Gutgläubig gelebte Statusverhältnisse: Vertrauensschutz im deutschen Namens-, Ehe- und Abstammungsrecht [1 ed.] 9783161618420, 9783161618437, 3161618424

Jan Ole Flindt befasst sich mit Fallkonstellationen, in denen ein rechtlich unzutreffender Name tatsächlich geführt oder

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Gutgläubig gelebte Statusverhältnisse: Vertrauensschutz im deutschen Namens-, Ehe- und Abstammungsrecht [1 ed.]
 9783161618420, 9783161618437, 3161618424

Table of contents :
Cover
Titel
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Erster Teil: Einführung
Einleitung
§ 1: Gegenstand der Untersuchung
I. Problemaufriss
II. Exemplifizierung
§ 2: Thematische Eingrenzung
I. Vorgelagerte kollisionsrechtliche Weichenstellungen
II. Verfahrensrechtliche Anerkennung von statusrelevanten Entscheidungen
1. Ausländische Adoptionsentscheide
2. Verfahrensrechtliche Anerkennung im Übrigen
3. Zwischensumme
III. Unionsrechtliches Anerkennungsprinzip
IV. Änderung und Beendigung von Statusverhältnissen
V. Rechtsvergleichende Betrachtung
§ 3: Gang der Untersuchung
Zweiter Teil: Grundlagen
§ 4: Familienrechtlicher Status und Personenstandsrecht
I. Status als familienrechtlicher Begriff
1. Status, Statusverhältnis und Personenstand
2. Funktionen und Wesensmerkmale
a) Totalität und Statusintentionalität
b) Statusklarheit und Statuswahrheit
c) Statusbeständigkeit
II. Status als Regelungssystem
1. Anknüpfen von Rechtsfolgen
2. Strenge Formalisierung und restriktives Abschlussmängelrecht
III. Einzelne Status im Überblick
1. Ehe und eingetragene Lebenspartnerschaft
2. Eltern-Kind-Zuordnung
3. Name als Status?
4. Weitere Status
IV. Sozial-gesellschaftliche Bedeutung des Status
V. Resümierender Ausblick
§ 5: Der Gedanke des Vertrauensschutzes
I. Vertrauen als ubiquitäres Phänomen
II. Vertrauen als Rechtsbegriff
III. Der Vertrauensschutzgedanke im geltenden Recht
1. Verfassungsrecht
2. Verwaltungsrecht
3. Privatrecht
4. Familienrechtlicher Vertrauensschutz
IV. Verallgemeinerbares Grundgerüst
1. Ein allgemeiner Tatbestand
a) Objektive Vertrauensgrundlage
b) Gutgläubige Vertrauensbetätigung
c) Interessenabwägung
2. Die Rechtsfolgenseite
a) Wahlrecht
b) Die Zweispurigkeit des Vertrauensschutzes
3. Der Grundsatz der Subsidiarität
4. Vorbehalte
V. Bedeutung für die weitere Untersuchung
Dritter Teil: Der Vertrauensschutzgedanke im statusorientierten Recht
Einleitung
§ 6: Name
I. Begrifflichkeiten
II. Fallgruppenbildung
1. Der registrierte faktische Name
2. Der nicht registrierte faktische Name
3. Der zunächst gesetzliche und später (nur noch) faktische (registrierte) Name
4. Der vertauschte und registrierte Name
III. Ein Blick zurück: Die Entwicklung des Namens(rechts)
1. Historische Bedeutung und Funktion des Namens
2. Schritte der Verrechtlichung: Von staatlichen Ordnungsinteressen zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht
3. Der Aufstieg des Vertrauensschutzgedankens
a) Zögerliche Schritte des Bundesgerichtshofs
b) Entwicklung auf verfassungsrechtlicher Ebene
aa) Der Grundsatz der Namenskontinuität
bb) Erstreckung des Grundsatzes auf die faktische Namensführung
IV. Der gutgläubig geführte Name
1. Tatbestandsvoraussetzungen im Einzelnen
a) Umstandsmoment
aa) Abweichung vom gesetzlichen Namen
bb) Der zunächst gemäß der gesetzlichen Zuweisung erworbene Name
(1) Wegfall ex tunc
(2) Wegfall ex nunc
cc) Behördlich veranlasster Rechtsschein
(1) Rechtsprechung
(2) Literatur
(3) Stellungnahme
dd) Identitätsbildung
(1) Allgemeine Bewertungskriterien
(2) Identitätsbildung bei Kindern
ee) Zusammenfassung
b) Zeitmoment
aa) Literatur
bb) Rechtsprechung
cc) Stellungnahme
c) Schutzwürdigkeit
aa) Gutgläubigkeit
(1) Allgemeine Maßstäbe
(2) Einfluss des Umstandsmoments
(3) Einfluss des Zeitelements
(4) Zurechnung
(5) Zusammenfassung
bb) Interessenabwägung
(1) Bedeutung des Zeitelements
(2) Bedeutung des Umstandsmoments
(3) Staatliches Identifikationsinteresse und Zuordnungsinteresse
(4) Beseitigungsfolgekosten
(5) Andere namensführende Personen
(6) Zusammenfassung und Klassifizierung
d) Zusammenfassung: Voraussetzungen für Vertrauensschutz
2. Rechtsfolge
3. Lösung der Fallbeispiele
V. Ausblick
1. Kodifizierung der Namensersitzung
2. Freie Namenswahl
§ 7: Ehe
I. Grundlagen und Begrifflichkeiten
II. Vertrauensschutz und die aufhebbare Ehe
III. Fallgruppen und Problemaufriss
1. Die Eheschließung im Inland vor einer nicht ordnungsgemäß ermächtigten Person i.S. des Art. 13 Abs. 4 Satz 2 EGBGB
a) Regelungshintergrund
b) Problemsensible Tatbestandsvoraussetzungen
aa) Staatsangehörigkeit
bb) Ordnungsgemäße Ermächtigung
c) Exemplarische Problemfälle
aa) Militärgeistliche
bb) Sogenannte Wiedertürkenfälle
cc) Sogenannte Griechenehen
d) Zwischensumme und Reformbestrebungen
2. Die inländische Nichtehe ohne Auslandsbezug
a) Rein religiöse Eheschließung
b) Eheschließung vor einem Scheinstandesbeamten
c) Eheschließung mit einer unter sechzehnjährigen Person
d) Formwidrige Eheschließungserklärungen
3. Die formunwirksame Auslandseheschließung
4. Die nicht anerkannte Auslandsehe
IV. Die gutgläubig gelebte Nichtehe
1. Gesetzlich geregelte Heilungsmöglichkeiten
a) Der Scheinstandesbeamte des § 1310 Abs. 2 BGB
b) Heilung gemäß § 1310 Abs. 3 BGB
aa) Entstehungsgeschichte und ratio legis
bb) Internationalprivatrechtlicher Anwendungsbereich
cc) Voraussetzungen
(1) Konsenserklärung
(2) Personenstandsrelevante Handlung eines Standesbeamten
(3) Miteinanderleben als Ehegatten innerhalb einer Wartefrist
dd) Zusammenfassende Stellungnahme
c) Heilung gemäß Art. 229 § 44 Abs. 4 Nr. 2 EGBGB
d) Zwischensumme
2. Ungeschriebene Abhilfemöglichkeiten auf sekundärer Ebene
a) Korrektur im Recht der (anderen) Statusverhältnisse
b) Ergebnisorientierte Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts
aa) Sozialrechtlicher Ehebegriff und das Bundesverfassungsgericht
(1) Die Witwenrentenentscheidung des Bundesverfassungsgerichts
(2) Der Witwenbegriff des Sozialrechts
bb) Strafprozessualer Ehegattenbegriff
cc) Bürgerlich-rechtliche Scheidungsfolgen
(1) Übertragbarkeit der Witwenrentenentscheidung
(2) Analoge Anwendung von § 1318 Abs. 2 BGB
(3) Andere zivilrechtliche Behelfskonstruktionen
dd) Zwischensumme
3. Ungeschriebene Heilung mit Statusfolge
a) Rechtsentwicklung vor der Kodifizierung
aa) Rechtsprechung
(1) Verwaltungsgericht Berlin 1954
(2) Oberlandesgericht Hamburg 1980
(3) Oberlandesgericht Köln 1993
(4) Bundesgerichtshof 1978
bb) Die ungeschriebene Heilung in der Literatur
b) Rechtsentwicklung im Anschluss an die Kodifizierung
aa) Die Griechenehe-Entscheidung des IX. Zivilsenats 2003
bb) Instanzgerichtliche Rechtsprechung
(1) Amtsgericht Hannover 2002
(2) Oberlandesgericht Frankfurt 2014 und die „Sterbebuchfälle“
(3) Amtsgericht Groß-Gerau 2017
(4) Oberlandesgericht Nürnberg 2020
cc) Die ungeschriebene Heilung in der Literatur
(1) Restriktiver Ansatz
(2) Liberaler Ansatz
dd) Stellungnahme
V. Fazit und Ausblick
§ 8: Rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung
I. Grundlagen und Begriffsbestimmungen
1. Abstammung
2. Vater, Mutter, Elternschaft
II. Überblick und Gang der Untersuchung: Die unterschiedlichen Fallkonstellationen
1. Unbewusst unwirksame Etablierung rechtlicher Elternschaft
a) Unwirksame Vaterschaftsanerkennung
b) Folgewirkungen fehlerhafter Ehen der Eltern
c) Vertauschte Kinder
2. Bewusst unwirksame Etablierung rechtlicher Elternschaft
a) Falsche Identität
b) Fälschung des Geburtenregisters
3. Hinkende Eltern-Kind-Zuordnung
III. Bereits beschrittene Lösungswege
1. Fälschung des Geburtenregisters
a) Problemaufriss und Interessenlage
b) Unterhaltsansprüche des Kindes gegen die faktischen Eltern
aa) Vertrag zwischen faktischem Elternteil und Kind
bb) Unterhaltsrechtlicher Vertrag zugunsten des Kindes gemäß § 328 BGB
(1) Dogmatische Grundlegung
(2) Der Vertragsschluss im Deckungsverhältnis
(3) Die Vertragsschließenden
(4) Formerfordernis
(5) Anpassung gemäß § 313 BGB
(6) Übereinstimmende Vertragsaufhebung
(7) Ausschluss des Unterhalts wegen grober Verfehlung des Kindes
(8) Sonstige Anspruchsvereitelung
(9) Kritische Zusammenfassung
c) Unterhaltsansprüche der faktischen Eltern gegen das Kind
d) Erbrechtliche Ansprüche des Kindes
e) Anspruch auf Waisenrente
f) Wertendes Ergebnis
2. Unwirksame Ehe der faktischen Eltern
a) Problemaufriss und Interessenlage
b) Heilung im Status durch Zeitablauf
aa) Die Heilungsvorschrift des § 1598 Abs. 2 BGB
bb) Analoge Anwendung
c) Begründung des Status
aa) Anerkennung der Vaterschaft
(1) Fehlender Konsens
(2) Fehlende genetische Verbindung
bb) Vaterschaftsfeststellungsverfahren
cc) Zwischenergebnis
d) Rechtsfolgenorientierte Lösung
aa) Ansprüche des Kindes
bb) Ansprüche des faktischen Vaters
e) Zusammenfassendes Ergebnis
3. Versagte Anerkennung der Adoption im Inland
a) Problemaufriss und Interessenlage
b) Heilung im Status
c) Begründung des Status
d) Rechtsfolgenorientierte Lösungen
e) Zusammenfassendes Ergebnis
4. Vertauschte Kinder
a) Problemaufriss und Interessenlage
b) Konsensualer Rücktausch
aa) Kindesinteresse
(1) Pflegeverhältnis i.S. des § 1632 Abs. 4 BGB
(2) Kindeswohlgefährdung
(3) Umgang des Kindes
bb) Monetäre Rückabwicklung
cc) Zwischenergebnis
c) Übereinstimmende Erhaltung des status quo
aa) Adoptionsverfahren
bb) Einvernehmliche Vaterschaftszuordnung
d) Konflikthafte Konstellationen
aa) Rücktausch als Regelfall
bb) Verbleib des Kindes in der faktischen Familie als Ausnahme
cc) Bewertung
e) Erbrechtliche Fragestellungen
aa) Gewillkürte Erbfolge
bb) Gesetzliche Erbfolge
f) Zusammenfassende Bewertung
IV. Kategorisierung der Lösungsansätze
1. Statusbezogene Lösungen
2. Rechtsfolgenorientierte Lösungen
V. Zusammenfassendes Fazit und Ausblick
1. Lösung im Recht der Eltern-Kind-Zuordnung
2. Voraussetzungen für den Schutz faktischer Eltern-Kind-Verhältnisse
a) Verursachungsbeitrag
b) Schutzwürdigkeit
c) Zeitelement
d) Gegenläufige Interessen
§ 9: Übergreifende Betrachtung
I. Gesetzliche Heilungstatbestände
II. Sekundäre Korrekturmechanismen
III. Ungeschriebene Heilung
IV. Ausblick
Vierter Teil: Eine Lehre vom faktischen Status
Einleitung
§ 10: Besser Heilung im Status als Ausgleich im Statusverhältnis
I. Verfassungs- und konventionsrechtlicher Ausgangspunkt
1. Verfassungsrecht
2. Europäische Menschenrechtskonvention
3. Zwischenergebnis
II. Unzureichende Alternativen zur Heilung
III. Vereinbarkeit der Heilung mit dem „Regelungssystem Status“
IV. Schutz faktischer Beziehung als Entwicklungstrend
V. Zwischensumme
§ 11: Konkretisierung des Heilungsansatzes
I. Methodischer Ausgangspunkt
II. Konkretisierung der Heilungsvoraussetzungen
1. Materiell-rechtliche Implikationen
a) Privatautonomie und Statusintentionalität
b) Wahrung der Formzwecke, insbesondere des § 1310 Abs. 1 BGB
c) Exklusivität des Status
d) Verhältnis zur gesetzlichen Rechtslage und Statuserkennbarkeit
e) Weitere Missbrauchsgefahren
f) Zusammenfassung: Übertragbarkeit der namensrechtlichen Heilungsvoraussetzungen de lege lata und de lege ferenda
2. Konkrete Voraussetzungen
a) Objektive Vertrauensgrundlage
b) Gutgläubigkeit
c) Interessenabwägung
aa) Zeitablauf
bb) Weitere Abwägungsbelange
d) Wahlrecht
e) Härtefallklausel
III. Methodische Zulässigkeit und Regulierungsvorschlag
1. Methodische Zulässigkeit und Grenzen nach geltendem Recht
2. Vision: Ersitzung eines Personenstands de lege ferenda
IV. Weiterführende Überlegungen
Fünfter Teil: Schluss
§ 12: Zusammenfassendes Resümee
§ 13: Lösung der einleitenden Beispielsfälle
Literaturverzeichnis
Sachverzeichnis

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Studien zum Privatrecht Band 109

Jan Ole Flindt

Gutgläubig gelebte Statusverhältnisse Vertrauensschutz im deutschen Namens-, Ehe- und Abstammungsrecht

Mohr Siebeck

Jan Ole Flindt, geboren 1989; Studium der Rechtswissenschaften in Freiburg i. Brsg. und Göttingen; 2015 Erste juristische Prüfung; 2018 Zweite juristische Prüfung; Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Potsdam; 2022 Promotion (Marburg); Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung der Universität Marburg.

Zugl.: Marburg, Univ., FB Rechtswissenschaften, Diss., 2022. ISBN 978-3-16-161842-0 / eISBN 978-3-16-161843-7 DOI 10.1628/978-3-16-161843-7 ISSN 1867-4275 / eISSN 2568-728X (Studien zum Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2022 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und gebunden. Printed in Germany.

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde vom Fachbereich Rechtswissenschaften der Philipps-Universität Marburg im Sommersemester 2022 als Dissertation angenommen und befindet sich auf dem Stand von Anfang September 2022. Sie ist in einer Zeit entstanden, in der Bibliotheken geschlossen bzw. erheblich zugangsbeschränkt waren und der Hochschulbetrieb für mehrere Semester weitgehend in einem digitalen Raum stattfinden musste. Umstände, die ich mir zu Beginn meiner akademischen Ausbildung kaum vorstellen konnte. Der uneingeschränkte Zugang zu Bildung und Wissen und der offene und direkte Austausch darüber waren für mich immer eine Selbstverständlichkeit: Ein Privileg, das ich heute mehr denn je zu schätzen weiß. Großer Dank gebührt meinem Doktorvater Prof. Dr. Tobias Helms für die großartige Unterstützung, die ich von ihm bei der Anfertigung meiner Dissertationsschrift erfahren habe. Ohne die vielen Diskussionen und kritischen Anregungen hätte die Arbeit sicherlich an Qualität eingebüßt. Danken möchte ich ferner Frau Prof. Dr. Christine Budzikiewicz für ihr gewinnbringendes Feedback und die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Zudem danke ich der Juristischen Fakultät Potsdam und Herrn Prof. Dr. Meik Thöne (M. Jur.), an dessen Juniorprofessur ich promotionsbegleitend tätig war. Ein sicherer Halt war mir in fachlicher wie persönlicher Hinsicht mein Potsdamer Kollege Johannes Schroth, der mir nicht nur ein verlässlicher Kollege war, sondern ein wertvoller Freund geworden ist. Er hat sich mühsam durch alle meine Zeilen gearbeitet – ich wüsste nicht, ob ich auf seinen guten Rat hätte verzichten können. Die Möglichkeit, überhaupt ein Hochschulstudium zu absolvieren, verdanke ich nicht zuletzt der unermüdlichen und bedingungslosen Unterstützung meiner Eltern, Renate Flindt und Olaf Gatermann. Helena Grieser hat mich mit ihrem großen Herzen und ihrer bewundernswerten Gelassenheit auf meinem Weg mitunter sehr selbstlos begleitet. Hamburg/Marburg, im September 2022

Jan Ole Flindt

Inhaltsverzeichnis Erster Teil: Einführung ........................................................................... 1 Einleitung ...................................................................................................... 3 § 1 Gegenstand der Untersuchung ................................................................ 5 I. Problemaufriss ........................................................................................ 5 II. Exemplifizierung .................................................................................... 7 § 2 Thematische Eingrenzung ......................................................................14 I. Vorgelagerte kollisionsrechtliche Weichenstellungen ............................14 II. Verfahrensrechtliche Anerkennung von statusrelevanten Entscheidungen ......................................................................................18 1. Ausländische Adoptionsentscheide ....................................................18 2. Verfahrensrechtliche Anerkennung im Übrigen .................................21 3. Zwischensumme ................................................................................22 III. Unionsrechtliches Anerkennungsprinzip ................................................23 IV. Änderung und Beendigung von Statusverhältnissen ...............................28 V. Rechtsvergleichende Betrachtung ..........................................................29 § 3 Gang der Untersuchung .........................................................................31

Zweiter Teil: Grundlagen ......................................................................33 § 4 Familienrechtlicher Status und Personenstandsrecht .............................35 I.

Status als familienrechtlicher Begriff .....................................................37 1. Status, Statusverhältnis und Personenstand ........................................37 2. Funktionen und Wesensmerkmale .....................................................39 a) Totalität und Statusintentionalität ..................................................39 b) Statusklarheit und Statuswahrheit ..................................................40

VIII

Inhaltsverzeichnis

c) Statusbeständigkeit ........................................................................41 II. Status als Regelungssystem ....................................................................42 1. Anknüpfen von Rechtsfolgen .............................................................42 2. Strenge Formalisierung und restriktives Abschlussmängelrecht .........44 III. Einzelne Status im Überblick .................................................................44 1. Ehe und eingetragene Lebenspartnerschaft.........................................45 2. Eltern-Kind-Zuordnung ......................................................................47 3. Name als Status? ................................................................................49 4. Weitere Status ....................................................................................50 IV. Sozial-gesellschaftliche Bedeutung des Status .......................................51 V. Resümierender Ausblick ........................................................................52 § 5 Der Gedanke des Vertrauensschutzes.....................................................53 I. Vertrauen als ubiquitäres Phänomen ......................................................54 II. Vertrauen als Rechtsbegriff ....................................................................55 III. Der Vertrauensschutzgedanke im geltenden Recht .................................57 1. Verfassungsrecht ...............................................................................58 2. Verwaltungsrecht ...............................................................................59 3. Privatrecht .........................................................................................61 4. Familienrechtlicher Vertrauensschutz ................................................62 IV. Verallgemeinerbares Grundgerüst ..........................................................63 1. Ein allgemeiner Tatbestand ................................................................63 a) Objektive Vertrauensgrundlage .....................................................64 b) Gutgläubige Vertrauensbetätigung ................................................64 c) Interessenabwägung ......................................................................65 2. Die Rechtsfolgenseite ........................................................................66 a) Wahlrecht ......................................................................................67 b) Die Zweispurigkeit des Vertrauensschutzes...................................67 3. Der Grundsatz der Subsidiarität .........................................................68 4. Vorbehalte .........................................................................................69 V. Bedeutung für die weitere Untersuchung ...............................................70

Dritter Teil: Der Vertrauensschutzgedanke im statusorientierten Recht .........................................................................73 Einleitung .....................................................................................................75 § 6 Name......................................................................................................77 I. Begrifflichkeiten ....................................................................................78 II. Fallgruppenbildung ................................................................................79 1. Der registrierte faktische Name .........................................................79

Inhaltsverzeichnis

IX

2. Der nicht registrierte faktische Name .................................................81 3. Der zunächst gesetzliche und später (nur noch) faktische (registrierte) Name..............................................................83 4. Der vertauschte und registrierte Name ...............................................85 III. Ein Blick zurück: Die Entwicklung des Namens(rechts) ........................86 1. Historische Bedeutung und Funktion des Namens .............................87 2. Schritte der Verrechtlichung: Von staatlichen Ordnungsinteressen zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht ...............92 3. Der Aufstieg des Vertrauensschutzgedankens ....................................99 a) Zögerliche Schritte des Bundesgerichtshofs ..................................99 b) Entwicklung auf verfassungsrechtlicher Ebene ............................101 aa) Der Grundsatz der Namenskontinuität ..................................101 bb) Erstreckung des Grundsatzes auf die faktische Namensführung .................................................................... 102 IV. Der gutgläubig geführte Name .............................................................105 1. Tatbestandsvoraussetzungen im Einzelnen ......................................106 a) Umstandsmoment ........................................................................106 aa) Abweichung vom gesetzlichen Namen ..................................106 bb) Der zunächst gemäß der gesetzlichen Zuweisung erworbene Name ...................................................................107 (1) Wegfall ex tunc ...............................................................107 (2) Wegfall ex nunc ..............................................................107 cc) Behördlich veranlasster Rechtsschein ...................................109 (1) Rechtsprechung ...............................................................110 (2) Literatur ..........................................................................111 (3) Stellungnahme .................................................................112 dd) Identitätsbildung ...................................................................114 (1) Allgemeine Bewertungskriterien .....................................114 (2) Identitätsbildung bei Kindern ..........................................115 ee) Zusammenfassung.................................................................118 b) Zeitmoment .................................................................................119 aa) Literatur ................................................................................119 bb) Rechtsprechung .....................................................................120 cc) Stellungnahme ......................................................................122 c) Schutzwürdigkeit.........................................................................126 aa) Gutgläubigkeit ......................................................................126 (1) Allgemeine Maßstäbe ......................................................126 (2) Einfluss des Umstandsmoments.......................................129 (3) Einfluss des Zeitelements ................................................131 (4) Zurechnung .....................................................................131 (5) Zusammenfassung ...........................................................133 bb) Interessenabwägung ..............................................................134 (1) Bedeutung des Zeitelements ............................................134

X

Inhaltsverzeichnis

(2) Bedeutung des Umstandsmoments...................................135 (3) Staatliches Identifikationsinteresse und Zuordnungsinteresse ........................................................136 (4) Beseitigungsfolgekosten ..................................................137 (5) Andere namensführende Personen ...................................138 (6) Zusammenfassung und Klassifizierung............................140 d) Zusammenfassung: Voraussetzungen für Vertrauensschutz .........141 2. Rechtsfolge ......................................................................................142 3. Lösung der Fallbeispiele ..................................................................144 V. Ausblick...............................................................................................145 1. Kodifizierung der Namensersitzung .................................................146 2. Freie Namenswahl ...........................................................................147 § 7 Ehe.......................................................................................................149 I. Grundlagen und Begrifflichkeiten ........................................................150 II. Vertrauensschutz und die aufhebbare Ehe ............................................151 III. Fallgruppen und Problemaufriss...........................................................156 1. Die Eheschließung im Inland vor einer nicht ordnungsgemäß ermächtigten Person i.S. des Art. 13 Abs. 4 Satz 2 EGBGB ............157 a) Regelungshintergrund..................................................................157 b) Problemsensible Tatbestandsvoraussetzungen .............................158 aa) Staatsangehörigkeit ...............................................................158 bb) Ordnungsgemäße Ermächtigung ...........................................158 c) Exemplarische Problemfälle ........................................................160 aa) Militärgeistliche ....................................................................160 bb) Sogenannte Wiedertürkenfälle ..............................................161 cc) Sogenannte Griechenehen .....................................................162 d) Zwischensumme und Reformbestrebungen..................................163 2. Die inländische Nichtehe ohne Auslandsbezug ................................164 a) Rein religiöse Eheschließung ......................................................164 b) Eheschließung vor einem Scheinstandesbeamten.........................165 c) Eheschließung mit einer unter sechzehnjährigen Person ..............166 d) Formwidrige Eheschließungserklärungen ....................................166 3. Die formunwirksame Auslandseheschließung ..................................167 4. Die nicht anerkannte Auslandsehe ...................................................169 IV. Die gutgläubig gelebte Nichtehe ..........................................................171 1. Gesetzlich geregelte Heilungsmöglichkeiten....................................172 a) Der Scheinstandesbeamte des § 1310 Abs. 2 BGB ......................172 b) Heilung gemäß § 1310 Abs. 3 BGB .............................................173 aa) Entstehungsgeschichte und ratio legis ...................................174 bb) Internationalprivatrechtlicher Anwendungsbereich ...............176 cc) Voraussetzungen ...................................................................179

Inhaltsverzeichnis

XI

(1) Konsenserklärung ............................................................179 (2) Personenstandsrelevante Handlung eines Standesbeamten ...............................................................182 (3) Miteinanderleben als Ehegatten innerhalb einer Wartefrist ................................................................184 dd) Zusammenfassende Stellungnahme .......................................186 c) Heilung gemäß Art. 229 § 44 Abs. 4 Nr. 2 EGBGB ....................187 d) Zwischensumme ..........................................................................190 2. Ungeschriebene Abhilfemöglichkeiten auf sekundärer Ebene ..........190 a) Korrektur im Recht der (anderen) Statusverhältnisse ...................191 b) Ergebnisorientierte Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts .........................................................................192 aa) Sozialrechtlicher Ehebegriff und das Bundesverfassungsgericht .....................................................193 (1) Die Witwenrentenentscheidung des Bundesverfassungsgerichts ..............................................193 (2) Der Witwenbegriff des Sozialrechts ................................197 bb) Strafprozessualer Ehegattenbegriff........................................198 cc) Bürgerlich-rechtliche Scheidungsfolgen................................199 (1) Übertragbarkeit der Witwenrentenentscheidung ..............200 (2) Analoge Anwendung von § 1318 Abs. 2 BGB .................201 (3) Andere zivilrechtliche Behelfskonstruktionen .................203 dd) Zwischensumme ...................................................................206 3. Ungeschriebene Heilung mit Statusfolge .........................................207 a) Rechtsentwicklung vor der Kodifizierung ...................................207 aa) Rechtsprechung.....................................................................208 (1) Verwaltungsgericht Berlin 1954 ......................................209 (2) Oberlandesgericht Hamburg 1980 ...................................210 (3) Oberlandesgericht Köln 1993 ..........................................211 (4) Bundesgerichtshof 1978 ..................................................211 bb) Die ungeschriebene Heilung in der Literatur .........................212 b) Rechtsentwicklung im Anschluss an die Kodifizierung ...............214 aa) Die Griechenehe-Entscheidung des IX. Zivilsenats 2003 ......215 bb) Instanzgerichtliche Rechtsprechung ......................................218 (1) Amtsgericht Hannover 2002 ............................................219 (2) Oberlandesgericht Frankfurt 2014 und die „Sterbebuchfälle“.......................................................220 (3) Amtsgericht Groß-Gerau 2017 ........................................221 (4) Oberlandesgericht Nürnberg 2020 ...................................222 cc) Die ungeschriebene Heilung in der Literatur .........................223 (1) Restriktiver Ansatz ..........................................................223 (2) Liberaler Ansatz ..............................................................223 dd) Stellungnahme ......................................................................225

XII

Inhaltsverzeichnis

V. Fazit und Ausblick ...............................................................................226 § 8 Rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung ......................................................229 I.

Grundlagen und Begriffsbestimmungen ...............................................229 1. Abstammung ...................................................................................229 2. Vater, Mutter, Elternschaft ..............................................................230 II. Überblick und Gang der Untersuchung: Die unterschiedlichen Fallkonstellationen ...............................................................................231 1. Unbewusst unwirksame Etablierung rechtlicher Elternschaft ...........232 a) Unwirksame Vaterschaftsanerkennung ........................................232 b) Folgewirkungen fehlerhafter Ehen der Eltern ..............................232 c) Vertauschte Kinder ......................................................................233 2. Bewusst unwirksame Etablierung rechtlicher Elternschaft ...............235 a) Falsche Identität ..........................................................................235 b) Fälschung des Geburtenregisters .................................................236 3. Hinkende Eltern-Kind-Zuordnung ...................................................237 III. Bereits beschrittene Lösungswege........................................................238 1. Fälschung des Geburtenregisters ......................................................238 a) Problemaufriss und Interessenlage ..............................................239 b) Unterhaltsansprüche des Kindes gegen die faktischen Eltern .......240 aa) Vertrag zwischen faktischem Elternteil und Kind .................241 bb) Unterhaltsrechtlicher Vertrag zugunsten des Kindes gemäß § 328 BGB .................................................................244 (1) Dogmatische Grundlegung ..............................................249 (2) Der Vertragsschluss im Deckungsverhältnis ....................254 (3) Die Vertragsschließenden ................................................259 (4) Formerfordernis...............................................................259 (5) Anpassung gemäß § 313 BGB .........................................261 (6) Übereinstimmende Vertragsaufhebung ............................265 (7) Ausschluss des Unterhalts wegen grober Verfehlung des Kindes .......................................................................268 (8) Sonstige Anspruchsvereitelung ........................................269 (9) Kritische Zusammenfassung ............................................270 c) Unterhaltsansprüche der faktischen Eltern gegen das Kind ..........271 d) Erbrechtliche Ansprüche des Kindes ...........................................275 e) Anspruch auf Waisenrente...........................................................279 f) Wertendes Ergebnis .....................................................................280 2. Unwirksame Ehe der faktischen Eltern ............................................282 a) Problemaufriss und Interessenlage ..............................................282 b) Heilung im Status durch Zeitablauf .............................................284 aa) Die Heilungsvorschrift des § 1598 Abs. 2 BGB ....................284 bb) Analoge Anwendung.............................................................286

Inhaltsverzeichnis

XIII

c) Begründung des Status ................................................................288 aa) Anerkennung der Vaterschaft ................................................288 (1) Fehlender Konsens ..........................................................289 (2) Fehlende genetische Verbindung .....................................290 bb) Vaterschaftsfeststellungsverfahren ........................................291 cc) Zwischenergebnis .................................................................292 d) Rechtsfolgenorientierte Lösung ...................................................292 aa) Ansprüche des Kindes ...........................................................292 bb) Ansprüche des faktischen Vaters...........................................293 e) Zusammenfassendes Ergebnis .....................................................294 3. Versagte Anerkennung der Adoption im Inland ...............................294 a) Problemaufriss und Interessenlage ..............................................294 b) Heilung im Status ........................................................................294 c) Begründung des Status ................................................................295 d) Rechtsfolgenorientierte Lösungen ...............................................295 e) Zusammenfassendes Ergebnis .....................................................296 4. Vertauschte Kinder ..........................................................................296 a) Problemaufriss und Interessenlage ..............................................296 b) Konsensualer Rücktausch ............................................................298 aa) Kindesinteresse .....................................................................298 (1) Pflegeverhältnis i.S. des § 1632 Abs. 4 BGB ...................299 (2) Kindeswohlgefährdung ....................................................299 (3) Umgang des Kindes .........................................................300 bb) Monetäre Rückabwicklung....................................................300 cc) Zwischenergebnis .................................................................302 c) Übereinstimmende Erhaltung des status quo ...............................302 aa) Adoptionsverfahren...............................................................302 bb) Einvernehmliche Vaterschaftszuordnung ..............................303 d) Konflikthafte Konstellationen .....................................................304 aa) Rücktausch als Regelfall .......................................................304 bb) Verbleib des Kindes in der faktischen Familie als Ausnahme ........................................................................305 cc) Bewertung.............................................................................306 e) Erbrechtliche Fragestellungen .....................................................307 aa) Gewillkürte Erbfolge ............................................................308 bb) Gesetzliche Erbfolge .............................................................308 f) Zusammenfassende Bewertung ...................................................309 IV. Kategorisierung der Lösungsansätze ....................................................310 1. Statusbezogene Lösungen ................................................................310 2. Rechtsfolgenorientierte Lösungen ....................................................311 V. Zusammenfassendes Fazit und Ausblick ..............................................311 1. Lösung im Recht der Eltern-Kind-Zuordnung ..................................312

XIV

Inhaltsverzeichnis

2. Voraussetzungen für den Schutz faktischer Eltern-Kind-Verhältnisse .................................................................314 a) Verursachungsbeitrag ..................................................................314 b) Schutzwürdigkeit.........................................................................315 c) Zeitelement .................................................................................315 d) Gegenläufige Interessen ..............................................................316 § 9 Übergreifende Betrachtung ..................................................................317 I. II. III. IV.

Gesetzliche Heilungstatbestände ..........................................................317 Sekundäre Korrekturmechanismen .......................................................318 Ungeschriebene Heilung ......................................................................319 Ausblick...............................................................................................320

Vierter Teil: Eine Lehre vom faktischen Status ............................323 Einleitung ...................................................................................................325 § 10 Besser Heilung im Status als Ausgleich im Statusverhältnis ...............326 I.

