verstehen, innerhalb derer der Arbeitgeber allein oder in Gemeinschaft mit seinen Mitarbeitern mit Hilfe von sächlichen und immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt297. Versteht man den Betriebsbegriff in diesem Sinn, dann hätte das zur Konsequenz, daß ein Haftungsausschluß zwischen den für verschiedene Betriebe Tätigen nach § 105 SGB VII auch dann nicht in Betracht kommt, wenn die Betriebe demselben Unternehmen angehören.

1. Meinungsstand Schon im alten Recht war es daher zu einem Streit darüber gekommen, ob der Betriebsbegriff in § 637 RVO in diesem arbeitsrechtlichen Sinn zu verstehen ist. Lange Zeit galt es als weitgehend anerkannt, daß die allgemeine Bestimmung des Betriebsbegriffs auch im Unfallversicherungsrecht Anwendung finden sollte298. Man nahm in Kauf, daß der Schädiger den Unternehmer wegen der Schädigung eines Arbeitnehmers aus einem anderen Betrieb desselben Unternehmens auf Freistellung in Anspruch nehmen konnte und insoweit die Haftungsprivilegierung des Unternehmers ausgehöhlt wurde299. Als Begründung wurde vor allem das Argument des Betriebsfriedens herangezogen300. Das BAG hat sich in einem Urteil 296 Auch im neuen BetrVG wird der Betriebsbegriff nicht definiert, sondern als bekannt vorausgesetzt. Eine zunächst vorgesehene Neudefinition ist verworfen worden, vgl. Richardi / Richardi, § 1 Rn. 15; Einl. Rn. 37. 297 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 27. 1. 1998 – 1 BvL 15 / 87 –, BVerfGE 97, 169, 184; BAG, Beschl. v. 14. 9. 1988 – 7 ABR 10 / 87 –, BAGE 59, 319, 324 (für BetrVG und KSchG); Dütz, Rn. 37; Gitter / Michalski, S. 42; Hueck / Nipperdey, § 16 II, S. 93; Schaub, § 18 Rn. 1; vgl. ausführlich Joost, S. 171 ff.; zum Betriebsbegriff aus neuerer Zeit Preis, RdA 2000, 257 ff.; Richardi, FS Wiedemann, S. 493 ff. 298 BGH, Urt. v. 18. 10. 1957 – VI ZR 99 / 56 –, VersR 1957, 818, 819 (zu § 899 RVO); dahingehend auch Urt. v. 14. 7. 1987 – VI ZR 18 / 87 –, LM Nr. 26 zu § 637 RVO = VersR 1988, 167; offen gelassen im Urt. v. 1. 7. 1975 – VI ZR 87 / 74 –, VersR 1975, 1002; OLG Celle, Urt. v. 4. 6. 1969 – 9 U 183 / 68 –, VersR 1969, 1019; OLG Saarbrücken, Urt. v. 27. 6. 1980 – 3 U 55 / 79 –, VersR 1983, 263, 264 (Revision durch Beschl. des BGH v. 9. 3. 1982 – VI ZR 201 / 80 – abgelehnt); siehe auch schon RG, Urt. v. 21. 2. 1907 – VI 306 / 06 –, RGZ 65, 204, 208; Gamillscheg / Hanau, S. 175 f.; Gitter, S. 249; Hanau, JurA 1970, 112, 128; Hueck / Nipperdey, Anhang II, S. 1071 Fn. 12; Ilgenfritz, BB 1963, 403, 405; Lemcke, r+s 1995, 161, 163; RGRK / Steffen, Vor § 823 Rn. 94; Rolfs, Haftung, S. 88 ff.; differenzierend Winkler, S. 202 ff. ; Wussow / Schloen, 14. Aufl., Rn. 2656; a.A. Denck, S. 97; wohl auch Plagemann / Plagemann, Rn. 431. 299 Gamillscheg / Hanau, S. 176; Gitter, S. 249; Rolfs, Haftung, S. 93. 300 BGH, Urt. v. 18. 10. 1957 – VI ZR 99 / 56 –, VersR 1957, 818, 819 (zu § 899 RVO); Rolfs, Haftung, S. 91 ff.; Wussow / Schloen, 14. Aufl., Rn. 2656; vgl. auch RGRK / Steffen, Vor § 823 Rn. 94.

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

vom 24. 9. 1992 gegen diese Auffassung gestellt und die Ansicht vertreten, daß der Begriff des Betriebs im Sinne von § 637 RVO unfallversicherungsrechtlich zu bestimmen sei und mit dem des Unternehmens in § 636 RVO übereinstimme301. Es hat dies zum einen mit einer Auslegung nach dem Wortlaut begründet. § 658 Abs. 2 Nr. 1 RVO definiere das Unternehmen als einen Betrieb, eine Einrichtung oder eine Tätigkeit; daraus folge eine teilweise Gleichsetzung von Unternehmen und Betrieb. Auch die historische Auslegung bestätige dieses Ergebnis. Ziel der Regelung in § 637 RVO sei die gesetzliche Regelung der durch den Beschluß des Großen Senats des BAG vom 25. 9. 1957302 im Wege der Rechtsfortbildung geschaffenen Rechtslage gewesen. Es sollte danach vor allem die Entwertung des Haftungsprivilegs des Unternehmers durch den arbeitsrechtlichen Freistellungsanspruch ausgeschlossen werden. Dieser Normzweck erfordere eine Auslegung des § 637 RVO, die sicherstelle, daß der Unternehmer nicht über den Umweg der Inanspruchnahme des Schädigers zu Leistungen herangezogen werde, von denen ihn § 636 Abs. 1 RVO gerade freistelle. Der Streit hat sich auch im neuen Recht fortgesetzt. Zum Teil wird die Auffassung vertreten, daß gerade die erneute Anknüpfung an den Betriebsbegriff in § 105 SGB VII eine Klarstellung zugunsten des arbeitsrechtlichen Betriebsbegriffs darstelle, weil in einem Vorentwurf zum SGB VII noch beabsichtigt war, die Haftungsbeschränkung zwischen Personen „desselben Unternehmens“ wirksam werden zu lassen303. Ein anderer Teil der Literatur folgt der Auffassung des BAG304. 2. Eigener Standpunkt Der Betriebsbegriff ist im SGB VII nicht definiert. Doch gibt § 121 Abs. 1 SGB VII in ähnlicher Weise wie zuvor § 658 Abs. 2 Nr. 1 RVO Aufschluß darüber, wie die Begriffe Betrieb und Unternehmen im SGB VII zu verstehen sind. Der Unternehmensbegriff wird danach durch die Begriffe Betriebe, Verwaltungen, Einrichtungen und Tätigkeiten konkretisiert. Aus dieser Umschreibung läßt sich schließen, 301 BAG, Urt. v. 24. 9. 1994 – 8 AZR 572 / 91 –, BAGE 71, 228, 231 ff. = AP Nr. 22 zu § 637 RVO mit zustimmender Anm. von Müller; zustimmend auch Saum, SGb 1994, 172 ff.; ablehnend Hanau, FS Steffen, S. 177, 187; Rolfs, Haftung, S. 89 ff., die auch der Auffassung sind, daß das BAG den Gemeinsamen Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes hätte anrufen müssen. 302 BAG GS, Beschl. v. 25. 9. 1957 – GS 4 / 56 (GS 5 / 56) –, BAGE 5, 1 ff. = AP Nr. 4 zu §§ 898, 899 RVO; dazu im einzelnen oben B.V.2. 303 Kater / Leube, § 105 Rn. 4; MünchArbR / Blomeyer, § 61 Rn. 16; Rolfs, DB 2001, 2294, 2298; im Ergebnis so auch Maschmann, SGb 1998, 54, 59; Schmitt, § 105 Rn. 7; Wannagat / Waltermann, § 105 Rn. 8; vermittelnd Brackmann / Krasney, § 105 Rn. 11; zum Vorentwurf vgl. Wussow / Schloen, 14. Aufl., Rn. 2678. 304 Bereiter-Hahn / Mehrtens, § 105 Rn. 3.3; Hanau / Adomeit, Rn. 696 m. Fn. 33; KassKomm / Ricke, § 105 SGB VII Rn. 5; Kock, S. 115; Otto / Schwarze, Rn. 572 ff.; Preis, RdA 2000, 257, 274; Richardi, FS Wiedemann, S. 493, 515; dahingehend auch Hauck / Noftz / Nehls, § 105 Rn. 12.

III. Der Betriebsbegriff im Sinne von § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII

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daß es eine strikte Unterscheidung der Begriffe Betrieb und Unternehmen im SGB VII nicht gibt305. Aufschlußreich für die Interpretation des Betriebsbegriffs in § 105 SGB VII ist der Bedeutungszusammenhang der §§ 104 ff. SGB VII. Während § 105 SGB VII einen Haftungsausschluß von betrieblich tätigen Personen gegenüber Versicherten desselben Betriebes regelt, sieht § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII einen Haftungsausschluß für die Tätigen verschiedener Unternehmen auf einer gemeinsamen Betriebsstätte vor. Würde man den Betriebsbegriff in seiner arbeitsrechtlichen Bedeutung verstehen, dann entstünde für den Fall einer Zusammenarbeit zweier Betriebe desselben Unternehmens in der Systematik der §§ 104 ff. SGB VII eine sachlich nicht erklärbare Schutzlücke306. Dies spricht dafür, daß der Gesetzgeber die Begriffe Unternehmen und Betrieb in den Vorschriften synonym verwendet hat, so daß die Regelungsbereiche der §§ 105, 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII nahtlos aneinander anknüpfen können: Während § 105 SGB VII einen unternehmensinternen Haftungsausschluß regelt, trifft § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII eine Regelung für einen unternehmensübergreifenden Haftungsausschluß. Es kommt eine weitere systematische Erwägung hinzu: § 105 SGB VII knüpft auf der Geschädigtenseite an einen „Versicherten desselben Betriebs“ an. Die Anknüpfung an einen Versicherungsschutz im Betrieb – im arbeitsrechtlichen Sinne verstanden – ist dem Unfallversicherungsrecht jedoch fremd; der Unfallversicherungsschutz eines Beschäftigten knüpft an die Tätigkeit im Unternehmen an, für das ein Unfallversicherungsträger zuständig ist (vgl. §§ 121, 130 ff., insbes. § 133 Abs. 1 SGB VII)307. Im Rahmen der historischen Auslegung des Betriebsbegriffs deutet die in einem Vorentwurf zum SGB VII vorgesehene Regelung einer Haftungsbeschränkung zwischen Personen desselben Unternehmens in der Tat darauf hin, daß der Gesetzgeber die Problematik erkannt hat und mit der erneuten Verwendung des Betriebsbegriffs bewußt eine enge Lösung gewählt hat. Bezieht man indessen die Regelung des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII in die Betrachtungen mit ein, ergibt sich bereits ein anderes Bild. Daß der Gesetzgeber zwar einen Haftungsausschluß innerhalb eines Betriebes im arbeitsrechtlichen Sinn in § 105 SGB VII und unternehmensübergreifend in § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII regeln wollte, bewußt aber den Haftungsausschluß zwischen betrieblich tätigen Personen verschiedener Betriebe desselben Unternehmens ungeregelt gelassen hat, ist nicht anzunehmen. Ein Blick in die amtliche Begründung des Regierungsentwurfs zum UVEG kann dies bestätigen. Dort heißt es zur Erläuterung des § 105 Abs. 1 SGB VII: „Entsprechend der in § 104 Abs. 1 für Unternehmer getroffenen Regelung wird die Haftung der im Unternehmen tätigen Personen beschränkt“, obwohl andererseits die in der Begründung verwendete und in das Gesetz übernommene Überschrift des § 105 SGB Vgl. Brackmann / Krasney, § 121 Rn. 7; Brackmann, Voraufl., S. 503 b ff. Dazu auch KassKomm / Ricke, § 105 Rn. 5; Kock, S. 115; Lemcke, r+s 2000, 461 will in diesem Fall § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII anwenden. 307 Vgl. Hauck / Noftz / Graeff, § 121 Rn. 3; KassKomm / Ricke, § 121 SGB VII Rn. 7. 305 306

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

VII „Beschränkung der Haftung anderer im Betrieb tätiger Personen“ lautet. Diese wechselnde Verwendung zweier unterschiedlicher Begriffe läßt sich nur dadurch erklären, daß der Gesetzgeber sie als Synonyme verwandt hat, ohne damit eine inhaltliche Aussage zu verbinden. Allerdings ist diese Unklarheit irritierend. Es hätte erwartet werden können, daß ein klarstellender Hinweis erfolgt, da die Frage durch die erst wenige Jahre zurückliegende Entscheidung des BAG erneut in die Diskussion geraten war. Auch die teleologische Interpretation spricht dafür, den Betriebsbegriff in § 105 SGB VII als Synonym für den Unternehmensbegriff zu sehen. Während zur Zeit der Geltung der RVO dem Argument des Betriebsfriedens zur Rechtfertigung eines Haftungsausschlusses noch eine beachtliche Bedeutung zuerkannt wurde308, hat sich der Gesetzgeber des UVEG von diesem Rechtfertigungsgrund gelöst, zumindest hat er ihn in den Hintergrund treten lassen309. Mit dem Gedanken des Betriebsfriedens kann daher eine Begrenzung des Haftungsausschlusses des § 105 SGB VII auf den Betrieb im arbeitsrechtlichen Sinne nicht mehr begründet werden310. Zur Rechtfertigung des Haftungsausschlusses in den Vordergrund gerückt ist demgegenüber der Gedanke des Schutzes betrieblich Tätiger vor den Haftungsrisiken des Arbeitslebens. Ihm kommt eine über den Betrieb hinausgehende Bedeutung zu. Auch die Gültigkeit des Arguments der Gefahrengemeinschaft ist nicht auf den Betrieb begrenzt, vielmehr erstreckt es sich betriebsübergreifend auf diejenigen, die gemeinsam Tätigkeiten verrichten311. Erhebliche Bedeutung für das hier in Frage stehende Verständnis des Betriebsbegriffs erlangt ferner das Finanzierungsargument. Zwar ist seine Überzeugungskraft im Rahmen des UVEG insgesamt erheblich gesunken, weil die Privilegierungstatbestände heute weit über die Absicherung des Haftungsprivilegs der Unternehmer hinausreichen. Dies bedeutet indessen nur, daß weitere Rechtfertigungsgründe hinzutreten müssen, um die Erweiterung der Haftungsfreistellungen zu rechtfertigen, nicht aber, daß dem Finanzierungsargument in seinem Anwendungsbereich keine Bedeutung mehr zukommt. Dieses Argument hat vielmehr – wie das BAG zutreffend festgestellt hat312 – auch im Fall der Schädigung eines Versicherten eines Betriebes durch einen betrieblich Tätigen eines anderen Betriebes – weiterhin Bedeutung, wenn sie demselben Unternehmen angehören. Das Unternehmerprivileg muß auch in diesem Fall vor einer Aushöhlung durch einen arbeitsrechtlichen Freistellungsanspruch des Schädigers bewahrt werden313. 308 Mit Rücksicht darauf ist es in der Tat zweifelhaft, ob die Entscheidung des BAG für das alte Recht überzeugen konnte. 309 Siehe dazu oben C.I.1.b)aa). 310 So auch Otto / Schwarze, Rn. 573. 311 Dazu bereits oben C.I.1.b)dd). 312 BAG, Urt. v. 24. 9. 1994 – 8 AZR 572 / 91 –, BAGE 71, 228, 234 = AP Nr. 22 zu § 637 RVO. 313 So auch Preis, RdA 2000, 257, 274; Richardi, FS Wiedemann, S. 493, 515. Hat ein Unternehmer hingegen mehrere Unternehmen, kann ein Haftungsausschluß zwischen den

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Zusammenfassend bleibt damit festzustellen, daß die Fassung des Gesetzes zwar die gebotene Klarheit vermissen läßt, die Auslegung jedoch ergibt, daß der Betriebsbegriff in § 105 SGB VII als Synonym zu dem in §§ 104, 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII verwendeten Begriff des Unternehmens zu verstehen ist.

IV. Unfälle unter Beteiligung von Beamten 1. Das Ziel des § 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII In seiner historischen Entwicklung beruht der Haftungsausschluß nach §§ 104 ff. SGB VII auf dem Gedanken der Ersetzung der Individualhaftung des Schädigers durch die Kollektivhaftung der gesetzlichen Unfallversicherung314. Prägend ist daher, daß an die Stelle der abgelösten zivilrechtlichen Ansprüche solche auf Leistungen aus der Unfallversicherung treten. Durch dieses System ist es also bedingt, daß der Haftungsausschluß im Grundsatz nur zu Lasten von versicherten Personen gilt. Mit dieser Tradition bricht § 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII315, der neuerdings den in § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII vorgesehenen Haftungsausschluß auf den Fall der Schädigung einer nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 versicherungsfreien Person erstreckt, die für denselben Betrieb tätig ist316. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII sind Personen versicherungsfrei, für die die beamtenrechtlichen Unfallfürsorgevorschriften (§§ 30 ff. dort Tätigen nur unter den Voraussetzungen des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII angenommen werden. Insoweit kann es also weiterhin zu einer Aushöhlung des Unternehmerprivilegs kommen. 314 BGH, Urt. v. 14. 1. 1986 – VI ZR 10 / 85 –, NJW 1986, 1937, 1938; vgl oben B.III. 315 Vgl. Waltermann, SGb 1999, 532, 534. 316 Durch die Regelung des § 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII wird nicht der Fall erfaßt, daß eine versicherungsfreie Person in einem anderen Betrieb tätig wird und über diesen Betrieb versichert ist. Die Versicherungsfreiheit besteht nur für das Beamtenverhältnis und läßt ein daneben möglicherweise bestehendes Versicherungsverhältnis etwa nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII unberührt. Das BSG hat einen solchen Fall der Schädigung eines Beamten durch den Arbeitnehmer eines anderen Betriebes, in dem der Beamte kurzfristig mitgeholfen hatte, noch zur RVO entschieden. Es nahm an, daß das Haftungsprivileg eines Unternehmers durch die Anerkennung eines Unfalls als Dienstunfall und die damit feststehende Versicherungsfreiheit nicht beseitigt wird, wenn der verletzte Beamte infolge der Dienstverrichtung zugleich einen Arbeitsunfall in einem anderen Betrieb erlitten hat, vgl. BSG, Urt. v. 16. 5. 1984 – 9b RU 68 / 82 –, BSGE 56, 279, 281 f.; kritisch Benz, SGb 1993, 635, 636; Brackmann / Wiester, § 2 Rn. 820 f. Das BSG hat in einer späteren Entscheidung betont, daß die genannte Entscheidung sich auf den Fall eines mehrseitigen Arbeitsverhältnisses beschränkt, so daß sie nicht auf einen nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 (i.V.m. § 47 Zivildienstgesetz) versicherungsfreien Zivildienstleistenden übertragen werden kann, der allein im Rahmen seines Zivildienstverhältnisses tätig wird und dabei verunglückt, vgl. BSG, Urt. v. 20. 4. 1993 – 2 RU 35 / 92 –, SGb 1993, 633. Diese Fallgestaltung hat sich durch § 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII auch für den Haftungsausschluß von betrieblich tätigen Personen nicht verändert. Sie unterfällt ausschließlich § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII. 6*

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BeamtVG) gelten, insbesondere also Beamte und Berufsrichter (§ 1 Abs. 1, 2 BeamtVG)317. Die Versicherungsfreiheit liegt darin begründet, daß diese Personen einem anderen Versorgungssystem angehören, das ihnen ausreichende Sicherung bietet318. Für den Gesetzgeber war das Ziel der Regelung des § 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII die haftungsrechtliche Gleichstellung dieser versicherungsfreien Personen mit den in dem Betrieb Versicherten319. Sie läßt daher den mit dem UVEG eingetretenen Konzeptionswandel deutlich werden. Durch die Einbeziehung versicherungsfreier Personen löst sich die Konzeption der unfallversicherungsrechtlichen Haftungsfreistellung vom Finanzierungsgedanken. Im Vordergrund steht vielmehr auch für diese Regelung der Gedanke, betrieblich tätige Personen weitgehend vor den haftungsrechtlichen Risiken des Arbeitslebens zu bewahren. Sie beruht dabei auf der Erwägung, daß Personen, die dem beamtenrechtlichen Unfallfürsorgesystem angehören, in ähnlicher Weise wie die Unfallversicherten angesichts ihrer umfassenden Absicherung nicht auf die zivilrechtlichen Ansprüche angewiesen sind. Zwar ist das beamtenrechtliche Versorgungssystem von dem der Sozialversicherung verschieden und mit ihm auch nicht ohne weiteres vergleichbar320. Der Beamte erhält bei einem Dienstunfall indes in ähnlicher Weise wie der Unfallversicherte Versorgungsansprüche unabhängig vom Verschulden der Beteiligten. Die Versorgungsansprüche sind im Gesetz so umschrieben, daß ihre Höhe im Einzelfall infolge der Pauschalierung leicht und sofort errechenbar ist. Aufgrund dieser klaren Rechtslage kommt der Geschädigte ohne Verzögerung in den Genuß der Leistungen321. Die Regelung soll der Tatsache Rechnung tragen, daß Beamte und Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst und insbesondere auch in den privatisierten Unternehmen von Post und Bahn häufig Hand in Hand arbeiten322. Die innere Rechtfertigung des neuen Privilegierungstatbestandes läßt sich damit auch auf den Gedanken der Gefahrengemeinschaft stützen. Dies insbesondere deshalb, weil auch die nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherungsfreien Personen ihrerseits im Falle einer betrieblichen Tätigkeit von der Haftung gemäß § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII freigestellt werden323. Es besteht daher insoweit eine Parallelität der Anforderungen auf Schädiger- und Geschädigtenseite. 317 Zur sprachlichen Vereinfachung wird die hier in Rede stehende Personengruppe im Folgenden als „Beamte“ bezeichnet. 318 BT-Drucks. IV / 938, S. 5; Brackmann / Krasney, § 4 Rn. 15. 319 Vgl. BT-Drucks. 13 / 2204, S. 100. 320 BVerfG, Beschl. v. 11. 4. 1967 – 2 BvL 3 / 62 –, BVerfGE 21, 329, 352; Urt. v. 12. 3. 1975 – 1 BvL 15, 19 / 71 und 32 / 73; 1 BvR 297, 315 / 71, 407 / 72 und 37 / 73 –, BVerfGE 39, 169, 185; Beschl. v. 18. 6. 1975 – 1 BvL 4 / 74 –, BVerfGE 40, 121, 139; GKÖD / Wilhelm, § 46 BeamtVG Rn. 4. 321 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 8. 1. 1992 – 2 BvL 9 / 88 –, BVerfGE 85, 176, 188; GKÖD / Wilhelm, § 46 BeamtVG Rn. 3. 322 Rolfs, NJW 1996, 3177, 3180; Waltermann, SGb 1999, 532, 534. 323 Vgl. dazu oben C.I.2.b)bb).

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Aber auch die Regelung des § 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII führt zu Problemen. Hier zeigen sich Brüche zwischen den beiden aufeinandertreffenden Versorgungssystemen. Dabei muß vorliegend außer Betracht bleiben, daß die Haftungslage unter Angehörigen des öffentlichen Dienstes bei Dienst- und Arbeitsunfällen schon für sich genommen verwirrend324 ist. Von Interesse sind hier nur die durch die Haftungsfreistellung in § 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII aufgeworfenen Fragen.

2. Der Regreß des Dienstherrn in analoger Anwendung des § 110 SGB VII Schwierigkeiten ergeben sich in den Fällen, in denen ein Arbeitnehmer einen Beamten desselben Dienstherrn325 schädigt und der Dienstherr, der wegen dieser Schädigung Versorgungsleistungen erbracht hat, vor der Frage steht, ob er den Schädiger in Regreß nehmen kann. Hat der Arbeitnehmer vorsätzlich gehandelt, dann bleiben die Schadensersatzansprüche des geschädigten Beamten nach § 105 Abs. 1 S. 1 und 2 SGB VII erhalten. Sie gehen allerdings nach § 87 a BBG (oder den entsprechenden landesrechtlichen Regelungen) insoweit auf den Dienstherrn über, als dieser zur Gewährung von Unfallfürsorgeleistungen verpflichtet ist. Diesem Anspruchsübergang steht die Regelung des § 104 Abs. 3 SGB VII (i.V.m. § 105 Abs. 1 S. 3 SGB VII) nicht entgegen. Nach § 104 Abs. 3 SGB VII vermindern sich die nach den §§ 104 ff. SGB VII verbleibenden Ersatzansprüche um die aufgrund des Versicherungsfalls erbrachten Leistungen. Die Anwendung des § 104 Abs. 3 SGB VII setzt folglich einen Versicherungsfall voraus und erfaßt damit nicht den Fall der beamtenrechtlichen Unfallfürsorgeleistungen326. Dem Dienstherrn steht damit nach § 87 a BBG der Weg zum Regreß offen. Anders verhält es sich dann, wenn der Arbeitnehmer den Beamten grob fahrlässig geschädigt hat. In diesem Fall ist der Schadensersatzanspruch des geschädigten Beamten gegen den Schädiger nach § 105 Abs. 1 S. 1, 2 SGB VII ausgeschlossen, so daß ein Anspruchsübergang auf den Dienstherrn nicht stattfindet. Zwar ist in den Fällen der grob fahrlässigen Schädigung eines Versicherten gemäß § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII der Schadensersatzanspruch gleichfalls ausgeschlossen. In diesen Fällen steht dem Sozialversicherungsträger jedoch nach § 110 Abs. 1 S. 1 SGB VII ein eigenständiger Anspruch auf Erstattung seiner unfallbedingten Aufwendungen zu. Eine entsprechende Regelung sieht das Gesetz für den Fall von Versorgungsleistungen des Dienstherrn nicht vor. Unter Berücksichtigung der geVgl. Gamillscheg / Hanau, S. 186. Zum Verständnis des Betriebsbegriffs im Sinne des § 105 Abs. 1 SGB VII im einzelnen oben C.III.2. 326 A.A. Leube, ZTR 1999, 302, 306, der von einer Anwendbarkeit des § 104 Abs. 3 SGB VII ausgeht. 324 325

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setzgeberischen Zielsetzung – die haftungsrechtliche Gleichstellung der nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherungsfreien Personen mit den in dem Betrieb Versicherten – besteht insoweit eine Regelungslücke. Diesem Normbefund läßt sich nicht entgegenhalten, daß der Regreß in Fällen grober Fahrlässigkeit aus rechtspolitischer Sicht insbesondere im Hinblick auf die Haftpflichtversicherungsfunktion problematisch ist327. Er besteht von jeher328 und der Gesetzgeber des UVEG hat an ihm festgehalten. Es ließe sich daran denken, diese Lücke durch Anwendung des § 280 BGB zu füllen329. Die Unfallfürsorgeleistungen wären dabei als Schaden des Dienstherrn anzusehen. Dies würde zur Folge haben, daß die Haftungsbeschränkungen aus dem Arbeitsverhältnis zum Tragen kämen330. Eine solche Lösung erscheint zwar grundsätzlich vertretbar. Sie erweist sich jedoch mit Blick auf die oben geschilderte Zweckbestimmung des § 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII als bedenklich. Angesichts der vergleichbaren Interessenlagen ist die bestehende Lücke vielmehr durch eine analoge Anwendung des § 110 SGB VII in den Fällen zu schließen, in denen ein Arbeitnehmer einen Beamten grob fahrlässig geschädigt hat und der Dienstherr Unfallfürsorgeleistungen erbringen muß331.

3. Die Anwendung des Ausnahmetatbestandes bei Wegeunfällen Gänzlich offen ist gleichfalls die Frage, welche Anspruchssituation in den Fällen besteht, in denen ein Arbeitnehmer einen Beamten auf dem Weg zur Dienststelle oder zurück fahrlässig oder grob fahrlässig schädigt. Nach § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII i.V.m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII bleiben in einem solchen Fall einem Geschädigten die Schadensersatzansprüche gegen den Schädiger erhalten. Die Re327 So Fuchs, FS Gitter, S. 253, 256 f.; Gitter, S. 252 f.; Marschall von Bieberstein, VersR 1968, 509, 515. 328 Siehe dazu oben B.III. („Berufsfahrlässigkeit“). 329 Vgl. dahingehend Leube, ZTR 1999, 302, 305. 330 Die Haftungsbeschränkung der Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst richtet sich in erster Linie nach den dort geltenden Tarifverträgen, da sie kraft einzelvertraglicher Bezugnahme in der Regel auch für nichtorganisierte Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes Anwendung finden, vgl. Otto / Schwarze, Rn. 373; siehe auch Hofmann, ZTR 1995, 99, 100 („einheitliches öffentliches Dienstrecht“). Diese Tarifverträge verweisen für die Haftung von Angestellten und Arbeitern des öffentlichen Dienstes auf die beamtenrechtlichen Haftungsregeln (für Angestellte: § 14 BAT, für Arbeiter des Bundes § 11 a MTB II, etc.; das BAG, Urt. v. 6. 6. 1984 – 7 AZR 292 / 81 –, AP Nr. 1 zu § 11 a TV Ang Bundespost hält diese Verweisung auch für rechtswirksam). Beamte haften ihrem Dienstherrn nach § 46 Abs. 1 S. 1 BRRG und § 78 Abs. 1 S. 1 BBG und den Beamtengesetzen der Länder (z. B. § 84 Abs. 1 LBG NW) nur für vorsätzliche oder grob fahrlässige Pflichtverletzungen. Neben diesen speziellen Regelungen können auch die allgemeinen Grundsätze der Haftungsbeschränkung im Arbeitsverhältnis Anwendung finden, vgl. BAG, Urt. v. 25. 9. 1997 – 8 AZR 288 / 96 –, NZA 1998, 310, 311; Otto / Schwarze, Rn. 375; a.A. Hofmann, ZTR 1995, 99. Bedeutung erlangt diese Frage bei einer etwaigen Haftungsminderung in Fällen grober Fahrlässigkeit. 331 Zu den Voraussetzungen einer Analogie vgl. BGH, Urt. v. 13. 7. 1988 – IV a ZR 55 / 87 –, BGHZ 105, 140, 143; Larenz, S. 381.

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gelung des § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII findet auf den Fall der Schädigung eines Beamten keine Anwendung, weil es sich für diesen Geschädigten nicht um einen „versicherten Weg“ handelt. Allerdings sieht § 31 Abs. 2 BeamtVG in einer Regelung, die weite Parallelen zu § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII aufweist, vor, daß das Zurücklegen des mit dem Dienst zusammenhängenden Weges als Dienst gilt. Es liegt nahe, die Regelung in § 31 Abs. 2 BeamtVG analog anzuwenden, mit der Folge, daß bei Unfällen auf einem von dieser Regelung erfaßten Weg die Schadensersatzanspüche des geschädigten Beamten erhalten bleiben. Konsequenter ist jedoch auch hier angesichts der gesetzgeberischen Zielsetzung von § 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII die analoge Anwendung des § 105 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII. Diese Lösung erscheint durch das von § 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII angeordnete Gebot der entsprechenden Anwendung des § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII gedeckt.

4. Der Normenkonflikt zwischen § 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII und § 46 Abs. 2 BeamtVG a) Arbeitnehmer verletzt Beamten Bei den bisherigen Überlegungen ist unberücksichtigt geblieben, daß der Gesetzgeber die aus der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge folgenden Konsequenzen für die Rechtsposition des Beamten bereits im Rahmen des Beamtenrechts durch die Regelung in § 46 BeamtVG332 gezogen hat. Dessen Abs. 2 sieht vor, daß ein Beamter über die Unfallfürsorge (§§ 30 ff. BeamtVG) hinausgehende Ansprüche gegen einen öffentlich-rechtlichen Dienstherrn oder gegen die in seinem Dienste stehenden Personen nur dann geltend machen kann, wenn der Dienstunfall durch eine vorsätzliche unerlaubte Handlung einer solchen Person oder bei Teilnahme am allgemeinen Verkehr (§ 1 ErwZulG) verursacht worden ist. Eine im Dienst eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn stehende Person im Sinne dieser Norm ist auch ein Arbeitnehmer aus dem öffentlichen Dienst333. Auf den ersten Blick entspricht die Regelung des § 46 Abs. 2 BeamtVG im wesentlichen der der §§ 104 ff. SGB VII für den Fall, daß ein Arbeitnehmer einen Beamten desselben Dienstherrn verletzt. Doch besteht ein erheblicher Unterschied: Während die §§ 104 ff. SGB VII die Haftung vollständig ausschließen, wird § 46 Abs. 2 BeamtVG von der Rechtsprechung334 und herrschenden Meinung im 332 Die Regelung gilt auch für Landesbeamte, vgl. § 1 Abs. 1 BeamtVG und z. B. § 96 LBG NW. 333 GKÖD / Wilhelm, § 46 BeamtVG Rn. 28; Leube, ZTR 1999, 302, 304; Rolfs, Haftung, S. 200. 334 BGH, Urt. v. 24. 4. 1952 – III ZR 78, 79 / 51 –, BGHZ 6, 3, 11 f., 16; Urt. v. 17. 11. 1988 – III ZR 202 / 87 –, BGHZ 106, 13, 15 f. (auch für § 91 a SVG und den Rückgriff nach § 1542 RVO a.F.); Urt. v. 17. 6. 1997 – VI ZR 288 / 96 –, BGHZ 136, 78, 80 f. (auch für den Rück-

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

Schrifttum335 seinem Wortlaut entsprechend dahingehend ausgelegt, daß durch ihn nur die Geltendmachung der Ansprüche durch den Beamten selbst ausgeschlossen ist. Dies hat zur Folge, daß die Ansprüche dem Grunde nach weiter bestehen und daher auch auf den Dienstherrn nach § 87 a BBG insoweit übergehen können, als dieser zur Gewährung von Leistungen verpflichtet ist. Nach der beamtenrechtlichen Konzeption zeigt sich folgendes Bild: Hat der Arbeitnehmer nicht hoheitlich gehandelt, dann kann der geschädigte Beamte gegen ihn bestehende Schadensersatzansprüche nach § 46 Abs. 2 BeamtVG nicht geltend machen; sie gehen auf seinen Dienstherren nach § 87 a BBG über. Der Dienstherr ist bei seinem Rückgriff nach Maßgabe der für das Arbeitsverhältnis geltenden Haftungsgrundsätze beschränkt336. Die Anwendung des § 87 a BBG scheidet jedoch aus, wenn der Arbeitnehmer in Ausübung eines öffentlichen Amtes die ihm dem Beamten gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt hat. Ein solcher Fall liegt etwa dann vor, wenn ein Polizeiangestellter seine Dienstwaffe unter Verstoß gegen die hierfür ergangenen Dienstanweisungen reinigt und sich dabei ein Schuß löst, der einen Polizeibeamten verletzt337. Art. 34 S. 1 GG leitet in diesen Fällen die Haftung auf den Staat, d. h. auf die staatliche Einrichtung, in deren Dienst der Amtswalter steht338, über339, so daß für einen Anspruchsübergang nach § 87 a BBG kein Raum ist340. Der Rückgriff des Dienstherrn (vgl. Art. 34 S. 2 GG) kann sich demnach nur aus der Pflichtverletzung des Arbeitsvertrages (§ 280 Abs. 1 griff nach § 116 SGB X gegen den Dienstherrn); Urt. v. 9. 7. 1962 – III ZR 22 / 61 –, LM Nr. 1 zu § 115 BBG = VersR 1962, 983, 984; Urt. v. 12. 3. 1974 – VI ZR 2 / 73 –, VersR 1974, 784, 785; Urt. v. 29. 3. 1977 – VI ZR 52 / 76 –, VersR 1977, 649, 650 (auch zu § 91 a SVG); Urt. v. 15. 3. 1988 – VI ZR 163 / 87 –, VersR 1988, 614, 615 (auch für den Rückgriff nach § 1542 RVO a.F.). 335 GKÖD / Wilhelm, § 46 BeamtVG Rn. 5, 43; Pagendarm, ZBR 1959, 345, 351; RGRK / Steffen, Vor § 823 Rn. 110; Waltermann, SGb 1999, 532, 534 (für den Rückgriff nach § 116 SGB X); Wussow / Schneider, Kap. 82 Rn. 8; kritisch Rolfs, Haftung, S. 195; Wussow / Schloen, 14. Aufl., Rn. 2705. 336 Vgl. zur Geltung der beamtenrechtlichen Haftungsbeschränkung für den öffentlichen Dienst oben Fn. 330; die von Gamillscheg / Hanau, S. 180 f. befürwortete analoge Anwendung der §§ 637, 640 RVO a.F. ist nicht mehr notwendig, da die Haftungsbeschränkungen des Beamtenrechts heute unabhängig davon gelten, ob der Schaden in Ausübung einer hoheitlichen oder privatrechtlichen Tätigkeit verursacht wurde. 337 Vgl. BGH, Urt. v. 11. 7. 1963 – III ZR 58 / 62 –, VersR 1963, 1177. 338 BGH, Urt. v. 15. 1. 1987 – III ZR 17 / 85 –, BGHZ 99, 326, 330; Urt. v. 21. 10. 1999 – III ZR 130 / 98 –, BGHZ 143, 18, 26; Jarass / Pieroth, Art. 34 Rn. 23; MünchKomm / Papier, § 839 Rn. 354. 339 Art. 34 GG wird im Sinne einer gesetzlichen Schuldübernahme interpretiert, BGH, Urt. v. 6. 7. 1989 – III ZR 79 / 88 –, BGHZ 108, 230, 232; Urt. v. 15. 2. 2001 – III ZR 120 / 00 –, BGHZ 146, 385, 388; vgl. auch BVerfG, Urt. v. 19. 10. 1982 – 2 BvF 1 / 81 –, BVerfGE 61, 149, 198. Dabei greift Art. 34 GG auch zugunsten von privatrechtlich beschäftigten Personen (Arbeiter, Angestellte), vgl. nur Jarass / Pieroth, Art. 34 Rn. 6. 340 Vgl. BGH, Urt. v. 17. 11. 1988 – III ZR 202 / 87 –, BGHZ 106, 13, 18 f.; Urt. v. 11. 7. 1963 – III ZR 58 / 62 –, VersR 1963, 1177, 1178 f.; Gamillscheg / Hanau, S. 184; Otto / Schwarze, Rn. 613 (für die Haftung des Beamten); Rolfs, Haftung, S. 202.

IV. Unfälle unter Beteiligung von Beamten

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BGB) ergeben; wiederum müssen dabei die im Innenverhältnis geltenden Haftungsbeschränkungen Berücksichtigung finden341. Der Arbeitnehmer ist also durch die Regreßbeschränkungen im Innenverhältnis auch im Rahmen dieses Regelungskomplexes vor einem übermäßigen Haftungsrisiko geschützt342. Stellt man diese Konzeption der bereits geschilderten unfallversicherungsrechtlichen Konzeption gegenüber, so zeigt sich, daß sich die Regelungen von ihren Ergebnissen her betrachtet in groben Zügen entsprechen. Es ergeben sich indes hinsichtlich der Ausnahmetatbestände der Haftungsfreistellungen Divergenzen in den Rechtsfolgen. Sie liegen vor allem darin, daß nach der beamtenrechtlichen Konzeption wegen der Fortgeltung des ErwZulG gemäß § 46 Abs. 2 S. 2 BeamtVG in den Fällen der Teilnahme am allgemeinen Verkehr die Haftung bestehen bleibt, während nach der sozialversicherungsrechtlichen Konzeption die Haftung des Schädigers nur unter den in § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII genannten Voraussetzungen fortbesteht. Beide Ausnahmetatbestände stimmen in weiten Bereichen überein, jedoch ist der Ausnahmetatbestand der Teilnahme am allgemeinen Verkehr weiter gefaßt mit der Folge, daß insoweit der Schädiger einer weitergehenden Haftung ausgesetzt ist343. Auch der Bezugspunkt des Vorsatzes ist in beiden Gesetzen ein anderer. Während im Bereich des § 46 Abs. 2 BeamtVG die Haftungsbeschränkung schon dann verloren geht, wenn vorsätzlich eine unerlaubte Handlung begangen wurde344, setzt der Ausnahmetatbestand des § 105 SGB VII voraus, daß der Unfall vorsätzlich herbeigeführt wurde345. Damit ist zu klären, welche der miteinander konkurrierenden Regelungen Anwendung finden. Im Grundsatz ist eine Normenkonkurrenz nach der Regel zu lösen, daß die ältere Rechtsnorm der jüngeren weicht („lex posterior derogat legi priori“), weil anzunehmen ist, daß der Gesetzgeber mit dem Erlaß der Norm eine entgegenstehende ältere Regel hat aufheben wollen346. Der Gesetzgeber muß dabei nicht einmal zum Ausdruck gebracht haben, daß er die ältere Norm aufheben will. Es genügt, daß die neue Norm gelten soll, ohne daß der Widerspruch zu der älteren dem Gesetzgeber bewußt gewesen sein muß347. Dies spricht also dafür, daß die neue Regelung in § 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII in ihrem Anwendungsbereich § 46 Abs. 2 BeamtVG ausschließt, obwohl Anhaltspunkte dafür fehlen, daß der Gesetzgeber sich bewußt Gamillscheg / Hanau, S. 184. Abweichend Dahm, ZfS 2000, 38, 40; Maschmann, SGb 1998, 54, 59; Rolfs, NJW 1996, 3177, 3180, die die Regreßbeschränkungen nicht berücksichtigen und deshalb die Regelung als unbefriedigend bezeichnen. 343 Zu diesen Unterschieden im einzelnen vgl. C.X.2. 344 Vgl. BGH, Urt. v. 20. 3. 1961 – III ZR 9 / 60 –, BGHZ 34, 375, 381; Urt. v. 8. 2. 1994 – VI ZR 68 / 93 –, VersR 1994, 695, 696 f.; GKÖD / Wilhelm, § 46 BeamtVG Rn. 30; Sieg, SGb 1994, 613, 614. 345 Vgl. im einzelnen C.X.1. 346 Engisch, S. 210; Larenz, S. 266 f.; Zippelius, S. 40; für den konkreten Fall so auch Leube, ZTR 1999, 302, 304. 347 Bydlinski, S. 572. 341 342

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

war, § 46 Abs. 2 BeamtVG insoweit außer Kraft zu setzen; noch nicht einmal in der Gesetzesbegründung findet sich hierzu ein Hinweis. Etwas anderes könnte aber gelten, wenn § 46 Abs. 2 BeamtVG die speziellere Norm ist; diese geht der allgemeineren im Grundsatz vor („lex specialis derogat legi generali“)348. Zwar regelt § 46 Abs. 2 BeamtVG den Fall der Schädigung eines Beamten umfassender und fügt sich in das System des Beamtenrechts ein. Spezialität im eigentlichen Sinne ist jedoch nur gegeben, wenn der Anwendungsbereich der spezielleren Norm völlig in dem der allgemeineren Norm aufgeht, wenn also alle Fälle der spezielleren Norm auch solche der allgemeineren Norm sind349. Dies würde indes voraussetzen, daß alle Fälle des § 46 BeamtVG auch unter § 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII fallen. Das ist nicht der Fall. Vielmehr ist es sogar umgekehrt so, daß § 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII nur einen Spezialfall des § 46 BeamtVG regelt, nämlich die Tätigkeiten für einen Dienstherrn. Insofern könnte in § 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII nicht nur die lex posterior, sondern zugleich die lex specialis zu erblicken sein. Bei einer weniger isolierten Betrachtung läßt sich jedoch wohl eher sagen, daß die §§ 104, 105 SGB VII und § 46 BeamtVG unterschiedliche Tatbestände regeln, die sich in dem Bereich überschneiden, in dem Arbeitnehmer und Beamte zusammenarbeiten, so daß kein Spezialitätsverhältnis anzunehmen ist. Das ändert aber nichts daran, daß der neuen Vorschrift des § 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII angesichts des eindeutigen Wortlauts und der oben geschilderten Zielsetzung Vorrang vor § 46 BeamtVG gebührt350. Dabei ist zur Rechtssystematik anzumerken, daß die Folgen der Schädigung eines Beamten im Beamtenrecht hätten geregelt werden müssen, auch wenn ein Arbeitnehmer der Schädiger ist und sich daher die Nähe zum SGB VII ergibt. Zumindest hätte in das BeamtVG ein Hinweis auf § 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII aufgenommen werden müssen. Außerhalb des Anwendungsbereichs des § 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII – bei der Schädigung eines Beamten durch einen Arbeitnehmer eines anderen Dienstherren – findet die Haftungsbeschränkung des § 46 Abs. 2 BeamtVG indes weiter Anwendung351. Eine verdrängende Wirkung kann § 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII insoweit nicht entnommen werden.

Vgl. Engisch, S. 210; Larenz, S. 267 f. Larenz, S. 267. 350 So auch Leube, ZTR 1999, 302, 304; Otto / Schwarze, Rn. 557. 351 Die erhebliche Reichweite der Regelung wird vor allem mit dem Grundsatz der Einheit der öffentlichen Hand begründet; vgl. GKÖD / Wilhelm, § 46 Rn. 4 BeamtVG; ausführlich zu allen Rechtfertigungsgründen Pagendarm, ZBR 1959, 345, 346 ff., der die Regelung in erheblichem Maße kritisiert. Beachtliche Kritik hat auch der BGH, Urt. v. 24. 4. 1952 – III ZR 78, 79 / 51 –, BGHZ 6, 3, 11, geäußert, der diese Reichweite der Haftungsbeschränkung als geradezu unbillig und ungerechtfertigt bezeichnet. Zu verfassungsrechtlichen Bedenken vgl. BVerfG, Beschl. v. 8. 1. 1992 – 2 BvL 9 / 88 –, BVerfGE 85, 176, 184 ff.; GKÖD / Wilhelm, § 46 BeamtVG Rn. 4; Otto / Schwarze, Rn. 557. 348 349

IV. Unfälle unter Beteiligung von Beamten

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b) Beamter verletzt Beamten Der Haftungsausschluß nach § 105 Abs. 1 SGB VII setzt auf der Schädigerseite nur eine betriebliche, nicht aber eine versicherte Tätigkeit voraus. Dies hat zur Folge, daß auch Beamte von der Haftung befreit sind, wenn sie bei einer betrieblichen Tätigkeit einen Unfall herbeiführen352. Eine wortlautgemäße Anwendung des § 105 Abs. 1 S. 1, 2 SGB VII würde also dazu führen, daß die Verletzung eines betrieblich tätigen Beamten durch einen ebenfalls betrieblich tätigen Beamten desselben Dienstherrn von der Haftungsbefreiung erfaßt wäre. Für diese Fallkonstellation sieht jedoch ebenfalls bereits § 46 Abs. 2 BeamtVG eine Regelung vor, nach der unter den bereits genannten Ausnahmen die Geltendmachung von Ansprüchen ausgeschlossen ist. Die Haftungslage unter Anwendung von § 46 Abs. 2 BeamtVG gleicht im wesentlichen der oben bei der Verletzung durch einen Arbeitnehmer dargestellten. Für den Rückgriff des Dienstherren gegen den schädigenden Beamten kommen allerdings § 46 Abs. 1 BRRG und die entsprechenden Ausführungsbestimmungen der Beamtengesetze des Bundes und der Länder unmittelbar zur Anwendung. Es besteht also auch für diese Fallkonstellation eine Normenkonkurrenz zwischen § 105 Abs. 1 S. 1, 2 SGB VII und § 46 Abs. 2 BeamtVG mit der oben geschilderten Folge einer unterschiedlichen Reichweite der Ausnahmetatbestände. Nach dem zuvor Gesagten könnte man daran denken, auch hier der neuen Regelung in § 105 SGB VII den Vorrang einzuräumen. Sinn und Zweck des § 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII erfordern für diese Fallkonstellation indessen unter Berücksichtigung der Regelung des § 46 BeamtVG eine Einschränkung. Dabei gilt es zu bedenken, daß bei der in Rede stehenden Verletzung eines Beamten durch einen anderen Beamten der Sachbereich der Unfallversicherung nicht betroffen ist, weil keiner der Betroffenen unfallversichert ist. Diese Fallkonstellation liegt damit außerhalb des Bereiches, in dem sich Beamtenrecht und SGB VII in der Sache überschneiden. Für einen solchen spezifisch beamtenrechtlichen Tatbestand enthält das Beamtenrecht erschöpfende Regelungen, denen gegenüber § 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII zurücktreten muß353. Es bleibt festzuhalten, daß die Regelung in § 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII für den Fall der Schädigung eines Beamten die schon vorher verwirrende354 Haftungslage unter Angehörigen des öffentlichen Dienstes bei Dienst- und Arbeitsunfällen weiter verdunkelt hat. Sie hat zu neuen Fragestellungen geführt und läßt insbesondere offen, nach welchen Grundsätzen Normenkonflikte aufzulösen sind.

Siehe dazu oben C.I.2.b)bb). So im Ergebnis auch Leube, ZTR 1999, 302, 303; Otto / Schwarze, Rn. 558; zur hier vertretenen methodischen Vorgehensweise vgl. Larenz, S. 268 f. 354 Vgl. oben Fn. 324. 352 353

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

V. Der Haftungsausschluß zu Lasten des Unternehmers 1. Probleme der Einbeziehung des geschädigten Unternehmers in die Haftungsfreistellung Im bisherigen Recht der Haftungsfreistellung trat der Unternehmer als der Schädiger auf, dem das Recht unter bestimmten Voraussetzungen ein Haftungsprivileg gewährte. In dieser Tradition bewegt sich § 104 SGB VII355. Da muß es überraschen, daß § 105 Abs. 2 SGB VII den Unternehmer als Geschädigten anspricht, der ebenso wie der Arbeitskollege mit den Haftungsprivilegien seines schädigenden Arbeitnehmers belastet wird. Für den Gesetzgeber war die Regelung eines Haftungsausschlusses des Arbeitnehmers zu Lasten des Unternehmers von erheblicher Bedeutung. Dies geht daraus hervor, daß er die Erweiterung der Freistellung des Arbeitnehmers gegenüber Schadensersatzansprüchen seines Unternehmers im allgemeinen Teil der Begründung des Regierungsentwurfs als eines der Ziele des Gesetzesentwurfs nennt356. Diese Neuregelung wirft nicht nur die Frage auf, ob die Ausgestaltung der Rechtsposition, wie sie § 105 Abs. 2 S. 2 bis 4 SGB VII vorsehen, verfassungsgemäß ist. Vielmehr stellen sich hier Vorfragen, die die Konzeption der Einbeziehung des geschädigten Unternehmers in die Haftungsfreistellung und den Kreis der mit dem Haftungsprivileg des schädigenden Arbeitnehmers belasteten Unternehmer betreffen.

a) Kreis der von der Erstreckung der Haftungsfreistellung betroffenen Unternehmer Zunächst gilt es, den Kreis der von der Haftungsfreistellung betroffenen geschädigten Unternehmer zu bestimmen. Dies deshalb, weil das SGB VII nicht die Unternehmer schlechthin, sondern in § 105 Abs. 2 SGB VII nur die nicht versicherten Unternehmer der Haftungsfreistellung unterwirft. Dies führt zu der Frage, ob denn der versicherte Unternehmer nicht auch – und sogar erst recht – von dem Haftungsausschluß erfaßt werden soll. Auf den ersten Blick ließe sich daran denken, daß der versicherte Unternehmer von der in § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII geregelten Haftungsfreistellung erfaßt wird, die ganz allgemein von „Versicherten“ spricht. Dieser Gedanke führt indes zu einer alten Streitfrage. 355 Aus § 104 SGB VII ergibt sich nach dem klaren Wortlaut allerdings auch ein Haftungsausschluß des Unternehmers zu Lasten eines versicherten Mitunternehmers, vgl. zu dieser Frage BGH, Urt. v. 20. 1. 1970 – VI ZR 93 / 68 –, VersR 1970, 269, 270 (zu § 898 RVO a.F.); OLG Oldenburg, Urt. v. 2. 6. 1967 – 6 U 14 / 67 –, VersR 1967, 900 f.; OLG Celle, Urt. v. 30. 1. 1978 – 9 U 90 / 77 –, VersR 1978, 837, 838; Plagemann / Plagemann, Rn. 427 (alle zu § 636 RVO); Wannagat / Waltermann, § 104 Rn. 9 m. w. N.; a.A. Rolfs, Haftung, S. 189 f.; Winkler, S. 137 f. (beide zu § 636 RVO). An dieser Regelung hat sich durch das UVEG nichts geändert. 356 BT-Drucks. 13 / 2204, S. 73.

V. Der Haftungsausschluß zu Lasten des Unternehmers

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Ein Teil der Literatur hatte nämlich schon zu § 637 RVO, der ebenso wie § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII nur von einem „Versicherten“ sprach, eine Haftung des Arbeitnehmers gegenüber seinem versicherten Unternehmer als Geschädigtem unter den Voraussetzungen des § 637 RVO abgelehnt357. Der BGH und ein Teil der Literatur hatten zu § 637 RVO hingegen die Ansicht vertreten, daß ein versicherter Unternehmer nicht „Versicherter“ im Sinne dieser Vorschrift sei358. Sie hatten dies mit der Überlegung begründet, daß der Haftungsausschluß den Unternehmer begünstigen sollte, der die Unfallversicherung durch seine Beiträge finanzierte; § 637 RVO sollte neben § 636 RVO den Haftungsausschluß des Unternehmers absichern, ihn aber nicht mit einem Haftungsausschluß seiner Arbeitnehmer belasten. Diesem auf das Konzept der Haftungsfreistellung, seine Legitimation und rechtspolitische Zweckbestimmung zurückgreifenden Argument war für §§ 636, 637 RVO zuzustimmen. Eine Regelung ist nämlich entgegen ihrem Wortsinn auf ihren Regelungszweck zu reduzieren, wenn von der Wertung her gebotene Differenzierungen dies erfordern359. Die Unfallversicherung der Unternehmer beruhte nicht auf dem Prinzip der Haftungsersetzung360. Soweit sich Unternehmer gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII freiwillig versichern, dient diese Versicherung der Eigenvorsorge; sie hat daher einen anderen Leistungscharakter als die gesetzliche Unfallversicherung der Arbeitnehmer361. In ähnlicher Weise muß die Versicherungspflicht kraft Satzung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII beurteilt werden362. Die in der Berufsgenossenschaft zusammengeschlossenen Unternehmer verfolgen auch hier den Zweck, als genossenschaftliche Eigenhilfe die in dem Versicherungsträger zusammengeschlossenen Unternehmer selbst zu begünstigen363. Die Unternehmerversicherung steht damit der Privatversicherung nahe364. Die in vereinzelten Bereichen existierende Pflichtversicherung der Unternehmer (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 5, 6, 7, 9 SGB VII) hat ihren Grund in der sozialen Schutzbedürftigkeit dieser Unterneh357 Dodel, VersR 1977, 993, 994 (für Kleinunternehmer); Fuchs, FS Gitter, S. 253, 257 f.; Gitter, S. 242; ders., FS Grüner, S. 161 ff.; Plagemann, VersR 1981, 632; Winkler, S. 140. 358 BGH, Urt. v. 6. 5. 1980 – VI ZR 58 / 79 –, NJW 1981, 53, 54 (für die freiwillige Unternehmerversicherung), bestätigt durch Urt. v. 4. 6. 1985 – VI ZR 15 / 84 –, VersR 1985, 989, 990; Urt. v. 26. 6. 1990 – VI ZR 233 / 89 –, NJW 1991, 174, 175 (für die kraft Gesetzes und kraft Satzung versicherten Unternehmer); Gamillscheg / Hanau, S. 164 f.; RGRK / Schick, § 618 Rn. 203; RGRK / Steffen, Vor § 823 Rn. 93 (für den freiwillig versicherten Unternehmer); Rolfs, Haftung, S. 188 f.; Schloen, BG 1987, 150, 151; Sieg, SGb 1981, 366. 359 Vgl. Larenz, S. 392. 360 BVerfG, Beschl. v. 9. 11. 1988 – 1 BvL 22 / 84, 71 / 86 und 9 / 87 –, BVerfGE 79, 87, 103; BSG, Urt. v. 20. 9. 1977 – 8 RU 22 / 77 –, BSGE 44, 274, 280; Benz, S. 16, vgl. auch S. 101 ff.; Jantz, FS Lauterbach, S. 15, 18; Noell, FS Lauterbach, S. 105, 114. 361 BVerfG, Beschl. v. 9. 11. 1988 – 1 BvL 22 / 84, 71 / 86 und 9 / 87 –, BVerfGE 79, 87, 103; Schulz / Stemmler, SGb 1998, 390, 392. 362 Vgl. Gamillscheg / Hanau, S. 165; a.A. Gitter, FS Grüner, S. 161, 166. 363 Brackmann / Wiester, § 3 Rn. 11; Hauck / Noftz / Riebel, § 3 Rn. 4; KassKomm / Ricke, § 3 SGB VII Rn. 2; Lauterbach / Schwerdtfeger, § 3 Rn. 5. 364 BSG, Urt. v. 20. 9. 1977 – 8 RU 22 / 77 –, BSGE 44, 274, 280.

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

mer. Sie soll daher im Grundsatz nicht die Betriebsangehörigen bzw. die betrieblich Tätigen begünstigen365. Zwischen versicherten Unternehmern und sonstigen Versicherten bestanden demnach strukturelle Ungleichheiten, die es verlangten, den Anwendungsbereich des § 637 RVO dahingehend teleologisch zu reduzieren, daß er bei Schädigung eines versicherten Unternehmers keine Anwendung fand. Eine solche teleologische Reduktion läßt sich für § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII nicht mehr halten366. Der Gesetzgeber hat der Erwägung, die Belastung des Unternehmers mit einer Haftungsfreistellung des schädigenden Arbeitnehmers sei mit dem Konzept der Haftungsfreistellung nicht vereinbar, in § 105 Abs. 2 SGB VII ausdrücklich eine Absage erteilt. Das hat Konsequenzen für die Anwendung des § 105 Abs. 1 SGB VII. Werden sogar nicht versicherte Unternehmer mit dem Haftungsausschluß belastet, dann kann für versicherte Unternehmer nichts anderes gelten367. Auch der BGH legt dieses Verständnis offensichtlich dem neuen Recht zugrunde368. Durch die klare Aussage des § 105 Abs. 2 SGB VII hat insbesondere das Argument, der freiwillig versicherte Unternehmer dürfe nicht deshalb schlechter gestellt werden, weil er für einen eigenen Versicherungsschutz bei einer Berufsgenossenschaft gesorgt habe369, seine Tragfähigkeit verloren. Im Unterschied zu einem nicht versicherten Unternehmer, der Versicherungsleistungen nur unter den Einschränkungen des § 105 Abs. 2 S. 2 bis 4 SGB VII erhält, erlangt der versicherte Unternehmer vollständigen Versicherungsschutz als Gegenleistung für seine Beiträge. Der Geltung des § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII zu Lasten des Unternehmers stehen auch systematische Überlegungen nicht entgegen. Der BGH hatte zwar zum alten Recht die Ansicht vertreten, daß ein Haftungsausschluß des Betriebsangehörigen gegenüber dem Unternehmer aus gesetzessystematischen Gründen in § 636 RVO geregelt werden müßte, weil nur diese Vorschrift sich mit dem Verhältnis zwischen Unternehmer und Arbeitnehmer befasse370. Die Argumentation war aber schon damals nicht zwingend, weil § 636 RVO das Haftungsprivileg des Unternehmers regelte, während § 637 RVO den Haftungsausschluß anderer Personen erfaßte. Stellte man also auf den Schädiger ab, so hätte sich der in Frage stehende Haftungsausschluß durchaus § 637 RVO zuordnen lassen371. Dies kann indes heute dahinstehen. Die §§ 104 bis 106 SGB VII sind nach den verschiedenen begünstigten Gamillscheg / Hanau, S. 165; vgl. auch Schulz / Stemmler, SGb 1998, 390. A.A. Rolfs, Versicherungsprinzip, S. 468 ff.; ders., AR-Blattei SD 860.2 Rn. 147 ff. 367 Maschmann, SGb 1998, 54, 61; Otto, NZV 1996, 473, 476; Otto / Schwarze, Rn. 546; Plagemann, NZV 2001, 233, 237; Stern-Krieger / Arnau, VersR 1997, 408, 410; Waltermann, NJW 2002, 1225, 1227; im Ergebnis wohl auch Lepa, NZV 1997, 137, 140. 368 BGH, Urt. v. 3. 7. 2001 – VI ZR 198 / 00 –, BGHZ 148, 209, 213. 369 Sieg, SGb 1981, 366. 370 BGH, Urt. v. 6. 5. 1980 – VI ZR 58 / 79 –, NJW 1981, 53, 54; Urt. v. 26. 6. 1990 – VI ZR 233 / 89 –, NJW 1991, 174, 175. 371 Fuchs, FS Gitter, S. 253, 258; Kritik an diesem Argument des BGH auch bei Plagemann, VersR 1981, 632. 365 366

V. Der Haftungsausschluß zu Lasten des Unternehmers

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Gruppen von Schädigern geordnet. Dieser Systematik entspricht es, den Haftungsausschluß einer betrieblich tätigen Person zu Lasten des Unternehmers in § 105 SGB VII zu regeln.

b) Innere Rechtfertigung der Haftungsfreistellung zu Lasten des Unternehmers Danach bezieht das SGB VII die Unternehmer in ihrer Gesamtheit in die Haftungsfreistellung ein. Dies bricht – wie gesagt – mit der Tradition der Haftungsersetzung in der Unfallversicherung. Das bedeutet gewiß nicht, daß sie schon deshalb bedenklich wäre. Mit Blick darauf, daß eine Systemwidrigkeit ein Indiz für eine Verletzung des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) sein kann372, bedarf diese neue Regelung aber der inneren Rechtfertigung. Eine solche Rechtfertigung bereitet vor dem Hintergrund des zu §§ 636, 637 RVO Gesagten Probleme. Der Finanzierungsgedanke steht hier nicht mehr im Vordergrund der Haftungsablösung mit der Folge, daß das Prinzip der Haftungsersetzung durch die Ausweitung auf die Unternehmerversicherung einen erheblichen Wandel erfährt. Für den versicherten Unternehmer, dessen Versicherung einer Privatversicherung nahesteht, kommt hinzu, daß die Belastung mit dem Haftungsausschluß zu den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung in Widerspruch steht373. Danach soll es nicht dem Schädiger zum Vorteil gereichen, daß der Geschädigte für den Fall seiner Schädigung Vorsorge getroffen hat374. Die Einbeziehung der versicherten Unternehmer in die Haftungsfreistellung hat jedoch zur Folge, daß die Unternehmer die Begünstigung ihrer eigenen Schädiger finanzieren. Der Verlust der Ansprüche – insbesondere des Anspruchs auf Schmerzensgeld – kann den versicherten Unternehmer, dessen Versicherungsleistungen in Geld nach dem kraft Satzung festgelegten Jahresarbeitsverdienst (vgl. § 83 SGB VII) berechnet werden, empfindlich treffen375. Das gilt insbesondere in den Fällen, in denen der Schädiger Vgl. dazu oben C.I.2.b)bb) mit Fn. 199. Rolfs, Versicherungsprinzip, S. 469. 374 Vgl. BGH GS, Beschl. v. 30. 3. 1953 – GSZ 1 – 3 / 53 –, BGHZ 9, 179, 190; Urt. v. 19. 11. 1955 – VI ZR 214 / 54 –, BGHZ 19, 94, 99; Urt. v. 17. 10. 1977 – II ZR 161 / 56 –, BGHZ 25, 322, 328; Urt. v. 19. 12. 1978 – VI ZR 218 / 76 –, BGHZ 73, 109, 113; Geigel / Rixecker, Kap. 9 Rn. 32; Küppersbusch, Rn. 22; kritisch Rother, S. 138 ff. m. w. N. 375 Es kommt hinzu, daß der Anspruch des Unternehmers auf das Krankengeld – und damit auch den Spitzenbetrag – gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 3 a SGB V ruht, solange er Verletztengeld erhält. Für den freiwillig Versicherten, dessen Verletztengeld auf der Grundlage eines kraft Satzung festgelegten Jahresarbeitsverdienstes berechnet wird, wird die von ihm getroffene Vorsorge also zum Nachteil. Die durch das UVEG veränderte Regelung des § 49 Abs. 1 Nr. 3 a SGB V ist verfassungsrechtlich bedenklich, vgl. KassKomm / Höfler, § 49 SGB V Rn. 15; Maschmann, SGb 1998, 54, 61 Fn. 109; Waltermann / Grohmann, SGb 1997, 97, 101; a.A. LSG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 9. 11. 2000 – L 5 KR 39 / 99 –, NZS 2001, 391 f. Das BVerfG hatte die Vorgängerregelung des § 183 Abs. 6 RVO insoweit für mit Art. 3 Abs. 1 GG 372 373

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

grob fahrlässig gehandelt hat, so daß der Unternehmer trotz Anwendung der Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung regelmäßig einen ungekürzten Anspruch auf Schmerzensgeld gehabt hätte. Entscheidender Gesichtspunkt der Regelung war für den Gesetzgeber offensichtlich der Schutz des Arbeitnehmers vor Schadensersatzansprüchen376, den er auch auf Kosten von Brüchen im bisherigen System der Haftungsersetzung realisieren wollte. Der Konzeptionswechsel der Haftungsfreistellung im Unfallversicherungsrecht tritt bei der hier in Rede stehenden Regelung in besonderem Maße zutage. Es wird erkennbar, daß sich die Haftungsfreistellung im Unfallversicherungsrecht im Zuge ihrer über hundertjährigen Entwicklung von einer unfallversicherungsspezifischen Konsequenz in eine arbeitsrechtliche Haftungsprivilegierung für Personenschäden gewandelt hat, die mit den von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Haftungsprivilegien des Arbeitnehmers in einem Atemzug zu nennen ist. Bereits der BGH hatte darauf hingewiesen, daß die Geltung des Haftungsausschlusses zu Lasten der Unternehmer der sozial ausgewogenen Verteilung der Betriebsrisiken dienen könne377. Dieser Gesichtspunkt, den der Gesetzgeber mit dem UVEG aufgegriffen hat, stellt eine tragfähige innere Rechtfertigung der Haftungsfreistellung zu Lasten des Unternehmers dar. Hinzu kommt das Argument der Gefahrengemeinschaft 378. Im Zuge der Zusammenarbeit kann es zu einer Schädigung des Unternehmers durch einen betrieblich Tätigen ebenso kommen wie zur Schädigung eines anderen Versicherten oder auch zur Schädigung eines Versicherten durch den Unternehmer. Der Unternehmer ist also in die Gefahrengemeinschaft integriert379. Für den Schädiger stellt es eine Zufälligkeit dar, ob er einen Arbeitskollegen oder den Unternehmer schädigt380. Keine Überzeugungskraft besitzt demgegenüber das Argument des Betriebsfriedens381. Zwar hatte der BGH zu § 637 RVO auch insoweit bereits festgehalten, er verkenne nicht, daß eine Erstreckung des § 637 RVO zu Lasten des versicherten Unternehmers der Erhaltung des Betriebsfriedens dienen könne382. Der Unternehunvereinbar gehalten, als sie auch zum Ruhen des Krankengeld-Spitzenbetrages führte, vgl. Beschl. v. 9. 11. 1988 – 1 BvL 22 / 84, 71 / 86, 9 / 87 –, BVerfGE 79, 87, 99 ff. 376 Vgl. BT-Drucks. 13 / 2204, S. 73. 377 BGH, Urt. v. 26. 6. 1990 – VI ZR 233 / 89 –, NJW 1991, 174, 176. 378 Zum alten Recht so schon Fuchs, FS Gitter, S. 253, 258; Gitter, FS Grüner, S. 161, 163 f. 379 Allerdings verlaufen auch hier die Belastung mit dem Haftungsausschluß einerseits und die Begünstigung mit dem Privileg andererseits nicht parallel, weil § 104 SGB VII voraussetzt, daß der Geschädigte Versicherter sein muß, durch § 105 SGB VII hingegen jeder betrieblich Tätige privilegiert ist, vgl. zu dieser Problematik bereits oben C.I.2., vgl. insbes. b). 380 Wannagat / Waltermann, § 105 Rn. 14. 381 Zu den Zweifeln an der Tragfähigkeit des Friedensarguments vgl. oben C.I.1.b)aa). 382 BGH, Urt. v. 26. 6. 1990 – VI ZR 233 / 89 –, NJW 1991, 174, 176; für das alte Recht so auch Fuchs, FS Gitter, S. 253, 258; dahingehend auch Gitter, FS Grüner, S. 161, 163.

V. Der Haftungsausschluß zu Lasten des Unternehmers

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mer muß sich jedoch nicht nur den Haftungsausschluß seiner Betriebsangehörigen entgegenhalten lassen, sondern aller betrieblich tätigen Personen. 2. Die Ausgestaltung der Rechtsposition des von der Haftungsfreistellung betroffenen Unternehmers Damit kommt es darauf an, ob die für versicherte und nicht versicherte Unternehmer geltende Einbeziehung in die Haftungsfreistellung in ihrer Ausgestaltung im einzelnen ohne rechtliche Brüche und insbesondere ohne Verfassungsverstöße erfolgt ist. a) Die Leistungsansprüche des nicht versicherten Unternehmers Die damit erforderliche Untersuchung verlangt zunächst eine Klarstellung der Rechtsposition des mit dem Haftungsprivileg belasteten Unternehmers. Dabei steht der nicht versicherte Unternehmer im Vordergrund, weil die versicherten Unternehmer in das Leistungsgefüge der Unfallversicherung voll einbezogen sind. Der nicht versicherte Unternehmer erhält nur dann Versicherungsleistungen nach § 105 Abs. 2 S. 2 bis 4 SGB VII, wenn die Haftung des Schädigers nach § 105 Abs. 2 S. 1 SGB VII ausgeschlossen ist. Greift einer der Ausnahmetatbestände des § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII ein, dann haftet der Schädiger, und Versicherungsleistungen der Unfallversicherung nach § 105 Abs. 2 S. 2 bis 4 SGB VII kommen nicht in Betracht383. Der Unternehmer kann also auch dann keine Versicherungsleistungen verlangen, wenn der Schädiger vorsätzlich gehandelt hat384. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut, sondern auch aus dem Sinn und Zweck des § 105 Abs. 2 SGB VII. Die Vorschrift dient nicht dem Schutz des geschädigten Unternehmers, sondern dem Schutz des Schädigers; die Unfallversicherung soll durch ihre Leistungen nur eine für den Unternehmer durch den Haftungsausschluß entstandene Versorgungslücke auffüllen. Besteht ein Leistungsanspruch des Unternehmers, dann berechnen sich gemäß § 105 Abs. 2 S. 3 SGB VII die Geldleistungen aber nicht nach dem sonst als Berechnungsgrundlage zugrundegelegten tatsächlichen bzw. nach dem kraft Satzung festgelegten Jahresarbeitsverdienst (vgl. §§ 82, 83 SGB VII), sondern nach dem Mindestjahresarbeitsverdienst (§ 85 Abs. 1 SGB VII i.V.m. § 18 SGB IV). Naturalleistungen erhält er von der Unfallversicherung hingegen wie ein Versicherter. Daraus folgt, daß er entgegen einer in der Praxis vertretenen Auffassung385 auch einen Anspruch auf Heilbehandlung und Rehabilitation und nicht nur auf KostenerstatKassKomm / Ricke, § 105 SGB VII Rn. 10 b; Wannagat / Waltermann, § 105 Rn. 17. A.A. Kater / Leube, § 105 Rn. 26; ohne nähere Begründung auch Rolfs, NJW 1996, 3177, 3181. 385 Vgl. KassKomm / Ricke, § 105 SGB VII Rn. 11; Lauterbach / Dahm, § 105 Rn. 30. 383 384

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

tung des Unfallversicherungsträgers für die selbst sichergestellte Behandlung hat. Dieses Ergebnis folgt schon aus dem Wortlaut des § 105 Abs. 2 S. 2 SGB VII. Auch die Begründung des Regierungsentwurfs legt eine solche Sichtweise nahe, die wiederholt, daß der nicht versicherte Unternehmer behandelt werden soll wie ein Versicherter, der einen Versicherungsfall erlitten hat386. Länger zu verweilen ist bei der Frage, welche Konsequenzen sich aus der Anknüpfung an die zivilrechtliche Haftung ergeben, die § 105 Abs. 2 S. 2 bis 4 SGB VII vorsieht. Diese Anknüpfung ergibt sich zum einen daraus, daß der Leistungsanspruch einen zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch des Unternehmers voraussetzt, der ihm nur durch § 105 Abs. 2 S. 1 SGB VII genommen wird387. Nach § 105 Abs. 2 S. 4 SGB VII sind zum anderen auch die Geldleistungen der Unfallversicherung durch die Höhe des ausgeschlossenen Schadensersatzanspruchs begrenzt. Diese Regelung ist dahingehend zu interpretieren, daß Geldleistungen bis zur Höhe eines fiktiven Gesamtschadensersatzanspruchs gewährt werden. Auf eine Kongruenz der einzelnen Schadenspositionen kommt es nicht an, so daß auch ein fiktiver Schmerzensgeldanspruch einzubeziehen ist. § 105 Abs. 2 S. 2 bis 4 SGB VII soll eine Kompensation der dem Unternehmer entzogenen Ansprüche darstellen, dabei aber eine Überkompensation vermeiden. Eine solche steht jedoch nur dann in Frage, wenn dem Unternehmer über den Gesamtschadensersatzanspruch hinausgehende Leistungen gewährt würden388. Für die Feststellung des Leistungsanspruchs bedarf es also der Prüfung, ob und in welcher Höhe ein zivilrechtlicher Anspruch bestünde. Der Leistungsanspruch des nicht versicherten Unternehmers löst sich insofern von dem sonst in der Unfallversicherung geltenden Prinzip der abstrakten Schadensberechnung389. In zwei Punkten bedarf BT-Drucks. 13 / 2204, S. 100. Der letzte Halbsatz in § 105 Abs. 2 S. 2 SGB VII wäre also entbehrlich gewesen; so auch KassKomm / Ricke, § 105 SGB VII Rn. 10 a. 388 Diese Frage ist für die Auslegung des § 110 Abs. 1 S. 1 a.E. SGB VII umstritten. Während ein Teil der Literatur die hier zu § 105 Abs. 2 S. 4 SGB VII vertretene Auffassung auch im Rahmen des § 110 SGB VII vertritt (so Brackmann / Krasney, § 110 Rn. 14; KassKomm / Ricke, § 110 SGB VII Rn. 8, LPK / Zilch, § 110 Rn. 21; Müller, NZV 2001, 366, 369), befürwortet ein anderer Teil der Literatur eine Berücksichtigung nur der kongruenten Ansprüche (so Gamperl, NZV 2001, 401, 404; Küppersbusch, Rn. 426 Fn. 136; Stern-Krieger / Arnau, VersR 1997, 408, 412; vgl. auch OLG Celle, Urt. v. 6. 10. 1999 – 9 U 24 / 99 –, VersR 1999, 1550, 1551 ohne nähere Begründung). Der letztgenannten Auffassung ist für § 110 SGB VII insbesondere deshalb zuzustimmen, weil persönlicher Ersatzanspruch und Regreßanspruch des Sozialversicherungsträgers nebeneinander bestehen können und der Schädiger in diesen Fällen vor einer doppelten Inanspruchnahme bewahrt werden muß (vgl. überzeugend Gamperl, NZV 2001, 401, 404; Küppersbusch, Rn. 426 Fn. 136). Der Arbeitskreis VI des 39. Deutschen Verkehrsgerichtstags ist dieser Auffassung in seiner Empfehlung Nr. 5 ebenfalls beigetreten, vgl. VGT 2001, 12. Diese Argumentation läßt sich indes auf § 105 Abs. 2 S. 4 SGB VII nicht übertragen. 389 Zum Prinzip der abstrakten Schadensberechnung vgl. BSG, Urt. v. 29. 4. 1964 – 2 RU 155 / 62 –, BSGE 21, 63, 67; grundlegend Gitter, S. 159 ff.; Waltermann, SozR, Rn. 302; Wannagat, NJW 1960, 1597, 1602. 386 387

V. Der Haftungsausschluß zu Lasten des Unternehmers

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es indessen einer genaueren Untersuchung, ob sich die zivilrechtlichen Grundsätze auf § 105 Abs. 2 SGB VII übertragen lassen.

aa) Berücksichtigung der Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung In der Literatur wird angenommen, daß hier auch die Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung zu berücksichtigen seien390. Dies hätte zur Folge391, daß der Unternehmer bei leichtester Fahrlässigkeit seines Arbeitnehmers keinen Anspruch auf Versicherungsleistungen hätte und der Anspruch auf Geldleistungen bei mittlerer Fahrlässigkeit nach Würdigung der Gesamtumstände von Schadensanlaß und Schadensfolgen eingeschränkt wäre. Da der Arbeitnehmer in Fällen grober Fahrlässigkeit in aller Regel den gesamten Schaden zu tragen hat, würde der Unternehmer in diesem Falle in aller Regel auch die Versicherungsleistungen ohne Einschränkungen erhalten. Gegen diese Sichtweise lassen sich Bedenken anmelden. Diese Bedenken beruhen allerdings nicht darauf, daß man die Grundsätze der Haftungsbeschränkung im Arbeitsverhältnis als Teil des zivilrechtlichen Haftungsrechts ansieht. Zwar sind sie nicht gesetzlich geregelt, doch ist ihre – auf Richterrecht beruhende392 – Geltung allgemein anerkannt393 und sie stellen heute einseitig zwingendes Arbeitnehmerschutzrecht dar394. Durch die neue Formulierung in § 276 Abs. 1 S. 1 BGB („wenn eine mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses zu entnehmen ist“), bei der der Gesetzgeber des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes die Haftung des Arbeitnehmers im Auge gehabt hat395, ist die Einschränkung der Arbeitnehmerhaftung sogar gesetzlich abgesichert396. 390 KassKomm / Ricke, § 105 SGB VII Rn. 10 a; Maschmann, SGb 1998, 54, 60 f.; Otto, NZV 1996, 473, 476; Otto / Schwarze, Rn. 546 Fn. 17; Rolfs, NJW 1996, 3177, 3181; Waltermann, NJW 2002, 1225, 1228; so wohl auch LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 3. 8. 2001 – L 1 U 5070 / 00 –, NJW 2002, 1290, 1291. 391 Vgl. zur Zusammenfassung der Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung nur BAG GS, Beschl. v. 27. 9. 1994 – GS 1 / 89 (A) –, BAGE 78, 56, 60. 392 Zur Legitimation von Richterrecht allgemein vgl. BVerfG, Beschl. v. 8. 4. 1998 – 1 BvR 1773 / 96 –, BVerfGE 98, 49, 59 f.; Fenn, FS Kissel, S. 213, 216 f.; Larenz, S. 366 f., 370; für die Arbeitnehmerhaftung vgl. BAG GS, Beschl. v. 27. 9. 1994 – GS 1 / 89 (A) –, BAGE 78, 56, 61. 393 Vgl. BAG GS, Beschl. v. 27. 9. 1994 – GS 1 / 89 (A) –, BAGE 78, 56, 62 mit ausführlichen Nachweisen der Literatur; Hromadka / Maschmann, § 9 Rn. 27; Walker, JuS 2002, 736, 737; Zöllner / Loritz, § 19 II 1 b, S. 252 ff. 394 Vgl. BAG, Urt. v. 17. 9. 1998 – 8 AZR 175 / 97 –, BAGE 90, 9, 21; MünchArbR / Blomeyer, § 59 Rn. 75; Peifer, ZfA 1996, 69, 74. 395 BT-Drucks. 14 / 6857, S. 48. 396 Vgl. Walker, JuS 2002, 736, 737.

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

Problematisch ist indes, ob sich die Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung auf das Rechtsverhältnis gegenüber Dritten – hier gegenüber dem Unfallversicherungsträger – auswirken. Dagegen könnte sprechen, daß sie ihrer Zweckbestimmung nach dem Schutz des Arbeitnehmers dienen, der hier jedoch wegen der Haftungsfreistellung keines Schutzes bedarf. Die Rechtsprechung von BGH und BAG und ein Teil der Literatur lassen die Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung unter Durchbrechung des Trennungsprinzips397 nicht zur Anwendung kommen, wenn für den Arbeitnehmer eine Pflichtversicherung (insbesondere die Kfz-Pflichtversicherung) besteht398. Zur Begründung wird vom BGH angeführt, daß diese Grundsätze dem sozialen Schutz des Arbeitnehmers dienten, der sich erübrige, wenn der von ihm angerichtete Schaden von einem Pflichtversicherer gedeckt sei399. Unter Heranziehung der vom BGH angeführten Begründung zur Durchbrechung des Trennungsprinzips wäre es daher konsequent, auch hier die Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung unberücksichtigt zu lassen. Es vermag indessen nicht zu überzeugen, daß der BGH als innere Rechtfertigung der beschränkten Arbeitnehmerhaftung lediglich auf die Fürsorgepflicht400 des Arbeitgebers – oder, moderner ausgedrückt, die arbeitsrechtliche Schutzpflicht – abhebt401. Dieser Herleitung der Haftungsbeschränkung ist nicht nur entgegen397 Im Grundsatz richtet sich die Versicherung nach der Haftung und nicht umgekehrt die Haftung nach der Versicherung, vgl. zum Trennungsprinzip grundlegend Sieg, S. 85 ff., 104 ff.; aus neuerer Zeit von Bar, AcP 181 (1981), 289 ff., der sich für Durchbrechungen mit Blick auf den Bedeutungswandel der Haftpflichtversicherung ausspricht (S. 324 f.). 398 BGH, Urt. v. 3. 12. 1991 – IV ZR 378 / 90 –, BGHZ 116, 200, 208 f.; Urt. v. 5. 2. 1992 – IV ZR 340 / 90 –, BGHZ 117, 151, 156; Urt. v. 8. 12. 1971 – IV ZR 102 / 70 –, VersR 1972, 166, 167; BAG, Urt. v. 11. 1. 1966 – 1 AZR 361 / 65 –, AP Nr. 36 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers; Urt. v. 25. 9. 1997 – 8 AZR 288 / 96 –, AP Nr. 111 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers = NZA 1998, 310, 311; OLG Hamburg, Urt. v. 18. 11. 1969 – 7 U 108 / 68 –, VersR 1970, 537; MünchKomm / Müller-Glöge, § 611 BGB Rn. 468; Riedmaier, BB 1979, 1513, 1516 f.; Walker, JuS 2002, 736, 739; differenzierend Otto / Schwarze, Rn. 217 ff.; a.A. Annuß, NZA 1998, 1089, 1095; Gamillscheg / Hanau, S. 104 ff.; Heinze, MedR 1983, 6, 11; Hirschberg, VersR 1973, 786, 795 f.; Kohte, BB 1983, 1603, 1610; MünchArbR / Blomeyer, § 59 Rn. 57; Sieg, VersR 1973, 194, 195; zweifelnd Erman / Hanau, § 611 Rn. 343. Die Rechtsprechung hat vor Geltung des § 637 RVO auch den richterrechtlich entwickelten Haftungsausschluß unter Arbeitskollegen dann nicht eingreifen lassen, wenn eine Pflichtversicherung den Schaden deckt, BGH, Urt. v. 1. 4. 1958 – VI ZR 60 / 57 –, BGHZ 27, 62, 66 ff. In der Literatur ist die Überlegung angestellt worden, ob diese Erwägungen nicht auf die §§ 104 ff. SGB VII zu übertragen seien mit der Konsequenz, daß die unfallversicherungsrechtliche Haftungsfreistellung dann nicht eingreifen würde, wenn sie zugunsten einer (Kfz-) Haftpflichtversicherung wirkt, vgl. Lemcke, r+s 2000, 488, 489; dazu auch Hanau, FS BGH, S. 481, 494. Eine Übertragung der Grundsätze wäre indessen mit der gesetzlichen Regelung nicht vereinbar, BAG, Urt. v. 14. 12. 2000 – 8 AZR 92 / 00 –, AP Nr. 1 zu § 105 SGB VII = VersR 2001, 720, 721 m. zustimmender Anm. Drong-Wilmers; so auch bereits Weber, VersR 1995, 875, 888 zum alten Recht. 399 BGH, Urt. v. 5. 2. 1992 – IV ZR 340 / 90 –, BGHZ 117, 151, 156; dahingehend auch Urt. v. 3. 12. 1991 – IV ZR 378 / 90 –, BGHZ 116, 200, 209. 400 Gegen diesen „patriarchalischen“ Begriff etwa Zöllner / Loritz, § 16 III, S. 210. 401 So auch Heinze, MedR 1983, 6, 11; zustimmend Kohte, BB 1983, 1603, 1611.

V. Der Haftungsausschluß zu Lasten des Unternehmers

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zuhalten, daß sie zu allgemein gefaßt ist, um eine klare Argumentation zu ermöglichen, sondern auch, daß es sich bei der innerbetrieblichen Haftungsverteilung um eine Zurechnungsfrage handelt, die jedoch nicht aus einer Schutzpflicht hergeleitet werden kann402. Vielmehr liegt den Grundsätzen der Haftungsbeschränkung im Arbeitsverhältnis in erster Linie die angemessene Verteilung der Betriebsrisiken als Haftungsrisiken zugrunde. Dieser Gesichtspunkt steht heute auch in der Rechtsprechung und der überwiegenden Literatur bei der dogmatischen Herleitung im Vordergrund403. Entscheidend ist, daß der Arbeitgeber den Arbeitnehmer mit der Arbeit betraut und damit spezifische Tätigkeitsrisiken schafft, die etwa in der Gefahrträchtigkeit der Produktionsanlagen, der Produktion selbst oder der hergestellten Produkte liegen. Diese muß sich der Arbeitgeber zurechnen lassen, weil auch er bei eigener Tätigkeit ebenfalls Schadensersatzverpflichtungen nie ganz würde vermeiden können. Eine Verlagerung der Haftungsrisiken auf den Arbeitnehmer wäre vor allem bedenklich, weil der Arbeitgeber durch die organisatorische Gestaltung des Unternehmens die Haftungsrisiken prägt, während der Arbeitnehmer der Organisation ausgesetzt ist, ohne sie rechtlich oder tatsächlich steuern zu können404. Handelt es sich damit bei den Grundsätzen der beschränkten Arbeitnehmerhaftung um die Zurechnung und Verteilung von Haftungsrisiken, so müssen sie auch auf das Rechtsverhältnis des Arbeitgebers gegenüber Dritten durchschlagen. Mit dieser Begründung sind jedoch zugleich die Grenzen für die Berücksichtigung der Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung Dritten gegenüber gesetzt: Aspekte, die allein aus Gründen des Sozialschutzes und aus Billigkeitserwägungen dem Arbeitnehmer gegenüber Berücksichtigung finden405, können im Rahmen der Leistungsbestimmung nach § 105 Abs. 2 SGB VII dem Unfallversicherungsträger gegenüber keine Wirkung entfalten. Aus diesem Grund müssen alle Umstände, die allein die persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers betreffen 402 Canaris, RdA 1966, 41, 45; Gick, JuS 1980, 393, 398; dahingehend auch Langenbucher, ZfA 1997, 523, 543; ablehnend auch Brox / Walker, DB 1985, 1469, 1470. 403 BGH, Beschl. v. 21. 9. 1993 – GmS-OGB 1 / 93 –, NJW 1994, 856; Urt. v. 21. 12. 1993 – VI ZR 103 / 93 –, NJW 1994, 852, 854; BAG GS, Beschl. v. 27. 9. 1994 – GS 1 / 89 (A) –, BAGE 78, 56, 63 f. m. w. N. aus seiner früheren Rechtsprechung; Annuß, NZA 1998, 1089, 1092 f.; Canaris, RdA 1966, 41, 45 ff.; Gamillscheg, FS Rheinstein, S. 1043, 1044, 1057; Gamillscheg / Hanau, S. 46 ff.; Gick, JuS 1980, 393, 398; Heinze, MedR 1983, 6, 11; anders aber wohl ders., NZA 1986, 545, 549, 551; Lieb, Rn. 214; schon Herschel, JherJb 90 (1942), S. 145, 165 ff. hat den Gedanken des Betriebsrisikos als entscheidend angesehen; differenzierend Zöllner / Loritz, § 19 II 1 b, S. 254; Kritik bei Brox / Walker, DB 1985, 1469, 1470 ff.; Staudinger / Richardi, § 611 Rn. 511 ff. m. w. N. 404 Vgl. BAG GS, Beschl. v. 27. 9. 1994 – GS 1 / 89 (A)-, BAGE 78, 57, 63 ff.; Canaris, RdA 1966, 41, 45; Gick, JuS 1980, 393, 398; Lieb, Rn. 214; MünchArbR / Blomeyer, § 59 Rn. 50 ff. 405 In der Literatur wird ihnen häufig zumindest ergänzende Bedeutung beigemessen, vgl. mit im einzelnen unterschiedlichen Schwerpunkten und Ansätzen Brox / Walker, DB 1985, 1469, 1472; Heinze, NZA 1986, 545, 549, 551; Langenbucher, ZfA 1997, 523, 544; Otto, ArbuR 1995, 72, 73; Schlachter, FS OLG Jena, S. 253, 258 ff.

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

(z. B. Lebensalter, Unterhaltsverpflichtungen), aus der Abwägung ausscheiden, weil sie die Risikoverteilung nicht berühren406. In die Abwägung einzubeziehen sind danach unter analoger Anwendung des § 254 BGB407 nur die Gesichtspunkte, die entweder das Betriebsrisiko als Zurechnungsfaktor zu Lasten des Arbeitgebers oder das Verschulden zu Lasten des Arbeitnehmers beeinflussen. Auf seiten des Arbeitnehmers ist danach auch die Stellung im Betrieb entscheidend, weil diese die an ihn zu stellenden Anforderungen und damit sein Verschulden beeinflußt408. Die Höhe des Schadens kann hingegen auf seiten des Arbeitgebers berücksichtigt werden, weil sich in ihr besondere Risiken des Betriebes niederschlagen können, die in den Verantwortungsbereich des Arbeitgebers fallen409. Die Höhe des Arbeitsentgelts kann unter Umständen zwar Aufschluß darüber geben, ob das Schadensrisiko angemessen vergütet wird410, sie wird in der Regel jedoch allenfalls aus Gründen des Sozialschutzes berücksichtigt411. Zugunsten des Arbeitnehmers kann jedoch eine verkehrsübliche Versicherung des betrieblichen Risikos zu berücksichtigen sein412. Dies bedeutet, daß die Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung mit den genannten Einschränkungen auch dem Unfallversicherungsträger gegenüber Geltung beanspruchen. Für die grundsätzliche Einbeziehung der Grundsätze zur Arbeitnehmerhaftung im Rahmen der Leistungsbestimmung nach § 105 Abs. 2 SGB VII spricht auch dessen Sinn und Zweck. Der Arbeitgeber sollte durch diese 406 Ihre Berücksichtigung ist allerdings ohnedies auch gegenüber dem Arbeitnehmer zweifelhaft, ablehnend Annuß, NZA 1998, 1089, 1094; Blomeyer, JuS 1993, 903, 907; Canaris, RdA 1966, 41, 47; Langenbucher, ZfA 1997, 523, 552; Walker, JuS 2002, 736, 738; Bedenken auch bei Hanau / Preis, JZ 1988, 1072, 1075; Otto, ArbuR 1995, 72, 76 hält insoweit zumindest Vorsicht für geboten; das BAG GS, Beschl. v. 27. 9. 1994 – GS 1 / 89 (A) –, BAGE 78, 57, 67 will sie jedoch unter Umständen berücksichtigen; vgl. auch Peifer, ZfA 1996, 69, 74. Der BGH, Beschl. v. 21. 9. 1993 – GmS-OGB 1 / 93 –, NJW 1994, 856 geht indessen von einer strikten Abwägung des Verschuldens gegen das Betriebsrisiko aus und möchte die Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Arbeitnehmers nicht herausheben. 407 § 254 BGB stellt hingegen nicht selbst einen Zurechnungsgrund dar, vgl. Canaris, RdA 1966, 41, 45; Heinze, NZA 1986, 545, 550 f.; Langenbucher, ZfA 1997, 523, 535; der Wortlaut des § 254 BGB setzt ein Mitverschulden voraus, doch ist anerkannt, daß für andere Zurechnungsgründe eine vergleichbare Interessenlage besteht, vgl. Canaris, RdA 1966, 41, 46; Deutsch, Rn. 579. Der Gesetzgeber des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes ist allerdings der Ansicht, daß der von der Rechtsprechung herangezogene § 254 BGB nicht recht passe, sondern eher § 276 Abs. 1 S. 1 BGB Anwendung finde, vgl. BT-Drucks. 14 / 6857, S. 48; kritisch dazu AnwKomm / Dauner-Lieb, § 276 Rn. 28. Walker, JuS 2002, 736, 737 geht zutreffend davon aus, daß die analoge Anwendung des § 254 BGB zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses im Sinne von § 276 Abs. 1 S. 1 BGB gehört. Für die Abwägung ist daher weiterhin die analoge Anwendung des § 254 BGB entscheidend. 408 So zutreffend Langenbucher, ZfA 1997, 523, 551. 409 Vgl. Canaris, RdA 1966, 41, 47; Langenbucher, ZfA 1997, 523, 551. 410 So MünchArbR / Blomeyer, § 59 Rn. 55. 411 Otto / Schwarze, Rn. 42. 412 Hübsch, NZA-RR 1999, 393, 394; MünchArbR / Blomeyer, § 59 Rn. 59; Otto, ArbuR 1995, 72, 76.

V. Der Haftungsausschluß zu Lasten des Unternehmers

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Regelung nur eine Kompensation für die ihm entzogenen Ansprüche erhalten. Dabei sollte die Anknüpfung an die zivilrechtliche Haftung sicherstellen, daß die Ansprüche des Unternehmers in keinem Falle die zivilrechtlichen Ansprüche übersteigen. bb) Berücksichtigung des Mitverschuldens des Geschädigten Bei wortlautgerechter Auslegung des § 105 Abs. 2 S. 4 SGB VII reduziert sich der Anspruch des unversicherten Unternehmers auf Geldleistungen, wenn er den Unfall mitverschuldet hat413. Gegen die Berücksichtigung des § 254 BGB sind indessen in der Literatur vereinzelt Einwände erhoben worden414. Es wird zu bedenken gegeben, daß das Mitverschulden des Geschädigten auch sonst in der gesetzlichen Unfallversicherung unerheblich sei und es daher einen Systembruch darstelle, wenn es im Rahmen des § 105 Abs. 2 S. 4 SGB VII Berücksichtigung finde415. Ferner laufe es der Befriedungsfunktion zuwider, wenn es zu Rechtsstreitigkeiten über das Mitverschulden komme. Außerdem wird darauf hingewiesen, daß der Gesetzgeber den nicht versicherten Unternehmer dem versicherten Unternehmer habe gleichstellen wollen, dieser sich eine Anspruchskürzung im Falle seines Mitverschuldens jedoch nicht gefallen lassen müsse416. Diesen Argumenten ist jedoch entgegenzuhalten, daß der Gesetzgeber hinsichtlich der Ansprüche des nicht versicherten Unternehmers bewußt an die zivilrechtlichen Ansprüche angeknüpft hat und insoweit mit dem System der Unfallversicherung brechen wollte. Die Befriedungsfunktion stand bei der gesetzgeberischen Konzeption des § 105 Abs. 2 SGB VII nicht im Vordergrund. Damit bleibt festzuhalten, daß die Auffassung, das Mitverschulden des unversicherten Unternehmers sei im Rahmen des § 105 Abs. 2 S. 4 SGB VII unberücksichtigt zu lassen, mit Blick auf die gesetzgeberische Konzeption des § 105 Abs. 2 SGB VII und dessen eindeutigen Wortlaut nicht überzeugen kann. b) Probleme der Verfassungsmäßigkeit der in § 105 Abs. 2 S. 2 bis 4 SGB VII getroffenen Regelung Angesichts der dargestellten Einschränkungen des Leistungsanspruchs des nicht versicherten Unternehmers erhebt sich die Frage, ob der dem nicht versicherten Unternehmer gewährte rechtlich reduzierte Status verfassungsrechtlich hinnehmbar ist. 413 Vgl. Brackmann / Krasney, § 105 Rn. 19; KassKomm / Ricke, § 105 Rn. 12; Kock, S. 181 f.; Stern-Krieger / Arnau, VersR 1997, 408, 411; Waltermann, BG 1997, 310, 317 f. 414 Dahm, SozVers 1997, 61, 62; Gitter, FS Wiese, S. 131, 136 f. 415 Dahm, SozVers 1997, 61, 62. 416 Vgl. zu allem Gitter, FS Wiese, S. 131, 137.

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

aa) Prüfung am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG In der Literatur sind gegen § 105 Abs. 2 S. 2 bis 4 SGB VII verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht worden. Maßstab der verfassungsrechtlichen Prüfung ist dabei in Anlehnung an die Rechtsprechung des BVerfG417 in erster Linie Art. 3 Abs. 1 GG418. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet es, Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln419. Der Gleichheitssatz ist verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache sich ergebender oder sonstwie einleuchtender Grund für die vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden läßt420, oder – anders ausgedrückt – wenn keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie eine Ungleichbehandlung mehrerer Gruppen von Normadressaten rechtfertigen können421. Bei der Ungleichbehandlung von Personengruppen unterliegt der Gesetzgeber regelmäßig einer strengen Bindung422. Verfassungsrechtlicher Diskussionsbedarf ergibt sich hier vor allem durch die in § 105 Abs. 2 S. 3 SGB VII angeordnete Geltung des Mindestjahresarbeitsverdienstes als Grundlage für den – wirtschaftlich gegenüber den Sachleistungen bedeutsameren – Anspruch des nicht versicherten Unternehmers auf Geldleistungen. Sie bedeutet in der Regel eine gravierende Schlechterstellung gegenüber dem zivilrechtlichen Haftungssystem, bei dem der Schaden konkret nach der tatsächlichen Erwerbsminderung ermittelt wird423. Der Mindestjahresarbeitsverdienst lag für das Jahr 2001 bei 32.256 DM in Westdeutschland bzw. bei 27.216 DM in Ostdeutschland, so daß die Verletztenrente bei völliger Erwerbsunfähigkeit in Westdeutsch417

Vgl. oben B.VI.

So auch Plagemann, NZV 2001, 233, 237; Rolfs, Versicherungsprinzip, S. 466 f.; ders., AR-Blattei SD 860.2 Rn. 144 ff.; Waltermann, BG 1997, 310, 317 f.; auch Otto, NZV 1996, 473, 476 und Stern-Krieger / Arnau, VersR 1997, 408, 411 erheben verfassungsrechtliche Bedenken, ohne diese allerdings zu konkretisieren. Ausführlich zur Problematik derVerfassungsmäßigkeit des § 105 Abs. 2 SGB VII inzwischen Kock, S. 195 ff., der die Verfassungsmäßigkeit der Regelung im Ergebnis bejaht. 418

419 St. Rspr. des BVerfG, vgl. nur Beschl. v. 10. 12. 1985 – 2 BvL 18 / 83 –, BVerfGE 71, 255, 271; Urt. v. 3. 4. 2001 – 1 BvR 1629 / 94 –, BVerfGE 103, 242, 258; Beschl. v. 4. 4. 2001 – 2 BvL 7 / 98 –, BVerfGE 103, 310, 318 und die Nachweise in Fn. 107. 420 BVerfG, Beschl. v. 10. 12. 1985 – 2 BvL 18 / 83 –, BVerfGE 71, 255, 271; Beschl. v. 8. 1. 1992 – 2 BvL 9 / 88 –, BVerfGE 85, 176, 187; Beschl. v. 4. 4. 2001 – 2 BvL 7 / 98 –, BVerfGE 103, 310, 318. 421 Sog. „neue Formel“, vgl. oben Fn. 110; zu den verschiedenen Ansätzen und insbesondere der neuen und alten Formel vgl. nur Sachs / Osterloh, Art. 3 Rn. 8 ff. 422 BVerfG, Beschl. v. 15. 7. 1998 – 1 BvR 1554 / 89, 963, 964 / 94 –, BVerfGE 98, 365, 389; Jarass / Pieroth, Art. 3 Rn. 19. 423 Vgl. zur Berechnung der konkreten Erwerbsminderung im Zivilrecht nur Palandt / Thomas, § 843 Rn. 2; siehe auch Gitter, S. 161.

V. Der Haftungsausschluß zu Lasten des Unternehmers

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land 21.504 DM im Jahr (1.792 DM im Monat), in Ostdeutschland nur 18.144 DM im Jahr (1.512 DM im Monat) betrug424. Ausgangspunkt der Prüfung einer sachlichen Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung des nicht versicherten Unternehmers im Vergleich zu dem von der Haftungsfreistellung nicht betroffenen Geschädigten müssen die Erwägungen des BVerfG in seinem Beschluß vom 7. 11. 1972425 sein. Das Gericht hat in seiner Entscheidung dargelegt, daß die gesetzliche Unfallversicherung und das Deliktsrecht des BGB zwei gesetzliche Ordnungssysteme seien, von denen jedes für sich betrachtet werden müsse. Aus diesem Grund hat es eine Gesamtbetrachtung der beiden verschiedenen Systeme vorgenommen. Es hat überzeugend die sachlichen Gründe für die Abweichung des Unfallversicherungsrechts vom Schadensersatzrecht des BGB angeführt und die Vorteile des Unfallversicherungssystems herausgestellt. Wesentliche Vorteile des Unfallversicherungsrechts werden dem nicht versicherten Unternehmer – anders als dem versicherten Unternehmer – angesichts seines rechtlich reduzierten Status jedoch nicht zuteil. So hat das BVerfG als erheblichen Vorteil des unfallversicherungsrechtlichen Leistungssystems hervorgehoben, daß die Ansprüche des Geschädigten ohne Verzögerung durch langwierige Streitigkeiten über Verschulden und Mitverschulden festgestellt würden426. Dieser Vorteil wird dem Geschädigten im Rahmen von § 105 Abs. 2 SGB VII durch die Anknüpfung an die zivilrechtlichen Ansprüche genommen. Die Regelung des § 105 Abs. 2 SGB VII wird auch der Sicherstellung des Betriebsfriedens427 nicht gerecht. Zwar finden die Auseinandersetzungen um die zivilrechtlichen Ansprüche, Verschulden und Mitverschulden nicht unmittelbar zwischen dem geschädigten Unternehmer und dem Schädiger statt. Sie werden jedoch lediglich in das sozialrechtliche Verfahren verlagert und nicht aufgehoben, so daß sie weiterhin auch das Verhältnis von Schädiger und Geschädigtem belasten. Allerdings ist dieser Aspekt weniger gravierend, weil das Argument des Betriebsfriedens ohnedies für die Konzeption der §§ 104 ff. SGB VII nicht mehr tragend ist. Entscheidend ist demgegenüber, daß die Geltung des Mindestjahresarbeitsverdienstes als Grundlage und Grenze für die Geldleistungsansprüche des nicht versicherten Unternehmers ebenfalls nicht dem unfallversicherungsrechtlichen Leistungssystem entspricht, nach dem Geldleistungen auf der Basis des Jahresarbeits424 Hinzu kommt, daß der Anspruch des nicht versicherten Unternehmers auf den das Verletztengeld übersteigende Krankengeld-Spitzenbetrag gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB V ruht. Zu den verfassungsrechtlichen Bedenken an dieser Vorschrift vgl. bereits Fn. 375. 425 BVerfG, Beschl. v. 7. 11. 1972 – 1 BvL 4, 17 / 71 und 10 / 72; 1 BvR 355 / 71 –, BVerfGE 34, 118 ff.; vgl. zu dieser Entscheidung B VI. 426 BVerfG, Beschl. v. 7. 11. 1972 – 1 BvL 4, 17 / 71 und 10 / 72; 1 BvR 355 / 71 –, BVerfGE 34, 118, 132. 427 BVerfG, Beschl. v. 7. 11. 1972 – 1 BvL 4, 17 / 71 und 10 / 72; 1 BvR 355 / 71 –, BVerfGE 34, 118, 132; zu den Zweifeln an der Tragfähigkeit des Friedensarguments allerdings oben C.I.1.b)aa).

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

verdienstes berechnet werden. Diese Berechnungsgrundlage läßt ein weiteres Argument des BVerfG in den Hintergrund treten. Das BVerfG hat in seiner Entscheidung428 hervorgehoben, daß der Ausschluß des Schmerzensgeldes für den Geschädigten schon deswegen hinnehmbar sei, weil die Verletzenrente bei leichten und mittelschweren Unfällen ein entgangenes Schmerzensgeld aufwiege. Dem lagen Analysen zugrunde, nach denen die durch den Unfall verursachte Minderung der Erwerbsfähigkeit erst bei mittelschweren Unfällen beginnt, Lohneinbußen zu verursachen429. Zwar steht § 105 Abs. 2 S. 4 SGB VII der Gewährung einer Verletztenrente bis zur Höhe eines fiktiven Schmerzensgeldanspruchs nicht entgegen, weil die Leistungen durch die Höhe des fiktiven Gesamtschadensersatzanspruchs unter Berücksichtigung des Schmerzensgeldes begrenzt werden. Das ändert jedoch nichts daran, daß die Geldleistungsansprüche des Geschädigten nach § 105 Abs. 2 S. 3 SGB VII am Mindestjahresarbeitsverdienst ihre absolute und – die oben genannten Beispielswerte lassen es deutlich werden – sehr niedrige Grenze finden. Mochte der Rechtsverlust, den der versicherte Geschädigte durch die Haftungsfreistellung erleidet, angesichts der mit diesem Rechtsverlust verbundenen Vorteile am Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG noch hinnehmbar sein, so kann dies für die Rechtsposition des nicht versicherten Unternehmers, wie sie ihm § 105 Abs. 2 SGB VII gewährt, nicht mehr gelten. Seine Rechtsposition bleibt – insbesondere durch die auf niedrigem Niveau einsetzende Beschränkung seines Anspruchs auf Geldleistungen – so erheblich hinter den dem Versicherten durch die Haftungsfreistellung gewährten Rechtsvorteilen zurück, daß der Verlust seiner bürgerlich-rechtlichen Schadensersatzansprüche gegen den Schädiger mit den die Diskussion bisher beherrschenden Argumenten nicht zu rechtfertigen ist. Auch der Vorteil, einen zahlungsfähigen Schuldner zu haben (sog. Liquiditätsargument), kann für sich genommen die reduzierten Leistungen an den nicht versicherten Unternehmer nicht rechtfertigen. Es lassen sich aber auch keine weiteren Gründe erkennen, die die Rechtsverluste, denen der nicht versicherte Unternehmer durch seine Einbeziehung in die Haftungsfreistellung nach § 105 Abs. 2 SGB VII im Vergleich zur Rechtsposition eines von der Haftungsfreistellung nicht betroffenen Geschädigten ausgesetzt ist, rechtfertigen könnten. Anliegen der Regelung ist der Schutz der Arbeitnehmer als Schädiger. Damit ging das auch in § 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII zum Ausdruck kom428 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 7. 11. 1972 – 1 BvL 4, 17 / 71 und 10 / 72; 1 BvR 355 / 71 –, BVerfGE 34, 118, 132 ff. 429 Brakel, BArbBl. 1959, 515, 518; Ulrich, BB 1972, 43 f.; diese Analysen haben auch für das heutige Recht noch ihre Gültigkeit, vgl. BVerfG, Beschl. v. 8. 2. 1995 – 1 BvR 753 / 94 –, NJW 1995, 1607; Wannagat / Benz, § 56 Rn. 14, 16; nach Gitter, FS Krasney, S. 173, 178 sind diese Untersuchungsergebnisse angesichts der heute verschlechterten Arbeitsmarktsituation allerdings zu relativieren. Die Verletztenrente enthält insoweit grundsätzlich also auch einen Anteil für den immateriellen Schaden, vgl. Gitter, S. 167; Krasney, FS Lauterbach II, S. 273, 277; Wannagat / Benz, § 56 Rn. 16.