II. III. IV. V.

Verfassungs- und konventionsrechtlicher Ausgangspunkt ....................326 1. Verfassungsrecht .............................................................................326 2. Europäische Menschenrechtskonvention..........................................330 3. Zwischenergebnis ............................................................................331 Unzureichende Alternativen zur Heilung .............................................332 Vereinbarkeit der Heilung mit dem „Regelungssystem Status“ ............332 Schutz faktischer Beziehung als Entwicklungstrend .............................335 Zwischensumme ..................................................................................337

§ 11 Konkretisierung des Heilungsansatzes ................................................338 I. Methodischer Ausgangspunkt ..............................................................338 II. Konkretisierung der Heilungsvoraussetzungen .....................................340 1. Materiell-rechtliche Implikationen ...................................................340 a) Privatautonomie und Statusintentionalität ...................................340 b) Wahrung der Formzwecke, insbesondere des § 1310 Abs. 1 BGB ...............................................................342 c) Exklusivität des Status.................................................................347 d) Verhältnis zur gesetzlichen Rechtslage und Statuserkennbarkeit .....................................................................350 e) Weitere Missbrauchsgefahren......................................................352 f) Zusammenfassung: Übertragbarkeit der namensrechtlichen Heilungsvoraussetzungen de lege lata und de lege ferenda ..........353 2. Konkrete Voraussetzungen ..............................................................353

Inhaltsverzeichnis

XV

a) Objektive Vertrauensgrundlage ...................................................354 b) Gutgläubigkeit .............................................................................355 c) Interessenabwägung ....................................................................355 aa) Zeitablauf..............................................................................355 bb) Weitere Abwägungsbelange ..................................................356 d) Wahlrecht ....................................................................................357 e) Härtefallklausel ...........................................................................357 III. Methodische Zulässigkeit und Regulierungsvorschlag .........................357 1. Methodische Zulässigkeit und Grenzen nach geltendem Recht ........357 2. Vision: Ersitzung eines Personenstands de lege ferenda ..................358 IV. Weiterführende Überlegungen .............................................................359

Fünfter Teil: Schluss ............................................................................363 § 12 Zusammenfassendes Resümee .............................................................365 § 13 Lösung der einleitenden Beispielsfälle ................................................369

Literaturverzeichnis ....................................................................................373 Sachverzeichnis ..........................................................................................401

Erster Teil: Einführung

Einleitung „Der Buchstabe der Form tötet; nur der Geist, der hinter der Form wohnt, macht lebendig.“1 – Mit dieser anschaulichen Formulierung unterstreicht Hans Reichel bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts, dass Formzwecke keine Selbstzwecke darstellen und ein Formverstoß deshalb nicht stets und ausnahmslos die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts zur Folge haben kann. Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchung ist das festgestellte Bedürfnis, diese zu § 125 BGB herausgestellte Erkenntnis auf nichtige Status(-verhältnisse)2 zu übertragen. Die rechtlich fehlerhafte Begründung eines Status führt häufig zu „tatsächlich gelebten Personenbeziehungen“:3 Nach der objektiven Rechtslage widersprechen diese der subjektiven Rechtslage, auf welche die Betreffenden sich einstellen und auf deren Grundlage sie ihre persönlichen Beziehungen gestalten sowie ihre Lebensentwürfe zeichnen. Dabei handelt es sich auf den ersten Blick zwar um vereinzelte Ausnahmekonstellationen. Abwegig und kompliziert anmutende Fälle kommen aber gerade im Familienrecht sehr viel häufiger vor, „als der Laie zunächst anzunehmen geneigt ist“.4 Auch sie verdienen eine Antwort, die das geltende Recht bislang nur auf sehr zersplitterte und uneinheitliche Weise zur Verfügung stellt. Hauptaufgabe der vorliegenden Arbeit ist es, diesen Mangel statusübergreifend herauszuarbeiten und damit überhaupt einmal eine klare Problemlage zu umschreiben. Unter Bezugnahme auf den Vertrauensschutzgedanken, der – wie vorweggenommen werden darf – bei allen gutgläubig gelebten Statusverhältnissen eine entscheidende Rolle spielt, kann am Ende im Sinne eines weiterführenden, gleichsam visionären Gedankens ein Lösungsansatz zur Diskussion gestellt werden.

1

Reichel, AcP 104 (1909), 1 (150). Zur Unterscheidung zwischen Status und Statusverhältnis noch unten, § 4 I 1. 3 Vgl. im Zusammenhang mit der Heilung einer Ehe durch Statutenwechsel Siehr, in: GS Ehrenzweig (1976), S. 131 (133). 4 Vgl. einleitend zu seiner namensrechtlichen Untersuchung Ficker, Das Recht des bürgerlichen Namens (1950), S. 7. Siehe im Übrigen die zahlreichen Fallbeispiele, die dieser Arbeit zugrunde liegen (§ 1, § 6 II, § 7 III, § 8 II). 2

§ 1 Gegenstand der Untersuchung I. Problemaufriss Vertrauensschutz bei gutgläubig gelebten Statusverhältnissen, die einer wirksamen Statusbegründung entbehren, ist keine neue Erscheinung.1 Es handelt sich aber um ein sehr aktuelles Phänomen, wie ein Beschluss des 11. Zivilsenats (und Senats für Familiensachen) des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 25.11.20202 verdeutlicht: Im Jahr 1963 schließen eine griechische Staatsangehörige und ein griechischer Staatsangehöriger in Deutschland eine Ehe, die nach maßgeblichem deutschen Recht wegen Verstoßes gegen § 15a EheG a.F.3 formunwirksam ist, da sie lediglich vor einem nicht wirksam ermächtigten griechisch-orthodoxen Geistlichen geschlossen wird. Aus Sicht des griechischen Rechts handelt es sich demgegenüber um eine wirksame Ehe. Diese hinkende Ehe4 verursacht bei dem gemeinsamen Kind der Eheleute eine hinkende Namensführung und stellt das deutsche Recht vor die Frage, ob ein faktisch geführter Name, der von demjenigen abweicht, den das deutsche Namensrecht vorsieht, schutzwürdig und in das deutsche Personenstandsregister einzutragen ist. Das (inzwischen volljährige) Kind will den nach griechischem Recht gebildeten Namen weiterhin führen und registrieren lassen. Das Oberlandesgericht gibt dem Antrag des Kindes statt und löst den Fall über eine ausnahmsweise unselbständige Anknüpfung der Statusvorfrage, wobei es sich argumentativ auf das unionsrechtliche Anerkennungsprinzip stützt.5 Dieser Fall veranschaulicht zwei grundlegende Aspekte: Das Thema Vertrauensschutz besitzt erstens eine zeitlich ausgedehnte Dimension, indem es auch heute noch länger zurückliegende Statusbegründungen betrifft, und zweitens kann das Problem eines unerkannt unwirksamen Status in andere familienrechtliche Bereiche sowie andere Status hineinwirken. Die Entscheidung gibt gleichzeitig Anlass zu folgenden Thesen: Eine Lösung im deutschen Sachrecht (hier Namensrecht) ist nicht nur möglich, sondern hat gegenüber dem Weg, der 1

Hepting, StAZ 2013, 1 (4). OLG Nürnberg FamRZ 2021, 493 ff. (mAnm Solomon). 3 Siehe noch ausführlich unten, § 7 III 1. 4 Siehe zum Begriff sogleich, § 1 II. 5 OLG Nürnberg FamRZ 2021, 493 (496) (mAnm Solomon). Siehe allgemein zu den beiden bemühten Aspekten noch sogleich, § 2 I und III. 2

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Erster Teil: Einführung

über das Internationale Privatrecht (IPR) führt (Stichwort Vorfragenanknüpfung6), den Vorteil, weniger kompliziert und zugleich einheitlicher zu sein. Eine Heilung im Status bedürfte im Übrigen keines Rekurses auf die unionsrechtliche Freizügigkeit, deren dogmatische Berücksichtigung im deutschen Sachrecht mitunter Schwierigkeiten bereitet7 und die nur zur Verfügung steht, wenn der Fall einen unionsrechtlichen Bezug aufweist. Der Fall könnte also auch auf der Ebene des deutschen Sachrechts mit einer auf Vertrauensschutzgesichtspunkten gestützten Heilung im Status zu lösen sein.8 Womöglich gilt das nicht nur für den Namen des Kindes, sondern sogar auch für die Ehe der Eltern, womit das namensrechtliche Problem gar nicht erst entstünde. All jene Überlegungen sind Gegenstand der vorliegenden Abhandlung. Im Namensrecht ist eine umfassende wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Vertrauensschutzgedanken angesichts seiner großen Bedeutung in der standesamtlichen Praxis schon länger überfällig.9 Bei näherem Hinsehen wird sich zeigen, dass im Namensrecht bereits viel Klarheit und weitgehende Einigkeit bestehen. Es bietet sich deshalb an, den Untersuchungsgegenstand auf andere personenrechtliche Beziehungen zu erweitern und auch der Frage nachzugehen, welche Rolle Vertrauensschutz bei gutgläubig gelebten Ehen und Eltern-Kind-Verhältnissen spielt. Ehe, Eltern-Kind-Zuordnung und Name sind statusorientierte Rechtsbeziehungen, für die vergleichbare Regelungssysteme existieren und die in dynamischer Wechselbeziehung zueinanderstehen.10 Die Vermutung von Parallelen beim Umgang mit den jeweils gutgläubig gelebten, aber unwirksam begründeten Statusverhältnissen liegt mithin nicht fern. Das Problem des Vertrauensschutzes stellt sich tatsächlich bei all diesen Statusverhältnissen, wie die sogleich folgenden Beispiele veranschaulichen. Während zum Recht der Ehe mit der im Jahr 2008 veröffentlichten Arbeit von Anja Juliane Müller11 eine relativ junge Dissertation vorliegt, die sich, wenn auch nicht schwerpunktmäßig, mit Vertrauensschutz im deutschen Sachrecht der Eheschließung monographisch beschäftigt,12 hat das Thema Vertrauensschutz auf der Ebene des deutschen Sachrechts weder im Namensrecht noch

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Siehe sogleich, § 2 I. Siehe nur Wall, StAZ 2021, 202 (208 ff.). 8 Siehe noch ausführlich unten, § 7 IV 3b) bb) (4). 9 Siehe die jüngste Forderung des Fachausschusses des Bundesverbands der Deutschen Standesbeamtinnen und Standesbeamten, Fachausschuss/Krömer, StAZ 2021, 284 (286) (Es wäre wünschenswert, „wenn sich die Wissenschaft dem Thema des ‚Vertrauensschutzes im Namensrecht‘ einmal grundsätzlich und umfassend annehmen würde.“). Siehe aber bereits den zweiteiligen Aufsatz von Hepting, StAZ 2013, 1 ff.; ders., StAZ 2013, 34 ff. 10 Siehe unten, § 4 II 1. 11 Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008). 12 Siehe darüber hinaus die Monographien von Thomas, Formlose Ehen (1973) und Steding, Der rechtliche Schutz nichtstandesamtlich geschlossener Ehen (1985). 7

§ 1 Gegenstand der Untersuchung

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im Recht der Eltern-Kind-Zuordnung eine monographische Auseinandersetzung erfahren. Diese Lücke schließt die vorliegende Arbeit.

II. Exemplifizierung Die Problemfälle, die Gegenstand dieser Arbeit sein werden, zeichnen sich allesamt dadurch aus, dass Personen ein rechtlich unwirksames Statusverhältnis tatsächlich leben und dabei entweder irrtümlich von dessen Wirksamkeit ausgehen oder sich aufgrund von tatsächlichem oder rechtlichem Unvermögen an einer wirksamen Begründung gehindert sehen. Betroffen sein kann das Leben in einer Ehe oder Lebenspartnerschaft, ein Eltern-Kind-Verhältnis oder auch schlicht das Führen eines Namens. Problematische Konstellationen treten sowohl bei reinen Inlandssachverhalten als auch bei Sachverhalten mit Auslandsbezug auf. Prominente Beispiele ergeben sich regelmäßig im Zusammenhang mit sogenannten hinkenden Statusverhältnissen, wenn also die Wirksamkeit eines Statusverhältnisses in zwei unterschiedlichen Rechtsordnungen jeweils abweichend rechtlich bewertet wird.13 Eine typische Sachverhaltskonstellation liegt beispielsweise dem sogenannten Witwenrentenbeschluss des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 198214 zugrunde: Eine deutsche Staatsangehörige schließt mit einem Soldaten der britischen Besatzungsarmee im Jahr 1947 vor einem britischen Militärgeistlichen (formunwirksam, vgl. § 15a EheG a.F.15) in Hilden die Ehe. Nachdem sich das Paar für kurze Zeit in England aufgehalten hatte, kehrt es 1949 wieder nach Deutschland zurück, wo es bis zum Tode des Mannes im Jahr 1975 gemeinsam in der irrigen Vorstellung lebt, wirksam verheiratet zu sein. Der Mann hatte als Arbeitnehmer in die deutsche Sozialversicherung eingezahlt. Als die Frau schließlich die Auszahlung einer Witwenrente beantragt, verwehrt der Sozialversicherungsträger die Bewilligung unter Berufung auf die Unwirksamkeit der Eheschließung; sie sei nämlich nicht Witwe im Sinne des maßgeblichen § 1264 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung.16 Das Bundessozialgericht schließt sich dieser Beurteilung an und hebt die Verurteilung des Sozialversicherungsträgers durch das Sozialgericht auf, wird aber seinerseits durch das Bundesverfassungsgericht darüber belehrt, dass 13 Siehe zum Begriff des hinkenden Rechtsverhältnisses Dorenberg, Hinkende Rechtsverhältnisse (1968), S. 16 f. 14 BVerfGE 62, 323 (323 ff.); siehe auch Frank, in: LA Pintens I (2012), S. 607 (621) sowie unten, § 7 III 1c) aa) sowie IV 2b) aa) (1). 15 Die Vorschrift entsprach weitgehend Art. 13 Abs. 4 EGBGB, vgl. Staudinger/Mankowski, BGB (2010), Art. 13 EGBGB Rn. 619. 16 § 1264 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung a.F. lautete: „Nach dem Tod des versicherten Ehemannes erhält seine Witwe eine Witwenrente“. Die Witwen- bzw. Witwerrente ist heute in § 46 SGB VI geregelt.

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Erster Teil: Einführung

auch eine hinkende Ehe dem Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG unterliege. Deshalb sei der sozialrechtliche Begriff Witwe so auszulegen, dass er auch eine Hinterbliebene aus einer hinkenden Ehe erfasse.17 Ganz anders urteilt der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs im Jahr 200318 über eine in Deutschland vor einem formell nicht wirksam nach Art. 13 Abs. 4 Satz 2 EGBGB19 ermächtigten griechisch-orthodoxen Geistlichen geschlossene Ehe zweier griechischer Staatsangehöriger. Der Bundesgerichtshof versagt der über einen Zeitraum von 26 Jahren in Deutschland gutgläubig geführten Ehe die Wirksamkeit und der Frau damit Unterhaltsansprüche gegen den Mann.20 Anders als im Sozialrecht stünden sich im Zivilrecht nämlich (gegenläufige) Privatinteressen gegenüber. Insbesondere der Mann habe ein zu berücksichtigendes Interesse an der Unwirksamkeit der Ehe, denn anderenfalls sähe er sich Unterhaltsansprüchen der Frau ausgesetzt, die immerhin „schon 60 Jahre alt, nicht mehr berufstätig und körperbehindert“ ist.21 Ähnlich gelagert sind die sogenannten Wiedertürkenfälle:22 Noch vor der Jahrtausendwende hatten in Deutschland lebende Menschen mit türkischer Staatsangehörigkeit auf Antrag die deutsche Staatsangehörigkeit erworben. Hierfür mussten sie zuvor auf die türkische Staatsangehörigkeit verzichten, welche sie allerdings unmittelbar nach Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit auf Antrag wiedererlangten,23 und zwar ohne dass dies zunächst Einfluss auf ihre deutsche Staatsangehörigkeit gehabt hätte. Sie lebten demnach als sogenannte Doppelstaater. Dies wollte der deutsche Gesetzgeber durch eine zum

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Siehe zum Ganzen BVerfGE 62, 323 (323 ff.) sowie ausführlich noch unten, § 7 IV 2b) aa) (1). 18 BGH FamRZ 2003, 838 ff. (mAnm Borgmann); siehe auch die Besprechung von Mäsch, IPRax 2004, 421 ff. 19 Art. 13 Abs. 4 Satz 2 EGBGB entspricht dem in der Entscheidung maßgeblichen § 15a Abs. 1 EheG a.F. 20 Siehe ausführlich dazu Coester, in: FS Heldrich (2005), S. 537 (543 f.), der auf die Einkleidung des Sachverhalts in einen Regressfall besonders aufmerksam macht. Siehe auch Frank, in: LA Pintens I (2012), S. 607 (613 f.). 21 BGH FamRZ 2003, 838 (840) (mAnm Borgmann); zu Recht kritisch Coester, in: FS Heldrich (2005), S. 537 (544) („Wie arglistig von der Frau!“). 22 Siehe ausführlich zu dieser Fallgruppe Frank, in: LA Pintens I (2012), S. 607 (614 ff.); ders., StAZ 2011, 236 (236). Vgl. zu weiteren ähnlich gelagerten Konstellationen Staudinger/Mankowski, BGB (2010), Art. 13 EGBGB Rn. 623 (mwN). 23 Die Wiedererlangung der türkischen Staatsangehörigkeit erfolgte teilweise freiwillig, oftmals aber auch auf Druck der türkischen Behörden; mögliche Erbrechte und Eigentumsrechte an Grundstücken wurden in der Türkei an die türkische Staatsangehörigkeit geknüpft. Die türkischen Konsularvertretungen händigten den Betreffenden mit dem Entlassungsformular zugleich ein Antragsformular zur Wiedereinbürgerung aus.

§ 1 Gegenstand der Untersuchung

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1. Januar 2000 erfolgte Gesetzesänderung24 dann aber verhindern. Die sogenannte Inlandsklausel des § 25 Abs. 1 StAG a.F., die den Verlust der deutschen bei antragsgemäßem Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit nur dann vorsah, wenn die betreffende Person im Inland weder ihren Wohnsitz noch ihren dauernden Aufenthalt hatte, wurde gestrichen.25 Da die neue Gesetzeslage unter den türkischen Betreffenden weitgehend unbekannt blieb, hatte dies zur Folge, dass die bisherige Aus- und Einbürgerungspraxis von diesem Personenkreis fortgesetzt wurde. Demgegenüber ging die deutsche Verwaltungspraxis sogar davon aus, dass auch minderjährige Kinder, die keinen eigenen Antrag stellten und ihre Wiedereinbürgerung von ihren Eltern ableiteten (sogenannter Erstreckungserwerb), die deutsche Staatsangehörigkeit (aufgrund der Wiedererlangung der türkischen Staatsangehörigkeit) verlören. Die zutreffende, gegenteilige Auffassung, dass Minderjährige die Staatsangehörigkeit nur verlieren, wenn der Antrag auf Wiedereinbürgerung in die Türkei auch in ihrem Namen gestellt wurde, setzte sich erst im Jahr 2006 durch.26 Diese verworrene Rechtslage hatte weitreichende Konsequenzen: Im Rahmen der sogenannten Deutschtürkenaktion27 wurden in den Jahren 2004/05 sämtliche Betreffende und vor allem auch minderjährige Kinder mit Erstreckungserwerb von deutschen Verwaltungsbehörden über den (vermeintlichen) Verlust ihrer deutschen Staatsangehörigkeit unterrichtet und lebten anschließend bis zur endgültigen Aufklärung der wahren Rechtslage in der teilweise irrtümlichen Annahme, nicht (auch) die deutsche Staatsangehörigkeit zu besitzen. An diesen tatsächlichen Befund knüpft eine typische Fallkonstellation an, mit der sich der Fachausschuss des Bundesverbands der Deutschen Standesbeamtinnen und Standesbeamten zu befassen hatte:28 Die im Jahr 1984 in der Türkei geborene Y wird gemeinsam mit ihren Eltern im Jahr 1999 in Deutschland eingebürgert, wodurch sie ihre bis dato ausschließlich türkische Staatsangehörigkeit verliert. Bereits im folgenden Jahr erwerben sie und ihre Eltern auf Antrag hin wieder die türkische Staatsangehörigkeit, ohne dass aber Y selbst einen Antrag stellt oder ein solcher in ihrem Namen gestellt wird. Die Ausländerbehörde der Stadt C konstatiert im Jahr 2005, dass alle Familienmitglieder ausschließlich türkische Staatsangehörige („Nurtürken“) seien und behandelt sie ausländerrechtlich in diesem Sinne. Als vermeintliche Nurtürkin macht Y 24 Gesetz zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts vom 15.7.1999, BGBl I, Nr. 38, S. 1618 ff. (Streichung der sogenannten Inländerklausel, vgl. Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes). 25 Siehe auch Frank, StAZ 2011, 236 (237) sowie besonders kritisch von Mangoldt, ZAR 1999, 243 (251) („antitürkisches Maßnahmegesetz“). 26 VGH München, Urt. vom 14.11.2007 – 5 B 05.2958, juris; Urt. vom 14.11.2007 – 5 B 05.3039, juris; Beschl. vom 16.9.2008 – 5 ZB 07.243, juris; Beschl. vom 14.8.2008 – 5 ZB 06.745, juris. Siehe Frank, in: LA Pintens I (2012), S. 607 (615). 27 Frank, StAZ 2011, 236 (236). 28 Fachausschuss/Kissner, StAZ 2011, 247 (247 f.); siehe auch die kritische Besprechung von Frank, StAZ 2011, 236 ff.

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Erster Teil: Einführung

sodann von der Möglichkeit des Art. 13 Abs. 3 Satz 2 HS 1 EGBGB a.F.29 Gebrauch und schließt mit dem türkischen Staatsangehörigen T die Ehe vor dem türkischen Generalkonsul. Mit behördlichem Schreiben vom 19. August 2009 wird Y mitgeteilt, dass sie die deutsche Staatsangehörigkeit doch nicht im Wege der türkischen Wiedereinbürgerung verloren habe und sie diese deshalb seit ihrer Einbürgerung im Jahr 1999 ununterbrochen besitze sowie ferner seit dem Jahr 2000 zugleich türkische Staatsbürgerin sei. Daraufhin beantragt Y beim zuständigen Standesamt die nachträgliche Registrierung ihrer Eheschließung. Auf die Zweifelsvorlage gemäß § 49 Abs. 2 PStG entscheidet das Amtsgericht München, dass es sich bei der 2007 eingegangenen Ehe in Deutschland um eine Nichtehe handele.30 Ebenfalls sogenannte hinkende Ehen können entstehen, wenn in einem Land, dessen Rechtsordnung dem Gebot der obligatorischen Zivilehe folgt, eine Ehe ausschließlich in einer religiösen Zeremonie begründet und keine (vorherige oder nachträgliche) zivilrechtliche Eheschließung durchgeführt wird. Dies veranschaulicht eine Fallkonstellation, über die der High Court of England and Wales zu entscheiden hatte,31 die aber auch im deutschen Rechtsraum vergleichbare Probleme aufwirft: Die Parteien führen 1998 eine islamische Eheschließung in dem Bewusstsein durch, nicht zugleich eine zivilrechtlich wirksame Ehe zu begründen. Sie leitet jedoch die gemeinsame Intention, die religiöse Trauung anschließend durch eine zivilrechtliche Eheschließung zu bestätigen.32 Dazu kommt es aber trotz wiederholter Bitten der Antragstellerin während des achtzehnjährigen Zusammenlebens nicht, weil der Antragsgegner sich stets weigert. Die Parteien bekommen vier gemeinsame Kinder und leben zwischenzeitlich einige Jahre in Dubai. Von dort aus kehrt die Antragstellerin zunächst allein mit den Kindern nach England zurück, nachdem der Mann eine polygame Ehe führen wollte. Als es nach der Rückkehr des Mannes immer häufiger zu Auseinandersetzungen und häuslicher Gewalt kommt, beantragt die Frau die Scheidung und begehrt jedenfalls Scheidungsfolgen wie

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Die Vorschrift entspricht Art. 13 Abs. 4 Satz 2 HS 1 EGBGB, der wie folgt lautet: „Eine Ehe zwischen Verlobten, von denen keiner Deutscher ist, kann jedoch vor einer von der Regierung des Staates, dem einer der Verlobten angehört, ordnungsgemäß ermächtigten Person in der nach dem Recht dieses Staates vorgeschriebenen Form geschlossen werden […]“. 30 So jedenfalls Frank, StAZ 2011, 236 (237). 31 Siehe hierzu ausführlich Kaesling, StAZ 2019, 102 (103). Der Court of Appeal of England and Wales hat mit Urteil vom 14.2.2020 die Entscheidung des High Courts aufgehoben, vgl. Bergmann Aktuell – Status einer nur islamisch geschlossenen Ehe, 26.2.2020, abrufbar unter: https://www.vfst.de/bergmann-aktuell/nachrichten/status-nur-islamisch-geschlossenen-ehe-2020-02-26 (zuletzt: 6.9.2022). 32 Siehe zu dem ein solches Vorgehen billigenden englischen Recht Kaesling, StAZ 2019, 102 (102).

§ 1 Gegenstand der Untersuchung

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Unterhalt und Versorgungsausgleich. Der Mann beruft sich indes auf die Nichtexistenz der Ehe. Für die Konstellationen der hinkenden Statusverhältnisse werden unterschiedliche Lösungen diskutiert,33 auf die noch im Einzelnen einzugehen sein wird. Zu unterstreichen ist aber bereits hier, dass die Arbeit über hinkende Statusverhältnisse hinausgehen und der gesuchte Lösungsansatz ganzheitlich sowohl reine Inlandsfälle als auch Fälle mit Auslandsbezug umfassen soll. Hinkende Statusverhältnisse sind lediglich eine Fallgruppe unter mehreren, in denen Vertrauensschutz maßgeblichen Einfluss auf Statusverhältnisse haben kann. Der Umstand, ein Statusverhältnis im Ausland wirksam begründet zu haben, ist insoweit ein denkbarer unter mehreren Anknüpfungspunkten für Gutglaubensschutz.34 Kollisionsrechtliche Lösungswege, die speziell an diesen Umstand anknüpfen, sind indes nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung, wie sogleich näher zu begründen sein wird.35 Reine Inlandssachverhalte sind beispielsweise gegeben, wenn Kinder kurz nach ihrer Geburt vertauscht werden. In Ermangelung einschlägiger und veröffentlichter Rechtsprechung aus dem deutschen Rechtsraum soll insoweit ein im Ausland entschiedener Fall zur Veranschaulichung herangezogen werden, der auch für das deutsche Recht eine große Herausforderung darstellen würde und schwierige Rechtsfragen aufwirft:36 Das französische Tribunal de Grande Instance de Grasse verurteilte eine Geburtsklinik zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von circa zwei Millionen Euro. Vorausgegangen war folgender Sachverhalt: Zwei im Entscheidungszeitpunkt 21 Jahre alte Frauen, Marina und Manon, werden durch Nachlässigkeit der Krankenschwester kurz nach ihrer Geburt vertauscht. Marina wächst bei den Eheleuten Maillot auf, obwohl ihre genetischen Eltern Frau Serrano und Herr Dufresne sind, wobei Letzterer die Vaterschaft anerkennt. Sie führt den Namen Manon. Manon hingegen lebt unter dem Namen Marina bei Frau Serrano, die nach der Geburt der Mädchen zwei Jahre mit Herrn Dufresne liiert ist. Erst als die betreffenden Kinder ihr zehntes Lebensjahr erreichen, erfahren die Beteiligten von der Vertauschung. Ein Rücktausch kommt für die Beteiligten wohl nicht in Betracht.37 Das wäre aber die formal-juristische Konsequenz; auf rechtlicher Ebene sind die Geburtseinträge, die ausgestellten Ausweispapiere usw. richtig – die vertauschten

33 Vgl. etwa die zusammenfassende Darstellung bei Makowsky, RabelsZ 83 (2019), 577 (593 ff.) sowie Hepting, IPRax 1994, 355 (360). 34 Hepting, IPRax 1994, 355 (360); vgl. auch ders., StAZ 2013, 34 (46). 35 Siehe sogleich, § 2 I. 36 Siehe etwa Frank, StAZ 2015, 225 ff.; ders., FamRZ 2015, 1149 ff. 37 Vgl. Frank, FamRZ 2015, 1149 (1149).

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Erster Teil: Einführung

Kinder leben lediglich unter falscher Identität.38 Kann hier gleichwohl die faktische Eltern-Kind-Beziehung rechtlich berücksichtigt werden, beispielsweise im Erbrecht? Die personenstandsrechtliche Tragweite dieser Konstellation zeigt sich plastisch im Namensrecht, wenn die vertauschten Kinder – möglicherweise inzwischen erwachsene Menschen, die den Namen in eine Ehe eingebracht oder an ihre Kinder weitergegeben haben39 – an der bisherigen Namensführung festhalten wollen. Eine weitere Fallgruppe, die mit hinkenden Statusverhältnissen nichts zu tun hat, ist diejenige gefälschter Geburtenregister. Angesprochen sind damit Konstellationen, in denen Paare zur Vermeidung eines oft aufwendigen, insbesondere im Ausland mit hohen Hürden verbundenen, förmlichen Adoptionsverfahrens sich kurzerhand selbst als Eltern eines in Wahrheit nicht von ihnen gezeugten Kindes eintragen lassen.40 In einem von Frank mitgeteilten Fall bewirkt ein in Indonesien berufstätiges deutsches Ehepaar zur Vermeidung eines Adoptionsverfahrens eine solche Falscheintragung zu ihren Gunsten im örtlichen Geburtenregister. Hierbei wird es von dem Chefarzt der Entbindungsklinik unterstützt, der wiederum von der Mutter des Kindes um entsprechende Hilfe gebeten worden war, nachdem der Vater des Kindes verstorben war. Das Ehepaar lässt das Kind in dem Glauben, ordnungsgemäß adoptiert worden zu sein. Nach mehrjährigem Zusammenleben der Familie in Deutschland verschlechtert sich das Eltern-Kind-Verhältnis zunehmend. Der Konflikt kumuliert schließlich in der anwaltlichen Mitteilung seitens der Eltern an das inzwischen volljährige Kind, nie adoptiert worden zu sein, nicht von den Eltern abzustammen und mithin weder unterhalts- noch erbrechtliche Ansprüche zu haben.41 Den Untersuchungsgegenstand verdeutlicht schließlich ein vertraulich mitgeteilter Fall aus der Praxis, der eindrucksvoll die Folgeprobleme aufzuzeigen vermag, welche sich an das Führen einer falschen Identität anschließen. Die türkischen Staatsangehörigen V und M sind vermeintlich verheiratet und bekommen gemeinsam ein Kind K, das – wie M – den Familiennamen des V annimmt. In das Geburtenregister werden V und M als Eltern eingetragen. Nahezu vierzig Jahre nach der Geburt des K stellt sich bei einer Personenkontrolle heraus, dass M nicht die Identität hat, mit der sie in das Geburtenregister als 38 Frank, StAZ 2015, 225 (226); anders wohl Veit/Hinz, FamRZ 2010, 505 (506 f.) (Das Geburtenregister sowie die Geburtsurkunde wiesen [unzutreffend] auf die rechtliche Elternschaft der Tauscheltern hin). 39 Siehe die Fallgestaltung, in denen die Betreffenden bereits sechzig Jahre alt waren, als das Standesamt die fehlerhafte Namensführung feststellte, bei Frank, StAZ 2015, 225 (227). 40 OLG Koblenz FamRZ 2010, 481; OLG Bremen FamRZ 1995, 1291 ff.; Frank, in: FS Coester-Waltjen (2015), S. 53 (55). Siehe zu einem reinen Inlandsfall hingegen OLG München StAZ 1978, 37 ff., wo es aber ausschließlich um die Anforderungen geht, die an einen Gegenbeweis i.S. des § 54 Abs. 3 PStG (§ 60 PStG a.F.) zu stellen sind. 41 Siehe zu alledem Frank, in: FS Coester-Waltjen (2015), S. 53 (55).

§ 1 Gegenstand der Untersuchung

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Mutter eingetragen wurde. Sie hat vielmehr vor langer Zeit die Identität der früheren, inzwischen verstorbenen Ehefrau des V angenommen und seither unter dieser Identität gelebt; sie ist zwar tatsächlich die Geburtsmutter des K, war mit V indes nie verheiratet. K möchte dennoch seinen Namen, also den von V erlangten Familiennamen, weiterhin führen. Zudem wehrt er sich gegen eine Berichtigung des Geburtenregisters, die auch deshalb droht, weil der inzwischen verstorbene V nicht sein rechtlicher Vater wurde; schließlich war dieser im Zeitpunkt der Geburt weder mit der Mutter des K verheiratet noch hatte er die Vaterschaft anerkannt. Die vorstehenden Fallbeispiele unterscheiden sich mitunter erheblich. Sie betreffen unterschiedliche Statusverhältnisse, haben Auslandbezug oder basieren auf einem reinen Inlandssachverhalt, sie sind auf einen behördlich veranlassten Irrtum, arglistiges Verhalten, eine Fehlvorstellung im tatsächlichen oder rechtlichen Bereich oder auf ein faktisches Unvermögen, ein rechtlich anerkanntes Statusverhältnis etablieren zu können, zurückzuführen. Ferner unterscheiden sie sich insofern, als dass die Unwirksamkeit des Status teilweise auch Rechte und Interessen Dritter mehr oder weniger stark tangiert. Dieser Mannigfaltigkeit zum Trotz weisen sie aber eine Gemeinsamkeit auf: Ein rechtlich unwirksames Statusverhältnis wird faktisch gelebt. Es drängt sich daher die (übergreifende) Frage auf, unter welchen Voraussetzungen in den vorliegend skizzierten Fällen und anderen vergleichbaren Konstellationen das Vertrauen der Beteiligten auf die Wirksamkeit des Status berücksichtigt und auf welchem dogmatischen und methodischen Wege interessengerechte Ergebnisse gefunden werden können. Diesem Anliegen widmet sich die vorliegende Untersuchung, die über die auszuwertenden Einzelfalllösungen hinausgehen und übergreifende Wertungskriterien offenlegen will, um faktisch gelebten Statusverhältnissen zur rechtlichen Anerkennung zu verhelfen, ohne die Rechtssicherheit zu gefährden. Pointiert zusammengefasst: Es ist an der Zeit, endlich den „Gordischen Knoten“42 zu durchschlagen und einheitliche Kriterien für den Vertrauensschutz im deutschen statusorientieren Recht herauszuarbeiten sowie einen Lösungsansatz zu entwickeln, der zu vorhersehbaren und konsistenten Ergebnissen führt.

42 So bereits Hepting, IPRax 1994, 355 (357) („Nachdem sich die Diskussion über zwei Jahrzehnte abgemüht und im Kreis gedreht hat, nachdem Argumente ausgetauscht und immer wieder wiederholt worden sind, hilft Diskutieren offensichtlich nicht mehr weiter: Jetzt braucht man jemand, der den Gordischen Knoten durchschlägt.“).

§ 2 Thematische Eingrenzung Analysiert man die Vielzahl disparater Ursachen für die (unerkannte) Unwirksamkeit eines Status, erscheint der Untersuchungsgegenstand grenzenlos und einer einheitlichen Lösung nur schwer zugänglich. Bereits auf der Ebene der Fehlerquelle kann Vertrauensschutz ansetzen, um die Unwirksamkeit ex nunc zu verhindern (indem etwa bestimmte Fehlerquellen unter bestimmten Voraussetzungen – wie Zeitablauf oder Gutgläubigkeit – vom materiellen Recht als irrelevant eingestuft werden). Die Fehlerquellen entstammen aber jeweils ganz eigenen Rechtsbereichen und würden mitunter bereits für sich genommen eine monographische Aufbereitung rechtfertigen. Sie sollen deshalb in der vorliegenden Untersuchung ausgespart, jedenfalls nicht en détail ausgeleuchtet werden. Die Bearbeitung knüpft, mit anderen Worten, an die vorgefundene Unwirksamkeit an und sucht nach Heilungs- und Korrekturmöglichkeiten, stellt aber nicht die Unwirksamkeitsgründe an sich in Frage. Kurzum: Es geht um Vertrauensschutz bei gelebten Statusverhältnissen ohne wirksame Statusbegründung und nicht um die einzelnen Sachprobleme, die zur Unwirksamkeit geführt haben. Mitunter sind klare Trennlinien nicht ohne Weiteres zu erkennen, und es treten auch Phänomene auf, in denen beide Anknüpfungspunkte ineinandergreifen. Aus Klarstellungsgründen ist deshalb in gebotener Kürze auf ausgewählte Konstellationen, die nicht zum Untersuchungsgegenstand zu zählen sind, näher einzugehen.