V. Der Haftungsausschluß zu Lasten des Unternehmers

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mende Bestreben einher, die Rechtslage für den betrieblich tätigen Schädiger einheitlich zu gestalten, unabhängig davon, wen er schädigt430. Dieser gesetzgeberischen Zweckbestimmung ist mit der Haftungsfreistellung des Schädigers, der einen nicht versicherten Unternehmer schädigt, genügt. Die Zielvorstellung des Gesetzgebers gebot es aber nicht, die mit der Haftungsfreistellung verbundenen Ansprüche des geschädigten nicht versicherten Unternehmers so unzulänglich auszugestalten, wie es in § 105 Abs. 2 S. 2 bis 4 SGB VII geschehen ist. Allerdings ist die Stellung eines Versicherten schon deshalb nicht mit der eines nicht Versicherten vergleichbar, weil der nicht Versicherte keine Beiträge für seine Versicherung gezahlt hat431. Diese Einsicht hat offensichtlich den Gesetzgeber zu der durch § 105 Abs. 2 S. 2 bis 4 SGB VII bewirkten Leistungsbeschränkung gegenüber den den Versicherten gewährten Leistungen veranlaßt. Hinter der Leistungsbeschränkung mag auch das Bestreben stehen, die Kassen der Unfallversicherungsträger zu schonen, die für die nicht versicherten Unternehmer keine Beiträge erhalten haben und für die die Leistungen daher eine echte Fremdlast darstellen432. Dieser auf die Belange der Unfallversicherungsträger abstellende Gedanke trägt jedoch nicht gegenüber dem Geschädigten, dem seine zivilrechtlichen Ansprüche entzogen werden. Die Berechnung der Geldleistungen auf der Grundlage des Mindestjahresarbeitsverdienstes ist auch nicht deshalb hinnehmbar, weil sie eine zulässige Pauschalierung darstellt. Der Gesetzgeber ist zwar – insbesondere bei Massenerscheinungen – befugt, zu generalisieren, zu typisieren und zu pauschalieren433, ohne allein wegen damit verbundener Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen434. Eine zulässige Typisierung setzt unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes indessen voraus, daß mit ihr verbundene Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären435, daß sie lediglich eine verhältnismäßig Dazu Wannagat / Waltermann, § 105 Rn. 14. Die Auffassung von Plagemann, NZV 2001, 233, 237, der eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung des nicht versicherten Unternehmers im Verhältnis zum versicherten annimmt, vermag danach nicht zu überzeugen. Das Vergleichspaar, um das es hier geht, ist der nicht versicherte Unternehmer einerseits und der von der Haftungsfreistellung nicht betroffene Geschädigte andererseits. 432 Butzer, S. 69; Rolfs, Versicherungsprinzip, S. 466; zu Fremdlasten in der gesetzlichen Unfallversicherung grundlegend auch Wallerath, FS Krasney, S. 697 ff. 433 BVerfG, Urt. v. 24. 7. 1963 – 1 BvL 30 / 57, 11 / 61 –, BVerfGE 17, 1, 23 f.; Beschl. v. 9. 11. 1988 – 1 BvL 22 / 84, 71 / 86, 9 / 87 –, BVerfGE 79, 87, 100; Urt. v. 28. 4. 1999 – 1 BvL 11 / 94, 33 / 95, 1 BvR 1560 / 97 –, BVerfGE 100, 138, 174; Urt. v. 7. 12. 1999 – 2 BvR 301 / 98 –, BVerfGE 101, 297, 309; Beschl. v. 4. 4. 2001 – 2 BvL 7 / 98 –, BVerfGE 103, 310, 319. 434 BVerfG, Urt. v. 28. 4. 1999 – 1 BvL 11 / 94, 33 / 95, 1 BvR 1560 / 97 –, BVerfGE 100, 138, 174; Beschl. v. 4. 4. 2001 – 2 BvL 7 / 98 – BVerfGE 103, 310, 319. 435 BVerfG, Beschl. v. 8. 10. 1991 – 1 BvL 50 / 86 –, BVerfGE 84, 348, 360; Urt. v. 17. 11. 1992 – 1 BvL 8 / 87 –, BVerfGE 87, 234, 255 f.; Urt. v. 28. 4. 1999 – 1 BvL 11 / 94, 33 / 95, 1 BvR 1560 / 97 –, BVerfGE 100, 134, 174 ; Beschl. v. 4. 4. 2001 – 2 BvL 7 / 98 –, BVerfGE 103, 310, 319. 430 431

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist436. Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers ist im übrigen bei bevorzugender Typisierung weiter gespannt als bei benachteiligender Typisierung437. Die hier durch die Geltung des Mindestjahresarbeitsverdienstes vorgenommene benachteiligende Typisierung war indessen nicht nur unter Schwierigkeiten vermeidbar. Es hätte ohne weiteres auf das bewährte System der Unfallversicherung zur Berechnung von Geldleistungen zurückgegriffen werden können. Dabei ist zwar zu beachten, daß der Jahresarbeitsverdienst versicherter Unternehmer gemäß § 83 SGB VII nicht auf der Basis des tatsächlichen Jahresarbeitsverdienstes berechnet wird, sondern die Satzung der Unfallversicherungsträger die Höhe des Jahresarbeitsverdienstes bestimmt. Dahinter steht zumindest für die kraft Gesetzes versicherten Selbständigen das Bestreben, eine oft recht schwierige Ermittlung des tatsächlichen Einkommens durch eine Pauschalierung in der Satzung abzulösen438. Es mag zweifelhaft sein, ob es sinnvoll gewesen wäre, den Unfallversicherungsträgern auch die Festlegung des Jahresarbeitsverdienstes für Personen wie die nicht versicherten Unternehmer zu überlassen, die keine Beiträge erbracht haben. Stattdessen hätte aber die komplizierte Berechnung des tatsächlichen Arbeitseinkommens (§ 15 SGB IV) hingenommen werden müssen. Sie galt bis zum UVEG auch für die kraft Gesetzes versicherten Unternehmer439. In der in § 105 Abs. 2 SGB VII getroffenen Regelung ist nach allem eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung des nicht versicherten Unternehmers gegenüber demjenigen zu erblicken, dem durch einen anderen rechtswidrig und schuldhaft ein Personenschaden zugefügt wird, und der nicht von der Haftungsfreistellung betroffen ist. Die Vorschrift hält damit einer verfassungsrechtlichen Überprüfung am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG nicht stand.

bb) Prüfung am Maßstab des Art. 14 Abs. 1 GG Die Beschränkung der Ansprüche des nicht versicherten Unternehmers könnte ferner gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG verstoßen. Bürgerlichrechtliche Ansprüche wie die durch § 105 Abs. 2 S. 1 SGB VII ausgeschlossenen gehören dem Kreis der Eigentumsrechte im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG an440. 436 BVerfG, Beschl. v. 8. 2. 1983 – 1 BvL 28 / 79 –, BVerfGE 63, 119, 128; Beschl. v. 8. 10. 1991 – 1 BvL 50 / 86 –, BVerfGE 84, 348, 360; Urt. v. 28. 4. 1999 – 1 BvL 11 / 94, 33 / 95, 1 BvR 1560 / 97 –, BVerfGE 100, 138, 174; Beschl. v. 4. 4. 2001 – 2 BvL 7 / 98 –, BVerfGE 103, 310, 319; Dreier / Heun, Art. 3 Rn. 31. 437 BVerfG, Urt. v. 24. 7. 1963 – 1 BvL 30 / 57, 11 / 61 –, BVerfGE 17, 1, 24; Beschl. v. 4. 4. 2001 – 2 BvL 7 / 98 –, BVerfGE 103, 310, 319. 438 BT-Drucks. 13 / 2204, S. 95; Wannagat / Benz, § 83 Rn. 4. 439 Vgl. BT-Drucks. 13 / 2204, S. 95. 440 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 22. 6. 1971 – 2 BvL 10 / 69 –, BVerfGE 31, 212, 220; Beschl.v. 31. 10. 1984 – 1 BvR 35, 356, 794 / 82 –, BVerfGE 68, 193, 222.

V. Der Haftungsausschluß zu Lasten des Unternehmers

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Das BVerfG hat dennoch eine Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG in Fällen des Haftungsausschlusses bislang immer in den Hintergrund treten lassen. Grund hierfür war, daß in den hier in Rede stehenden Fällen bereits zu dem Zeitpunkt des möglichen Entstehens der Ansprüche feststeht, daß sie nicht eingreifen, sondern stattdessen Ansprüche gegen den Unfallversicherungsträger bestehen441. Die Anspruchssituation ist damit von vorneherein umgestaltet442. Eine solche von Anfang an bestehende Anspruchsbeschränkung stellt nach Auffassung des BVerfG keinen Entzug im Sinne der Eigentumsgarantie dar443. Das BVerfG ist in seinen Ausführungen indessen bei diesem Ergebnis nicht stehen geblieben. Vielmehr hat das Gericht in derselben Entscheidung dargelegt, daß dann, wenn der Person für die entzogenen Ansprüche ein Ausgleich durch Versorgungsregelungen gewährt wird, diese als Inhalts- und Schrankenbestimmungen des „Eigentums“ an den Schadensersatzansprüchen im Sinne von Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG anzusehen seien. Es hat ferner festgestellt, daß auch eine von vornherein bestehende gesetzliche Beschränkung einer Rechtsposition die Grenze der Willkür nicht überschreiten dürfe444. Eine Prüfung am Maßstab des Art. 14 GG ist danach auch für eine von vornherein bestehende Anspruchsbeschränkung, deren Entzug durch anderweitige Ansprüche kompensiert werden soll, nicht ausgeschlossen. Die Prüfung der Anspruchsbeschränkung am Maßstab des Art. 14 GG rechtfertigt sich auch daraus, daß die Institutsgarantie des Art. 14 GG es verbietet, daß solche Sachbereiche der Privatrechtsordnung entzogen werden, die zum elementaren Bestand grundrechtlicher Betätigung im vermögensrechtlichen Bereich gehören, und damit der durch das Grundrecht geschützte Freiheitsbereich aufgehoben oder wesentlich geschmälert wird445. Es stellt eine Selbstverständlichkeit der Rechtsordnung dar, daß demjenigen, der in seiner körperlichen Integrität und damit in einem absoluten Recht verletzt wird, ein angemessener Ausgleich in Geld zusteht, wie ihn das BGB seit jeher gewährt. Die dem nicht versicherten Unternehmer in § 105 Abs. 2 S. 2 bis 4 SGB VII gewährten Ansprüche müssen demnach als Inhalts- und Schrankenbestimmung 441 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 22. 6. 1971 – 2 BvL 10 / 69 –, BVerfGE 31, 212, 220 f.; so auch Otto / Schwarze, Rn. 523. 442 Die Rechtstechnik des Gesetzgebers – hier also etwa die Frage, ob die Ansprüche aufgrund eines Haftungsausschlusses nach §§ 104 ff. SGB VII gar nicht erst entstehen oder ob sie nach ihrer Entstehung wegen der §§ 104 ff. SGB VII nicht durchgesetzt werden können (vgl. dazu Fuchs, S. 200 f.) – ist für das BVerfG nicht entscheidend (BVerfG, Beschl. v. 15. 7. 1981 – 1 BvL 77 / 78 –, BVerfGE 58, 300, 336; siehe auch Otto / Schwarze, Rn. 523). Es kommt vielmehr auf die Zusammenschau aller in einem Zeitpunkt geltenden, die Eigentümerstellung regelnden gesetzlichen Vorschriften an. 443 BVerfG, Beschl. v. 22. 6. 1971 – 2 BvL 10 / 69 –, BVerfGE 31, 212, 221. Art. 14 GG schützt nur Rechtspositionen, die einer Person bereits zustehen, vgl. BVerfG, Beschl. v. 20. 4. 1966 – 1 BvR 20 / 62, 27 / 64 –, BVerfGE 20, 31, 34; Beschl. v. 31. 10. 1984 – 1 BvR 35, 356, 794 / 82 –, BVerfGE 68, 193, 222. 444 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 22. 6. 1971 – 2 BvL 10 / 69 –, BVerfGE 31, 212, 221. 445 BVerfG, Beschl. v. 18. 12. 1968 – 1 BvR 638, 673 / 64 und 200, 238, 249 / 65 –, BVerfGE 24, 367, 389; vgl. auch Dreier / Wieland, Art. 14 Rn. 145.

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

mit der Substanz des Art. 14 GG vereinbar sein446. Der Gesetzgeber, der Inhalt und Schranken des Eigentums bestimmt, hat bei der Ausgestaltung der Eigentumspositionen keine vollständige Freiheit. Er muß die schutzwürdigen Interessen der Beteiligten in einen gerechten Ausgleich und in ein ausgewogenes Verhältnis bringen447 und sich dabei im Einklang mit allen anderen Verfassungsnormen halten. Insbesondere ist er an den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden448. Der dem nicht versicherten Unternehmer gewährte rechtlich reduzierte Status in den Fällen des § 105 Abs. 2 SGB VII wird diesen Grundsätzen nach dem bereits zu Art. 3 GG Gesagten nicht gerecht. Zwar ist die Besonderheit, daß gegen den Schädiger kein Anspruch gewährt wird, sondern der Unternehmer einen Anspruch gegen den Unfallversicherungsträger erhält, für sich genommen nicht verfassungsrechtlich bedenklich. Die in § 105 Abs. 2 S. 2 bis 4 SGB VII gewährten Ansprüche stellen jedoch keinen angemessenen Ausgleich für die erlittene Schädigung dar, sondern beschränken die Rechtspositon des Geschädigten willkürlich. Die Verfassungswidrigkeit liegt auch hier insbesondere darin begründet, daß der Mindestjahresarbeitsverdienst als Grundlage für die Gewährung von Geldleistungen herangezogen wird. Die in § 105 Abs. 2 SGB VII getroffene Regelung hält danach auch einer verfassungsmäßigen Überprüfung am Maßstab des Art. 14 GG nicht stand.

cc) Prüfung am Maßstab des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG Die Regelung des § 105 Abs. 2 SGB VII könnte ferner Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG verletzen. In seinem klassischen Gehalt schützt das Recht auf körperliche Unversehrtheit vor gezielten staatlichen Eingriffen. Ein solcher Fall steht hier nicht in Rede. Es ist jedoch heute anerkannt, daß sich das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG nicht in einem subjektiven Abwehrrecht gegenüber staatlichen Eingriffen erschöpft, sondern aus ihm auch die Pflicht des Staates abzuleiten ist, den Einzelnen gegen Eingriffe Dritter aktiv zu schützen. Dem Gesetzgeber ist bei der Ausfüllung einer Schutzpflicht ein weiter Gestaltungsspielraum zuzugestehen, so daß die Entscheidung, welche Maßnahmen geboten sind, nur begrenzt nachprüfbar ist und der 446 Vgl. auch Mann, ZfSH / SGB 2001, 259, 261; in der Literatur wird zudem darauf hingewiesen, daß für den nicht versicherten Unternehmer, dem seine privatrechtlichen Schadensersatzansprüche genommen werden, schon vor dem Hintergrund des Art. 14 GG für eine Kompensation durch Versicherungsleistungen gesorgt sein muß, vgl. KassKomm / Ricke, § 105 SGB VII Rn. 10; Waltermann, NJW 2002, 1225, 1228. Dem entspricht der hier gewählte verfassungsrechtliche Ansatz. 447 BVerfG, Beschl. v. 16. 2. 2000 – 1 BvR 242 / 91, 315 / 99 –, BVerfGE 102, 1, 17; vgl. auch Beschl. v. 2. 3. 1999 – 1 BvL 7 / 91 –, BVerfGE 100, 226, 240. 448 BVerfG, Beschl. v. 14. 7. 1981 – 1 BvL 24 / 78 –, BVerfGE 58, 137, 148; Beschl. v. 16. 2. 2000 – 1 BvR 242 / 91, 315 / 99 –, BVerfGE 102, 1, 17.

V. Der Haftungsausschluß zu Lasten des Unternehmers

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Grundrechtsträger im allgemeinen keinen Anspruch auf die beste Schutzmaßnahme hat449. Dies spräche dafür, daß in der in § 105 Abs. 2 SGB VII getroffenen Regelung keine Verletzung von Art. 2 Abs. 2 GG zu erblicken ist. Es ist für den hier zur Diskussion stehenden Fall indessen zu beachten, daß das zivilrechtliche Haftungsmodell sich als Schutzinstrumentarium bewährt hat. Der Gesetzgeber muß aus diesem Grunde für den Entzug dieses Schutzes und die Gewährung eines anderen Schutzes plausible Gründe anführen können450. Legt man dies zugrunde, so erscheint es nur konsequent, in Übereinstimmung mit den Ausführungen zu Art. 3 und 14 GG die in § 105 Abs. 2 GG getroffene Regelung für mit Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG unvereinbar zu halten, weil sie dem Geschädigten keine ausreichenden Ansprüche für die Verletzung der körperlichen Integrität gewährt. Damit bleibt festzustellen, daß § 105 Abs. 2 SGB VII nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist, solange er den nicht versicherten Unternehmern keine den entzogenen zivilrechtlichen Ansprüchen gerecht werdende Kompensation gewährleistet.

3. Analoge Anwendung der Vorschrift auf andere Unversicherte? In der Literatur ist vorgeschlagen worden, die Regelung des § 105 Abs. 2 SGB VII auf andere nicht versicherte Personen – die nicht versicherten mitarbeitenden Ehegatten (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) und die unternehmerähnlichen Personen (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII) – analog anzuwenden451. Für eine solche Auslegung ließe sich zwar vorbringen, daß es aus der Sicht der Friedensfunktion, der Gefahrgeneigtheit der Arbeit und der Betriebsbezogenheit keinen Unterschied macht, ob der Schädiger Versicherte, unversicherte Unternehmer oder unversicherte unternehmerähnliche Personen und unversichert mitarbeitende Familienangehörige schädigt452. Eine Analogie setzt indessen voraus, daß ein im Gesetz angelegtes Prinzip es gebietet, eine gesetzliche Regelung auch auf Sachverhalte zu erstrecken, für die die Regelung im Gesetz nicht vorgesehen ist453. Ein solches Prinzip kann hinter der in § 105 Abs. 2 SGB VII getroffenen Regelung in ihrer derzeitigen Gestalt jedoch nicht gesehen werden. Schon die verfassungswidrige Ausgestaltung der Ansprüche verbietet eine analoge Anwendung dieser Norm.

449 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 30. 11. 1988 – 1 BvR 1301 / 84 –, BVerfGE 79, 174, 201 f. m. w. N. 450 So überzeugend Otto / Schwarze, Rn. 521. 451 Wannagat / Waltermann, § 105 Rn. 15; für nicht versicherte unternehmerähnliche Personen so auch Kock, S. 108; vgl. ferner Lauterbach / Dahm, § 105 Rn. 22; LPK / Zilch, § 105 Rn. 14. 452 Vgl. KassKomm / Ricke, § 105 SGB VII Rn. 13. 453 Larenz, S. 381.

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

VI. Der Haftungsausschluß nach § 106 Abs. 1 SGB VII – insbesondere: der Haftungsausschluß für Schulunfälle § 106 Abs. 1 SGB VII sieht einen Haftungsausschluß in Fällen des Versicherungsschutzes nach § 2 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 8 SGB VII vor und enthält damit insbesondere – wie die RVO in § 637 Abs. 4 auch – Haftungsfreistellungen im Bereich der Kindergärten, Schulen und Hochschulen. Unter den Schutzbereich des § 106 Abs. 1 SGB VII fallen vor allem die Schulunfälle, die in der Praxis nach den Arbeitsunfällen die bedeutsamste Rolle spielen454. Sie stehen daher auch hier im Vordergrund der Erörterung. Die Kernproblematik der Schülerunfallversicherung besteht wie im alten Recht darin, daß die auf das Arbeitsleben zugeschnittene Terminologie des Gesetzes auf die Schulsituation übertragen werden muß455. Die Neuformulierung hat indessen auch neue Fragestellungen aufgeworfen. 1. Die Reichweite des Haftungsausschlusses gemäß § 106 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII Neuer Interpretationsbedarf hat sich im Hinblick auf die Reichweite des Haftungsprivilegs in § 106 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII ergeben. Während dort ein Haftungsausschluß der nach § 2 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 8 SGB VII Versicherten untereinander vorgesehen ist, regelt § 106 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SGB VII einen Haftungsausschluß zwischen den nach § 2 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 8 SGB VII Versicherten und den Betriebsangehörigen „desselben Unternehmens“. Diese Divergenz in der Formulierung hat zu Unsicherheiten in der Interpretation geführt. a) Meinungsstand Ein Teil der Literatur folgert aus der Formulierung in § 106 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SGB VII, daß der Haftungsausschluß nach Nr. 1 eine Beschränkung auf ein Unternehmen nicht enthält und damit unternehmensübergreifend gilt456. Das hätte zur 454 Die Frage der Haftungsbeschränkung ist im Bereich der Kindertageseinrichtungen (der Versicherungsschutz des § 2 Abs. 1 Nr. 8 a SGB VII ist nicht mehr auf Kindergärten beschränkt) schon deshalb von geringerer Bedeutung, weil diesen Versichertenkreis im Regelfall keine unmittelbare Verantwortlichkeit trifft, vgl. zutreffend Vollmar, VersR 1973, 298, 299. Im Bereich der Hochschulen bedarf es keiner besonderen gedanklichen Umformung der Voraussetzungen des Haftungsausschlusses, da es sich bei Studierenden regelmäßig um erwachsene, voll deliktsfähige Personen handelt, so auch Rolfs, Haftung, S. 181. 455 Lemcke, ZAP Fach 2, S. 199, 214; Wussow / Schneider, Kap. 80 Rn. 131; vgl. bereits BGH, Urt. v. 12. 10. 1976 – VI ZR 271 / 75 –, BGHZ 67, 279, 281 ff.; für das neue Recht inzwischen auch BGH, Urt. v. 26. 11. 2002 – VI ZR 449 / 01 –, NJW 2003, 1121, 1122. 456 Bereiter-Hahn / Mehrtens, § 106 Rn. 4.3; Brackmann / Krasney, § 106 Rn. 8; Hauck / Noftz / Nehls, § 106 Rn. 7; KassKomm / Ricke, § 106 SGB VII Rn. 4; Lauterbach / Dahm, § 106 Rn. 9; Leube, VersR 2000, 948, 950 f.; Wannagat / Waltermann, § 106 Rn. 2.

VI. Der Haftungsausschluß nach § 106 Abs. 1 SGB VII

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Folge, daß ein Haftungsausschluß etwa auch zwischen Schülern einer Privatschule und einer städtischen Schule gelten würde457. Eine andere Auffassung schließt aus dem Verweis auf § 105 SGB VII im Eingangssatz des § 106 Abs. 1 SGB VII, daß der Haftungsausschluß in § 106 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII sich – wie im bisherigen Recht auch – nur auf die Versicherten desselben Betriebes untereinander bezieht458. Unter einem Betrieb wird dabei die jeweilige Einrichtung verstanden459. Es findet danach Berücksichtigung, daß die Rechtsprechung unter weitgehender Unterstützung der Literatur für § 637 Abs. 4 RVO eine gedankliche Umformung des Betriebsbegriffs460 angenommen hat: Die Schule erschöpfe sich nicht im „Lernbetrieb“, sondern umfasse über den eigentlichen Unterricht hinaus mannigfache Veranstaltungen, in der Kinder und Heranwachsende in einer Gemeinschaft zusammengeführt würden, die in vergleichbarer Weise spezifische „schulische“ Gefahren hervorbringe. Aus diesem Grund hat es der BGH als unerheblich für das Kriterium „desselben Betriebes“ angesehen, ob Schädiger und Geschädigter demselben Schulzweig angehören. Es müsse genügen, daß die Gefahren aus dem schulischen Zusammenleben hervorgegangen seien, jedenfalls dann, wenn sich dieses Zusammenleben in einer räumlichen Einheit vollziehe461. In dem vom BGH entschiedenen Fall war die Schülerin einer Hauptschule von einem Schüler einer Sonderschule verletzt worden. Da die Schüler beider Schulen den Schulhof und sonstige Einrichtungen der Sonderschule gemeinsam benutzten, hat der BGH zwischen den beiden Schülergruppen eine schulische Gemeinschaft angenommen und daher das Vorliegen „desselben Betriebes“ bejaht. b) Eigene Ansicht Die wörtliche Auslegung des § 106 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII muß den Eingangssatz mitberücksichtigen, der die entsprechende Geltung der §§ 104, 105 SGB VII anordnet. Für sich genommen ist diese pauschale Verweisung auf beide Privilegierungstatbestände wenig aussagekräftig. Die ausdrückliche Inbezugnahme auch des § 105 SGB VII ist indes dahingehend zu verstehen, daß dessen Voraussetzungen auch im Rahmen des § 106 Abs. 1 SGB VII erfüllt sein müssen, sofern nicht § 106 457 Leube, VersR 2000, 948, 951 betont, daß die Haftungsbegrenzung nicht das wechselseitige Verhältnis der verschiedenen in § 2 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 8 SGB VII genannten Personengruppen betrifft. 458 Kater / Leube, § 106 Rn. 2; LPK / Zilch, § 106 Rn. 6; Schmitt, § 106 Rn. 4; vgl. auch Geigel / Kolb, Kap. 31 Rn. 118; Wussow / Schneider, Kap. 80 Rn. 136. 459 Vgl. Schmitt, § 106 Rn. 4; Wussow / Schneider, Kap. 80 Rn. 136. 460 Vgl. zum Betriebsbegriff im Sinne des § 105 SGB VII oben C.III.2. 461 BGH, Urt. v. 14. 7. 1987 – VI ZR 18 / 87 –, LM Nr. 26 zu § 637 RVO = VersR 1988, 167; zustimmend Geigel / Kolb, Kap. 31 Rn. 118; LPK / Zilch, § 106 Rn. 6; Rolfs, Haftung, S. 171 f.; Wussow / Schneider, Kap. 80 Rn. 136; enger Graßl, BG 1987, 156, 159; wohl auch Kater / Leube, § 106 Rn. 12.

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

Abs. 1 SGB VII ausdrücklich anderweitige Regelungen vorsieht. Der Sache nach handelt es bei dieser Rechtsgrundverweisung damit um eine solche auf § 105 SGB VII, der seinerseits in Abs. 1 S. 3 auf § 104 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 und 3 SGB VII verweist. Eine weitergehende Bedeutung kann der Verweisung auf § 104 SGB VII nicht beigemessen werden, zumal der Haftungsausschluß des Unternehmers selbst gegenüber den nach § 2 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 8 SGB VII Versicherten bereits in § 104 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 SGB VII normiert ist462. Müssen demnach die Voraussetzungen des § 105 SGB VII auch im Rahmen des § 106 Abs. 1 SGB VII vorliegen, spricht dies dafür, daß die nach § 2 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 8 SGB VII Versicherten demselben Betrieb angehören müssen. Die in der Literatur vorgetragenen Bedenken gegen diese Auslegung beziehen sich indessen auf die Systematik. Aus der Einschränkung der Geltung des Haftungsausschlusses nur in demselben Unternehmen in § 106 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SGB VII könnte geschlossen werden, daß § 106 Abs. 1 SGB VII nicht auf das Kriterium „desselben Betriebs“ in § 105 SGB VII Bezug nimmt, so daß diese Einschränkung für § 106 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII nicht gilt. Ein solcher Schluß erscheint indessen keinesfalls zwingend, weil die zusätzliche Wendung „desselben Unternehmens“ in § 106 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SGB VII auch als lediglich klarstellend verstanden werden kann. Diese Interpretation wird durch einen Blick auf die Entstehungsgeschichte bestätigt. Die Regelung in § 106 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII ist aus § 637 Abs. 4 RVO übernommen worden463, dessen Regelungsbereich ebenfalls durch eine Verweisung auf § 637 Abs. 1 RVO – der Vorgängerregelung des § 105 SGB VII – auf den Betrieb beschränkt war. Die amtliche Begründung des UVEG stellt ausdrücklich fest, daß an dieser Rechtslage nichts geändert werden sollte464. Die Schaffung verschiedener Tatbestände innerhalb des § 106 Abs. 1 SGB VII ist daher in erster Linie als eine Klarstellung gegenüber dem bisherigen Recht zu verstehen. Dabei mußten die Tatbestände des § 106 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SGB VII neu formuliert werden, weil eine dementsprechende Regelung § 637 Abs. 4 RVO nicht ohne weiteres entnommen werden konnte465. Dieser eigenständigen Formulierung der Tatbestände kann indessen keine Aussagekraft für die Reichweite des § 106 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII entnommen werden. Dazu bereits oben C.II.2. mit Fn. 276 f.; vgl. Leube, VersR 2000, 948, 950. Soweit die Versicherungstatbestände des § 2 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 8 SGB VII Erweiterungen gegenüber § 539 Abs. 1 Nr. 14, 18 RVO enthalten, ist es auch zu einer Erweiterung des Haftungsausschlusses gekommen (vgl. die amtliche Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 13 / 2204, S. 74 f., z. B. Erstreckung des Versicherungsschutzes für Schüler auf Teilnahme an bestimmten Betreuungsmaßnahmen in § 2 Abs. 1 Nr. 8 b SGB VII und bereits Fn. 454 zu Kindertageseinrichtungen), siehe auch Lemcke, ZAP Fach 2, S. 199, 214; Rolfs, VersR 1996, 1194, 1197. 464 BT-Drucks. 13 / 2204, S. 100. 465 Vgl. BGH, Urt. v. 25. 9. 1979 – VI ZR 184 / 78 –, LM Nr. 10 zu § 637 RVO = VersR 1980, 43, 44 m. w. N. 462 463

VI. Der Haftungsausschluß nach § 106 Abs. 1 SGB VII

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Ein traditionelles Verständnis des § 106 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII entspricht auch der Zielsetzung des Haftungsausschlusses, der insbesondere im Bereich der Schulunfälle im „Schulfrieden“ gesehen wird466. Es wäre verfehlt, dem Schulfrieden eine die Schüler aller Schulen umfassende Bedeutung beizumessen, weil Auseinandersetzungen nur den Frieden innerhalb eines organisatorischen Bereiches stören können467. Die amtliche Begründung zu § 637 Abs. 4 RVO läßt zudem deutlich werden, daß für den Gesetzgeber bei der Schaffung des Haftungsausschlusses auch fiskalische Interessen von Bedeutung waren468. Ihnen kommt indessen im Verhältnis der Versicherten untereinander keinerlei Bedeutung zu, so daß sich damit eine Ausweitung der Haftungsbefreiung durch § 106 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII nicht rechtfertigen läßt. Als Rechtfertigung für den Haftungsausschluß wird allerdings – insbesondere im Schulbereich – häufig der Schutz des schädigenden Schülers angesehen, der vor Ersatzansprüchen zu bewahren sei, die ihn lange Zeit belasten könnten469. Allein dieser Gedanke könnte einen derart weitreichenden Haftungsausschluß rechtfertigen. Zwar entspricht es der allgemeinen Tendenz des UVEG, die Haftungsfreistellung auszudehnen; dabei ist auch der soziale Schutz des Schädigers vor einer Inanspruchnahme besonders ins Blickfeld der gesetzgeberischen Konzeption gerückt470. Für den Sondertatbestand des § 106 Abs. 1 SGB VII läßt sich eine solche Tendenz dem UVEG indessen gerade nicht entnehmen; es sollte hier vielmehr die bisherige Regelung im wesentlichen übernommen werden. Ein derart weitreichendes Schutzbedürfnis ist zudem selbst bei Schülern zweifelhaft. Es ist nämlich zu berücksichtigen, daß die §§ 828, 829 BGB einen Schutz von Minderjährigen vor einem übermäßigen Haftungsrisiko beinhalten und damit bereits eine Abwägung zu dem Entschädigungsinteresse des Geschädigten vorsehen471. Die Auslegung des § 106 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII gibt demnach einen umfassenden Haftungsausschluß innerhalb der in § 2 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 8 SGB VII genannten Personengruppen nicht her. In der Literatur ist indessen weiterhin darauf hingewiesen worden, daß ein betriebsübergreifender Haftungsausschluß zwischen den nach § 2 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 8 Versicherten zumindest über § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII anzunehmen sei, so daß aus dieser Vorschrift ein Haftungsausschluß zwischen Schülern mehrerer 466 BGH, Urt. v. 12. 10. 1976 – VI ZR 271 / 75 –, BGHZ 67, 279, 284; Urt. v. 14. 7. 1987 – VI ZR 18 / 87 –, LM Nr. 26 zu § 637 RVO = VersR 1988, 167; Gitter, JR 1986, 287; Leube, VersR 2000, 948, 951; Wussow / Schneider, Kap. 80 Rn. 131. 467 Anders Leube, VersR 2000, 948, 951. 468 Vgl. BT-Drucks. VI / 1333, S. 5. Es wird hervorgehoben, daß auch der Haftungsausschluß der Lehrer dem Land zugute kommt, das andernfalls auf Grund von Art. 34 GG an Stelle der Lehrer haften würde. Anders Wussow / Schneider, Kap. 80 Rn. 131. 469 BGH, Urt. v. 12. 10. 1976 – VI ZR 271 / 75 –, BGHZ 67, 279, 284; Leube, VersR 2000, 948, 951. 470 Vgl. bereits oben C.I.1.b)ee); C.IV.1.; C.V.1.b). 471 Vgl. Rolfs, Haftung, S. 174; allgemein Kötz / Wagner, Rn. 315.

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

Schulen bei der Benutzung gemeinsamer Einrichtungen (etwa einer Turnhalle oder eines Sportplatzes) zu entnehmen sei472. Die Regelung des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII erstreckt sich jedoch ihrem klaren Wortlaut nach nicht auf die Fälle des § 106 Abs. 1 SGB VII, sondern es handelt sich bei diesen Regelungen um unterschiedliche Tatbestände, die verschiedene Sachbereiche betreffen. Demnach käme nur eine analoge Anwendung des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII für den Bereich des § 106 Abs. 1 SGB VII in Betracht. Die für eine Analogie erforderliche planwidrige Regelungslücke wäre indessen nur anzunehmen, wenn nicht bereits eine sachgerechte Auslegung des Betriebsbegriffs für einen dem Regelungskonzept entsprechenden Anwendungsraum des § 106 Abs. 1 SGB VII sorgen würde. Der Betriebsbegriff ist jedoch durch die Rechtsprechung und Literatur auf die schulischen Gegebenheiten bezogen in dem Sinne interpretiert worden, daß nicht die Zugehörigkeit zu einem Schulzweig, sondern die durch das schulische Zusammenleben in einer räumlichen Einheit entstandene Gemeinschaft entscheidend sei473. Diese schulspezifische Interpretation des Betriebsbegriffs wird nicht nur den Besonderheiten der Schülerunfallversicherung und dem Schulfrieden gerecht, sondern entspricht auch dem seit dem UVEG im Vordergrund des Haftungsausschlusses stehenden Gedanken der Gefahrengemeinschaft, für den nicht die Zugehörigkeit zu einem Betrieb, sondern das Miteinander im Organisationszusammenhang tragend ist. Ihr ist demnach in vollem Umfang beizupflichten. Mit dieser Interpretation sind die Grenzen des Haftungsausschlusses sachgerecht gezogen, so daß es einer darüber hinausgehenden analogen Anwendung des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII nicht bedarf.

2. Der Begriff „desselben Unternehmens“ im Sinne von § 106 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SGB VII Eine weitere Unsicherheit hat sich für § 106 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SGB VII dadurch ergeben, daß hier der Unternehmensbegriff verwendet wird, statt – wie bisher – der Betriebsbegriff. Es ist vorgeschlagen worden, für das Verständnis des Unternehmensbegriffs im Sinne von § 106 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SGB VII an den Unternehmerbegriff anzuknüpfen474. Für den Bereich der staatlich-kommunalen Schulen ist nach dieser Ansicht zu berücksichtigen, daß zwei Unternehmer – und damit zwei Unternehmen – an einer Schule beteiligt sind: die Gemeinden als Schulsachkostenträger im Sinne des § 136 Abs. 3 Nr. 3 SGB VII und das Land als Schulhoheitsträger475. Die Schüler sind dem sog. äußeren Schulbereich und damit den Gemeinden zuzuordnen. Diese Auffassung führt dazu, daß zwischen Schülern 472 Brackmann / Krasney, § 106 Rn. 8; vgl. auch Lemcke, ZAP Fach 2, S. 199, 214; Leube, VersR 2000, 948, 951. 473 Vgl. die Nachweise oben Fn. 461. 474 KassKomm / Ricke, § 106 SGB VII Rn. 6; Leube, VersR 2000, 948, 951. 475 Vgl. BT-Drucks. 13 / 2204, S. 81; Leube, VersR 2000, 948.

VI. Der Haftungsausschluß nach § 106 Abs. 1 SGB VII

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und allen Betriebsangehörigen derselben Gemeinde der Haftungsausschluß des § 106 Abs. 1 Nr. 2, 3 SGB VII besteht476. Andere Teile der Literatur interpretieren indessen den Unternehmensbegriff in § 106 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SGB VII auf die jeweilige Einrichtung – also beispielsweise eine Schule oder Hochschule – bezogen477. Der Unternehmensbegriff des SGB VII wird in § 121 Abs. 1 SGB VII durch die Begriffe Betriebe, Verwaltungen, Einrichtungen, Tätigkeiten konkretisiert478; es handelt sich somit um einen Sammelbegriff479, dessen Reichweite der Interpretation im Einzelfall bedarf480. Auf den ersten Blick sind demnach beide Auslegungsvarianten möglich: Die Verwendung des Unternehmensbegriffs kann umfassend verstanden werden, so daß die jeweilige Gemeinde etc. gemeint ist. Ebensogut ist es möglich, daß die Verwendung des Unternehmensbegriffs an dieser Stelle im Sinne der einzelnen Einrichtung481 zu verstehen ist. Aufschluß über das Verständnis des Unternehmensbegriffs in § 106 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SGB VII gibt jedoch die Formulierung im Eingangssatz der Norm, der sich auf die in § 2 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 8 genannten Unternehmen bezieht482. In dieser letztgenannten Vorschrift werden indessen nur einzelne Einrichtungen genannt, also etwa Betriebsstätten und Lehrwerkstätten (vgl. Nr. 2) oder Tageseinrichtungen, Schulen und Hochschulen (vgl. Nr. 8). Der Sachkostenträger findet demgegenüber keine Erwähnung. Auch ein Blick auf die Historie bestätigt diese Interpretation. Wenn es in der amtlichen Begründung zu § 637 Abs. 4 RVO – dessen Regelungsgehalt im SGB VII übernommen werden sollte – heißt „in dem Unternehmen (d. h. der Schule)“483, dann zeigt auch dieser Klammerzusatz, daß der Gesetzgeber die einzelne Einrichtung als Unternehmen verstanden wissen wollte. Schließlich rechtfertigt auch das Friedensargument keinen für den gesamten Sachkostenträger geltenden Haftungsausschluß, sondern seine Tragfähigkeit ist auf den jeweiligen Organisationsbereich – und damit die Einrichtung – beschränkt. Als Unternehmen im Sinne des § 106 Abs. 1 SGB VII ist demnach die jeweilige Einrichtung aufzufassen. Es bleibt jedoch festzuhalten, daß die aufgetretenen Unsicherheiten bei der Interpretation auf einer unklaren Gesetzesfassung beruhen. Schon im Rahmen des § 105 Abs. 1 SGB VII war festzustellen, daß die wechselnde Verwendung der BeLeube, VersR 2000, 948, 951 f. Brackmann / Krasney, § 106 Rn. 9; Kater / Leube, § 106 Rn. 12; Lemcke, r+s 2000, 461; so inzwischen auch BGH, Urt. v. 26. 11. 2002 – VI ZR 449 / 01 –, NJW 2003, 1121. 478 Dazu bereits oben C.III.2. mit Fn. 305. 479 Brackmann, Voraufl., S. 503 b; Hauck / Noftz / Nehls, § 121 Rn. 3. 480 Brackmann / Krasney, § 121 Rn. 7. 481 Zu Schulen und Kindergärten als Einrichtungen im Sinne von § 121 Abs. 1 SGB VII vgl. nur KassKomm / Ricke, § 121 SGB VII Rn. 4. 482 Dazu auch Lemcke, r+s 2000, 461. 483 BT-Drucks. VI / 1333, S. 5. 476 477

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

griffe „Betrieb“ und „Unternehmen“ vermeidbare Auslegungsprobleme mit sich bringt; diese setzen sich in § 106 Abs. 1 SGB VII fort. Für diesen Tatbestand hätten sich die Unsicherheiten vermeiden lassen, indem durchgängig der sachgerechtere Begriff der Einrichtung verwendet worden wäre.

3. Die Systemgerechtigkeit der Anknüpfung an die Betriebsangehörigkeit auf der Verletztenseite in § 106 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII Eine die Rechtssystematik der §§ 104 ff. SGB VII betreffende neue Fragestellung ergibt sich dadurch, daß in § 106 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII ein Haftungsausschluß gegenüber Betriebsangehörigen vorgesehen ist. Damit setzt die Norm nicht voraus, daß der Verletzte Versicherter ist484 und insofern Versicherungsleistungen erhält. Diese Anknüpfung an die Betriebsangehörigkeit hat zunächst zur Folge, daß sich auch ein beamteter Lehrer den Haftungsausschluß entgegenhalten lassen muß485. Der Beamte erhält im Fall des Dienstunfalls Unfallfürsorge, so daß ihm gegenüber ein Haftungsausschluß sachgerecht ist. Für diese Fallkonstellation bestand im bisherigen Recht der RVO eine Lücke: Der BGH hatte die Anwendung des Haftungsausschlusses für den Fall abgelehnt, daß ein Schüler einen beamteten Lehrer verletzt hatte486. Diese Entscheidung wurde als ungerecht empfunden, weil es keinen Unterschied machen könne, ob der Schüler einen beamteten oder einen angestellten Lehrer verletze; gegenüber letzterem hätte der Haftungsausschluß gemäß dem damaligen § 637 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 RVO eingegriffen487. Darüber hinaus stellt aber die Anknüpfung an die Betriebsangehörigkeit auf der Verletztenseite in § 106 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII nicht sicher, daß der Verletzte eine Kompensation für die ihm entzogenen Ansprüche erhält. Insbesondere findet § 105 Abs. 2 S. 2 bis 4 SGB VII keine Anwendung, weil § 106 Abs. 1 SGB VII nur hinsichtlich der Ersatzpflicht der dort genannten Personen auf die §§ 104, 105 SGB VII verweist, nicht aber Leistungspflichten der Unfallversicherung begründet. Auch eine analoge Anwendung der – ohnedies als Ausnahmeregelung konzipierten 484 Vgl. zum Begriff der Betriebsangehörigkeit im einzelnen oben C.I.2.a) und BGH, Urt. v. 27. 11. 1984 – VI ZR 296 / 81 –, VersR 1985, 237 f.; Vollmar, VersR 1986, 681. 485 Brackmann / Krasney, § 106 Rn. 9; Hauck / Noftz / Nehls, § 106 Rn. 8; Kater / Leube, § 106 Rn. 8 f.; Leube, VersR 2000, 948, 951; Schmitt, § 106 Rn. 5. Es bedarf angesichts der in § 106 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII speziell getroffenen Regelung keines Rückgriffs auf § 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII, so auch Leube, VersR 2000, 948, 951; anders wohl noch ders., ZTR 1999, 302, 303. 486 BGH, Urt. v. 14. 1. 1986 – VI ZR 10 / 85 –, NJW 1986, 1937 f.; zustimmend Gitter, JR 1986, 287. 487 Müller, SGb 1986, 520, 521 ff.; Rolfs, Haftung, S. 180; Vollmar, VersR 1986, 681 ff.; vorher wurde die Anwendbarkeit des Haftungsausschlusses eines Schülers zu Lasten eines beamteten Lehrers bereits von Gamillscheg / Hanau, S. 175 und Plagemann / Plagemann, Rn. 436 bejaht.

VII. Der Haftungsausschluß zu Lasten Pflegebedürftiger

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– Vorschrift des § 105 Abs. 2 SGB VII kommt nach der hier vertretenen Auffassung nicht in Betracht, weil sie keine den entzogenen Ansprüchen gerecht werdende Kompensation gewährleistet und deswegen verfassungwidrig ist488. Es spricht daher vieles dafür, mit Rücksicht auf diese Kompensationslücke den Tatbestand des § 106 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII im Wege der verfassungskonformen Auslegung489 dahingehend zu beschränken, daß entsprechend der in § 105 Abs. 1 SGB VII getroffenen Regelung nur Versicherte und nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherungsfreie Personen den Haftungsausschluß gegen sich gelten lassen müssen490. Diese Problematik wird jedoch praktisch nicht relevant werden. Wenn man von den versicherungsfreien Beamten absieht, werden alle anderen Personen, die als Betriebsangehörige491 in der Schule oder einer anderen Einrichtung anzusehen sind, zumindest über § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII versichert sein, dessen Anforderungen gegenüber denen an eine Betriebsangehörigkeit geringer sind492.

VII. Der Haftungsausschluß zu Lasten Pflegebedürftiger gemäß § 106 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII Zunächst weitgehend unbemerkt geblieben ist die Einführung eines Haftungsausschlusses von Pflegepersonen gegenüber Pflegebedürftigen in Fällen des § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII durch § 106 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII. Bei genauerem Hinsehen unterliegt diese Regelung allerdings durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Vgl. oben C.V.2.b). Vgl. Larenz, S. 340 m. w. N.; zur verfassungskonformen Auslegung siehe auch C.VII.2. 490 So auch KassKomm / Ricke, § 106 SGB VII Rn. 6. 491 Zum weiten Verständnis des BGH im Hinblick auf die Betriebsangehörigkeit im Schulbereich vgl. Urt. v. 25. 9. 1979 – VI ZR 184 / 78 –, LM Nr. 10 zu § 637 RVO = VersR 1980, 43, 44 (Ehemann einer an der Schule tätigen Lehrerin, der bei einem Basar den WürstchenGrill bedient, ist Betriebsangehöriger); Urt. v. 3. 2. 1981 – VI ZR 178 / 79 –, VersR 1981, 428, 429; ablehnend Rolfs, Haftung, S. 178. Der BGH hält an diesem weiten Verständnis des Begriffs der Betriebsangehörigkeit auch im Rahmen des neuen Rechts fest, vgl. Urt. v. 26. 11. 2002 – VI ZR 449 / 01 –, NJW 2003, 1121, 1122. In der Literatur ist die Anknüpfung an die Betriebsangehörigkeit im neuen Recht kritisiert worden (Leube, VersR 2000, 948, 951); zum Teil wird über den Wortlaut hinausgehend ein Haftungsausschluß aller „Wie“-Beschäftigten befürwortet (Brackmann / Krasney, § 106 Rn. 9; KassKomm / Ricke, § 106 SGB VII Rn. 6 f.; Otto / Schwarze, Rn. 595). Dem steht jedoch der klare Wortlaut des Gesetzes entgegen. 492 Zu den Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII im einzelnen oben C.I.2.b); dem Versicherungsschutz mithelfender Eltern von Schülern oder Eheleuten von Lehrern steht insbesondere nicht entgegen, daß sie aufgrund ihrer familiären Beziehungen tätig werden (dazu Krasney, NZS 1999, 577, 580 m. w. N.). Diese Beziehungen bestehen schließlich nicht zu der Einrichtung selbst, sondern zu Personen, die außerhalb des Versicherungsverhältnisses stehen, so daß ihnen keine Bedeutung zukommt; vgl. ohne nähere Begründung auch Kater / Leube, § 106 Rn. 11; Leube, VersR 2000, 948, 951. 488 489

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

Ihre Besonderheit liegt darin, daß sie Personen – Pflegebedürftigen – Ansprüche entzieht, obwohl diese regelmäßig keinen Versicherungsschutz493 in der Unfallversicherung erhalten494. Aus diesem Grunde liegt es nahe, aus dem Verweis auf die entsprechende Geltung der §§ 104, 105 SGB VII im Eingangssatz des § 106 Abs. 2 SGB VII auf eine Geltung auch des § 105 Abs. 2 SGB VII zu schließen mit der Folge, daß der Pflegebedürftige die dort vorgesehenen Versicherungsleistungen erhält495. Eine solche Sichtweise verkennt indes, daß § 106 Abs. 2 SGB VII ebenso wie dessen Abs. 1 nur hinsichtlich der Ersatzpflicht der in der Vorschrift genannten Personen auf die entsprechende Geltung der §§ 104, 105 SGB VII verweist. Die Vorschrift nimmt damit nach ihrem klaren Wortlaut nicht die Leistungsregelung des § 105 Abs. 2 SGB VII in Bezug.

1. Verfassungsrechtliche Überprüfung der Vorschrift Für sich betrachtet ist der in § 106 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII normierte kompensationslose Entzug der Ansprüche daher nach den oben aufgezeigten verfassungsrechtlichen Maßstäben496 unter verschiedenen Gesichtspunkten verfassungswidrig. Es kommt hinzu, daß in dem Haftungsausschluß zu Lasten Pflegebedürftiger497 auch ein Verstoß gegen das absolute Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG liegt. Die Pflegebedürftigkeit im Sinne des § 14 SGB XI – auf diese Vorschrift nimmt § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII Bezug – ist als eine Behinderung im Sinne des Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG anzusehen. Der Schutzbereich dieser Verfassungsnorm umfaßt die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden Funktionsbeeinträchtigung, die auf einem regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustand beruht498. Diese Voraussetzungen sind in Fällen der Pflegebedürftigkeit gemäß § 14 SGB XI regelmäßig erfüllt499. § 106 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII knüpft an diese Behinderung an. Die Vorschrift hat daher vor Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG nur dann Bestand, 493 Vgl. zur Frage des – fehlenden – Unfallversicherungsschutzes Pflegebedürftiger BTDrucks. 14 / 429 Frage Nr. 27, S. 16; Leube, SozVers 2000, 314 ff. und die Erwiderung von Ricke, SozVers 2001, 174 ff. 494 Zum Grundkonzept der Geltung des Haftungsausschlusses nur zu Lasten Versicherter oben C.IV.1. 495 So KassKomm / Ricke, § 106 SGB VII Rn. 9; Lauterbach / Dahm, § 106 Rn. 12; Leube, BG 2001, 139, 141; Mann, ZfSH / SGB 2001, 259, 260. 496 Vgl. dazu ausführlich oben C.V.2.b). 497 Der Haftungsausschluß greift unabhängig davon ein, ob der Pflegebedürftige die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Pflegeanspruch erfüllt, da § 14 SGB XI, an den die Vorschrift des § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII anknüpft, nur die medizinischen Voraussetzungen der Pflegebedürftigkeit regelt, vgl. Schulin / Schlegel, HS-UV § 18 Rn. 95. 498 BVerfG, Beschl. v. 8. 10. 1997 – 1 BvR 9 / 97 –, BVerfGE 96, 288, 301; Beschl. v. 19. 1. 1999 – 1 BvR 2161 / 94 –, BVerfGE 99, 341, 356 f.; Jarass / Pieroth, Art. 3 Rn. 127 m. w. N. 499 So auch Mann, ZfSH / SGB 2001, 259, 264 f.

VII. Der Haftungsausschluß zu Lasten Pflegebedürftiger

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wenn sie unerläßlich ist, um behinderungsbedingten Besonderheiten Rechnung zu tragen500. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Die amtliche Begründung schweigt über die Veranlassung für die in § 106 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII getroffene Neuregelung. Auch die Literatur hat sich mit der Frage der inneren Rechtfertigung dieser Regelung bisher nur vereinzelt beschäftigt501. Die Neuregelung in § 106 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII bewirkt im Unterschied zum bisherigen Recht einen umfassenden Haftungsausschluß zwischen allen am Pflegeverhältnis Beteiligten. Ziel einer solchen Regelung könnte vor allem die Wahrung des Rechtsfriedens502 und damit die Funktionstüchtigkeit des Pflegeverhältnisses sein. Diesem Pflegeverhältnis hat der Gesetzgeber besondere Bedeutung beigemessen; er wollte durch die Einführung des Versicherungsschutzes von Pflegepersonen die häusliche Pflege durch Verwandte fördern503. Es ist allerdings schon zweifelhaft, ob der kompensationslose Entzug von Ansprüchen den Frieden innerhalb des Pflegeverhältnisses überhaupt fördern kann. Hinzu kommen könnte jedoch der Schutz der Pflegepersonen als Begründung für ihren Haftungsausschluß. Der Gesetzgeber hat die Tätigkeit der Pflegepersonen als eine „herausragende soziale, uneigennützige Aufgabe“ bezeichnet504. Aus der Sicht des Schädigers mag es durchaus als billig erscheinen, ihn angesichts der Erfüllung einer solchen sozialen Aufgabe zumindest von Schadensersatzansprüchen freizustellen. Eine solche Sichtweise vernachlässigt jedoch in nicht hinnehmbarer Weise die Situation des auf die Pflege angewiesenen Pflegebedürftigen, der seinerseits aufgrund seiner durch die Pflegebedürftigkeit hervorgerufenen Hilfsbedürftigkeit eines besonderen Schutzes bedarf. Der Schutz der Pflegepersonen kann demnach nicht derart auf Kosten der Pflegebedürftigen verwirklicht werden. Das Argument der Gefahrengemeinschaft innerhalb des Pflegeverhältnisses kann ebenfalls die Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen, da die Pflegepersonen im Falle der Schädigung im Unterschied zu den Pflegebedürftigen Versicherungsleistungen aus der Unfallversicherung erhalten. Ebensowenig steht die in § 106 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII vorgesehene kompensationslose Haftungsfreistellung mit Art. 14 GG in Einklang, der entsprechend den obigen Ausführungen hier Platz greift, obwohl die Ansprüche des Pflegebedürftigen von vornherein ausgeschlossen sind. Ferner ist ein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG festzustellen, da dem Pflegebedürftigen der zivilrechtliche Haftungsschutz ohne plausiblen Grund entzogen wird. Hierzu wird im einzelnen auf die obigen Ausführungen zu den Problemen der Verfassungsmäßigkeit der in § 105 Abs. 2 S. 2 bis 4 SGB VII getroffenen Regelung Bezug genommen505. 500 Zu dieser Anforderung an eine Rechtfertigung von Beeinträchtigung im Sinne des Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG vgl. BVerfG, Beschl. v. 19. 1. 1999 – 1 BvR 2161 / 94 –, BVerfGE 99, 341, 357; Jarass / Pieroth, Art. 3 Rn. 133 m. w. N. 501 Ausführlich jedoch Mann, ZfSH / SGB 2001, 259, 260 ff. 502 So auch Mann, ZfSH / SGB 2001, 259, 262. 503 BT-Drucks. 12 / 5262, S. 162. 504 BT-Drucks. 12 / 5262, S. 162. 505 Vgl. oben C.V.2.b).

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

2. Verfassungskonforme Auslegung Bevor § 106 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII jedoch abschließend für verfassungswidrig erklärt werden kann, bedarf es der Untersuchung, ob die Norm nicht verfassungskonform ausgelegt werden kann. Das BVerfG geht in ständiger Rechtsprechung von einem Vorrang der verfassungskonformen Auslegung vor der Erklärung einer Norm für verfassungswidrig aus506. Dieses Auslegungsprinzip ist auch in der Literatur im Grundsatz unbestritten507. Gibt es nach den herkömmlich anerkannten Methoden der Auslegung mehrere Möglichkeiten der Deutung, von denen zumindest eine verfassungsgemäß ist, so gilt die Norm in dieser Auslegung508. Es ließe sich an eine verfassungkonforme Auslegung des § 106 Abs. 2 SGB VII dahingehend denken, daß unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Norm auch § 105 Abs. 2 SGB VII und der durch diese Vorschrift vorgesehene Versicherungsschutz durch die Verweisung in Bezug genommen wird. Nach der hier vertretenen Ansicht scheidet diese Sichtweise jedoch – abgesehen davon, daß der Wortlaut des § 106 Abs. 2 SGB VII ein solches Verständnis der Verweisung nicht zuläßt509 – schon deshalb aus, weil § 105 Abs. 2 SGB VII seinerseits verfassungswidrig ist. Auch eine verfassungkonforme Auslegung kann damit die Verfassungswidrigkeit des § 106 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII nicht verhindern.

VIII. Die Tatbestände des § 106 Abs. 3 SGB VII 1. Das Haftungsprivileg bei Unfällen auf einer gemeinsamen Betriebsstätte Der Gesetzgeber hat in § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII einen neuartigen Tatbestand des Haftungsausschlusses in das Normengefüge eingeführt. Mit dem Begriff der gemeinsamen Betriebsstätte schafft der Gesetzgeber eine neue Rechtsfigur. Schon 506 Vgl. etwa aus letzter Zeit BVerfG, Beschl. v. 25. 3. 1992 – 1 BvR 298 / 86 –, BVerfGE 86, 28, 45; Beschl. v. 30. 3. 1993 – 1 BvR 1045 / 89, 1381 / 90 und 1 BvL 11 / 90 –, BVerfGE 88, 145, 166; Beschl. v. 24. 5. 1995 – 2 BvF 1 / 92 –, BVerfGE 93, 37, 81; Beschl. v. 15. 10. 1996 – 1 BvL 44, 48 / 92 –, BVerfGE 95, 64, 93. 507 Vgl. nur Hesse, Rn. 79 m. w. N.; Steiner, FS Leisner, S. 569, 572 ff.; Zippelius, FS BVerfG, S. 108 ff. 508 Vgl. nur BVerfG, Beschl. v. 15. 6. 1983 – 1 BvR 1025 / 79 –, BVerfGE 64, 229, 241 f.; Urt. v. 24. 4. 1985 – 2 BvF 2, 3, 4 / 83 und 2 / 84 –, BVerfGE 69, 1, 55 m. w. N. Die Pflicht zur verfassungskonformen Auslegung ergibt sich aus dem Respekt vor dem Willen des Gesetzgebers. Dieser ist aufrechtzuerhalten, soweit es die Verfassung zuläßt, siehe BVerfG, Beschl. v. 3. 6. 1992 – 2 BvR 1041 / 88, 78 / 89 –, BVerfGE 86, 288, 320 m. w. N.; Beschl. v. 26. 4. 1994 – 1 BvR 1299 / 89 und 1 BvL 6 / 90 –, BVerfGE 90, 263, 275. 509 Die verfassungskonforme Auslegung findet ihre Grenze dort, wo sie zu dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde, vgl. aus letzter Zeit BVerfG, Beschl. v. 19. 1. 1999 – 1 BvR 2161 / 94 –, BVerfGE 99, 341, 358; Urt. v. 14. 12. 1999 – 1 BvR 1327 / 98 –, BVerfGE 101, 312, 329 m. w. N.

VIII. Die Tatbestände des § 106 Abs. 3 SGB VII

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deshalb kann es nicht verwundern, daß es bei der Begriffsbestimmung zu kontroversen Diskussionen gekommen ist. Es kommt hinzu, daß auch der Inhalt der Norm eine erhebliche Änderung bewirkt. Bisher kam die Haftungsbefreiung nur zum Tragen, wenn Schädiger und Geschädigter demselben Betrieb510 angehörten oder zu ihm in einer oben511 dargelegten Beziehung standen. Diese Schranke ist jetzt entfallen. § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII entfaltet – ganz in der Spur der auf die Erweiterung der Haftungsfreistellung gerichteten Zielsetzung des SGB VII – eine unternehmensübergreifende haftungsbefreiende Wirkung. Die Entscheidung, wie weit diese Wirkung reicht, überläßt der Gesetzgeber dem Rechtsanwender. Die amtliche Begründung des Regierungsentwurfs hilft nicht weiter. In ihr wird lediglich festgestellt, daß die Vorschrift Haftungsbeschränkungen beim vorübergehenden Tätigwerden mehrerer Unternehmen auf einer gemeinsamen Betriebsstätte regelt512. a) Der Begriff der gemeinsamen Betriebsstätte im Sinne von § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII Die angesichts der historischen Entwicklung überraschend weitreichende Haftungsfreistellung in § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII wird durch den neuartigen Begriff der gemeinsamen Betriebsstätte eingegrenzt. Wenig Probleme bereitet dabei der Begriff der Betriebsstätte. Es entspricht der wohl allgemeinen Auffassung, daß der Begriff der Betriebsstätte – für sich genommen – umfassend zu verstehen ist. Unter den Begriff fällt jede Örtlichkeit, an der die gemeinsame Tätigkeit verrichtet wird513. In der Literatur wird vor allem § 2 ArbStättV als Auslegungshilfe herangezogen514. Danach gehören zu den Arbeitsstätten unter anderem Baustellen einschließlich der Verkehrswege, Lager-, Neben-, Umkleide-, Wasch- und Toilettenräume. Die amtliche Begründung des Regierungsentwurfs zum UVEG spricht für ein umfassendes Verständnis des Begriffs der Betriebsstätte. Der Entwurf sah in § 16 Abs. 2 SGB VII eine weitere Regelung vor, die auf den Begriff der Betriebsstätte abstellte. Es wurde hierzu ausgeführt, daß eine Betriebsstätte jeder Ort sei, an dem Arbeiten verrichtet würden, wie Betriebsgebäude, Baustellen, landwirtschaftliche Flächen, Waldparzellen. Zwar wurde § 16 Abs. 2 SGB VII noch im Gesetzgebungsverfahren geändert; der Begriff der Betriebsstätte ist dadurch entfallen515. Dennoch erlauben diese Ausführungen ei510

Vgl. zum Begriff des Betriebs im Sinne von § 105 SGB VII bzw. § 637 RVO oben

C.III. S.o. C.I.2.a); C.II. Vgl. BT-Drucks. 13 / 2204, S. 100. 513 KassKomm / Ricke, § 106 SGB VII Rn. 10; Kater / Leube, § 106 Rn. 19. 514 Brackmann / Krasney, § 106 Rn. 15; Jahnke, r+s 1999, 353, 354; ders., VersR 2000, 155, 156; ders., NJW 2000, 265, 266; Kater / Leube, § 106 Rn. 19; Zacharias, BB 2000, 2411. 515 Vgl. BT-Drucks. 13 / 4754, S. 29; BT-Drucks. 13 / 4853, S. 17. 511 512

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

nen Rückschluß auf das Verständnis dieses Begriffs, über den damit weitgehend Klarheit besteht. Die Schwierigkeit der Normanwendung beruht jedoch darauf, daß das Gesetz eine „gemeinsame“ Betriebsstätte für Schädiger und Geschädigten verlangt. Bis zu einer Leitentscheidung des BGH vom 17. 10. 2000516, die die Grundlagen der Begriffsbestimmung für die Praxis festgelegt hat, wurden in der Literatur und auch in der Rechtsprechung der Instanzgerichte die verschiedensten Auffassungen zur Reichweite des Begriffs der gemeinsamen Betriebsstätte vertreten. aa) Meinungsstand zum Begriff der gemeinsamen Betriebsstätte vor der Entscheidung des BGH Nach einem Teil der Literatur soll die Vorschrift keine über das bisherige Recht der RVO hinausgehende Bedeutung haben, sondern namentlich die Fälle der Arbeitsgemeinschaft erfassen517. Ein nahezu ebenso enges Verständnis wird in der Literatur an anderer Stelle unter Anknüpfung an die beiden anderen von § 106 Abs. 3 SGB VII geregelten Fallkonstellationen zugrundegelegt. Kennzeichnend für den seltenen Sonderfall der gemeinsamen Betriebsstätte sei, daß eine durchgängige Planung und Organisation nicht möglich und daher Improvisation geboten sei; ferner müßten die Arbeiten mit erhöhter Gefahr für die Beschäftigten verbunden sein518. Andere fordern, daß die verschiedenen Unternehmen einen gemeinsamen Zweck verfolgen und nur deshalb auf der gemeinsamen Betriebsstätte tätig werden519. In ähnlicher Weise verlangt eine weitere Auffassung die Unterhaltung einer gemeinsamen Betriebsstätte in gemeinsamer Organisation520. Eine andere Meinung fordert die Verknüpfung der Arbeiten miteinander etwa durch Abstimmung der Arbeitsabläufe in räumlicher und zeitlicher Hinsicht521 oder Absprachen522 und damit ein Arbeiten „Hand in Hand“523. 516 BGH, Urt. v. 17. 10. 2000 – VI ZR 67 / 00 –, BGHZ 145, 331 ff. = VersR 2001, 336 f. = NJW 2001, 443. 517 Greger, Anh. II Rn. 26; dahingehend auch Otto, NZV 1996, 473, 477; Müller, NZV 2001, 366, 368 f. 518 Steinfeltz, BG 1997, 378, 379. 519 Baethge, NZA 1999, 73, 75 (der gemeinsame Zweck kann sich nach seiner Auffassung etwa in gleichen oder gemeinsamen vertraglichen Beziehungen zu einem Dritten in Zusammenhang mit den an der Betriebsstätte zu verrichtenden Arbeiten oder Gewerken manifestieren); Hauck / Noftz / Nehls, § 106 Rn. 16 (gemeinsames Ziel); Maschmann, SGb 1998, 54, 59; auf den gemeinsamen Zweck stellen auch Brackmann / Krasney, § 106 Rn. 16 und Küppersbusch, Rn. 419 b ab; sie interpretieren einen solchen Zweck jedoch umfassend. 520 Schmitt, § 106 Rn. 9. 521 OLG Hamm, Beschl. v. 11. 12. 2000 – 6 W 41 / 00 –, r+s 2000, 150; LPK / Zilch, § 106 Rn. 12. 522 Lemcke, r+s 1999, 376; ders., ZAP Fach 2, S. 199, 211. 523 OLG Braunschweig, Urt. v. 8. 7. 1999 – 2 U 192 / 98 –, r+s 1999, 459, 462; ähnlich auch Diehl, zfs 2000, 200 f.; in diese Richtung auch Waltermann, NJW 1997, 3401, 3403.

VIII. Die Tatbestände des § 106 Abs. 3 SGB VII

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Die zu diesen Ansätzen in der Literatur angestellten Überlegungen konzentrieren sich im wesentlichen auf die grundlegende Frage, welche Argumente für eine enge Auslegung des Tatbestandsmerkmals der gemeinsamen Betriebsstätte sprechen. Es wird davon ausgegangen, daß die §§ 104 ff. SGB VII Ausnahmevorschriften vom zivilrechtlichen Haftungssystem darstellten und Ausnahmevorschriften immer eng auszulegen seien524. Auch der Regelungszusammenhang des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII spreche für eine enge Auslegung. In den anderen Fällen des § 106 Abs. 3 SGB VII sei ebenfalls ein „Zusammenwirken“ und damit nicht ein nur paralleles Tätigwerden der Unternehmen erforderlich525. Ferner wird auf die versteckte Stellung der Norm im Gefüge der §§ 104 ff. SGB VII hingewiesen, die einer extensiven Auslegung entgegenstehe526. Hätte der Gesetzgeber einen umfassenden Haftungsausschluß regeln wollen, dann hätte er – so wird ausgeführt – zudem auf § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII in seiner derzeitigen Form verzichten können und nur einen Haftungsausschluß für Tätigkeiten auf einer gemeinsamen Betriebsstätte vorsehen können527. Ferner wird die fehlende Aussagekraft der amtlichen Begründung des Regierungsentwurfs als Argument für eine restriktive Auslegung des Tatbestandes angeführt528. Der Gesetzgeber sei zudem von der Kostenneutralität der Regelungen ausgegangen529. Dem stehe eine weite Auslegung entgegen, die angesichts der häufigeren Inanspruchnahme der gesetzlichen Unfallversicherung erhebliche Kosten verursachen würde530. Für eine einschränkende Auslegung spreche auch, daß die Vorschrift mit dem System des Haftungsausschlusses breche. Anders als zur Zeit der Geltung der RVO gewinne der Geschädigte nicht den Versicherungsschutz als Kompensation für den Entzug der zivilrechtlichen Ansprüche. Die Versicherungsleistungen erhalte er aufgrund seiner Versicherung über den Stammbetrieb ohnehin. § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII bewirke damit lediglich einen Haftungsausschluß531. Es wird auch vorgebracht, daß sowohl das Finanzierungsals auch das Friedensargument für eine einschränkende Auslegung des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII sprächen532. Verliefen die Tätigkeiten der verschiedenen Unternehmen nur parallel, dann begegneten sich Schädiger und Geschädigter in 524 OLG Braunschweig, Urt. v. 8. 7. 1999 – 2 U 192 / 98 –, r+s 1999, 459, 460; Maschmann, SGb 1998, 54, 59; Müller, NZV 2001, 366, 368. 525 Vgl. OLG Hamm, Urt. v. 15. 12. 1999 – 13 U 116 / 99 –, r+s 2000, 371, 372. 526 OLG Braunschweig, Urt. v. 8. 7. 1999 – 2 U 192 / 98 –, r+s 1999, 459, 460; OLG Hamm, Urt. v. 15. 12. 1999 – 13 U 116 / 99 –, r+s 2000, 371, 372 f. 527 Lemcke, r+s 1999, 376. 528 OLG Hamm, Urt. v. 15. 12. 1999 – 13 U 116 / 99 –, r+s 2000, 371, 372. 529 Vgl. BT-Drucks. 13 / 2204, S. 2. 530 OLG Braunschweig, Urt. v. 8. 7. 1999 – 2 U 192 / 98 –, r+s 1999, 459, 460; OLG Hamm, Urt. v. 15. 12. 1999 – 13 U 116 / 99 –, r+s 2000, 371, 372; Baethge, NZA 1999, 73, 74; Müller, NZV 2001, 366, 368. 531 OLG Hamm, Urt. v. 15. 12. 1999 – 13 U 116 / 99 –, r+s 2000, 371, 373; Lemcke, r+s 1999, 201, 202. 532 OLG Braunschweig, Urt. v. 8. 7. 1999 – 2 U 192 / 98 –, r+s 1999, 459, 460; Lemcke, r+s 1999, 201, 202.

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

aller Regel nicht wieder, so daß es zu keinen Störungen im Arbeitsablauf komme. Bei einem zufälligen Aufeinandertreffen verfange ferner das Finanzierungsargument nicht, weil der Unternehmer nur für die Beschäftigten seines Unternehmens Beiträge an die Berufsgenossenschaft leiste533. Eine einschränkende Auslegung wird außerdem mit verfassungsrechtlichen Aspekten begründet. Das BVerfG hätte sich in seiner Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit der §§ 636, 637 RVO bereits kritisch zu den Regelungen der Haftungsausschlüsse geäußert, so daß eine Begrenzung dieser Tatbestände zu befürworten sei534. Auch eine Folgenbetrachtung fließt bei der Auslegung zuweilen ein. Folge einer weiten Auslegung wäre, daß es zu einer kaum zu überblickenden Zahl von „privilegierten“ Unfällen käme und damit zu einer Haftungs- und Kostenverlagerung von den Haftpflichtversicherern der Schädiger auf die Unfallversicherungsträger535. Ein anderer Teil der Literatur und der Instanzgerichte ist davon ausgegangen, daß § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII weit auszulegen sei536 und damit auch schon bei parallelen Tätigkeiten eingreife, also schon dann, wenn Versicherte mehrerer Unternehmen unabhängig voneinander, aber im Risikobereich des jeweils anderen Unternehmens betriebliche Arbeiten verrichteten537. Es reiche danach eine lose Verbindung der einzelnen Arbeiten, die sich gegenständlich, zeitlich und räumlich überschnitten538. Insbesondere auf einer Baustelle, an der mehrere Firmen gleichzeitig tätig seien, sei danach das Merkmal der gemeinsamen Betriebsstätte zu bejahen539. Noch weitergehend ist in der Literatur vereinzelt vertreten worden, daß eine gemeinsame Betriebsstätte für den Zeitraum gegeben sei, in dem zwei Unternehmen auf einer Arbeitsstätte auftragsgemäß tätig seien540; eine Überlappung der Risikobereiche sei nicht erforderlich. Auch hier spielen in der Diskussion weniger die Divergenzen in der Formulierung des Ansatzpunktes eine Rolle, als vielmehr die grundlegende Einstellung, daß eine weite Auslegung des Begriffes der gemeinsamen Betriebsstätte zu befürworten sei. Für eine solche Auslegung spreche der Wortlaut der Vorschrift, aus dem einengende Elemente nicht zu entnehmen seiOLG Hamm, Urt. v. 15. 12. 1999 – 13 U 116 / 99 –, r+s 2000, 371, 373. Vgl. OLG Hamm, Urt. v. 15. 12. 1999 – 13 U 116 / 99 –, r+s 2000, 371, 373; verfassungsrechtliche Bedenken auch bei Lemcke, r+s 2000, 23. 535 OLG Hamm, Urt. v. 15. 12. 1999 – 13 U 116 / 99 –, r+s 2000, 371, 372; Lemcke, r+s 1999, 376. 536 OLG Saarbrücken, Urt. v. 25. 5. 1999 – 7 U 894 / 98 – 158 –, r+s 1999, 374, 375; SternKrieger, NVersZ 2000, 160, 161; Zacharias, BB 2000, 2411, 2412. 537 LG Kassel, Urt. v. 24. 6. 1999 – 1 S 92 / 99 –, VersR 1999, 1552; Geigel / Kolb, Kap. 31 Rn. 84; Jahnke, r+s 1999, 353, 354; ders., VersR 2000, 155, 156; ders., NJW 2000, 265, 266. 538 OLG Karlsruhe, Urt. v. 30. 6. 1999 – 14 U 234 / 98 –, r+s 1999, 375, 376; Kater / Leube, § 106 Rn. 19. 539 OLG Karlsruhe, Urt. v. 23. 6. 1999 – 7 U 30 / 99 –, r+s 1999, 373, 374; OLG Stuttgart, Urt. v. 2. 11. 1999 – 10 U 103 / 99 –, r+s 2000, 22, 23; OLG Dresden, Urt. v. 17. 10. 2000 – 3 U 1761 / 00 –, NJW-RR 2001, 747; LG Essen, Urt. v. 2. 9. 1999 – 18 O 280 / 99 –, r+s 2000, 241, 242; Wussow, WJ 2000, 140. 540 Stern-Krieger / Arnau, VersR 1997, 408, 411. 533 534

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en541. Der Gesetzgeber habe mit dieser Norm eine möglichst weitgehende Haftungsbefreiung im Rahmen von betrieblichen Tätigkeiten bewirken wollen. Die dadurch hervorgerufene Schlechterstellung des Geschädigten sei angesichts der Versicherungsleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung angemessen542. Tendenz des UVEG sei es, die Haftungsprivilegierung auszudehnen, was sich insbesondere auch in § 105 SGB VII zeige. Der Gesetzgeber hätte daher seinen Willen deutlich machen müssen, wenn dieser dahin gegangen wäre, daß die Vorschrift einengend auszulegen sei. Die „versteckte Stellung“ der Norm wird mit der Systematik der §§ 104 ff. SGB VII begründet, nach der die Haftung anderer Personen in § 106 SGB VII geregelt sei und daher ein betriebsübergreifender Haftungsausschluß systematisch an diese Stelle gehöre543. Durch eine weite Auslegung des Tatbestandes würde ferner der Veränderung des Wirtschaftslebens Rechnung getragen. Es bestehe die starke Tendenz der Unternehmen zur Ausgliederung bestimmter Tätigkeiten durch Übertragung dieser Leistungen an rechtlich selbständige Betriebe, sog. Outsourcing544. Mit Rücksicht darauf habe auch das Argument des Betriebsfriedens im Rahmen des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII seine Berechtigung. Das Outsourcing führe dazu, daß häufig mehrere Unternehmen auf einer Betriebsstätte zusammenwirkten. Dabei komme es insbesondere im Baugewerbe oft zu einem wiederholten Tätigwerden derselben Handwerksunternehmen auf neuen Baustellen. Die Auseinandersetzung über die Verantwortlichkeit für eine schädigende Handlung könne zu einer Störung des „Betriebsfriedens“ auf der Baustelle führen, mit der Folge, daß der verletzte Handwerker bei künftigen Aufträgen als „Störenfried“ nicht mehr berücksichtigt werde545.

bb) Auslegung des Begriffs durch den BGH Der BGH546 hat sich in seiner Entscheidung vom 17. 10. 2000 sowohl gegen ein zu extensives als auch gegen ein zu restriktives Begriffsverständnis ausgesprochen. Er hatte folgenden Fall zu entscheiden: Ein Arbeitnehmer der D-GmbH, die im Auftrag der Deutschen Bahn AG deren Reisezugwagen reinigt, hatte mit zwei Arbeitskollegen die Reinigung eines Zuges abgeschlossen. Als er auf dem Weg zu einer Müllsammelstelle einen zuvor an einem Gleis abgelegten Müllsack aufheben wollte, wurde er von einer Rangierabteilung der Deutschen Bahn AG erfaßt. Er nahm u. a. den Lokführer der Rangierabteilung auf Zahlung Imbusch, VersR 2001, 547, 548. Stern-Krieger, NVersZ 2000, 160, 161. 543 Imbusch, VersR 2001, 547, 548. 544 Imbusch, VersR 2001, 547, 548; Jahnke, r+s 1999, 353, 355; ders., VersR 2000, 155, 157; ders., NJW 2000, 265, 266; Küppersbusch, Rn. 419 b. 545 OLG Dresden, Urt. v. 17. 10. 2000 – 3 U 1761 / 00 –, NJW-RR 2001, 747, 748; Jahnke, r+s 1999, 353, 355; ders., VersR 2000, 155, 157; ders., NJW 2000, 265, 266. 546 BGH, Urt. v. 17. 10. 2000 – VI ZR 67 / 00 –, BGHZ 145, 331, 335 f. 541 542

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von Schmerzensgeld in Anspruch. Es war umstritten, ob der Lokführer den Unfall schuldhaft verursacht hatte. Dies hätte dahinstehen können, wenn ein Schadensersatzanspruch aus §§ 823 ff. BGB schon deshalb ausschied, weil die Unfallstelle für Schädiger und Geschädigten als eine „gemeinsame Betriebsstätte“ anzusehen war. Nach Auffassung des BGH konnte nicht davon ausgegangen werden, daß der Gesetzgeber mit der Einführung einer eigenständigen Regelung unter Verwendung des in diesem Zusammenhang neuartigen Begriffs den bisherigen Rechtszustand lediglich festschreiben oder nur geringfügig ausdehnen wollte. Die Besonderheit des Norminhalts lasse vielmehr die gesetzgeberische Intention erkennen, die Haftungsfreistellung des Schädigers im Vergleich zum bisherigen Recht deutlich zu erweitern. Andererseits vernachlässige eine zu weite Auffassung die weitgehend akzeptierte Erkenntnis, daß die vom Gesetz vorausgesetzte „gemeinsame“ Betriebsstätte jedenfalls mehr sei als „dieselbe“ Betriebsstätte. Der Gesetzgeber habe mit diesem ungewöhnlichen Postulat bezweckt, den Kreis der von der Haftungsprivilegierung betroffenen Schadensfälle nicht ausufern zu lassen. Aus diesem Grunde sei auf ein bewußtes Miteinander im Arbeitsablauf abzustellen, das sich als ein tatsächlich aufeinander bezogenes betriebliches Zusammenwirken mehrerer Unternehmen darstelle. Die Haftungsfreistellung aus § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII erfasse damit über die Fälle der Arbeitsgemeinschaft hinaus betriebliche Aktivitäten von Versicherten mehrerer Unternehmen, die bewußt und gewollt bei einzelnen Maßnahmen ineinandergriffen, miteinander verknüpft seien, sich ergänzten oder unterstützten, wobei es ausreiche, daß die gegenseitige Verständigung stillschweigend durch bloßes Tun erfolge. Dieses Verständnis des Begriffs der gemeinsamen Betriebsstätte sah der BGH durch einen Vergleich mit den anderen Fällen des § 106 Abs. 3 SGB VII als bestätigt an, bei denen es ebenfalls auf ein Miteinander der Tätigkeiten ankomme. Der BGH hat nach diesen Grundsätzen in dem oben geschilderten Fall eine Anwendung des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII abgelehnt, weil es zu dem Schaden nicht im Zuge von betrieblichen Tätigkeiten der D-GmbH einerseits und der Deutschen Bahn AG andererseits gekommen war, die bewußt und gewollt ineinandergriffen, miteinander verknüpft waren, sich gegenseitig ergänzten oder unterstützten. Vielmehr standen die beiden Tätigkeiten beziehungslos nebeneinander. Auch in einem weiteren Fall hat der BGH das Vorliegen einer gemeinsamen Betriebsstätte abgelehnt. Ein Arbeitnehmer hatte im Auftrag seines Arbeitgebers mit dessen LKW auf dem Betriebshof der Firma Y Gasflaschen angeliefert. Während der Arbeitnehmer hinter dem LKW stand und diesen entlud, kam der spätere Schädiger ebenfalls mit einem LKW auf das Firmengelände, um dort im Auftrag einer anderen Firma Waren anzuliefern oder abzuholen. Er fuhr mit dem LKW auf das stehende Fahrzeug auf. Der mit dem Abladen beschäftigte Arbeitnehmer wurde zwischen den beiden Fahrzeugen eingeklemmt und schwer verletzt. Der

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BGH547 hat – wie auch schon zuvor das OLG Hamm548 – unter Anwendung seiner Bestimmung des Begriffs der gemeinsamen Betriebsstätte deren Voraussetzungen hier verneint, weil Schädiger und Geschädigter rein zufällig aufeinander trafen. Es fehlte daher an einem bewußten und gewollten Ineinandergreifen ihrer Tätigkeiten. Das Begriffsverständnis des BGH hat in der Literatur verbreitet Zustimmung erfahren549. Auch der 39. Deutsche Verkehrsgerichtstag von 2001 hat „die Auslegung des Begriffs der gemeinsamen Betriebsstätte des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII in der Entscheidung des BGH vom 17. 10. 2000 als eine sachgerechte Basis für die Erledigung vergleichbarer Fälle in der Zukunft“ begrüßt550. Inzwischen hat sich auch das BAG der Rechtsprechung des BGH zum Begriff der gemeinsamen Betriebsstätte angeschlossen551.

cc) Eigener Standpunkt Zunächst ist der Ansicht eine Absage zu erteilen, nach der die §§ 104 ff. SGB VII als Ausnahmevorschriften zum zivilrechtlichen Haftungssystem generell eng auszulegen seien. Der Inhalt der §§ 104 ff. SGB VII kann nicht darauf verkürzt werden, daß sie die zivilrechtliche Haftung ausschließen. Eine solche Sichtweise läßt außer Betracht, daß die Vorschriften an einer Schnittstelle zweier verschiedener rechtlicher Ordnungssysteme stehen, so daß sie sich nicht ohne weiteres als Ausnahmevorschriften qualifizieren lassen552. Sie läßt außerdem unberücksichtigt, daß diese Vorschriften eigenständige sozialversicherungsrechtliche Inhalte aufweisen. Allerdings könnte in § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII ein Ausnahmetatbestand zu sehen sein, weil er nur einen Haftungsausschluß beinhaltet, nicht aber eine Haftungsersetzung. Dem Geschädigten, der über seinen Stammbetrieb versichert ist, ist er insofern nur nachteilig553. Aber selbst wenn man § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII mit Rücksicht auf diese Besonderheit als Ausnahmetatbestand begreifen wollte, würde es sich verbieten, den Tatbestand grundsätzlich eng auszulegen. Die Regel, daß Ausnahmetatbestände immer eng auszulegen seien, genießt nicht die ihr BGH, Urt. v. 23. 1. 2001 – VI ZR 70 / 00 –, VersR 2001, 372, 373. OLG Hamm, Urt. v. 15. 12. 1999 – 13 U 116 / 99 –, r+s 2000, 371, 372 f. 549 Dahm, SozVers 2001, 208, 209; ders., r+s 2001, 397, 398; Freyberger, MDR 2001, 541, 542; Imbusch, VersR 2001, 547, 550; Kock, S. 156; Schmidt, BB 2002, 1859, 1860; Waltermann, NJW 2002, 1225, 1229; in der neuen Kommentierung auch übernommen von KassKomm / Ricke, § 106 SGB VII Rn. 10. Kritik findet sich bei Schmude, FS Isensee, S. 467, 471 ff., der den Begriff der gemeinsamen Betriebsstätte zum Schutz der Arbeitnehmer als Schädiger vor Haftungsrisiken weit auslegen will. 550 VGT 2001, 12. 551 BAG, Urt. v. 12. 12. 2002 – 8 AZR 94 / 02 –, BB 2003, 690, 691. 552 Auch der BGH, Urt. v. 18. 5. 1971 – VI ZR 242 / 69 –, LM Nr. 5 zu § 636 RVO hat eine generell enge Auslegung des § 636 RVO abgelehnt. 553 Zutreffend OLG Hamm, Urt. v. 15. 12. 1999 – 13 U 116 / 99 –, r+s 2000, 371, 373; Lemcke, r+s 1999, 201, 202. 547 548

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häufig zugewiesene Allgemeingültigkeit554. Auch bei der Interpretation von Ausnahmeregelungen geht es darum, ihren Sinn anhand der klassischen Auslegungsprinzipien zu ermitteln555. Geht man danach vom Wortlaut der Vorschrift aus, so ist das Adjektiv „gemeinsam“ entscheidend. Dem BGH ist darin zuzustimmen, daß es mit Rücksicht auf das Postulat der Gemeinsamkeit der Betriebsstätte für eine Haftungsbefreiung nicht ausreicht, daß zwei Unternehmen nebeneinander auf „derselben“ Betriebsstätte tätig werden556. Um der Anforderung der Gemeinsamkeit gerecht zu werden, spricht vielmehr einiges dafür, auch eine Gemeinschaftlichkeit im Handeln zu fordern. Im Hinblick auf die Systematik der §§ 104 ff. SGB VII ist für die Anordnung eines betriebsübergreifenden Haftungsausschlusses § 106 SGB VII die passende Norm. Allerdings ist die Stellung des Haftungsausschlusses im dritten Absatz als dritte Alternative innerhalb des § 106 SGB VII durchaus als „unauffällig“557 zu bezeichnen. Während der Reihenfolge der verschiedenen Absätze in § 106 SGB VII angesichts der Verschiedenartigkeit der betroffenen Regelungsbereiche keine Aussagekraft über die Bedeutung der getroffenen Regelungen zu entnehmen ist, muß den beiden anderen Tatbeständen des § 106 Abs. 3 SGB VII bei der Auslegung Beachtung geschenkt werden. In diesen Fällen wird nämlich ebenfalls ein betriebsübergreifender Haftungsausschluß geregelt. Vorausgesetzt wird dabei, daß die Unternehmen zusammenwirken, so daß es entscheidend auf ein Miteinander bei der Ausübung der Tätigkeiten ankommt. Die Verwendung des Begriffs der gemeinsamen Betriebsstätte in Parallelität zu diesen Tatbeständen ist zumindest ein wichtiges Indiz für das Verständnis dieses Begriffs558. Zuzustimmen ist auch dem Argument des BGH, daß es sich bei dem Begriff der gemeinsamen Betriebsstätte um einen neuartigen Begriff handelt, der bewußt in den Normenkomplex eingefügt wurde, so daß bei seiner Auslegung darauf zu achten ist, daß die Norm eine eigenständige Wirkung entfaltet559. Diese Erwägungen sind jedoch noch keine hinreichend zuverlässige Grundlage für eine Begriffsbestimmung. Klarheit und Sicherheit kann hier nur der Blick auf den Normzweck verschaffen. Hier ist indes zunächst festzustellen, daß das Finan554 Vgl. zur Anwendung dieser Regel durch den BGH, Urt. v. 29. 5. 1951 – I ZR 87 / 50 –, BGHZ 2, 237, 244; Urt. v. 15. 12. 1951 – II ZR 108 / 51 –, BGHZ 4, 219, 222; Urt. v. 6. 11. 1953 – I ZR 97 / 52 –, BGHZ 11, 135, 143. 555 Engisch, S. 131, 194 f.; Enneccerus / Nipperdey, § 48 I 2; Larenz, S. 356 f.; vgl. auch BGH, Urt. v. 18. 5. 1955 – I ZR 8 / 54 –, BGHZ 17, 267, 282. 556 BGH, Urt. v. 17. 10. 2000 – VI ZR 67 / 00 –, BGHZ 145, 331, 335. 557 So BGH, Urt. v. 17. 10. 2000 – VI ZR 67 / 00 –, BGHZ 145, 331, 335. 558 Vgl. BGH, Urt. v. 17. 10. 2000 – VI ZR 67 / 00 –, BGHZ 145, 331, 336. 559 BGH, Urt. v. 17. 10. 2000 – VI ZR 67 / 00 –, BGHZ 145, 331, 335; zustimmend auch Schmidt, BB 2002, 1859, 1860 f.; dazu auch OLG Braunschweig, Urt. v. 8. 7. 1999 – 2 U 192 / 98 –, r+s 1999, 459, 460. Otto, NZV 2002, 10 bezeichnet diese Erkenntnis als in Zukunft wohl nicht mehr angreifbar.

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zierungsargument für die Interpretation des Begriffs der gemeinsamen Betriebsstätte nicht weiterhilft: Es bedeutet, daß der Unternehmer, der die Versicherungsleistungen für seine Beschäftigten aufbringt, ihnen nicht zusätzlich noch haften soll560. Eine betriebsübergreifende Bedeutung kann dem Finanzierungsargument in seiner bisherigen Gestalt daher nicht eingeräumt werden. Auch dem Gedanken des Betriebsfriedens kann bei der Interpretation des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII keine entscheidende Bedeutung beigemessen werden561. Schon im Rahmen des § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII wurde dargelegt, daß dem Friedensargument eine über den Betrieb hinausreichende Wirkungsdimension nicht zukommt562. Indessen erweist sich auch hier der Gedanke als tragend, daß durch die in § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII normierte Haftungsfreistellung dem besonderen Schutzbedürfnis der Tätigen vor den Risiken des Arbeitslebens Rechnung getragen werden sollte. Ein solcher Schutz sollte indessen nicht schrankenlos gewährt werden. Entscheidend ist vielmehr, daß die Tätigen sich durch ein aufeinander bezogenes und miteinander verwobenes Tätigsein besonderen Risiken aussetzen. Im Rahmen der durch eine solche Zusammenarbeit geprägten Gefahrengemeinschaft ergibt sich ein erhöhtes Gefahrpotential, das einen Haftungsausschluß zum Schutz der Schädiger rechtfertigt563. Dieser Gedanke kann auch den Anwendungsraum des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII klären564. An der Gefahrengemeinschaft haben ohne Rücksicht auf die Betriebszugehörigkeit diejenigen teil, die „Hand in Hand“ – also miteinander verknüpft – tätig werden. Das Argument der Gefahrengemeinschaft grenzt damit zugleich den Kreis der haftungsprivilegierten Schadensfälle sachgerecht ein565. Werden Unternehmen nur parallel – etwa auf einer Großbausstelle, Vgl. dazu oben C.I.1.b)bb). So auch BGH, Urt. v. 3. 7. 2001 – VI ZR 284 / 00 –, BGHZ 148, 214, 220. 562 Vgl. dazu oben C.I.1.b)aa). 563 Vgl. zur Maßgeblichkeit des Gedankens der Gefahrengemeinschaft für § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII auch BGH, Urt. v. 3. 7. 2001 – VI ZR 284 / 00 –, BGHZ 148, 214, 220; Urt. v. 27. 6. 2002 – III ZR 234 / 01 –, r+s 2002, 374, 375 = BB 2002, 1866, 1868; Schmidt, BB 2002, 1859, 1860; Waltermann, NJW 2002, 1225, 1229. 564 So auch Waltermann, NJW 2002, 1225, 1229; a.A. Schmude, FS Isensee, S. 467, 474 f., der zum Schutz der Arbeitnehmer vor Haftungsrisiken den Begriff der gemeinsamen Betriebsstätte umfassend dahingehend interpretiert, daß jeder Ort beruflicher Tätigkeit erfaßt ist, an dem Arbeitnehmer für eine gewisse Dauer und berufsspezifisch ihren Erwerbstätigkeiten nachgehen. 565 Die Anknüpfung an einen gemeinsamen Zweck kann unter diesem Gesichtspunkt nicht überzeugen, weil ein gemeinsamer Zweck nicht zwangsläufig zu einem gemeinschaftlichen Risikobereich führt. Die Anknüpfung an einen gemeinsamen Zweck ist ohnedies für sich genommen nicht hilfreich, weil das Vorliegen eines gemeinsamen Zweckes davon abhängt, wie weitgreifend man den Zweck eines Unternehmens interpretiert, vgl. dahingehend auch Höher, VersR 2001, 372. Arbeiten mehrere Unternehmen auf einer Baustelle zusammen, kann man einerseits sagen, daß jedes Unternehmen „seinen Zweck“ verfolgt, also etwa der Glaser das Ziel, die Fenster einzubauen. Bei diesem Verständnis würde ein gemeinsamer Zweck zweier Unternehmen kaum vorkommen, so Waltermann, NJW 2002, 1225, 1229. Man könnte jedoch auch auf das Gesamtergebnis abstellen, also etwa das Ziel der Errichtung eines Bau560 561

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wie es der Potsdamer Platz war oder der Bau einer ICE-Strecke ist – tätig, bilden sie noch keine Gefahrengemeinschaft, weil keine den betriebsinternen Abläufen vergleichbare Risikolage besteht566. Der Auffassung des BGH und der ihm folgenden Ansicht in der Literatur, nach denen § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII die betrieblichen Aktivitäten von Versicherten mehrerer Unternehmen erfaßt, die bewußt und gewollt bei einzelnen Maßnahmen ineinandergreifen, miteinander verknüpft sind, sich ergänzen oder unterstützen, wobei es ausreicht, daß die Verständigung stillschweigend durch bloßes Tun erfolgt, ist damit ohne Einschränkungen beizupflichten567. dd) Die noch offenen Fragen zum Begriff der gemeinsamen Betriebsstätte Zwar ist mit der Begriffsdefinition die erste Weiche gestellt. Eine genauere Betrachtung einzelner Fallkonstellationen zeigt indessen, daß noch erhebliche Spielräume verbleiben, die eine Kasuistik in Zukunft unausweichlich machen. (1) Verknüpfung durch räumliche Enge und das Erfordernis gegenseitiger Rücksichtnahme Die Praxis zeigt, daß die Übergänge zwischen einem miteinander verknüpften und einem parallelen Handeln verschiedener Unternehmen fließend sind. So hatte das LG Dortmund568 noch vor dem grundlegenden Urteil des BGH einen Fall zu werkes auf derselben Baustelle. Unter Zugrundelegung dieses Verständnisses wäre der Begriff der gemeinsamen Betriebsstätte sehr weitgefaßt, jede Baustelle wäre eine gemeinsame Betriebsstätte, vgl. OLG Braunschweig, Urt. v. 8. 7. 1999 – 2 U 192 / 98 –, r+s 1999, 459, 462; OLG Dresden, Urt. v. 17. 10. 2000 – 3 U 1761 / 00 –, NJW-RR 2001, 747; siehe auch Brackmann / Krasney, § 106 Rn. 16 und Küppersbusch, Rn. 419 b, die sich für ein weites Verständnis eines gemeinsamen Zwecks aussprechen. 566 So auch Waltermann, NJW 2002, 1225, 1229; a.A. Kater / Leube, § 106 Rn. 16, 19. 567 Wenig überzeugend ist allerdings der Hinweis auf eine Parallele zu § 2 Abs. 1 Nr. 9 ArbGG, die vereinzelt für ein enges Verständnis des Begriffs der gemeinsamen Betriebsstätte angeführt wurde, vgl. OLG Hamm, Urt. v. 15. 12. 1999 – 13 U 116 / 99 –, r+s 2000, 371, 373; Lemcke, r+s 1999, 376 f. Diese Vorschrift erstreckt sich weitgehend aus Zweckmäßigkeitsgründen und um dem Ausgangs- oder Schwerpunkt eines Streits gebührend Rechnung zu tragen auch auf Ansprüche, die in so greifbar naher Beziehung zu einem Arbeitsverhältnis stehen, daß sie überwiegend durch das Arbeitsverhältnis bestimmt werden. Typische Anwendungsfälle dieser Norm sind Rechtsbeziehungen zwischen Teilnehmern an einem Gruppenakkord oder auch Fahrgemeinschaften. Das Rechtsverhältnis wird dabei in der Regel durch einen Gesellschaftsvertrag begründet, BGH, Beschl. v. 26. 2. 1998 – III ZB 25 / 97 –, NJW 1998, 2745; Germelmann / Matthes / Müller-Glöge / Prütting, § 2 Rn. 109. Auch wenn für § 2 Abs. 1 Nr. 9 ArbGG nicht erforderlich ist, daß die Arbeitnehmer bei demselben Arbeitgeber beschäftigt sind, vgl. LG Oldenburg, Beschl. v. 27. 5. 1994 – 5 O 3532 / 93 –, DB 1994, 2244, ist der zugrundeliegende Rechtsgedanke nicht auf § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII übertragbar. 568 LG Dortmund, Urt. v. 2. 9. 1999 – 7 U 196 / 98 –, r+s 2000, 156.

VIII. Die Tatbestände des § 106 Abs. 3 SGB VII

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entscheiden, bei dem zwei Firmen auf einer Baustelle in der obersten Etage beschäftigt waren. Diese Etage konnte nur durch das Treppenloch als Zuwegung für das Dachgeschoß über eine einfache Bauleiter erreicht werden. Ein Mitarbeiter der einen Firma arbeitete in der Nähe des Treppenloches mit einer Pistole, die mittels Druckluft Nägel in den zu befestigenden Gegenstand schoß, wobei die Pistole nur auslöste, wenn der entsprechende Druckknopf betätigt und die Pistole auf einen Gegenstand gehalten wurde. Als ein Arbeitnehmer der anderen dort arbeitenden Firma die Leiter hinaufstieg, kam er in Kontakt mit der Pistole und wurde durch einen aus der Pistole schießenden Nagel erheblich am Kopf verletzt. Das LG Dortmund hat das Vorliegen einer gemeinsamen Betriebsstätte bejaht, weil durch die räumliche Enge und die Bauleiter, die die im Dachgeschoß tätigen Arbeiter als gemeinsame Zuwegung benutzen mußten, ein gewisses Ausmaß an Absprachen und gegenseitiger Rücksichtnahme erforderlich war. Stellt man indessen auf ein Arbeiten Hand in Hand ab, kann allein die räumliche Enge und das daraus folgende Erfordernis der Rücksichtnahme nicht für das Vorliegen einer gemeinsamen Betriebsstätte ausreichen, weil es an der Verknüpfung der Tätigkeiten beider Unternehmen fehlt. (2) Rechtliche Relevanz von Absprachen In der zuvor genannten Entscheidung des LG Dortmund klingt bereits eine Auffassung an, die in letzter Zeit in der Diskussion um die Voraussetzungen des Merkmals der gemeinsamen Betriebsstätte an Bedeutung gewonnen hat. Es geht um die Frage, ob Absprachen für die Beurteilung des Merkmals eine rechtliche Relevanz zukommt, wovon das LG Dortmund ausgeht. Besonders deutlich wurde diese Fragestellung in einem Fall, den das OLG Schleswig zu entscheiden hatte569: Auf dem Firmengelände eines Unternehmens, bei dem der spätere Schädiger als Gabelstaplerfahrer beschäftigt war, sollten von einem weiteren Unternehmen Klempnerarbeiten durchgeführt werden. Zur Durchführung dieser Arbeiten war ein Rollgerüst in einem Bereich aufgebaut worden, der von den Gabelstaplern zum Beladen von LKWs passiert werden mußte. Ein Klempner befand sich auf dem Rollgerüst, als der Gabelstaplerfahrer mit einer breit geladenen Palette gegen das Rollgerüst stieß. Das Rollgerüst rollte von der Wand weg, der Klempner stürzte von dem Gerüst herunter und zog sich erhebliche Verletzungen zu. An dem Unfalltag waren von Mitarbeitern beider Firmen Einzelheiten der Arbeitsdurchführung in Bezug auf das Fahren von Gabelstaplern im Bereich des Arbeitsgerüstes und die Arbeiten auf dem Gerüst abgestimmt worden. Die zwischen den beiden Unternehmen getroffenen Absprachen rechtfertigten nach Auffassung des OLG die Bejahung einer gemeinsamen Betriebsstätte. Es war seiner Auffassung zufolge unerheblich, daß das Miteinander gerade darin bestand, auf dem gemeinsamen Arbeitsplatz nicht zur gleichen Zeit tätig zu werden, weil der gemeinsame Arbeitsplatz 569

OLG Schleswig, Urt. v. 4. 1. 2001 – 7 U 104 / 99 –, r+s 2001, 197.

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

unter gegenseitiger Rücksichtnahme je nach den tatsächlichen Erfordernissen abwechselnd benutzt werden sollte und damit eine Verzahnung der Tätigkeiten vorlag570. Der BGH hat die Entscheidung durch die Nichtannahme der Revision bestätigt571. Mittlerweile hat der BGH ausdrücklich entschieden, daß auch bei einer Verständigung über ein „bewußtes Nebeneinander im Arbeitsablauf“ eine gemeinsame Betriebsstätte i. S. von § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII anzunehmen ist572. Diese Rechtsprechung, nach der Absprachen für die Beurteilung des Merkmals der gemeinsamen Betriebsstätte eine rechtliche Relevanz zukommt, vermag nicht zu überzeugen. Sie erhöht ohne Not die ohnehin erheblichen Schwierigkeiten, die mit der Auslegung des Merkmals der gemeinsamen Betriebsstätte verbunden sind, weil den vom BGH entwickelten Kriterien ein weiteres hinzugefügt würde. Nach der oben für zutreffend erachteten Auffassung des BGH kommt es für die Auslegung des Begriffs der gemeinsamen Betriebsstätte allein auf das Tätigwerden Hand in Hand und damit auf die objektiven Geschehensabläufe an. Nur in der durch tatsächliche Zusammenarbeit geprägten Gefahrengemeinschaft verwirklicht sich das erhöhte Gefahrenpotential, das den Haftungsausschluß des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII rechtfertigt. Dementsprechend war schon bisher anerkannt, daß der Begriff der gemeinsamen Betriebsstätte keine ausdrückliche Absprache erfordert573. Selbst wenn eine solche Absprache aber getroffen worden ist, bedeutet dies nicht notwendig das Vorliegen einer gemeinsamen Betriebsstätte. Vielmehr ist das Merkmal der Absprache für die Auslegung des Begriffs der gemeinsamen Betriebsstätte ohne Bedeutung. Dies gilt auch für „negative“ Absprachen über eine „Nicht-Zusammenarbeit“. Danach ist in dem vom OLG Schleswig entschiedenen Fall das Vorliegen einer gemeinsamen Betriebsstätte abzulehnen. Entscheidend ist, daß die Tätigkeiten von Schädiger und Geschädigtem nicht miteinander verknüpft waren. Vor diesem Hintergrund muß es überraschen, daß der BGH die Entscheidung durch die Nichtannahme der Revision bestätigt hat. (3) Länger andauernde Zusammenarbeit zweier Unternehmen § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII setzt ein vorübergehendes Tätigwerden auf einer gemeinsamen Betriebsstätte voraus. Daraus könnte folgen, daß eine länger andauernde Kooperation von der Norm nicht erfaßt wird. Als Beispiel einer solchen FallOLG Schleswig, Urt. v. 4. 1. 2001 – 7 U 104 / 99 –, r+s 2001, 197, 198. Nicht veröffentlichter Nichtannahmebeschluß vom 10. 7. 2001 – VI ZR 53 / 01 –, auf den im Beschluß des BGH vom 23. 7. 2002 – VI ZR 91 / 02 –, NJW 2002, 3334, 3335 hingewiesen wird. Kritik an dieser Entscheidung auch bei Lemcke, r+s 2001, 371. 572 BGH, Beschl. v. 23. 7. 2002 – VI ZR 91 / 02 –, NJW 2002, 3334, 3335; Urt. v. 8. 4. 2003 – VI ZR 251 / 02 –, r+s 2003, 347, 348. 573 Vgl. BGH, Urt. v. 17. 10. 2000 – VI ZR 67 / 00 –, BGHZ 145, 331, 336; Waltermann, NJW 2002, 1225, 1229; anders noch Lemcke, r+s 1999, 376. 570 571

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gestaltung bietet sich ein Fall an, der dem LG Kassel574 vorlag. Dort wurden ein Hotel und eine Gaststätte gleichen Namens auf einem Grundstück getrennt betrieben. Abgesehen von der getrennt geführten Versorgung und den Heizungsanlagen beider Einrichtungen bestand ein reger Kontakt zwischen Gaststätte und Hotel, insbesondere wurden Ferngespräche teilweise über das Hotel, teilweise über die Gaststätte abgewickelt. Der in dem Hotel angestellte Kläger wollte ein der Betreiberin der Gaststätte geltendes Gespräch übermitteln, indem er mit dem Mobiltelefon vom Hotel über den Hof zu der Gaststätte ging. Im Bereich der Gaststättentreppe stürzte er, weil dort Unreinlichkeiten aus der Küche noch nicht entfernt waren. Die Tätigkeiten von Hotel und Gaststätte waren hinsichtlich der Entgegennahme von Telefonaten dauerhaft miteinander verknüpft, so daß eine „vorübergehende“ gemeinsame Betriebsstätte sicherlich nicht anzunehmen ist. In der Literatur wird nur vereinzelt die Auffassung vertreten, daß eine dauernde Zusammenarbeit verschiedener Unternehmen keine Haftungsbeschränkung bewirke575. Der Gesamtintention der §§ 104 ff. SGB VII liefe es indes zuwider, wenn in Fällen, in denen eine Kooperation in Permanenz besteht, die Haftungsfreistellung versagt. Es entstünde eine Lücke im System der §§ 104 ff. SGB VII, die – wie das Beispiel zeigt – insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Schutzbedürfnisses innerhalb der Gefahrengemeinschaft nicht zu rechtfertigen wäre. Zwar ist der Hauptanwendungsfall die vorübergehende Zusammenarbeit. Dieses Tatbestandsmerkmal stellt indessen keine Einschränkung dar, vielmehr ist es im Sinne von „zumindest vorübergehend“ zu interpretieren576, so daß hierdurch lediglich klargestellt wird, daß ein kurzfristiges Miteinander ausreicht577. (4) Zeitlich aufeinanderfolgendes Handeln zweier Unternehmen Mit der grundlegenden Begriffsbestimmung ist ferner nicht festgelegt, ob die Tätigkeiten zeitlich parallel verlaufen müssen. In vielen Fällen werden Unternehmen zeitlich aufeinanderfolgend tätig. Als Beispiel sei der Fall eines Elektrikers genannt, der in einem Neubau eine Steckdose anbringt, es dabei aber versäumt, die elektrischen Drähte ordnungsgemäß zu isolieren. Ein Maler, der erst später in dem Neubau seine Arbeit verrichtet, wird, als er den Deckel der Steckdose entfernt, wegen der fehlenden Isolierung durch einen elektrischen Schlag verletzt. Hier erhebt sich die Frage, ob der Maler auf einer Betriebsstätte zu Schaden gekommen 574 LG Kassel, Urt. v. 24. 6. 1999 – 1 S 92 / 99 –, VersR 1999, 1552; allerdings ist das Gericht auf die Problematik des Merkmals „vorübergehend“ nicht eingegangen. 575 Kater / Leube, § 106 Rn. 18. 576 So auch Waltermann, SozR, Rn. 315. 577 Im Ergebnis auch Küppersbusch, Rn. 419 b; Schmidt, BB 2002, 1859, 1860. Das LAG Hessen, Urt. v. 14. 12. 2001 – 9 / 2 Sa 1983 / 00 –, NZA-RR 2002, 288, 290 stellt in einer Entscheidung zum Begriff der gemeinsamen Betriebsstätte sogar maßgebend darauf ab, daß die Zusammenarbeit von zwei Unternehmen bei Umladevorgängen als gefestigt angesehen werden könnte, weil sie vier- bis fünfmal im Monat stattfinde.