I. Vorgelagerte kollisionsrechtliche Weichenstellungen In Fällen mit Auslandsbezug kommt es vor, dass ein Status nach einer Rechtsordnung wirksam und nach einer anderen unwirksam ist. Ein solcher hinkender1 Status wird mitunter zum Anlass genommen, kollisionsrechtlich auf dasjenige Recht auszuweichen, das zur (im Einzelfall gewünschten) Wirksamkeit führt, obwohl das Kollisionsrecht das eigentlich nicht vorsieht. Die prominen-

1 Siehe zum Begriff nur Dorenberg, Hinkende Rechtsverhältnisse (1968), S. 16 f.; siehe bereits oben, § 1 Fn. 13.

§ 2 Thematische Eingrenzung

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testen Ausweichmanöver dieser Art sind die unselbständige Vorfragenanknüpfung und die Heilung durch Statutenwechsel. Sie lassen sich anschaulich am Beispiel der Ehe illustrieren. Ist die Wirksamkeit einer Ehe Vorfrage einer Ehewirkungsnorm, soll diese Frage ausnahmsweise2 nicht selbständig angeknüpft, sondern nach (dem IPR) der lex causae beantwortet werden.3 Dieser Ansatz ist in der Literatur umstritten und wird mehrheitlich abgelehnt.4 Die Rechtsprechung hat eine unselbständige Anknüpfung bei der Ehe nur vereinzelt ausdrücklich befürwortet.5 Die Idee der ausnahmsweisen unselbständigen Anknüpfung soll und kann vorliegend nicht umfassend beleuchtet und abschließend bewertet werden. Jedenfalls handelt es sich um eine rechtsfolgenbezogene Lösung im Einzelfall, die einer Verallgemeinerung nicht zugänglich erscheint.6 Die Schwachpunkte des Ansatzes bestehen vor allem darin, dass ein Wahlrecht der Betreffenden schwerlich begründet werden kann, weil die Vorfragenanknüpfung Bestandteil der objektiven Rechtsanwendung ist.7 Auch die Reduzierung auf Vorfragen ist unbefriedigend, weil damit allenfalls unbillige Härten auf einer sekundären Rechtsfolgenebene verhindert werden können und eine umfassende und verallgemeinerbare Heilungsmöglichkeit nicht angeboten werden kann.8 2

Siehe zum Grundsatz der selbständigen Anknüpfung von Vorfragen nur MüKoBGB8/von Hein, Einl. IPR Rn. 180 mit Fn. 735 sowie Rn. 184 (jeweils mit zahlreichen Nachweisen); Junker, IPR4, § 10 Rn. 24. 3 Allgemein zum Begriff der unselbständigen Anknüpfung: Junker, IPR4, § 10 Rn. 9. 4 Dafür: Melchior, Grundlagen IPR (1932), § 166, S. 249; Wengler, NJW 1981, 2617 f.; Böhmer, in: FS Firsching (1985), S. 41 (48 ff.); Kropholler, IPR6, § 32 IV 2a, S. 226 f.; von Hoffmann/Thorn, IPR9, § 6 Rn. 67 ff.; wohl auch von Schwind, ZfRV 1973, 145 (148), der von „Gesamtanknüpfung“ spricht. Dagegen: Siehr, in: GS Ehrenzweig (1976), S. 131 (142 f. mit Fn. 57); MüKo-BGB8/von Hein, Einl. IPR Rn. 206 f.; Bernitt, Anknüpfung von Vorfragen (2010), S. 222 f., 225; von Bar/Mankowski, IPR I2, § 7 Rn. 194 ff., 202 ff.; Schurig, in: FS Kegel (1987), S. 549 (588 f.); Staudinger/Mankowski, BGB (2010), Art. 13 EGBGB Rn. 537 ff.; Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 112 ff.; Voit, Heilung durch Statutenwechsel (1997), S. 66 ff.; Bayer/Knörzer/Wandt, FamRZ 1983, 770 (772 f.); kritisch auch MüKo-BGB8/Coester, Art. 13 EGBGB Rn. 167; ders., in: FS Heldrich (2005), S. 537 (542); Frank, in: LA Pintens I (2012), S. 607 (619); Hepting, IPRax 1994, 355 (357). Siehe eingehend zum Streitstand Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 109 f. (mwN); Schurig, in: FS Kegel (1987), S. 549 (573 ff.) (mwN). 5 LG Stuttgart FamRZ 1969, 542 (544); OLG Karlsruhe FamRZ 1983, 757 f.; kritisch insoweit Steding, Der rechtliche Schutz nichtstandesamtlich geschlossener Ehen (1985), S. 51; siehe aber BGH FamRZ 1965, 311 (312 ff.) (mAnm Bosch). 6 BeckOGK-BGB/Rentsch (1.8.2022), Art. 13 EGBGB Rn. 191. 7 Zum Namensrecht Wall, StAZ 2021, 202 (209) sowie Solomon, FamRZ 2021, 496 (498). Bei der Heilung einer Eheschließung ist ein Wahlrecht indes ohnehin nicht sachgerecht, siehe noch unten, § 11 II 1d) sowie 2d). 8 BeckOGK-BGB/Rentsch (1.8.2022), Art. 13 EGBGB Rn. 191; MüKo-BGB8/Coester, Art. 13 EGBGB Rn. 167; Frank, in: LA Pintens I (2012), S. 607 (619); vgl. auch Siehr, in: GS Ehrenzweig (1976), S. 131 (142) sowie Hepting, IPRax 1994, 355 (357); ähnlich auch

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Erster Teil: Einführung

Die Heilung durch Statutenwechsel reicht weiter als eine unselbständige Vorfragenanknüpfung und ermöglicht eine Heilung auf Statusebene.9 Das betrifft Fallkonstellationen, in denen eine Eheschließung gemäß dem im Zeitpunkt der Eheschließung maßgeblichen Statut (Art. 13 Abs. 1 und 4 Satz 1 EGBGB) unwirksam ist, die Eheleute aber im Nachhinein eine Staatsangehörigkeit annehmen, die zu einem anderen Statut führen würde, welches die geschlossene Ehe als wirksam behandelt.10 Es geht, mit anderen Worten, um die nachträgliche Validierung einer Ehe durch Veränderung der eigentlich unwandelbaren11 Anknüpfung des Art. 13 EGBGB. Die Hilfskonstruktion ist sowohl für materiell unwirksame als auch formfehlerhafte Ehen umstritten, wobei sich befürwortende und ablehnende Stimmen in etwa die Waage halten dürften.12 Auch dieser Ansatz ist Ausdruck des Bedürfnisses, einer tatsächlich gelebten Ehe rechtliche Anerkennung beizumessen.13 Dabei stellen insbesondere das Stabilitätsinteresse der Beteiligten, aber auch das Kontinuitätsinteresse Dritter

Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 112 f. sowie Voit, Heilung durch Statutenwechsel (1997), S. 66 f. 9 Beide Lösungsansätze stehen nebeneinander und schließen sich nicht gegenseitig aus, vgl. nur BeckOGK-BGB/Rentsch (1.8.2022), Art. 13 EGBGB Rn. 194. 10 Vgl. MüKo-BGB8/von Hein, Einl. IPR Rn. 78 ff.; BeckOGK-BGB/Rentsch (1.8.2022), Art. 13 EGBGB Rn. 184; Staudinger/Mankowski, BGB (2010), Art. 13 EGBGB Rn. 90; siehe zur Definition Voit, Heilung durch Statutenwechsel (1997), S. 16 f. 11 Coester, in: FS Heldrich (2005), S. 537 (541); von Hoffmann/Thorn, IPR9, § 8 Rn. 12; Grüneberg/Thorn, BGB81, Art. 13 EGBGB Rn. 6; BeckOK-BGB/Mörsdorf (1.2.2022), Art. 13 EGBGB Rn. 44; Kropholler, IPR6, § 44 I 2, S. 332; Andrae, IntFamR4, § 1 Rn. 108; Junker, IPR4, § 9 Rn. 24; von Bar/Mankowski, IPR II2, § 4 Rn. 18. 12 So die Feststellung von MüKo-BGB8/Coester, Art. 13 EGBGB Rn. 17. Dafür: Grüneberg/Thorn, BGB81, Art. 13 EGBGB Rn. 6; Sturm, in: FS Jahr (1993), S. 497 (505); Siehr, in: GS Ehrenzweig (1976), S. 131 (143 ff.); ders., IPRax 1987, 19 (21); Nussbaum, IPR, § 22 1d, S. 135; MüKo-BGB8/Coester, Art. 13 EGBGB Rn. 18 ff., 167; ders., in: FS Heldrich (2005), S. 537 (541 f.); Staudinger/Mankowski, BGB (2010), Art. 13 EGBGB Rn. 90 ff.; BeckOK-BGB/Mörsdorf (1.2.2022), Art. 13 EGBGB Rn. 54 („allein an dem Aspekt kollisionsrechtlichen Vertrauensschutzes“). Dagegen: Frank, in: LA Pintens I (2012), S. 607 (620); ders., StAZ 2011, 236 (238); Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 142; Böhmer, in: FS Firsching (1985), S. 41 (46 ff.); Steding, Der rechtliche Schutz nichtstandesamtlich geschlossener Ehen (1985), S. 53 ff.; Kropholler, IPR6, § 27 II 3c, S. 193; Henrich, IntFamR2, § 1 VII, S. 41; Kegel/Schurig, IPR9, § 20 IV 1c, S. 807. Grundsätzlich dagegen, aber im Einzelfall differenzierend: Voit, Heilung durch Statutenwechsel (1997), S. 55 ff., 85 f., 138 f., 158, 218 f. Ebenfalls differenzierend: Bayer/Knörzer/Wandt, FamRZ 1983, 770 (773 f.). Siehe ausführlich zum Meinungsstand Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 120 ff., 134 ff.; MüllerFreienfels, Sozialversicherungsrecht und das BVerfG (1984), S. 33 ff.; siehe ferner BeckOGK-BGB/Rentsch (1.8.2022), Art. 13 EGBGB Rn. 192. 13 Vgl. Siehr, in: GS Ehrenzweig (1976), S. 131 (149); Staudinger/Mankowski, BGB (2010), Art. 13 EGBGB Rn. 91; vgl. auch Voit, Heilung durch Statutenwechsel (1997), S. 182; BeckOK-BGB/Mörsdorf (1.2.2022), Art. 13 EGBGB Rn. 52 ff.

§ 2 Thematische Eingrenzung

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wichtige Leitlinien dar.14 Dieser Lösungsansatz weist mithin durchaus Verwandtschaft mit dem Gedanken des Vertrauensschutzes auf,15 fällt aber als kollisionsrechtliche Lösung aus dem Rahmen der vorliegenden Untersuchung heraus.16 Gemeinsam ist beiden Mechanismen, deren exemplarische Aufzählung keineswegs abschließenden Charakter hat17 und die nicht nur im Recht der Eheschließung diskutiert werden,18 die Voraussetzung, dass der Status zumindest nach einem Statut wirksam ist, und sie mithin auf Fallgestaltungen eines hinkenden Status zugeschnitten sind.19 Bereits aus diesem Grund besitzen sie nur eine eingeschränkte Reichweite, die sachrechtliche Lösungsansätze weiterhin 14 Voit, Heilung durch Statutenwechsel (1997), S. 138; BeckOK-BGB/Mörsdorf (1.2.2022), Art. 13 EGBGB Rn. 54 stellt ausschließlich auf Vertrauensschutz ab; vgl. auch MüKo-BGB8/Coester, Art. 13 EGBGB Rn. 166 f.; BeckOGK-BGB/Rentsch (1.8.2022), Art. 13 EGBGB Rn. 194 f.; wie weitreichend die Folgen einer Heilung und wie vielschichtig die Interessen der Eheleute sein können, zeigt exemplarisch der Fall bei Sturm, StAZ 1999, 289 (295). In diesem Zusammenhang wird einerseits die Bedeutsamkeit eines Wahlrechts deutlich und andererseits werden die Vorzüge nur sekundär wirkender Lösungen sichtbar. Darauf wird noch näher einzugehen sein. 15 Vgl. anschaulich BeckOK-BGB/Mörsdorf (1.2.2022), Art. 13 EGBGB Rn. 54; Kropholler, IPR6, § 27 II 3c, S. 192. 16 Siehe weiterführend zu diesem Ansatz Voit, Heilung durch Statutenwechsel (1997), passim; Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 116 ff. 17 Siehe zu weiteren kollisionsrechtlichen Lösungen im Eherecht Voit, Heilung durch Statutenwechsel (1997), S. 170 ff.; Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 143 ff.; Steding, Der rechtliche Schutz nichtstandesamtlich geschlossener Ehen (1985), S. 52; Bayer/Knörzer/Wandt, FamRZ 1983, 770 (770 ff.); Sonnenberger, StAZ 1964, 289 (292 f.); Weyers, FamRZ 1964, 169 (170); Henrich, FamRZ 1958, 122 (123 f.). 18 Zum Statutenwechsel: MüKo-BGB8/von Hein, Einl. IPR 78 ff. (allgemein und mwN); MüKo-BGB8/Lipp, Art. 10 EGBGB Rn. 43 ff. (Name); MüKo-BGB8/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 36 sowie von Bar/Mankowski, IPR II2, Rn. 969 (jeweils Eltern-Kind-Zuordnung). Siehe zur unselbständigen Anknüpfung MüKo-BGB8/von Hein, Einl. IPR Rn. 205 f. (mwN); Bernitt, Anknüpfung von Vorfragen (2010), S. 90 ff.; Junker, IPR4, § 10 Rn. 25 ff.; von Hoffmann/Thorn, IPR9, § 6 Rn. 65 f. (familienrechtliche Vorfragen im Namensrecht). Vgl. auch Kropholler, IPR6, § 32 IV 2a, S. 227 (ausnahmsweise unselbständige Anknüpfung von Vorfragen unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes). Siehe ferner zur Vorfragenanknüpfung innerhalb des Art. 19 EGBGB MüKo-BGB8/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 58; siehe auch Hepting/Dutta, Familie und Personenstand3, Rn. IV-193 ff.; von Hoffmann/Thorn, IPR9, § 8 Rn. 129. Nach h.M. ist die Vorfrage einer wirksamen Ehe indes selbständig anzuknüpfen (siehe nur Hüßtege, FamRZ 2017, 1374 [1378]; Grüneberg/Thorn, BGB81, Art. 19 EGBGB Rn. 8; jurisPK-BGB/Duden [1.3.2020], Art. 19 EGBGB Rn. 81; Kropholler, IPR6, § 48 IV 1b, S. 406; KG FamRZ 2017, 685 [686]; a.A. Staudinger/Henrich, BGB [2019], Art. 19 EGBGB Rn. 34 [mwN auch zur h.M.], was vor allem bei unwirksamen Frühehen problematisch ist, vgl. Frank, StAZ 2018, 1 [4]). 19 Vgl. für die selbständige Anknüpfung OLG Karlsruhe FamRZ 1983, 757 f.; MüKoBGB8/von Hein, Einl. IPR Rn. 205; vgl. zur Heilung durch Statutenwechsel MüKoBGB8/Coester, Art. 13 EGBGB Rn. 18.

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Erster Teil: Einführung

erforderlich macht. Kollisionsrechtlich ist also keine abschließende und vollbefriedigende Lösung für alle Fälle vorhanden.20 Ohnehin ist es sachgerecht, die auftretenden Probleme dort zu lösen, wo sie auftreten: Es handelt sich um Probleme des Sachrechts.21

II. Verfahrensrechtliche Anerkennung von statusrelevanten Entscheidungen Abzugrenzen sind ferner Fälle mit Auslandsbezug, in denen der Vertrauensschutz im Rahmen eines formellen Anerkennungsverfahrens in eine Gesamtabwägung eingestellt werden kann. 1. Ausländische Adoptionsentscheide Besonders plastisch wird der Vertrauensschutz (des Kindes) in Fällen, in denen einer gemäß ausländischem Recht wirksam durchgeführten Adoption nach mitunter mehrjährigem Zusammenleben als Familie in Deutschland die Anerkennung versagt wird. Dies veranschaulicht eine Sachverhaltskonstellation, über die das Oberlandesgericht Karlsruhe zu entscheiden hatte: Ein in Deutschland lebendes, türkisches Ehepaar adoptiert ein im Jahr 2003 geborenes Kind in der Türkei mit nach türkischem Recht wirksamer gerichtlicher Adoptionsentscheidung vom 11. Oktober 2004. Die leibliche Mutter des Kindes ist die Schwester der Ehefrau und lebt mit ihrem Ehemann in Istanbul. Das Kind lebt seit dem Jahr 2007 bei seinen vermeintlichen Adoptiveltern in Deutschland und besucht dort den Kindergarten. Letztere erstreben erfolglos die Anerkennung der Adoption. Das Oberlandesgericht als Beschwerdeinstanz bestätigt im Jahr 2010 die Zurückweisung des Anerkennungsantrags, weil das in der Türkei durchgeführte Adoptionsverfahren insbesondere mangels Prüfung des Adoptionsbedürfnisses und der Eignung der Annehmenden nicht dem deutschen ordre public entsprochen habe. Daran könne auch die möglicherweise inzwischen entstandene faktische Eltern-Kind-Beziehung und die begonnene Integration

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Zu diesem Ergebnis gelangt Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 151 f.; so auch Frank, StAZ 2011, 236 (238 f.). 21 MüKo-BGB8/von Hein, Einl. IPR Rn. 207; Hepting, IPRax 1994, 355 (358); Bernitt, Anknüpfung von Vorfragen (2010), S. 92; von Bar/Mankowski, IPR I2, § 7 Rn. 203 f.; Henrich, IntFamR2, § 1 VII, S. 41; Staudinger/Mankowski, BGB (2010), Art. 13 EGBGB Rn. 538 („man drischt den kollisionsrechtlichen Sack und meint doch den sachrechtlichen Esel“); so auch bereits Siehr, IPRax 1987, 19 (20); vgl. auch Voit, Heilung durch Statutenwechsel (1997), S. 182; Neuhaus, in: FS Schwind (1978), S. 223 (230, 236).

§ 2 Thematische Eingrenzung

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des Kindes nichts ändern; „eine faktische Nachholung der Adoptionsentscheidung“ könne im Anerkennungsverfahren nicht erfolgen. Die Antragsteller werden auf die Möglichkeit einer Wiederholungsadoption verwiesen.22 Die Anerkennung eines durch Adoption begründeten rechtlichen ElternKind-Verhältnisses setzte bis zum Adoptionshilfe-Gesetz vom 12.2.202123 grundsätzlich kein förmliches Anerkennungsverfahren24 voraus, ein ausländischer Adoptionsakt konnte indes gemäß § 108 Abs. 2 FamFG in einem fakultativen25 gerichtlichen Anerkennungsverfahren mit (deklaratorischer) Wirkung erga omnes anerkannt werden. Nunmehr ist gemäß der in § 108 Abs. 1 FamFG implementierten Bereichsausnahme für einen Großteil aller Auslandsadoptionen ein obligatorisches Anerkennungsverfahren gesetzlich angeordnet.26 Das Verfahren richtet sich nach den Vorschriften der §§ 108, 109 FamFG, wobei für sog. Minderjährigenadoptionen das Adoptionswirkungsgesetz27 (AdWirkG) gemäß § 108 Abs. 2 Satz 3 FamFG vorrangig ist, seinerseits aber für die inhaltliche Prüfung keine das FamFG verdrängenden Vorgaben enthält.28 Ein zentrales Prüfungskriterium ist der materielle ordre public, und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine Konventionsadoption im Sinne des Haager Adoptionsübereinkommens29 (HAÜ) handelt oder nicht;30 er ergibt sich entweder aus § 109 Abs. 2 Nr. 4 FamFG oder, für Konventionsadoptionen, aus Art. 24 HAÜ. Im Rahmen der Prüfung, ob die Anerkennung der Entscheidung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, hat der Aspekt des Kindeswohls eine herausragende 22

Siehe zum Ganzen OLG Karlsruhe StAZ 2011, 210 ff.; vgl. zu zwei ähnlich gelagerten Fällen OLG Düsseldorf StAZ 2012, 82 ff.; OLG Frankfurt a.M. StAZ 2012, 241 ff. (siehe zu beiden Entscheidungen Frank, in: FS Coester-Waltjen [2015], S. 53 [56 ff.]). 23 Gesetz zur Verbesserung der Hilfen für Familien bei Adoption (Adoptionshilfe-Gesetz) vom 12.2.2021, BGBl I, Nr. 7, S. 226 ff. 24 Weitzel, Adoptionswirkungsgesetz2, Einl. Rn. 7. 25 Siehe zur dies relativierenden Praxis deutscher Auslandsvertretungen MüKoBGB8/Helms, § 2 AdWirkG Rn. 1. Siehe auch Botthof, Perspektiven der Minderjährigenadoption (2014), S. 121, der das Anerkennungsverfahren angesichts der Verwaltungsrealität de facto für obligatorisch hält. 26 Botthof, NJW 2021, 1127 (1129) {17 ff.}; Braun, StAZ 2021, 97 (98). 27 Gesetz über Wirkungen der Annahme als Kind nach ausländischem Recht (AdWirkG) vom 5.11.2001, BGBl I, Nr. 57, S. 2953 f. 28 MüKo-BGB8/Helms, § 2 AdWirkG Rn. 1; Weitzel, Adoptionswirkungsgesetz2, § 2 Rn. 7. Siehe jetzt aber zusätzlich § 4 Abs. 1 AdWirkG. 29 Übereinkommen über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption vom 29.5.1993, BGBl II 2001, Nr. 31, S. 1035 ff. 30 MüKo-BGB8/Helms, § 2 AdWirkG Rn. 8 f., der zugleich den eng begrenzten Anwendungsbereich von Art. 24 HÄU unterstreicht und auf die insoweit marginale Bedeutung des ordre-public hinweist; ähnlich auch Hepting/Dutta, Familie und Personenstand3, Rn. V-555 („strenger Maßstab“).

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Erster Teil: Einführung

Bedeutung,31 mit der Folge, dass unter anderem das Kontinuitätsinteresse des Kindes berücksichtigt werden muss. Im Zuge der umfassenden und an dem Ausnahmecharakter des ordre public-Verstoßes orientierten, also hohe Anforderungen32 stellenden Prüfung wirkt sich sodann auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus, wonach die sogenannte faktische Familie den Schutz von Art. 8 EMRK für sich beanspruchen kann.33 Es ist damit bereits ein Vehikel zur Berücksichtigung von Vertrauensgesichtspunkten vorhanden. Daran ändert auch der Befund nichts, dass die Anerkennung oftmals wegen einer nach deutschen Maßstäben ungenügenden oder gar unterbliebenen Kindeswohlprüfung versagt wird34 und die Beteiligten auf eine etwaige Wiederholungsadoption verwiesen werden. Das in diesem Kontext oft bemühte eher schlichte Argument, „das Anerkennungsverfahren dient nicht dazu, erstmals eine an eigenen Wertmaßstäben orientierte vollständige und umfassende Prüfung der Adoptionseignung der Annehmenden und des Kindeswohls durchzuführen“35 überzeugt zwar schon deshalb nicht, weil es bei der ordre public-Prüfung auf den Zeitpunkt der Entscheidung über die Anerkennung ankommt,36 der Zeitablauf eine gewichtige Rolle spielt und die Kindeswohlprüfung deshalb auch erstmalig erfolgen kann.37 Insbesondere unterstreicht Art. 24 HAÜ ausdrücklich die zeitliche Dimension des Kindeswohls bei der Prüfung des ordre public,38 und schließlich negiert ein kategorialer Ausschluss einer (auch erstmaligen) Kindeswohlprüfung die „Funktion einer Fürsorgemaßnahme“39, die einer Adoption zugunsten des anzunehmenden Kindes innewohnt. 31

Ausdrücklich Art. 24 HAÜ; vgl. im Übrigen nur Hepting/Dutta, Familie und Personenstand3, Rn. V-536 zum Verfahren nach § 109 FamFG sowie Rn. V-555 zum HAÜ; Botthof, StAZ 2014, 74 (79); VGH Kassel NJW-RR 1994, 391 (393); OLG Düsseldorf StAZ 2009, 335 (336); OLG Frankfurt a.M. StAZ 2009, 336 (337). 32 Siehe nur BGH FamRZ 2015, 1479 (1484) {34}; jüngst auch OLG Frankfurt a.M. NZFam 2020, 46 (46) (mAnm Majer). 33 EGMR FamRZ 2007, 1529 (1530 f.) {135} (mAnm Henrich); siehe dazu Botthof, StAZ 2013, 77 (79 f.). 34 OLG Karlsruhe StAZ 2011, 210 ff.; OLG Celle FamRZ 2012, 1226 ff.; OLG Hamm FamRZ 2011, 310 f.; OLG Düsseldorf StAZ 2012, 82 ff.; OLG Nürnberg StAZ 2019, 148 (149); OLG Frankfurt a.M. FamRZ 2017, 1512 (1514); StAZ 2012, 241 (242 f.). 35 Siehe nur OLG Hamm FamRZ 2011, 310 (311) (mwN); OLG Karlsruhe StAZ 2011, 210 (212) (mwN); kritisch insoweit Busch, JAmt 2011, 43 (44). 36 BGH NJW 1983, 2775 (2778). So jetzt ausdrücklich § 4 Abs. 2 AdWirkG, siehe Botthof, NJW 2021, 1127 (1130) {26}. 37 Frank, in: FS Coester-Waltjen (2015), S. 53 (57 f.), der ein sachgerechtes Ergebnis durch sekundärrechtliche Ansprüche (Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter) zu erreichen sucht; kritisch auch Hepting/Dutta, Familie und Personenstand3, Rn. V-539; vgl. auch Botthof, StAZ 2014, 74 (79); ders., StAZ 2013, 77 (78 f.). 38 Botthof, StAZ 2013, 77 (79 mit Fn. 32). 39 Hepting/Dutta, Familie und Personenstand3, Rn. V-395.

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Vor diesem Hintergrund sind teilweise unbefriedigende Ergebnisse nicht auf eine dogmatische Unsicherheit oder ein mangelndes Vehikel für die Berücksichtigungsfähigkeit von Vertrauensschutzgesichtspunkten zurückzuführen, sondern auf die restriktive Anerkennungspraxis durch die Gerichte. Das ist zu monieren, aber nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung. Der Vertrauensschutz lässt sich nämlich – unabhängig von der grundsätzlichen Eignung eines Anerkennungsverfahrens zur Abwehr rechtswidriger Adoptionspraktiken40 – innerhalb der ordre public-Prüfung bereits angemessen berücksichtigen. Dies belegen obergerichtliche Entscheidungen, die nachträgliche (scil. nach dem anzuerkennenden Adoptionsakt eingetretene) Veränderungen in die Abwägung einstellen.41 Demgegenüber unterscheidet sich beispielsweise der eingangs erwähnte Fall des gefälschten Geburtenregisters von den Fällen versagter Adoptionsanerkennung dadurch, dass durch das manipulative Verhalten gerade ein (ausländisches) Adoptionsverfahren umgangen worden ist und es deshalb von vornherein keinen anerkennungsfähigen Adoptionsakt gibt. 2. Verfahrensrechtliche Anerkennung im Übrigen Abzugrenzen sind ferner weitere Anerkennungsfragen betreffend ausländische Entscheidungen über den Status einer Person gemäß §§ 107 ff. FamFG. Insoweit können Vertrauensschutzgesichtspunkte abermals im Rahmen der Anerkennungsprüfung Berücksichtigung finden; insbesondere spielt der in § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG verankerte ordre public insofern erneut eine entscheidende Rolle. Das Gleiche gilt für Entscheidungen bestimmter europäischer Mitgliedstaaten, welche zwar nach Art. 21 Brüssel IIa-VO42 (künftig Art. 30

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Kritisch insoweit Botthof, StAZ 2013, 77 (80). So etwa OLG Bremen FamRZ 2015, 425 (427) („Dabei kann auch berücksichtigt werden, ob zwischenzeitlich Bindungen zwischen Adoptiveltern und Kind eingetreten sind, deren nachträgliche Lösung nicht mehr dem Kindeswohl entspricht[…]“); illustrativ auch OLG Stuttgart FamRZ 2018, 362 (364) („Bei der Bewertung ist vorliegend insbesondere zu beachten, dass die Anzunehmende […] inzwischen volljährig geworden ist und dass […] zwischen ihr und der Annehmenden eine tragfähige persönliche Beziehung und ein Eltern-KindVerhältnis bereits entstanden ist.“); OLG Hamm FamRZ 2015, 1983 (1984) („Bei der Frage, ob die Anerkennung der ausländischen Entscheidung zu einem Ergebnis führt, das zu dem Grundgedanken der entsprechenden deutschen Regelung und den darin enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch steht, dass das Ergebnis nach inländischen Vorstellungen untragbar erscheint, können vorliegend nach Ansicht des Senates auch die tatsächlich gelebten Verhältnisse nicht völlig außer Acht gelassen werden […]“); vgl. ferner OLG Brandenburg StAZ 2017, 15 (17) (Entscheidend sei, „ob die im Ergebnis der unvollständigen Kindeswohlprüfung durch die chinesische Behörde getroffene Adoptionsentscheidung im Zeitpunkt der Entscheidung über ihre Anerkennung in Deutschland mit dem Kindeswohl unvereinbar wäre[…]“), zustimmend Majer, NZFam 2020, 46 (46). 42 Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27.11.2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren 41

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Erster Teil: Einführung

Brüssel IIb-VO) ohne förmliches Verfahren anerkannt werden, denen aber unter den Voraussetzungen des Art. 22 Brüssel IIa-VO (künftig Art. 38 Brüssel IIb-VO) die Anerkennung versagt werden kann; dies namentlich bei einem offensichtlichen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung des jeweiligen Mitgliedstaats. Die entscheidende Frage ist oftmals die Auslegung des Begriffs der „Entscheidung“.43 Mit Blick auf die einführenden Beispielsfälle einer unwirksamen Eheschließung zeigt sich ferner die Parallele, dass im Falle der Nichtanerkennung einer ausländischen Statusentscheidung ein hinkendes Statusverhältnis entsteht. Im Unterschied zu Entscheidungen in Statusfragen kommt für eine Eheschließung aber keine verfahrensrechtliche Anerkennung in Frage.44 Ist die Ehe nach einer ausländischen Rechtsordnung wirksam, ist sie vielmehr nur einer sogenannten kollisionsrechtlichen Anerkennung zugänglich.45 Das bedeutet, dass anhand von Kollisionsnormen die maßgebliche Rechtsordnung zu ermitteln und das in Rede stehende Statusverhältnis anschließend an dem Maßstab des anwendbaren Rechts zu prüfen ist. Steht am Ende dieser Prüfung die Unwirksamkeit des Status fest, stellt sich die Frage, ob, unter welchen Voraussetzungen und inwieweit gegebenenfalls bestehendes Vertrauen schutzwürdig ist.46 3. Zwischensumme Obwohl die im Rahmen der verfahrensrechtlichen Anerkennung erzielten Ergebnisse oftmals unbefriedigend ausfallen, sollen sie nicht Gegenstand dieser Untersuchung sein. Der vorhergehende kursorische Überblick hat nämlich verdeutlicht, dass insoweit allenfalls ein Anwendungsproblem besteht, welches die Unwirksamkeit des Statusverhältnisses auf vermeidbare Weise herbeiführt. Punctum saliens ist also, dass der Vertrauensschutzgedanke schon auf der Unwirksamkeitsebene ein Vehikel zum Erreichen sachgerechter Ergebnisse darstellt. Eine davon zu trennende Frage ist, ob – an die Versagung der Anerkennung anschließend – der Status geheilt oder die Rechtsfolgen der Unwirksamkeit durch sekundärrechtliche Ansprüche abgemildert werden können.

betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000, Abl L 2003, Nr. 338. 43 Vgl. zu einem „Agreed Decree of Dissolution of Marriage“ jüngst KG NZFam 2019, 1118 (mAnm Mankowski). 44 Hau, in: Prütting/Helms, FamFG5, § 107 Rn. 24. 45 Wagner, StAZ 2012, 133 (134). 46 Es ist lediglich diese letzte Frage, die nachfolgend untersucht werden soll. Kollisionsrechtliche Lösungswege bleiben demgegenüber grundsätzlich außer Betracht, siehe bereits oben, § 2 I.

§ 2 Thematische Eingrenzung

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III. Unionsrechtliches Anerkennungsprinzip Unabhängig von der Beurteilung, inwieweit das vom Europäischen Gerichtshof entwickelte und auf unionsrechtlicher Ebene schon seit geraumer Zeit diskutierte Anerkennungsprinzip (auch Anerkennung von Rechtslagen47 oder inhaltliche Anerkennung48) mit dem Vertrauensschutzgedanken zusammenhängt,49 soll dessen eingehende Analyse anderen Arbeiten vorbehalten bleiben.50 Es setzt nämlich, wie zu zeigen sein wird, an der Fehlerquelle an und nimmt insoweit eine andere Perspektive ein als diejenige, die für die hier vorliegende Untersuchung grundlegend sein wird. Der Europäische Gerichtshof hat in einer Reihe von namensrechtlichen Entscheidungen ein Anerkennungsprinzip zum Namensrecht entwickelt.51 Unionsrechtliche Ausgangspunkte der gegenseitigen Anerkennung sind dabei unter anderem die Personenfreizügigkeit nach Art. 21 Abs. 1 AEUV und das Diskriminierungsverbot nach Art. 18 AEUV.52 Da eine hinkende Namensführung die betreffende Person von der Ausübung ihrer Grundfreiheiten abhalten könne, müssten Behörden eines Mitgliedstaats einen Namen anerkennen, wenn er in einem anderen Mitgliedstaat registriert und geführt worden sei, und zwar unabhängig von einem etwaig entgegenstehenden Kollisionsrecht des Anerkennungsstaats.53 Ausnahmsweise kann aber eine Anerkennung unter Rekurs auf

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Coester-Waltjen, in: FS Jayme I (2004), S. 121 (124); Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651 (712). 48 Vgl. Wagner, StAZ 2012, 133 (136 f., 138 mit Fn. 48) 49 Siehe ausführlich Hepting, StAZ 2013, 34 (37, 36 ff., 41), der auf dieselben Wertungskriterien von Vertrauensschutz einerseits und Freizügigkeitsprüfung des EuGH andererseits hinweist und schließlich andeutet, es brauche ein Anerkennungsprinzip gar nicht, da der Vertrauensgrundsatz zum selben Ergebnis führe und darüber hinaus weitergehend auch Fälle mit reinem Inlandsbezug sowie mit außereuropäischem Bezug erfassen könne; a.A. aber zumindest in Bezug auf Art. 48 EGBGB Sturm/Sturm, in: FS Brudermüller (2014), S. 801 (808 f.). 50 Siehe beispielsweise schon Leifeld, Anerkennungsprinzip im Kollisionsrechtssystem (2010), passim; Funken, Anerkennungsprinzip im IPR (2009), S. 104 ff.; Sommer, Einfluss der Freizügigkeit auf Namen und Status (2009), passim. 51 EuGH, Urt. vom 2.10.2003 – Rs C-148/02, FamRZ 2004, 173 (mAnm Henrich) – Garcia Avello; Urt. vom 14.10.2008 – Rs C-353/06, FamRZ 2008, 2089 ff. (mAnm Funken) – Grunkin Paul; Urt. vom 22.12.2010 – Rs C-208/09, FamRZ 2011, 1486 ff. – Sayn-Wittgenstein. 52 Dutta/Frank/Freitag/Helms/Krömer/Pintens, StAZ 2014, 33 (33); Lipp, in: FS Frank (2008), S. 393 (403); siehe zu der unionsrechtlichen Seite des Anerkennungsprinzips ausführlich Sommer, Einfluss der Freizügigkeit auf Namen und Status (2009), S. 153 ff. 53 EuGH, Urt. vom 14.10.2008 – Rs C-353/06, FamRZ 2008, 2089 (2090 ff.) {22 ff., 39} (mAnm Funken) – Grunkin Paul; Urt. vom 22.12.2010 – Rs C-208/09, FamRZ 2011, 1486 (1488) {53 f.} – Sayn-Wittgenstein; Urt. vom 2.6.2016 – Rs. C-438/14, FamRZ 2016, 1239 (1241) {37} – Bogendorff zu Wolffersdorff; siehe auch MüKo-BGB8/Lipp, Art. 10 EGBGB

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Erster Teil: Einführung

den ordre public versagt werden, wenn und soweit der damit verbundene Eingriff in das Personenfreizügigkeitsrecht aus Gründen der öffentlichen Ordnung gerechtfertigt ist.54 Zu den möglichen Rechtfertigungsgründen zählen jedenfalls nicht die schlichte Freiwilligkeit der Namensänderung oder die Länge des gewählten (Doppel-)Namens.55 Vielmehr ist eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung für ein Grundinteresse der Gesellschaft erforderlich.56 Dieses namensrechtliche „Schreckgespenst“57 scheint spätestens im Jahr 2018 endgültig aus seinem „Dornröschenschlaf“58 erwacht zu sein und sich auch im Umfeld anderer Statusverhältnisse umzutreiben:59 Der Europäische Gerichtshof hat in der Rechtssache Coman60 unter ausdrücklicher Bezugnahme auf seine namensrechtliche Rechtsprechung eine Beschränkung der Personenfreizügigkeit festgestellt, weil Behörden eines Mitgliedstaats sich weigerten, die in einem anderen Mitgliedstaat nach dortigem Recht wirksam geschlossene und geführte Ehe zwischen einem ihrer Staatsbürger und einem gleichgeschlechtlichen Drittstaatsangehörigen allein zu dem Zweck der Gewährung eines abgeleiteten Aufenthaltsrechts zugunsten dieses Drittstaatsangehörigen anzuerkennen.61 Auf ganz ähnliche Weise begründete der Gerichts-

Rn. 230; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand3, Rn. II-422; Dutta/Frank/Freitag/Helms/Krömer/Pintens, StAZ 2014, 33 (34); Henrich, in: FS Heldrich (2005), S. 667 (675). Während der EuGH eine Anerkennung von den Mitgliedstaaten fordert, lässt er den Weg der Umsetzung offen, vgl. Wagner, FamRZ 2011, 609 (610 ff.); Hepting/Dutta, Familie und Personenstand3, Rn. II-466 ff.; vgl. zu möglichen Ansätzen auch Wall, StAZ 2020, 2 ff.; Hepting, StAZ 2013, 34 ff. 54 EuGH, Urt. vom 22.12.2010 – Rs C-208/09, FamRZ 2011, 1486 (1489) {81 ff.} – Sayn-Wittgenstein; Urt. vom 2.6.2016 – Rs. C-438/14, FamRZ 2016, 1239 (1242) {48 ff.} – Bogendorff zu Wolffersdorff; vgl. auch Hepting/Dutta, Familie und Personenstand3, Rn. II-425. 55 EuGH, Urt. vom 2.6.2016 – Rs. C-438/14, FamRZ 2016, 1239 (1242 f.) {56; 60} – Bogendorff zu Wolffersdorff; Dutta, FamRZ 2016, 1213 (1217). 56 EuGH, Urt. vom 2.6.2016 – Rs. C-438/14, FamRZ 2016, 1239 (1243) {67} – Bogendorff zu Wolffersdorff. 57 Dutta, FamRZ 2018, 1067 (1068). 58 Coester-Waltjen, in: FS Jayme I (2004), S. 121 (121, 129). 59 So jedenfalls Dutta, FamRZ 2018, 1067 (1068); deutlich zurückhaltender Kohler/Pintens, FamRZ 2018, 1369 (1373) sowie Michl, FamRZ 2018, 1147 (1148). Siehe auch Flindt, FamRZ 2022, 286 (286 f.). 60 EuGH, Urt. vom 5.6.2018 – Rs. C-673/16, FamRZ 2018, 1063 (mAnm Dutta) – Coman. 61 EuGH, Urt. vom 5.6.2018 – Rs. C-673/16, FamRZ 2018, 1063 (1066) {40} (mAnm Dutta) – Coman; vgl. auch Hepting/Dutta, Familie und Personenstand3, Rn. III-283; Dutta, FamRZ 2018, 1067 (1068); Michl, FamRZ 2018, 1147 (1148), der den besonderen Kontext des Aufenthaltsrechts hervorhebt und herausstreicht, dass Mitgliedstaaten nicht verpflichtet seien, die Ehe für alle zu öffnen und gleichgeschlechtliche Ehen „generell als Ehen im Sinne der eigenen Rechtsordnung anzuerkennen“.