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

ist, die für ihn und den Elektriker „gemeinsam“ i.S. von § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII war. Der BGH hat zu solchen Fallgestaltungen noch nicht abschließend Stellung genommen. Aus einer Entscheidung vom 3. 7. 2001578 ist in der Literatur allerdings geschlossen worden, der Senat habe seine Rechtsprechung dahingehend präzisiert, daß ein Zusammenwirken in der konkreten Unfallsituation vorliegen müsse; aufeinander aufbauende, zeitlich nacheinander erfolgende Betriebstätigkeiten seien daher nicht erfaßt579. Die Ausführungen des BGH sind jedoch auf den konkreten Fall bezogen, in dem die Tätigkeiten zeitlich parallel und gerade nicht aufeinanderfolgend verliefen. Ihnen kann kein über den Fall hinausgehendes Verständnis beigemessen werden. Die Behandlung der Fälle des zeitlich aufeinanderfolgenden Handelns von zwei Unternehmen läßt sich unter Berücksichtigung des dem § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII zugrundeliegenden Gedankens der Gefahrengemeinschaft lösen. Eine Gefahrengemeinschaft besteht nur in den Fällen, in denen jeder der Beteiligten potentieller Schädiger und Geschädigter ist und damit der Reziprozitätsgedanke zum Tragen kommt. Es ist daher zwischen verschiedenen Fallkonstellationen zu differenzieren. Handeln die Unternehmen zeitlich versetzt, begibt sich nur das zeitlich nachfolgende Unternehmen in den Risikobereich des zuerst tätig gewordenen, nicht aber umgekehrt. Die später Handelnden unterliegen nicht der Gefahr, die für das zuerst handelnde Unternehmen Tätigen zu verletzen. Eine Gefahrengemeinschaft, in der alle Tätigen gleichermaßen Schadens- und Haftungsrisiken ausgesetzt sind und daher ein besonderes Schutzbedürfnis besteht, liegt bei einer solchen einseitigen Gefährdung des zeitlich nachfolgenden Unternehmens nicht vor. Ein solches zeitlich aufeinanderfolgendes Handeln kann demnach die Haftungsfreistellung des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII nicht begründen580. Dies bedeutet für den oben geschilderten Fall der Verletzung des Malers, daß zwischen ihm und dem Elektriker eine gemeinsame Betriebsstätte nicht bestanden hat. Anders ist hingegen in Fällen zu entscheiden, in denen die Unternehmen immer wieder zeitlich aufeinanderfolgend tätig werden. Als Beispiel dient folgender vom OLG Hamm581 entschiedener Fall: Die Mitarbeiterin eines Reinigungsunternehmens, dem die Reinigungsarbeiten in einem Krankenhaus übertragen worden waren, hatte sich beim Entleeren eines Müllbehälters mit einer darin befindlichen, BGH, Urt. v. 3. 7. 2001 – VI ZR 284 / 00 –, BGHZ 148, 214, 221. So Otto, NZV 2002, 10, 11 mit Fn. 28. 580 So auch Otto, NZV 2002, 10, 11 Fn. 28; a.A. OLG Hamm, Urt. v. 13. 2. 2001 – 9 U 189 / 00 –, r+s 2001, 327; Imbusch, VersR 2001, 547, 551; Waltermann, NJW 2002, 1225, 1229. Das LG Münster, Urt. v. 10. 1. 2001 – 1 S 161 / 00-, NJW 2001, 1733 läßt offen, ob in einem solchen Fall eine gemeinsame Betriebsstätte zu bejahen ist, meint aber, daß einiges dafür spreche. 581 OLG Hamm, Beschl. v. 11. 12. 2000 – 6 W 41 / 00 –, r+s 2000, 150. 578 579

VIII. Die Tatbestände des § 106 Abs. 3 SGB VII

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gebrauchten Injektionsnadel in den Oberschenkel und die Hand gestochen. Die Nadel war offenbar infolge eines Versehens des Krankenhauspersonals nicht in das hierfür vorgesehene Behältnis entsorgt worden. Das OLG Hamm hat das Vorliegen einer gemeinsamen Betriebsstätte damit begründet, daß in dem Krankenhaus die jeweiligen Arbeitsabläufe zwischen dem Pflegepersonal und den Reinigungskräften in räumlicher und zeitlicher Hinsicht aufeinander abzustimmen und deshalb – wenn auch nicht im Kernbereich der Tätigkeiten – miteinander verknüpft waren. Diese Entscheidung wird vom Reziprozitätsgedanken getragen. Auch hier wird zwar das Reinigungspersonal bei isolierter Betrachtung eines Tagesablaufs erst nach dem Handeln des Pflegepersonals tätig. Es handelt sich indessen nicht um ein einmalig aufeinanderfolgendes Tätigwerden, sondern die Tätigkeitsbereiche überschneiden sich Tag für Tag. Es kann daher ebenso zu Verletzungen des Pflegepersonals kommen, etwa weil die Reinigungskräfte Seifenrückstände auf den Fluren hinterlassen haben. Hier besteht eine Gefahrengemeinschaft in Permanenz. Daraus folgt, daß zeitlich aufeinanderfolgendes Handeln – für sich betrachtet – einen Rückschluß auf die Haftungsfreistellung nach § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII noch nicht zuläßt. Orientierungspunkt ist vielmehr der Gedanke der Gefahrengemeinschaft. (5) Gemeinsame Betriebsstätte im Straßenverkehr Bisher ist – soweit ersichtlich – die Frage noch nicht gerichtlich entschieden, ob bzw. in welchem Umfang eine Haftungsfreistellung nach § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII im öffentlichen Staßenverkehr in Betracht zu ziehen ist. Der 39. Deutsche Verkehrsgerichtstag 2001 hat sich mit dieser Frage bereits befaßt. Der betreffende Arbeitskreis hat die Auffassung vertreten, daß die Benutzung öffentlicher Straßen im fließenden Verkehr grundsätzlich nicht unter den Begriff der gemeinsamen Betriebsstätte im Sinne von § 106 Abs. 3 SGB VII falle582. Daß ein rein zufälliges Begegnen zweier LKW-Fahrer im öffentlichen Straßenverkehr nicht ausreicht, um in ihrem Verhältnis § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII zur Anwendung kommen zu lassen, ergibt sich zwanglos unter dem zugrundegelegten Begriffsverständnis. Anders liegen die Dinge, wenn die Tätigen zweier Unternehmen auf einer gemeinsamen Fahrt in einem Fahrzeug, das einer von ihnen fährt, betrieblichen Tätigkeiten nachgehen, also etwa von der gemeinsamen Baustelle zum Baumarkt fahren. Nimmt der Tätige eines Unternehmens einen Arbeitnehmer des anderen Unternehmens mit und verursacht er bei der Fahrt einen Unfall, so spricht nichts dagegen, einen Haftungsausschluß anzunehmen583. Durch ihre gemeinsame Betriebsfahrt verknüpfen sie ihre Tätigkeiten miteinander und machen daher das VGT 2001, 12. Plagemann, NZV 2001, 233, 235 tendiert dahin, die Landstraße nicht mit einer „gemeinsamen Betriebsstätte“ gleichzusetzen. 582 583

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

Fahrzeug zu ihrer gemeinsamen Betriebsstätte. Bestätigt wird dies durch einen Vergleich mit den beiden anderen Alternativen des § 106 Abs. 3 SGB VII. Bei dem Zusammenwirken von Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder von Unternehmen des Zivilschutzes ist die Benutzung der Straße für das schnelle Erreichen des Einsatzortes besonders entscheidend584. Etwas anderes gilt jedoch bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel zur Durchführung eines Betriebsweges. In diesen Fällen wird eine Haftungsfreistellung nach § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII wohl kaum vorkommen, weil es an einem gemeinsamen Handeln fehlt: Die Benutzung solcher Verkehrsmittel erfolgt nur parallel.

b) Einbeziehung des Unternehmers als Schädiger in den Schutzbereich des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII Neben der Frage, wie der Begriff der „gemeinsamen Betriebsstätte“ zu definieren ist, wird als weitere Frage intensiv und kontrovers diskutiert, ob – und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen – auch der als Schädiger in Anspruch genommene Unternehmer durch § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII von seiner Haftung freigestellt wird. aa) Meinungsstand Ein Teil der Literatur ist der Auffassung, daß sich das Haftungsprivileg des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII auch auf den Unternehmer erstreckt585. Diese Auffassung fand sich vor den Entscheidungen des BGH zu dieser Frage auch im wohl überwiegenden Teil der Entscheidungen von erst- und zweitinstanzlichen Gerichten586. Dieses Verständnis wurde in erster Linie damit begründet, daß § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII (u. a.) auf § 104 SGB VII verweist; diese Verweisung mache nur dann Sinn, wenn die Vorschrift auch die Unternehmerhaftung beschränke587. Auch die So zutreffend Plagemann, NZV 2001, 233, 235. Geigel / Kolb, Kap. 31 Rn. 84; Jahnke, r+s 1999, 353, 354; ders., VersR 2000, 155, 156; ders., NJW 2000, 265; Klumpp, EWiR 2002, 123, 124; Kock, S. 158 ff., 167; Risthaus, VersR 2000, 1203, 1206; Tischendorf, VersR 2002, 1188, 1189 f.; Wussow, WJ 2000, 140; dahingehend auch Plagemann, NZV 2001, 233, 235. 586 OLG Saarbrücken, Urt. v. 25. 5. 1999 – 7 U 894 / 98 – 158 –, r+s 1999, 374, 375 (allerdings ohne Begründung); OLG Karlsruhe, Urt. v. 23. 6. 1999 – 7 U 30 / 99 –, r+s 1999, 373, 374; OLG Braunschweig, Urt. v. 8. 7. 1999 – 2 U 192 / 98 –, r+s 1999, 459; OLG Stuttgart, Urt. v. 2. 11. 1999 – 10 U 103 / 99 –, r+s 2000, 22, 23; Urt. v. 10. 2. 2000 – 13 U 123 / 99 –, r+s 2000, 240, 241; OLG Brandenburg, Urt. v. 5. 7. 2000 – 13 U 253 / 99 –, r+s 2000, 373, 374 f.; OLG Dresden, Urt. v. 17. 10. 2000 – 3 U 1761 / 00 –, NJW-RR 2000, 747, 748; LG Tübingen, Urt. v. 18. 4. 2000 – 2 O 262 / 99 –, MDR 2000, 959; LG Memmingen, Urt. v. 16. 1. 2001 – 2 O 1355 / 00 –, NJW-RR 2001, 748, 749. 587 OLG Stuttgart, Urt.v. 10. 2. 2000 – 13 U 123 / 99 –, r+s 2000, 240, 241; OLG Brandenburg, Urt. v. 5. 7. 2000 – 13 U 253 / 99 –, r+s 2000, 373, 374; OLG Dresden, Urt. v. 584 585

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historische Entwicklung des Haftungsausschlusses bei Arbeitsunfällen spreche für eine Einbeziehung des Unternehmers in das Haftungsprivileg. Ausgangspunkt der Haftungsfreistellung sei die Ablösung der Haftung des Unternehmers durch die von ihm finanzierte Unfallversicherung gewesen; das Haftungsprivileg der Arbeitnehmer sei von seinem Privileg abgeleitet worden. Würde durch § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII nur der Arbeitnehmer, nicht aber der Unternehmer abgelöst, dann bestehe das Haftungsprivileg des Arbeitnehmers losgelöst von dem des Unternehmers. Dies wäre ein Systembruch588. Für die Einbeziehung des Unternehmers in die Haftungsfreistellung spreche auch, daß er für die Bildung der Zwangsgefahrengemeinschaft der Unternehmen verantwortlich sei und damit die Verantwortung für die Gefahrgeneigtheit der Tätigkeit des Schadensverursachers trage. Dieser Verantwortung werde der Unternehmer gerecht, indem er wie bei einer gesetzlichen Haftpflichtversicherung für die Beiträge allein aufkomme. Mit diesen Beiträgen löse er aber nicht nur die Haftung der für ihn Tätigen, sondern auch seine eigene Haftung ab589. Im übrigen würden das Friedensargument und das Finanzierungsargument auch über den Betrieb hinaus gelten. Welche Berufsgenossenschaft für den Schädiger die Leistungen erbringe, sei nicht entscheidend; wesentlich sei, daß der Unternehmer Versicherungsbeiträge bezahlt habe590. Gerade für den fremden Unternehmer passe das Friedensargument. Für ihn gehe es darum, nicht als „Störenfried“ von zukünftigen Zusammenarbeiten ausgeschlossen zu werden. Ferner habe allein der Unternehmer es in der Hand, die reibungslose weitere Zusammenarbeit, die in den behandelten Sachlagen den Betriebsfrieden ausmache, zu gewährleisten oder zu unterbinden591. Der BGH592 – sowie vor ihm bereits einige Gerichte erster und zweiter Instanz593 – und ein Teil der Literatur594 sind der Auffassung, daß nur der vor Ort 17. 10. 2000 – 3 U 1761 / 00 –, NJW-RR 2001, 747, 748; Imbusch, VersR 2001, 547, 552 (auf S. 554 zieht er auch eine Parallele zu § 106 Abs. 4 SGB VII); Jahnke, r+s 1999, 353, 354; ders., VersR 2000, 155, 156; ders., NJW 2000, 265; Risthaus, VersR 2000, 1203, 1204. 588 LG Memmingen, Urt. v. 16. 1. 2001 – 2 O 1355 / 00 –, NJW-RR 2001, 748, 749; Imbusch, VersR 2001, 547, 554; ders., VersR 2001, 1485, 1487; Risthaus, VersR 2000, 1203, 1205. 589 OLG Karlsruhe, Urt. v. 23. 6. 1999 – 7 U 30 / 99 –, r+s 1999, 373, 374. 590 OLG Stuttgart, Urt. v. 10. 2. 2000 – 13 U 123 / 99 –, r+s 2000, 240, 241; zur betriebsübergreifenden Geltung des Finanzierungsarguments auch OLG Dresden, Urt. v. 17. 10. 2000 – 3 U 1761 / 00 –, NJW-RR 2001, 747, 748; dahingehend auch Klumpp, EWiR 2002, 123, 124. 591 OLG Dresden, Urt. v. 17. 10. 2000 – 3 U 1761 / 00 –, NJW-RR 2001, 747, 748. 592 BGH, Urt. v. 3. 7. 2001 – VI ZR 284 / 00 –, BGHZ 148, 214, 216 ff.; Urt. v. 3. 7. 2001 – VI ZR 198 / 00 –, BGHZ 148, 209, 212 f.; Urt. v. 25. 6. 2002 – VI ZR 279 / 01 –, r+s 2002, 376; Urt. v. 27. 6. 2002 – III ZR 234 / 01 –, r+s 2002, 374, 375 = BB 2002, 1866, 1867; Urt. v. 29. 10. 2002 – VI ZR 283 / 01 –, VersR 2003, 70, 71. 593 OLG Hamm, Urt. v. 13. 2. 2001 – 9 U 189 / 00 –, r+s 2001, 327; LG Münster, Urt. v. 10. 1. 2001 – 1 S 161 / 00 –, NJW 2001, 1733. 594 Dahm, r+s 2001, 397, 399; Gitter, FS Wiese, S. 131, 133; Lemcke, r+s 2001, 371 (der allerdings die Beschränkung auf „versicherte“ Unternehmer kritisiert); Schmitt, Anm. zu

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

betrieblich tätige versicherte Unternehmer vom Haftungsprivileg des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII erfaßt ist. Danach ist also zu unterscheiden, ob der Unternehmer selbst auf der gemeinsamen Betriebsstätte tätig war und dabei jemanden verletzt hat oder ob er nur in seiner Unternehmerfunktion nach §§ 831, 823 BGB oder auch § 7 StVG in Anspruch genommen wird. Gegen die generelle Einbeziehung des Unternehmers in die Haftungsfreistellung wird zunächst der Wortlaut des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII angeführt595. Hätte auch die Haftung der Unternehmer beschränkt werden sollen, dann wären die Worte „für die Ersatzpflicht der für die beteiligten Unternehmen Tätigen untereinander“ überflüssig gewesen596. Der Verweisung auf die §§ 104, 105 SGB VII lasse sich ebenfalls nichts anderes entnehmen. Zwar hätte es der Verweisung auf § 104 SGB VII nicht bedurft, weil sich die Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Haftungsprivilegierung der für die beteiligten Unternehmen Tätigen bereits aus § 105 Abs. 1 S. 3 SGB VII ergäben; es handele sich hierbei jedoch nur um eine pauschale Verweisung, wie sie auch in anderen Vorschriften anzutreffen sei597. Der BGH sieht in der Gefahrengemeinschaft, in der sich die Betroffenen befinden, die Rechtfertigung für das Haftungsprivileg der auf der gemeinsamen Betriebsstätte Tätigen. Dieser Rechtfertigungsgrund lege es nahe, daß nur Ansprüche zwischen den tatsächlich zusammenwirkend Handelnden untereinander ausgeschlossen würden, weil nur diese Personen zum Schädiger oder zum Geschädigten werden, also eine Gefahrengemeinschaft bilden könnten598. In engem Zusammenhang damit steht der Hinweis aus der Literatur, daß der Sinn der Erstreckung des Haftungsprivilegs auf die auf einer gemeinsamen Betriebsstätte Tätigen darin zu sehen sei, daß Betriebstätige vor einer stärkeren Inanspruchnahme zu schützen seien599. Vor der Entscheidung des BGH ist vereinzelt auch die Auffassung vertreten worden, daß eine Haftungsfreistellung des Unternehmers nach § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII generell ausscheide600. Beim Unternehmer bestehe eine andere InterBGH, Urt. v. 3. 7. 2001 – VI ZR 284 / 00 –, LM Nr. 4 zu § 106 SGB VII; wohl auch Rolfs, DB 2001, 2294, 2297, der zwar die Argumentation des BGH nicht für überzeugend hält, die restriktive Interpretation der von ihm als rechtspolitisch weitgehend verfehlt eingestuften Vorschrift aber begrüßt; Schmidt, BB 2002, 1859, 1861; Waltermann, NJW 2002, 1225, 1230. 595 BGH, Urt. v. 3. 7. 2001 – VI ZR 284 / 00 –, BGHZ 148, 214, 217; LG Münster, Urt. v. 10. 1. 2001 – 1 S 161 / 00-, NJW 2001, 1733; Lemcke, r+s 2000, 221, 223; Schmitt, Anm. zu BGH, Urt. v. 3. 7. 2001 – VI ZR 284 / 00 –, LM Nr. 4 zu § 106 SGB VII. 596 BGH, Urt. v. 3. 7. 2001 – VI ZR 284 / 00 –, BGHZ 148, 214, 217; Lemcke, r+s 1999, 376, 377. 597 BGH, Urt. v. 3. 7. 2001 – VI ZR 284 / 00 –, BGHZ 148, 214, 218. 598 BGH, Urt. v. 3. 7. 2001 – VI ZR 284 / 00 –, BGHZ 148, 214, 218, 220; Urt. v. 3. 7. 2001 – VI ZR 198 / 00 –, BGHZ 148, 209, 212; Urt. v. 25. 6. 2002 – VI ZR 279 / 01 –, r+s 2002, 376; zustimmend Schmidt, BB 2002, 1859, 1861; dazu auch Schmitt, Anm. zu BGH, Urt. v. 3. 7. 2001 – VI ZR 284 / 00 –, LM Nr. 4 zu § 106 SGB VII. 599 Lemcke, r+s 1999, 376, 377. 600 OLG Hamm, Urt. v. 13. 2. 2001 – 9 U 189 / 00 –, r+s 2001, 327; Lemcke, r+s 1999, 376, 377; ders., r+s 2000, 221, 223; so wohl auch Kater / Leube, § 106 Rn. 16.

VIII. Die Tatbestände des § 106 Abs. 3 SGB VII

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essenlage als bei Arbeitnehmern. Das Ziel seiner Beteiligung an der Arbeit liege in der Erwirtschaftung von Gewinnen, er müsse Organisations- und Kontrollaufgaben gegenüber seinen Beschäftigten erfüllen und deren Zusammenwirken gewährleisten601. Es bestehe für den Unternehmer nicht ein besonderes Schutzbedürfnis zu Lasten fremder Betriebstätiger, für die die Unternehmer keine Beiträge bezahlten und die auch den Betriebsfrieden nicht stören könnten602. Der Unternehmer könne sich durch eine Haftpflichtversicherung schützen603. bb) Eigene Ansicht (1) Erfordernis der Tätigkeit vor Ort Geht man vom Wortlaut des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII aus, ist zunächst festzuhalten, daß die Norm nicht nur im Tatbestand als Voraussetzung aufstellt, daß „Versicherte mehrerer Unternehmen vorübergehend betriebliche Tätigkeiten auf einer gemeinsamen Betriebsstätte“ verrichten, sondern auf der – auch für die anderen Alternativen geltenden – Rechtsfolgenseite anordnet, daß die Rechtsfolge „gelten die §§ 104, 105 für die Ersatzpflicht“ sich auf die „für die beteiligten Unternehmen Tätigen untereinander“ bezieht. Die allgemeine Anordnung auf der Rechtsfolgenseite ist daher im Sinne der Formulierung der dritten Alternative für ihren Anwendungsbereich dahingehend zu verstehen, daß der Tätige nur der als Versicherter auf der gemeinsamen Betriebsstätte Tätige ist, der dort betriebliche Tätigkeiten verrichtet604. Diese Voraussetzung fehlt dem Unternehmer, der die Tätigkeiten auf der Betriebsstätte aus der Ferne organisiert. Folglich bestimmt § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII den persönlichen Geltungsbereich eigenständig, ohne daß die Verweisung auf die §§ 104, 105 SGB VII insoweit zum Tragen kommt605. Der Wortlautauslegung des BGH und der ihm folgenden Literatur ist damit zuzustimmen. Für eine solche Auslegung spricht – wie der BGH zutreffend feststellt – auch der Zweck der Norm. Der den Haftungsausschluß auf gemeinsamer Betriebsstätte rechtfertigende Gesichtspunkt der Gefahrengemeinschaft setzt eine Tätigkeit vor Ort voraus. Zwar steht der Unternehmer auch in seiner Abwesenheit in Gefahr, in seiner Unternehmerfunktion Schädiger nach §§ 831, 823 BGB oder auch § 7 StVG zu werden. Für ihn ergibt sich jedoch schon deshalb eine andere Situation, weil er durch die organisatorische Gestaltung die Haftungsrisiken prägt, denen der Tätige bei seiner Arbeit ausgesetzt ist. Wird der Unternehmer indessen selbst auf der Betriebsstätte tätig, so sprechen sowohl der Wortlaut des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII als auch der Gedanke der OLG Hamm, Urt. v. 13. 2. 2001 – 9 U 189 / 00 –, r+s 2001, 327. Lemcke, r+s 1999, 376, 377. 603 Lemcke, r+s 2000, 221, 223. 604 Anders Risthaus, VersR 2000, 1203. 605 So auch LG Münster, Urt. v. 10. 1. 2001 – 1 S 161 / 00 –, NJW 2001, 1733; Lemcke, r+s 1999, 376, 377. 601 602

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

Gefahrengemeinschaft dafür, das Haftungsprivileg zugunsten des Unternehmers eingreifen zu lassen606. In diesem Fall ist der Unternehmer ebenso in die Gefahrengemeinschaft integriert wie ein Beschäftigter. Auf diese Weise kann insbesondere dem Schutzbedürfnis von Kleinunternehmern, das dem von unselbständig Beschäftigten vielfach entspricht607, Rechnung getragen werden608. Die Haftungsfreistellung des Unternehmers setzt dabei allerdings voraus, daß er die Schädigung im Zuge seiner Tätigkeit und damit als „Tätiger“ verursacht hat. Eine Haftungsfreistellung des Unternehmers nach § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII scheidet deshalb in den Fällen aus, in denen der Unternehmer zwar auf der Betriebsstätte anwesend war, die Schädigung jedoch von einem seiner Beschäftigten verursacht wurde und er – etwa aus § 831 BGB – in Anspruch genommen wird. (2) Erfordernis der Versicherteneigenschaft Daß der Unternehmer – wie jeder Schädiger im Rahmen des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII – nach dem klaren Wortlaut der Norm auch Versicherter sein muß609, läßt sich aus dem der Norm zugrundeliegenden Reziprozitätsgedanken begründen. In der Literatur ist dagegen eingewandt worden, daß die Anknüpfung an den Unfallversicherungsschutz des Schädigers sachlich nicht zu begründen sei610. Es führe zu einer tatsächlichen Ungleichbehandlung, wenn nur ein Teil der tatsächlich auf der Betriebsstätte Tätigen der Haftungsprivilegierung unterfallen würde611. Die Versicherteneigenschaft ist indessen sowohl auf der Schädiger- als auch auf der Geschädigtenseite Voraussetzung des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII. Durch diese Parallelität der Anforderungen wird erreicht, daß sich nur derjenige den Haftungsausschluß entgegenhalten lassen muß, der sich seinerseits auf ihn berufen kann612. Auf der Geschädigtenseite ist die Anknüpfung an die Versicherteneigenschaft jedoch schon deshalb innerlich gerechtfertigt, weil sie – von den Ausnahmefällen des § 105 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 SGB VII abgesehen – das Wesensmerkmal der Haftungsausschlüsse darstellt: Der Versicherungsschutz des Geschädigten kompensiert die entzogenen Ansprüche. Es kommt hinzu, daß es dem Gesetzgeber, der mit 606 So auch BGH, Urt. v. 3. 7. 2001 – VI ZR 198 / 00 –, BGHZ 148, 209, 212; Schmidt, BB 2002, 1859, 1861; Waltermann, NJW 2002, 1225, 1230. 607 Schmitt, Anm. zu BGH, Urt. v. 3. 7. 2001 – VI ZR 284 / 00 –, LM Nr. 4 zu § 106 SGB VII. 608 So auch BGH, Urt. v. 3. 7. 2001 – VI ZR 284 / 00 –, BGHZ 148, 214, 220 f. 609 So auch BGH, Urt. v. 27. 6. 2002 – III ZR 234 / 01 –, LM Nr. 53 zu § 839 BGB (K) mit zustimmender Anm. Schmitt = r+s 2002, 374, 375 = BB 2002, 1866, 1868; zustimmend Schmidt, BB 2002, 1859, 1861; dahingehend auch bereits BGH, Urt. v. 3. 7. 2001 – VI ZR 198 / 00 –, BGHZ 148, 209, 212. 610 Lemcke, r+s 2001, 371; gegen diese Voraussetzung auch KassKomm / Ricke, § 106 SGB VII Rn. 11; Kock, S. 167. 611 OLG Brandenburg, Urt. v. 5. 7. 2000 – 13 U 253 / 99 –, r+s 2000, 373, 375. 612 Zu diesem Gesichtspunkt auch Otto, NZV 2002, 10, 16; Schmidt, BB 2002, 1859, 1861; Waltermann, NJW 2002, 1225, 1230.

VIII. Die Tatbestände des § 106 Abs. 3 SGB VII

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§ 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII neue Wege beschritten hat, unbenommen war, sich in dieser Norm auf die Regelung der Rechtsposition Versicherter zu beschränken. (3) Systemkonformität des Auslegungsergebnisses Bezieht man demnach den Unternehmer – von der erörterten Ausnahme abgesehen – in den Haftungsausschluß nicht ein, so geht die Haftungsprivilegierung der Beschäftigten über die der Unternehmer hinaus. Dies ist eine Neuartigkeit im System der Haftungsersetzung durch Unfallversicherungsschutz613. Sie steht mit der Konzeption des UVEG jedoch in Einklang: Schon die verschiedenen Neuregelungen in § 105 SGB VII haben gezeigt, daß sich das ursprüngliche Konzept der Haftungsfreistellung im Unfallversicherungsrecht zu einer arbeitsrechtlichen Haftungsprivilegierung für Personenschäden gewandelt hat614. Dieser Konzeptionswandel kommt auch in § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII zum Ausdruck. Es wird danach nicht nur der soziale Schutz des Geschädigten angestrebt, sondern es rückt auch das Schutzbedürfnis des schädigenden Arbeitnehmers – sein Interesse daran, von einer Einstandspflicht für den verursachten Schaden verschont zu werden – in das Blickfeld der Betrachtungen. (4) Keine Korrekturbedürftigkeit der Norm De lege lata ist der Unternehmer nach allem nur unter den genannten engen Voraussetzungen in das Haftungsprivileg des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII einbezogen. Der Arbeitskreis VI des 39. Deutschen Verkehrsgerichtstages von 2001 hat jedoch dem Gesetzgeber empfohlen, in einer Korrektur klarzustellen, daß der Unternehmer sowohl als Schädiger als auch als Geschädigter in den Haftungsausschluß einbezogen ist615. Eine solche Erstreckung des Haftungsausschlusses aus § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII würde jedoch Legitimationsschwierigkeiten mit sich bringen, denen sogar eine verfassungsrechtliche Dimension zukäme. Für einen solchen Anspruchsentzug gäbe es keinen rechtfertigenden Grund, da weder das Friedens- oder das Finanzierungsargument noch das besondere Schutzbedürfnis betrieblich Tätiger vor den Haftungsrisiken im Arbeitsleben und der damit im Zusammenhang stehende Gedanke der Gefahrengemeinschaft zugunsten des Unternehmers zum Tragen kämen. Anders wäre es hingegen, wenn der Gesetzgeber – wie oben erörtert616 – eine Konzeptionsänderung mit dem Ziel vornehmen würde, die Unfallversicherung als eine umfassende Pflicht-Haftpflichtversicherung aller Unternehmer für die Schädigungen aller versicherten Beschäftigten auszugestalten. 613 Zutreffend insoweit Imbusch, VersR 2001, 547, 554 gegen die Auffassung von Lemcke, r+s 2000, 221, 223. 614 Siehe dazu oben C.I.1.b)ee); C.IV.1.; C.V.1.b). 615 VGT 2001, 12. 616 Vgl. oben C.I.1.b)bb).

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

cc) Komplikationen im Fall des gestörten Gesamtschuldverhältnisses und praktische Konsequenzen für die Haftung Ist der nicht selbst auf der gemeinsamen Betriebsstätte tätige versicherte Unternehmer in die Haftungsprivilegierung des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII nicht einbezogen, sein Arbeitnehmer hingegen nach dieser Vorschrift von seiner Haftung freigestellt, entsteht eine neuartige Haftungskonstellation, die zu Komplikationen führt. Es fragt sich, in welchem Umfang der Unternehmer als Zweitschädiger dem Verletzten zum Schadensersatz nach §§ 823, 831 BGB oder § 7 StVG verpflichtet ist. Ohne den Haftungsausschluß des Arbeitnehmers wären Arbeitnehmer und Arbeitgeber gegenüber dem Geschädigten bei Verwirklichung der Haftungstatbestände gemäß § 840 Abs. 1 BGB Gesamtschuldner, so daß dieser beide Schädiger unbeschränkt in Anspruch nehmen könnte617. In ihrem Innenverhältnis würde sich die Verteilung der Haftung nach § 426 BGB richten. Damit kämen im Innenverhältnis der Schädiger die Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung zum Tragen, die eine anderweitige Bestimmung im Sinne von § 426 Abs. 1 S. 1 BGB sind618. Wegen des Haftungsausschlusses ist der Arbeitnehmer jedoch nicht Schuldner, so daß der Gesamtschuldnerausgleich gestört ist. (1) Grundlagen zum gestörten Gesamtschuldnerausgleich Mit der Frage, wie sich die durch einen Haftungsausschluß oder eine Haftungsbeschränkung verursachte Störung des Gesamtschuldnerausgleichs auf die Schadensabwicklung auswirkt, haben sich Rechtsprechung und Literatur intensiv beschäftigt, da eine gesetzliche Regelung fehlt. Zur Lösung dieses Dreieckskonfliktes bieten sich verschiedene Möglichkeiten an: Dem Geschädigten könnte trotz dieser Störung eine volle Inanspruchnahme des Zweitschädigers gestattet werden. Dieses Ergebnis wurde jedoch als unbillig empfunden. Man hat daher erwogen, ob der Zweitschädiger vom Erstschädiger anteilig trotz des Haftungsprivilegs Regreß nehmen kann, indem eine Gesamtschuld fingiert wird. Für eine solche Lösung hat sich die Rechtsprechung in Fällen des vertraglichen Haftungsverzichts619 und zunächst auch im Fall der gesetzlichen Haftungsbeschränkung des § 1359 BGB620 ausgesprochen mit der Begründung, daß solche Haftungserleichterungen nicht den Zweitschädiger belasten sollen. Mittlerweile hat der BGH diese Auffassung für den Fall der gesetzlichen Haftungsmilderung des § 1664 BGB – und damit sicher auch für § 1359 BGB – aufgegeben. In diesen Fällen soll der Zweitschädiger nach der neueren Rechtsprechung voll haften, weil dem haftungsprivilegierten Schädi617 Die Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung gelten nicht im Außenverhältnis, vgl. bereits oben C.I.1.b)ee); aus neuester Zeit Walker, JuS 2002, 736, 742. 618 MünchArbR / Blomeyer, § 60 Rn. 14; Otto / Schwarze, Rn. 477. 619 BGH, Urt. v. 3. 2. 1954 – VI ZR 153 / 52 –, BGHZ 12, 213, 215 ff.; Urt. v. 9. 3. 1972 – VII ZR 178 / 70 –, BGHZ 58, 216, 219 ff. 620 BGH, Urt. v. 27. 6. 1961 – VI ZR 205 / 60 –, BGHZ 35, 317, 322 ff.

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ger die Schädigung gar nicht erst zugerechnet werden könne, so daß er nicht in die Regelung des § 840 Abs. 1 BGB hineinwachse621. Für den Fall des unfallversicherungsrechtlichen Haftungsprivilegs hat die Rechtsprechung von vornherein eine Lösung zu Lasten des haftungsprivilegierten Schädigers abgelehnt und deshalb früher den Zweitschädiger voll haften lassen. Dies deshalb, weil die Unternehmer die Unfallversicherung finanzieren und die Haftungsfreistellung ein Ausgleich dafür sei, der vollständig aufrechterhalten bleiben müsse622. Neben den beiden bereits genannten Möglichkeiten – Lösung zu Lasten des privilegierten Schädigers oder zu Lasten des nicht privilegierten Schädigers – besteht indessen eine weitere. Nach ihr wird die Haftung des Zweitschädigers gegenüber dem Geschädigten von vornherein auf den eigenen Verantwortungsteil gekürzt. Diese Lösung wird für den Fall der unfallversicherungsrechtlichen Haftungsprivilegierung von der heute wohl einhelligen Literatur623 und mittlerweile auch vom BGH in ständiger Rechtsprechung624 befürwortet. Dieser Auffassung ist für die unfallversicherungsrechtliche Haftungsprivilegierung im Grundsatz ohne Einschränkung zuzustimmen. Bei Anwendung der zivilrechtlichen Vorschriften müßte der Zweitschädiger dem Geschädigten vollen Schadensersatz leisten, ohne von dem durch die unfallversicherungsrechtlichen Vorschriften privilegierten Schädiger im Innenverhältnis den seinem Verantwortungsanteil entsprechenden Ausgleich verlangen zu können. Das Recht als Einheit gebietet es jedoch zu berücksichtigen, daß zwei prinzipiell verschiedene Unfallhaftungssysteme – Unfallversicherungsrecht einerseits, deliktisches Haftpflichtrecht andererseits – aufeinandertreffen, die nicht aufeinander abgestimmt sind. Sie sind in der Weise zu harmonisieren, daß beide Haftungssysteme für den in ihnen entstandenen Verantwortungsanteil Geltung erlangen625. Insoweit wird also die de-

621 BGH, Urt. v. 1. 3. 1988 – VI ZR 190 / 87 –, BGHZ 103, 338, 344 ff.; dazu Lange, JZ 1989, 48 ff.; Muscheler, JR 1994, 441 ff. 622 RG, Urt. v. 4. 1. 1937 – VI 274 / 36 –, RGZ 153, 38, 43; BGH, Urt v. 23. 11. 1955 – VI ZR 193 / 54 –, BGHZ 19, 114, 120 ff.; Urt. v. 10. 1. 1967 – VI ZR 77 / 65 –, NJW 1967, 982 f.; zustimmend Gamillscheg / Hanau, S. 199. 623 Burkert / Kirchdörfer, JuS 1988, 343, 345; von Caemmerer, ZfRV 1968, 81, 96 f.; Deutsch, Rn. 536; Gitter, JR 1974, 152; Hager, NJW 1989, 1640, 1644; Helle, NJW 1970, 1917, 1918; Lange / Schiemann, § 11 A IV 2 b, S. 684; Medicus, JZ 1967, 398, 401 f.; MünchKomm / Stein, § 840 Rn. 9; Otto / Schwarze, Rn. 618; RGRK / Weber, § 426 Rn. 33, 38, 40 m. w. N.; Rolfs, Haftung, S. 252 ff.; Selb, FS Lorenz, S. 245, 248; Wannagat / Waltermann, § 104 Rn. 26. 624 BGH, Urt. v. 12. 6. 1973 – VI ZR 163 / 71 –, BGHZ 61, 51, 53 ff.; Urt. v. 23. 4. 1985 – VI ZR 91 / 83 –, BGHZ 94, 173, 176; Urt. v. 23. 1. 1990 – VI ZR 209 / 89 –, BGHZ 110, 114, 117; Urt. v. 2. 4. 1974 – VI ZR 193 / 72 –, VersR 1974, 888, 889; Urt. v. 11. 6. 1974 – VI ZR 210 / 72 –, VersR 1974, 1127, 1129; Urt. v. 14. 6. 1976 – VI ZR 178 / 74 –, VersR 1976, 991, 992; Urt. v. 17. 2. 1987 – VI ZR 81 / 86 –, NJW 1987, 2669, 2670; Urt. v. 23. 3. 1993 – VI ZR 164 / 92 –, VersR 1993, 841, 842; Urt. v. 16. 4. 1996 – VI ZR 79 / 95 –, NJW 1996, 2023. 625 Vgl. BGH, Urt. v. 12. 6. 1974 – VI ZR 163 / 71 –, BGHZ 61, 51, 55; von Caemmerer, ZfRV 1968, 81, 97; Helle, NJW 1970, 1917, 1918.

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liktsrechtliche Regel, daß jeder Schädiger dem Verletzten auf das Ganze haftet (vgl. § 840 Abs. 1 BGB), durch die Spezialvorschriften des SGB VII in deren Geltungsbereich eingeschränkt626. Der Anspruch des Geschädigten ist demnach gegenüber dem Zweitschädiger in Höhe des Verantwortungsanteils des Erstschädigers zu kürzen. Dies bedeutet in der praktischen Konsequenz, daß er zwar nur ein gekürztes Schmerzensgeld erhält, ihm außerdem aber die Leistungen aus der Unfallversicherung voll zukommen627. Diese Lösung ist – zumindest für die Haftungsbeschränkungen des Unternehmers und der Arbeitskollegen aus §§ 104, 105 SGB VII – auch deshalb sachgerecht und ausgewogen, weil so derjenige mit dem Haftungsprivileg belastet wird, demgegenüber es Geltung erhalten soll. Auf diesem Wege wird die Freistellung des privilegierten Schädigers gegen eine sinnwidrige Umgehung durch Inanspruchnahme im Regreßwege abgesichert628. Es wird zudem verhindert, daß sich die Wirkungen des versicherungsrechtlichen Haftungsprivilegs über den Kreis der am Versicherungsverhältnis Beteiligten hinaus ausdehnen und die Rechte eines zweiten Schädigers beeinträchtigen, obwohl er außerhalb des Versicherungsverhältnisses steht629. (2) Wirkung des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII im Rahmen der gestörten Gesamtschuld Die für eine Kürzung der Ansprüche des Geschädigten gegen den Zweitschädiger vorgetragenen Argumente lassen sich nicht ohne weiteres auf den Fall der Haftungsprivilegierung nach § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII übertragen. So beruht § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII nicht auf dem Finanzierungsgedanken; gerade die Beitragspflicht des Unternehmers ist aber bei der Auflösung des Konflikts zu Lasten des Geschädigten immer als entscheidend angesehen worden630. Ferner besteht die Besonderheit, daß der Unternehmer nicht außerhalb der Beziehungen zwischen Geschädigtem und privilegiertem Schädiger steht, sondern das Tun des privilegierten Schädigers letztlich veranlaßt hat. Sind jedoch nach der hier vertretenen Ansicht rechtssystematische Erwägungen – eine der Billigkeit entsprechende Auflösung des Konflikts zweier verschiedener Haftungssysteme – für die Lösung des gestörten Gesamtschuldnerausgleichs zu Lasten des Geschädigten entscheidend, dann ist diese Lösung auch im Fall des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII gerechtfertigt.

Vgl. Helle, NJW 1970, 1917, 1918; Medicus, Rn. 934; Selb, FS Lorenz, S. 245, 248. Vgl. BGH, Urt. v. 12. 6. 1974 – VI ZR 163 / 71 –, BGHZ 61, 51, 55; Preißer, JuS 1987, 710, 711; Rolfs, Haftung, S. 254 m. w. N. 628 BGH, Urt. v. 12. 6. 1973 – VI ZR 163 / 71 –, BGHZ 61, 51, 55. 629 Vgl. BGH, Urt. v. 29. 10. 1968 – VI ZR 137 / 67 –, BGHZ 51, 37, 40; Urt. v. 9. 6. 1970 – VI ZR 311 / 67 –, BGHZ 54, 177, 180. 630 Vgl. oben Fn. 622 und Lange, JZ 1989, 48, 49. 626 627

VIII. Die Tatbestände des § 106 Abs. 3 SGB VII

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Für die Haftung des Unternehmers gegenüber dem Geschädigten ist damit die Verantwortung des Unternehmers im Innenverhältnis zu seinem Arbeitnehmer entscheidend. Zur Zeit bestehen indessen unterschiedliche Auffassungen darüber, welche Umstände aus dem Innenverhältnis der beiden Schädiger – des Unternehmers und seines Arbeitnehmers – im Rahmen der durch § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII gestörten Gesamtschuld zu berücksichtigen sind. Es wird zum einen angenommen, daß sich die Haftung des Unternehmers nach den Grundsätzen der beschränkten Arbeitnehmerhaftung bestimme, weil diese über die Haftungsverteilung im Innenverhältnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmer entscheiden631. Dagegen wendet sich eine andere Ansicht, die den Anspruch des Geschädigten insbesondere unter Berücksichtigung von § 840 Abs. 2 BGB bestimmen will632. Mit diesen Auffassungen ist eine gravierende Verschiedenheit der Rechtsfolgen verbunden. Leitet man die Lösung aus den Grundsätzen der beschränkten Arbeitnehmerhaftung ab, so bedeutet dies für den Geschädigten eine Anpassung seiner Schadensersatzansprüche nach dem Grad der Pflichtverletzung des Arbeitnehmers. Erachtet man § 840 Abs. 2 BGB für einschlägig, dann bedeutet dies den Fortfall seiner Schadensersatzansprüche gegen den einzigen als Haftenden noch verbliebenen Schädiger. Es ist daher zu klären, welcher der beiden rechtlichen Gesichtspunkte hier einschlägig ist. Die Diskussion rechtfertigt sich daraus, daß die Risikoverteilung aus dem Innenverhältnis der Schädiger nicht unbesehen auf das Außenverhältnis zum Geschädigten übertragen werden kann. In der Vergangenheit sind vor allem die Auswirkungen einer vertraglichen Haftungsabsprache zwischen Erst- und Zweitschädiger problematisiert worden. Während der vertraglichen Übernahme der Haftung durch den nicht privilegierten Schädiger Außenwirkung beigemessen wurde633, ergab sich im umgekehrten Fall der vertraglichen Übernahme durch den haftungsprivilegierten Schädiger die Frage, ob diese Absprache zu Lasten des Geschädigten Wirkung entfaltet. Diese Konsequenz hat man richtigerweise nicht gezogen: Die Kürzung der Ansprüche des Geschädigten aufgrund einer Freistellungsabrede zwischen Erst- und Zweitschädiger würde sich für den Geschädigten wie ein Vertrag zu seinen Lasten auswirken634. Dem Geschädigten gegenüber ist nur entscheidend, wie die Haftungszuständigkeiten und damit die Verantwortlichkeiten für die Schadensverhütung im Innenverhältnis der beiden Schädiger verteilt sind635 Diese sind 631 OLG Hamm, Beschl. v. 11. 12. 2000 – 6 W 41 / 00 –, r+s 2001, 150, 151; Lemcke, r+s 2001, 371; ders., r+s 2002, 508 f.; Otto, NZV 2002, 10, 15. 632 OLG München, Urt. v. 20. 3. 2002 – 27 U 276 / 01 –, r+s 2002, 507, 508; Imbusch, VersR 2001, 1485, 1488 ff.; Tischendorf, VersR 2002, 1188, 1191 f.; dahingehend auch noch Lemcke, r+s 2000, 221, 224; wohl auch Plagemann, NZV 2001, 233, 235. 633 BGH, Urt. v. 2. 4. 1974 – VI ZR 193 / 72 –, VersR 1974, 888, 889; Urt. v. 14. 6. 1976 – VI ZR 178 / 74 –, VersR 1976, 991, 992; RGRK / Weber, § 426 Rn. 34; Rolfs, Haftung, S. 255. 634 BGH, Urt. v. 23. 1. 1990 – VI ZR 209 / 89 –, BGHZ 110, 114, 120; Burkert / Kirchdörfer, JuS 1988, 341, 344; Denck, NZA 1988, 265, 267. 635 Selb, FS Lorenz, S. 245, 249 f.

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

nach dem Gedanken des § 254 BGB zu bestimmen, der im Rahmen des § 426 BGB umfassend Anwendung findet636. Der Geschädigte muß also etwa einen vollständigen Ausschluß seiner Ansprüche dann hinnehmen, wenn die Verkehrssicherungspflichten rechtlich und tatsächlich allein beim privilegierten Schädiger liegen; Vereinbarungen über die Verteilung von Haftungsfolgen beeinträchtigen seine Ansprüche hingegen nicht637. Die Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung sind indessen mit einer vertraglichen Freistellungsabrede nicht vergleichbar638. Dies gilt schon deshalb, weil sie heute einseitig zwingendes Arbeitnehmerschutzrecht sind, das durch § 276 Abs. 1 S. 1 BGB neuerdings sogar gesetzlich abgesichert ist639. Es kommt hinzu, daß es nach der hier vertretenen Auffassung bei ihnen darum geht, die Betriebsrisiken als Haftungsrisiken zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer angemessen zu verteilen640. Nach diesem Verständnis sind die Grundsätze der Haftungsbeschränkung im Arbeitsverhältnis damit Ausdruck der Verteilung der Haftungszuständigkeiten im Innenverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Es ist allerdings in der Literatur eingewandt worden, daß die Grundsätze der Haftungsbeschränkung im Arbeitsverhältnis nach der herrschenden Meinung keine Anwendung fänden, wenn für den Arbeitnehmer eine Pflichtversicherung greift641. Die Begründung dieser Auffassung, die Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung dienten nur dem Schutz des Arbeitnehmers, der sich erübrige, wenn der von ihm angerichtete Schaden vom Pflichtversicherer gedeckt sei, ließe sich auf die hier in Frage stehende Situation übertragen: Der Arbeitnehmer ist bereits durch § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII geschützt, eines weiteren Schutzes bedürfte es daher nicht642. Die einseitige Berücksichtigung des Arbeitnehmerschutzes greift indessen zu kurz. Sieht man die innere Rechtfertigung der Haftungsbeschränkung in der angemessenen Verteilung der Betriebsrisiken, dann muß sie auch bei der Risikoverteilung im Rahmen der gestörten Gesamtschuld uneingeschränkt zur Geltung kommen. Dies bedeutet allerdings, daß die Aspekte unberücksichtigt bleiben 636 Vgl. BGH, Urt. v. 23. 1. 1990 – VI ZR 209 / 89 –, BGHZ 110, 114, 118; Selb, FS Lorenz, S. 245, 250; zur umfassenden Geltung des § 254 BGB im Rahmen von § 426 BGB vgl. RG, Urt. v. 22. 12. 1910 – VI 610 / 09 –, RGZ 75, 251, 256 (seitdem std. Rspr., vgl. RG, Urt. v. 10. 6. 1943 – III 16 / 43 –, RGZ 171, 257, 265 m. w. N.); BGH, Urt. v. 3. 2. 1954 – VI ZR 153 / 52 –, BGHZ 12, 213, 220; GS, Beschl. v. 1. 2. 1965 – GSZ 1 / 64 –, BGHZ 43, 227, 231 m. w. N.; Urt. v. 29. 6. 1972 – VII ZR 190 / 71 –, BGHZ 59, 97, 103; Medicus, Rn. 928; MünchKomm / Bydlinski, § 426 Rn. 21; RGRK / Weber, § 426 Rn. 47. 637 BGH, Urt. v. 23. 1. 1990 – VI ZR 209 / 89 –, BGHZ 110, 114, 118 ff.; Urt. v. 17. 2. 1987 – VI ZR 81 / 86 –, NJW 1987, 2669, 2670; Burkert / Kirchdörfer, JuS 1988, 341, 343 ff.; Denck, NZA 1988, 265, 269; Rolfs, Haftung, S. 255 f. 638 So auch OLG Hamm, Beschl. v. 11. 12. 2000 – 6 W 41 / 00 –, r+s 2001, 150, 151; Lemcke, r+s 2001, 371. 639 Vgl. dazu oben C.V.2.a)aa). 640 Vgl. dazu ausführlich oben C.V.2.a)aa). 641 Vgl. dazu oben C.V.2.a)aa) mit Fn. 398. 642 So Imbusch, VersR 2001, 1485, 1490.

VIII. Die Tatbestände des § 106 Abs. 3 SGB VII

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müssen, die bei der Abwägung der Haftungsverteilung nur aus Gründen des Sozialschutzes und aus Billigkeitserwägungen dem Arbeitnehmer gegenüber Berücksichtigung finden643. Die Anwendung der Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung im gestörten Gesamtschuldverhältnis bedeutet, daß der Geschädigte den Arbeitgeber bei leichtester Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers voll in Anspruch nehmen kann, und der Anspruch bei mittlerer Fahrlässigkeit nach Würdigung der Gesamtumstände von Schadensanlaß und Schadensfolgen eingeschränkt wäre. Hat der Arbeitnehmer hingegen grob fahrlässig gehandelt, dann müßte er deshalb im Regelfall im Innenverhältnis zum Arbeitgeber den gesamten Schaden tragen, so daß der Geschädigte den Unternehmer in der Regel nicht in Anspruch nehmen kann. Aus der Sicht des Geschädigten erscheinen die Folgen dieser Kürzungen zunächst zwar nicht ohne weiteres verständlich: Er erhält kein Schmerzensgeld, wenn er grob fahrlässig verletzt wurde, dafür aber in Fällen leichter Fahrlässigkeit. Sie liegen jedoch in der Konsequenz des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII, den der Geschädigte sich entgegenhalten lassen muß644. Die Kürzung der Ansprüche des Geschädigten unter Berücksichtigung der Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung hat zur Folge, daß die Regelung des § 840 Abs. 2 BGB insoweit keine Anwendung findet. Diese Vorschrift wird durch die arbeitsrechtliche Haftungsbeschränkung als vorrangige Spezialregelung nach einhelliger Auffassung in ihrem Anwendungsbereich verdrängt645. Es kommt hinzu, daß es sich bei der Regelung des § 840 Abs. 2 BGB ohnedies um eine Ausnahmeregelung handelt, die auf Billigkeitserwägungen beruht und nur im Innenverhältnis der Schädiger Anwendung findet646. Schon ihr Grundgedanke ist nicht eindeutig, wird aber wohl für den Tatbestand des § 831 BGB darin zu sehen sein, daß der unmittelbare Schädiger im Verhältnis zu demjenigen, der den SchaVgl. dazu im einzelnen oben C.V.2.a)aa). Bei der Bestimmung der Haftung ist dem Umstand Rechnung zu tragen, daß Geschäftsherr und Verrichtungsgehilfe im Sinne von § 831 BGB eine sog. Haftungseinheit bilden (vgl. BGH, Urt. v. 24. 4. 1952 – VI ZR 78, 79 / 51 –, BGHZ 6, 3, 27), mit der Folge, daß bei der Abwägung der Verursachungsanteile für sie eine einheitliche Quote gebildet wird. Es ergeben sich hieraus allerdings keine weiteren Besonderheiten. 645 OLG Hamm, Beschl. v. 11. 12. 2000 – 6 W 41 / 00 –, r+s 2001, 150, 151; Erman / Schiemann, § 840 Rn. 12; Helm, AcP 160 (1961), 134, 146; Larenz / Canaris, § 82 IV 2 a, S. 583; MünchArbR / Blomeyer, § 60 Rn. 14; MünchKomm / Stein, § 840 Rn. 27; Otto / Schwarze, Rn. 477; RGRK / Nüßgens, § 840 Rn. 52; Staudinger / Richardi, § 611 Rn. 537; insbesondere mit Rücksicht auf diese Veränderung der Rechtslage sollte die Vorschrift des § 840 Abs. 2 BGB nach einem Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung schadensersatzrechtlicher Vorschriften von 1967 abgeschafft werden, vgl. Staudinger / Schäfer, § 840 Rn. 81. Die Forderung, § 840 Abs. 2 BGB aufzuheben, weil sein Regelungsgehalt obsolet ist, wird in der Literatur zutreffend weiterhin erhoben, vgl. nur Deutsch, Rn. 535; zumindest die Streichung des § 831 BGB in § 840 Abs. 2 BGB wird weiterhin vor allem auch im arbeitsrechtlichen Schrifttum gefordert, siehe Heinze, NZA 1986, 545, 549; Otto, S. E 73; vgl. Gamillscheg / Hanau, S. 91 ff. 646 Vgl. Motive II S. 737 = Mugdan, Bd. 2, S. 412. 643 644

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

den durch eine Verletzung seiner Pflicht zur Auswahl und Überwachung nur mittelbar ermöglicht hat, die Verantwortung für den Schaden im Innenverhälnis der Schädiger übernehmen soll647. Als Billigkeitsregelung mit dieser Zielrichtung bestimmt sie indessen nicht das Maß der Verantwortung der Schädiger gegenüber dem Geschädigten, auf die es für die Kürzung der Ansprüche des Geschädigten im Rahmen einer gestörten Gesamtschuld ankommt. Eine Anwendung des § 840 Abs. 2 BGB scheidet damit im Rahmen des gestörten Gesamtschuldnerausgleichs aus. Der Unternehmer muß danach im Umfang seines Verantwortungsteiles dem Geschädigten gegenüber weiter haften. Für den nicht privilegierten Unternehmer wird sich das Haftungsprivileg des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII in der Praxis nicht nur als versagte Begünstigung auswirken, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit sogar zu einer verstärkten Inanspruchnahme führen: Wurde bisher häufig – aus nicht erklärbaren Gründen – nur der unmittelbare Schädiger in Anspruch genommen und nicht auch der Geschäftsherr648, so ist dem Geschädigten diese Möglichkeit durch § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII in vielen Fällen versagt. Geschädigte werden angesichts dieser neuen Rechtslage in Zukunft vermehrt auf die Geschäftsherrnhaftung insbesondere aus § 831 BGB zurückgreifen. Für den Geschäftsherrn ist dies deshalb mißlich, weil sich der Exkulpationsbeweis des § 831 Abs. 1 S. 2 BGB nach den hohen Anforderungen der Rechtsprechung nur schwer führen läßt649; zutreffend wird hierzu geltend gemacht, daß sich die Einstandspflicht des Geschäftsherrn nach § 831 BGB der für den Erfüllungsgehilfen nach § 278 BGB angesichts dieser Anforderungen längst angenähert hat650. Gegen diese Rechtsprechung läßt sich aus dogmatischen Gründen nichts einwenden, und ihr ist aus rechtspolitischen Gründen zuzustimmen. Zwar ließe sich zunächst gegen eine Überwachungspflicht des Unternehmers einwenden, daß § 831 Abs. 1 S. 2 BGB nur eine sorgfältige Auswahl der bestellten Person fordert. Daß jedoch nur eine ordnungsgemäß überwachte Person als sorgfältig ausgewählt gelten kann, ist allgemein anerkannt651. Auch der Herleitung einer Haftung des Geschäftsherrn aus § 823 Abs. 1 BGB wegen eines Organisationsverschuldens – die durch § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII in der 647 RG, Urt. v. 22. 3. 1909 – VI 225 / 08 –, RGZ 71, 7, 8; Larenz / Canaris, § 82 IV 2 a, S. 583; MünchKomm / Stein, § 840 Rn. 25; kritisch RGRK / Nüßgens, § 840 Rn. 49; nach Erman / Schiemann, § 840 Rn. 11 ist die Erwägung entscheidend, daß die Haftung aus wirklichem Verschulden der aus vermutetem Verschulden vorgehen soll. 648 Zu diesen Erfahrungen aus der Praxis Lemcke, r+s 2000, 221, 222; Lepa, NZV 1997, 137, 141. 649 Vgl. für die Auswahl und Überwachung von Kraftfahrern BGH, Urt. v. 18. 12. 1952 – VI ZR 54 / 52 –, BGHZ 8, 239, 243; Urt. v. 15. 1. 1966 – VI ZR 154 / 64 –, VersR 1966, 364; Urt. v. 15. 11. 1983 – VI ZR 57 / 82 –, 1984, 67 m. w. N.; Urt. v. 1. 7. 1997 – VI ZR 205 / 96 –, NJW 1997, 2756, 2757; siehe auch Kötz / Wagner, Rn. 282 ff.; RGRK / Steffen, § 831 Rn. 3. 650 Steffen, ZVersWiss 1993, 13, 28. 651 BGH, Urt. v. 18. 12. 1952 – VI ZR 54 / 52 –, BGHZ 8, 239, 243; Erman / Schiemann, § 831 Rn. 18; Larenz / Canaris, § 79 III 3 a, S. 481; MünchKomm / Stein, § 831 Rn. 10 ff.; RGRK / Steffen, § 831 Rn. 37.