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hof in der Rechtssache Pancharevo die Pflicht eines Mitgliedsstaats, die in einem anderen Mitgliedstaat begründete und registrierte Abstammung zumindest für die Ausübung der Personenfreizügigkeit des Kindes und seiner Eltern anzuerkennen.62 Damit hat der Europäische Gerichtshof diejenigen in ihrer Auffassung bestärkt, die einer Übertragbarkeit des Anerkennungsprinzips auf das Eherecht und andere Statusverhältnisse schon länger jedenfalls offen(er) gegenüber stehen,63 die aber gleichwohl betonen, dass man beim Namen großzügiger sein könne als bei anderen Statusverhältnissen, da insoweit Drittinteressen kaum berührt würden und das staatliche Bedürfnis an der eindeutigen Identifizierung von Personen auf anderem, ohnehin deutlich effektiverem Wege befriedigt werden könne.64 Auf die Trag- und Reichweite der Entscheidungen Coman und Pancharevo soll nicht näher eingegangen werden. Interessant im vorliegenden Kontext erscheint vielmehr der Zusammenhang des Anerkennungsprinzips mit den sogenannten Frühehen: Die Konstellationen, in denen Minderjährige (im Sinne des deutschen Sachrechts) eine Ehe schließen, erhalten eine unionsrechtliche Dimension, wenn die Eheschließung in einem Mitgliedstaat nach dessen Recht wirksam erfolgte. Beispielsweise hatte das Amtsgericht Frankenthal über die Aufhebung einer im Jahr 2017 in Bulgarien wirksam geschlossenen65 Ehe zwischen einer im Zeitpunkt der Eheschließung sechszehnjährigen Bulgarin und einem 21-jährigen bulgarischen Staatsangehörigen zu entscheiden:66 Das Paar hat bereits ein gemeinsames Kind und lebt gemeinsam in Deutschland. Das Amtsgericht weist den behördlichen Aufhebungsantrag als unbegründet zurück und stützt seine Entscheidung im Wesentlichen auf das aus der unionsrechtlich verbürgten Personenfreizügigkeit abzuleitende Anerkennungsprinzip. Die für 62

EuGH, Urt. vom 14.12.2021 – Rs. C-490/20, FamRZ 2022, 281 ff. (mAnm Flindt) – Pancharevo. 63 Dafür: Helms, StAZ 2012, 2 (7 mit Fn. 71) sowie im Ansatz bereits ders., GPR 2005, 36 (38); siehe zum Streitstand Nordmeier, StAZ 2011, 129 (130 mit Fn. 12, 138 f.), der eine Einzelfallprüfung befürwortet; dagegen: Funken, Anerkennungsprinzip im IPR (2009), S. 178 ff. 64 Dutta/Frank/Freitag/Helms/Krömer/Pintens, StAZ 2014, 33 (41); siehe auch Sommer, Einfluss der Freizügigkeit auf Namen und Status (2009), S. 277 ff., der deshalb die Übertragung der EuGH-Rechtsprechung zum hinkenden Namen auf andere Statusverhältnisse ablehnt, S. 281. Siehe zur abnehmenden Bedeutung des Namens für die verwaltungsrechtliche Identifizierung nur Lettmaier, FamRZ 2020, 1 (6 f.) (mwN), die aber zugleich die Kommunikationsfunktion des Namens hervorhebt. Siehe zu den Funktionen des Namens noch unten, § 6 III 1–2. 65 Siehe ausführlich zur Wirksamkeit der Ehe nach bulgarischem Recht Coester-Waltjen, IPRax 2019, 127 (128). 66 AG Frankenthal FamRZ 2018, 749 f. (mAnm Löhnig); vgl. zu einem ähnlich gelagerten Fall AG Nordhorn FamRZ 2018, 750 f. sowie ihm nachfolgend und im Ergebnis bestätigend OLG Oldenburg FamRZ 2018, 1152 f.; siehe zu alledem Coester-Waltjen, IPRax 2019, 127 ff.

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Erster Teil: Einführung

die Aufhebungsgründe maßgebliche Vorschrift des § 1314 BGB sei als „KannVorschrift“ ausgestaltet und verleihe deshalb dem Familiengericht ein Ermessen in Bezug auf die Aufhebungsentscheidung. Dies nutzt das Amtsgericht als Einbruchstelle für die Berücksichtigung des Anerkennungsprinzips.67 Ähnlich argumentiert das Amtsgericht Nordhorn, knüpft dabei indes dogmatisch am Vorliegen eines die Aufhebung ausschließenden Härtefalls gemäß § 1315 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b BGB an und nimmt insoweit auf die Gesetzesbegründung Bezug,68 nach der unter die Härtefallklausel auch eine sonst drohende Verletzung des Freizügigkeitsrechts des minderjährigen Unionsbürgers gefasst werden könne.69 Andere befürworten zwar auch die Anwendung des Anerkennungsprinzips, wollen sich aber offenbar auf eine mögliche Rechtfertigung des Eingriffs in das Freizügigkeitsrecht zurückziehen.70 Der Minderjährigenschutz könne insoweit als Rechtfertigungsgrund in Betracht kommen.71 Eine solche Rechtfertigung setzt aber nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung für ein Grundinteresse der Gesellschaft voraus, wofür es wiederum auf eine umfassende Abwägung im Einzelfall ankommt.72 Insoweit erfolgt quasi eine Interessenabwägung im Sinne einer ordre public-Prüfung, die das Kinderehenbekämpfungsgesetz eigentlich ersetzen wollte.73 In den soeben geschilderten Fällen dürften aber keine ausreichenden Rechtfertigungsgründe im Sinne der EuGH-Rechtsprechung bestehen: Den Ehen ging eine längere Bekanntschaft voraus, es wurde weder Druck noch Zwang ausgeübt, und zwischen den Ehegatten, die bereits ein gemeinsames Kind haben, hat sich eine feste emotionale Beziehung entwickelt. Es handelt sich mitnichten um die in der rechtspolitischen Diskussion so gefürchteten Fälle der Kinderehen. Der gut gemeinte Minderjährigenschutz kann hier den schweren Eingriff in das Familienleben innerhalb der Europäischen Union kaum rechtfertigen.74

67

AG Frankenthal FamRZ 2018, 749 (749) (mAnm Löhnig); kritisch gegenüber dem methodischen Vorgehen insoweit Coester-Waltjen, IPRax 2019, 127 (129) sowie Löhnig, FamRZ 2018, 749 (750), der bereits die Antragstellung durch die Verwaltungsbehörde als eine Verletzung des Freizügigkeitsrechts qualifiziert. 68 AG Nordhorn FamRZ 2018, 750 (750). 69 Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen vom 25.4.2017, BTDrs. 18/12086, S. 17; kritisch Bongartz, NZFam 2017, 541 (543). 70 Majer, NZFam 2018, 332 (332). 71 Majer, NZFam 2018, 332 (332). 72 EuGH, Urt. vom 2.6.2016 – Rs. C-438/14, FamRZ 2016, 1239 (1243 f.) {67, 78} – Bogendorff zu Wolffersdorff. 73 Vgl. Fachausschuss/Wall, StAZ 2018, 96 (98); Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen vom 25.4.2017, BT-Drs. 18/12086, S. 15 („klare Regelungen für den Umgang der deutschen Rechtsordnung mit Ehen minderjähriger ausländischer Staatsangehöriger“). 74 So auch Coester-Waltjen, IPRax 2019, 127 (131 f.); Löhnig, FamRZ 2018, 749 (750).

§ 2 Thematische Eingrenzung

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Die vorstehenden Entscheidungen verdeutlichen nicht nur den „gesetzgeberischen Furor“75 des Kinderehenbekämpfungsgesetzes, sondern auch den Ansatzpunkt des Anerkennungsprinzips: Beide setzen an der Fehlerquelle an. Es ist zudem eine Etappe auf dem Weg zur Vereinheitlichung des divergierenden Familienrechts auf europäischer Ebene76 und dient damit der Beseitigung von Fehlerquellen. Insoweit nimmt es eine andere Perspektive ein als die vorliegende Untersuchung, die sich dem Phänomen der faktisch gelebten Statusverhältnisse widmet und nach interessengerechten Ausgleichsmechanismen sucht. Ferner ist der Vertrauensschutzgedanke insoweit nur eines von vielen Wertungskriterien; der Europäische Gerichtshof legt ihn seiner Argumentation noch nicht einmal ausdrücklich zugrunde. Ziel des Anerkennungsprinzips ist unter anderem das Vermeiden hinkender Rechtsverhältnisse innerhalb der Europäischen Union77 und die damit verbundene Gewährleistung von Rechtssicherheit, Voraussehbarkeit und Vertrauensschutz.78 Für Letzteren kommt die Erstregistrierung als denkbarer Vertrauenstatbestand in Betracht.79 Aber auch das Vertrauen auf die Maßgeblichkeit einer bestimmten Rechtsordnung kann schutzwürdig sein80 sowie das Vertrauen auf den Bestand der Ehe als Grundlage für die gemeinsame Lebensplanung.81 Allerdings stehen hier stets die Freizügigkeit und die (mit einer hinkenden Namensführung verbundenen) Schwierigkeiten im internationalen Zahlungsverkehr und bei grenzüberschreitenden Tätigkeiten im Vordergrund.82 Das hat ganz sicher etwas mit Vertrauensschutz zu tun, es geht aber unbestreitbaren Überschneidungen83 zum Trotz in erster Linie um die Verwirklichung der Europäischen Union als ein einheitlicher Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts.84 Das unionsrechtliche Anerkennungsprinzip hat damit eine andere Stoßrichtung als der Gedanke des Vertrauensschutzes bei gutgläubig gelebten Status-

75

Coester-Waltjen, IPRax 2019, 127 (127). Siehe Lettmaier, FamRZ 2020, 1 (3 ff.) mit anschaulicher Darstellung der unterschiedlichen Namensrechte. 77 Leifeld, Anerkennungsprinzip im Kollisionsrechtssystem (2010), S. 87, 97, 118, 133; Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651 (687); ähnlich Dethloff, AcP 204 (2004), 544 (566) („Ziel der Vereinheitlichung ist es, Freizügigkeit zu gewährleisten“). 78 Coester-Waltjen, in: FS Jayme I (2004), S. 121 (123); siehe ferner Leifeld, Anerkennungsprinzip im Kollisionsrechtssystem (2010), S. 185 ff. 79 Hepting, StAZ 2013, 1 (10); Leifeld, Anerkennungsprinzip im Kollisionsrechtssystem (2010), S. 187, 212. 80 Sommer, Einfluss der Freizügigkeit auf Namen und Status (2009), S. 267; Dethloff, AcP 204 (2004), 544 (556); Kropholler, IPR6, § 21 II 3, S. 151 ff. 81 Sommer, Einfluss der Freizügigkeit auf Namen und Status (2009), S. 267. 82 Sommer, Einfluss der Freizügigkeit auf Namen und Status (2009), S. 139; Dutta/Frank/Freitag/Helms/Krömer/Pintens, StAZ 2014, 33 (34). 83 Siehe Hepting, StAZ 2013, 34 (37 ff.). 84 Dutta/Frank/Freitag/Helms/Krömer/Pintens, StAZ 2014, 33 (34). 76

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Erster Teil: Einführung

verhältnissen. Das „Vertrauensinteresse [dient] als kollisionsrechtliches Abwägungsinstrument“.85 Die einleitenden Fallbeispiele zeichnen sich aber durch einen nachgelagerten Vertrauensschutz aus und knüpfen damit an die Unwirksamkeit des Statusverhältnisses, das Ergebnis der Anerkennungsprüfung, an. Der Unterschied zu den wegen Verstoßes gegen Art. 13 Abs. 4 Satz 2 EGBGB unwirksamen Eheschließungen besteht hier vor allem in dem Bezugspunkt des Gutglaubensschutzes. In den genannten Beispielsfällen vertrauen die Betreffenden auf eine nach deutschem Recht wirksam begründete Ehe und nicht auf eine Anerkennung ihrer nach ausländischem Recht wirksam geschlossenen Ehe. Bei den gefälschten Geburtenregistern setzt der Vertrauensschutz ebenfalls nicht bei der Anerkennung an, sondern bei der wirksamen Begründung (im Ausland).

IV. Änderung und Beendigung von Statusverhältnissen Die Chiffre vom Vertrauensschutz begegnet einem im Familienrecht häufig auch im Zusammenhang mit der Beendigung eines auf Dauer angelegten Status wie der Ehe oder der Eltern-Kind-Zuordnung.86 Die Anfechtung einer Vaterschaft kann beispielsweise nachträglich (scil. rückwirkend) eine faktische Eltern-Kind-Zuordnung herbeiführen. Fallen rechtliche und genetische Zuordnung der Vaterschaft auseinander, kann die rechtliche Vaterschaft bekanntlich angefochten und mit Wirkung ex tunc beseitigt werden. Das Anfechtungsregime dient ausschließlich der Korrektur einer rechtlichen Vaterschaft, die nicht den genetischen Verhältnissen entspricht, und lässt im Grundsatz soziale Beziehungen und faktische Verantwortungsübernahme ebenso unberücksichtigt wie voluntative Elemente.87 Um eine Einmischung in die Familie von außen möglichst zu verhindern, begrenzt der Gesetzgeber in § 1600 BGB zwar den Kreis der anfechtungsberechtigten Personen und knüpft die Anfechtung in bestimmten Konstellationen an das Vorliegen besonderer Voraussetzungen. So kann beispielsweise der genetische Vater die rechtliche Vaterschaft eines anderen Mannes nur anfechten, wenn zwischen dem Kind und dem rechtlichen Vater keine sozial-familiäre Beziehung besteht (§ 1600 Abs. 2 BGB). Dennoch ist es wegen der Rückwirkung88 nicht ausgeschlossen, dass eine wirksame Anfechtung erst nach jahrelang gelebter Vater-Kind-Beziehung erfolgt und damit 85

Leifeld, Anerkennungsprinzip im Kollisionsrechtssystem (2010), S. 186. Siehe zum Gedanken des Vertrauensschutzes im Familienrecht noch unten, § 5 III 4. 87 Siehe Gernhuber/Coester-Waltjen, FamR7, § 54 Rn. 78. 88 Für eine Begrenzung der Rückwirkung etwa Fröschle, NZFam 2017, 884 (888 f.) (de lege ferenda); kritisch zu der Rückwirkung auch Gernhuber/Coester-Waltjen, FamR7, § 54 Rn. 78. Siehe zu Überlegungen eines anderen Konzepts der Aufhebung mit ex nunc-Wirkung Heiderhoff/Schekahn, FPR 2011, 360 (365) sowie Heiderhoff, FamRZ 2010, 8 (14 ff.). 86

§ 2 Thematische Eingrenzung

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eine faktische Eltern-Kind-Zuordnung im Sinne der vorliegenden Untersuchung entsteht. Diese Möglichkeit hat der Gesetzgeber indes bewusst geschaffen und deshalb auch Instrumente bereitgestellt, um die gegenläufigen Interessen auszugleichen. Insoweit handelt es sich bei den Anfechtungsfällen nicht um diejenigen Fälle, die Anlass zu der vorliegenden Arbeit gegeben haben. Diese zeichnen sich gerade dadurch aus, dass ein unwirksames Statusverhältnis faktisch gelebt wird, und nicht dadurch, dass auf den Fortbestand eines einmal begründeten Status vertraut wurde. Das Problem der Anfechtungsfälle ist also nicht eine unerkannte Unwirksamkeit, sondern die strikte Rückwirkung der Korrektur im Status. Darum soll es hier aber nicht gehen. Anders als die Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft wirkt die Aufhebung eines Annahmeverhältnisses zwischen Annehmenden und einem als Minderjährigen Angenommenen nicht zurück in die Vergangenheit, sondern gemäß § 1764 Abs. 1 Satz 1 BGB nur in die Zukunft. Es entsteht mithin nicht im Nachhinein ein gutgläubig gelebtes faktisches Eltern-Kind-Verhältnis. Gleichwohl wirft auch eine Aufhebung mit Wirkung ex nunc Folgefragen auf, mit denen sich namentlich Abramenko eingehend befasst hat.89 Beispielsweise kann es unter dem Aspekt des Vertrauensschutzes und unter Berücksichtigung des Kindesinteresses geboten erscheinen, der angenommenen Person vermögensrechtliche Ausgleichsansprüche gegen die Annehmenden zu gewähren. Die von Abramenko aufgezeigten Lösungsmöglichkeiten können womöglich teilweise auch für Konstellationen fruchtbar gemacht werden, die der vorliegenden Arbeit zugrunde liegen. Das gilt insbesondere für diejenigen Fälle, in denen den Beteiligten ein Verschuldensvorwurf gemacht werden kann.90 Sie bauen nämlich – wie schon der Titel der Arbeit von Abramenko verrät – zentral auf einem Fehlverhalten der Annehmenden auf.91 Es handelt sich aber nicht um eine eigenständige Fallgruppe, die diese Arbeit untersuchen will.

V. Rechtsvergleichende Betrachtung Schließlich geht die Arbeit nicht rechtsvergleichend auf Lösungen ein, die andere Rechtsordnungen für den Umgang mit faktisch gelebten Statusverhältnis-

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Abramenko, Die vom Annehmenden verschuldete Aufhebung einer Adoption (2000), passim. 90 Siehe beispielsweise die unter § 8 II 2 dargestellten Fälle. 91 Vgl. Abramenko, Die vom Annehmenden verschuldete Aufhebung einer Adoption (2000), S. 47 ff. sowie explizit S. 189.

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Erster Teil: Einführung

sen bereithalten, wenngleich den im Hauptteil der Arbeit gefundenen Ergebnissen beispielsweise mit der französischen possession d’état,92 der us-amerikanischen equitable adoption,93 dem englischen child of the family,94 der common law Ehe95 oder der französischen Putativehe96 spannende Rechtsfiguren funktional gegenübergestellt werden könnten. Dies würde aber den ohnehin schon weit gesteckten Rahmen der Arbeit sprengen, sodass die Untersuchung auf den Vergleich der verschiedenen Status im deutschen Sachrecht begrenzt bleibt.

92 Siehe exemplarisch von Scheliha, Familiäre Autonomie und autonome Familie (2019), S. 116 ff.; Helms, in: FS Frank (2008), S. 225 (240); Frank, in: FS Schwab (2005), S. 1127 (1130 ff.); Klinkhammer, in: LA Pintens I (2012), S. 753 (764 f.); Geier, ZEuP 2017, 180 (194). 93 Siehe Frank, in: FS Coester-Waltjen (2015), S. 53 (56); ders., FamRZ 2015, 1149 (1153); BeckOGK-BGB/Markwardt (1.6.2022), Art. 22 EGBGB Rn. 27 ff. 94 Siehe Helms, in: Pluralisierung von Elternschaft (2011), S. 105 (112 f.); ders., in: FS Frank (2008), S. 225 (244); Frank, FamRZ 2015, 1149 (1151); Willems, NZFam 2016, 445 (449); Heiderhoff, FamRZ 2010, 8 (16). 95 Rieck, in: Rieck/Lettmaier, 21. EGL, USA Rn. 10; Coester, StAZ 1988, 122 (129). Siehe ferner Thomas, Formlose Ehen (1973), S. 38 ff., 45 ff., 50 ff. 96 Henrich, RabelsZ 37 (1973), 230 (236); Nestler, Die Putativehe (2010), S. 50 ff.

§ 3 Gang der Untersuchung Die Arbeit untergliedert sich in drei Hauptteile. In einem ersten kürzeren Abschnitt werden die beiden für die Arbeit zentralen Grundbegriffe des Status einerseits (§ 4) und des Vertrauensschutzes andererseits (§ 5) konkretisiert. Zunächst werden also der Begriff des Status und seine sozio-kulturelle sowie juristische Bedeutung betrachtet. Dabei soll über den Untersuchungsgegenstand weitere Klarheit geschaffen und zugleich die Relevanz eines Status für die Betreffenden und deren juristische wie gesellschaftliche Identität herausgearbeitet werden. Insbesondere wird herauszustreichen sein, dass neben die rechtlichen Folgen, die an die Wirksamkeit eines Status anknüpfen, eine stark ausgeprägte gesellschaftliche Wirklichkeit tritt, die das Recht abzubilden hat. Der zweite Unterabschnitt befasst sich sodann mit dem schillernden Begriff des Vertrauensschutzes, der nahezu in jedem Rechtsgebiet als Argumentationstopos anzutreffen ist1 – er dient gleichsam bei als ungerecht empfundenen Entscheidungen als juristische Allzweckwaffe. Ziel ist es, die hinter dem Vertrauensschutzgedanken stehenden Leitlinien und Wertungskriterien offenzulegen und seine unterschiedlichen Ausprägungen sowie die jeweiligen, mitunter sehr disparaten (Tatbestands-)Merkmale aufzuzeigen, auf deren Grundlage über den Schutz von investiertem Vertrauen zu entscheiden ist. Ist neben dem Begriff des Status auch der Vertrauensschutzgedanke in greifbare Form gegossen, können im umfassenden zweiten Hauptteil der Arbeit die eingangs angedeuteten Fallgruppen der unwirksamen, aber gutgläubig gelebten Statusverhältnisse untersucht und vertrauens- und interessengerechten Lösungen zugeführt werden (§§ 6 ff.). Ausgehend von der einfachrechtlichen Kodifizierung des Vertrauensschutzgedankens in Form gesetzlicher Heilungstatbestände sollen weitere Lösungswege aufgezeigt, ausgelotet, zusammengetragen und methodisch kritisch hinterfragt werden. Schließlich wird in einem abschließenden dritten Teil diskutiert, ob mit dem Gedanken des Vertrauensschutzes ein adäquates Vehikel zur Lösung der bisher

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Siehe unten, § 5 III.

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Erster Teil: Einführung

nur durch „argumentative Krücken“2 zu bewältigenden Fallgruppen zur Verfügung steht (§§ 10 f.). Es wird der induktive3 Versuch unternommen, die Entwicklung einer Lehre vom faktischen Status anzustoßen. In einem Schlussteil werden die wesentlichen Ergebnisse kurz zusammengefasst (§ 12) und die betrachteten Lösungen unter Bezugnahme der eingangs gebildeten Fallbeispiele veranschaulicht (§ 13).

2

Hepting/Gaaz, Personenstandsrecht II (2009), Rn. III-295, zitiert nach Frank, in: LA Pintens (2012), S. 607 (618). 3 Siehe noch unten, § 5 Fn. 113.

Zweiter Teil: Grundlagen

§ 4 Familienrechtlicher Status und Personenstandsrecht Der für den Fortgang der Untersuchung bedeutsame Rechtsbegriff des Status hat eine längere Entwicklung durchlaufen und wird in unterschiedlichen Kontexten verwendet.1 Vorliegend geht es um den zivilrechtlichen Statusbegriff. Er begegnet einem bereits im römischen Recht, das die Gesellschaftsordnung statusorientiert ausgestaltete und die Rechts- und Geschäftsfähigkeit der Menschen abgestuft an ihren jeweiligen Status anknüpfte.2 Die ständische Gesellschaftsordnung des Mittelalters rekurrierte gar auf den Status zur Einteilung der Individuen in kollektive Systeme.3 Der Status umschrieb also lange Zeit die Rechts- und Geschäftsfähigkeit eines Menschen innerhalb einer Gesellschaftsordnung (sogenannte kollektivistische Perspektive4). Auch nach preußischem Allgemeinen Landrecht wurde beispielsweise Person genannt, wer gewisse Rechte in der Bürgerlichen Gesellschaft genoss.5 Ein derartiges Begriffsverständnis erscheint angesichts der heutigen, von der grundsätzlichen Gleichheit aller Menschen ausgehenden (Art. 3 GG, § 1 BGB) Gesellschafts- und Zivilrechtsordnung überholt zu sein; jedenfalls wird der Status in der Rechtswissenschaft als Inbegriff der Rechts- und Geschäftsfähigkeit einer Person nicht

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Mit dem Begriff des Status werden viele Juristinnen und Juristen beispielsweise zuvörderst die Statuslehre Jellineks assoziieren, siehe zu dieser nur Brugger, AöR 136 (2011), 1 ff. 2 Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht22, § 23 Rn. 1 ff. Siehe ferner Muscheler, FamR4, Rn. 91 (mwN); Kriewald, Statusrelevante Erklärungen (2009), S. 26; vgl. auch Windel, in: Familienrechtlicher Status und Solidarität (2008), S. 1 (8 ff.); Damm, AcP 202 (2002), 841 (849 f.); Röthel, in: Familienrechtlicher Status und Solidarität (2008), S. 85 (107); dies., in: Regelungsaufgabe Vaterstellung (2014), S. 89 (94). 3 Kriewald, Statusrelevante Erklärungen (2009), S. 27. 4 Kriewald, Statusrelevante Erklärungen (2009), S. 27. 5 Damm, AcP 202 (2002), 841 (849); Windel, in: Familienrechtlicher Status und Solidarität (2008), S. 1 (7).

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Zweiter Teil: Grundlagen

mehr verwendet.6 Er hat sich mithin vom römischen Begriffsverständnis emanzipiert.7 Auch für den familienrechtlichen Status im Speziellen ist eine kollektivistische Betrachtung wenig vielsprechend, weil es das System Familie zwar gibt, dieses aber nicht als Kollektiv vom Gesetz adressiert wird.8 Der nachfolgenden Untersuchung wird ein relationaler Begriff9 zugrunde gelegt. Der Status beschreibt danach die (familienrechtliche) Beziehung einer Person zu anderen innerhalb eines familialen Verbunds, aber auch zu staatlichen Einrichtungen.10 Insoweit kann von einer „Standortbestimmung“11 der Person gesprochen werden. Dieser allgemeine Ansatz taugt als erste Annäherung an die Eigentümlichkeiten von Statusverhältnissen, vermag aber kaum Argumentationsmuster für problematische Einzelfragen anzubieten, beispielsweise um Reichweite und Bedeutung einer Heilung im Status auf Grundlage des Vertrauensschutzgedankens zu diskutieren. Der hier verwendete Statusbegriff muss mithin zunächst im Wege einer funktionalen Beschreibung konkretisiert und abgegrenzt werden (I.). Anschließend ist das Statussystem als Regelungstechnik zu betrachten, um leitende Grundprinzipien offenzulegen (II.). Die Statusorientierung des Rechts kann sodann anhand konkreter Status sichtbar gemacht werden (III.). Fernerhin ist die außerrechtliche Bedeutung eines

6 Siehe lediglich Pawlowski, Allgemeiner Teil7, Rn. 96 ff. (Kapitel 2), der unter der Überschrift „Der Status der Person“ die Rechts- und Geschäftsfähigkeit darstellt und den Status allgemein definiert als „Rechtsstellung, die dem einzelnen Rechtsgenossen in unserer Rechtsgemeinschaft zukommt“, siehe Rn. 86. Vgl. hier insgesamt auch Windel, in: Familienrechtlicher Status und Solidarität (2008), S. 1 (9 f.) sowie Röthel, in: Familienrechtlicher Status und Solidarität (2008), S. 85 (107); dies., in: Regelungsaufgabe Vaterstellung (2014), S. 89 (95) und Muscheler, FamR4, Rn. 91. 7 Röthel, StAZ 2006, 34 (41). 8 Kriewald, Statusrelevante Erklärungen (2009), S. 28; vgl. auch Windel, in: Familienrechtlicher Status und Solidarität (2008), S. 1 (7 f.). 9 So auch Röthel, in: Familienrechtlicher Status und Solidarität (2008), S. 85 (107); dies., in: Regelungsaufgabe Vaterstellung (2014), S. 89 (95); Kriewald, Statusrelevante Erklärungen (2009), S. 29; ähnlich bereits Savigny, System des heutigen Römischen Rechts II (1840), S. 460, 464 f. Siehe ausführlich zu den unterschiedlichen zivilrechtlichen Statuskonzepten Windel, in: Familienrechtlicher Status und Solidarität (2008), S. 1 (7 ff.) sowie ferner Muscheler, FamR4, Rn. 93 ff., der aber einen personalen Ansatz bevorzugt und darunter den Inbegriff personenrechtlicher Eigenschaften versteht. 10 Windel, in: Familienrechtlicher Status und Solidarität (2008), S. 1 (11); Röthel, StAZ 2006, 34 (41) („personal[e] Binnenkoordination“); von Scheliha, Familiäre Autonomie und autonome Familie (2019), S. 341 f.; im Ergebnis ähnlich Muscheler, FamR4, Rn. 95. Siehe auch Brexel, Die Entwicklung des Namensgebrauchs (1962), S. 122 sowie Klinkhammer, in: LA Pintens I (2012), S. 753 (754). 11 Gernhuber/Coester-Waltjen, FamR7, § 1 Rn. 25.

§ 4 Familienrechtlicher Status und Personenstandsrecht

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rechtlichen Status für die Allgemeinheit und die betreffenden Individuen herauszustellen, weil das Statusrecht auch eine dienende Funktion12 besitzt und „totes Recht“13 darstellte, wenn es Lebensrealitäten nicht hinreichend abbilden würde (IV.).

I. Status als familienrechtlicher Begriff In unregelmäßigen Abständen wiederkehrende Auseinandersetzungen des rechtswissenschaftlichen Schrifttums14 mit den dogmatischen und philosophischen Grundlagen, Eigenarten und Spezifika des Statusdenkens verleiten geradewegs zum Verfassen einer eigenständigen Abhandlung über den Status als solchen. Das aber führte vom hier gesetzten Untersuchungszweck weg und muss daher anderen Arbeiten vorbehalten bleiben. Im vorliegenden Zusammenhang kommt es zunächst auf eher formale Aspekte an, wie zum Beispiel auf die Fragen, welche Statusverhältnisse überhaupt existieren und welche Leitlinien in einem statusgeprägten Recht Bedeutung besitzen. 1. Status, Statusverhältnis und Personenstand Der Status ist ein Zentralbegriff des Familienrechts,15 der aber im Gegensatz zum Begriff des Personenstands keine gesetzliche Erwähnung findet und schon gar keine Legaldefinition erfahren hat. Es handelt sich um einen dogmatischen Begriff.16 Zum Personenstand bestimmt § 1 Abs. 1 PStG unterdessen die sich aus den Merkmalen des Familienrechts ergebende Stellung einer Person innerhalb der Rechtsordnung einschließlich ihres Namens und benennt als zum Personenstand gehörend Daten über Geburt, Eheschließung, Begründung einer Lebenspartnerschaft und Tod sowie damit in Verbindung stehende familienund namensrechtliche Tatsachen.17 Diese Daten sind Gegenstände der formel-

12 Siehe zur dienenden Funktion des Personenstandsrechts Hepting/Dutta, Familie und Personenstand3, Rn. I-11; Beitzke, StAZ 1984, 198 (198) („Diener des […] materiellen Rechts“). 13 In einem anderen Kontext, aber treffend Röthel, in: Ehe, Familie, Abstammung (2010), S. 9 (28). 14 Windel, StAZ 2006, 125 ff.; ders., in: Familienrechtlicher Status und Solidarität (2008), S. 1 ff.; Röthel, in: Familienrechtlicher Status und Solidarität (2008), S. 85 ff.; dies., in: Regelungsaufgabe Vaterstellung (2014), S. 89 ff.; Kriewald, Statusrelevante Erklärungen (2009), S. 25 ff.; Muscheler, StAZ 2006, 189 (197 ff.). 15 Windel, in: Familienrechtlicher Status und Solidarität (2008), S. 1 (6). 16 Röthel, in: Regelungsaufgabe Vaterstellung (2014), S. 89 (94) unter Rekurs auf Muscheler, StAZ 2006, 189 (197). 17 Siehe umfassend zum Begriff des Personenstands Berkl, Handbuch Personenstandsgesetz (2015), Rn. 22 ff.; Bornhofen, in: Gaaz/Bornhofen/Lammers, PersonenstandsG5, § 1

38

Zweiter Teil: Grundlagen

len Registerführung, die das Personenstandsgesetz – als formelles Recht – primär regelt18 und verdeutlichen die Reichweite des Rechtsbegriffs: Er umfasst das gesamte Personenrecht, also neben besonderen Familienrechtsverhältnissen auch die Rechts- und Geschäftsfähigkeit einer Person.19 Der Statusbegriff wird demgegenüber enger verstanden und auf solche Rechtsverhältnisse beschränkt, die auf Dauer angelegt und nach außen erkennbar sind, ihrerseits Grundlage vielfältiger Rechtsfolgen sein können und damit eine Art rechtliches Subsystem begründen.20 Als ein solches Subsystem sind jedenfalls Ehe- und Lebenspartnerschaft sowie das Eltern-Kind-Verhältnis unstreitig anerkannt.21 Für die Frage, ob es daneben weitere (familienrechtliche) Statusverhältnisse gibt, bedarf es noch einer funktionalen Betrachtung des Status. Zu konstatieren ist zunächst aber, dass die Begriffe Personenstand und Status keine Synonyme darstellen. Auch Status und Statusverhältnis sind keine gleichbedeutenden Begrifflichkeiten. Während der Status entsprechend seiner lateinischen Bedeutung einen Zustand beschreibt, also das Verheiratetsein, das Kindsein, die Namensführung, umfasst das Statusverhältnis alle Beziehungen und Rechtsfolgen, die sich aus dem Status ergeben oder zumindest an ihn anknüpfen.22

Rn. 6 f. Die Legaldefinition gilt nicht nur für das PStG, sondern auch für andere Gesetze wie beispielsweise für § 169 StGB (str.), siehe nur MüKo-StGB4/Ritscher, § 169 Rn. 6 (mwN auch zur Gegenmeinung); vgl. zur Gegenansicht nur Muscheler, FamR4, Rn. 90; vorsichtiger Bornhofen, in: Gaaz/Bornhofen/Lammers, PersonenstandsG5, § 1 Rn. 5. 18 Berkl, Handbuch Personenstandsgesetz (2015), Rn. 11, 14; Bornhofen, in: Gaaz/Bornhofen/Lammers, PersonenstandsG5, § 1 Rn. 43 f.; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand3, Rn. I-8. 19 Hepting/Dutta, Familie und Personenstand3, Rn. I-13; siehe auch Kriewald, Statusrelevante Erklärungen (2009), S. 26; Windel, StAZ 2006, 125 (132) („Personenstand als ,Sammelbegriff‘ für die einzutragenden Verlautbarungen“). 20 von Scheliha, Familiäre Autonomie und autonome Familie (2019), S. 342; Kriewald, Statusrelevante Erklärungen (2009), S. 29; Muscheler, FamR4, Rn. 95; Röthel, in: Familienrechtlicher Status und Solidarität (2008), S. 85 (107 f.); vgl. bereits dies., StAZ 2006, 34 (41); ähnlich auch Muscheler, StAZ 2006, 189 (197) („Inbegriff von subjektiven Rechten und Pflichten“); siehe auch Budzikiewicz, Materielle Statuseinheit (2007), Rn. 5, S. 3 f. Andererseits kann der Statusbegriff auch weiter reichen als der des Personenstands, wenn beispielsweise die Staatsangehörigkeit als Status verstanden wird, weil sie unstreitig nicht zum Personenstand gehört, vgl. nur Berkl, Handbuch Personenstandsgesetz (2015), Rn. 22. 21 Muscheler, FamR4, Rn. 95; Röthel, in: Regelungsaufgabe Vaterstellung (2014), S. 89 (96); siehe auch Klinkhammer, in: LA Pintens I (2012), S. 753 (754). 22 Kriewald, Statusrelevante Erklärungen (2009), S. 30; Windel, StAZ 2006, 125 (129); ders., in: Familienrechtlicher Status und Solidarität (2008), S. 1 (11). So bereits Helms, Die Feststellung der biologischen Abstammung (1999), S. 220.

§ 4 Familienrechtlicher Status und Personenstandsrecht

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2. Funktionen und Wesensmerkmale Eine funktionale Beschreibung des Status ist nicht nur für seine konkrete Definition nützlich, sondern auch für den Umgang mit Zweifelsfragen, wie beispielsweise derjenigen nach etwaigen Heilungsmöglichkeiten bei gutgläubig gelebten Statusverhältnissen, von einem beträchtlichen praktischen Nutzen.23 Ausgehend von den Funktionen, die ein Status erfüllen soll, lassen sich konkrete Grundsätze aufstellen, die sich mitunter ergänzen, aber auch in Widerstreit zueinander geraten können. a) Totalität und Statusintentionalität Ein Statusverhältnis zeichnet sich in erster Linie durch seine Totalität aus.24 Es ist nicht nur ein an das Vorliegen gewisser Tatbestandsvoraussetzungen geknüpftes Rechtsverhältnis, sondern daneben selbst Tatbestandsvoraussetzung weiterer Anspruchsgrundlagen (insbesondere im Unterhaltsrecht, Erbrecht, Sozialrecht, siehe noch unten § 4 II 1), für welche es weder auf den konkreten Willen in Bezug auf die einzelne Rechtsfolge ankommt noch eine jeweilige Prüfung der Wirksamkeit des zugrundeliegenden Status erfolgt.25 Der Status entfaltet mithin eine totale Wirkung: Er ist entweder existent oder nicht, ist aber einer unterschiedlichen Bewertung je nach Rechtsfolge nicht zugänglich (Ehe für die Abstammung existent, für das Sozialrecht nicht; Vater im Sinne des Sorgerechts ja, im Sinne des Unterhaltsrechts aber nein).26 Im Zusammenhang mit der Totalität des Status steht der Grundsatz der Statusintentionalität: Der Wille zur Begründung eines Status bezieht sich nicht auf die einzelnen Rechtsfolgen, sondern auf die Begründung des Status als solchen.27 Das unterscheidet den Status wesentlich von einer Realbeziehung.28 Neben der Vereinfachung der Rechtsanwendung, die durch die Statusintentionalität erreicht wird, tritt ein weiterer markanter Vorteil statusrechtlichen Regelns: Entscheiden sich Personen einmal für die Begründung eines Status, bleibt es grundsätzlich ihnen überlassen, wie sie ihren rechtlichen Status in tatsächlicher Hinsicht 23

Strick, Die Adoption des eigenen Kindes (1996), S. 75. Muscheler, FamR4, Rn. 186; Kriewald, Statusrelevante Erklärungen (2009), S. 32. 25 Röthel, in: Regelungsaufgabe Vaterstellung (2014), S. 89 (100 f.); Windel, in: Familienrechtlicher Status und Solidarität (2008), S. 1 (13 f.); Muscheler, FamR4, Rn. 184; Kriewald, Statusrelevante Erklärungen (2009), S. 29. Siehe auch Helms, FamRZ 2010, 1 (3 f.) im Vergleich zum englischen Recht. 26 Kriewald, Statusrelevante Erklärungen (2009), S. 32; Röthel, in: Regelungsaufgabe Vaterstellung (2014), S. 89 (97), die insoweit aber von Absolutheit spricht. Das gleiche gilt auch für den Namen, vgl. NK-BGB AT4/Mankowski, Art. 10 EGBGB Rn. 17. 27 Muscheler, FamR4, Rn. 111, 184; Erbarth, NZFam 2021, 9 (10); Kriewald, Statusrelevante Erklärungen (2009), S. 32. 28 Röthel, in: Familienrechtlicher Status und Solidarität (2008), S. 85 (114); dies., in: Regelungsaufgabe Vaterstellung (2014), S. 89 (108 f.). 24

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Zweiter Teil: Grundlagen

leben und ihre persönliche Beziehung gestalten.29 Etwaige Rechtsfolgen knüpfen an Letzteres gerade nicht an, sondern nur an die wirksame Begründung des Status. Damit geht ein erheblicher Schutz der Privatheit der Binnenbeziehung einher: Nicht bei jeder einzelnen Rechtsfrage ist die Ausleuchtung der persönlichen Beziehung erforderlich, und persönliche Konflikte müssen nicht auf rechtlicher Ebene fortgeführt und ausgefochten werden.30 Röthel spricht daher treffend von einer „wohltuende[n] Enthaltsamkeit der Rechtsordnung gegenüber den Inhalten der persönlichen Bindung“.31 b) Statusklarheit und Statuswahrheit Neben die totale Wirkung des Status tritt die Absolutheit, die von den Sachenrechten bekannt ist und ausdrückt, dass der bestehende Status nicht nur relativ gegenüber bestimmten Personen und Stellen wirkt, sondern gegenüber allen gleichermaßen Geltung beansprucht. Urteile in Statusverfahren entfalten folgerichtig eine erga-omnes-Wirkung (vgl. § 184 Abs. 2 FamFG für Entscheidungen über eine rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung).32 Dies und die nicht unerhebliche Ausstrahlungswirkung des Status in das sonstige einfache Recht begründen ein Bedürfnis nach Statusklarheit.33 Das bedeutet, dass der Status nach außen erkennbar sein muss, und zwar sowohl in Bezug auf seinen Bestand als auch auf seinen Inhalt (Typenzwang und Publizität).34 Damit geht ferner Exklusivität einher.35 Insoweit verdienen die Personenstandsregister eine Erwähnung. In ihnen werden sämtliche familienrechtliche Verhältnisse öffentlichkeitswirksam verzeichnet und jede Änderung im Status verlautbart.36 Der strenge Formalismus, der Statusverhältnissen unweigerlich anhaftet, schimmert an dieser Stelle bereits recht deutlich durch, und es liegt auf der Hand, 29

Treffend für die Ehe Staudinger/Voppel, BGB (2018), § 1314 Rn. 63. Muscheler, FamR4, Rn. 197; Kriewald, Statusrelevante Erklärungen (2009), S. 32; Röthel, in: Familienrechtlicher Status und Solidarität (2008), S. 85 (112); Windel, in: Familienrechtlicher Status und Solidarität (2008), S. 1 (13). Vgl. für das Unterhaltsrecht auch Lipp, in: Familienrechtlicher Status und Solidarität (2008), S. 53 (81) (Es müsse weniger „schmutzige Wäsche“ gewaschen werden). 31 Röthel, in: Familienrechtlicher Status und Solidarität (2008), S. 85 (112). 32 Siehe auch Helms, Die Feststellung der biologischen Abstammung (1999), S. 220. Die gerichtliche Ehescheidung entfaltet mit Eintritt der formellen Rechtskraft Gestaltungswirkung: Die Ehe ist gegenüber allen beendet, vgl. BeckOGK-BGB/Coester-Waltjen (1.8.2022), § 1564 Rn. 1 sowie Kriewald, Statusrelevante Erklärungen (2009), S. 32. 33 von Scheliha, Familiäre Autonomie und autonome Familie (2019), S. 342; Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts (2018), S. 147; Röthel, in: Regelungsaufgabe Vaterstellung (2014), S. 89 (97); Chebout/Xylander, NJW 2021, 2472 (2475); Kaulbach/Pickenhahn/von Scheliha, FamRZ 2019, 768 (771 f.). 34 Kriewald, Statusrelevante Erklärungen (2009), S. 32. 35 Kriewald, Statusrelevante Erklärungen (2009), S. 32 f.; vgl. auch Sanders, Mehrelternschaft (2018), S. 11. 36 Röthel, StAZ 2006, 34 (40); Kriewald, Statusrelevante Erklärungen (2009), S. 33. 30

§ 4 Familienrechtlicher Status und Personenstandsrecht

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dass die allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften über Abschlussmängel nicht unbesehen auf die Heilung von Statusverhältnissen übertragen werden können. Ein Status ist aber mehr als ein „formale[s] Band“.37 Seine rechtliche Existenz setzt neben der formellen Begründung stets einen materiellen Tatbestand voraus, und die Eintragung hat lediglich deklaratorische Natur.38 Dieses konstitutive Erfordernis eines materiellen Kerns innerhalb der formellen Hülle39 bedeutet Statuswahrheit. Ein formeller Scheinstatus soll demnach vermieden werden und grundsätzlich keine materiell-rechtliche Anerkennung finden. Das Prinzip der Statuswahrheit hat aber, wie bei den einzelnen Status noch zu zeigen sein wird,40 an Bedeutung verloren und wird insbesondere durch die Statusbeständigkeit41 begrenzt, was im Recht der Eltern-Kind-Zuordnung mit Blick auf die Beschränkungen des Anfechtungsrechts sichtbar wird. c) Statusbeständigkeit Die wohl wichtigste Funktion des Status ist die Verlässlichkeit oder, anders gewendet, die Stabilität.42 Der Status schafft eine grundsätzlich unverrückbare soziale Position,43 es handelt sich gleichsam um ein soziales Bezugssystem, auf dessen Bestand die betreffende Person vertraut.44 Das bedeutet zunächst eine gewisse Statik: Grundsätzlich ist ein Status auf Dauer angelegt, der privatautonomen Disposition entzogen,45 nur in gesetzlich bestimmten Fällen abänderbar und streng formgebunden. Er verliert „seinen Wert, wenn er immer wieder

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Kriewald, Statusrelevante Erklärungen (2009), S. 34. Hepting/Dutta, Familie und Personenstand3, Rn. I-10; MüKo-BGB8/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 87; Kriewald, Statusrelevante Erklärungen (2009), S. 33; siehe auch Muscheler, FamR4, Rn. 92, 111. 39 Kriewald, Statusrelevante Erklärungen (2009), S. 34. 40 Siehe für die Ehe unten, § 4 III 1 sowie für die Eltern-Kind-Zuordnung § 4 III 2. 41 Siehe sogleich, § 4 I 2c). 42 Windel, in: Familienrechtlicher Status und Solidarität (2008), S. 1 (11); von Scheliha, Familiäre Autonomie und autonome Familie (2019), S. 344; Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts (2018), S. 149 f.; vgl. auch Röthel, in: Regelungsaufgabe Vaterstellung (2014), S. 89 (103); Gernhuber/Coester-Waltjen, FamR7, § 1 Rn. 25. 43 Windel, in: Familienrechtlicher Status und Solidarität (2008), S. 1 (32); vgl. auch Röthel, StAZ 2006, 34 (41); Kriewald, Statusrelevante Erklärungen (2009), S. 33. 44 Strick, Die Adoption des eigenen Kindes (1996), S. 76 f.; Windel, in: Familienrechtlicher Status und Solidarität (2008), S. 1 (12) („Dauerrechtsverhältnisse[e] besonderer Art“); Lipp, in: Familienrechtlicher Status und Solidarität (2008), S. 53 (81); vgl. auch Helms, Die Feststellung der biologischen Abstammung (1999), S. 223; ders., FamRZ 1997, 913 (918). 45 Kriewald, Statusrelevante Erklärungen (2009), S. 32; Muscheler, FamR4, Rn. 191. Siehe rechtsvergleichend zur rechtlichen Elternschaft Budzikiewicz, in: Family law and culture (2014), S. 151 (153). Siehe aber zur Vereinbarkeit von Statussystem und Privatautonomie im Recht der Eltern-Kind-Zuordnung von Scheliha, Familiäre Autonomie und autonome Familie (2019), S. 337 ff. 38

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Zweiter Teil: Grundlagen

und von jedermann angezweifelt werden kann“.46 Statik und Verlässlichkeit bedeuten aber nicht, dass ein Statusverhältnis gar nicht abänderbar ist; das Statusrecht ist nicht auf die Festschreibung gänzlich unverrückbarer sozialer Positionen zugeschnitten.47 Das gilt beispielsweise und ganz offensichtlich für den Status der Ehe. Die geschiedene Ehe vermittelt keinen Status, die Scheidungsfolgen sind zwar Ausdruck des nachwirkenden Ehestatus,48 der indes beendet wurde. Aber auch im Recht der Eltern-Kind-Zuordnung49 sowie im Namensrecht sind Statusänderungen denkbar und zunehmend zu beobachten.

II. Status als Regelungssystem Aus dem familienrechtlichen Status allein folgt noch keine rechtliche Konsequenz.50 Der Status beschreibt entsprechend seiner etymologischen Bedeutung und lateinischen Herkunft zunächst nur einen Zustand.51 Erst konkrete Bezugnahmen anderer Teilrechtsordnungen auf ihn spannen ein Netz gegenseitiger Rechte und Pflichten auf und verhelfen dem Status zu einer zentralen Bedeutung. Es handelt sich mithin um eine Regelungstechnik, die auch als Statussystem bezeichnet wird.52 1. Anknüpfen von Rechtsfolgen Vielzählige Teilrechtsordnungen knüpfen an den familienrechtlichen Status an.53 Das gilt beispielsweise für das Unterhaltsrecht, das ganz wesentlich an die rechtliche Elternschaft (§ 1601 BGB) und die Ehe (§§ 1360, 1569 ff. BGB)

46 Helms, Die Feststellung der biologischen Abstammung (1999), S. 221 f.; ders., in: Regelungsaufgabe Vaterstellung (2014), S. 19 (28); ähnlich ders., FamRZ 1997, 913 (918). 47 Windel, in: Familienrechtlicher Status und Solidarität (2008), S. 1 (32). Vgl. auch Röthel, in: Regelungsaufgabe Vaterstellung (2014), S. 89 (98). 48 Windel, in: Familienrechtlicher Status und Solidarität (2008), S. 1 (24). 49 Siehe eingehend zum Statusgedanken im Recht der Eltern-Kind-Zuordnung Röthel, in: Regelungsaufgabe Vaterstellung (2014), S. 89 ff. 50 Röthel, in: Regelungsaufgabe Vaterstellung (2014), S. 89 (97 f.); von Scheliha, Familiäre Autonomie und autonome Familie (2019), S. 343 f.; vgl. auch Windel, in: Familienrechtlicher Status und Solidarität (2008), S. 1 (11). 51 Vgl. Ramm, Jugendrecht (1990), § 22 II 1, S. 160; Helms, Die Feststellung der biologischen Abstammung (1999), S. 220. 52 Helms, Die Feststellung der biologischen Abstammung (1999), S. 220; von Scheliha, Familiäre Autonomie und autonome Familie (2019), S. 341; vgl. auch Strick, Die Adoption des eigenen Kindes (1996), S. 77 f. („[r]echtstechnische Funktion“). 53 Windel, in: Familienrechtlicher Status und Solidarität (2008), S. 1 (13 f.). Siehe allgemein zu den Verquickungen des Familienrechts mit der Rechtsordnung Bosch, FamRZ 1966, 57 (58 ff.).

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gebunden ist.54 Auch für Sorge- (§§ 1626 ff. BGB) und Umgangsrechte (§ 1684 BGB) ist der rechtliche Status der Eltern-Kind-Zuordnung entscheidend,55 wenngleich ein rechtlicher Anspruch auf Umgang bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen auch gegenüber anderen Bezugspersonen gegeben sein kann (§ 1685 BGB). Das Erbrecht ist de lege lata56 ebenfalls strikt statusorientiert ausgestaltet: Die Pflichtteilsberechtigung und die gesetzliche Erbfolge sind an die Wirksamkeit von rechtlicher Elternschaft und Ehe geknüpft und finden in ihnen ihre Legitimation.57 Das Bestehen eines Status wirkt darüber hinaus in das Steuerrecht (z.B. §§ 31 f. EStG, §§ 15 f. ErbStG), in Verfahrensordnungen (z.B. §§ 41 Nr. 2, 2a, 3; 383 Abs. 1 Nr. 2, 2a, 3; 739; 742 ZPO; § 52 Abs. 1 Nr. 2, 2a, 3 StPO; § 15 AO) sowie das Sozialrecht (z.B. §§ 46, 48 SGB VI; §§ 63 ff. SGB VII, siehe aber auch die Vorschriften des SGB VIII,58 das mithilfe des Begriffs der Erziehungsberechtigten vielmehr mitunter auch auf die Inhaberschaft des Sorgerechts abstellt)59 hinein. Statusverhältnisse können in ihrem Bestand schließlich ihrerseits von einem anderen Status abhängen. So wird die rechtliche Vaterschaft beispielsweise gemäß § 1592 Nr. 1 BGB zuvörderst an das Bestehen einer wirksamen Ehe geknüpft. Der Name und die Staatsangehörigkeit des Kindes bestimmen sich ferner nach seinen rechtlichen Eltern (§§ 1616 ff. BGB; § 4 Abs. 1 Satz 1 StAG). Die Staatsangehörigkeit eines Kindes kann zudem entscheidend davon abhängen, ob seine Eltern wirksam miteinander verheiratet sind und damit die rechtliche Vaterschaft besteht (§ 4 Abs. 1 Satz 2 StAG). Diese kursorischen Ausführungen unterstreichen jedenfalls für die Ehe und die Eltern-Kind-Zuordnung die besondere rechtliche Bedeutung, die der Wirksamkeit eines Status zukommt. Auf den ersten Blick werden allerdings an den Namen, der nach hier zugrunde gelegtem Verständnis einen Status im weiteren Sinne darstellt,60 keine Rechtsfolgen geknüpft. Diese Betrachtung greift indes zu kurz und übersieht, dass die Namensführung beispielsweise spürbare Aus-

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Lipp, in: Familienrechtlicher Status und Solidarität (2008), S. 53 (65, 67, 71, 76, 81, 82); vgl. auch Klinkhammer, in: LA Pintens I (2012), S. 753 (755). 55 Vgl. nur von Scheliha, Familiäre Autonomie und autonome Familie (2019), S. 48 f. 56 Ganz generell wird die strenge Statusorientierung des Erbrechts immer häufiger in Frage gestellt. Die Statusorientierung des Familien- und Erbrechts ist damit nicht unumstritten und sieht sich vermehrt Zweifeln ausgesetzt. Siehe zur entsprechenden Kritik und Reformvorschlägen nur Röthel, in: Familienrechtlicher Status und Solidarität (2008), S. 85 (85 ff.); siehe auch Frank/Helms, ErbR7, § 1 Rn. 1. 57 Röthel, in: Familienrechtlicher Status und Solidarität (2008), S. 85 (90, 101, 105 f.). 58 Vgl. insbesondere §§ 1 Abs. 3 Nr. 3, 7 Abs. 1 Nr. 5 und 6, 16, 27 f. SGB VIII. 59 Siehe aber zur Emanzipationstendenzen des Sozialrechts vom Familienrecht Klinkhammer, in: LA Pintens I (2012), S. 753 (762 ff.) sowie BVerfGE 62, 323 (323 ff.). 60 Siehe noch unten, § 4 III 3.

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wirkung auf die Ausübung der Freizügigkeit und die Voraussetzungen der Eheschließung haben kann.61 Er hat damit zumindest eine vergleichbare Wirkung wie statusorientiertes Recht. 2. Strenge Formalisierung und restriktives Abschlussmängelrecht Die damit konstatierte statusorientierte Ausgestaltung von Teilen des einfachen Rechts soll vor allem vorhersehbare, verlässliche und widerspruchsfreie Ergebnisse garantieren.62 Ein so verstandenes Statusrecht strebt mithin ganz selbstverständlich nach Ruhe und Klarheit und scheint deshalb dem allgemeinen rechtsgeschäftlichen Abschlussmängelrecht nicht oder nur eingeschränkt zugänglich zu sein.63 Die Leitlinien der Stetigkeit, Bestandsfestigkeit und Transparenz64 führen jedenfalls zu einer strikten Formalisierung. Bei einem Status handelt es sich um einen „Formalakt [mit] typisierende[n] Rechtsfolgen“.65 Für die Begründung und Auflösung eines Status sind materiell-rechtliche Erklärungen zwar zentrale Voraussetzungen, ihre Wirksamkeit aber von der Einhaltung bestimmter Formvorschriften abhängig. Sinn und Zweck der Form ergeben sich dabei aus der aufgezeigten Tragweite eines Status ganz von selbst: Warnfunktion, Übereilungsschutz, Erkennbarkeit und Beweisfunktion.

III. Einzelne Status im Überblick Statusverhältnisse zeichnen sich vor dem Hintergrund der festgestellten Funktionen also durch eine Regelungstechnik aus, die auf Allgemeingültigkeit, Offenkundigkeit und Dauerhaftigkeit66 angelegt ist. Nachfolgend sollen die Status, die Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sein werden, kurz im Lichte der Statusorientierung betrachtet werden.

61 Das zeigt sich vor allem mit Blick auf die Diskussion über ein unionsrechtliches Anerkennungsprinzip und die namensrechtliche Rechtsprechung des EuGH, die wesentlich auf der unionalen Freizügigkeit aufbaut. Siehe zu den Auswirkungen auf die Eheschließung hier nur den vom Fachausschuss des Bundesverbands der Deutschen Standesbeamtinnen und Standesbeamten diskutierten Fall bei Fachausschuss/Horenkamp, StAZ 2021, 250 (250 ff.). Zur allgemeinen Bedeutung des Namens siehe im Übrigen noch ausführlich unten, § 6 III. 62 Röthel, in: Regelungsaufgabe Vaterstellung (2014), S. 89 (101). 63 Gernhuber/Coester-Waltjen, FamR7, § 1 Rn. 28. 64 Dieser Dreiklang geht zurück auf Bydlinski, System und Prinzipien (1996), S. 360. Ähnlich auch von Scheliha, Familiäre Autonomie und autonome Familie (2019), S. 344. 65 Frank, StAZ 2004, 330 (333). 66 Vgl. von Scheliha, Familiäre Autonomie und autonome Familie (2019), S. 344. Siehe ferner Röthel, in: Regelungsaufgabe Vaterstellung (2014), S. 89 (98 f.) („Stabilität, Transparenz, Zertizität“), die für den juristischen Sprachgebrauch vorschlägt, von statusorientierter Ausgestaltung zu sprechen.

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1. Ehe und eingetragene Lebenspartnerschaft Die Ehe als besondere und exklusive rechtliche Verbindung zwischen zwei Personen erfüllt sämtliche oben genannte statustypische Kriterien. Das Eherecht regelt umfassend und mit Wirkung erga omnes die Rechtsbeziehung zwischen den Ehegatten, und zwar grundsätzlich unabhängig davon, ob einzelne Rechtsfolgen gewollt sind oder nicht, und losgelöst von dem individuellen Verständnis der Beteiligten von Ehe und ehelichem Zusammenleben (Statusintentionalität67). Das Statusdenken im Recht der Ehe hat sich zwar gewandelt, weil sich das Lebenszeitprinzip kaum ausnahmslos aufrechterhalten lässt und sich auch im Scheidungsfolgenrecht nicht mehr fortsetzt.68 Die Ehe ist prinzipiell aber noch immer auf Dauer angelegt (sie wird gemäß § 1310 Abs. 1 Satz 1 BGB auf Lebenszeit geschlossen) und hat die Schaffung von starken und stabilen Solidarverhältnissen zum Ziel.69 Ihr Zustandekommen sowie ihre Beendigung richten sich nach materiellem Recht, nämlich vor allem nach den Willenserklärungen der Beteiligten.70 Die Eheschließung ist aber zugleich streng formalisiert; die Eheschließungserklärungen können gemäß § 1310 Abs. 1 BGB nur vor dem Standesbeamten wirksam abgegeben werden. Ähnliches gilt für die Ehescheidung, die gemäß § 1564 Abs. 1 Satz 1 BGB noch immer eines gerichtlichen Ausspruchs bedarf (Scheidungsmonopol der Gerichte).71 Die erforderliche staatliche Mitwirkung geht auf den sogenannten Kulturkampf zurück,72 unterstreicht die Bedeutung der Ehe und sorgt für Rechtsklarheit.73 Wegen der besonderen Bedeutung der Ehe für Recht und Gesellschaft werden ihr Bestehen und ihr Ende zudem öffentlich registriert. Vor allem durch die besondere Form der Eheschließung unterscheidet sie sich äußerlich von der ebenfalls auf übereinstimmendem Willen beruhenden nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Das Prinzip der Statuswahrheit berücksichtigt das Bürgerliche Recht hingegen nur in abgeschwächter Form. Eine sogenannte Scheinehe ist gemäß

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Vgl. zur Statusintentionalität bei der Ehe Henrich, in: FS Lerche (1993), S. 239 (246). Windel, in: Familienrechtlicher Status und Solidarität (2008), S. 1 (38); vgl. auch BeckOGK-BGB/Schlünder (1.8.2022), § 1569 Rn. 4. Zum Bedeutungsverlust nachehelichen Unterhalts vgl. Schürrmann, in: FS Koch (2019), S. 123 (130 f.). 69 Röthel, in: Ehe, Familie, Abstammung (2010), S. 9 (27). 70 Vgl. Gernhuber/Coester-Waltjen, FamR7, § 11 Rn. 10. 71 Muscheler, FamR4, Rn. 395; Antomo, NZFam 2018, 243 (243). 72 Gernhuber/Coester-Waltjen, FamR7, § 11 Rn. 5. 73 Gernhuber/Coester-Waltjen, FamR7, § 11 Rn. 2; BeckOGK-BGB/Coester-Waltjen (1.8.2022), § 1564 Rn. 33; siehe zur Mitwirkung als Ordnungselement OLG Nürnberg FamRZ 2021, 493 (494) (mAnm Solomon). 68

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§ 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB lediglich mit Wirkung ex nunc74 aufhebbar und nicht schlechthin unwirksam.75 Im Jahr 2001 trat mit der eingetragenen Lebenspartnerschaft ein neuer Status neben die Ehe.76 Seit der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare im Jahr 2017 ist aber die Begründung einer neuen Lebenspartnerschaft nicht mehr möglich (§ 1 LPartG),77 stattdessen steht der Status der Ehe nunmehr auch gleichgeschlechtlichen Paaren offen.78 Der Status der eingetragenen Lebenspartnerschaft unterscheidet sich im Hinblick auf die Heilung einer unwirksamen Begründung bereits durch die Abwesenheit eines gesetzlichen Aufhebungsregimes von der Ehe. Es ist insbesondere umstritten, ob die eherechtlichen Vorschriften der §§ 1310 Abs. 2 und 3; 1314 f. BGB auf die eingetragene Lebenspartnerschaft analoge Anwendung finden.79 Diese Frage sowie die der Heilung unwirksam begründeter Lebenspartnerschaften bleiben vorliegend außer Betracht, weil für die Heilung wertungsmäßig dieselben Erwägungen Platz greifen wie bei der gutgläubig gelebten Nichtehe.

74 Vgl. aber § 1318 BGB, der in seinem Abs. 2 keine Verweisung auf das Scheidungsfolgenrecht für den Fall der Aufhebung gemäß § 1314 Abs. 2 Nr. 4 BGB enthält und dieses damit ausschließt. Siehe in Bezug auf das Unterhaltsrecht Staudinger/Voppel, BGB (2018), § 1318 Rn. 28; MüKo-BGB9/Wellenhofer, § 1318 Rn. 10. Vgl. aber zur möglichen Partizipation an der gesetzlichen Erbschaft BeckOGK-BGB/Otto (1.7.2022), § 1318 Rn. 11. 75 Deshalb ist der Begriff einer rechtsmissbräuchlichen Ehe auch vorzugswürdig, siehe BeckOGK-BGB/Otto (1.7.2022), § 1314 Rn. 25. 76 Muscheler, FamR4, Rn. 84; Windel, in: Familienrechtlicher Status und Solidarität (2008), S. 1 (23); Röthel, in: Regelungsaufgabe Vaterstellung (2014), S. 89 (99). 77 Siehe Art. 3 Abs. 3 des Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vom 20.7.2017, BGBl I, Nr. 52, S. 2787 f. sowie MüKoBGB9/Duden, Vor § 1 LPartG Rn. 15 f. Siehe umfassend zu familien- und personenstandsrechtlichen Fragestellungen, die das Gesetz aufgeworfen hat, Helms, StAZ 2018, 33 ff. 78 Bezüglich der Ehewirkungen unterscheidet sich die Ehe zwischen verschiedengeschlechtlichen Personen indes weiterhin von derjenigen, die gleichgeschlechtliche Personen geschlossen haben. Beispielsweise soll die in § 1592 Nr. 1 BGB niedergelegte Vaterschaftsvermutung innerhalb einer gleichgeschlechtlichen Ehe nach wohl überwiegender Ansicht keine Geltung beanspruchen, vgl. nur MüKo-BGB8/Wellenhofer, § 1592 Rn. 14 mit Fn. 22 uwN auch zur Gegenansicht. Siehe nun aber den Koalitionsvertrag „Mehr Fortschritt wagen“ von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, S. 101, abrufbar unter: https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Koalitionsvertrag/Koalitionsvertrag_20212025.pdf (zuletzt: 6.9.2022). 79 MüKo-BGB9/Duden, § 1 LPartG Rn. 9 mit Fn. 17 uwN.