VIII. Die Tatbestände des § 106 Abs. 3 SGB VII

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Praxis möglicherweise ebenfalls ein erweitertes Anwendungsfeld erhalten wird – ist beizupflichten: Es ist Sache des Geschäftsherrn, den Ablauf der Betriebsvorgänge und die Tätigkeit des Personals durch geeignete organisatorische Vorkehrungen so einzurichten und zu überwachen, wie das zur Vermeidung von Schädigungen Dritter nach der Sachlage geboten ist652. In der Literatur wird insbesondere auch das rechtspolitische Anliegen der Rechtsprechung geteilt, die Unzulänglichkeiten des § 831 BGB, die darin zu sehen sind, daß er nicht – in Parallele zu § 278 BGB – eine umfassende Einstandspflicht des Geschäftsherrn für unerlaubte Handlungen im Unternehmensbereich normiert, abzumildern653. Die Haftung des Geschäftsherrn entspricht also nicht nur den gesetzlichen Regelungen, sondern ist aus diesem Blickwinkel auch rechtspolitisch nicht in Frage zu stellen, weil die Bestrebungen gerade auf eine umfassendere Geschäftsherrnhaftung zielen654. In diese Richtung wirken bereits die Vorschriften des Zweiten Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften, nach denen auch eine Verletzung vertraglicher Pflichten zum Schmerzensgeldanspruch nach § 253 Abs. 2 BGB führen kann655.

c) Kreis der einbezogenen Geschädigten Auch der Kreis der dem Haftungsausschluß des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII ausgesetzten Geschädigten wird in Literatur und Rechtsprechung unterschiedlich bestimmt. Die Standpunkte gleichen denen, die zum Kreis der durch § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII privilegierten Schädiger eingenommen werden: Es wird die Auffassung vertreten, daß der Haftungsausschluß auch gegenüber unversicherten Un652 BGH, Urt. v. 13. 5. 1955 – I ZR 137 / 53 –, BGHZ 17, 214, 220 f.; Urt. v. 20. 4. 1971 – VI ZR 232 / 69 –, NJW 1971, 1313, 1315; Erman / Schiemann, § 823 Rn. 83; Kötz / Wagner, Rn. 292; RGRK / Steffen, § 831 Rn. 8; Steffen, ZVersWiss 1993, 13, 27; vgl. auch von Bar, S. 254 ff.; ablehnend aber Staudinger / Belling / Eberl-Borges, § 831 Rn. 11 (die eine erweiternde Auslegung des § 831 BGB befürworten); es handelt sich dabei um eine spezielle Ausprägung der Verkehrssicherungspflichten. Ebenso ist auch § 831 BGB dogmatisch einzuordnen, vgl. von Bar, S. 241 ff.; Deutsch, Rn. 540; Larenz / Canaris, § 79 III 1 a, S. 475; MünchKomm / Stein, § 831 Rn. 1. 653 Vgl. Kötz, S. 7; ders. / Wagner, Rn. 287 ff.; 301 ff.; Larenz / Canaris, § 79 III 6, S. 484; RGRK / Steffen, § 831 Rn. 3; Staudinger / Belling / Eberl-Borges, § 831 Rn. 11; dazu auch von Bar, Gutachten, S. 1681, 1716 ff., 1776. Für eine Streichung des § 831 Abs. 1 S. 2 BGB sprechen sich unter arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten insbesondere auch Heinze, NZA 1986, 545, 549 f.; Otto, S. E 73 aus. Die Angemessenheit des § 831 BGB ist schon zur Zeit seiner Entstehung umstritten gewesen, vgl. Seiler, JZ 1967, 525, 527 ff. 654 Vgl. zu früheren Reformversuchen Kötz / Wagner, Rn. 303; RGRK / Steffen, § 831 Rn. 3; von Bar, Gutachten, S. 1681, 1760; vor diesem Hintergrund nicht überzeugend Lemcke, r+s 2000, 221, 222, der den Haftungsrahmen des § 831 BGB für zu weit hält und Imbusch, VersR 2001, 1485, 1491, der § 840 Abs. 2 BGB als eine angemessene Haftungsverteilung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ansieht. 655 Vgl. hierzu Wagner, NJW 2002, 2049, 2056.

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

ternehmern gelte, da in § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII umfassend auf § 105 SGB VII und damit auch auf dessen Abs. 2 verwiesen werde656. Eine andere Ansicht lehnt die Anwendung des Haftungsprivilegs zu Lasten des Unternehmers unabhängig davon ab, ob er versichert ist657. Ferner wird die Auffassung vertreten, daß nur der auf der gemeinsamen Betriebsstätte betrieblich tätige versicherte Unternehmer dem Haftungsausschluß des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII ausgesetzt sei658. Nur die letztgenannte Auffassung vermag – nach dem bereits zur Frage der Einbeziehung des Unternehmers auf Schädigerseite Gesagten659 – dem Wortlaut des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII gerecht zu werden: Die Vorschrift setzt auf Schädigerund Geschädigtenseite voraus, daß Versicherte auf der gemeinsamen Betriebsstätte tätig werden. Damit ist der persönliche Geltungsbereich der Norm umschrieben, so daß sich die Verweisung auf die §§ 104, 105 SGB VII nicht auf § 105 Abs. 2 SGB VII erstreckt, dessen Funktion nur darin besteht, § 105 Abs. 1 SGB VII um den Fall der Schädigung eines nicht versicherten Unternehmers zu ergänzen660. Der Auffassung des LSG Baden-Württemberg, das aus der Verweisung des § 106 Abs. 3 SGB VII auf § 105 SGB VII einen Versicherungsschutz des nicht versicherten Unternehmers ableitet, steht überdies entgegen, daß § 106 Abs. 3 SGB VII nur hinsichtlich der Ersatzpflicht der für die beteiligten Unternehmen Tätigen untereinander auf die §§ 104, 105 SGB VII verweist661. Thema des § 106 Abs. 3 SGB VII ist damit allein der Haftungsausschluß, die Norm soll hingegen ebensowenig wie § 106 Abs. 1 und 2 SGB VII662 einen weiteren Versicherungsschutz nicht Versicherter schaffen. Die Voraussetzung der Versicherteneigenschaft in § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII hat weiter zur Folge, daß § 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII keine Anwendung findet, der Haftungsausschluß also nicht zu Lasten von versicherungsfreien Personen gilt, die bei ihrer Tätigkeit auf der gemeinsamen Betriebsstätte verletzt werden663.

656 OLG Saarbrücken, Urt. v. 25. 5. 1999 – 7 U 894 / 98 – 158, r+s 1999, 374, 375; LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 3. 8. 2001 – L 1 U 5070 / 00 –, NJW 2002, 1290 f.; KassKomm / Ricke, § 106 SGB VII Rn. 11 a; Kock, S. 167 f.; dahingehend auch OLG Karlsruhe, Urt. v. 30. 11. 2000 – 4 U 8 / 00 –, VersR 2001, 373, 374. 657 Lemcke, r+s 2000, 221, 224. 658 Schmidt, BB 2002, 1859, 1861; Waltermann, NJW 2002, 1225, 1230; dahingehend auch LG Essen, Urt. v. 2. 9. 1999 – 18 O 280 / 99 –, r+s 2000, 241, 242. 659 Vgl. oben C.VIII.1.b)bb)(1) und (2). 660 Dazu Waltermann, NJW 2002, 1225, 1230. 661 So auch Schmidt, BB 2002, 1859, 1862; dies übersieht Otto, NZV 2002, 10, 17, der die Frage der Geltung des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII zu Lasten des nicht versicherten Unternehmers jedoch letztlich offenläßt. 662 Vgl. oben C.VI.3.; C.VII. (vor 1.). 663 OLG Hamm, Urt. v. 7. 2. 2001 – 13 U 154 / 00 –, r+s 2001, 195, 196; Kater / Leube, § 106 Rn. 20.

VIII. Die Tatbestände des § 106 Abs. 3 SGB VII

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d) Auffangfunktion des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII Es ist bereits ausgeführt worden, daß auch die §§ 104, 105 SGB VII einen Haftungsausschluß vorsehen, der über den Stammbetrieb von Schädiger und Geschädigtem hinausgeht664. Ihr Verhältnis zu § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII bedarf daher einer genaueren Untersuchung. Es erhebt sich insbesondere die Frage, ob § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII eine Auffangfunktion zukommt, die im Anwendungsbereich der Vorschrift die Klärung der Frage obsolet macht, in welchem Aufgabenbereich Schädiger und Geschädigter im Unfallzeitpunkt tätig wurden. § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII setzt nach seinem Wortlaut nur voraus, daß die Versicherten „betriebliche Tätigkeiten“ auf der gemeinsamen Betriebsstätte verrichten. Für welches Unternehmen im Zeitpunkt des Unfalls die Tätigkeiten ausgeübt wurden, ist danach nicht entscheidend, mag auch der typische Anwendungsfall der sein, daß Schädiger und Geschädigter jeweils für ihr Unternehmen tätig werden. Dieses Normverständnis folgt auch aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Will man dem Schutzbedürfnis der Tätigen im Zuge ihrer Zusammenarbeit Rechnung tragen, dann sind die Aufgabenbereiche der Unternehmen, die miteinander verknüpft tätig werden, nicht der entscheidende Gesichtspunkt, sondern es steht das Handeln Hand in Hand im Vordergrund. Eine Abgrenzung der Aufgabenbereiche der beteiligten Unternehmen ist für die Anwendung des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII damit nicht notwendig. Daß auch der BGH dieser Auffassung ist, läßt sich einem Urteil vom 3. 7. 2001 entnehmen. Er läßt es hier dahingestellt, ob ein Fall des § 104 SGB VII vorliegt, weil jedenfalls die Voraussetzungen des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII vorlägen665. Die Praxisrelevanz des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII liegt damit gerade darin, daß er in seinem Anwendungsbereich in Fällen der Arbeitsverknüpfung der Beschäftigten mehrerer Unternehmen nicht mehr zur Prüfung nötigt, für welches Unternehmen Schädiger und Geschädigter im Unfallzeitpunkt tätig waren666. Angesichts dieser Auffangfunktion des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII wird § 105 SGB VII seine betriebsübergreifende Bedeutung weitgehend verlieren. Da § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII die Haftung des Unternehmers in seiner Unternehmerfunktion nicht betrifft, bleibt die Bedeutung des § 104 SGB VII hingegen auch in seinen Randbereichen erhalten667. Die Auffangfunktion des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII kann auch bei bereits anerkannten Fallkonstellationen zum Tragen kommen. Das gilt für die mehrseitigen Beschäftigungsverhältnisse. Ein unternehmensübergreifender Haftungsausschluß war schon zum alten Recht für zwei besondere Fallkonstellationen anerVgl. oben C.I.; C.II.1. BGH, Urt. v. 3. 7. 2001 – VI ZR 198 / 00 –, BGHZ 148, 209, 211; so auch Otto, NZV 2002, 10, 11 f. 666 So auch Holtmann, Rn. 97. 667 Siehe dazu bereits oben C.II.1.b) [vor aa)]. 664 665

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

kannt: die Leiharbeitsverhältnisse668 und die ARGE669. Dabei wurden diese Fallgruppen einem eigenen Tatbestand, nämlich § 636 Abs. 2 RVO zugeordnet, auf den auch § 637 RVO durch seine umfassende Verweisung Bezug nahm670. Der Gesetzgeber des UVEG hat im SGB VII auf eine dem § 636 Abs. 2 RVO entsprechende Regelung verzichtet. Dies führt zu neuen Fragestellungen, bei deren Lösung § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII weiterhilft.

aa) Haftungsbefreiung bei Leiharbeitsverhältnissen Die Haftungsbefreiung des Verleihers und der für ihn tätigen Personen ergibt sich durch den Versicherungsschutz des Leiharbeitnehmers in seinem Stammbetrieb aus §§ 104, 105 SGB VII671. Der Haftungsausschluß des Entleihers kann ebenfalls dem § 104 SGB VII entnommen werden672: Die Besonderheit des Leiharbeitsverhältnisses673 besteht darin, daß der Leiharbeitnehmer zwar einerseits in einem Arbeitsverhältnis zum Verleiher steht674, andererseits im entleihenden Betrieb tätig wird und dort den Weisungen des Entleihers untersteht, auf den insoweit 668 Die Haftungsbefreiung galt damit auch im entleihenden Betrieb, vgl. BGH, Urt. v. 16. 1. 1953 – VI ZR 161 / 52 –, BGHZ 8, 330, 332 f.; Urt. v. 4. 7. 1956 – VI ZR 214 / 55 –, BGHZ 21, 207, 209 f.; Urt. v. 19. 3. 1957 – VI ZR 277 / 55 –, BGHZ 24, 247, 248 ff.; Urt. v. 13. 1. 1981 – VI ZR 26 / 80 –, BGHZ 79, 216, 218 f.; Urt. v. 6. 12. 1977 – VI ZR 79 / 76 –, VersR 1978, 150, 152; Urt. v. 3. 7. 1979 – VI ZR 51 / 77 –, VersR 1979, 934, 935; BAG, Urt. v. 15. 2. 1974 – 2 AZR 57 / 73 –, BAGE 25, 514, 520 = AP Nr. 7 zu § 637 RVO; Denck, ZfA 1989, 265, 266; Heinze, ZfA 1976, 183 , 208 (für das sog. echte Leiharbeitsverhältnis); Plagemann / Plagemann, Rn. 426; RGRK / Steffen, Vor § 823 Rn. 80; Schüren / Diebold, NZS 1994, 241, 244. 669 Gamillscheg / Hanau, S. 166; Rolfs, Haftung, S. 117 ff. 670 Vgl. dazu oben B.V.3. 671 Zum Versicherungsschutz Schüren / Diebold, NZS 1994, 241, 243; vgl. Brackmann / Krasney, § 133 Rn. 13 ff. 672 Dies entspricht im Ergebnis der wohl allgemeinen Auffassung, vgl. Brackmann / Krasney, § 104 Rn. 11; KassKomm / Ricke, § 104 SGB VII Rn. 8; Rolfs, NJW 1996, 3177, 3178; Sandmann / Marschall, Art. 1 § 9 Rn. 7; Wannagat / Waltermann, § 104 Rn. 10. 673 Einer Differenzierung nach nicht gewerbsmäßigen sog. echten und gewerbsmäßigen sog. unechten Leiharbeitsverhältnissen bedarf es nicht, weil sich die Grundlagen insoweit entsprechen, vgl. Rolfs, AR-Blattei SD 860.2 Rn. 88; siehe auch Weber, S. 53; zu § 636 RVO so auch Wank, SGb 1991, 374, 375 f. Eine besondere Form des echten Leiharbeitsverhältnisses ist die mit der Vermietung einer Maschine erfolgende Entsendung eines Bedienungsmanns, so daß auch hier der Haftungsausschluß des Entleihers eingreift, vgl. BGH, Urt. v. 22. 9. 1981 – VI ZR 55 / 80 –, VersR 1982, 40, 41; BAG, Urt. v. 15. 2. 1974 – 2 AZR 57 / 73 –, BAGE 25, 514, 518 ff. = AP Nr. 7 zu § 637 RVO; ErfK / Rolfs, § 104 SGB VII Rn. 17; Hueck / Nipperdey, § 54 IV 1, S. 523 Fn. 34; Mayer-Maly, ZfA 1972, 1, 3 f.; Rolfs, Haftung, S. 123; Weber, S. 69 ff.; a.A. Hilgendorf, VersR 1972, 127, 133 f. 674 BAG, Urt. v. 3. 12. 1997 – 7 AZR 764 / 96 –, NZA 1998, 876, 877 (zur Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des AÜG); Heinze, JR 1974, 106, 107; ders., ZfA 1976, 183, 193; MünchArbR / Marschall, § 172 Rn. 25; Schüren, Einleitung Rn. 144 für den Fall der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung.

VIII. Die Tatbestände des § 106 Abs. 3 SGB VII

155

auch das Direktionsrecht übertragen wird675. Er ist insoweit voll in den entleihenden Betrieb integriert676. Diese durch Weisungs- und Direktionsbefugnisse geprägte Tätigkeit im entleihenden Betrieb ist als ein „Tätigsein“ im Sinne des § 104 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 SGB VII aufzufassen, ohne daß es darauf ankommt, wie die vorübergehende Tätigkeit im entleihenden Betrieb arbeitsrechtlich zu qualifizieren ist677. Der Gesetzgeber wollte durch den Verzicht auf eine dem § 636 Abs. 2 RVO entsprechende Regelung die für Leiharbeitsverhältnisse bisher bestehende Rechtslage nicht ändern. Dies ergibt sich aus der Begründung des Regierungsentwurfs in aller Deutlichkeit. Wegen der Formulierung „Versicherte, die für ihre Unternehmen tätig sind“ wurde eine dem § 636 Abs. 2 RVO entsprechende Regelung für entbehrlich gehalten678. Anders liegen die Dinge für den Haftungsausschluß im Verhältnis zwischen den im entleihenden Betrieb Beschäftigten und dem Leiharbeitnehmer. § 105 SGB VII nimmt nicht auf die Voraussetzungen des § 104 SGB VII Bezug, sondern stellt eigene Voraussetzungen auf. Hier gilt es danach zu unterscheiden, ob der Leiharbeitnehmer im entleihenden Betrieb als Geschädigter oder als Schädiger auftritt. Schädigt der Leiharbeitnehmer im Zuge einer betrieblichen Tätigkeit einen Versicherten des entleihenden Betriebes, so greift § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII zugunsten des Leiharbeitnehmers ein. Wird der Leiharbeitnehmer hingegen im entleihenden Betrieb durch einen dort betrieblich Tätigen geschädigt, dann ist der Leiharbeitnehmer seinerseits nicht mit dem Haftungsprivileg des § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII belastet, weil diese Norm auf der Geschädigtenseite einen „Versicherten desselben Betriebs“ – also des Unfallbetriebs – voraussetzt. An dieser Voraussetzung fehlt es bei der hier angesprochenen Gruppe von Geschädigten, weil sie nach § 135 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII nur in ihrem Stammbetrieb versichert sind679. Für die letztgenannte Fallkonstellation erhebt sich damit die Frage, ob für den Schädiger nicht die Haftungsprivilegierung aus § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII eingreift. Dies ist ohne weiteres der Fall, wenn Schädiger und Geschädigter Hand in Hand ihre Tätigkeiten ausüben. Es ist jedoch ebenfalls vorstellbar, daß Schädiger und Geschädigter – wenn auch gemeinsam für den entleihenden Betrieb agierend – unab675 BGH, Urt. v. 10. 7. 1973 – VI ZR 66 / 72 –, NJW 1973, 2020, 2021; Urt. v. 1. 7. 1975 – VI ZR 87 / 74 –, VersR 1975, 1002; BAG; Urt. v. 15. 2. 1974 – 2 AZR 57 / 73 –, BAGE 25, 514, 520 = AP Nr. 7 zu § 637 RVO; Heinze, JR 1974, 106, 107; Mayer-Maly, ZfA 1972, 1, 23; MünchArbR / Marschall, § 172 Rn. 45; Rolfs, Haftung, S. 120; Weber, S. 54. 676 BGH, Urt. v. 25. 9. 1990 – VI ZR 285 / 89 –, VersR 1990, 1409, 1410; der BGH hat in dieser Entscheidung auch hervorgehoben, daß mit Rücksicht auf diese Besonderheit der Arbeiterleihverhältnisse seine Rechtsprechung, nach der ein Geschädigter, der Aufgaben wahrgenommen hat, die in den Aufgabenbereich seines Stammbetriebes fallen, grundsätzlich allein für diesen Betrieb tätig geworden ist [dazu im einzelnen oben C.II.1.a)], für Arbeiterleihverhältnisse keine Anwendung findet. 677 So zum alten Recht BGH, Urt. v. 1. 7. 1975 – VI ZR 87 / 74 –, VersR 1975, 1002; Rolfs, Haftung, S. 122. 678 BT-Drucks. 13 / 2204, S. 100. 679 Dazu ausführlich oben C.II.1.b)bb).

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

hängig voneinander ihrer Tätigkeit nachgehen. In einem solchen Fall lägen nach der oben dargelegten Definition die Voraussetzungen für eine gemeinsame Betriebsstätte nicht vor. Diese Voraussetzungen sind jedoch in erster Linie für Fallgestaltungen entwikkelt worden, in denen Versicherte mehrerer Unternehmen für ihre Unternehmen Tätigkeiten verrichten und im Zuge dieser Tätigkeiten aufeinandertreffen. Dies ist der typische Anwendungsfall des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII. Bei genauerer Betrachtung wird jedoch deutlich, daß sich der Anwendungsbereich des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII nicht auf diese Fallkonstellation beschränkt. Die Vorschrift kommt vielmehr auch für die vorliegende Fallgestaltung zum Zuge, die dadurch gekennzeichnet ist, daß Schädiger und Geschädigter für ein und dasselbe Unternehmen tätig sind und den Weisungs- und Direktionsbefugnissen desselben Unternehmers unterliegen. In diesem Fall ergibt sich nicht – wie im Regelfall – die Gemeinsamkeit der Betriebsstätte aus der miteinander verknüpften Tätigkeit von Schädiger und Geschädigtem, vielmehr folgt hier die Gemeinsamkeit schon daraus, daß Schädiger und Geschädigter mit Tätigkeiten befaßt sind, die die Belange desselben Unternehmens fördern. Die Gemeinsamkeit ergibt sich in diesem Fall demnach nicht kraft Kooperation, sondern kraft Aufgabenstellung. Als Ergebnis läßt sich damit festhalten, daß der geschädigte Leiharbeitnehmer bei einer Schädigung durch einen Arbeitskollegen im entleihenden Betrieb sich zwar nicht den Haftungsausschluß des § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII, wohl aber den des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII entgegenhalten lassen muß680. § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII bringt in der Praxis auch in einem weiteren Punkt eine erhebliche Erleichterung: Er macht in seinem Anwendungsbereich die Abgrenzung von Leiharbeitsverhältnissen zu anderen Fällen von drittbezogenem Personaleinsatz obsolet, insbesondere zum Einsatz von Erfüllungsgehilfen im Rahmen eines Werkvertrages. In diesen Fällen schuldet der Unternehmer einen Erfolg, beispielsweise die Erstellung einer Maschinenanlage auf dem Gelände des Werkbestellers681 oder die Gebäudereinigung682, zu dessen Herbeiführung er sich seiner Arbeitnehmer als Erfüllungsgehilfen bedient. Bedeutung hat diese Abgrenzung insbesondere für Werkverträge in Form von Subunternehmerverträgen, die häufig der Verschleierung eines reinen Leiharbeitsverhältnisses dienen683. Die Arbeitnehmer unterliegen in diesen Fällen den Weisungen ihres Arbeitgebers, wobei der Werkbesteller dem Arbeitgeber als Werkunternehmer und den Arbeitnehmern als dessen Erfüllungsgehilfen Anweisungen für die Ausführung des Werkes erteilen kann684. In diesen Fällen kam bisher dann, wenn die Arbeitnehmer mit Personen 680 Aus diesem Grunde ist es nicht notwendig, die in Frage stehenden Fallkonstellationen mit einem argumentum a fortiori in § 105 SGB VII einzubeziehen, so aber Otto / Schwarze, Rn. 548. 681 Weber, S. 60 m. w. N. 682 BGH, Urt. v. 25. 9. 1990 – VI ZR 285 / 89 –, VersR 1990, 1409, 1410. 683 BGH, Urt. v. 24. 3. 1998 – VI ZR 337 / 96 –, LM Nr. 56 zu § 636 RVO m. Anm. Wank = NJW 1998, 2365, 2366; Weber, S. 62.

VIII. Die Tatbestände des § 106 Abs. 3 SGB VII

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des Werkbestellers Hand in Hand zusammenarbeiten und im Zuge dieser Kooperation durch Mitarbeiter des Werkbestellers geschädigt werden, ein Haftungsausschluß regelmäßig nicht in Betracht, weil jeder der Arbeitnehmer allein für seinen Stammbetrieb tätig wurde. Nunmehr kommt in einem solchen Fall eine Haftungsfreistellung nach § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII zum Zuge.

bb) Haftungsbefreiung in der ARGE Die Geltung der Haftungsprivilegien in der ARGE ist demgegenüber weitgehend unklar. Die Anwendung des § 636 Abs. 2 RVO sollte nach der Literatur einen Haftungsausschluß aller an der ARGE beteiligten Unternehmer und der für die ARGE tätigen Arbeitnehmer zur Folge haben685. Dieses Verständnis wird in der Literatur überwiegend auch für das neue Recht zugrundegelegt686. In den vergangenen Jahren hatte es indessen Verunsicherung gegeben, weil der BGH in einem Urteil vom 5. 7. 1988 vorsichtig formuliert hatte, daß der Zusammenschluß von Unternehmen zu einer ARGE in vielen Fällen noch keine gegenüber den beteiligten Unternehmen derart verselbständigte organisatorische Einheit gebildet habe, daß von einem selbständigen Unternehmen im Sinne von §§ 636, 637 RVO gesprochen werden könne687. Hinzu kam, daß der BGH in einer weiteren Entscheidung ausgeführt hat, daß als „weiterer Unternehmer“ im Sinne des § 636 Abs. 2 RVO solche Unternehmen in Betracht kommen, die mit dem „Unfallbetrieb“ eine Arbeitsgemeinschaft zur Durchführung eines Bauvorhabens bilden. Auch diese Entscheidung hat zu Zweifeln geführt, ob die ARGE selbst nach der Auffassung des BGH als Unternehmer anzusehen ist688. Angesichts der neuen Regelung in § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII sind die Unklarheiten für den Haftungsausschluß der für die ARGE Tätigen untereinander beseitigt. Diese Vorschrift greift ein, ohne daß zu klären ist, für welches Unternehmen Schädiger und Geschädigter tätig geworden sind und ob durch die Kooperation mehrerer Unternehmen ein weiteres Unternehmen entstanden ist. Unterliegen die 684 BAG, Urt. v. 13. 5. 1992 – 7 AZR 284 / 91 –, NZA 1993, 357, 358; BAG, Urt. v. 8. 11. 1978 – 5 AZR 261 / 77 –, BAGE 31, 135, 141 f.; Beschl. v. 18. 1. 1989 – 7 ABR 21 / 88 –, BAGE 61, 7, 21; BSG, Urt. v. 11. 2. 1988 – 7 Rar 5 / 86 –, NZA 1988, 748; vgl. zu einem solchen Fall auch BGH, Urt. v. 5. 7. 1988 – VI ZR 299 / 87 –, VersR 1988, 1166, 1167; ausführlich Weber, S. 62 ff. 685 Gamillscheg / Hanau, S. 166; zum Haftungsausschluß der bei der ARGE tätigen Arbeitnehmer auch Küppersbusch, Rn. 401; RGRK / Steffen, Vor § 823 Rn. 83; Rolfs, Haftung, S. 117. 686 Zum Haftungsausschluß der Unternehmer vgl. Hauck / Noftz / Nehls, § 104 Rn. 5; KassKomm / Ricke, § 104 SGB VII Rn. 9; Kater / Leube, § 104 Rn. 23; LPK / Zilch, § 104 Rn. 12; Schmitt, § 104 Rn. 8; Wannagat / Waltermann, § 104 Rn. 10. 687 BGH, Urt v. 5. 7. 1988 – VI ZR 299 / 87 –, VersR 1988, 1166, 1167; dahingehend auch bereits RGRK / Steffen, Vor § 823 Rn. 83. 688 Imbusch, VersR 2001, 547, 552.

158

C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

Arbeitnehmer einem einheitlichen Direktionsrecht der ARGE, dann ergibt sich die Gemeinsamkeit der Betriebsstätte auch hier schon entsprechend dem zu den Leiharbeitsverhältnissen Gesagten kraft der Gemeinsamkeit der Aufgabenstellung689. Auch der BGH geht von einem solchen Verständnis aus, wenn er in seiner Entscheidung vom 17. 10. 2000 formuliert „§ 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII erfaßt damit über die Fälle der Arbeitsgemeinschaft hinaus . . .“690. Dafür, ob die ARGE selbst in den Genuß der Haftungsbefreiung gelangt, kommt es darauf an, ob sie selbst als Unternehmen im Sinne von § 104 Abs. 1 SGB VII einzustufen ist691. Ist das der Fall, dann greift die Haftungsfreistellung sowohl zu Lasten der an die ARGE freigestellten Arbeitnehmer als auch zu Lasten der an die ARGE nur kurzfristig abgeordneten Arbeitnehmer, weil sie alle aufgrund des Direktionsrechts der ARGE für diese tätig werden i. S. von § 104 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 SGB VII. Die Voraussetzungen der Unternehmereigenschaft ergeben sich aus § 136 Abs. 3 Nr. 1 SGB VII692. Ob die Voraussetzungen dieser Vorschrift vorliegen, ist im Einzelfall wertend durch Subsumtion zu ermitteln. Nach § 136 Abs. 3 Nr. 1 SGB VII ist derjenige Unternehmer, dem das Ergebnis des Unternehmens unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht. Entscheidend ist daher, wer das Geschäftswagnis, das Unternehmerrisiko trägt693; dies beurteilt sich nach der Rechtsform694. In der Regel entsteht bei dem Zusammenschluß mehrerer Unternehmen zu einer ARGE eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts695. Für eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts wurde bisher zwar angenommen, daß sie mangels Rechtsfähigkeit nicht selbst Unternehmer sei, sondern diejenigen Gesellschafter Unternehmer seien, die nach dem Gesellschaftsvertrag als vertretungsbefugte Gesellschafter unmit689 Nach den von den Verbänden der Deutschen Bauindustrie und des Deutschen Baugewerbes ausgearbeiteten Musterverträgen, in denen regelmäßig die gegenseitigen Rechte und Pflichten vereinbart werden – vgl. BAG, Urt. v. 26. 2. 1987 – 2 AZR 177 / 86 –, AP Nr. 15 zu § 1 KSchG Soziale Auswahl – wird auch in den Fällen einer nur kurzfristigen sog. Abordnung eines Arbeitnehmers an die ARGE das Weisungsrecht auf die ARGE übertragen. Es kann daher nicht überzeugen, wenn das BAG in der genannten Entscheidung die Auffassung vertritt, daß in solchen Fällen das Direktionsrecht beim abordnenden Arbeitgeber verbleibt; dagegen auch Küttner / Bauer / Röller, Arbeitsgemeinschaft (ARGE), Rn. 8. 690 BGH, Urt. v. 17. 10. 2000 – VI ZR 67 / 00 –, BGHZ 145, 331, 336. 691 Nach Sieg, SGb 1994, 613, 614 behandelt die Bauberufsgenossenschaft jede Arbeitsgemeinschaft als ein Unternehmen. 692 Vgl. zum alten Recht BGH, Urt. v. 4. 10. 1988 – VI ZR 7 / 88 –, VersR 1988, 1276, 1277; für das neue Recht Geigel / Kolb, Kap. 31 Rn. 68; Wannagat / Waltermann, § 104 Rn. 7. 693 BGH, Urt. v. 5. 7. 1977 – VI ZR 134 / 76 –, VersR 1977, 968, 969; Urt. v. 4. 10. 1988 – VI ZR 7 / 88 –, VersR 1988, 1276, 1277; Urt. v. 26. 6. 1990 – VI ZR 233 / 89 –, VersR 1990, 1161, 1162; BSG, Urt. v. 29. 3. 1961 – 2 RU 204 / 57 –, BSGE 14, 142, 146; Urt. v. 30. 8. 1962 – 2 RU 133 / 59 –, BSGE 17, 273, 275 f.; Lauterbach / Watermann, § 136 Rn. 24; Rolfs, AR-Blattei SD 860.2 Rn. 138; Wannagat / Jung, § 136 Rn. 19. 694 BGH, Urt. v. 4. 10. 1988 – VI ZR 7 / 88 –, VersR 1988, 1276, 1277; BSG, Urt. v. 28. 2. 1986 – 2 RU 21 / 85 –, BSGE 60, 29, 31; Geigel / Kolb, Kap. 31 Rn. 69. 695 Vgl. BGH, Urt. v. 29. 1. 2001 – II ZR 331 / 00 –, BGHZ 146, 341 ff.; Urt. v. 22. 9. 1993 – IV ZR 183 / 92 –, NJW-RR 1993, 1443, 1444; Palandt / Sprau, § 705 Rn. 37.

VIII. Die Tatbestände des § 106 Abs. 3 SGB VII

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telbar Rechte und Pflichten begründen696. Da der Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach der neuen Rechtsprechung des BGH, die sich auch in der Literatur weitgehend durchgesetzt hat, eine eigene Rechtsfähigkeit zukommt, wenn sie durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet697, erscheint diese Sichtweise indessen korrekturbedürftig. Neben den Gesellschaftern ist die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ebenfalls Unternehmer im Sinne des § 136 Abs. 3 Nr. 1 SGB VII698. In einem solchen Fall scheidet damit eine Haftung der ARGE selbst gemäß § 104 Abs. 1 SGB VII und damit auch ihrer Gesellschafter aus. Erfüllt die ARGE die Voraussetzungen der Unternehmereigenschaft im Sinne des § 136 Abs. 3 Nr. 1 SGB VII nicht, dann kann es nur darum gehen, ob die einzelnen an der ARGE beteiligten Unternehmer von der Haftung befreit sind. Dies entscheidet sich nach §§ 104 Abs. 1, 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII.

2. Der Haftungsausschluß bei Rettungsund Zivilschutzunternehmen § 106 Abs. 3 SGB VII sieht in den beiden ersten Alternativen einen – gegenüber der dritten Alternative allerdings weit weniger praxisrelevanten – Haftungsausschluß in Fällen des Zusammenwirkens von Rettungs- und Zivilschutzunternehmen vor. Zur Zeit der Geltung der RVO waren diese Fälle ausführlich in § 637 Abs. 2, 3 RVO geregelt699. An dem Regelungsgehalt dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber des UVEG offensichtlich nichts ändern wollen, er verweist in der amtlichen Begründung ohne nähere Ausführungen auf die alten Regelungen700. Die Vorschriften der RVO enthielten indessen ausdrücklich auch einen Haftungsausschluß der Unternehmer selbst, während § 106 Abs. 3 SGB VII den Haftungsausschluß angesichts der gemeinsamen Rechtsfolgenanordnung auch für diese Alternativen nur auf die Tätigen bezieht. Dieser Wortlaut widerspricht damit der Historie und auch dem Willen des Gesetzgebers des UVEG. Auch Sinn und Zweck dieser Haftungsausschlüsse erstrecken sich auf die Unternehmen. Zwar liegt die innere Rechtfertigung der Tatbestände – ebenso wie bei der dritten Alternative – vor allem auch in der Gefahrengemeinschaft, die sich nur auf die Tätigen erstreckt: 696 BGH, Urt. v. 26. 6. 1990 – VI ZR 233 / 89 –, VersR 1990, 1161, 1162; KassKomm / Ricke, § 136 SGB VII Rn. 30; Lauterbach / Watermann, § 136 Rn. 35; Wannagat / Jung, § 136 Rn. 21 (allgemein für Personengesellschaften); dahingehend auch BSG, Urt. v. 31. 7. 1962 – 2 RU 110 / 58 –, BSGE 17, 211, 213 ff. 697 BGH, Urt. v. 29. 1. 2001 – II ZR 331 / 00 –, BGHZ 146, 341, 343 ff. mit umfangreichen Literaturnachweisen. 698 Es gilt damit dasselbe wie für die OHG, vgl. dazu wie hier KassKomm / Ricke, § 136 SGB VII Rn. 30. 699 Dazu Rolfs, Haftung, S. 153 ff. 700 Vgl. BT-Drucks. 13 / 2204, S. 100; dahingehend auch BGH, Urt. v. 3. 7. 2001 – VI ZR 284 / 00 –, BGHZ 148, 214, 218.

160

C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

Es wird der spezifischen Gefahrensituation Rechnung getragen, in der sich die an der Rettung von Menschenleben oder Sachen von bedeutendem Wert helfenden Personen oftmals befinden701. Als Ziel kann jedoch ferner die Förderung der Hilfstätigkeiten gesehen werden702, die auch den Haftungsausschluß zugunsten der Unternehmen trägt. Damit unterscheiden sich die beiden ersten Alternativen des § 106 Abs. 3 SGB VII in ihrer Historie und gesetzgeberischen Zielsetzung deutlich von der dritten Alternative. Dies spricht dafür, in dem fehlenden Haftungsausschluß der Unternehmen für diese Alternativen eine planwidrige Lücke in der Regelung des § 106 Abs. 3 SGB VII zu erblicken, so daß ein Haftungsausschluß der Rettungs- und Zivilschutzunternehmer in Analogie zu § 106 Abs. 3 Alt. 1 und 2 SGB VII anzunehmen ist703.

IX. Der Haftungsausschluß Betriebsangehöriger gegenüber Unternehmensbesuchern gemäß § 106 Abs. 4 SGB VII Ganz in den Bahnen des auf die Erweiterung der Haftungsfreistellung gerichteten UVEG bewegt sich die neuerdings in § 106 Abs. 4 SGB VII vorgesehene Haftungsfreistellung Betriebsangehöriger gegenüber Personen, die sich auf der Unternehmensstätte aufhalten und kraft Satzung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII versichert sind. Der Begriff der Betriebsangehörigkeit ist dabei in Anlehnung an die Rechtsprechung und herrschende Literatur zum Begriff des Betriebsangehörigen im Sinne des § 637 Abs. 1 RVO zu bestimmen. Er umfaßt damit nur die Personen, die auch der Weisungs- und Direktionsbefugnis des Unternehmers unterliegen704, so daß eine „Wie“-Beschäftigung im Sinne von § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII nicht genügt705. Aus dieser Begriffsbestimmung folgt, daß der Unternehmer selbst nicht gemäß § 106 Abs. 4 SGB VII von der Haftung gegenüber Unternehmensbesuchern befreit ist. Sein Haftungsprivileg gegenüber diesem Personenkreis ergibt sich vielmehr – wie bereits dargestellt706 – schon aus § 104 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 SGB VII. Die Vorschrift ist im Unterschied zu den anderen in § 106 SGB VII getroffenen Regelungen nicht reziprok, da sie keinen Haftungsausschluß zugunsten der Unter701 KassKomm / Ricke, § 106 SGB VII Rn. 10; Rolfs, Haftung, S. 157; der BGH, Urt v. 16. 12. 1975 – VI ZR 182 / 74 –, LM Nr. 4 zu 637 RVO hat die Frage offen gelassen, ob die Sonderregelungen in § 637 Abs. 2, 3 RVO auch eingreift, wenn die konkrete Tätigkeit nicht mit einer Hilfe bei Unglücksfällen in Zusammenhang steht. 702 Dahingehend auch Rolfs, Haftung, S. 154. 703 Zutreffende Kritik an der mißlungenen Gesetzesfassung bei Otto, NZV 2002, 10, 14. 704 Siehe dazu oben C.I.2.a). 705 So auch Waltermann, NJW 2002, 1225, 1230. 706 Vgl. oben C.II.2. mit Fn. 280 mit Nachweisen zur Gegenansicht, die § 106 Abs. 4 SGB VII auch zugunsten des Unternehmers für anwendbar hält.

X. Der Wegfall der Haftungsfreistellung

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nehmensbesucher vorsieht. Umso deutlicher tritt der Konzeptionswandel der Haftungsfreistellung im Unfallversicherungsrecht zu einer arbeitsrechtlichen Haftungsprivilegierung auf Kosten der finanzierenden Unternehmer hervor. Das Schutzbedürfnis der betrieblich Tätigen vor den Haftungsrisiken rechtfertigt den Haftungsausschluß zu Lasten der Unternehmensbesucher. Hinzu tritt der Gedanke der Absicherung des in § 104 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 SGB VII auch für diese Fallkonstellation vorgesehenen Unternehmerprivilegs707.

X. Der Wegfall der Haftungsfreistellung 1. Der Wegfall der Haftungsfreistellung bei vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalls Nach §§ 104 Abs. 1, 105 Abs. 1 SGB VII entfällt die Haftungsfreistellung, wenn der Schädiger den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt hat. Zwar ist die Regelung im wesentlichen unverändert aus der RVO übernommen worden. Sie hat dennoch zu neuen Problemen geführt. Grund für die Diskussion ist eine Regelung, die an anderer Stelle durch das UVEG eingeführt wurde: Gemäß § 110 Abs. 1 S. 3 SGB VII braucht sich im Rahmen des Regresses das Verschulden des Schädigers nur auf das den Versicherungsfall verursachende Handeln oder Unterlassen zu beziehen. Dies führt zu der Frage, worauf sich der Vorsatz, soll er nach §§ 104 Abs. 1, 105 Abs. 1 SGB VII zur Haftungsfreistellung führen, beziehen muß. Zur Zeit der Geltung der RVO wurde von der Rechtsprechung und auch der herrschenden Literatur sowohl für die Haftungsfreistellungen in §§ 636, 637 RVO als auch für den Regreßanspruch des § 640 RVO – der Vorgängervorschrift zu § 110 SGB VII – angenommen, daß sich das Verschulden nicht nur auf die Verletzungshandlung des Schädigers, sondern auch auf den Verletzungserfolg – also den eingetretenen Schaden – beziehen müsse708. Diese Rechtslage hat der Gesetzgeber durch die Regelung des § 110 Abs. 1 S. 3 SGB VII geändert, auch wenn die Regelung in der Begründung zum Regierungsentwurf lediglich als eine „Klarstellung“ bezeichnet wird709. Mit Blick auf diese Regelung und die Änderung des Wortlauts des § 104 SGB VII gegenüber § 636 RVO („Versicherungsfall“ statt wie bisher „Arbeitsunfall“) wird in der Literatur die Auffassung vertreten, der Ausnahmetatbestand greife schon dann ein, wenn sich das Verschulden nur auf das den VerZum Finanzierungsargument Waltermann, NJW 2002, 1225, 1230. BGH, Urt. v. 20. 11. 1978 – VI ZR 238 / 78 –, BGHZ 75, 328, 330 ff.; Urt. v. 8. 2. 1994 – VI ZR 68 / 93 –, VersR 1994, 695, 696 f.; BAG, Urt. v. 27. 6. 1975 – 3 AZR 457 / 74 –, AP Nr. 9 zu § 636 RVO; LAG Köln, Urt. v. 29. 9. 1994 – 6 Sa 763 / 94 –, NZA 1995, 470; Denck, S. 95; Deutsch, Rn. 344; ders., NJW 1966, 705, 709 f.; RGRK / Steffen, Vor § 823 Rn. 102, 105; Rolfs, Haftung, S. 141 f.; Wussow / Schloen, 14. Aufl., Rn. 2644; a.A. Baltzer, SGb 1987, 529, 538 ff.; Benitz, S. 132 ff.; kritisch Wolber, NJW 1980, 2527. 709 BT-Drucks. 13 / 2204, S. 101. 707 708

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

sicherungsfall verursachende Handeln oder Unterlassen beziehe710. Die herrschende Meinung ist demgegenüber weiterhin der Auffassung, daß der Vorsatz auch den Schaden umfassen müsse711. Auch das BVerfG hatte sich bereits mit dieser Fragestellung in einem anderen Zusammenhang zu beschäftigen. Es hat die Frage als eine schwierige, nicht geklärte Rechtsfrage bezeichnet, die nicht im Prozeßkostenhilfeverfahren entschieden werden könne, sondern dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben müsse. Auch nach seiner Auffassung ist daher eine erneute höchstrichterliche Klärung der Frage erforderlich712. Ausgangspunkt für die Beantwortung der Frage nach dem Bezugspunkt des Vorsatzes im Rahmen der §§ 104 ff. SGB VII ist der Wortlaut des § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII. Danach muß der Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt sein. Was unter einem Versicherungsfall im Sinne von § 104 SGB VII zu verstehen ist, ergibt sich aus §§ 7 ff. SGB VII. Der insoweit entscheidende Unterfall des Arbeitsunfalls (vgl. § 7 Abs. 1 SGB VII) setzt gemäß § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII einen Gesundheitsschaden voraus. Ist der Gesundheitsschaden damit Bestandteil des Arbeitsunfalls, so muß sich nach dem Wortlaut auch der Vorsatz darauf beziehen. Wenn demgegenüber geltend gemacht wird, daß sich der Bezugspunkt des Vorsatzes durch das UVEG geändert habe, weil § 104 SGB VII den Begriff des Versicherungsfalls, nicht aber – wie § 636 RVO – den des Arbeitsunfalls verwende713, vermag dies nicht zu überzeugen. Die Verwendung des Begriffs „Versicherungsfall“ ist lediglich die Konsequenz der veränderten Normstruktur der §§ 7 ff. SGB VII gegenüber den §§ 548 ff. RVO durch die Einführung des Begriffs des Versicherungsfalls und die begriffliche Ausgliederung der Berufskrankheit aus dem Begriff des Arbeitsunfalls714. 710 LG Stendal, Urt. v. 23. 11. 2000 – 22 S 67 / 00 –, VersR 2001, 1294, 1296 f.; Dahm, SozVers 2000, 66, 68; Hauck / Noftz / Nehls, § 104 Rn. 28; Otto, NZV 1996, 473, 477; Otto / Schwarze, Rn. 587; Rolfs, DB 2001, 2294, 2297. Im Sinne dieser Auffassung hat sich auch das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung in einem Schreiben vom 13. 10. 1998 geäußert, in dem die Ansicht vertreten wird, das Vierte Kapitel des SGB VII über die Haftung sei als ein in sich geschlossenes System anzusehen. Bei der Auslegung des § 104 SGB VII sei daher § 110 Abs. 1 S. 3 SGB VII heranzuziehen, wonach sich das Verschulden nur (noch) auf das den Versicherungsfall verursachende Handeln beziehen müsse, vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 2. 3. 2000 – 1 BvR 2224 / 98 –, NJW 2000, 2098. 711 OLG Celle, Urt.v. 6. 10. 1999 – 9 U 24 / 99 –, VersR 1999, 1550, 1551; OLG Hamburg, Urt. v. 17. 2. 2000 – 6 U 205 / 99 –, r+s 2000, 329, 330; OLG Hamm, Urt. v. 28. 1. 2002 – 6 U 63 / 01 –, r+s 2002, 287; Urt. v. 6. 5. 2002 – 13 U 224 / 01 –, r+s 2002, 331, 332; LAG Köln, Urt. v. 11. 8. 2001 – 4 Sa 553 / 00 –, MDR 2001, 160; LAG Hessen, Urt. v. 14. 12. 2001 – 9 / 2 Sa 1983 / 00 –, NZA-RR 2002, 288, 289; Brackmann / Krasney, § 104 Rn. 22; Elsner, zfs 2000, 475, 476; Falkenkötter, NZS 1999, 379, 380; KassKomm / Ricke, § 104 SGB VII Rn. 12; Kater / Leube, § 104 Rn. 37; Kock, S. 139; Lemcke, ZAP Fach 2, S. 199, 215; ders., r+s 2000, 461; ders., r+s 2002, 332; Maschmann, SGb 1998, 54, 56; Schmitt, § 104 Rn. 17; Waltermann, NJW 2002, 1225, 1226; Wussow / Schneider, Kap. 80 Rn. 87. 712 BVerfG, Beschl. v. 2. 3. 2000 – 1 BvR 2224 / 98 –, NJW 2000, 2098. 713 So Rolfs, DB 2001, 2294, 2297. 714 So auch Lemcke, r+s 2002, 332.

X. Der Wegfall der Haftungsfreistellung

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Diese auf den Gesetzeswortlaut abstellende Gesetzesauslegung könnte sich indes wegen des Bedeutungszusammenhangs der §§ 104 ff. SGB VII mit der Vorschrift des § 110 Abs. 1 S. 3 SGB VII als korrekturbedürftig erweisen. Die §§ 636, 637 RVO und § 640 RVO wurden hinsichtlich des Bezugspunktes für den Vorsatz parallel behandelt. Der BGH hat insoweit ausgeführt, es handele sich um ein in sich geschlossenes System der Schadensbereinigung715. Die Tragfähigkeit dieser Argumentation war schon deshalb begrenzt, weil schon § 640 RVO gegenüber den §§ 636, 637 RVO – wie jetzt auch § 110 SGB VII gegenüber den §§ 104 ff. SGB VII – einen erheblichen Unterschied aufweist, indem er nicht nur bei Vorsatz, sondern auch im Falle grober Fahrlässigkeit des Schädigers eingreift716. Eine einheitliche Auslegung war für das alte Recht jedoch schon deshalb zutreffend, weil sich die Formulierungen in §§ 636 und 640 RVO – von dem genannten Unterschied abgesehen – entsprachen. Daraus läßt sich indes nicht schließen, daß die einheitliche Auslegung zwingend ist, wenn in einer der Vorschriften eine besondere Regelung getroffen worden ist, wie das durch § 110 Abs. 1 S. 3 SGB VII geschehen ist. Aus systematischen Erwägungen läßt sich sogar gerade der umgekehrte Schluß ziehen. Hielt der Gesetzgeber eine gesonderte Regelung zur „Klarstellung“ des Bezugspunktes für das Verschulden im Rahmen des § 110 SGB VII für erforderlich, so läßt sich daraus schließen, daß er an der Regelung in den §§ 104 ff. SGB VII nichts ändern wollte717. Ein entsprechendes Problembewußtsein des Gesetzgebers ist insbesondere anzunehmen, weil es eines der wesentlichen Fundamente des Rechts der unerlaubten Handlungen darstellt, daß der deliktsrechtliche Güterschutz durch drei verschiedene Grundtatbestände verwirklicht wird – §§ 823 Abs. 1, Abs. 2 und 826 BGB –, die verschiedene Bezugspunkte für den Vorsatz aufweisen718. Einen einheitlichen Verschuldensbegriff gibt es daher nicht719. Ein Blick auf die Entstehungsgeschichte bestätigt diesen Befund. Der Gesetzgeber hat die Regelung des § 636 RVO der amtlichen Begründung des Regierungsentwurfs zufolge in diesem Bereich unverändert übernehmen wollen720. § 898 RVO, die Vorgängerregelung des § 636 RVO, sah noch eine strafgerichtliche Feststellung des Handelns vor. Diese Feststellung hatte man nur entfallen lassen, weil man sie für überflüssig hielt721, nicht aber, um die Anforderungen an den Vorsatz 715 BGH, Urt. v. 20. 11. 1979 – VI ZR 238 / 78 –, BGHZ 75, 328, 331; Urt. v. 8. 2. 1994 – VI ZR 68 / 93 –, VersR 1994, 695, 696. 716 Vgl. Maschmann, SGb 1998, 54, 56. 717 So auch OLG Celle, Urt. v. 6. 10. 1999 – 9 U 24 / 99 –, VersR 1999, 1550, 1551; OLG Hamburg, Urt. v. 17. 2. 2000 – 6 U 205 / 99 –, r+s 2000, 329, 330; LAG Hessen, Urt. v. 14. 12. 2001 – 9 / 2 Sa 1983 / 00 –, NZA-RR 2002, 288, 289 f. 718 Vgl. Benitz, S. 15 ff.; Deutsch, Rn. 342 f.; Weitnauer / Holtkamp, Anm. zu BAG, Urt. v. 27. 6. 1975 – 3 AZR 457 / 74 –, AP Nr. 9 zu § 636 RVO. 719 Deutsch, Rn. 342 m. w. N.; vgl. auch RG, Urt. v. 13. 7. 1934 – VII 33 / 34 –, RGZ 145, 107, 115. 720 Vgl. BT-Drucks. 13 / 2204, S. 100. 721 Dazu oben B.V.3.

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

einzuschränken. Der Sache nach sollte für das Entfallen des Haftungsausschlusses weiterhin eine vorsätzliche Herbeiführung der Körperverletzung im Sinne von § 223 StGB erforderlich sein722. Auch Sinn und Zweck der §§ 104 ff. SGB VII sprechen für diese Auslegung. Dabei ist zu bemerken, daß für die Feststellung des Bezugspunktes des Verschuldens Sinn und Zweck der Haftungsprivilegien herausragende Bedeutung zukommt. Es ist in der Literatur nachgewiesen worden, daß die besonderen Gründe von Haftungsprivilegien es erfordern können, daß sich das Verschulden auch auf Schadenszufügung und -umfang bezieht723. Zwar entspricht es dem Grundsatz des zivilrechtlichen Haftungssystems, daß der Schädiger im Rahmen seiner Haftung aufgrund der Verletzungshandlung für alle Schäden einzustehen hat, die dadurch verursacht worden sind724. Die Zuweisung des uneingeschränkten Haftungsrisikos an den Schädiger kann jedoch dem Privilegierungsziel zuwiderlaufen. Dies gilt auch für die §§ 104 ff. SGB VII: Die den Haftungsausschluß dieser Vorschriften tragenden Gründe rechtfertigen eine Haftung des Schädigers neben den Leistungen der Unfallversicherung nur bei einem besonderen Unrechtsgehalt der Tat, der erst dann vorliegt, wenn der Schädiger den Unfall und damit auch den schädigenden Erfolg vorsätzlich herbeiführt. Die Erstreckung des Vorsatzes in den §§ 104 ff. SGB VII auch auf den schädlichen Erfolg entspricht demnach nicht nur dem Wortlaut dieser Vorschriften, sondern ist zudem sachgerecht725. Aus diesem Grunde kommt auch eine analoge Anwendung des § 110 Abs. 1 S. 3 SGB VII nicht in Betracht726, weil es bereits an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt. Es kommt hinzu, daß eine Analogie voraussetzt, daß die analog anzuwendende Vorschrift Ausdruck eines im Gesetz angelegten Prinzips ist727. Die Sachgerechtigkeit der in § 110 Abs. 1 S. 3 SGB VII getroffenen Regelung kann indes bezweifelt werden. Die früher vorherrschende gegenteilige Auffassung wurde vor allem damit begründet, daß dem Schädiger das Haftungsrisiko nur dann aufgebürdet werden sollte, wenn er sich gegen die Versichertengemeinschaft wandte, indem er einen die gesetzliche Unfallversicherung belastenden Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeiführte728. Diese Auffassung war überzeugend729, so daß schon vor diesem Hintergrund die Analogiefä722 BAG, Urt. v. 27. 6. 1975 – 3 AZR 457 / 74 –, AP Nr. 9 zu § 636 RVO; Rolfs, Haftung, S. 141 f. 723 Hierzu grundlegend Deutsch, NJW 1966, 705 ff.; vgl. auch BAG, Urt. v. 18. 4. 2002 – 8 AZR 348 / 01 –, VersR 2003, 736, 739. 724 BGH, Urt. v. 20. 11. 1979 – VI ZR 238 / 78 –, BGHZ 75, 328, 329 f. 725 Inzwischen haben sowohl der BGH, Urt. v. 11. 2. 2003 – VI ZR 34 / 02 –, VersR 2003, 595 ff. (mit zustimmender Anm. Deutsch) = NJW 2003, 1605 ff. als auch das BAG, Urt. v. 10. 10. 2002 – 8 AZR 103 / 02 –, VersR 2003, 740, 741 entschieden, daß sich der Vorsatz auch auf den Schadenseintritt beziehen muß. 726 Anders Hauck / Noftz / Nehls, § 104 Rn. 28. 727 Vgl. dazu bereits oben C.V.3. 728 BGH, Urt. v. 20. 11. 1979 – VI ZR 238 / 78 –, BGHZ 75, 328, 330.

X. Der Wegfall der Haftungsfreistellung

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higkeit der in § 110 Abs. 1 S. 3 SGB VII getroffenen zweifelhaften Regelung ausscheidet. Angesichts dieser strengen Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes beschränkt sich seine praktische Bedeutung vor allem auf den Schulbereich. Zwar kommen auch unter Arbeitskollegen Schlägereien und Neckereien am Arbeitsplatz vor. Im Arbeitsverhältnis stehen Spielerei und Streit dem Betriebszweck jedoch grundsätzlich entgegen, es sei denn, der Streit ist unmittelbar aus der betrieblichen Tätigkeit heraus entstanden. Aus diesem Grunde fehlt es regelmäßig schon aus der Sicht des Geschädigten an einem inneren Zusammenhang des Unfalls mit der versicherten Tätigkeit im Sinne von § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII730, zumindest aber wird in einem solchen Fall eine betriebliche Tätigkeit des Schädigers nicht anzunehmen sein731. Die Frage, ob der Haftungsausschluß wegen Vorsatzes entfällt, stellt sich für den Unternehmer vor allem im Zusammenhang mit dem vorsätzlichen Verstoß gegen Unfallverhütungsvorschriften732. Ein solcher Verstoß gegen eine Unfallverhütungsvorschrift allein reicht jedoch nach dem Gesagten nicht aus, um den Haftungsausschluß entfallen zu lassen733.