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2. Eltern-Kind-Zuordnung Auch das Recht der Eltern-Kind-Zuordnung80 ist traditionell vom Statusprinzip geprägt.81 Allerdings hat der „Sonderstatus“82 der Ehelichkeit inzwischen keine eigenständige Bedeutung mehr.83 Die rechtliche Zuordnung eines Vaters zum Kind vollzieht sich anhand abschließender Regelungen und ist monopolistisch ausgestaltet,84 wenngleich der väterliche Status an Eindeutigkeit mittlerweile etwas eingebüßt hat85 und rechtliche Beziehungen des Kindes zu anderen Personen als den rechtlichen Eltern nicht ausgeschlossen sind (z.B. § 1685 Abs. 2 BGB). Mutter eines Kindes ist nach wie vor stets die Frau, die das Kind geboren hat (§ 1591 BGB). Hier zeigen sich Statusklarheit, aber auch Statuswahrheit. Letztere ist ein Regelungsanliegen der bürgerlich-rechtlichen ElternKind-Zuordnung: Die rechtliche Vaterschaft soll sich möglichst mit der genetischen Wahrheit decken.86 Die so verstandene Statuswahrheit hat aber an Bedeutung verloren,87 wie die personellen (§ 1600 Abs. 1 BGB), sachlichen (§ 1600 Abs. 2, 3, 4 BGB) und zeitlichen (§ 1600b BGB) Voraussetzungen des

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Gleichbedeutend mit Abstammungsrecht. Zu den Begrifflichkeiten noch unten, § 8 I 1. Siehe BeckOGK-BGB/Balzer (1.8.2022), § 1592 Rn. 12 ff. („Prinzipien des Abstammungsrechts“); BeckOK-BGB/Hahn (1.5.2022), § 1592 Rn. 1; Dethloff, FamR33, § 10 Rn. 1, 51 ff.; Schwab, FamR30, Rn. 654; Gaul, FamRZ 1997, 1441 (1442); Helms, Die Feststellung der biologischen Abstammung (1999), S. 220; von Scheliha, Familiäre Autonomie und autonome Familie (2019), S. 18, 341; Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts (2018), S. 130 f., 220 ff.; Sanders, Mehrelternschaft (2018), S. 11 f.; Coester-Waltjen, ZfPW 2021, 129 (136 f.); Ernst, NZFam 2018, 443 (445) („Statusfunktion des Abstammungsrechts“); vgl. auch Gernhuber/Coester-Waltjen, FamR7, § 1 Rn. 26; Strick, Die Adoption des eigenen Kindes (1996), S. 73. 82 Mutschler, FamRZ 1994, 65 (65). 83 Wanitzek, Rechtliche Elternschaft (2002), S. 152. Siehe zum früheren Status des außerehelich geborenen Kindes sowie zur Angleichung der Rechtsstellung ehelicher und nichtehelicher Kinder ausführlich Budzikiewicz, Materielle Statuseinheit (2007), Rn. 34 ff., S. 19 ff. 84 Wanitzek, Rechtliche Elternschaft (2002), S. 153; Dethloff, FamR33, § 10 Rn. 8; vgl. auch Sanders, Mehrelternschaft (2018), S. 11. 85 Burkart, in: Regelungsaufgabe Vaterstellung (2014), S. 73 (82). 86 Entwurf eines Gesetzes zur Klärung der Vaterschaft unabhängig vom Anfechtungsverfahren vom 4.10.2007, BT-Drs. 16/6561, S. 8; Dethloff, FamR33, § 10 Rn. 1; Schwab, FamR30, Rn. 654; Jauernig/Budzikiewicz, BGB18, § 1592 Rn. 1; Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts (2018), S. 137; siehe auch Helms, FamRZ 2010, 1 (1 f.) sowie Coester-Waltjen, ZfPW 2021, 129 (137). 87 BGH FamRZ 2008, 1424 (1426) (mAnm Wellenhofer); 2008, 1836 (1839). 81

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Anfechtungsrechts, die Einführung eines statusunabhängigen Abstammungsklärungsverfahrens (§ 1598a BGB)88 und die unverrückbare Mutterschaft89 unterstreichen. Statuswahrheit darf hier ferner nicht zu eng verstanden werden im Sinne eines umfassenden staatlichen Interventionsrechts, das vor allem bei der rechtlichen Vaterschaftszuordnung gerade nicht besteht.90 Statuswahrheit bedeutet hier also beispielsweise nicht, dass rechtliche Zuordnung und wirkliche (genetische) Abstammung zwingend übereinstimmen müssen.91 Die statustypische Stabilität ist bei der rechtlichen Eltern-Kind-Zuordnung hingegen unschwer festzustellen.92 Die Position der Mutter ist nur im Wege der Adoption und diejenige des Vaters lediglich in den abschließend genannten Fällen sowie unter restriktiv geregelten Voraussetzungen abänderbar: Es existieren insbesondere kurze und klare Anfechtungsfristen (§ 1600b BGB), und der anfechtungsberechtigte Personenkreis (§ 1600 Abs. 1 BGB) ist abschließend und eng umrissen. Nur in den Grenzen des § 1599 Abs. 2 BGB ist der Status der rechtlichen Vaterschaft disponibel ausgestaltet. Allerdings ist der Statusgedanke im Recht der Eltern-Kind-Zuordnung etwas weniger intensiv ausgeprägt als im Eherecht. Beispielsweise stellen sich der Gedanke der Statusintentionalität sowie der mit ihm verbundene Schutz der Binnenbeziehung bei Lichte betrachtet ganz anders dar als bei der Ehe. Vielmehr haben das staatliche Wächteramt, das Elternrecht sowie der Primat des Kindeswohls ohnehin zu einer stetigen Verrechtlichung der Eltern-Kind-Beziehung geführt.93 Klarheit und Stabilität sind einerseits leitende Kriterien der 88 Eingeführt durch Gesetz zur Klärung der Vaterschaft unabhängig vom Anfechtungsverfahren vom 26.3.2008, BGBl I, Nr. 11, S. 441 ff.; kritisch zur Aufspaltung des Verfahrens in ein Klärungs- und ein Anfechtungsverfahren Wolf, in: FS Frank (2008), S. 349 (360) („Das Anfechtungsverfahren soll also weiter unfair sein dürfen“) sowie (365); Gaul, FamRZ 1997, 1441 (1443); zur historischen Entwicklung Helms, in: FS Frank (2008), S. 225 (226 ff.). Siehe auch ders., FamRZ 2008, 1033 ff. sowie Klinkhammer, in: LA Pintens I (2012), S. 753 (759 f.). 89 Vgl. insoweit Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts (2018), S. 139. 90 Röthel, in: Familienrechtlicher Status und Solidarität (2008), S. 85 (90). Siehe zur Verfassungswidrigkeit der behördlichen Vaterschaftsanfechtung BVerfG FamRZ 2014, 449 ff. (mAnm Helms). 91 Helms, Die Feststellung der biologischen Abstammung (1999), S. 222; Dethloff, FamR33, § 10 Rn. 1; vgl. auch Kriewald, Statusrelevante Erklärungen (2009), S. 33; Chebout/Xylander, NJW 2021, 2472 (2475) („Die Eltern-Kind-Zuordnung ist kein ‚Wahrheitsrecht‘“); Reuß, in: FS Coester-Waltjen (2015), S. 681 (691). 92 Vgl. auch Helms, Die Feststellung der biologischen Abstammung (1999), S. 222 f.; Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts (2018), S. 222. Siehe aber kritisch zur Stabilisierungswirkung des Status im Recht der Eltern-Kind-Zuordnung Röthel, in: Regelungsaufgabe Vaterstellung (2014), S. 89 (111 ff.). Angesprochen ist damit die Leistungsfähigkeit des Statusgedankens, worauf hier aber nicht eingegangen werden soll. Es genügt die Feststellung, dass es sich grundsätzlich um ein Statusverhältnis handelt und die Eltern-Kind-Zuordnung nach wie vor statusorientiert ausgestaltet ist. 93 Röthel, in: Regelungsaufgabe Vaterstellung (2014), S. 89 (109 f.).

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Eltern-Kind-Zuordnung, sie verkörpern aber andererseits keine „Werte an sich“.94 Die Etablierung rechtlicher Vaterschaft ist im Grunde genommen Interessenabwägung, bei der immer auch Drittinteressen zu berücksichtigen sind, dem Kindeswohl aber im Zweifel der Vorzug gebührt. Tendenziell wird dabei einer faktischen Nähebeziehung zwischen rechtlichem Vater und Kind der Vorzug vor der genetischen Wahrheit eingeräumt (§ 1600 Abs. 2 BGB), woran sich eine stärkere Fokussierung auf die soziale Lebenswirklichkeit beobachten lässt.95 Ferner ist die rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung anders als Ehe und Name ein asymmetrischer Status;96 es handelt sich um ein Rechtsverhältnis, an dem mindestens drei Personen (Kind, Mutter, Vater, aber auch soziale Eltern und andere Bezugspersonen) beteiligt sind. Auch hier zeigt sich eine Relativierung des strengen Statusdenkens. Die Realbeziehung hat aber den Statusgedanken im Recht der Eltern-Kind-Zuordnung längst noch nicht ersetzen können, weil der Status als Regelungssystem weiterhin bedeutsam ist.97 3. Name als Status? Legt man ein enges Statusverständnis zugrunde, handelt es sich beim Namen einer Person nicht um einen Status im oben skizzierten Sinne, weil der Name als solcher schon kein Verhältnis zwischen zwei Personen betrifft98 und er auch nicht unmittelbar Grundlage weiterer Rechtsfolgen sein kann. Allerdings ist das Namensrecht in ähnlicher Weise wie familienrechtliche Statusverhältnisse von strenger Formalisierung und ausgeprägtem Kontinuitätsstreben durchdrungen. Er steht ferner nicht nur in enger Verbindung zu familienrechtlichem Status (Namensänderung infolge Eheschließung, Geburt und Abstammung sowie Adoption), sondern hängt der Person idealiter dauerhaft als lebenslanger Begleiter99 an. Insofern ist es folgerichtig, dass das Personenstandsgesetz auch den Namen als Regelungsgegenstand umfasst und der Name mitunter als Statusverhältnis bezeichnet wird.100 Die eher formale Streitfrage, ob der Name tatsächlich ein Status sein kann, ist hier mangels Untersuchungsrelevanz nicht

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Wanitzek, Rechtliche Elternschaft (2002), S. 160. Ähnlich schon Wanitzek, Rechtliche Elternschaft (2002), S. 154. 96 Röthel, in: Regelungsaufgabe Vaterstellung (2014), S. 89 (104, 107, 115 f.); von Scheliha, Familiäre Autonomie und autonome Familie (2019), S. 356 ff.; siehe auch MüKoBGB8/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 84; Wall, StAZ 2019, 225 (234). 97 So auch das Ergebnis von Röthel, in: Regelungsaufgabe Vaterstellung (2014), S. 89 (117). 98 Kriewald, Statusrelevante Erklärungen (2009), S. 30; Brexel, Die Entwicklung des Namensgebrauchs (1962), S. 122 f. 99 Hermann, AcP 45 (1862), 153 (156) („[…] der erhaltene Name war der untrennbare Begleiter durch das Leben […]“). 100 Wagner, StAZ 2012, 133 (133); Muscheler, FamR4, Rn. 95. Das entspricht wohl auch dem Verständnis von Bydlinski, System und Prinzipien (1996), S. 360 f., wonach Statusrecht 95

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näher zu diskutieren. Angesichts der angesprochenen Parallelen von Namen und typischen familienrechtlichen Statusverhältnissen ist es jedenfalls angezeigt, den Namen in die Untersuchung miteinzubeziehen. Insoweit dient der Name womöglich auch als Blaupause; ein Phänomen, das sich gleichermaßen auf der Ebene des unionsrechtlichen Anerkennungsprinzips beobachten lässt.101 Bereits an dieser Stelle drängen sich aber die strukturellen Unterschiede zwischen dem Namen auf der einen und der Ehe sowie der ElternKind-Zuordnung auf der anderen Seite auf. Gerade das Fehlen von Rechtsfolgen, die an die Namensführung geknüpft werden, sowie die mangelnde Etablierung eines gegenseitigen Systems „Name“ vereinfachen die Befürwortung weitgehender Heilungsmöglichkeiten. Drittinteressen (private wie staatliche), so viel sei bereits angedeutet, stehen einer Heilung kaum einmal entgegen und rufen mithin deutlich weniger Bedenken hervor als bei klassischen Statusverhältnissen des Familienrechts.102 Beim Namen stehen im Übrigen mangels Rechtsfolgenanknüpfung selbstverständlich keine rechtsfolgenbezogenen Lösungen als Alternative zur statusrelevanten Heilung zur Verfügung. Auf diese Unterschiede wird zurückzukommen sein. Der Name zählt mithin jedenfalls zum statusorientierten Recht in einem weiteren Sinne. 4. Weitere Status Mitunter werden weitere Einzelrechtsverhältnisse als eigenständiger Status benannt, wie beispielsweise die elterliche Sorge oder die Verwandtschaft.103 Vorliegend soll eine abschließende begriffliche Einordnung unterbleiben. Die Untersuchung beschränkt sich auf die klassischen und originären104 familienrechtlichen Status (Ehe und rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung) und den Namen, weil sie bereits hinreichend Anschauungsmaterial anzubieten haben und die gefundenen Wertungen sich zwangsläufig und ohne große Mühe auf die weiteren, abgeleiteten Status auswirken können. Auch die Staatsangehörigkeit, für die § 3 Abs. 2 StAG eine interessante Heilungsmöglichkeit bereithält und die

bedeutet, dass die Stellung des Menschen umfassend und dauerhaft bestimmt wird (Statusrecht als Zuteilung von Dauereigenschaften). 101 Siehe umfassend Wall, StAZ 2019, 225 (225 ff.); Dutta, FamRZ 2018, 1067 f. sowie bereits oben, § 2 III. 102 Siehe zu „multipolare[n] Interessenlage[n] bei Statusverhältnissen“ Wall, StAZ 2019, 225 (234) sowie ferner MüKo-BGB8/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 84. 103 Muscheler, FamR4, Rn. 95; ähnlich Kriewald, Statusrelevante Erklärungen (2009), S. 30 sowie Ramm, Jugendrecht (1990), § 22 II 2a, S. 160. 104 Diese Einordnung geht zurück auf Kriewald, Statusrelevante Erklärungen (2009), S. 30, die anschaulich zwischen originären und abgeleiteten Statusverhältnissen unterscheidet. Siehe auch Windel, in: Familienrechtlicher Status und Solidarität (2008), S. 1 (23) (primärer Status).

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mitunter als Status bezeichnet wird,105 ist nur am Rande und ergänzend Gegenstand der Untersuchung.

IV. Sozial-gesellschaftliche Bedeutung des Status Der Status beziehungsweise statusorientiertes Recht hat nicht nur eine hohe rechtliche Bedeutung für die betreffenden Personen und ihre gegenseitigen Rechte und Pflichten. Sie profitieren auch von der angesprochenen Entrechtlichung ihrer Binnenbeziehung,106 die sie quasi Zug-um-Zug gegen die bewusste Entscheidung für die Begründung eines rechtlichen Status erhalten. Das Statusrecht steht darüber hinaus in einer ausgeprägten Wechselbeziehung zur sozialen Realität (gesellschaftliche Erwartung).107 Häufig beschreibt der Status nur, was in der Lebenswirklichkeit bereits eingetreten ist.108 Wird diese Lebenswirklichkeit aber von den Menschen anders wahrgenommen, als das Recht es abzubilden vermag, kommt es zu Verwerfungen zwischen Recht und Gesellschaft. Statusbeziehungen sind häufig gesellschaftlich relevante Symbolakte, die gar nicht so sehr wegen der Rechtsfolgen, sondern um des Status willen begründet werden.109 Erfahren die Personen später, dass die avisierte Statusbegründung keinen rechtlichen Bestand hat, empfinden sie das regelmäßig nicht nur als ein Rechtsproblem. Ihr Lebensentwurf wird – um die bildliche Formulierung eines Obergerichts zu bemühen – „mit einem Federstrich beiseite geschoben“.110 Bei Ehe und Eltern-Kind-Zuordnung kann der Status grundsätzlich auch zur Stabilisierung der personalen Beziehung beitragen,111 wobei dieser (vorsichtige)112 Befund überzeichnet würde, entnähme man ihm die Schlussfolgerung, dass die rechtliche Nichtexistenz des Status die reale Beziehung abreißen lassen könnte. Dennoch bedeutet der rechtliche Status den Betreffenden mehr als nur rechtliche Struktur, er bietet ihnen Identifikation und Orientierung innerhalb der Gesellschaft. Auf die persönlichkeitsrechtliche Dimension des Namens wird noch näher einzugehen sein. An dieser Stelle genügt es, das Erfordernis hervorzuheben, dass Statusrecht die Lebenswirklichkeit 105

Siehe nur Ramm, Jugendrecht (1990), § 22 II 2a, S. 160. Siehe nur Röthel, in: Regelungsaufgabe Vaterstellung (2014), S. 89 (102) und im Übrigen bereits oben, § 4 I 2a). 107 Strick, Die Adoption des eigenen Kindes (1996), S. 76. 108 Vgl. von Schwind, in: FS Bosch (1976), S. 919 (924) (zum Ausspruch der Ehescheidung). 109 Frank, StAZ 2004, 330 (334). 110 OLG Köln FamRZ 1994, 891 (893) (zu der Eintragung einer unwirksamen Ehe in das frühere Sterbebuch). 111 Vgl. zu den insoweit aber bestehenden Unterschieden zwischen der Eltern-Kind-Zuordnung und der Ehe Röthel, in: Regelungsaufgabe Vaterstellung (2014), S. 89 (111 ff.). 112 Vgl. nur Heiderhoff, in: Regelungsaufgabe Vaterstellung (2014), S. 9 (18). 106

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Zweiter Teil: Grundlagen

möglichst genau abbilden sollte, wenn es nicht zu reinem Selbstzweck degradiert werden will.113

V. Resümierender Ausblick Die vorstehenden Ausführungen haben die rechtliche und gesellschaftliche Bedeutung des familienrechtlichen Status offengelegt. Die Vorteile des Statussystems liegen zuvörderst in der vereinfachten Rechtsanwendung begründet, die zu vorhersehbaren und widerspruchsfreien Ergebnissen innerhalb eines familialen Gesamtsystems führen soll. Dafür sind bestimmte Grundsätze zu berücksichtigen: Statusintentionalität, Statusklarheit, Statuswahrheit und Statusbeständigkeit. Ihnen ist wiederum ein gesteigertes Bedürfnis nach Formstrenge gemein, ohne welche statusorientiertes Recht nicht funktionieren kann. Die Frage, ob die Ratio des Statussystems auch durch oder trotz Zulassung privatautonomer Gestaltungen erreicht werden kann – eine Diskussion, die unter dem vielzitierten Ausdruck „from status to contract“114 geführt wird –, steht der Bedeutung des Status als Regelungstechnik nicht entgegen. Es ist auch nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit, Vor- und Nachteile des Statussystems gegeneinander abzuwägen. Eine grundlegende Abkehr vom Statusgedanken zeichnet sich allen Reformvorschlägen zum Trotz im Übrigen nicht ab.115 Vielmehr ist festzuhalten, dass der Status weiterhin in eine Vielzahl von Rechtsbereichen hineinwirkt und seine Wirksamkeit damit von überragender Bedeutung für die beteiligten Personen ist. Die Frage lautet hier also nicht, ob auch andere personale Beziehungen statusrechtlich ausgestaltet werden sollten oder einzelvertragliche Regelungen einem Statussystem vorzuziehen wären. Vielmehr wird in der vorliegenden Arbeit die Frage aufgeworfen, ob angesichts der überragenden Bedeutung eines Status sein Bestand auch dann zu verneinen ist, wenn dieser zwar nicht wirksam begründet worden ist, die Beteiligten aber im Vertrauen auf seine Wirksamkeit das Statusverhältnis tatsächlich gelebt haben. Bei der Annäherung an eine Antwort wird zu berücksichtigen sein, was der Status leisten soll (Statik, Verlässlichkeit, Erkennbarkeit) und welche die Grundlage seiner Entstehung ist (Statusintentionalität, Wille zur Verrechtlichung der Lebensbeziehung). 113 Vgl. in Bezug auf die Ehe Röthel, in: Ehe, Familie, Abstammung (2010), S. 9 (11). Ähnlich im Zusammenhang mit der Eltern-Kind-Zuordnung Helms, in: Regelungsaufgabe Vaterstellung (2014), S. 19 (28); Strick, Die Adoption des eigenen Kindes (1996), S. 76 f. Siehe auch Schwenzer, Vom Status zur Realbeziehung (1987), S. 249. 114 Maine, Ancient Law (1861), S. 113 f.; Schwenzer, Vom Status zur Realbeziehung (1987), passim; dies., in: Tensions between Legal, Biological an Social Conceptions of Parentage (2007), S. 1 (2); Muscheler, FamR4, Rn. 82. Siehe zum Erbrecht auch Röthel, in: Familienrechtlicher Status und Solidarität (2008), S. 85 (108 ff.). 115 Vgl. Röthel, AcP 214 (2014), 609 (618).

§ 5 Der Gedanke des Vertrauensschutzes Bevor der Frage nachgegangen werden kann, wie statusorientiertes Recht auf unwirksame, aber faktisch gelebte Status reagieren kann, erscheint es zunächst geboten, das oft bemühte Argument des Vertrauensschutzes näher zu betrachten. Dies zum einen, um dogmatische und inhaltliche Klarheit über den sogenannten Vertrauensgrundsatz zu gewinnen. Zum anderen soll durch Herausarbeitung konkreter Mindestanforderungen und Offenlegung tatsächlich bestehender Unklarheiten gleich zu Beginn der Untersuchung dem naheliegenden Bedenken Rechnung getragen werden, die Berufung auf den Vertrauensschutz sei allzu pauschal und diene lediglich dazu, im Sinne eines allgemeinen Billigkeitsrechts geschriebene Rechtsregeln auszuhebeln, die der rechtsanwendenden Person im Einzelfall als unpassend erscheinen („Allerweltsformel“1). Einem so verstandenen und willkürlich anmutenden Billigkeitsrecht soll hier nicht das Wort geredet werden. Gedanklicher Ausgangspunkt des nachfolgenden Abschnitts ist die Erkenntnis, dass Vertrauen ein geradezu ubiquitäres gesellschaftlich-soziales Phänomen darstellt (I.). Es ist zu eruieren, wie sich ein Rechtsbegriff des Vertrauens dazu zu verhalten vermag und in welcher Beziehung Recht und Vertrauen überhaupt zueinanderstehen (II.). Der Gedanke des Vertrauensschutzes ist in allen Rechtsgebieten anzutreffen, was kurz aufzuzeigen ist (III.). Dabei lassen sich den jeweiligen Unterschieden im Detail zum Trotz gemeinsame Leitlinien sowie ein allgemeines Grundgerüst erkennen (IV.). Letzteres bildet schließlich eine Grundlage für die weitere Untersuchung (V.). Keinesfalls ist es Ansinnen oder Anspruch der vorliegenden Abhandlung, den Vertrauensschutzgedanken in seinem gesamten Facettenreichtum rechtsgebietsübergreifend darzustellen. Vielmehr soll das Nachzeichnen allseits konsentierter Grundlinien für den hier verfolgten Zweck, Bestand und Reichweite des Vertrauensschutzgedankens im statusorientierten Recht zu analysieren, ausreichend sein. Es handelt sich mithin um eine kursorische Zusammenfassung, die ohne ein gewisses Maß an Vereinfachung und Generalisierung nicht auskommt.

1

Ossenbühl, DÖV 1972, 25 (34). Siehe zu weiteren Vorbehalten noch unten, § 5 IV 4.

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Zweiter Teil: Grundlagen

I. Vertrauen als ubiquitäres Phänomen Canaris führte gleich zu Beginn seiner bahnbrechenden Abhandlung über die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht aus, dass der Vertrauensgedanke „zweifellos zu den fundamentalsten Prinzipien einer jeden Rechtsordnung“ zu zählen sei.2 Diese zutreffende Einsicht lässt sich ohne große Mühe auf das sozial-ethische Verhalten innerhalb einer Gesellschaft zurückführen – menschliches Zusammenleben ist ohne gegenseitiges Vertrauen kaum vorstellbar.3 Man vertraut immer und überall.4 Vertrauen hat viele unterschiedliche Erscheinungsformen und Stoßrichtungen. Es entsteht vor allem, wenn Vergewisserung und Vorhersehbarkeit abnehmen,5 kann Komplexität reduzieren6 und in einem ökonomischen Sinne Vorleistungen ohne besondere Vorkehrungen ermöglichen.7 Man vertraut auf Versprechen, Verträge, ordnungsgemäße Zustände, verkehrsgerechtes Verhalten, die Einhaltung sozialer und juristischer Normen, Warnungen vor Gefahren, den Bestand des status quo oder künftige Entwicklungen. Man vertraut anderen Personen, aber auch privaten und öffentlichen Einrichtungen, wie beispielsweise Registern und Datenbanken. Es geht mithin um ein „allgemeines, diffuses, soziales Erfordernis“,8 das in seiner Ubiquität allerdings zu allgemein ist, um für das Recht zwingende Ableitungen unmittelbar bereitzustellen, wie auch Canaris konstatierte.9 Vielmehr kann das positive Recht sogar Vertrauensinvestitionen geradezu obsolet werden lassen; ein privatrechtlicher Vertrag entsteht ja beispielsweise durch zwei kongruierende Willenserklärungen und beruht damit nicht auf bloßem Vertrauen.10 Wesen und Bedeutung von Vertrauen zu erforschen, ist vornehmlich eine Aufgabe der

2 Canaris, Vertrauenshaftung (1971), S. 3; vgl. auch Luhmann, Vertrauen4, S. 42 („Vielleicht liegt diese Art Vertrauen überhaupt aller Rechtsbildung […] zugrunde“) und S. 44 („In Wahrheit fundiert der Vertrauensgedanke das gesamte Recht […]“). Siehe ferner Maurer, in: FS Boorberg Verlag (1977), S. 223 (224). 3 HStR IV3/Maurer, § 79 Rn. 11; von Craushaar, Der Einfluss des Vertrauens (1969), S. 12; Ossenbühl, DÖV 1972, 25 (25); Luhmann, Vertrauen4, S. 1; Stich, Vertrauensschutz im Verwaltungsrecht (1954), S. 3; Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes (1989), S. 13; vgl. auch C. Picker, in: Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2010 (2011), S. 205 (219); Brudermüller, in: LA Pintens I (2012), S. 227 (231). 4 C. Picker, in: Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2010 (2011), S. 205 (219). 5 von Craushaar, Der Einfluss des Vertrauens (1969), S. 12 („Wo das Wissen abnimmt, wächst Vertrauen“). 6 Luhmann, Vertrauen4, S. 27 ff.; Linke, Jura 2022, 787 (788). 7 Kalls, in: Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2010 (2011), S. 9 (14). 8 Luhmann, Vertrauen4, S. 42; siehe auch Preuß, JA 1977, 313 (313). 9 So bereits Canaris, Vertrauenshaftung (1971), S. 3 f.; siehe auch Luhmann, Vertrauen4, S. 42. 10 Luhmann, Vertrauen4, S. 42 f.

§ 5 Der Gedanke des Vertrauensschutzes

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Ethik, der Soziologie, der Philosophie, der Ökonomie oder der Psychologie.11 Die dabei gewonnenen Erkenntnisse können jedoch nicht unbesehen und ohne weitere Reflexion auf das Recht übertragen werden.12

II. Vertrauen als Rechtsbegriff Über das Verhältnis von Recht und Vertrauen ist bereits viel geschrieben worden.13 Einigkeit besteht dahingehend, dass es sich um jeweils zwei unterschiedliche soziale Phänomene handelt, die auf disparate Motivationslagen setzen (unpersönliches und indirektes staatliches Gewaltpotential hier, persönliche Risikobereitschaft dort).14 Recht tritt teilweise an die Stelle von Vertrauen. Rechtsregeln differenzieren gesellschaftliche Erwartungen aus und schaffen komplexe Bezugsrahmen; die Frage, wer wem konkret vertraut hat, wird verzichtbar.15 Gleichwohl ist nicht nur Trennendes, sondern auch Verbindendes zu konstatieren, wenn man Vertrauen und Recht betrachtet.16 Vertrauen fundiert nämlich das gesamte Recht;17 so wie das Recht Vertrauen zu ersetzen vermag, ist Vertrauen imstande, das Recht zu ergänzen, wo es lückenhaft erscheint.18 Der Vertrag kommt zwar nicht durch Vertrauen, sondern durch privatautonome Erklärungen zustande, das wirksame Vertragsverhältnis wird 11 Stich, Vertrauensschutz im Verwaltungsrecht (1954), S. 3; Eichler, Die Rechtslehre vom Vertrauen (1950), S. VI. 12 Vgl. nur Eichler, Die Rechtslehre vom Vertrauen (1950), S. 4; Riechelmann, Struktur des verfassungsrechtlichen Bestandsschutzes4, S. 16; vgl. auch C. Picker, in: Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2010 (2011), S. 205 (219); Schwarz, Vertrauensschutz als Verfassungsprinzip (2002), S. 33. Siehe ferner Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes (1989), S. 25 f. (mwN). 13 Luhmann, Vertrauen4, S. 41 ff.; Püttner, VVDStRL 32 (1974), 200 (200 f.); Preuß, JA 1977, 313 (313); vgl. auch Kalls, in: Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2010 (2011), S. 9 (13); Loges, Erklärungspflichten und Vertrauensschutz (1991), S. 83; vgl. ferner E. Picker, AcP 183 (1983), 369 (429); siehe eingehend zum Verhältnis von Recht und Moral unter Berücksichtigung des Vertrauensgedankens Stich, Vertrauensschutz im Verwaltungsrecht (1954), S. 5 ff. 14 Luhmann, Vertrauen4, S. 42; Preuß, JA 1977, 313 (313). 15 Vgl. Luhmann, Vertrauen4, S. 43; Loges, Erklärungspflichten und Vertrauensschutz (1991), S. 83. Siehe anschaulich Canaris, Vertrauenshaftung (1971), S. 413 ff., wonach Privatautonomie gerade nicht auf dem Vertrauensgedanken beruhe. 16 Vgl. Eichler, Die Rechtslehre vom Vertrauen (1950), S. 5 (keine „rechtliche Indifferenz des Vertrauensmoments“). 17 Luhmann, Vertrauen4, S. 44; Neuner, Allgemeiner Teil des BGB12, § 10 Rn. 82; vgl. auch HStR IV3/Maurer, § 79 Rn. 12; Canaris, Vertrauenshaftung (1971), S. 3. Nach Neuner, in: FS Canaris (2017), S. 205 (217) gehört das Prinzip des Vertrauensschutzes ferner zu den „bestimmenden Maximen der Rechtsfindung“. 18 Vgl. Canaris, Vertrauenshaftung (1971), S. 440 ff. (Vertrauenshaftung als „Korrelat der privatautonomen Gestaltungsfreiheit“).

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Zweiter Teil: Grundlagen

aber vom Prinzip der Vertragstreue19 durchdrungen. Das Recht ist mithin kein vollständiger Vertrauensersatz, sondern kann auf einen Vertrauensbruch ausgleichend (Erfüllungshaftung, Ersatz des Vertrauensschadens, Verbot der Rücknahme eines Verwaltungsakts, Heilung von Formfehlern) oder gar sanktionierend (Ersatz des positiven Interesses, Bestrafung, Beendigung eines Schuldverhältnisses) reagieren, wenn und soweit das Vertrauen schutzwürdig ist.20 Vertrauen ist und bleibt damit ein unverzichtbares Element der Rechtsordnung. Das Wort Vertrauen findet sich im geschriebenen Recht indes nur selten einmal explizit erwähnt.21 Weder haben sich ein einheitlicher Rechtsbegriff22 noch eine übergreifende Dogmatik herausgebildet.23 Vielmehr ist zu konstatieren, dass es sich um ein sehr abstraktes, ethisch fundiertes Argument handelt,24 das auf sehr unterschiedliche Weise in das Recht hineinwirkt. Wegen seines Facettenreichtums ist der Vertrauensbegriff einer präzisen rechtlichen Definition nicht zugänglich, unterliegt keinen inhaltlich bestimmten Rechtsregeln, sondern weist allenfalls Regelungstendenzen auf25 und ist insbesondere nicht imstande, geschriebenes Recht zu revidieren oder außer Kraft zu setzen.26

19

Barczak, JuS 2021, 1 (2); BGH NJW 1958, 1772 (1772); vgl. auch MüKo-BGB9/Finkenhauer, § 313 Rn. 3 ff. 20 Eichler, Die Rechtslehre vom Vertrauen (1950), S. 121 f.; Lenz, Das VertrauensschutzPrinzip (1968), S. 29. 21 Eichler, Die Rechtslehre vom Vertrauen (1950), S. 7. 22 Eichler, Die Rechtslehre vom Vertrauen (1950), S. 109; Stich, Vertrauensschutz im Verwaltungsrecht (1954), S. 4; Riechelmann, Struktur des verfassungsrechtlichen Bestandsschutzes4, S. 16. 23 Vgl. Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes (1989), S. 64; Schwarz, Vertrauensschutz als Verfassungsprinzip (2002), S. 134; zum Straßenverkehrsrecht Kirschbaum, Vertrauensschutz im Straßenverkehrsrecht (1980), S. 212. 24 Luhmann, Vertrauen4, S. 43. 25 von Craushaar, Der Einfluss des Vertrauens (1969), S. 8; Mainka, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht (1963), S. 16; vgl. auch Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip (1986), S. 215 („ermessensleitende[r] Topos“). 26 von Craushaar, Der Einfluss des Vertrauens (1969), S. 8; Lenz, Das VertrauensschutzPrinzip (1968), S. 32; vgl. auch Blanke, Vertrauensschutz im Verwaltungsrecht (2000), S. 142 („Konkretisierungsprimat“ des Gesetzgebers); Luhmann, Vertrauen4, S. 43 f. (Die Rechtsordnung müsse sich „in der Anwendung des Vertrauensprinzips Selbstbeschränkungen auferlegen, um nicht besser ausformulierte konstruktive Errungenschaften zu gefährden“); Schwarz, Vertrauensschutz als Verfassungsprinzip (2002), S. 33.

§ 5 Der Gedanke des Vertrauensschutzes

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Teilweise wird Vertrauensschutz als (verfassungsrechtliches) Rechtsprinzip oder Regelungsprinzip verstanden27 und als solches gegenüber kritischen Stimmen, die die Existenz eines Rechtsprinzips Vertrauensschutz ablehnen,28 verteidigt.29 Offensichtlich ist, dass Vertrauensschutz als solcher in Ermangelung von konkretem Tatbestand und konkreter Rechtsfolge nicht subsumtionsfähig ist. Allerdings kann er – wie ein allgemeines Rechtsprinzip – normative Kraft entfalten, indem er zwar keine Entscheidungslösung, wohl aber eine Entscheidungshilfe zur Verfügung stellt.30 Die Frage, ob Vertrauensschutz tatsächlich als Rechtsprinzip im Sinne der Prinzipientheorie31 anzuerkennen ist, kann im Rahmen dieser Untersuchung nicht angemessen beantwortet werden, ohne den Umfang der Arbeit über Gebühr zu strapazieren und den Schwerpunkt der Analyse zu verschieben. Die vorliegende Arbeit basiert auf der These, dass Vertrauensschutz im statusorientierten Recht von tragender Bedeutung sein kann. Für die Auseinandersetzung hiermit ist es ausreichend, Erscheinungsformen und Grundlinien des rechtlichen Vertrauensschutzes aufzuzeigen. Dieser dogmatischen Zurückhaltung Rechnung tragend, wird im Folgenden weder vom Grundsatz noch vom Prinzip, sondern neutraler gewendet vom Gedanken des Vertrauensschutzes gesprochen.

III. Der Vertrauensschutzgedanke im geltenden Recht Der Vertrauensschutzgedanke hat Einzug in sämtliche Rechtsbereiche gehalten,32 und zwar sowohl in kodifizierter Form als auch als ungeschriebenes 27

Lenz, Das Vertrauensschutz-Prinzip (1968), passim; Stich, Vertrauensschutz im Verwaltungsrecht (1954), S. 26 ff.; Larenz, Richtiges Recht (1979), S. 80 ff.; wohl auch Kisker, VVDStRL 32 (1974), 150 (150, 151, 174, 192) sowie HStR IV3/Maurer, § 79 Rn. 156, offenlassend aber in Rn. 15. Siehe auch Neuner, in: FS Canaris (2017), S. 205 (207). 28 Preuß, JA 1977, 265 (268); Püttner, VVDStRL 32 (1974), 200 (206) (nur eigenständiger Rechtsgedanke); kritisch auch Huber, in: FS Kägi (1979), S. 193 (202); vgl. Loges, Erklärungspflichten und Vertrauensschutz (1991), S. 87 („Ein allgemeiner Rechtsgrundsatz des Vertrauensschutzes verträgt sich nicht mit dem Privatrechtssystem“). 29 Riechelmann, Struktur des verfassungsrechtlichen Bestandsschutzes4, S. 54 ff., 61 ff., 71 f. 30 Siehe HdBGR III/Merten, § 68 Rn. 25 (mwN). 31 Siehe zu allgemeinen Rechtsprinzipien nur Esser, Grundsatz und Norm2, S. 39 ff., 107 ff., 132 ff., 141 ff.; Alexy, Recht, Vernunft, Diskurs (1995), S. 177 ff., 216 ff. (mwN); Heinold, Die Prinzipientheorie (2011), S. 20 ff. (mwN). Kritisch jüngst Barczak, JuS 2021, 1 (4) (mwN). Siehe anschaulich auch Hong, Abwägungsfeste Rechte (2019), S. 35 ff., 63 ff. mit ausführlicher Darstellung der „Alexy-Poscher-Debatte“ ab S. 81 ff., die in der Annahme einer „norminhaltlichen Trennungsthese“ mündet (S. 102). 32 HStR IV3/Maurer, § 79 Rn. 13; Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes (1989), S. 13; Barczak, JuS 2021, 1 (6).