2. Der Wegfall der Haftungsfreistellung bei Wegeunfällen Der bis zum UVEG gültige Ausnahmetatbestand der „Teilnahme am allgemeinen Verkehr“ hat aufgrund seiner unbestimmten Begriffsfassung in der Anwendung viele Probleme bereitet und ist daher auf Kritik gestoßen734. Das Gesetz zählt nunmehr – statt einen unbestimmten Rechtsbegriff zu verwenden – kasuistisch in § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII die Fallkonstellationen auf, in denen der Haftungsausschluß nicht greifen soll. Mit dieser neuen Konzeption verband sich die Hoffnung, daß eine griffige Umschreibung der ins Auge gefaßten Tatbestände weniger Schwierigkeiten mit sich bringen würde735. So auch Wannagat / Waltermann, § 110 Rn. 4. Wannagat / Jung, § 8 Rn. 38; ausführlich Keller, SozVers 1996, 260 ff. m. w. N. 731 Zutreffend Rolfs, Haftung, S. 142; vgl. zur betrieblichen Tätigkeit oben C.I.2.b) und 3. 732 Vgl. BAG, Urt. v. 27. 6. 1975 – 3 AZR 457 / 74 –, AP Nr. 9 zu § 636 RVO; LAG Köln, Urt. v. 11. 8. 2000 – 4 Sa 553 / 00 –, MDR 2001, 160. 733 BAG, Urt. v. 10. 10. 2002 – 8 AZR 103 / 02 –, VersR 2003, 740, 742; Geigel / Kolb, Kap. 31 Rn. 86; Hauck / Noftz / Nehls, § 104 Rn. 28; Kater / Leube, § 104 Rn. 37; Lemcke, r+s 2002, 332; anders wohl Otto, NZV 1996, 473, 477; zu den Voraussetzungen des Regresses nach § 110 SGB VII beim Verstoß gegen Unfallverhütungsvorschriften BGH, Urt. v. 18. 10. 1988 – VI ZR 15 / 88 –, VersR 1989, 109, 110 (zu § 640 RVO); Urt. v. 30. 1. 2001 – VI ZR 49 / 00 –, VersR 2001, 985, 986; Lemcke, r+s 2002, 332; Rolfs, AR-Blattei SD 860.2 Rn. 221 f. 734 Vgl. Hartung, Karlsruher Forum 1983, S. 105, 108; Hueck, RdA 1963, 224, 225; Weber, VersR 1995, 875, 884; zur Unbestimmtheit des Begriffs auch BGH, Urt. v. 16. 1. 1953 – VI ZR 161 / 52 –, BGHZ 8, 330, 337. 735 Vgl. etwa Küppersbusch, Rn. 419 a; Rolfs, NJW 1996, 3177, 3179. 729 730

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

Die Begründung des Gesetzesentwurfs führt zu § 104 Abs. 1 SGB VII aus, daß die Haftung des Unternehmers entsprechend dem geltenden Recht (§ 636 Abs. 1 Satz 1 RVO) auf vorsätzliches Handeln und auf Wegeunfälle beschränkt sei. Die Ausnahme umfasse nicht mehr Betriebswege, die nach geltendem Recht als Teilnahme am öffentlichen Verkehr behandelt würden736. Demnach ging der Gesetzgeber davon aus, daß er durch die Neuregelung der Sache nach grundsätzlich die alte Rechtslage erhält und lediglich für Betriebswege eine Änderung vornimmt. Es lag nahe, die Formulierung, nach der Ansprüche bei Teilnahme am allgemeinen Verkehr entsperrt sein sollten, gegen eine Gesetzesfassung auszutauschen, nach der Wegeunfälle von der Haftungsfreistellung ausgenommen sind. Schließlich wurde oft betont, daß das ErwZulG hauptsächlich Unfälle betraf, die ein Arbeitnehmer auf dem Weg von und zur Arbeitsstelle erlitt und die daher als sog. Wegeunfälle gemäß § 550 RVO dem Versicherungsschutz unterlagen737. Ob es allerdings gelungen ist, mit der auf den ersten Blick klar anmutenden Neufassung des Ausnahmetatbestandes die Rechtsanwendung zu verbessern oder ob die Neufassung nicht in der Sache Änderungen herbeigeführt hat, die zu neuen Fragestellungen in Rechtsprechung und Literatur und sogar zu Korrekturbedarf geführt haben, bedarf einer genaueren Untersuchung. Die damit aufgegebene Prüfung verlangt zunächst einen Vergleich der früheren Rechtslage mit der jetzigen.

a) Der frühere Ausnahmetatbestand der „Teilnahme am allgemeinen Verkehr“ – Befund der Rechtslage vor dem Inkrafttreten des SGB VII Für den Ausnahmetatbestand der „Teilnahme am allgemeinen Verkehr“ war nach nahezu allgemeiner Auffassung entscheidend, ob der Versicherte den Unfall als „normaler“ Verkehrsteilnehmer oder gerade als Betriebsangehöriger erlitten hatte. Es kam also darauf an, ob sich in dem Schadensfall das Risiko eines betriebsbezogenen Verhältnisses zwischen Verunglücktem und Schädiger verwirklicht hatte738. Der Begriff der Teilnahme am allgemeinen Verkehr wurde folglich relativ verstanden; er betraf allein das Verhältnis von Schädiger und Geschädigtem739. Eine Teilnahme am allgemeinen Verkehr lag vor, wenn zur betrieblichen BT-Drucks. 13 / 2204, S. 100. Vgl. BGH, Urt. v. 23. 11. 1955 – VI ZR 193 / 54 –, BGHZ 19, 114, 119; RGRK / Steffen, Vor § 823 Rn. 96. 738 Vgl. oben B.IV. mit Fn. 75. 739 BGH, Urt. v. 21. 3. 1955 – III ZR 93 / 54 –, BGHZ 17, 65, 66 (zu § 1 Abs. 1 ErwZulG); BGH, Urt. v. 24. 10. 1960 – III ZR 142 / 59 –, BGHZ 33, 339, 349 (zu § 1 Abs. 2 ErwZulG); BGH, Urt. v. 5. 5. 1975 – III ZR 51 / 73 –, BGHZ 64, 201, 203; Urt. v. 19. 1. 1988 – VI ZR 199 / 87 –, VersR 1988, 391, 392; Hartung, Karlsruher Forum 1983, S. 105, 111; Pagendarm, 736 737

X. Der Wegfall der Haftungsfreistellung

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Beziehung zwischen beiden kein oder nur ein loser Zusammenhang bestanden hatte740. Der BGH741 hatte mit Zustimmung der Literatur742 vor einigen Jahren seine Rechtsprechung zum alten Recht dahingehend präzisiert, daß es gerade darauf ankomme, ob die Durchführung der Fahrt selbst von der betrieblichen Organisation geprägt sei; der betriebliche Zweck der Unglücksfahrt allein reiche nicht aus. Von diesen Grundsätzen ausgehend hatten Rechtsprechung und Literatur den Begriff der Teilnahme am allgemeinen Verkehr – wie schon die amtliche Begründung des ErwZulG743 – anhand von Einzelfällen und der Bildung von Fallgruppen ausgeformt. So lag eine Teilnahme am allgemeinen Verkehr in der Regel vor auf dem Weg des Arbeitnehmers von zu Hause zur Arbeitsstelle und von dort zurück. Dies deshalb, weil der Arbeitnehmer normalerweise selbst dafür zu sorgen hat, daß er zur Arbeitsstelle und zurück kommt, so daß diese Wege die außerhalb des betrieblichen Risikobereichs liegende „Privatsache“ des Arbeitnehmers sind744. Für die danach vorzunehmende Wertung griff die Rechtsprechung auf Indizien zurück. Am bekanntesten war der aus dem Einsatz eines werkseigenen Kraftfahrzeugs abgeleitete Schluß745: Organisierte der Unternehmer die Beförderung zur ZBR 1959, 380, 382; RGRK / Steffen, Vor § 823 Rn. 100; vgl. auch schon (für den Bereich der Verwaltung) die amtliche Begründung zum ErwZulG, DJ 1944, 21. 740 BGH, Urt. v. 5. 11. 1991 – VI ZR 20 / 91 –, BGHZ 116, 30, 34. 741 BGH, Urt. v. 5. 11. 1991 – VI ZR 20 / 91 –, BGHZ 116, 30, 35 unter Bezugnahme auf BGH, Urt. v. 2. 3. 1971 – VI ZR 146 / 69 –, VersR 1971, 564, 565 und Urt. v. 2. 11. 1971 – VI ZR 50 / 70 –, VersR 1972, 145, 146. Die Ausführungen in diesen Urteilen beziehen sich in erster Linie auf das Merkmal der betrieblichen Tätigkeit in § 637 RVO, für die Frage, ob eine Teilnahme am allgemeinen Verkehr vorliegt, wird auf diese Ausführungen jedoch verwiesen. 742 Neumann-Duesberg, SGb 1992, 249, 250; Steinfeltz, BG 1992, 786; Weber, VersR 1995, 875, 885. 743 Amtliche Begründung zum ErwZulG, DJ 1944, 21 f. 744 BGH, Urt. v. 5. 11. 1991 – VI ZR 20 / 91 –, BGHZ 116, 30, 34; Urt. v. 8. 5. 1973 – VI ZR 148 / 72 –, VersR 1973, 736; Urt. v. 13. 1. 1976 – VI ZR 58 / 74 –, VersR 1976, 539; Urt. v. 19. 1. 1988 – VI ZR 199 / 87 –, VersR 1988, 391, 392; Urt. v. 9. 2. 1995 – III ZR 164 / 94 – VersR 1995, 561; Küppersbusch, Rn. 416; RGRK / Steffen, Vor § 823 Rn. 101; Weber, VersR 1995, 875, 885; anders wohl noch OGH BrZ, Urt. v. 10. 12. 1948 – 1 ZS 108 / 48 –, OGHZ 1, 245, 248 = NJW 1949, 263, 264, der entscheidend auf die versicherungsrechtliche Beziehung zum Betrieb und den Anlaß zu einer gemeinsamen Fahrt abstellt. Nimmt ein Arbeitnehmer einen Arbeitskollegen im Privatfahrzeug mit zur Arbeitsstelle und zurück und verursacht auf dieser Fahrt einen Unfall, so fehlt es im Rahmen des § 105 SGB VII schon an einer betrieblichen Tätigkeit des Schädigers, vgl. zu § 637 RVO BGH, Urt. v. 24. 10. 1967 – VI ZR 67 / 66 –, VersR 1967, 1201, 1202; Urt. v. 2. 3. 1971 – VI ZR 146 / 69 –, VersR 1971, 564; Urt. v. 18. 11. 1980 – VI ZR 147 / 78 –, VersR 1981, 251, 252; Weber, VersR 1995, 875, 885; Wussow / Schloen, 14. Aufl., Rn. 2648. Zum Begriff der betrieblichen Tätigkeit s. o. C.I.2.b) und 3. Die Klärung der Frage, ob es bereits an einer betrieblichen Tätigkeit des Schädigers im Sinne von § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII fehlt, kann erhebliche praktische Bedeutung für den Fall des Regresses haben, vgl. dazu Lemcke, r+s 2000, 488, 489. 745 Hervorgehoben auch durch BAG, Urt. v. 14. 3. 1967 – 1 AZR 310 / 66 –, AP Nr. 1 zu § 636 RVO; vgl. auch Rolfs, Haftung, S. 150 („indizielle Bedeutung“); auch bei der Benutzung des werkseigenen KFZ lag hingegen Teilnahme am allgemeinen Verkehr vor, wenn der

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

Arbeitsstelle und zurück mit einem in seinem Eigentum stehenden PKW (sog. Werkverkehr), dann lag nach früherem Verständnis keine Teilnahme am allgemeinen Verkehr vor. Ein solcher Werkverkehr stellte vielmehr eine innerbetriebliche Angelegenheit dar, da der Unternehmer ihn unter Einsatz von Betriebsmitteln nur mit Rücksicht auf den Betrieb und die Betriebsangehörigen eröffnete und er nur den Betriebsangehörigen zur Verfügung stand, so daß ein enger funktionaler Bezug zum Betrieb bestand746. Eine Teilnahme am allgemeinen Verkehr lag auch dann nicht vor, wenn ein Betriebsangehöriger auf Anordnung des Unternehmers nach einer Betriebsveranstaltung im werkseigenen Fahrzeug nach Hause gebracht wurde. Eine solche Fahrt war ebenfalls betrieblich veranlaßt und stand mit dem Betrieb und der Betriebszugehörigkeit in besonders engem Zusammenhang747. Für Fahrten auf dem Werksgelände galt, daß eine Teilnahme am allgemeinen Verkehr zu verneinen war, wenn sich ein Arbeitnehmer – und sei es auch mit dem eigenen Fahrzeug – noch auf dem Weg zu seinem Arbeitsplatz befand. Für diese Wertung war entscheidend, daß er sich bereits in dem der Organisationsmacht des Unternehmers unterstehenden Gefahrenkreis befand748. Das relative Verständnis des Begriffs der Teilnahme am allgemeinen Verkehr wirkte sich insbesondere bei Unfällen von Angehörigen des öffentlichen Dienstes aus. Das galt in erster Linie für Dienstunfälle von Beamten, weil bei ihnen gemäß § 46 BeamtVG (früher § 151 BBG, § 81 BRRG) Ansprüche nicht nur gegen den eigenen, sondern gegen jeden öffentlichen Dienstherren im Geltungsbereich des BeamtVG und gegen die in seinem Dienst stehenden Personen grundsätzlich ausgeschlossen waren. Die Relativität des Begriffs führte hier dazu, daß eine TeilnahUnternehmer einen Betriebsangehörigen, der sich zu Fuß auf dem Heimweg befand, aus Gefälligkeit mitnahm, vgl. Hartung, Karlsruher Forum 1983, S. 105, 112. 746 So BGH, Urt. v. 16. 1. 1953 – VI ZR 161 / 52 –, BGHZ 8, 330, 337 f. = VersR 1953, 134, 136 = NJW 1953, 458, 460; vgl. auch Urt. v. 23. 11. 1955 – VI ZR 193 / 54 –, BGHZ 19, 114, 120; Urt. v. 5. 11. 1991 – VI ZR 20 / 91 – BGHZ 116, 30, 35 = VersR 1992, 122, 123 = NJW 1992, 572, 573; Urt. v. 22. 10. 1968 – VI ZR 173 / 67 –, NJW 1969, 97, 98 (für ausnahmsweise benutztes Privatfahrzeug); Urt. v. 8. 5. 1973 – VI ZR 148 / 72 –, VersR 1973, 736, 737 = NJW 1973, 1326; BAG, Urt. v. 14. 3. 1967 – 1 AZR 310 / 66 –, AP Nr. 1 zu § 636 RVO; Urt. v. 6. 11. 1974 – 5 AZR 22 / 74 –, AP Nr. 8 zu § 636 RVO; Büchner, NJW 1949, 263; Hartung, Karlsruher Forum 1983, S. 105, 113; Klemm, DR 1944, 130, 134; Lepa, VersR 1985, 8, 12 f.; Lepenies, NJW 1952, 10, 12; Plagemann / Plagemann, Rn. 420; RGRK / Steffen, Vor § 823 Rn. 101; Rolfs, Haftung, S. 149 f.; Weber, VersR 1995, 875, 885; Wussow / Schloen, 14. Aufl., Rn. 2651; so auch schon die amtliche Begründung zum ErwZulG, DJ 1944, 21, 22; gegen einen Haftungsausschluß in Fällen des Werkverkehrs noch Friese, NJW 1950, 416 und Teutsch, DRZ 1949, 233, 234. 747 BGH, Urt. v. 23. 11. 1955 – VI ZR 193 / 54 –, BGHZ 19, 114, 119. 748 BGH, Urt. v. 5. 11. 1991 – VI ZR 20 / 91 –, BGHZ 116, 30, 35; Urt. v. 19. 1. 1988 – VI ZR 199 / 87 –, VersR 1988, 391, 392; Urt. v. 9. 2. 1995 – III ZR 164 / 94 – VersR 1995, 561; Gamillscheg / Hanau, S. 192 Fn. 95; Küppersbusch, Rn. 416; RGRK / Steffen, Vor § 823 Rn. 101; Rolfs, Haftung, S. 145; Weber, VersR 1995, 875, 885; Wussow / Schloen, 14. Aufl., Rn. 2650; vgl. für Unfälle von Soldaten auf dem Kasernengelände auch BGH, Urt. v. 14. 1. 1964 – VI ZR 88 / 62 –, VersR 1964, 270, 271; Urt. v. 23. 1. 1964 – III ZR 15 / 63 –, VersR 1964, 530, 531; Urt. v. 8. 2. 1972 – VI ZR 173 / 70 –, VersR 1972, 491, 492.

X. Der Wegfall der Haftungsfreistellung

169

me am allgemeinen Verkehr bejaht wurde, wenn der Geschädigte das Opfer einer Schädigungshandlung eines Bediensteten eines anderen Dienstherren geworden war749. Auch bei Unfällen von Angehörigen verschiedener Verwaltungen desselben öffentlich-rechtlichen Dienstherren führte das relative Verständnis der Teilnahme am allgemeinen Verkehr dazu, daß den Geschädigten ihre Schadensersatzansprüche erhalten blieben. Ausschlaggebend war dabei der Gedanke, daß der Verletzte in einem anderen Gefahrenkreis als dem seiner Dienststelle zu Schaden gekommen war750. Mit dieser Begründung hat die Rechtsprechung später dieses Verständnis des Begriffs der Teilnahme am allgemeinen Verkehr auf Unfälle von sozialversicherten Arbeitern und Angestellten im öffentlichen Dienst ausgedehnt. Der BGH hat ausgeführt, daß kein überzeugender Grund für die Beschränkung von Schadensersatzansprüchen eines Bediensteten bestehe, der im Risikobereich einer anderen Dienststelle als seiner eigenen zu Schaden gekommen sei. Aus diesem Grunde hat der BGH Teilnahme am allgemeinen Verkehr angenommen und den Haftungsausschluß der Bundesrepublik nach § 636 RVO abgelehnt, als ein Arbeiter der Bundeswehrverwaltung durch Verschulden eines Bundeswehrsoldaten, der sich mit einem Panzer auf einer Dienstfahrt befand, einen Arbeitsunfall erlitt751. In einem späteren Fall hat der BGH nur noch für entscheidend gehalten, ob sich der Unfall im Risikobereich einer für Schädiger und Geschädigten gemeinsamen Organisation zugetragen hat. Er hat eine Teilnahme am allgemeinen Verkehr bejaht, als ein im Auftrag der Bundeswehr geführter Bus mit einem Panzer auf einer öffentlichen Straße zusammenstieß; eine Teilnahme am allgemeinen Verkehr sei hier anzunehmen, weil die militärischen Übungen, in deren Rahmen die Fahrer der beiden Fahrzeuge unterwegs waren, organisatorisch in keiner Verbindung standen752. Diese Erwägungen konnten auf andere Lebensbereiche übertragen und verallgemeinert werden. Nach der wohl herrschenden Meinung wurde eine Teilnahme am allgemeinen Verkehr demnach bejaht, wenn zwei Fahrzeuge desselben Betriebes, die beide auf Betriebsfahrten unterwegs waren, zwischen denen aber kein betrieblicher Zusammenhang bestand, zufällig zusammenstießen753. Vgl. Pagendarm, ZBR 1959, 380, 382 f. BGH, Urt. v. 21. 3. 1955 – III ZR 93 / 54 –, BGHZ 17, 65, 67. 751 Vgl. BGH, Urt. v. 5. 5. 1975 – III ZR 51 / 73 –, BGHZ 64, 201, 203 ff. (zu § 151 BBG; Bundeswehrverwaltung und Streitkräfte sind verschiedene Verwaltungen); zur Übertragbarkeit vgl. auch schon die amtliche Begründung des ErwZulG DJ 1944, 21, 22. 752 BGH, Beschl. v. 21. 12. 1988 – III ZR 40 / 88 –, AP Nr. 13 zu § 636 RVO = VersR 1989, 650. 753 OLG Nürnberg, Beschl. v. 3. 12. 1956 – 4 W 203 / 56 –, VersR 1958, 253; Gamillscheg / Hanau, S. 192; Hartung, Karlsruher Forum 1983, S. 105, 113; Plagemann / Plagemann, Rn. 421; Otto / Schwarze, Rn. 569; dahingehend auch BGH, Beschl. v. 21. 12. 1988 – III ZR 40 / 88 –, AP Nr. 13 zu § 636 RVO = VersR 1989, 650; ablehnend BAG, Urt. v. 14. 3. 1967 – 1 AZR 310 / 66 –, AP Nr. 1 zu § 636 RVO (allerdings besonders gelagerter Fall); Wussow, Anm. zu BAG, Urt. v. 14. 3. 1967 – 1 AZR 310 / 66 –, AP Nr. 1 zu § 636 RVO; anders wohl auch Bülow, DJ 1944, 25, 28. 749 750

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

b) Der Zusammenhang von § 8 Abs. 1 SGB VII und § 8 Abs. 2 SGB VII nach bisherigem Verständnis In der Neuregelung des Haftungsausschlusses nach §§ 104 ff. SGB VII formuliert der Gesetzgeber im Unterschied zu § 636 RVO den Ausnahmetatbestand nicht aus, vielmehr verweist er auf § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII. In der Anwendung dieser Regelung geht es nicht nur um die Auslegung der einzelnen Ausnahmetatbestände, sondern auch und vor allem um die gegenseitige Abgrenzung der Wirkungsräume von § 8 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VII. Der Haftungsausschluß nach den §§ 104 ff. SGB VII setzt zunächst einen Versicherungsfall voraus. Darunter fallen gemäß § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII definiert den Arbeitsunfall als einen Unfall von Versicherten infolge einer versicherten Tätigkeit. Zu dem Kreis der versicherten Tätigkeiten gehören nach § 8 Abs. 2 SGB VII aber auch die Wegeunfälle. Dies bedeutet, daß zwar für den Versicherungsschutz nicht zwischen § 8 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VII unterschieden werden muß; er greift in beiden Fällen ein. Anders verhält es sich jedoch im Bereich des Haftungsausschlusses. Hier führt die Bejahung des § 8 Abs. 1 SGB VII zum Eingreifen des Haftungsausschlusses nach §§ 104 ff. SGB VII, während ihn § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII entsperrt. Für diesen Bereich muß also entschieden werden, ob der Versicherungsschutz des Versicherten aus § 8 Abs. 1 SGB VII oder aus § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII folgt. Die Unterscheidung zwischen Arbeitsunfall und Wegeunfall hatte bislang für den Haftungsausschluß zwar keine Bedeutung, wohl aber im Beitragsrecht754: Bei der Bemessung der Beiträge der Unternehmer hatten die Berufsgenossenschaften schon nach dem damaligen § 725 Abs. 2 RVO (dem heutigen § 162 Abs. 1 SGB VII) unter Berücksichtigung der anzuzeigenden Versicherungsfälle Zuschläge aufzuerlegen oder Nachlässe zu bewilligen. Hierbei wurden Wegeunfälle außer Ansatz gelassen. Entsprechend der früheren geringen Bedeutung der Unterscheidung zwischen Arbeitsunfall und Wegeunfall sind die Ausführungen, die sich zu dieser Frage in der Rechtsprechung der Sozialgerichte und dem sozialrechtlichen Schrifttum finden, bis zum UVEG eher knapp gehalten worden. Entscheidendes Merkmal für die Abgrenzung des Arbeitsunfalls zum Wegeunfall war früher der „Ort der Tätigkeit“755. Der Weg zum Ort der Tätigkeit endete nach ganz herrschender Auffassung mit dem Durchschreiten des Werkstores, also dem Verlassen des öffentlichen Verkehrsweges und dem Betreten des Betriebsgeländes. Als Ort der Tätigkeit war damit in der Regel das gesamte Werksgelände zu verstehen756. An diesen Auslegungsgrundsätzen hält die Literatur auch für das 754 Das BSG hat zwischen Arbeitsunfällen und Wegeunfällen auch unterschieden bei der Frage, ob nach einer Unterbrechung der versicherten Tätigkeit durch private Verrichtungen eine endgültige Lösung des betrieblichen Zusammenhangs eingetreten ist, vgl. BSG, Urt. v. 31. 8. 1983 – 2 RU 31 / 82 –, SozR 2200 § 548 Nr. 63. 755 BSG, Urt. v. 22. 9. 1988 – 2 RU 11 / 88 –, SozR 2200 § 725 Nr. 12 = NZA 1989, 533, 534.

X. Der Wegfall der Haftungsfreistellung

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Verständnis des § 8 Abs. 2 SGB VII fest757. Ein Arbeitsunfall kann sich indessen auch außerhalb des Betriebsgeländes ereignen, vorausgesetzt, es handelt sich um einen sog. Betriebsweg. Versicherungsschutz gemäß dem bisherigen § 548 RVO bzw. dem jetzigen § 8 Abs. 1 SGB VII wird angenommen, wenn ein Weg oder eine Reise zur Ausführung der versicherten Tätigkeit zurückgelegt wird und demnach im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht758. Solche Betriebswege sind etwa Botengänge und Lieferfahrten. Für die Unterscheidung zwischen Arbeitsunfällen und Wegeunfällen ist nach herrschender Meinung also entscheidend, wie unmittelbar der Weg, auf dem sich der Unfall ereignet, dem Betriebsinteresse dient759. Neuerdings wird in der Literatur indessen auch die Auffassung vertreten, daß ein Fall des § 8 Abs. 1 SGB VII auch dann vorliege, wenn sich arbeitsspezifische Gefahren auf dem Weg von oder zur Arbeit realisieren760. Das BAG knüpft zur Auslegung der §§ 104 ff. SGB VII an die Rechtsprechung des BSG an. Auch nach seiner Auffassung ist als Ort der Tätigkeit in der Regel das ganze Werksgelände aufzufassen. Mit dem Durchschreiten des Werkstores beginne bzw. ende der Weg von bzw. nach dem Ort der Tätigkeit. Der Unfall auf dem Werksgelände müsse nicht aus speziellen, dem Betrieb eigentümlichen Gefahren resultieren, sondern könne auch auf einer dem gewöhnlichen Straßenverkehr vergleichbaren Gefahrensituation beruhen761. 756 BSG, Urt. v. 22. 9. 1988 – 2 RU 11 / 88 –, SozR 2200 § 725 Nr. 12 = NZA 1989, 533, 534; Urt. v. 19. 1. 1995 – 2 RU 3 / 94 –, NZS 1995, 371; einschränkend für den Fall eines nicht umzäunten, auch dritten Personen zugänglichen und mit amtlichen Verkehrszeichen ausgestatteten Werksgeländes Urt. v. 23. 5. 1973 – 8 / 2 RU 68 / 70 – SozR § 725 Nr. 3; Plagemann / Plagemann, Rn. 125. 757 Lauterbach / Schwerdtfeger, § 8 Rn. 287; Lauterbach / Platz, § 162 Rn. 18; Rolfs, DB 2001, 2294, 2295; grundsätzlich auch KassKomm / Ricke, § 8 SGB VII Rn. 185, vgl. aber neuerdings auch Rn. 179 a. 758 BSG, Urt. v. 21. 12. 1977 – 2 RU 49 / 77 –, BSGE 45, 254, 256; KassKomm / Ricke, § 8 SGB VII Rn. 124; Schulin / Schulin, HS-UV § 30 Rn. 85. So auch OLG Stuttgart, Urt. v. 12. 9. 2001 – 4 U 258 / 00 –, r+s 2002, 377 für den Fall einer Rückfahrt von einer auswärtigen Arbeitsstelle, bestätigt durch Nichtannahmebeschluß des BGH v. 7. 5. 2002 – VI ZR 349 / 01. 759 BSG, Urt. v. 26. 4. 1973 – 2 RU 12 / 71 –, USK Nr. 7384; Urt. v. 11. 2. 1981 – 2 RU 87 / 79 (nicht veröffentlicht); Urt. v. 31. 8. 1983 – 2 RU 31 / 82 –, SozR 2200 § 548 Nr. 63; Urt. v. 30. 1. 1985 – 2 RU 5 / 84 –, SozR 2200 § 548 Nr. 68, Urt. v. 24. 10. 1985 – 2 RU 3 / 84 –, SozR 2200 § 548 Nr. 76; Urt. v. 7. 11. 2000 – B 2 U 39 / 99 R –, NZS 2001, 432; Brackmann / Krasney, § 8 Rn. 88; Kater / Leube, § 2 Rn. 53; Lauterbach / Schwerdtfeger, § 8 Rn. 288; Schulin / Schulin, HS-UV § 30 Rn. 85. 760 Thüsing, SGb 2000, 595, 602. Dieser Auffassung hat sich inzwischen auch KassKomm / Ricke, § 8 Rn. 179 a angeschlossen; dahingehend wohl auch Kock, S. 141 ff. 761 BAG, Urt. v. 14. 12. 2000 – 8 AZR 92 / 00 –, AP Nr. 1 zu § 105 SGB VII = VersR 2001, 720, 721. Das BAG hatte allerdings einen Fall zu entscheiden, bei dem der schädigende Arbeitnehmer sich möglicherweise auf dem Weg nach Hause befand, der Geschädigte hingegen auf dem Betriebsgelände seiner Arbeit nachging. Es hätte sich daher mit dem Ausnahmetatbestand nicht auseinandersetzen müssen, sondern allein mit der Frage, ob eine betriebliche Tätigkeit des Schädigers im Sinne von § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII vorlag, vgl. dazu Ricke, VersR 2002, 413 f.

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

c) Der jetzige Ausnahmetatbestand des § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII aa) Der betrieblich organisierte Weg zur Arbeit und zurück (insbes. Werkverkehr) Wie oben dargestellt, kam es dem Gesetzgeber darauf an, mit der Verweisung auf § 8 Abs. 2 in § 104 SGB VII in der Spur zu bleiben, die durch den Begriff der Teilnahme am allgemeinen Verkehr und seine Auslegung in Rechtsprechung und Literatur vorgezeichnet war. Nach den Erfahrungen, die bisher mit der Fallgruppe der betrieblich organisierten Wege zum Arbeitsplatz und zurück gemacht worden sind, hat der Gesetzgeber dieses Ziel allerdings nicht erreicht. Vielmehr ist es zu Brüchen zwischen den Vorstellungen des Gesetzgebers und der Gesetzesformulierung gekommen, die der Rechtsprechung Anlaß zu Korrekturen und der Literatur Grund zur Kritik gegeben haben. (1) Auslegung des § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII im Lichte des alten Rechts Der BGH762 und ein Teil der Literatur763 wenden den Ausnahmetatbestand des nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 versicherten Weges – obwohl dessen Anwendungsvoraussetzungen auf den ersten Blick vorliegen – nicht an, wenn der Weg betrieblich organisiert ist. Im Konflikt zwischen Gesetzeswortlaut und gesetzgeberischer Zielsetzung erhält damit dieser Auffassung zufolge letztere den Vorzug. Der BGH hatte einen Fall zu entscheiden764, in dem eine Stadt für den Transport körperlich und geistig behinderter Schüler zur Städtischen Förderschule einen Fahrdienst eingerichtet hatte. Die Schüler wurden mit einem Kleinbus der Stadt, der von einem bei der Stadt angestellten Fahrer gefahren wurde, zur Schule und von dort nach Hause gefahren. Der Kleinbus geriet bei einer solchen Fahrt auf die Gegenfahrbahn und stieß mit einem entgegenkommenden LKW zusammen. Ein Schüler erlitt bei dem Unfall eine Schädelprellung und eine Verletzung am Oberarm. Wegen dieser Verletzungen und angeblicher psychischer Folgeschäden forderte der Schüler von der Stadt Schmerzensgeld. Fraglich war, ob § 104 SGB VII eine Haftung der Stadt gegenüber dem Kläger aus §§ 847, 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG verhinderte. Der Schüler war nach § 2 Abs. 1 Nr. 8 b SGB VII versichert. Ein solcher Schülertransport ist dem Werkverkehr vergleichbar. Der BGH hat indes nicht § 8 Abs. 2 SGB VII und damit die 762 BGH, Urt. v. 12. 10. 2000 – III ZR 39 / 00 –, BGHZ 145, 311, 315 f. = LM Nr. 1 zu § 104 SGB VII = NJW 2001, 442 f. = VersR 2001, 335, 336. 763 Busemann, S. 118; Gamperl, NZV 2001, 401, 402; Maschmann, SGb 1998, 54, 57; Plagemann, NZV 2001, 233, 236; Stern-Krieger / Arnau, VersR 1997, 408, 410; Waltermann, BG 1997, 310, 315; ders., NJW 1997, 3401, 3402; Wannagat / Waltermann, § 104 Rn. 22. 764 BGH, Urt. v. 12. 10. 2000 – III ZR 39 / 00 –, BGHZ 145, 311 = LM Nr. 1 zu § 104 SGB VII = NJW 2001, 442 = VersR 2001, 335.

X. Der Wegfall der Haftungsfreistellung

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Entsperrung des Haftungsausschlusses eingreifen lassen, sondern unter Anwendung von § 8 Abs. 1 SGB VII einen Anspruch des Schülers wegen des Haftungsausschlusses verneint. Dies hat der BGH damit begründet, daß bei der Auslegung des § 104 SGB VII davon auszugehen sei, daß der Gesetzgeber der Begründung des Gesetzesentwurfs zufolge mit der neuen Ausnahme in § 104 Abs. 1 SGB VII eine § 636 RVO entsprechende Regelung habe treffen wollen. Bei Wegeunfällen greife der Haftungsausschluß aber nicht, weil betriebliche Risiken dort keine Rolle spielten. Ebenso wäre es nach dem Verständnis des Begriffs der Teilnahme am allgemeinen Verkehr im Sinne von § 636 RVO darauf angekommen, ob sich betriebliche Risiken oder „normale Risiken“ realisiert haben. Aus diesem Grunde sei auf die zu § 636 RVO ergangene Rechtsprechung zum Werkverkehr zurückzugreifen. Bei dem Schülertransport handele es sich um eine von der Schule organisierte und damit um eine „betriebliche“ Fahrt mit der Folge, daß es nicht um eine Teilnahme am allgemeinen Verkehr gehe, so daß es mit dem Haftungsausschluß sein Bewenden habe. Mit diesem Rückgriff auf seine Rechtsprechung zum Begriff der Teilnahme am allgemeinen Verkehr i. S. von § 636 RVO hat der BGH nach seiner Auffassung den Wortlaut der Regelung des § 104 i.V.m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII hintangestellt765. Auch in der Literatur begründet man die Anknüpfung an die alten Abgrenzungskriterien für diese Fallgruppe damit, daß der Gesetzgeber in der Sache keine Änderung gewollt habe766. Sinn und Zweck des Ausnahmetatbestandes hätten sich zudem nicht geändert und sprächen dafür, weiterhin den Haftungsausschluß innerhalb des betrieblichen Organisations- und Funktionsbereichs anzuwenden767. (2) Unfallversicherungsrechtliche Betrachtungsweise Ein Teil der Literatur lehnt indes – der Gesetzeswortlaut in §§ 104, 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII legt dies nahe – in Fällen des betrieblich organisierten Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit einen Haftungsausschluß ab768. Diese Sichtweise wird damit begründet, daß durch die Aufgabe des Begriffs der „Teilnahme am allgemeinen Verkehr“ die damit einhergehenden Auslegungsprobleme beseitigt worden seien und ein klarer Ausnahmetatbestand habe geschaffen werden sollen769. Der eindeutige Wortlaut spreche dafür, daß es nunmehr alleine auf die UnterscheiVgl. BGH, Urt. v. 12. 10. 2000 – III ZR 39 / 00 –, BGHZ 145, 311, 313. Stern-Krieger / Arnau, VersR 1997, 408, 410; auch Schmitt, Anm. zu BGH, Urt. v. 12. 10. 2000 – III ZR 39 / 00 –, LM Nr. 1 zu § 104 SGB VII weist auf die Begründung des Gesetzesentwurfs hin. 767 Waltermann, NJW 1997, 3401, 3402; ähnlich auch Maschmann, SGb 1998, 54, 57. 768 Bereiter-Hahn / Mehrtens, § 104 Rn. 19.2; Brackmann / Krasney, § 104 Rn. 23; Dahm, ZfS 2000, 38, 39; Hauck / Noftz / Nehls, § 104 Rn. 30; Hebeler, VersR 2001, 951, 952 f.; Kater / Leube, § 104 Rn. 40; Lauterbach / Dahm, § 104 Rn. 25; Lemcke, r+s 2000, 488; LPK / Zilch, § 104 Rn. 22; Marburger, BB 2000, 1781, 1783; Müller, NZV 2001, 366 f.; Rolfs, NJW 1996, 3177, 3179; Schmitt, § 104 Rn. 19; dahingehend auch Gitter, FS Wiese S. 131, 133. 769 Hebeler, VersR 2001, 951, 953; Rolfs, NJW 1996, 3177, 3179. 765 766

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

dung von § 8 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VII ankomme. Dabei sei auf die anerkannten Abgrenzungskriterien des BSG und des sozialrechtlichen Schrifttums zurückzugreifen770, die Auslegung habe „genuin unfallversicherungsrechtlich“771 zu erfolgen772. Danach ist aber die organisatorische Ausgestaltung des Weges für die Entsperrung des Haftungsausschlusses nicht entscheidend. (3) Kritik an der Gesetzesfassung Die Divergenzen zwischen Gesetzeswortlaut und gesetzgeberischer Zielsetzung, die inzwischen zutagegetreten sind, beruhen auf der mißverständnisträchtigen Gesetzesfassung. Eine Ausnahme von der Haftungsbefreiung bedarf einer verständlichen inneren Rechtfertigung. In diesem Bestreben haben sich Rechtsprechung und Literatur über Jahrzehnte hinweg bemüht, den Begriff der Teilnahme am allgemeinen Verkehr im Sinne von § 636 RVO auszuformen. Zuletzt war nahezu allgemein anerkannt, daß entscheidendes Kriterium ist, ob der Verletzte den Unfall als Betriebsangehöriger innerhalb des betrieblichen Organisations- und Funktionsbereichs erlitten hatte oder als normaler Verkehrsteilnehmer. Maßgebend war damit, ob sich ein betriebliches Risiko verwirklicht hatte; nur in einem solchen Fall sollte der Verletzte auf die vom Unternehmer finanzierte Unfallversicherung beschränkt sein. Diese Abgrenzung war überzeugend. Sie entspricht der einheitlichen Zielsetzung der Haftungsbefreiung nach altem wie nach neuem Recht. Demgegenüber kann die Auffassung, nach der in Fällen des betrieblich organisierten Weges der Haftungsausschluß nicht anzuwenden sein soll, nicht befriedigen. Es ist nach wie vor der Zweck der Haftungsbefreiung, die durch die Leistungen des Arbeitgebers geschaffenen unfallversicherungsrechtlichen Ansprüche des Verletzten an die Stelle der haftungsrechtlichen Ansprüche treten zu lassen, wenn sich das betriebliche Risiko verwirklicht773. Darüber hinaus kommt hier unterstützend auch ein Gedanke zum Vgl. zu den Kriterien oben C.X.2.b). Kater / Leube, § 104 Rn. 40. 772 Hebeler, VersR 2001, 951, 953; Rolfs, NJW 1996, 3177, 3179. 773 Ein Vergleich mit den Haftungsprivilegien in §§ 708, 1359 BGB und dem Verweisungsprivileg des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB, die nach der Rechtsprechung des BGH (zu § 708 BGB vgl. Urt. v. 20. 12. 1966 – VI ZR 53 / 65 –, BGHZ 46, 313, 317 f.; zu § 1359 BGB vgl. Urt. v. 11. 3. 1970 – IV ZR 772 / 68; zu § 839 BGB vgl. Urt. v. 27. 1. 1977 – III ZR 173 / 74 – BGHZ 68, 217, 220; Urt. v. 15. 2. 2001 – III ZR 120 / 00 –, BGHZ 146, 385, 387) und einem Teil der Literatur (vgl. Hohloch, VersR 1979, 199, 205; RGRK / Steffen, Vor § 823 Rn. 117 f.; MünchKomm / Papier, § 839 Rn. 311) im Straßenverkehr nicht angewendet werden, hilft entgegen Thüsing, SGb 2000, 595, 602 nicht weiter. Im Unterschied zu diesen Haftungsprivilegien ist die Anwendung der §§ 104 ff. SGB VII im Straßenverkehr nicht schlechthin ausgeschlossen, sondern nur bei Wegeunfällen, so daß es schon im Ansatz an einer Vergleichbarkeit der Fallkonstellationen mangelt; dahingehend auch bereits Stoll, FS Hauß, S. 349, 361 f. Aus diesem Grund scheidet es auch aus, den vom BGH in den genannten Urteilen entwikkelten Grundsatz der haftungsrechtlichen Gleichbehandlung aller Verkehrsteilnehmer als ein 770 771

X. Der Wegfall der Haftungsfreistellung

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Tragen, der in der Literatur schon für den Tatbestand der Teilnahme am allgemeinen Verkehr herausgearbeitet wurde774: Bei Fürsorgemaßnahmen des Arbeitgebers – im Gegensatz zu bloßen Gefälligkeiten – muß diesem der Haftungsausschluß zugute kommen, weil solche Maßnahmen in das Arbeitsverhältnis einbezogen sind. Die Fürsorgepflicht – oder auch arbeitsrechtliche Schutzpflicht – ist eine spezifische Pflicht des Arbeitgebers gegenüber seinen Arbeitnehmern, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergibt775. Ihr Kernbereich bildet der Schutz der Arbeitnehmerinteressen, die infolge der Einordnung des Arbeitnehmers in den Betrieb und die Belegschaft einer besonderen Gefährdung unterliegen776. Der Fürsorgegedanke kommt zum Tragen, wenn der Arbeitgeber – und sei es auch über seine Verpflichtungen hinaus, wie etwa beim Werkverkehr – gerade aus Anlaß des Arbeitsverhältnisses Maßnahmen vornimmt. Solche Maßnahmen aus Gründen der Fürsorge konkretisieren das Arbeitsverhältnis. Das bedeutet, daß der Arbeitgeber in diesem Rahmen auch entsprechende Vorkehrungen (z. B. Überprüfung der Fahrzeuge) treffen muß777. Dabei soll der Arbeitgeber jedoch von der Haftung befreit sein. Der Gedanke der Fürsorge des Arbeitgebers unterstützt also die zuvor angestellten, auf das betriebliche Risiko bezogenen Überlegungen. Mit dem Rückgriff auf die alten Abgrenzungskriterien der RVO ist es dem BGH und der Literatur gelungen, ein befriedigendes, sachangemessenes und an der Zielsetzung der Haftungsbefreiung orientiertes Ergebnis zu erarbeiten. Doch wirft auch diese Sichtweise Probleme auf. Mit dem neuen Ausnahmetatbestand hat der Gesetzgeber kraft der Verweisung auf § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII in den Haftungsausschluß eine spezifisch unfallversicherungsrechtliche Problematik – die Abgrenzung von Arbeitsunfällen zu Wegeunfällen – eingeführt. Mit der Rechtsprechung des BSG und der Literatur zu dieser Frage hat sich der BGH indessen nicht auseinandergesetzt, vielmehr hat er sich auf das Problem der Haftungsprivilegierung konzentriert. Auch die Stimmen in der Literatur, die in Anknüpfung an den früheren Ausnahmetatbestand eine Haftungsfreistellung in Fällen des betrieblich organisiereigenständiges Rechtsprinzip anzuerkennen. Ihm kommt schon angesichts der Verschiedenartigkeit der Haftungsfälle und der für sie eingreifenden Normen keine übergreifende, sondern nur eine einzelfallbezogene Bedeutung zu. Es tritt hinzu, daß die den einzelnen Haftungsprivilegien zugrundeliegenden Erwägungen zu verschieden sind, um aus ihnen einen einheitlichen Rechtsgedanken zu entwickeln. 774 Neumann-Duesberg, VersR 1968, 1, 11; zustimmend Rolfs, Haftung, S. 149 f. 775 Vgl. BAG, Urt. v. 1. 7. 1965 – 5 AZR 264 / 64 –, BAGE 17, 229, 230 = AP Nr. 75 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht; Hueck / Nipperdey, § 48 I 1, S. 390 f.; Kort, NZA 1996, 854. 776 MünchArbR / Blomeyer, § 94 Rn. 14. 777 Diese Überlegungen sind in der Rechtsprechung insbesondere bei Beschädigung des PKW eines Arbeitnehmers auf dem Firmenparkplatz zum Ausdruck gekommen: Aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers wird die Verpflichtung hergeleitet, das in den Betrieb eingebrachte Arbeitnehmereigentum in gewissem Umfang vor Verlust und Beschädigung zu schützen. Stellt der Arbeitgeber einen Firmenparkplatz zur Verfügung, so hat er für dessen Verkehrssicherheit zu sorgen und drohende Gefahren auf ein Mindestmaß zurückzuführen, BAG, Urt. v. 25. 5. 2000 – 8 AZR 518 / 99 –, BAGE 94, 381, 384 f.; vgl. auch Hueck, Anm. zu BAG, Urt. v. 10. 11. 1960 – 2 AZR 226 / 59 –, AP Nr. 58 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht.

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

ten Weges befürworten, beschränken sich bei der Auslegung von § 8 SGB VII auf den Anwendungsbereich der §§ 104 ff. SGB VII778. Daß BGH und BSG nicht zu einer einheitlichen Begriffsbildung von Arbeitsunfall und Wegeunfall gelangen, führt zu weiteren Problemen. Es kann nicht mehr von einer einheitlichen Abgrenzung des § 8 Abs. 1 zu Abs. 2 SGB VII ausgegangen werden, vielmehr führt die Divergenz zwischen der Rechtsprechung des BGH einerseits und des BSG andererseits zu einer sachbereichsbezogenen Auslegung des § 8 SGB VII. Unter einer solchen Handhabung leidet die Rechtsklarheit. Der Gesetzgeber hätte die Konsequenzen der Änderung der Gesetzesfassung – der Ersetzung eines unbestimmten Rechtsbegriffs durch eine enumerative Auflistung der Ausnahmetatbestände – zuvor im einzelnen klären müssen. Für Fälle des betrieblich organisierten Weges zur Arbeit und zurück hat er sein erklärtes Ziel verfehlt, eine dem alten Tatbestand im wesentlichen entsprechende Regelung zu schaffen. Daher erhebt sich sogar die Frage, ob es nicht sinnvoller gewesen wäre, den bisherigen Begriff der Teilnahme am allgemeinen Verkehr beizubehalten. Es hätte sich für den Gesetzgeber aber auch die Lösung angeboten, diesen Begriff der Teilnahme am allgemeinen Verkehr oder aber einen anderen unbestimmten Rechtsbegriff mit einer kasuistischen Regelung zu kombinieren. So hätte er etwa ausführen können, daß Unternehmer den Versicherten [ . . . ] zum Ersatz des Personenschadens [ . . . ] nur verpflichtet sind, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder außerhalb des betrieblichen Organisationsbereichs und insbesondere auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt haben. (4) Versuch einer Lösung de lege lata Die Kritik an der jetzigen Gesetzesfassung hilft für die Rechtsanwendung zur Zeit nicht weiter. Als Lösung bietet sich de lege lata vielmehr eine neue allgemeingültige Interpretation des § 8 SGB VII an. Für die §§ 104 ff. SGB VII wurde bereits festgestellt, daß das Verständnis des BGH zur Abgrenzung von § 8 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII sachangemessen ist. Es erhebt sich also die Frage, ob das vom BGH und einem Teil der Literatur befürwortete Verständnis des Verhältnisses dieser Regelungen nicht verallgemeinert werden kann. Der Wortlaut des § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII spricht zunächst dafür, daß die hier aufgezählten Wege unbesehen unter diese Norm fallen. Diese Sicht beruht auf der mißverständnisträchtigen Gesetzesfassung. Dieses Bild verschiebt sich nämlich erst dann, wenn man den Gesetzeswortlaut näher ins Auge faßt. Dann fällt auf, daß § 8 Abs. 2 SGB VII davon spricht, daß „auch“ die dort aufgezählten Aktivitäten versicherte Tätigkeiten sind. Damit wird deutlich, daß für die Bestimmung des Umfangs des Versicherungsschutzes auf § 8 Abs. 2 SGB VII erst zurückgegriffen werden kann, wenn es um Tätigkeiten geht, die nicht schon von dem Versicherungsschutz aus § 8 Abs. 1 SGB VII erfaßt werden. Diesen Weg weist auch die 778

Vgl. oben Fn. 763.

X. Der Wegfall der Haftungsfreistellung

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Stellung des § 8 Abs. 2 SGB VII im System. Nach dem Normzusammenhang stellt sich § 8 Abs. 2 SGB VII als eine § 8 Abs. 1 SGB VII ergänzende Sonderregelung dar. Die Subsidiarität des § 8 Abs. 2 SGB VII im Verhältnis zu § 8 Abs. 1 SGB VII gilt insbesondere für die hier in Rede stehenden Regelungen des § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII. Das läßt auch die Geschichte der Versicherung des Wegeunfalls erkennen. Wegeunfälle sind seit 1925 versichert779. Die Möglichkeit einer Versicherung des Wegeunfalls wurde bereits im Jahre 1890 und bei der Entstehung der RVO diskutiert780. Schon vor 1925 hatte das Reichsversicherungsamt in Einzelfällen eine Versicherung des Wegeunfalls angenommen, wenn der Weg eine für die Arbeit typische Gefahr mit sich brachte, z. B. war der Laternenarbeiter, der auf seinem Heimweg nachts überfallen wird, versichert781. Eine Einschränkung erfuhr die Versicherung des Wegeunfalls im Jahre 1931, als man eine Regelung schuf, nach der die Entschädigungsleistungen der Unfallversicherung ganz oder zum Teil versagt werden konnten, wenn bei der Entstehung des Wegeunfalls ein Verschulden des Versicherten mitgewirkt hatte782. Diese Versagungsmöglichkeit wurde jedoch nach dem zweiten Weltkrieg wieder beseitigt783. Seitdem ist die Versicherung des Wegeunfalls weiter ausgedehnt worden. So wurden 1974 Wegeabweichungen unter Versicherungsschutz gestellt, die durch Fahrgemeinschaften mit anderen berufstätigen oder versicherten Personen oder dadurch, daß das Kind fremder Obhut anvertraut wurde, bedingt waren784. Im UVEG wurde der Versicherungsschutz von Kindern durch § 8 Abs. 2 Nr. 3 SGB VII erweitert785. Bis heute ist die Versicherung des Wegeunfalls indes immer wieder in Frage gestellt worden786; so wurde von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände 1994 der Vorschlag gemacht, die Wegeunfälle von der gesetzlichen Unfallversicherung auszunehmen787. Die Probleme der Einbeziehung des Wegeunfalls in den Versicherungsschutz beruhen darauf, daß der Wegeunfall – anders als Vgl. oben B.IV. mit Fn. 67. Kranig / Aulmann, NZS 1995, 203, 204; Wickenhagen, S. 104. 781 Thüsing, SGb 2000, 595, 596; vgl. zu anderen Beispielen auch Kranig / Aulmann, NZS 1995, 203, 204 f.; ausführliche Judikaturanalyse des Reichsversicherungsamtes von Barta, S. 409 ff., 426 ff., 858 ff. 782 RGBl. I S. 699, 719 (mit Wirkung ab 1. 1. 1932), zugunsten des Versicherten durch Gesetz vom 17. 12. 1939, RGBl. I S. 267, 268 beschränkt auf grobe Fahrlässigkeit (§ 556 S. 2 RVO). 783 Gesetz vom 10. 8. 1949 für die Bizone, WiGBl. S. 251, 252 (Aufhebung von § 556 S. 2 RVO); Gesetz vom 12. 5. 1950 für die französische Zone, BGBl. I S. 179, 180; vgl. Gitter, S. 88; Kranig / Aulmann, NZS 1995, 203, 205. 784 BGBl. I S. 821, 824; Kranig / Aulmann, NZS 1995, 203, 206. 785 Vgl. dazu BT-Drucks. 13 / 2204 S. 77. 786 Vgl. die Kritik bei Kötz, S. 11 ff.; aus neuerer Zeit Gitter, SGb 1993, 297, 300; ders., BB 1998, Beilage 6, S. 7; Wallerath, FS Krasney, S. 697, 719. 787 BDA, S. 42. 779 780

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

der Arbeitsunfall – nicht ohne weiteres dem betrieblichen Risikobereich zugerechnet werden kann. Der Versicherungsschutz wird insoweit auf allgemeine Lebensrisiken erstreckt788. Diese aus der Zweckbestimmung der Unfallversicherung hergeleiteten Erwägungen haben deutlich werden lassen, daß das der Unfallversicherung zugrundeliegende Prinzip der Haftungsersetzung durch Versicherungsschutz789 für den Wegeunfall also nicht paßt790. Als tragende Gesichtspunkte für die Einbeziehung des Wegeunfalls in den Versicherungsschutz verbleiben damit das soziale Schutzprinzip und der Fürsorgegedanke, die beide das Unfallversicherungsrecht prägen791. Ferner wird als Grund für eine Versicherung des Wegeunfalls angegeben, daß der Weg zum Arbeitsplatz mit dem Ziel der Verrichtung der Arbeit zurückgelegt werde, aus der auch der Arbeitgeber den Nutzen zieht792. Die Arbeitszeiten würden zudem durch den Arbeitgeber festgelegt und führten in aller Regel dazu, daß der Arbeitnehmer die Wege zur Arbeit und nach Hause zu Zeiten zurücklegen müsse, zu denen ein besonders hohes und daher unfallträchtiges Verkehrsaufkommen herrsche793. Hinzu komme, daß sich der Arbeitnehmer auf dem Weg von und zur Arbeit gedanklich mit der Arbeit beschäftige und angesichts der in der Regel feststehenden Arbeitszeiten ein betrieblich verursachter Zeitdruck bestehe794. Geht man von diesen Grundlagen der Versicherung des Wegeunfalls aus, so treffen die hierzu angestellten Überlegungen nicht für die betrieblich organisierten Wege nach und von der Arbeit zu. In einem solchen Fall realisiert sich nicht das allgemeine Lebensrisiko, sondern ein betriebliches Risiko, weil der Arbeitgeber insoweit den von ihm beeinflußten Bereich erweitert hat. Dies bedeutet, daß die hier in Rede stehende Fallgruppe nicht in den Normanwendungsbereich des § 8 Abs. 2 SGB VII paßt. Aufgrund der Realisierung arbeitsspezifischer Risiken ist sie vielmehr unter § 8 Abs. 1 SGB VII einzuordnen. Für die Abgrenzung zwischen Arbeitsunfällen und Wegeunfällen muß damit nicht nur darauf abgestellt werden, ob der Weg im unmittelbaren Betriebsinteresse zurückgelegt wurde, sondern auch, ob sich Risiken verwirklichen, die dem Organisationsbereich des Arbeitgebers zuzurechnen sind. Das bedeutet allerdings nicht, daß nach der hier vertretenen AufGitter, S. 87, 89; Schulin / Schulin, HS-UV § 33 Rn. 2. Vgl. dazu oben B.III. 790 Vgl. Gitter, BB 1998, Beilage 6, S. 6; Jantz, FS Lauterbach, S. 15, 17. 791 Vgl. dazu oben B.III.; BSG, Urt. v. 25. 10. 1989 – 2 RU 26 / 88 – NZA 1990, 409, 410; Gitter, S. 87 ff.; Kranig / Aulmann, NZS 1995, 203, 208; Thüsing, SGb 2000, 595, 600 f. 792 Schulin / Gitter / Nunius, HS-UV § 5 Rn. 122; vgl. auch Krasney, VSSR 1993, 81, 102; gegen die einseitige Betonung des Nutzens der Arbeitsleistung für den Arbeitgeber überzeugend Thüsing, SGb 2000, 595, 600. 793 So Kranig / Aulmann, NZS 1995, 203, 208; vgl. Gitter, S. 86; dazu auch Bernstein, S. 80, der angesichts der Verteilung von Wohnbezirken und Geschäfts- und Industriezentren davon ausgeht, daß das Risiko des Arbeitsweges dem Berufsrisiko näher steht als der privaten Sphäre. 794 Dazu Kranig / Aulmann, NZS 1995, 203, 208. 788 789

X. Der Wegfall der Haftungsfreistellung

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fassung entscheidend ist, ob sich die speziellen Gefahren des Betriebes realisieren795. Maßgebend ist vielmehr, ob sich eine Gefahr im Risikobereich des Unternehmens realisiert hat, unabhängig davon, ob es sich um eine für den betreffenden Betrieb spezifische Gefahr handelt. In diesem Risikobereich trifft den Unternehmer, der das Unternehmen steuert, die Verantwortung. Dieses Auslegungsergebnis bewährt sich in den Anwendungsbereichen, in denen es auf eine gegenseitige Abgrenzung von § 8 Abs. 1 und § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII ankommt. Dies ist neben dem Bereich der §§ 104 ff. SGB VII für das Beitragsausgleichsverfahren des § 162 SGB VII entscheidend. Die Zweckrichtung dieses Verfahrens besteht darin, durch eine finanzielle Be- und Entlastung auf eine verstärkte Unfallverhütung durch die Unternehmer hinzuwirken796. Aus diesem Grund sind Wegeunfälle aus dem Verfahren ausgenommen: Solche Unfälle sind durch Präventionsmaßnahmen des Unternehmers nur bedingt beeinflußbar, während er bei Betriebswegen die Risiken mitbestimmen kann, indem er etwa Fahrer schult oder sicherheitstechnische Kontrollen an den von ihm eingesetzten Fahrzeugen vornimmt797. Es entspricht demnach Sinn und Zweck des Verfahrens, bei der Abgrenzung von Arbeits- und Wegeunfällen neben dem Gesichtspunkt des unmittelbaren Betriebsinteresses entscheidend darauf abzustellen, ob sich Gefahren des betrieblichen Organisationsbereichs realisiert haben. Die Untersuchung hat also ergeben, daß die bisherige Abgrenzung von Wegeunfällen und Arbeitsunfällen, wie sie das BSG und das sozialrechtliche Schrifttum vorgenommen haben, korrekturbedürftig ist. Als Arbeitsunfälle im Sinne von § 8 Abs. 1 SGB VII sind auch die Fälle aufzufassen, in denen sich vom Unternehmer steuerbare Risiken realisieren, d. h. solche Risiken, die in den betrieblichen Organisations- und Verantwortungsbereich fallen798. Das Kriterium, wie unmittelbar ein Weg dem Betriebsinteresse dient, muß um eine Risikosphärenzuordnung ergänzt werden, so daß die soeben erörterte Fallgruppe zu den ohnehin unter § 8 Abs. 1 SGB VII fallenden Betriebswegen hinzukommt. Damit ist für den Bereich der Haftungsfreistellung ein befriedigendes Ergebnis gefunden: Der Haftungsausschluß greift auch in Fällen, in denen der Unternehmer den Weg zum Arbeitsplatz und zurück betrieblich organisiert. Um zu diesem Ergebnis zu gelangen, bedurfte es im Unterschied zur Auffassung des BGH799 keines Rückgriffs auf den früheren 795 Gegen ein solches Verständnis auch BSG, Urt. v. 22. 9. 1988 – 2 RU 11 / 88 –, SozR 2200 § 725 Nr. 12. 796 BSG, Urt. v. 22. 9. 1988 – 2 RU 11 / 88 –, SozR 2200 § 725 Nr. 12 (zur Vorgängernorm des § 725 Abs. 2 RVO); LPK / Zilch, § 162 Rn. 4. 797 Vgl. LPK / Zilch, § 162 Rn. 8; Thüsing, SGb 2000, 595, 602; dahingehend auch Lauterbach / Platz, § 162 Rn. 18; zur Bedeutung der Möglichkeiten einer Unfallverhütung für die Abgrenzung von Arbeitsunfällen und Wegeunfällen auch Plagemann, NZV 2001, 233, 236. 798 So auch Thüsing, SGb 2000, 595, 602 im Rahmen einer rechtsvergleichenden Untersuchung; inzwischen auch Ricke, VersR 2003, 540, 542 f.; vgl. ferner Kock, S. 141 ff.; siehe dazu bereits oben C.X.2.b) mit Fn. 760. 799 Vgl. dazu oben C.X.2.c)aa)(1).