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Zweiter Teil: Grundlagen

Recht oder schlichter Argumentationstopos. Von besonderem Interesse für die vorliegende Untersuchung sind namentlich das Verfassungs-, das Verwaltungs- sowie das Privatrecht. Dort ist seine Existenz jeweils grundsätzlich unumstritten, was kurz ausgeführt werden soll, bevor im darauffolgenden Abschnitt (IV.) die Abstraktionshöhe etwas zu senken ist und die mittlerweile etablierten Grundprinzipien zusammengefasst werden. 1. Verfassungsrecht Das Grundgesetz sieht Vertrauensschutz nur an einer Stelle ausdrücklich vor: Das in Art. 103 Abs. 2 GG niedergelegte Rückwirkungsverbot verleiht dem strafrechtlichen Vertrauensschutz expliziten Verfassungsrang.33 Dahinter steht das Bestreben, das Vertrauen in die Verlässlichkeit der Rechtsordnung zu garantieren.34 Letzteres hat das Bundesverfassungsgericht darüber hinaus allgemein in den Rang der Verfassung gehoben, indem es der Rückwirkung von Gesetzen verfassungsrechtliche Grenzen gesetzt hat.35 Aber nicht nur in seiner Rückwirkungsrechtsprechung erkennt das oberste deutsche Gericht Vertrauensschutz als Verfassungsprinzip an. Auch hinsichtlich (rechtswidrig) gewährter Rechtspositionen können sich Bürgerinnen und Bürger auf verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz gegenüber der Verwaltung berufen.36 Mitunter, vor allem in der Judikatur des 2. Senats,37 wird verfassungsrechtlicher Vertrauensschutz aus den Grundrechten (namentlich Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG) hergeleitet,38 aber häufiger wird das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3

33 Fuhrmanns, Vertrauensschutz (2005), S. 4; vgl. auch Schwarz, Vertrauensschutz als Verfassungsprinzip (2002), S. 31; Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes (1989), S. 13. 34 BVerfGE 113, 273 (308). 35 Siehe ausführlich zu der Rechtsprechungsentwicklung Schwarz, Vertrauensschutz als Verfassungsprinzip (2002), S. 105 ff.; Riechelmann, Struktur des verfassungsrechtlichen Bestandsschutzes4, S. 27 ff.; Götz, in: FG BVerfG II (1976), S. 421 ff.; Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip (1986), S. 416 ff.; Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes (1989), S. 68 ff. Die Rechtsprechung zur Rückwirkung von Gesetzen stellt den systematischen Ausgangspunkt für die Entstehung des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes dar, vgl. Preuß, JA 1977, 265 (266 f.). Grundlegend: BVerfGE 13, 261 (271) [III 1]. 36 Vgl. BVerfGE 59, 128 (166) [B IV 1–2]; BVerfG NJW 1993, 3191 (3191) [1]; siehe zum Namensrecht hier bereits BVerfG StAZ 2001, 207 ff. 37 Siehe Schwarz, Vertrauensschutz als Verfassungsprinzip (2002), S. 100. 38 Zu Art. 14 GG: BVerfGE 31, 275 (293) [II 2b bb]; 36, 281 (293) [II 2b]; 72, 9 (23) [II 2]; 75, 78 (105) [II 4]; 95, 64 (82) [I]; 101, 239 (257) [B I 3]; 117, 272 (294) [C I 3a]; 122, 374 (391) [B II 2b]; 143, 246 (341) {268}; BVerfG NVwZ-RR 2021, 177 (181) {88}. Zu Art. 12 GG: BVerfGE 32, 1 (23) [B I]; 50, 265 (275) [B I 3]; 64, 72 (83 f.) [C II 1a-b]; 98, 265 (309 f.) [C II 4b]; vgl. auch BVerfG NVwZ-RR 2021, 177 (183 f.) {108, 114, 117, 122}.

§ 5 Der Gedanke des Vertrauensschutzes

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GG) als verfassungsrechtliche Heimat des Vertrauensschutzgedankens postuliert.39 Die tatsächliche verfassungsrechtliche Verwurzelung ist noch immer nicht abschließend geklärt,40 hat aber auf die erzielten Ergebnisse kaum einmal entscheidenden Einfluss.41 Die Existenz eines rechtsstaatlichen Grundsatzes des Vertrauensschutzes ist in der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jedenfalls anerkannt.42 2. Verwaltungsrecht Wer sich mit dem Vertrauensschutzgedanken im Verwaltungsrecht beschäftigt, kann mittlerweile auf eine reichhaltige Literatur zurückgreifen, die Entwicklungslinien nachzeichnet, grundlegende Wertungen offenbart, Grund und Grenzen des Vertrauensschutzes auslotet und um europarechtliche Implikationen erweitert.43

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BVerfGE 13, 261 (271) [III 1]; 30, 272 (285) [II 2]; 39, 128 (143) [II 2a]; 59, 128 (166) [B IV 1]; 63, 215 (223) [B I 1]; 75, 78 (105) [II 4]; 117, 272 (294) [C I 3a]; 132, 302 (319 f.) {45 ff.}; 135, 1 (21) {60}; 138, 296 (376) [IV]; BVerfG NJW 2004, 2149 (2150) [III 1] = BVerfGK 3, 169; 2012, 669 (672) {62}; 2021, 2424 (2425) {51}; NVwZ-RR 2021, 177 (184) {122}; vgl. auch BVerfGE 143, 246 (341) {268}. 40 HStR IV3/Maurer, § 79 Rn. 36; siehe bereits Burmeister, Vertrauensschutz im Prozeßrecht (1979), S. 17 („Zustand totaler Verwirrung bei der Standortbestimmung des Vertrauensgrundsatzes“). Es handelt sich um einen „auf mehreren Pfeilern ruhenden Rechtsgedanken“, Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes (1989), S. 64. Siehe zu den diskutierten Möglichkeiten etwa Schwarz, Vertrauensschutz als Verfassungsprinzip (2002), S. 134 ff., 145 ff., 217 ff.; Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes (1989), S. 29 ff., 31 ff., 35 ff., 59 ff. 41 So Püttner, VVDStRL 32 (1974), 200 (205). Siehe zuletzt auch die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts, wonach Vertrauensschutz sowohl auf die Grundrechte als auch auf das Rechtsstaatsprinzip gestützt werden kann, BVerfG NVwZ-RR 2021, 177 (184) {122} („Die Grundrechte wie auch das Rechtsstaatsprinzip garantieren im Zusammenwirken die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und damit als eine Grundbedingung freiheitlicher Verfassungen“). 42 Schwarz, Vertrauensschutz als Verfassungsprinzip (2002), S. 105 f.; Götz, in: FG BVerfG II (1976), S. 421 ff. Siehe nur BVerfGE 143, 246 (341) {268} sowie die Rechtsprechungsnachweise in § 5 Fn. 36, 38 und 39. 43 So auch Weber-Dürler, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht (1983), S. 6 (mit zahlreichen Nachweisen) sowie Schwarz, Vertrauensschutz als Verfassungsprinzip (2002), S. 99. Beispielsweise: Stich, Vertrauensschutz im Verwaltungsrecht (1954); Mainka, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht (1963); Blanke, Vertrauensschutz im Verwaltungsrecht (2000); Fuhrmanns, Vertrauensschutz (2005), mwN auf S. 7 mit Fn. 27; HStR IV3/Maurer, § 79 Rn. 1 ff.; Ossenbühl, DÖV 1972, 25 ff.; Kisker, VVDStRL 32 (1974), 150 ff.; Püttner, VVDStRL 32 (1974), 200 ff.; Bullinger, JZ 1999, 905 ff.

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Zweiter Teil: Grundlagen

Obwohl Vertrauensschutz bereits vorher gelegentlich literarische Erwähnung fand,44 begann sein wirklicher Siegeszug45 erst nach dem Zweiten Weltkrieg,46 und zwar im Zusammenhang mit der Rücknahme (rechtswidriger) begünstigender Verwaltungsakte, deren sachliche Begrenzung zunächst auf die privatrechtliche Generalklausel von Treu und Glauben (in analoger Rechtsanwendung) gestützt wurde.47 Eine regelrechte akademische Blütezeit erfuhr der öffentlich-rechtliche Vertrauensschutzgedanke in den Siebzigerjahren, was sich 1973 auf der Staatsrechtslehrertagung zeigte, auf der ausführlich und kontrovers über Dogmatik, Bedeutung und Reichweite des Vertrauensschutzgedankens diskutiert worden ist.48 Ohne die Entwicklung im Einzelnen nachzuzeichnen,49 lässt sich festhalten, dass Vertrauensschutz aus dem heutigen modernen Verwaltungsrecht nicht mehr wegzudenken ist, auch wenn sich über die dogmatische Herleitung (Treu und Glauben, Rechtssicherheit, Grundrechte, Sozialstaatsprinzip)50 gewiss noch immer streiten lässt. Funktional betrachtet hat die Idee des Vertrauensschutzes im öffentlichen Recht die Aufgabe, Bestandsinteresse und Korrekturbedarf in einen schonenden Ausgleich zu bringen.51 Im Verwaltungsverfahrensrecht hat der Gedanke des Vertrauensschutzes bekanntermaßen legislatorischen Niederschlag gefunden und klare Konturen verliehen bekommen (§§ 48 ff. VwVfG).52 Die gesetzliche Ausformung veranschaulicht neben den tatbestandlichen Voraussetzungen von Vertrauensschutz (Vertrauenstatbe-

44 Siehe HStR IV3/Maurer, § 79 Rn. 6 unter Verweis auf Savigny, System des heutigen Römischen Rechts VIII (1849), S. 390, Jellinek, Allgemeine Staatslehre3, S. 369 und Rümelin, Die Rechtssicherheit (1924), S. 17 ff. 45 Ossenbühl, DÖV 1972, 25 (27); Püttner, VVDStRL 32 (1974), 200 (207, 209, 211); HStR IV3/Maurer, § 79 Rn. 5 spricht von einem „kometenhaften Aufstieg“. 46 HStR IV3/Maurer, § 79 Rn. 6. 47 Vgl. Mainka, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht (1963), S. 2 ff.; Eichler, Die Rechtslehre vom Vertrauen (1950), S. 120 ff.; Schwarz, Vertrauensschutz als Verfassungsprinzip (2002), S. 97 f. Als erstes Obergericht stützte das OVG Berlin DVBl. 1957, 503 (506) (mAnm Haueisen) das der Rücknahme entgegenstehende Individualinteresse auf den „allg. anerkannt[en] Grundsatz des Vertrauensschutzes“. 48 Siehe die Berichte von Kisker, VVDStRL 32 (1974), 150 ff. und Püttner, VVDStRL 32 (1974), 200 ff. sowie die anschließende Aussprache, VVDStRL 32 (1974), 228 ff. 49 Siehe weitergehend die Nachweise in § 5 Fn. 43. 50 Siehe nur HStR IV3/Maurer, § 79 Rn. 97 (mwN); ders., in: FS Boorberg Verlag (1977), S. 223 (227); Mainka, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht (1963), S. 21 ff. differenziert zwischen Eingriffs- (dort Gehorsamsanspruch des Staates) und Leistungsverwaltung (dort Sozialstaatsprinzip). 51 Schwarz, Vertrauensschutz als Verfassungsprinzip (2002), S. 30; Weber-Dürler, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht (1983), S. 8 f.; vgl. zum Verwaltungsrecht Blanke, Vertrauensschutz im Verwaltungsrecht (2000), S. 2. 52 Siehe Schwarz, Vertrauensschutz als Verfassungsprinzip (2002), S. 99; HStR IV3/Maurer, § 79 Rn. 8; ders., in: FS Boorberg Verlag (1977), S. 223 (225).

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stand, Vertrauensbetätigung, Schutzwürdigkeit), dass schutzwürdiges Vertrauen zu unterschiedlichen Rechtsfolgen führen kann: Rücknahmeverbot, also Aufrechterhaltung des status quo, oder Rücknahme nebst Entschädigung. 3. Privatrecht Vertrauen ist ebenfalls ein tragender Grundgedanke der Zivilrechtsordnung, der das gesamte deutsche Privatrechtssystem durchdringt.53 Spätestens seitdem Canaris seine Monographie zur Vertrauenshaftung54 vorgelegt hat, erfreut sich das Argument des Vertrauensschutzes steter Beliebtheit. Bereits Stich hatte zuvor in seiner (öffentlich-rechtlichen) Untersuchung im Jahr 1950 die Bedeutung des Vertrauensschutzgedankens im Zivilrecht veranschaulicht und dabei sowohl kodifizierte Normen als auch ungeschriebenes Recht auf Vertrauensschutz zurückgeführt.55 Tatsächlich lassen sich eine Vielzahl von Normen des Bürgerlichen Rechts (exemplarisch: §§ 122, 135 Abs. 2, 170 ff., 179, 241 Abs. 2, 242, 311 Abs. 2 und 3, 311a Abs. 2, 313, 406 f., 892 f., 932 ff., 937, 993, 1032, 1155, 1207, 1298, 1310 Abs. 2 und 3, 1598 Abs. 2, 2366),56 aber auch ungeschriebene zivilrechtliche Rechtsfiguren (Anscheins- und Duldungsvollmacht, venire contra factum proprium, Einwand des Rechtsmissbrauchs,57 Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, Verwirkung, Verkehrspflichten,58 die Lehre vom faktischen Arbeitsverhältnis) mit dem Vertrauensschutzgedanken in Verbindung bringen.59 Überblicksartig kann der geschriebene

53 Eichler, Die Rechtslehre vom Vertrauen (1950), S. 8; Stich, Vertrauensschutz im Verwaltungsrecht (1954), S. 17; von Craushaar, Der Einfluss des Vertrauens (1969), S. 1; Neuner, Allgemeiner Teil des BGB12, § 10 Rn. 82; Staudinger/Schilken, BGB (2019), Vorbemerkung zu § 164 Rn. 37; vgl. auch Barczak, JuS 2021, 1 (2); kritisch hingegen Himmen, Jura 2021, 1172 (1177 f.) sowie Westermann, JuS 1963, 1 (2), die die gesetzlich geregelten Fälle des Vertrauensschutzes als Ausnahmefälle begreifen und im Übrigen ein Prinzip des Gutglaubensschutzes ablehnen. Siehe auch MüKo-BGB9/Säcker, Einl. BGB Rn. 45. 54 Canaris, Vertrauenshaftung (1971), passim; siehe vorher bereits von Craushaar, Der Einfluss des Vertrauens (1969); Wellspacher, Das Vertrauen auf äußere Tatbestände (1906); Meyer, Das Publizitätsprinzip (1909); Oertmann, ZHR 95 (1930), 443 ff.; Müller-Erzbach, JerhJb. 83 (1933), 257 ff., insbesondere 261, 263. 55 Stich, Vertrauensschutz im Verwaltungsrecht (1954), S. 12 ff. 56 Siehe jüngst auch Himmen, Jura 2021, 1172 (1173 ff.); Linke, Jura 2022, 787 (788 ff.). 57 Darauf wird regelmäßig bei Formmängeln abgestellt, wenn ihre Geltendmachung durch eine Partei zu unbilligen Ergebnissen führte, vgl. Canaris, in: FS BGH I (2000), S. 129 (165 f.) (mwN aus der Rechtsprechung). 58 Siehe nur Thöne, Autonome Systeme und deliktische Haftung (2020), S. 109. 59 An dieser Stelle kann nicht untersucht werden, ob die exemplarisch aufgezählten Rechtsinstitute tatsächlich (allein) auf Vertrauensschutzerwägungen beruhen. Hier soll nur veranschaulicht werden, dass Vertrauensschutz als Topos nahezu allgegenwärtig ist.

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Vertrauensschutz sowohl nach der Art des Rechtsscheinträgers (private Erklärungen, faktische Tatsachen oder öffentlicher Glaube)60 als auch nach der jeweiligen Rechtsfolge (Kompensation oder Entsprechung)61 systematisch unterteilt werden. Damit schimmert bereits eine allgemeine Systematik durch, die im nächsten Abschnitt (IV.) übergreifend betrachtet werden soll. Die Bedeutung des Vertrauensschutzgedankens im Zivilrecht ist im Einzelnen allerdings äußerst umstritten und kann hier nicht mit wenigen Worten zusammengefasst werden. Das gilt beispielsweise für die nach wie vor bestehende Kontroverse über die Existenzberechtigung einer selbständigen außervertraglichen Vertrauenshaftung,62 die aber für die Untersuchung des statusorientierten Rechts keine entscheidende Rolle spielen wird und deshalb offenbleiben kann.63 4. Familienrechtlicher Vertrauensschutz Eine Ausprägung des zivilrechtlichen Vertrauensschutzgedankens verdient angesichts ihrer besonderen sachlichen Nähe zum Untersuchungsgegenstand noch eine kurze Betrachtung: Für das Bürgerliche Familienrecht hat Brudermüller die Existenz eines allgemeinen Vertrauensschutzgrundsatzes aus dem Grundsatz des venire contra factum proprium hergeleitet und für den Bereich des nachehelichen Unterhalts aufbereitet.64 Zuvor hatte bereits Diederichsen die Signifikanz des Vertrauensschutzes im Familienrecht hervorgehoben.65 Die familienrechtlichen Vorschriften bauen nämlich ganz überwiegend auf gegen-

60 Himmen, Jura 2021, 1172 (1177); vorher bereits Thomale/Schüßler, ZfPW 2015, 454 (456 ff.). 61 Siehe nur Canaris, Vertrauenshaftung (1971), S. 5 („Zweispurigkeit“). 62 Dafür etwa: Canaris, Vertrauenshaftung (1971), passim; ders., in: Bewegliches System (1986), S. 103 (107); Larenz, in: FS Ballerstedt (1975), S. 397 (397, 418); vgl. auch Grunewald, JZ 1982, 627 (631); Larenz, SchuldR AT I14, § 9 I, S. 107 ff., § 34 I, S. 576. Dagegen etwa: MüKo-BGB9/Säcker, Einl. BGB Rn. 181; Himmen, Jura 2021, 1172 (1177 f.); C. Picker, in: Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2010 (2011), S. 205 (228 ff., 234) (mwN); E. Picker, AcP 183 (1983), 369 (418 ff.); Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag (1981), S. 97 ff., 114 ff.; Flume, Allgemeiner Teil des BGB II4, § 10 V, S. 132. Siehe auch Loges, Erklärungspflichten und Vertrauensschutz (1991), S. 22 f., 86 f., der ausdrücklich nur die negative Vertrauenshaftung ablehnt. 63 Auch die Gegner einer allgemeinen Vertrauenshaftung erkennen den Vertrauensschutzgedanken grundsätzlich an, sprechen sich aber für eine Berücksichtigung „innerhalb des Systems der §§ 116 ff. […] durch Fortbildung der Tatbestände […], durch teleologische Auflockerung der infolge des hohen Abstraktionsgrades allzu starr und schematisch formalisierten Anforderungen an den normativen Erklärungstatbestand und durch Abänderung des ‚Mischungsverhältnisses‘ zwischen Willensschutz- und Vertrauensschutzmomenten in Anpassung an den konkreten Willenserklärungstyp […]“ aus, siehe nur MüKo-BGB9/Säcker, Einl. BGB Rn. 180 ff. (mwN). 64 Brudermüller, in: LA Pintens I (2012), S. 227 (227 ff., 237 ff.). 65 Diederichsen, in: FS Larenz (1983), S. 127 (153 ff.).

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seitigem Vertrauen auf, was angesichts der besonderen Intimität und Höchstpersönlichkeit der zu regelnden Lebenssachverhalte kaum verwundert. Dieser familienrechtliche Vertrauensschutz knüpft insoweit folgerichtig an die vorhersehbare,66 ja gesetzlich fast schon einkalkulierte Verletzung enttäuschten Vertrauens an, stellt sich mithin eher als Kontinuitätsschutz67 dar und hat vor allem im Scheidungsfolgenrecht legislatorischen Ausdruck gefunden.68 Bezugspunkt des Vertrauens ist insoweit aber die Stabilität eines wirksam begründeten Status.69 Es geht dann also um die Beendigung eines solchen, also um Rückabwicklung und Fortwirkung. Dieser familienrechtliche Vertrauensschutzgrundsatz trägt mithin nichts Entscheidendes zur Lösung der Fälle bei, in denen es um die (vorgelagerte) Frage nach der wirksamen Statusbegründung geht (Schutz des Rechtsscheins). Gleichwohl wird hierdurch untermauert, dass der Vertrauensschutzgedanke auch dem Familienrecht nicht fremd ist.

IV. Verallgemeinerbares Grundgerüst Nachdem rechtliches Vertrauen bisher auf eher abstrakte (und kursorische) Weise betrachtet und als allgemeiner Rechtsgedanke nachgezeichnet worden ist, muss nun die Abstraktionshöhe abgesenkt werden, um den Gedanken für die weitere Untersuchung operationalisierbar zu machen. Allen Unterschieden im Hinblick auf Stoßrichtung, verfassungsrechtliche Herleitung und Einzelkriterien zum Trotz70 lässt sich ein Grundgerüst des Vertrauensschutzgedankens erkennen, das als „Grundmuster“ zwar nur die Richtung vorgeben kann,71 sich aber als Fundament für spätere, statusrechtsbezogene Konkretisierungen eignet. 1. Ein allgemeiner Tatbestand Die Gewährung von Vertrauensschutz hängt stets von vergleichbaren Voraussetzungen ab, die sich grob drei Tatbestandsmerkmalen zuordnen lassen: Vertrauensgrundlage, gutgläubige Vertrauensbetätigung und Interessenabwägung.

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Diederichsen, in: FS Larenz (1983), S. 127 (153). Brudermüller, in: LA Pintens I (2012), S. 227 (233). 68 Diederichsen, in: FS Larenz (1983), S. 127 (153 f., 155); Brudermüller, in: LA Pintens I (2012), S. 227 (230). 69 Windel, in: Familienrechtlicher Status und Solidarität (2008), S. 1 (37). 70 Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes (1989), S. 16 f. weist zutreffend darauf hin, dass der „übergreifend[e] Vertrauensschutzgedanke“ nicht für alle drei Staatsgewalten gleichermaßen verwirklicht werden kann. Das soll hier auch nicht postuliert werden. 71 Vgl. HStR IV3/Maurer, § 79 Rn. 15. 67

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a) Objektive Vertrauensgrundlage Eine objektive Vertrauensgrundlage ist das Fundament allen Vertrauensschutzes und wird mitunter auch als Rechtsscheinträger bezeichnet. Ohne eine solche Basis ist Vertrauensschutz überhaupt nicht denkbar, und zwar in keinem Rechtsgebiet.72 Erforderlich ist ein objektiver Anknüpfungspunkt, der indes sehr mannigfaltig sein kann. In Betracht kommen beispielsweise der Verwaltungsakt als klassische Handlungsform der Verwaltung, aber auch eine behördliche Zusage oder eine Verwaltungsübung, eine Gesetzeslage, das Verhalten einer Person, öffentliche Register, Urkunden, der Besitz als Rechtsinstitut oder eine betriebliche Übung. Übergreifendes Charakteristikum ist das nach außen erkennbare Erwecken einer Tatsachen- oder Rechtslage, die in Wahrheit nicht besteht, oder das Schaffen einer (unberechtigten) Kontinuitätserwartung. Die Vertrauensgrundlage muss der vertrauensschaffenden Seite zurechenbar sein. b) Gutgläubige Vertrauensbetätigung Vertrauensschutz bedeutet in erster Linie Redlichkeitsschutz73 und erfordert deshalb auf Seiten der vertrauenden Person grundsätzlich Gutgläubigkeit, die 72

Für das öffentliche Recht: Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes (1989), S. 80 ff.; Weber-Dürler, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht (1983), S. 80; Mainka, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht (1963), S. 31; Riechelmann, Struktur des verfassungsrechtlichen Bestandsschutzes4, S. 132 ff. (wenngleich auch kritisch gegenüber dem klassischen Prüfungsschema); Schwarz, Vertrauensschutz als Verfassungsprinzip (2002), S. 295 f.; Stich, Vertrauensschutz im Verwaltungsrecht (1954), S. 45; Fuhrmanns, Vertrauensschutz (2005), S. 69. Für das Zivilrecht: Canaris, Vertrauenshaftung (1971), S. 491 ff.; Neuner, Allgemeiner Teil des BGB12, § 10 Rn. 83; Westermann, JuS 1963, 1 (2); von Craushaar, Der Einfluss des Vertrauens (1969), S. 20 ff. Allgemein: Lenz, Das Vertrauensschutz-Prinzip (1968), S. 19 ff.; Neuner, Rechtsfindung2, S. 172; ders., in: FS Canaris (2017), S. 205 (208); Linke, Jura 2022, 787 (790). 73 Allgemein: Eichler, Die Rechtslehre vom Vertrauen (1950), S. 3; Lenz, Das Vertrauensschutz-Prinzip (1968), S. 29. Vgl. zum öffentlichen Recht Stich, Vertrauensschutz im Verwaltungsrecht (1954), S. 45; Schwarz, Vertrauensschutz als Verfassungsprinzip (2002), S. 302 f.; Mainka, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht (1963), S. 32; Fuhrmanns, Vertrauensschutz (2005), S. 82 f.; vgl. auch Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes (1989), S. 92, der die Gutgläubigkeit aber außerhalb der Interessenabwägung verortet. Für das Privatrecht: Canaris, Vertrauenshaftung (1971), S. 491; Neuner, Allgemeiner Teil des BGB12, § 10 Rn. 83. Im Verwaltungsrecht ist das Erfordernis der Gutgläubigkeit ausdrücklich gesetzlich niedergelegt (§ 48 VwVfG) und auch der kodifizierte Vertrauensschutz des Privatrechts setzt Gutgläubigkeit voraus, wofür aber regelmäßig eine Vermutung besteht und im Sinne eines negativen Tatbestandsmerkmals „keine Bösgläubigkeit“ verlangt wird, vgl. etwa §§ 932 Abs. 2, 892 Abs. 1, 122 Abs. 2 BGB. Teilweise, vor allem im öffentlichen Recht, wird die Gutgläubigkeit auch vorher unter der Überschrift „Vertrauen“ geprüft, siehe nur Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes (1989), S. 92; Schwarz, Vertrauensschutz als Verfassungsprinzip (2002), S. 302 ff.

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negativ in Abgrenzung zur Bösgläubigkeit definiert wird: Bösgläubig ist, wer die wahren Umstände kannte oder hätte kennen müssen (grobfahrlässige Unkenntnis).74 Ferner setzt Vertrauensschutz unabhängig vom Rechtsgebiet voraus, dass von der Vertrauensgrundlage tatsächlich Gebrauch gemacht worden ist. Man spricht insoweit überwiegend von Vertrauensbetätigung75 (auch Vertrauensdisposition76). Mitunter wird zusätzlich Kausalität zwischen Vertrauensgrundlage und Vertrauensbetätigung gefordert und dieses Petitum in den Rang eines eigenständigen Tatbestandsmerkmals erhoben.77 Dabei handelt es sich aber um eine typische zivilrechtliche, haftungsrechtliche Kategorie, die allgemein besehen auch im Rahmen der Interessenabwägung angemessen berücksichtigt werden kann. Im öffentlichen Recht eignet sich das Kausalitätskriterium gegenüber der Betrachtung der Vertrauensgrundlage nicht als weiterführender Maßstab für die Bewertung der Vertrauensbetätigung.78 c) Interessenabwägung Letztlich ist Vertrauensschutz immer nur nach umfangreicher Abwägung mit anderen Prinzipien und Interessen zu gewähren. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Gesetzgeber die Abwägung im Einzelfall vorweggenommen und in die Form eines allgemeingültigen Gesetzes gegossen hat. Das Vertrauen muss, mit anderen Worten, stets schutzwürdig sein.79 Vertrauensschutz 74

Canaris, Vertrauenshaftung (1971), S. 504 ff., 507; Fuhrmanns, Vertrauensschutz (2005), S. 82. Siehe auch die gesetzlichen Bestimmungen in § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 VwVfG, §§ 173, 179 Abs. 3 Satz 1, 932 Abs. 2, 892 Abs. 1 Satz 1 HS 2 BGB, wobei zu konstatieren ist, dass nur positive Kenntnis schadet, wenn die Vertrauensgrundlage ein öffentliches Register ist (§ 892 Abs. 1 Satz 1 HS 2 BGB, siehe auch § 2366 BGB für den Erbschein). 75 Schwarz, Vertrauensschutz als Verfassungsprinzip (2002), S. 307; Fuhrmanns, Vertrauensschutz (2005), S. 78; kritisch aber Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes (1989), S. 80, 96 ff.; Weber-Dürler, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht (1983), S. 96; differenzierend hingegen Kisker, VVDStRL 32 (1974), 150 (152) (abstrakter und konkreter Dispositionsschutz); Neuner, Rechtsfindung2, S. 172; vgl. auch ders., Allgemeiner Teil des BGB, § 10 Rn. 83, der dabei aber das Kausalitätserfordernis hervorhebt. Siehe indes zum abstrakten Vertrauensschutz im Zivilrecht, der nicht einmal Kenntnis von der Vertrauensgrundlage voraussetzt, Lieder, in: Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2010 (2011), S. 121 ff. 76 Siehe nur Mainka, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht (1963), S. 32 ff.; ähnlich Canaris, Vertrauenshaftung (1971), S. 510 („Vertrauensinvestition“). 77 Weber-Dürler, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht (1983), S. 102 ff. (mwN). 78 Vgl. Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes (1989), S. 100. 79 Siehe beispielsweise für das öffentliche Recht Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes (1989), S. 104 ff.; Mainka, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht (1963), S. 32; Fuhrmanns, Vertrauensschutz (2005), S. 80. Für das Privatrecht: Canaris, Vertrauenshaftung (1971), S. 503 f.; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse3, S. 496; Linke, Jura 2022, 787 (790).

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wirkt nicht absolut, sondern unterliegt einer umfassenden Interessenabwägung.80 Vertrauen in Bestand und Kontinuität der Gesetze muss zum Beispiel mit dem staatlichen Weiterentwicklungsinteresse abgewogen werden, die Rücknahme begünstigender Verwaltungsakte ist auszutarieren mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung81 sowie mit gegenläufigen Drittinteressen.82 Zu berücksichtigen sind ferner Kriterien wie Zeitablauf,83 das Ausmaß von Zurechenbarkeit auf Seiten der vertrauensschaffenden sowie Kausalität auf Seiten der vertrauenden Person84 und Intensität der Vertrauensenttäuschung.85 Die Entscheidung über die Gewährung von Gutglaubensschutz ist mithin in höchstem Maße normativ geprägt. Die Interessenabwägung dient der Rechtsanwendung als allgemeingültige Richtschnur für die konkrete Vermessung der Reichweite von Vertrauensschutz im Einzelfall sowie als Vehikel zum Ausgleich von Bestandsinteresse und Änderungsbedarf. Canaris vertritt vor diesem Hintergrund die Ansicht, dass die von ihm entwickelte positive Vertrauenshaftung jedenfalls teilweise (jene kraft rechtsethischer Notwendigkeit) ein bewegliches System im Sinne Wilburgs86 darstellt.87 2. Die Rechtsfolgenseite Auch auf Rechtsfolgenseite werden rechtsgebietsübergreifend jeweils vergleichbare Optionen diskutiert. Schon ein erster Blick auf § 48 Abs. 2 und 3 VwVfG legt zwei Alternativen nahe: Vertrauensentsprechung oder Ersatz des 80 Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes (1989), S. 104; Schwarz, Vertrauensschutz als Verfassungsprinzip (2002), S. 309 ff.; Fuhrmanns, Vertrauensschutz (2005), S. 84; Würtenberger/Jeannerod, in: Vertrauensschutz im deutsch-französischen Vergleich (2002), S. 153 (164); von Craushaar, Der Einfluss des Vertrauens (1969), S. 29; Neuner, in: FS Canaris (2017), S. 205 (215); Canaris, Vertrauenshaftung (1971), S. 296, 338, 361, 438; BVerfGE 59, 128 (166) [C IV 1]; 76, 256 (349 f.) [C IV 3a]; 127, 31 (47) [C I 1]. 81 Mainka, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht (1963), S. 36 ff. 82 Fuhrmanns, Vertrauensschutz (2005), S. 86 f. 83 von Craushaar, Der Einfluss des Vertrauens (1969), S. 15. 84 Zurechenbarkeit und Kausalität sind vor allem für die Rechtfertigung der zivilrechtlichen Vertrauenshaftung von zentraler Bedeutung und werden daher mitunter als eigenständige Tatbestandsvoraussetzungen charakterisiert, siehe Canaris, Vertrauenshaftung (1971), S. 491, 514 ff., 517 ff. Für die hier vorzunehmende übergreifende Betrachtung, die notwendigerweise auf Vereinfachung angewiesen ist, erscheint es indes vorzugswürdig, diese (haftungsrechtlichen) Kriterien als Abwägungselemente der Interessenabwägung zu begreifen. 85 Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes (1989), S. 113 f.; von Craushaar, Der Einfluss des Vertrauens (1969), S. 16. 86 Wilburg, Entwicklung eines beweglichen Systems im Bürgerlichen Recht (1950), passim. 87 Canaris, Vertrauenshaftung (1971), S. 529 f.; ders., in: Bewegliches System (1986), S. 103 (110 ff.); ders., in: FS BGH I (2000), S. 129 (169); kritisch indes Loges, Erklärungspflichten und Vertrauensschutz (1991), S. 85.