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

Ausnahmetatbestand der Teilnahme am allgemeinen Verkehr im Sinne von § 636 RVO. Der Wortlaut des § 8 Abs. 2 SGB VII, seine Stellung im Normgefüge und die im Lauf der Geschichte des Wegeunfalls hervorgetretenen Rechtfertigungsgründe des Wegeunfalls lassen deutlich werden, daß der hier in Rede stehende Unfalltyp – der Unfall auf einem betrieblich organisierten Weg zur Arbeit und von dort zurück – dem Anwendungsbereich des § 8 Abs. 1 SGB VII und nicht dem des § 8 Abs. 2 SGB VII zuzuordnen ist. Auch der Wortlaut des § 8 Abs. 1 SGB VII läßt die hier befürwortete Auslegung zu. Das somit gefundene Ergebnis stimmt auch mit der Zielsetzung des Gesetzgebers überein.

bb) Aufhebung des relativen Verständnisses des Ausnahmetatbestandes Der Begriff der Teilnahme am allgemeinen Verkehr im Sinne von § 636 RVO war, wie oben ausgeführt800, „relativ“ zu verstehen. Die Relativität ist durch die Neuregelung im SGB VII aufgehoben worden. Im Bereich des SGB VII kommt es jetzt nur noch darauf an, ob seitens des Geschädigten ein Arbeitsunfall im engeren Sinne oder ein Wegeunfall vorliegt801. Nach der Neuregelung ist damit in den Fällen, in denen Arbeitnehmer, die miteinander organisatorisch in keinerlei Zusammenhang stehen bzw. zu verschiedenen Verwaltungen gehören, bei dienstlichen Fahrten im öffentlichen Straßenverkehr kollidieren, der Ausnahmetatbestand nicht mehr gegeben. Der Haftungsausschluß des § 105 Abs. 1 SGB VII greift also ein; Schädiger und Geschädigter gehören demselben Betrieb an802. Das OLG Dresden hat in einer Entscheidung zu einem Schulunfall indessen ausgeführt, daß es sich auch nach neuer Rechtslage ergeben könne, daß ein und derselbe Unfall im Verhältnis zum „Beschäftigungsbetrieb“ ein innerbetrieblicher Vorgang sei, im Verhältnis zum „Unfallbetrieb“ dagegen ein Wegeunfall nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII. Als Beispiel nennt es den Fall, daß sich ein Schüler bei einem Unfall auf dem Weg zwischen Schulgebäude und Sportstätte befand803. Dabei verkennt das OLG jedoch, daß die versicherte Tätigkeit eines Schülers der Schulbesuch ist (§ 2 Abs. 1 Nr. 8 b SGB VII). Der Weg zur Sportstätte ist damit – in Entsprechung zum Betriebsweg – ein Unterrichtsweg804, das Verhältnis zur Sportstätte ist insofern nicht entscheidend. Für die Beurteilung des Weges kommt es nach § 8 SGB VII darauf an, welche Tätigkeit versichert ist. Folglich ist den Stimmen in der Literatur zuzustimmen, die nach der Neuregelung eine Differenzierung zwischen dem Beschäftigungsbetrieb und dem Unfallbetrieb für überholt halten805. Siehe oben C.X.2.a). So auch Lemcke, r+s 2000, 221, 223; Leube, VersR 2001, 1215, 1217; Otto / Schwarze, Rn. 569. Marschner, BB 1996, 2090 f. sieht hingegen keinen Unterschied. 802 Vgl. zum Betriebsbegriff oben C.III.2. 803 OLG Dresden, Urt. v. 14. 10. 1998 – 6 U 1485 / 98 –, NJW-RR 1999, 902, 903. 804 Vgl. Leube, VersR 2001, 1215, 1217. 800 801

X. Der Wegfall der Haftungsfreistellung

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Die Aufhebung des Postulats der Relativität, wie es von Rechtsprechung und Literatur entwickelt wurde, führt zu einer Erweiterung des Haftungsausschlusses. Es ist fraglich, ob sich der Gesetzgeber, der ausweislich der Gesetzesbegründung die bisher durch das Verständnis der Teilnahme am allgemeinen Verkehr im Sinne von § 636 RVO geprägte Rechtlage im wesentlichen fortschreiben wollte, dieses Effekts bewußt gewesen ist. Das mag jedoch dahinstehen, weil die nunmehr durch die Verweisung auf § 8 Abs. 2 SGB VII hergestellte Rechtslage mit den bereits herausgearbeiteten Prinzipien der Haftungsfreistellung zu vereinbaren ist. Auch dann, wenn zwei Fahrer desselben Unternehmens auf Betriebs- bzw. Dienstfahrten, die miteinander organisatorisch nicht im Zusammenhang stehen, im öffentlichen Verkehr kollidieren, realisieren sich Gefahren, die in unmittelbarem Zusammenhang mit den betrieblichen Tätigkeiten stehen, so daß es in das System paßt, hier den Haftungsausschluß der §§ 104 f. SGB VII durchgreifen zu lassen. Punktuelle Bedenken verbleiben jedoch deshalb, weil die Aufhebung der Relativität insbesondere für den Bereich des öffentlichen Dienstes einschneidende faktische Änderungen mit sich bringt. Anerkanntermaßen sind die Bundesrepublik, die Bundesländer oder auch andere Gebietskörperschaften als Träger verschiedener Verwaltungen ein „einheitlicher“ Unternehmer im Sinne des § 104 SGB VII bzw. § 636 RVO a.F. mit der Folge, daß ihre Haftung auch dann ausgeschlossen ist, wenn der Unfall sich zwischen Angehörigen verschiedener Verwaltungen und damit verschiedener Risikobereiche ereignet806. Dieses Begriffsverständnis wurde vom Gesetzgeber dem UVEG zugrunde gelegt807. Bleibt es bei dieser Interpretation des Unternehmerbegriffs, dann ergibt sich für den Bereich des öffentlichen Dienstes und damit für die sozialversicherten Arbeiter und Angestellten eine erhebliche Ausweitung der Haftungsfreistellung. Dies bedeutet, daß das durch die Regelung im ErwZulG verfolgte Ziel, für den öffentlichen Dienst Unbilligkeiten zu beseitigen, die dadurch entstehen, daß auch gegenüber anderen Verwaltungen die Ansprüche ausgeschlossen sind808, mit dem neuen Ausnahmetatbestand nicht mehr erreicht wird. Dieses Defizit wird jedoch hinzunehmen sein. Im Anwendungsbereich des § 105 SGB VII809 läßt sich diese Erweiterung der Haftungsfreistellung sogar damit rechtfertigen, daß ein Schutzbedürfnis des Schädigers vor den Haftungsrisiken seiner betrieblichen Tätigkeit auch in den hier in Rede stehenden FallLeube, VersR 2001, 1215, 1217; vgl. auch LPK / Zilch, § 106 Rn. 8. BGH, Urt. v. 10. 12. 1974 – VI ZR 73 / 73 –, BGHZ 63, 313, 314; Urt. v. 5. 5. 1975 – III ZR 51 / 73 –, BGHZ 64, 201, 202; Urt. v. 10. 3. 1983 – III ZR 1 / 82 –, VersR 1983, 636, 637; Urt. v. 9. 2. 1995 – III ZR 164 / 94 –, VersR 1995, 561, 562; Geigel / Kolb, Kap. 31 Rn. 77; RGRK / Steffen, Vor § 823 Rn. 88; Wussow / Schneider, Kap. 80 Rn. 68; vgl. auch schon RG, Urt. v. 12. 3. 1941 – VIII 7 / 41 – RGZ 166, 257, 262 (für § 134 WFVG); anders aber noch die amtlichen Begründung zum ErwZulG DJ 1944, 21, 22. 807 BT-Drucks. 13 / 2204, S. 108. 808 Vgl. amtliche Begründung DJ 1944, 21, 22. 809 Der Betriebsbegriff in § 105 SGB VII ist als Synonym zum Unternehmensbegriff des § 104 SGB VII zu verstehen, s. o. C.III.2. 805 806

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

konstellationen besteht. Insoweit steht die Änderung daher mit dem Konzeptionswechsel der Haftungsfreistellung im Unfallversicherungsrecht durch das UVEG also in Einklang810.

cc) Fortbestand der beamtenrechtlichen Sonderregelung Für Beamte hat sich die gesetzliche Lage indessen nicht geändert. Das ErwZulG bleibt für sie in Kraft. Das kann Verwirrungen bei der Gesetzesauslegung zur Folge haben. In der Literatur wird die Auffassung vertreten, daß der Tatbestand des § 1 ErwZulG, soweit er in Kraft geblieben ist (§ 46 Abs. 2 S. 2 BeamtVG, § 91 a Abs. 2 SVG), im Sinne der durch die Neuregelung im SGB VII bewirkten Änderung zu interpretieren sei811; der Wortlaut der Vorschrift „Teilnahme am allgemeinen Verkehr“ lasse dies zu. Auf den ersten Blick spricht zwar für eine solche Interpretation das Gebot der Gleichbehandlung der insoweit gleichen Sachverhalte. Es muß aber berücksichtigt werden, daß der Begriff der Teilnahme am allgemeinen Verkehr einen erheblich über den Bereich des Wegeunfalls hinausgehenden Sinn hatte. Insbesondere im Bereich des Beamtenrechts verfolgte der Ausnahmetatbestand das Ziel, den dort besonders weitgehenden Haftungsausschluß – nicht nur des eigenen, sondern auch der anderen öffentlich-rechtlichen Dienstherren – einzuschränken812. Dieser gerade für das Beamtenrecht eigenständige Sinn der Regelung des § 1 ErwZulG kann ihr nicht im Wege der Gesetzesauslegung dadurch genommen werden, daß in einem anderen Bereich eine Gesetzesänderung ergangen ist. Die Regelungsziele im Beamten- und im Sozialversicherungsrecht stimmen nicht vollkommen überein. Damit sind die bereits seit dem UVNG von 1963 getrennten Regelungen eigenständig zu interpretieren813. Der Begriff der „Teilnahme am allgemeinen Verkehr“ ist also, soweit er für das Beamtenrecht in Kraft geblieben ist, weiterhin wie bisher zu interpretieren. Eine Änderung dieser Rechtslage bedürfte einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung.

dd) Wegeunfälle im Schulbereich Der neue Ausnahmetatbestand entfaltet seine Wirkungen auch im Schulbereich. Dies führt zu Schwierigkeiten beim Transfer der für § 637 Abs. 4 RVO geltenden Grundsätze auf die im SGB VII getroffene Regelung.

Vgl. zu diesem Konzeptionswechsel ausführlich oben C.I.1.b)ee). Otto / Schwarze, Rn. 570. 812 Vgl. die amtliche Begründung zum ErwZulG DJ 1944, 21. 813 Die Kommentierungen zum BeamtVG gehen auf die Neuerungen im SGB VII konsequenterweise nur mit wenigen Worten ein, vgl. Schütz / Maiwald / Brockhaus, § 46 BeamtVG Rn. 15. 810 811

X. Der Wegfall der Haftungsfreistellung

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Zur Zeit der Geltung der RVO wurde für Unfälle vor Schulbeginn und nach Schulschluß sowie auf dem Schulweg eine schulbezogene Betrachtung angenommen. Bei diesen Grundsätzen wurde nicht immer klar zwischen dem Tatbestandsmerkmal der betrieblichen Tätigkeit und dem der Teilnahme am allgemeinen Verkehr unterschieden, da für beide Merkmale dieselben Erwägungen galten814. Danach konnten auch Verletzungshandlungen außerhalb des Schulgeländes noch von den §§ 636, 637 RVO erfaßt werden, wenn sie unter Berücksichtigung räumlicher und zeitlicher Aspekte noch so mit dem Schulbetrieb in Zusammenhang standen, daß sich in ihnen eine diesem innewohnende typische Gefahr realisiert hatte815. Der BGH hat daher einen Unfall noch als schulbezogen gewertet, bei dem eine Schülerin durch einen Schulbus an einer 400 m von der Schule entfernten Haltestelle verletzt worden war, und deshalb eine Haftung des Landes wegen Verletzung der Aufsichtspflicht für die Schulbushaltestelle durch seine Bediensteten abgelehnt. Vor allem bei der Abfahrt des Busses bringe das gleichzeitige, gruppenweise Eintreffen der Schüler an der Haltestelle wegen des mit der Beendigung des Unterrichts erfahrungsgemäß eintretenden und noch nicht abgeklungenen starken Bewegungsdrangs die Gefahr mit sich, in dem an der Haltestelle herrschenden Gedränge in den Bereich des noch fahrenden Busses zu geraten. Die Haltestelle sei daher nach ihrer Einrichtung und der Art ihrer Benutzung eine Gefahrenquelle, die noch durch den Schulbetrieb und seine Vor- und Nachwirkungen geprägt werde816. Demgegenüber hat der BGH eine Schulbezogenheit und damit einen Haftungsausschluß nach §§ 636, 637 RVO in einem Fall abgelehnt, bei dem es auf der Heimfahrt in einem (Schul-)bus zu Reibereien zwischen zwei Schülern gekommen war, die nach dem Aussteigen in eine tätliche Auseinandersetzung mit Körperschäden gemündet waren. Entscheidend sei hier, daß sich die Verletzungshandlung erst in größerer räumlicher und zeitlicher Ferne zur Schule aus einem Anlaß ereignet habe, der sie nicht mehr als Ausdruck der Zusammenführung der Personen im Schulbetrieb erscheinen lasse817. Während diese Grundsätze bei der gedanklichen Umformung des Tatbestandsmerkmals der betrieblichen Tätigkeit auf die besondere Situation der Schule weiterhin zum Tragen kommen könnten, erhebt sich die Frage, ob dieser Übertragung Vgl. auch Rolfs, VersR 1996, 1194, 1198. BGH, Urt. v. 27. 4. 1981 – III ZR 47 / 80 –, VersR 1981, 849, 850; Urt. v. 14. 7. 1987 – VI ZR 18 / 87 –, LM Nr. 26 zu § 637 RVO = VersR 1988, 167, 168; Urt. v. 28. 4. 1992 – VI ZR 284 / 91 –, VersR 1992, 854, 855; OLG Hamm, Urt. v. 12. 1. 1993 – 27 U 181 / 92 –, VersR 1994, 500 f.; Rolfs, VersR 1996, 1194, 1197; Schlegelmilch, VersR 1982, 1002; Wussow / Schloen, 14. Aufl., Rn. 2671; kritisch Graßl, BG 1987, 156, 158. 816 BGH, Urt. v. 27. 4. 1981 – III ZR 47 / 80 –, VersR 1981, 849 f. 817 BGH, Urt. v. 28. 4. 1992 – VI ZR 284 / 91 –, VersR 1992, 854 f. Der BGH hat es nicht für entscheidend gehalten, ob es sich bei dem Bus um einen Schulbus handelte und eine schulische Veranstaltung abgelehnt. Handelt es sich aber um einen von der Schule organisierten Transport in einem Schulbus, dann ist eine Rangelei, die beim Aussteigen aus diesem Bus entsteht, noch als schulbezogen zu bewerten. Kritik auch bei Rolfs, Haftung, S. 169; vgl. zum Schülertransport bzw. Werkverkehr ausführlich oben C.X.2.c)aa). 814 815

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C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

nicht durch die neue Ausgestaltung des Ausnahmetatbestandes bei Versicherungsfällen auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg Grenzen gezogen sind818. Sieht man von dem Sonderfall des betrieblich – bzw. schulisch – organisierten Weges ab, würde die Grenze des Haftungsausschlusses das Schultor bilden, weil jenseits des Schultores grundsätzlich der Schulweg beginnt bzw. endet und damit die nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII versicherte Tätigkeit. Es ist bereits dargestellt worden, daß es für die Differenzierung zwischen § 8 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII auf eine Risikosphärenzuordnung ankommt. Auf den schulischen Bereich übertragen bedeutet dies aber, daß sich auch noch außerhalb des Schulgeländes schulspezifische Risiken realisieren können, die dem Versicherungsschutz nach § 8 Abs. 1 SGB VII zuzuordnen sind819. Die schulische Risikosphäre endet also nicht am Schultor, sondern erfaßt auch Gefahren, die im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Schulbetrieb stehen. Aus diesem Grunde wäre auch unter Zugrundelegung des neuen Rechts in der erstgenannten Entscheidung des BGH820 eine Haftung des Landes gegenüber der durch den Schulbus verletzten Schülerin abzulehnen. Die Ausgangsfrage ist also dahin zu beantworten, daß der Wirkungsbereich des § 8 Abs. 1 SGB VII durch § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII keiner Einschränkung ausgesetzt ist.

ee) Einschränkende Interpretation des Begriffs des Unternehmers in § 104 SGB VII Die Neufassung des Ausnahmetatbestandes hat ein weiteres Problem verschärft, das schon nach der bisherigen Gesetzeslage bestanden hat. Nach dem Wortlaut des § 104 SGB VII greift der Haftungsausschluß auch dann ein, wenn der Unternehmer sich auf einer Privatfahrt befindet und mit einem Wagen seines Unternehmens kollidiert, dessen Fahrer betrieblich unterwegs ist. Dieses Ergebnis wird der Zielsetzung des Haftungsausschlusses nicht gerecht. Die Unfallversicherung soll den Unternehmer nicht davor bewahren, bei Unfällen, die er auf Privatfahrten verursacht, vom Geschädigten in Anspruch genommen zu werden. In einem solchen Fall realisiert sich für den Unternehmer kein unternehmerisches Risiko, sondern ein privates. Diese Problematik bestand schon vor der Neuregelung: Im Unterschied zu § 105 SGB VII bzw. § 637 RVO setzt § 104 SGB VII – wie auch § 636 RVO – nicht eine „betriebliche Tätigkeit“ des Schädigers voraus. Dieser Unterschied in den beiden Tatbeständen ist zum einen mit dem Finanzierungsargument begründet worden: Die Haftung von Betriebsangehörigen könne nur soweit ausgeschlossen 818

So Lemcke, r+s 2000, 488; Rolfs, VersR 1996, 1194, 1198; vgl. auch LPK / Zilch, § 106

Rn. 7. 819 Im Ergebnis so auch OLG Schleswig, Urt. v. 16. 3. 2000 – 7 U 118 / 98 –, r+s 2000, 504, 505, das allerdings auf diese Fragestellung nicht eingeht, sondern die zum bisherigen Recht geltenden Grundsätze überträgt, vgl. insoweit die Kritik von Lemcke, r+s 2000, 488. 820 BGH, Urt. v. 27. 4. 1981 – III ZR 47 / 80 –, VersR 1981, 849 f.

X. Der Wegfall der Haftungsfreistellung

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sein, wie sie für den Unternehmer, d. h. auf seine Weisung oder in seinem Interesse tätig geworden seien821. Ferner ist darauf hingewiesen worden, daß die Unfallversicherung für den Unternehmer die Funktion einer Haftpflichtversicherung erfülle, so daß ein umfassender Haftungsausschluß über den Bereich betrieblicher Tätigkeiten hinaus notwendig sei822. Bis zum UVEG erlangte diese Frage jedoch keine entscheidende Bedeutung, weil der Haftungsausschluß aufgrund des Ausnahmetatbestandes der „Teilnahme am allgemeinen Verkehr“ auch für den Unternehmer nur eingriff, wenn sich für ihn ein innerbetriebliches Risiko im Verhältnis zum Geschädigten verwirklichte. Der Ausnahmetatbestand erfüllte insoweit eine Auffangfunktion. Im Ergebnis bestand daher bisher zwischen der Haftungsbefreiung des Arbeitskollegen einerseits und des Unternehmers andererseits regelmäßig kein Unterschied823. Diese Auffangfunktion erfüllt die Ausnahme des Haftungsausschlusses bei Wegeunfällen des Geschädigten nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII nicht mehr. Die Konsequenzen dieser Änderung – der Haftungsausschluß zugunsten des Unternehmers in der hier erörterten Fallgruppe – sind indes wenig überzeugend, weil der Haftungsausschluß von seiner Zweckbestimmung her nicht gerechtfertigt erscheint. In der Literatur wird – ohne eingehende Begründung – daher eine Beschränkung des Haftungsausschlusses des Unternehmers befürwortet, indem der Begriff des Unternehmers einschränkend ausgelegt wird. Danach greift der Haftungsausschluß nur ein, wenn der Unternehmer dem Geschädigten gegenüber als Unternehmer handelt824. Eine solche einschränkende Interpretation wird dem Sinn des Haftungsausschlusses gerecht und vermeidet eine Anwendung des Haftungsausschlusses im privaten Bereich. Die Abgrenzung von betrieblichem und privaten Bereich ist dabei in vergleichbarer Weise vorzunehmen wie die Abgrenzung vom Wegeunfall zum Arbeitsunfall seitens des Geschädigten. Auch wenn der Unternehmer im Unternehmen selbst private Verrichtungen vornimmt, handelt er nicht in seiner Unternehmereigenschaft825. Mit dieser einschränkenden Interpretation des Unternehmerbegriffs in § 104 SGB VII wird letztlich das Merkmal der „betrieblichen Tätigkeit“, wie es § 105 SGB VII voraussetzt, auch in § 104 SGB VII hineininterpretiert.

Gamillscheg / Hanau, S. 189. Rolfs, Haftung, S. 78, 261. 823 RGRK / Steffen, Vor § 823 Rn. 96. 824 Brackmann / Krasney, § 104 Rn. 7; KassKomm / Ricke, § 104 SGB VII Rn. 4; Lauterbach / Dahm, § 104 Rn. 8; anders aber Küppersbusch, Rn. 408, der der Auffassung ist, daß es für das Haftungsprivileg des Unternehmers ohne Bedeutung sei, ob die schädigende Handlung im Zusammenhang mit seiner unternehmerischen Tätigkeit erfolgte. 825 A.A. KassKomm / Ricke, § 104 SGB VII Rn. 4. 821 822

186

C. Die einzelnen Problemfelder der Neuregelung

ff) Erweiterung der Haftungsbefreiung für Betriebswege Im Bereich der Betriebswege hat der Gesetzgeber des UVEG bei der Neufassung des Ausnahmetatbestandes ausweislich der Begründung des Gesetzesentwurfs bewußt eine Änderung vorgenommen. Betriebswege fallen seit der Neuregelung unter die Haftungsbefreiung, auch wenn sie früher als Teilnahme am allgemeinen Verkehr behandelt wurden826. Diese Erweiterung der Haftungsbefreiung betrifft Fahrten, die im unmittelbaren Betriebsinteresse stehen, bei denen jedoch eine Teilnahme am allgemeinen Verkehr im Sinne von § 636 RVO bejaht wurde, solange die Fahrt nicht auch durch die betriebliche Organisation geprägt wurde. Solche Fahrten sind seit der Neufassung Betriebswege im Sinne von § 8 Abs. 1 SGB VII, mit der Konsequenz, daß die Haftungsbefreiung eingreift. Der Unterschied zwischen altem und neuem Recht wird in dem bereits zitierten Urteil des BGH827 vom 5. 11. 1991 deutlich: Eine PKW-Fahrerin war auf schneeglatter Autobahn gegen einen Fahrbahnteiler geprallt. Ihre Beifahrerin wurde durch den von der Fahrerin schuldhaft verursachten Unfall schwer verletzt. Die beiden – Verwaltungsanwärterinnen bei einer AOK – befanden sich auf dem Weg zu einem auswärts stattfindenden Lehrgang, zu dem sie ihre AOK abgeordnet hatte. Der BGH hat angenommen, daß der Haftungsausschluß des hier einschlägigen § 46 BeamtVG, der im wesentlichen dem Haftungsausschluß der §§ 636, 637 RVO entspricht, nicht eingreife, weil eine Teilnahme am allgemeinen Verkehr i. S. von § 1 ErwZulG (der außerhalb der RVO weiter Gültigkeit behalten hat828) vorliege. Dies hat der BGH damit begründet, daß es sich bei der Fahrt um eine Privatfahrt gehandelt habe, weil die Benutzung des Privatfahrzeuges nicht angeordnet worden sei, sondern die AOK die Wahl des Beförderungsmittels freigestellt habe. Nach den zuvor dargestellten unfallversicherungsrechtlichen Kategorien829 steht eine solche Fahrt als Dienstfahrt im unmittelbaren Betriebsinteresse, so daß ein innerer Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem zurückgelegten Weg besteht. Die Literatur geht von dieser Änderung in der Sache aus830. Hierfür gibt es gute Gründe. Die Neuerung ist systemgerecht. Betriebs- bzw. Dienstfahrten stehen im unmittelbaren Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit. Es besteht daher kein Anlaß, einen Unfall auf einer solchen Fahrt anders zu behandeln als sonstige Arbeitsunfälle. Dies muß auch dann gelten, wenn der Unfall nicht Ausfluß der betrieblichen Organisation ist. Wie bereits festgestellt wurde, kommt es darauf an, ob sich spezifische Gefahren des Betriebes realisieren. Selbst bei nicht unmittelbar angeordneten, aber im Betriebsinteresse ausgeführten Fahrten BT-Drucks. 13 / 2204, S. 100. Siehe oben Fn. 740. 828 Vgl. dazu oben C.X.2.c)cc). 829 Siehe oben C.X.2.b). 830 Brackmann / Krasney, § 104 Rn. 23; Rolfs, NJW 1996, 3177, 3179; Schmidt, BB 2002, 1859; Wannagat / Waltermann, § 104 Rn. 21. 826 827

X. Der Wegfall der Haftungsfreistellung

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mit einem privaten PKW liegt ein Unfall noch im Risikobereich des Unternehmens, da dieses den Anlaß für die Fahrt bildet und die Fahrt Teil der Tätigkeit ist. Solange ein Arbeitnehmer in Ausübung seiner betrieblichen Tätigkeit und damit im unmittelbaren Betriebsinteresse handelt, ist darauf abzustellen. Ob und wie weitgehend der Unternehmer dem Arbeitnehmer Weisungen erteilt hat, ist bei solchen Fahrten für den Haftungsausschluß ebensowenig entscheidend, wie bei der Ausübung sonstiger betrieblicher Tätigkeiten. Für Betriebswege hat sich der Haftungsausschluß also erweitert. Diese Regelung erweist sich in der Sache als systemangemessen und akzeptabel.

D. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse 1. Die Vorschriften der §§ 104 ff. SGB VII setzen die unfallversicherungsrechtliche Haftungsfreistellung des Schädigers, wie sie zuletzt in §§ 636 ff. RVO Ausdruck gefunden hat, im Kern fort. Sie fügen den traditionellen Haftungsfreistellungen jedoch neue Haftungsprivilegierungen hinzu, die einen Wandel im gesetzgeberischen Konzept der Haftungsfreistellung deutlich werden lassen. Zu den bisherigen Rechtfertigungsgründen der Haftungsprivilegierung – dem Verständnis der Haftungsfreistellung des Schädigers als Konsequenz der alleinigen Finanzierung der Unfallversicherung durch die Unternehmer und dem Ziel, den Betriebsfrieden zu wahren – tritt als weiterer und teilweise allein tragender Rechtfertigungsgrund das Bedürfnis des Schädigers, von den im Arbeitsleben auftretenden Haftungsrisiken verschont zu werden, hinzu. Die zusätzlichen Haftungsfreistellungen für Personenschäden signalisieren die Entwicklung der unfallversicherungsrechtlichen Haftungsersetzung in Richtung auf eine Haftungsprivilegierung aller im Arbeitsleben in einer Gefahrengemeinschaft Tätigen. 2. a) Nach § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII ist für die Haftungsfreistellung betrieblich tätiger Personen eine Betriebsangehörigkeit nicht mehr erforderlich. Für diese Erweiterung versagen die bisher für den Haftungsausschluß angeführten Rechtfertigungsgründe. Sie wird allein von dem Gedanken getragen, in einer Gefahrengemeinschaft betrieblich tätige Personen vor den Haftungsrisiken im Arbeitsleben zu bewahren. Mit dieser gesetzgeberischen Zielsetzung, die Ausfluß des Sozialstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 1 GG) ist, hat die Neuregelung vor dem Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG Bestand. b) Die Erweiterung des Schädigerkreises durch § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII erweist sich auch als systemgerecht. Zwar besteht keine Parallelität von Belastung des Geschädigten mit dem Haftungsprivileg einerseits und Entlastung des Schädigers durch das Privileg andererseits. Verbleibende Divergenzen sind jedoch durch die gesetzgeberische Intention gerechtfertigt, Personen von der Haftung zu befreien, die dem Betrieb dienliche Tätigkeiten ausführen. 3. a) Der Kreis der Geschädigten, die sich die Haftungsprivilegien der §§ 104, 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII entgegenhalten lassen müssen, ist durch den Begriff des Versicherten festgelegt. Darunter fallen zwar auch die nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII versicherten „Wie“-Beschäftigten. Ist eine Person jedoch nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versichert, so tritt dahinter gemäß der neuen Konkurrenzregelung des § 135 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII, der auch eine materielle Dimension zukommt, ein Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII zurück. Für den

D. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

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Haftungsausschluß der §§ 104, 105 SGB VII hat dies zur Konsequenz, daß ein „doppelter Versicherungsschutz“ mit dem daran geknüpften Anspruchsverlust in den Fällen der kurzfristigen Hilfeleistung in fremden Unternehmen nicht mehr in Betracht kommt. b) Über die Reichweite des Haftungsausschlusses in § 104 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 SGB VII, nach dem Versicherte dem Verlust ihrer Ansprüche auf Ersatz ihres Personenschadens ausgesetzt sind, die „zu ihren Unternehmen in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen“, bleiben gravierende Zweifel. Der Regelung ist jedenfalls ein Haftungsausschluß des Unternehmers zu Lasten der nach § 2 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 8 SGB VII und § 3 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII Versicherten zu entnehmen. Demgegenüber ist die Anwendung der neuen Regelung in Fällen des Versicherungsschutzes nach § 2 Abs. 1 Nr. 11 b, 13 und 15 SGB VII zu verneinen. 4. Der Betriebsbegriff in § 105 SGB VII ist als Synonym zu dem in §§ 104, 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII verwendeten Begriff des Unternehmens zu verstehen. Eine andere Interpretation würde eine sachlich nicht erklärbare Schutzlücke für Arbeitsunfälle entstehen lassen, in denen Schädiger und Geschädigter verschiedenen Betrieben ein und desselben Unternehmens angehören. 5. Der Haftungsausschluß zu Lasten von gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherungsfreien Personen in § 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII ist Ausdruck des Konzeptionswandels der Haftungsfreistellung im Unfallversicherungsrecht hin zu einer alle Tätigen umfassenden Haftungsprivilegierung im Arbeitsleben. Sie bricht mit der Tradition der Haftungsablösung durch Leistungen aus der Unfallversicherung und hat die Haftungslage unter Angehörigen des öffentlichen Dienstes weiter verdunkelt. Eine Regelung für den Regreß des Dienstherrn in Fällen der grob fahrlässigen Schädigung fehlt, § 110 SGB VII ist insoweit analog anzuwenden. Vor allem gerät die Vorschrift in einen Normenkonflikt zu § 46 Abs. 2 BeamtVG. Für den Fall der Schädigung eines Beamten durch einen Arbeitnehmer muß § 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII in seinem Wirkungsbereich als lex posterior Anwendung finden. Wird ein Beamter hingegen durch einen anderen Beamten verletzt, tritt § 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII hinter den erschöpfenden Regelungen des Beamtenrechts – und damit hinter § 46 Abs. 2 BeamtVG – zurück. 6. a) Sowohl der versicherte als auch der nicht versicherte Unternehmer muß sich nach § 105 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 SGB VII die Haftungsfreistellung betrieblich tätiger Personen entgegenhalten lassen. Diese sich aus der Regelung des § 105 Abs. 2 SGB VII ergebende Neuerung läßt den Konzeptionswandel der Haftungsfreistellung im Unfallversicherungsrecht – den Schutz der Tätigen vor den Haftungsrisiken anstelle der früheren Rechtfertigungsgründe – in besonderem Maße hervortreten. b) Die Anknüpfung an die zivilrechtliche Haftung für die Leistungsansprüche des nicht versicherten Unternehmers gemäß § 105 Abs. 2 S. 2 und 4 SGB VII hat insbesondere auch zur Folge, daß die Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmer-

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D. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

haftung Berücksichtigung finden müssen. Dies gilt jedoch nur, soweit sie Ausdruck der angemessenen Verteilung der Betriebsrisiken als Haftungsrisiken sind. Billigkeitserwägungen entfalten im Rahmen der Leistungsbestimmung nach § 105 Abs. 2 SGB VII dem Unfallversicherungsträger gegenüber keine Wirkung, so daß die persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers nicht zu berücksichtigen sind. Ferner ist das Mitverschulden des Geschädigten bei der Leistungsbestimmung des § 105 Abs. 2 SGB VII erheblich. c) Der durch die Einschränkungen des Leistungsanspruchs gemäß § 105 Abs. 2 SGB VII sich ergebende rechtlich reduzierte Status des nicht versicherten Unternehmers hält einer verfassungsrechtlichen Prüfung am Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG nicht stand. Dies gilt vor allem, weil dem nicht versicherten Unternehmer Geldleistungsansprüche nur auf der Basis des Mindestjahresarbeitsverdienstes gewährt werden. Die Regelung hält darüber hinaus auch einer verfassungsrechtlichen Überprüfung am Maßstab der Art. 14, 2 Abs. 2 S. 1 GG nicht stand. 7. Der Haftungsausschluß in § 106 Abs. 1 SGB VII wirft Interpretationsprobleme hinsichtlich der Reichweite der Haftungsfreistellung auf, die auf einer unklaren Gesetzesfassung beruhen. Die Vorschrift bezieht sich nur auf den Risikobereich der jeweiligen Einrichtung. Schutzlücken, die sich daraus ergeben könnten, daß § 106 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII mit der Anknüpfung an die Betriebsangehörigkeit nicht sicherstellt, daß der Verletzte eine Kompensation für die ihm entzogenen Ansprüche erhält, werden praktisch nicht relevant werden, weil der Geschädigte regelmäßig zumindest in den Genuß des Versicherungsschutzes nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII kommt. 8. Der kompensationslose Entzug der Ansprüche Pflegebedürftiger in § 106 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII ist verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar. Er verstößt insbesondere gegen das absolute Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG, indem er den Schutz der Pflegepersonen bei dieser sozialen Aufgabe auf Kosten der auf die Pflege angewiesenen Pflegebedürftigen verwirklicht. 9. a) Der Haftungsausschluß des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII bei Unfällen auf einer gemeinsamen Betriebsstätte entfaltet eine unternehmensübergreifende haftungsbefreiende Wirkung. Mit der Bestimmung des Begriffs der gemeinsamen Betriebsstätte durch den BGH (§ 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII erfaßt danach die betrieblichen Aktivitäten von Unternehmen, die bewußt und gewollt bei einzelnen Maßnahmen ineinandergreifen, miteinander verknüpft sind, sich ergänzen oder unterstützen, wobei es ausreicht, daß die Verständigung stillschweigend durch bloßes Tun erfolgt), der ohne Einschränkungen beizupflichten ist, ist nur die erste Weiche für die Interpretation gestellt. Eine Kasuistik ist in Zukunft unausweichlich. Zur Klärung des Anwendungsraums von § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII kommt dem Gedanken der Gefahrengemeinschaft entscheidende Bedeutung zu.

D. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

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Eine Verbindung von Tätigkeiten nur durch räumliche Enge und das Erfordernis gegenseitiger Rücksichtnahme führen für sich genommen nicht zu einer Verknüpfung im Sinne der Begriffsbestimmung. Absprachen zwischen den beteiligten Unternehmen haben keine rechtliche Relevanz für die Bestimmung des Begriffs der gemeinsamen Betriebsstätte. Auch ein zeitlich aufeinanderfolgendes Handeln zweier Unternehmen begründet die Haftungsfreistellung nur dann, wenn die Unternehmen in einer wechselseitigen Gefahrengemeinschaft stehen. Doch steht eine länger andauernde Kooperation zweier Unternehmen dem Eingreifen der Haftungsfreistellung nicht entgegen. Im Straßenverkehr ist das Vorliegen einer gemeinsamen Betriebsstätte ebenfalls möglich. b) Der Unternehmer ist als Schädiger – und auch als Geschädigter – in die Haftungsfreistellung des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII nur einbezogen, wenn er selbst auf der Betriebsstätte tätig wird und auch versichert ist. Einer weitergehenden Haftungsprivilegierung der Unternehmer als Schädiger steht nicht nur der Gesetzeswortlaut entgegen, sie würde nach der derzeitigen Konzeption der Haftungsfreistellung auch Legitimationsschwierigkeiten mit sich bringen, weil weder die hergebrachten Rechtfertigungsgründe noch der Rechtfertigungsgrund des Schutzes sozial schutzbedürftiger Schädiger vor den Haftungsrisiken des Arbeitslebens und der damit in Zusammenhang stehende Gedanke der Gefahrengemeinschaft als Rechtfertigungsgründe zum Tragen kämen. c) Greift das Haftungsprivileg des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII nur zugunsten des Arbeitnehmers ein, so führt dies in den Fällen einer gesamtschuldnerischen Schadensverantwortlichkeit von Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu einer Störung des Gesamtschuldnerausgleichs. Die Haftung des Arbeitgebers gegenüber dem Geschädigten ist in einem solchen Fall um den Verantwortungsanteil des Arbeitnehmers im Innenverhältnis – und damit unter Berücksichtigung der Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung – zu kürzen. d) Die Praxisrelevanz des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII beruht vor allem darauf, daß ihm für Fälle der Arbeitsverknüpfung der Beschäftigten mehrerer Unternehmen eine Auffangfunktion zukommt. Diese kommt auch für die Haftungsbefreiung bei Leiharbeitsverhältnissen zum Tragen mit der Folge, daß sich der Leiharbeitnehmer bei einer Schädigung durch einen Arbeitskollegen im entleihenden Betrieb den Haftungsausschluß entgegenhalten lassen muß. § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII greift ferner zwischen den für eine ARGE Tätigen untereinander ein. 10. Der Haftungsausschluß in § 106 Abs. 3 Alt. 1 und 2 SGB VII ist analog zugunsten der Rettungs- und Zivilschutzunternehmer anzuwenden, weil die Vorschrift auch auf die Förderung der Hilfstätigkeiten abzielt. 11. Der Haftungsausschluß Betriebsangehöriger gegenüber Unternehmensbesuchern gemäß § 106 Abs. 4 SGB VII ist Ausdruck des Konzeptionswandels der Haftungsfreistellung und läßt sich mit dem Schutzbedürfnis der Schädiger rechtfertigen.

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D. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

12. Die Haftungsfreistellung des Schädigers nach §§ 104 Abs. 1, 105 Abs. 1 SGB VII entfällt bei vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalls; der Vorsatz muß sich auch auf den schädlichen Erfolg erstrecken. 13. a) Die sprachliche Neufassung des Ausnahmetatbestandes bei sog. Wegeunfällen i. S. von § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII hat nicht nur zu vom Gesetzgeber weitgehend unbemerkten inhaltlichen Änderungen geführt. Sie erweist sich auch als mißverständnisträchtig. Die Tragweite dieses Ausnahmetatbestandes erschließt sich erst unter Beachtung des Zusammenspiels von § 8 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII. Wege, die die Merkmale von § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII erfüllen, werden mit der Folge der Haftungsfreistellung von § 8 Abs. 1 SGB VII erfaßt, wenn sie in die betriebliche Risikosphäre fallen. Nach diesen Grundsätzen sind nicht nur Betriebswege umfassend von der Haftungsfreistellung erfaßt, sondern sie greift weiterhin auch in Fällen des betrieblich organisierten Werkverkehrs ein. b) Im Schulbereich gilt, daß sich schulspezifische Risiken, die einen Haftungsausschluß zur Folge haben, auch außerhalb des Schulgeländes realisieren können. Von den sich aus der Neufassung des Ausnahmetatbestandes ergebenden Änderungen sind die §§ 46 Abs. 2 BeamtVG, 91 a SVG unberührt geblieben. Im Rahmen von § 104 SGB VII ist der Unternehmerbegriff einschränkend dahingehend zu interpretieren, daß der Unternehmer als Unternehmer gehandelt haben muß.

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14 Lepa

Sachverzeichnis Absicherung des Unternehmerprivilegs s. Finanzierungsargument Amtshaftung 88 Analogie 86 f., 111, 116, 118 f., 160, 164 f. Arbeiterleihverhältnis s. Leiharbeitsverhältnis Arbeitnehmerüberlassung s. Leiharbeitsverhältnis Arbeitsgemeinschaft 33, 124, 128, 154, 157 ff. Arbeitsrechtliche Schutzpflicht 100, 175 Arbeitsunfall 27 f., 30 ff., 34 ff., 53, 59 ff., 69, 73, 85, 91, 162, 169 ff., 178 ff., 185 f. Ausnahmen von der Haftungsbefreiung 26 ff., 39 f., 86 f., 89, 97, 161 ff. Außenhaftung des Arbeitnehmers 50, 144

Betriebsfrieden 25, 34, 36, 43 ff., 49, 54, 64, 79, 82, 96 f., 103, 105, 125, 127, 131, 139, 141, 143 Betriebsgemeinschaft 31, 44, 48, s. auch Gefahrengemeinschaft Betriebsrisiko 49, 101 f., 148 Betriebssport 59 f. Betriebsstätte 123 f. – gemeinsame s. Gemeinsame Betriebsstätte Betriebsversicherung 26 Betriebsweg 137 f., 166, 171, 181, 186 f. Be- und Entladen von Fahrzeugen 65 ff., 128 f. Bindungswirkung 73 Blutspender 77 f.

Beamte 27, 41, 57, 83 ff., 118 f., 168 f., 182 Behinderung (Art. 3 Abs. 3 GG) 120 Beitragsausgleichsverfahren 46, 170, 179 Beitragsbemessung 46, 170 Berufsgenossenschaft 23, 46 f., 69 f., 72 f., 93 f., 126, 139, 170 Berufskrankheit 162, 170 Beschaffung von Erfrischungen 61 Beschränkung des Haftungsausschlusses s. Ausnahmen von der Haftungsbefreiung Betrieb 78 ff., 113 f., 116, 123, 180 Betrieblich veranlaßte Tätigkeit 49, 62 f. Betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen 59 f. Betriebliche Tätigkeit 40, 55 ff., 59 ff., 62 f., 91, 153, 155, 165, 167, 183 ff., 187 f. Betriebsangehörigkeit 40, 43 f., 48 f., 52 ff., 64, 117 ff., 160, 166, 168 Betriebsausflug s. Betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen Betriebsfest s. Betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen Betriebsfremde 43 ff., 48, 53 f., 65 f.

Dienstunfall 27 f., 83 ff., 118, 168 f. Direktionsbefugnis s. Weisungsbefugnis Diskriminierungsverbot, absolutes 120 f. Doppelter Versicherungsschutz 65 ff. Eigentumsgarantie 36 f., 108 ff., 121 Eingliederung 53, 58, 66, 70 Entsperrung des Haftungsausschlusses s. Ausnahmen von der Haftungsbefreiung Erfüllungsgehilfe 150 f., 156 Erwerbsminderung 104, 106 ErwZulG 26 ff., 87, 89, 166 ff., 181 f. Exkulpation des Geschäftsherrn 68, 150 f. Familienangehörige 56, 111 Finanzierung der Unfallversicherung 46 f., 50 Finanzierungsargument 25, 44 ff., 63, 80, 82, 84, 93, 95, 125 f., 130 f., 139, 143, 145 f., 161, 184 Freistellungsanspruch des Arbeitnehmers 29 ff., 44, 46, 50, 79 f., 82 Fremdlast 107

Sachverzeichnis Friedensargument s. Betriebsfrieden Fürsorgepflicht s. arbeitsrechtliche Schutzpflicht Gefälligkeitshandlung 56 Gefahrengemeinschaft 44, 48 f., 53 f., 82, 84, 96, 116, 121, 131 f., 134 ff., 139 ff., 143, 159 f. Gefahrgeneigte Arbeit 29 ff., 49 Gemeinsame Betriebsstätte 42, 67 f., 81, 115 f., 122 ff. – Absprachen 133 f. – Auffangfunktion 153 ff. – dauernde Zusammenarbeit 134 f. – Straßenverkehr 137 f. – Unternehmer als Geschädigter 151 f. – Unternehmer als Schädiger 138 ff. – zeitlich aufeinanderfolgendes Handeln 135 ff. Geschäftsherr 68, 149 ff. Gesellschaft bürgerlichen Rechts 158 f. Gestörte Gesamtschuld 144 ff. Gleichheitssatz, allgemeiner 35 f., 43 ff., 52 f., 57, 95, 104 ff. – neue Formel 36, 104 – Willkürformel 35, 104 Haftpflichtversicherungsfunktion der Unfallversicherung 47, 51, 59, 75, 86, 139, 143, 185 Haftungsbeschränkung im Arbeitsverhältnis 29 ff., 49 f., 62 f., 96, 99 ff., 144, 147 ff. Haftungsbeschränkung im öffentlichen Dienst 86, 88 Haftungsersetzung durch Versicherungsschutz 24 f., 83, 93, 95, 120, 125, 129, 139, 143, 178 Halterhaftung 68, 140 Handlungsfreiheit, allgemeine 36 Handlungstendenz 69, 76 Hilfe bei Unglücksfällen 76, 138, 159 f. Immaterieller Schaden s. Schmerzensgeld Jahresarbeitsverdienst 41, 95, 97, 105 f., 108 Kindergartenkinder 38, 41, 75, 112 Körperliche Reinigung 61 14*

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Körperliche Unversehrheit, Recht auf 110 f., 121 Kollektivausgleich 25, 83 Kongruenz 98 Konkurrenzregelungen (Versicherungstatbestände) 69 ff., 76 f., 155 Kurzfristige Hilfeleistung 65 ff. Leiharbeitsverhältnis 33, 39, 154 ff. Liquiditätsargument 25, 36, 47, 106 Mehrseitige Beschäftigungsverhältnisse 63, 72, 83, 153 ff. Mehr-Unternehmer-Theorie 72 Minderung der Erwerbsfähigkeit s. Erwerbsminderung Mindestjahresarbeitsverdienst 41, 97, 104 ff., 107 f., 110 Mitunternehmer 92 Mitverschulden 36, 46, 102 f., 105, 148 Nachlässe s. Beitragsausgleichsverfahren Naturalleistungen 97 Neckerei s. Spielerei Normkonkurrenz 89 ff. Nothilfe 76 Öffentlicher Dienst s. Beamte Organisation der Unfallversicherung 23, 46 f. Organisationsverschulden 68, 150 f. Organspender 77 Outsourcing 127 Personenversicherung 26 Pflegebedürftige 39, 41, 119 ff. Pflegepersonen 39, 41, 119 ff. Pflichtversicherung 100, 148 Regreß 24, 40, 74, 85 f., 88 f., 91, 98, 144, 146, 161 ff. Rehabilitanden 77 Rehabilitationsträger 77 Reichshaftpflichtgesetz 20 ff. Rettungsunternehmen 159 f. Reziprozitätsgedanke 136 f., 142, 160 f. Richter 84 Richterrecht 99 Rückgriff s. Regreß

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Sachverzeichnis

Schadensberechnung – abstrakte 98 – konkrete 104 Schadensspitze 24 Schlägerei 165 Schmerzensgeld 34 ff., 60, 66, 68, 74, 78, 95 f., 98, 106, 146, 149, 151 Schüler 38, 41, 75, 112 ff., 165, 172 f., 180, 182 ff. Schülertransport 172 f., 183 Schulfrieden 115 ff. Schulunfälle 38, 112 ff., 165, 182 ff. Schulweg 183 f. Schutzbedürfnis – des Geschädigten 59, 62, 143 – des Schädigers 49 ff., 59 ff., 82, 84, 96, 106 f., 115, 121, 129, 131, 135 f., 143, 153, 161, 181 f. Schutzpflicht, verfassungsrechtliche 110 f. Schutzprinzip, soziales 25, 178 Soziale Haftpflichtversicherungsfunktion 51, 59 Sozialstaatsprinzip 36, 51 f. Spielerei 60, 165 Staatshaftung 88 Stammbetrieb 33, 58, 65 ff., 71 ff., 125, 129, 153 ff. Strafverfolger 77 Studenten 38, 41, 75, 112 Subunternehmervertrag 156 Teilnahme am allgemeinen Verkehr 26 ff., 40, 89, 165 ff., 180 ff. Teleologische Reduktion 93 f. Trennungsprinzip 100 Trunkenheit 61 f. Unechte Unfallversicherung 38 f., 41, 112 ff., 119 ff. Unfallbetrieb 45, 52 f., 58, 65 ff., 72, 74, 155, 157, 180 Unfallfürsorge, beamtenrechtliche 41, 83 f., 118

Unfallverhütungsvorschriften 165 Unfallversicherungsgesetz 23 ff. Unfallversicherungsträger s. Berufsgenossenschaft Unternehmen 78 ff., 112 ff., 116 ff. Unternehmensbesucher 75 f., 160 f. Unternehmer – Begriff 158 – einschränkende Interpretation 184 f. – nicht versicherter 41, 92, 97 ff., 151 f. – öffentlicher Dienst 181 – versicherter 92 ff., 142 f., 152 Unternehmerähnliche Person 111 Unterrichtsweg 180 Verfassungskonforme Auslegung 119, 122 Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 107, 110 Verletztengeld 95, 105 Verletztenrente 104 ff. Verrichtungsgehilfe 149 Versicherter Weg s. Wegeunfall Versicherungsfall s. Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit Versicherungsfreie Person 41, 57, 83 ff., 119, 152 Vorsatz 23 f., 33, 39 f., 89, 161 ff. Wegeunfall 27 f., 39 f., 86 f., 89, 165 f., 170 ff. – betrieblich organisierter Weg 172 ff. – rechtliche Entwicklung 177 Wegfall des Haftungsausschlusses s. Ausnahmen von der Haftungsbefreiung Weisungsbefugnis 52, 155 f., 158, 160 Werkverkehr 168, 172 ff. WFVG 27 f. „Wie“-Beschäftigung 53 ff., 64 ff., 119, 160 Zeuge 78 Zivilschutzunternehmen 138, 159 f. Zuschläge s. Beitragsausgleichsverfahren Zuständigkeit der Versicherungsträger 69 ff.