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Vertrauensschadens. Canaris hat für die Parallele im Zivilrecht den Begriff von der „Zweispurigkeit der Vertrauenshaftung“88 geprägt (b)). Gedanklich vorgelagert ist aber noch die Einsicht, dass Vertrauensschutz nicht aufgezwungen werden kann und dem System des Vertrauensschutzes ein Wahlrecht zwischen wirklicher und faktischer Rechtslage immanent zu sein scheint (a)). a) Wahlrecht Typisch für Vertrauensschutz ist eine gewisse Einseitigkeit. Die unrichtige Rechtslage gilt nur, wenn die vertrauende Person sich auf sie beruft. Es steht ihr immer frei, die wirkliche Rechtslage gelten zu lassen.89 Das ist für das öffentliche Recht eine geradezu selbstverständliche Einsicht, die nicht ernsthaft in Frage gestellt wird. Ein solches „Privileg des Rechtsscheinbegünstigten“90 ist im Zivilrecht indes nicht gänzlich unumstritten, was vor allem für die sachenrechtlichen Erwerbstatbestände gilt.91 Im zivilen Haftungsrecht ergibt sich das faktische Wahlrecht bereits aus dem Erfordernis, einen Anspruch geltend zu machen und gegebenenfalls gerichtlich durchzusetzen, worauf ohne Weiteres verzichtet werden kann.92 Es steht aber für die zu untersuchenden Status zu vermuten, dass das Wahlrecht ähnlich wie im Sachenrecht nicht unproblematisch sein wird, da regelmäßig Drittinteressen sowie öffentliche Belange betroffen sein können.93 b) Die Zweispurigkeit des Vertrauensschutzes An die etwaige Feststellung der Schutzwürdigkeit eines auf einer objektiven Grundlage ausgeprägten Vertrauens schließt sich die Frage an, in welcher Form die Rechtsordnung Vertrauensschutz gewährt. Insoweit besteht einerseits die Möglichkeit, dem Vertrauen zu entsprechen. Das bedeutete beispielsweise im Verwaltungsrecht ein Rücknahmeverbot, im Staatsrecht ein Rückwirkungsverbot und im Zivilrecht Erfüllung der Vertrauenserwartung. Andererseits kann 88

Canaris, Vertrauenshaftung (1971), S. 5, 26, 416, 526, 532. Altmeppen, Disponibilität des Rechtsscheins (1993), S. 317; Canaris, Vertrauenshaftung (1971), S. 519; Thomale/Schüßler, ZfPW 2015, 454 (484, 485, 488). Für das öffentliche (Namens-)Recht vgl. nur Hepting, StAZ 2013, 1 (9), siehe ferner unten, § 6 IV 2. 90 Thomale/Schüßler, ZfPW 2015, 454 (484). 91 Siehe Thomale/Schüßler, ZfPW 2015, 454 (484 f.) (mwN); Lieb, in: FS Hübner (1984), S. 575 (585 ff.). Für Disponibilität: Altmeppen, Disponibilität des Rechtsscheins (1993), S. 317 und passim; Thomale/Schüßler, ZfPW 2015, 454 (484 f.). Dagegen: Wilhelm, SachenR7, Rn. 728 (bezüglich des gutgläubigen Erwerbs). Differenzierend nach Zweckrichtung der Dispositionsmöglichkeit: Chiusi, AcP 202 (2002), 494 (514 ff.) (gutgläubiger Erwerb: nein; Schuldnerschutz bei der Zession: ja; negative Publizität des Handelsregisters: ja; Anscheinsvollmacht: ja); ähnlich auch Lieb, in: FS Hübner (1984), S. 575 (585 ff.). Siehe zum Streitstand bei der Rechtsscheinvollmacht MüKo-BGB9/Schubert, § 167 Rn. 141 ff. 92 Siehe Canaris, Vertrauenshaftung (1971), S. 519. 93 Siehe unten, § 11 II 1d) sowie 2d). 89

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der Konflikt zugunsten des Vertrauensschutzes auch dahingehend aufgelöst werden, dass Vertrauen zwar enttäuscht, die dadurch entstehenden Nachteile aber kompensiert werden. Diese rechtsfolgenbezogene Zweispurigkeit94 liegt nicht nur, wie bereits einleitend hervorgehoben, der in § 48 VwVfG vorgenommenen Regelungssystematik zugrunde, sondern findet sich auch im Zivilrecht wieder (positiver Vertrauensschutz beispielsweise beim gutgläubigen Erwerb gemäß §§ 932 Abs. 2, 892, 2366 BGB; negativer Vertrauensschutz etwa gemäß § 122 BGB nach Anfechtung einer Willenserklärung; im Falle der Haftung des falsus procurator besteht sogar ein Wahlrecht der vertrauenden Person, § 179 Abs. 1 BGB) und ist zudem eine mögliche Rechtsfolge von schutzwürdigem Vertrauen bei Gesetzesänderungen.95 Weder im öffentlichen Recht96 noch im Zivilrecht97 ergibt sich aus dem Vertrauensschutzgedanken selbst, wann welche Rechtsfolge eintritt. Das ist vielmehr eine Frage der Abwägung bestimmter Wertungskriterien im Einzelfall, was auch das in § 48 VwVfG implementierte System offenbart. Hervorzuheben ist abschließend noch die allgemein konsentierte Wertung, dass die vertrauende Person jedenfalls nicht besser stehen soll, als sie stünde, wenn die von ihr angenommene Rechtslage zutreffend wäre.98 Es wird zu untersuchen sein, ob diese Zweispurigkeit auch im statusorientierten Recht wiederzufinden ist. 3. Der Grundsatz der Subsidiarität Über den subsidiären Charakter des Vertrauensschutzgedankens besteht rechtsgebietsübergreifend Einigkeit.99 Das bedeutet, dass der allgemeine

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Dabei handelt es sich um eine sehr verallgemeinerte Umschreibung, die aus Gründen der Übersichtlichkeit bewusst das mitunter bunte Kaleidoskop an differenzierten Reaktionsmöglichkeiten unerwähnt lässt. Vgl. insoweit nur Weber-Dürler, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht (1983), S. 128 ff.; Schwarz, Vertrauensschutz als Verfassungsprinzip (2002), S. 318 f. 95 Siehe nur Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes (1989), S. 126 f. (mwN); siehe allgemein zum öffentlichen Recht Ossenbühl, DÖV 1972, 25 (27). 96 Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes (1989), S. 130 f.; Schwarz, Vertrauensschutz als Verfassungsprinzip (2002), S. 318 f.; Weber-Dürler, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht (1983), S. 130, 142 f. befürwortet wohl einen Vorrang der Vertrauensentsprechung; anders hingegen Götz, in: FG BVerfG II (1976), S. 421 (447). 97 Grundlegend Canaris, Vertrauenshaftung (1971), S. 6. 98 Siehe BeckOK-VwVfG/J. Müller (1.4.2022), § 48 Rn. 97; BeckOK-BGB/Schäfer (1.5.2022), § 167 Rn. 18; Erman/Maier-Reimer/Finkenhauer, BGB16, § 167 Rn. 26; BGH NJW 1998, 2897 (2897); vgl. auch Canaris, Vertrauenshaftung (1971), S. 520. 99 Siehe HStR IV3/Maurer, § 79 Rn. 155; Mainka, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht (1963), S. 16; Lenz, Das Vertrauensschutz-Prinzip (1968), S. 33; von Craushaar, Der Einfluss des Vertrauens (1969), S. 8; Canaris, Vertrauenshaftung (1971), S. 300; Blanke, Vertrauensschutz im Verwaltungsrecht (2000), S. 32, 142.

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Rechtsgedanke gegenüber jeder Spezialnorm, die den Konflikt auflöst, lex generalis und ihr damit untergeordnet ist.100 Hat der Gesetzgeber also eine Abwägung bereits antizipiert, darf dies nicht unter Hinweis auf Vertrauensschutz unterlaufen werden. Für die auf Vertrauensschutz gestützte zivilrechtliche Erfüllungshaftung ist demnach erforderlich, „daß die ‚an sich‘ von der Rechtsordnung zur Verfügung gestellten Anspruchsgrundlagen […] für eine angemessene Lösung nicht ausreichen“.101 4. Vorbehalte Betrachtet man Vertrauensschutz rechtsgebietsübergreifend, stößt man nicht nur auf den Ebenen von Tatbestand, Rechtsfolge und Wirkungsweise auf Gemeinsamkeiten, sondern auch in Bezug auf Bedenken und Kritikpunkte, die gegen den Vertrauensschutzgedanken erhoben und in Stellung gebracht werden. Davon sollen hier die prominentesten kurz, aber ohne eigene Bewertung dargestellt werden; sie bilden einen kritischen Maßstab, an dem die im dritten Teil der Arbeit auszulotende Lösung gemessen werden soll. Ein Zusammentragen der Kritikpunkte sensibilisiert zudem für die Schwächen des Vertrauensschutzgedankens und begünstigt damit eine selbstkritische Arbeitsweise, die für die im zweiten Teil der Arbeit vorzunehmende Analyse des geltenden statusorientierten Rechts unerlässlich ist. Ein erster Kritikpunkt richtet sich gegen die dogmatische Unbestimmtheit des Vertrauensschutzes. Es handele sich um ein allzu diffuses Prinzip, das mangels tatbestandlicher Konturierung etwas Zufälliges und Beliebiges an sich habe.102 Befürchtet wird zudem ein „Dschungel der Einzelfallgerechtigkeit“.103 Die gefundenen Ergebnisse beruhten auf „nebulösen“104 Leitlinien und seien schwer vorherzusehen.105 Tatsächlich leistet ein unreflektierter Rekurs auf das Vertrauensschutzargument dem Entstehen eines willkürlich anmutenden Billigkeitsrechts Vorschub; eine der Anwendung von Generalklauseln immanente

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Lenz, Das Vertrauensschutz-Prinzip (1968), S. 32 f.; Stich, Vertrauensschutz im Verwaltungsrecht (1954), S. 46 ff. 101 Canaris, Vertrauenshaftung (1971), S. 300. Siehe zur Methodik der Rechtsfortbildung noch unten, § 11 I. 102 Loges, Erklärungspflichten und Vertrauensschutz (1991), S. 84; Würtenberger/Jeannerod, in: Vertrauensschutz im deutsch-französischen Vergleich (2002), S. 153 (165); Preuß, JA 1977, 265 (268); siehe auch Blanke, Vertrauensschutz im Verwaltungsrecht (2000), S. 33 f.; E. Picker, AcP 183 (1983), 369 (421, 427, 429); Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse3, S. 496; vgl. auch Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag (1981), S. 98, 102. 103 Siehe zu dieser Kritik nur Kisker, VVDStRL 32 (1974), 150 (150 f.) (mwN) sowie Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes (1989), S. 23 f. 104 Shirvani, DÖV 2017, 281 (286). 105 Shirvani, DÖV 2017, 281 (286).

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Zweiter Teil: Grundlagen

Gefahr.106 Die Gewaltenteilung wird ebenfalls bemüht, um dem Vertrauensgedanken entgegenzutreten; legislative Entscheidungen drohten nämlich durch ein ausuferndes Vertrauensschutzprinzip ausgehöhlt zu werden.107 Daneben werden methodische Einwände erhoben, wenn der Anwendung des Vertrauensschutzgedankens eine Disziplinlosigkeit juristischen Denkens unterstellt wird.108 Schließlich ist zu beachten, dass es gerade der Grundsatz der Rechtssicherheit ist, der als unvereinbarer Gegensatz zum Vertrauensschutzgedanken in Stellung gebracht wird.109 Man verlöre beispielsweise „jeden sicheren Halt“, wenn man von Formvorschriften aus Billigkeitsgründen Ausnahmen zuließe, und drohe „im Meer der Ungewissheit und Willkür“ zu versinken.110 Aus dieser kurzen Umschau ergeben sich drei konkrete Leitlinien für die weitere Untersuchung: Eine vertrauensschutzgeprägte Lösung muss erstens auf klar bestimmten Voraussetzungen aufbauen, sodass die Rechtsanwendung einheitlich und vorhersehbar bleibt. Dabei darf sich zweitens die juristische Argumentation nicht in einem pauschalen Hinweis auf verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz erschöpfen. Und drittens muss der vom Gesetzgeber vorgegebene Rahmen respektiert und kann allenfalls auf Grundlage zulässiger juristischer Methodik angepasst und vorsichtig erweitert werden.

V. Bedeutung für die weitere Untersuchung Vertrauensschutz ist also ein verallgemeinerbarer Rechtsgedanke, der in jedem Rechtsgebiet grundsätzlich anerkannt wird. Allerdings ist er in seinem Facettenreichtum kaum überschaubar, und es ist deshalb nicht möglich, eine für alle Rechtsbereiche und ihre Einzelfälle gleichermaßen gültige Dogmatik festzustellen. Das ist vorliegend aber auch gar nicht nötig. Vielmehr widmet sich die Arbeit mit dem statusorientierten Recht einem einzelnen, abgrenzbaren Rechtsbereich, und dessen Untersuchung kann auf dem gefundenen Grundgerüst ohne Weiteres aufbauen. Die vorstehenden Ausführungen legen es jedenfalls nahe, den Gedanken des Vertrauensschutzes als Argumentationssystem zu begreifen, das durchaus auf verallgemeinerbare Kriterien gestützt werden 106

So bereits Stich, Vertrauensschutz im Verwaltungsrecht (1954), S. 27 ff. Preuß, JA 1977, 265 (268); siehe auch Ossenbühl, DÖV 1972, 25 (34), der diese Gefahr indes sogleich relativiert. Vgl. auch Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes (1989), S. 20 f. sowie Würtenberger/Jeannerod, in: Vertrauensschutz im deutsch-französischen Vergleich (2002), S. 153 (166), die aber noch keinen solchen Verstoß feststellen konnten. Ferner Loges, Erklärungspflichten und Vertrauensschutz (1991), S. 84. 108 Siehe Ossenbühl, DÖV 1972, 25 (34). 109 Siehe nur Huber, in: FG 25 Jahre BVerwG (1978), S. 313 (321); Würtenberger/Jeannerod, in: Vertrauensschutz im deutsch-französischen Vergleich (2002), S. 153 (165). 110 Siehe Rümelin, Die Rechtssicherheit (1924), S. 28, der aber auch konstatiert, dass die volle Rechtssicherheit ein „Phantom“ sei, vgl. S. 57 ff. 107

§ 5 Der Gedanke des Vertrauensschutzes

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kann. Auf letztere lassen sich womöglich auch die verschiedenen Lösungen zurückführen, die für den Umgang mit gutgläubig gelebten Statusverhältnissen de lege lata teilweise bereits entwickelt worden sind. Fest steht dabei, dass Vertrauensschutz allein keine unmittelbare Lösung bereithalten wird für die eingangs aufgeworfenen Probleme: Vertrauensschutz ist nämlich keine „kleine juristische Münze für die alltägliche Fallentscheidung“.111 Vielmehr handelt es sich um einen mittelbaren Gedanken, der aber Kompass sein kann für den Weg auf methodisch abgesichertem Terrain. Die „Leerformel“112 muss mithin jeweils konkret ausgefüllt werden, und zwar durch rechtsdogmatische Analyse. Dies soll im zweiten Teil der Arbeit geleistet werden. Erst danach kann im dritten Teil, quasi auf induktive Weise,113 eine allgemeingültige, übergreifende Regel extrahiert werden.

111

Ossenbühl, DÖV 1972, 25 (36). Kisker, VVDStRL 32 (1974), 150 (151); kritisch Götz, in: FG BVerfG II (1976), S. 421 (422). 113 Siehe nur Canaris, Feststellung von Lücken2, S. 97 ff.; ders., Vertrauenshaftung (1971), S. 4; Möllers, Juristische Methodenlehre4, Rn. 6.132, 6.140, 7.46. 112

Dritter Teil: Der Vertrauensschutzgedanke im statusorientierten Recht

Einleitung Im Zusammenhang mit Statusverhältnissen kommt es aufgrund der aufgezeigten Formstrenge oftmals zu Konstellationen,1 in denen das tatsächlich Gelebte im Widerspruch zur Rechtswirklichkeit steht. Persönliche Beziehungen werden dann in dem guten Glauben an die Wirksamkeit des Status gelebt, was Paradebeispiele für die Anwendung des Vertrauensschutzgedankens produziert. Einige von ihnen wurden bereits einleitend exemplarisch dargestellt. Auf sie und weitere Konstellationen soll im Rahmen des folgenden Hauptteils der Arbeit vertiefend eingegangen werden, um auszuloten, inwieweit Vertrauensschutzgesichtspunkte die zunächst konstatierte statusrechtliche Unwirksamkeit der realen Lebensentwürfe korrigieren können, und die insoweit jeweils beschrittenen Wege kritisch in Bezug auf Dogmatik und Methodik auszuleuchten. Vertrauensschutz spielt im Namensrecht schon seit längerer Zeit eine prominente Rolle, ist dort als ein grundlegender Rechtsgedanke ganz überwiegend anerkannt und hat bereits recht klare Konturen verliehen bekommen. Es ist deshalb nahezu zwingend, die namensrechtliche Untersuchung an den Anfang des dritten Teils zu stellen (§ 6). Daran anknüpfend sollen die gutgläubig geführte Nichtehe und ihre Heilungsmöglichkeiten betrachtet werden (§ 7), um die Existenz des Vertrauensschutzgedankens auch im Eheschließungsrecht unter Beweis zu stellen sowie seine Reichweite und Grenzen auszuloten. In dem anschließenden Kapitel widmet sich die Untersuchung dem Recht der ElternKind-Zuordnung, um herauszufinden, ob und inwieweit der Vertrauensschutzgedanke bei der rechtlichen Behandlung unwirksamer rechtlicher Elternschaft zum Tragen kommt (§ 8). Abschließend sind Gemeinsamkeiten und Unterschiede bei der Anwendung des Vertrauensschutzgedankens auf die einzelnen Statusverhältnisse herauszustellen und kritisch zu würdigen (§ 9). Damit ist zugleich der Boden bestellt, auf dem im dritten Teil der Arbeit die Vision einer Lehre vom faktischen Status „ausgesät“ werden kann (§§ 10 f.).

1 Es zeigt sich dann die „Unbarmherzigkeit des strengen Rechts“, vgl. von Bar/Mankowski, IPR I2, § 7 Rn. 204.

§ 6 Name Der Vertrauensschutzgedanke wird im Namensrecht bereits seit Langem lebhaft diskutiert. Ein Markstein auf dem Weg zum gutgläubig geführten Namen ist ein Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 20011 (Singh-Entscheidung), dessen Grundsätze von den Instanzgerichten aufgegriffen und konkretisiert wurden.2 Den Stellenwert des Vertrauensschutzes für das Namensrecht hat insbesondere Hepting umfassend herausgearbeitet3 und den Grund dafür klar benannt: Das deutsche Recht weist den Namen unter Berücksichtigung etwaiger namensbestimmender Erklärungen qua Gesetz und, von einigen Ausnahmen4 abgesehen, nicht per behördlichem Rechtsakt zu, sodass der gesetzlich zugewiesene Name der namensführenden Person mitunter unbekannt bleibt und ein anderer Name geführt wird. Die Registereintragung ist zudem ausweislich der gesetzlich vorgesehenen Berichtigungsmöglichkeit gemäß § 48 PStG sowie dem gemäß § 54 Abs. 3 PStG zugelassenen Nachweis der Unrichtigkeit der Eintragung lediglich deklaratorischer Natur. Die Registerrechtslage kann mithin von der wahren Rechtslage abweichen.5 An diesen Befund anknüpfend sind zunächst Begriff (I.) und Konstellationen (II.) der faktischen Namensführung zu konturieren, bevor die so gebildeten Fallgruppen unter Ausleuchtung der Voraussetzungen, unter denen der gutgläubig geführte Name rechtlichen Schutz verdient, mit Hilfe des Vertrauensschutzgedankens gelöst werden (IV). Dies kann je eher gelingen, desto klarer die historische Entwicklung des Namens und seiner Funktionen offengelegt 1

BVerfG StAZ 2001, 207 ff. In chronologischer Reihenfolge der Veröffentlichungen: AG Köln StAZ 2002, 82 f.; OLG Köln StAZ 2004, 340 ff.; OLG Hamm StAZ 2007, 175 ff.; AG Lübeck StAZ 2008, 346 f.; LG Paderborn FamRZ 2008, 1779 f.; AG Magdeburg StAZ 2009, 245; OLG Nürnberg StAZ 2011, 367 ff.; OLG Köln StAZ 2012, 372 f.; AG Schöneberg StAZ 2013, 21 ff.; OLG München StAZ 2013, 289 f.; KG StAZ 2013, 314 ff.; OLG Hamm StAZ 2015, 110 ff.; AG Mönchengladbach StAZ 2016, 214 f.; grundsätzlich auch KG StAZ 2016, 243 f. sowie BGH StAZ 2019, 207 ff. Siehe ferner aus der Verwaltungsgerichtsbarkeit OVG Schleswig StAZ 2017, 307 ff. 3 Hepting, StAZ 2013, 1 ff.; ders., StAZ 2013, 34 ff. 4 Der Name wird durch einen konstitutiv wirkenden Hoheitsakt nur ausnahmsweise zugewiesen, beispielsweise im Fall einer behördlichen Namensänderung gemäß § 3 NamÄndG, siehe MüKo-BGB9/Säcker, § 12 Rn. 209. 5 Siehe zu alledem Hepting, StAZ 2013, 1 (1 f.). 2

78

Dritter Teil: Vertrauensschutz und statusorientiertes Recht

werden (III.). Abschließend ist der Frage nachzugehen, durch welche Gesetzesreformen die Anwendung des Vertrauensschutzgedankens im Namensrecht vereinfacht werden könnte (V.).

I. Begrifflichkeiten Denklogischer Ausgangspunkt von Gutglaubensschutz überhaupt ist ein Auseinanderfallen von Ist-Zustand und Soll-Zustand. Bei der Namensführung lassen sich einerseits ein richtiger und andererseits ein tatsächlich geführter, aber falscher Name voneinander unterscheiden. Da der tatsächlich geführte Name zum richtigen Namen werden kann,6 empfiehlt sich Zurückhaltung bei der Verwendung der gegensätzlichen Begriffspaare richtig und falsch. Der scheinbar falsche Name lässt sich vielmehr unter der Bezeichnung faktischer Name von dem gesetzlichen Namen unterscheiden.7 Gewiss haftet der Kategorie des gesetzlichen Namens ebenfalls eine Zweideutigkeit an, weil auch die faktische Namensführung eine namensrechtliche Relevanz erlangen kann und zumindest unter bestimmten Voraussetzungen nicht ungesetzlich ist. Zugleich vermag der Begriff die Vorstellung zu erwecken, dass die Namensbildung stets automatisch von Gesetzes wegen erfolgt, und verengt damit den Blick auf etwaige namensrechtliche Gestaltungserklärungen.8 Allerdings verdeutlicht der gesetzliche Name die bestehende Abweichung des Faktischen von dem gesetzlichen Leitbild der Namensführung und verzichtet im Gegensatz zum rechtlichen Namen auf eine Bewertung, die es erst noch vorzunehmen gilt. Ferner ist auch ein nach einer vorhergehenden Erklärung erworbener Name auf eine gesetzliche Regelung zurückzuführen und damit gesetzlich bestimmt. Der Name einer Person setzt sich nach derzeitigem deutschen Recht aus einem oder mehreren Vor- und einem Familiennamen (auch Zuname oder Nachname)9 zusammen.10 Die vorliegende Arbeit unterscheidet insoweit nicht

6

Siehe zu den Rechtsfolgen noch ausführlich unten, § 6 III 2. Ähnlich auch BVerfG StAZ 2001, 207 (208), das dem tatsächlich geführten Namen den rechtmäßig erworbenen Namen gegenüberstellt. Vgl. auch Fachausschuss/Krömer, StAZ 2012, 151 (151) („faktisch geführter Name“); siehe ferner Fachausschuss/Krömer, StAZ 2016, 124 (125) („faktische Namensführung“) sowie Hepting, StAZ 2013, 1 (3) („faktisch[e] Namenskontinuität“; „faktisch gelebt[e] Personenstandsverhältniss[e]“). 8 Beispielsweise die Bestimmung des Ehenamens nach § 1355 Abs. 1 Satz 1 BGB, die Aufgabe desselben nach Scheidung oder Tod gemäß § 1355 Abs. 4 Satz 2 BGB oder die Bestimmung des Kindesnamens gemäß §§ 1617 ff. BGB. Siehe allgemein zu namensbestimmenden Erklärungen Hepting/Dutta, Familie und Personenstand3, Rn. II-153. 9 Vgl. Staudinger/Hausmann, BGB (2019), Vorbemerkung Art. 10 EGBGB Rn. 8 f. 10 BeckOGK-BGB/Niebel (1.5.2022), § 12 Rn. 18; MüKo-BGB9/Säcker, § 12 Rn. 8; Ebert, Handbuch Namensrecht (2019), S. 86. 7

§ 6 Name

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grundlegend, sondern hebt Unterschiede, die sich zwischen Vor- und Familiennamen ergeben können, jeweils besonders hervor. Im Übrigen wird der Begriff des Namens umfassend im Sinne des gesamten Personennamens verwendet. Das steht auch im Einklang mit der verfassungsrechtlichen Judikatur zum gutgläubig geführten Namen, die ebenfalls nicht explizit zwischen Vor- und Familiennamen differenziert.11

II. Fallgruppenbildung In den zu untersuchenden Sachverhaltskonstellationen führt eine Person faktisch einen Namen, der nicht (mehr) mit dem gesetzlich zugewiesenen Namen übereinstimmt. Das kann unterschiedliche Ursachen haben, die Mehrzahl der Fälle lässt sich aber einer der folgenden Fallgruppen zuordnen. 1. Der registrierte faktische Name Oftmals stimmt der faktische Name zwar mit der Registerrechtslage12 überein, weicht aber von dem gesetzlichen Namen ab. So liegt es in dem einleitend skizzierten Fall, in dem M und V ein Kind K bekommen und den Namen des V, der ferner der vermeintlich gemeinsame Ehename ist, als Familiennamen wählen. M ist in Wirklichkeit aber nicht die Ehefrau des V, als welche sie sich ausgibt. Die frühere Ehefrau ist vielmehr bereits verstorben und M hat sich ihre Identität angemaßt. Ein gemeinsamer Ehename kann deshalb nicht gemäß § 1355 BGB wirksam bestimmt und gemäß § 1616 BGB an das Kind K weitergegeben werden, das zum Zeitpunkt der Geburt (§ 1617 Abs. 1 Satz 1 BGB in der Fassung vom 14.6.1976)13 vielmehr den Familiennamen der Mutter M trägt. Eingetragen ist aber der Familienname des V. Auch die Fälle, die gelegentlich unter der Bezeichnung „geläuterte Rechtsprechung“14 zusammengefasst werden, gehören in die Fallgruppe des registrierten faktischen Namens. Die Änderung höchstrichterlicher Rechtsprechung kann sich auf lang zurückliegende Erwerbstatbestände auswirken, weil 11

Vgl. nur BVerfG StAZ 2001, 207 ff. Gemeint ist hier nicht ein allgemeines Namensregister. Ein solches gibt es nicht. Mit der Registerrechtslage wird im Folgenden vielmehr die Eintragung des Namens in einem der Personenstandsregister bezeichnet. Relevant sind insoweit alle vom Standesamt gemäß § 3 PStG zu führenden Personenstandsregister: Geburtenregister, Eheregister, Lebenspartnerschaftsregister sowie Sterberegister, siehe zu ihnen nur Dethloff, FamR33, § 1 Rn. 49 ff. 13 Siehe ausführlich zur historischen Entwicklung des Namensrechts unehelicher Kinder Hauser, StAZ 1992, 297 ff. sowie Schwab, StAZ 2015, 354 (360). 14 Siehe zum Begriff Wall, StAZ 2022, 225 (229); Fachausschuss/Krömer, StAZ 2021, 284 (286); Wall, StAZ 2021, 202 (204); Fachausschuss/ders., StAZ 2020, 385 (385, 386) (mwN); siehe zuvor Fachausschuss/Krömer, StAZ 2014, 118 (119); Fachausschuss/Krömer, StAZ 2016, 124 (124); OLG Karlsruhe NJW-RR 1993, 514 (516). 12

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Dritter Teil: Vertrauensschutz und statusorientiertes Recht

das Vertrauen in eine unzutreffende Rechtsauffassung grundsätzlich nicht schutzwürdig ist.15 Es ändert sich schließlich nicht das positive Recht, sondern lediglich dessen Auslegung und Anwendung; die Kategorien heißen nicht alt und neu, sondern richtig und falsch.16 Damit verändert sich der Name unter Anwendung der geänderten Rechtsprechung rückwirkend, mit der Folge, dass der in Übereinstimmung mit der früheren (unzutreffenden) Rechtsprechung gebildete und registrierte Name von Anfang an nur als faktischer Name anzusehen ist.17 Insoweit unterscheiden sich die Fälle von einer anfangs gesetzlichen und später faktisch werdenden Namensführung (siehe die unter 3. dargestellte Fallgruppe). Einschlägige Beispiele entstammen vor allem der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur kollisionsrechtlichen Anknüpfung der Namensbildung bei Fällen mit Auslandsbezug (Bildung des Ehenamens bei gemischtnationalen Ehen,18 Name eines Kindes aus einer Ehe eines Ausländers und einer Deutschen19). So hat der Bundesgerichtshof vor der ausdrücklichen Regelung des Namensstatuts in Art. 10 EGBGB durch das IPR-Reformgesetz aus dem Jahr 198620 Erwerb und Änderung des Namens einer Person, die im Zusammenhang mit einem familienrechtlichen Vorgang erfolgten, dem für diesen Vorgang geltenden Recht unterworfen, später aber eine Anknüpfung an das Personalstatut befürwortet (Anknüpfung des Ehenamens zunächst an das Eheschließungsstatut, sodann an das Personalstatut).21 15 Hepting, StAZ 2013, 1 (3); Hepting/Dutta, Familie und Personenstand3, Rn. II-412; siehe exemplarisch nur BGH StAZ 1991, 103 f. (dort geht es vor allem um die hier nicht zu untersuchende und vom BGH verneinte Frage, ob eine veränderte Rechtsprechung auf einen Sachverhalt unangewendet bleiben kann, um einen einheitlichen Familienamen zu gewährleisten, weil die Namensführung der Geschwister nach früheren Rechtsprechungsgrundsätzen gebildet worden war. Insoweit stellt der BGH heraus, dass die Namen der Geschwister unrichtig seien und entsprechend geändert werden könnten); siehe die kritische Anmerkung von Hepting, StAZ 1991, 104 ff.; ebenfalls kritisch und die Rückwirkung einer Rechtsprechungsänderung ausdrücklich ablehnend OLG Nürnberg StAZ 2011, 367 ff. Zum in diesem Zusammenhang ebenso fraglichen Wahlrecht siehe noch unten, § 6 IV 2. 16 Wall, StAZ 2022, 225 (230); Hepting, StAZ 2013, 1 (3); ders., StAZ 1991, 104 (105); vgl. auch Fachausschuss/Krömer, StAZ 2021, 284 (286); Fachausschuss/Wall, StAZ 2020, 385 (387); Fachausschuss/Wall, StAZ 2014, 311 (313); OLG Nürnberg StAZ 2011, 367 (369). 17 Wall, StAZ 2022, 225 (230); Hepting, StAZ 2013, 1 (3) (mwN); ders., StAZ 1991, 104 (106); vgl. auch Fachausschuss/Krömer, StAZ 2021, 284 (285 f.). 18 BGH NJW 1971, 1516 ff. Siehe zum Rechtsprechungswandel in Bezug auf die Frage, ob der Ehename gemäß § 1355 Abs. 2 BGB aus nur einem oder beiden apellidos eines spanischen Doppelnamens, den einer der Verlobten führt, gebildet werden kann, Fachausschuss/Wall, StAZ 2020, 385 (386 ff.). Siehe ferner Fachausschuss/Krömer, StAZ 2014, 118 (118). 19 BGH NJW 1979, 1775 f.; siehe auch Fachausschuss/Wall, StAZ 2014, 311 (312). 20 Gesetz zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts vom 25.7.1986, BGBl I, Nr. 37, S. 1142 ff. 21 Siehe überblicksartig MüKo-BGB8/Lipp, Art. 10 Rn. 7 (mwN) sowie unten, § 6 III 3a).

§ 6 Name

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Spürbar abgeschwächt wird die Härte der rückwirkenden Rechtsprechungsänderung aber dadurch, und das betont der Bundesgerichtshof,22 dass eine Namensänderung nur auf Antrag und nicht von Amts wegen erfolgt und – darauf wird zurückzukommen sein – der betreffenden Person womöglich eine Wahlmöglichkeit eröffnet wird, ob sie den faktischen Namen weiterführt oder ihre Namensführung auf den gesetzlichen Namen entweder mit Wirkung ex nunc oder mit Wirkung ex tunc umstellt.23 2. Der nicht registrierte faktische Name Mitunter treten Konstellationen auf, in denen der faktische Name geführt wird, obwohl der gesetzliche Name ordnungsgemäß registriert wurde. Ein Auseinanderfallen von Registrierung und Führung jeweils unterschiedlicher Namen ist vor allem in Fällen mit Auslandsbezug für die Beteiligten schwer erkennbar und provoziert das Führen eines faktischen Namens, der noch nicht mal registriert ist. Als Beispiel dient ein vom Oberlandesgericht Hamm entschiedener Fall aus dem Jahr 2006:24 Ein in Deutschland lebendes türkisches Ehepaar bekommt einen Sohn, der ausschließlich die türkische Staatsangehörigkeit besitzt.25 Gemäß einer unterzeichneten, schriftlichen Anzeige der Eltern wird der Vorname Inal in das deutsche Geburtenbuch (jetzt Geburtenregister, vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 PStG) eingetragen. Eine spätere Eintragung im türkischen Personenstandsregister lautet indes, wiederum entsprechend dem Antrag der Eltern, auf den Namen Inan. Unter diesem Namen wächst das Kind in Deutschland auf und wird insbesondere schulisch erfasst. Auf den ersten Blick scheint die deutsche Registrierung der gesetzlichen Namenszuordnung zu widersprechen.26 Schließlich richtet sich die Namensbestimmung für das Kind gemäß Art. 10

22

BGH StAZ 1991, 103 (104); siehe dazu eingehend Hepting, StAZ 1991, 104 (106); OLG Nürnberg StAZ 2011, 367 (369); Wall, StAZ 2021, 202 (204); Fachausschuss/ders., StAZ 2020, 385 (387). 23 Siehe BGH NJW 1975, 112 ff. sowie anschaulich Fachausschuss/Krömer, StAZ 2021, 284 (286 f.), der insoweit, in dieser Allgemeinheit etwas missverständlich, von einem „dritten Weg“ spricht. Es dürfte sich aber um Ausnahmen für Fälle des Statutenwechsels handeln, vgl. Hepting, StAZ 2013, 1 (3). Siehe im Übrigen auch Hepting/Dutta, Familie und Personenstand3, Rn. II-414. 24 OLG Hamm StAZ 2007, 175 ff. 25 Die Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 StAG, unter denen ein im Inland geborenes Kind ausländischer Eltern die deutsche Staatsangehörigkeit erwirbt, lagen offenbar nicht vor. Die türkische Staatsangehörigkeit folgte aus Art. 7 türkisches Staatsangehörigkeitsgesetz, vgl. Tarman/Basak, StAZ 2017, 33 (43); Rumpf/Odendahl, in: Bergmann/Ferid/Henrich, Türkei (24.2.2017), S. 6 f., 10. 26 So dann im Ergebnis auch das vorinstanzlich entscheidende LG Essen vom 16.3.2005 – 7 T 129/04 (nicht veröffentlicht, zitiert nach OLG Hamm StAZ 2007, 175 [176]).

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Dritter Teil: Vertrauensschutz und statusorientiertes Recht

Abs. 1 EGBGB nach türkischem Recht, das die Verweisung auch annimmt.27 Allerdings ist nach dem für den Rechtsstreit maßgeblichen Art. 9 des türkischen Personenstandsgesetzes a.F.28 nicht nur eine Anzeige bei dem nächsten türkischen Generalkonsulat erforderlich, um eine wirksame Vornamenswahl mit Bindungswirkung zu treffen. Weil die Geburt nach örtlicher Gesetzgebung, nämlich § 21 türk. PStG a.F., durch ein Personenstandsamt zu registrieren gewesen wäre, verlangt das türkische Recht die Vorlage eines entsprechenden Nachweises, der wiederum als Grundlage für die türkische Registrierung dient. Somit hätte auch nach türkischem Recht die türkische Registrierung der deutschen Beurkundung entsprechen müssen, mit der Folge, dass die auf den Namen Inal lautende deutsche Eintragung nicht gesetzwidrig ist.29 Ähnlich gestaltet sich der Fall, über den das Oberlandesgericht Nürnberg30 kürzlich zu entscheiden hatte: Ein griechisches Paar schließt in Deutschland eine wegen Verstoßes gegen Art. 13 Abs. 4 Satz 2 EGBGB unwirksame Ehe, die aber nach griechischem Recht wirksam ist.31 Die Unwirksamkeit der Ehe führt nicht nur dazu, dass der mittlerweile verstorbene Mann nach deutschem Recht nicht rechtlicher Vater des Kindes wird, sondern im Ergebnis32 auch dazu, dass das Kind den Familiennamen seiner Mutter und damit nicht den seines Vaters führt. All dies wird auch zutreffend im deutschen Geburtenregister und der deutschen Geburtsurkunde registriert. Dennoch führt das 1966 geborene Kind den väterlichen Namen als Familiennamen – es ist nicht nur Inhaber einer griechischen ID-Karte, die auf diesen nach griechischem Recht sogar gesetzlichen Namen lautet, sondern wird darüber hinaus auch von sämtlichen deutschen Behörden, mit Ausnahme des Standesamts, unter diesem Namen geführt. Das erscheint plausibel, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Gepflogenheiten des Rechtsverkehrs nicht auf eine Vorlage der Geburtsurkunde, sondern gültiger Ausweispapiere gerichtet sind. Obwohl der Senat es bevorzugt, den Fall europarechtlich zu lösen, drängt sich die Frage auf, ob der faktische Name, der auch gegenüber den Behörden unbeanstandet über Jahrzehnte hinweg tatsächlich geführt worden ist, geheilt worden sein könnte. Ebenfalls sehr deutlich von der ersten Fallgruppe des fehlerhaft registrierten faktischen Namens unterscheidet sich die Fallkonstellation der Fachausschuss27

Vgl. Tarman/Basak, StAZ 2017, 33 (35 f.); siehe ferner, wenn auch ohne Begründung, OLG Hamm StAZ 2007, 175 (176); vgl. auch Krüger, StAZ 2011, 179 f. 28 Das türkische Personenstandsgesetz vom 5.5.1972 ist durch das neue Personenstandsgesetz Nr. 5490 vom 25.4.2006 außer Kraft gesetzt worden, siehe Rumpf/Odendahl, in: Bergmann/Ferid/Henrich, Türkei (24.2.2017), S. 51 ff., 117 ff. 29 OLG Hamm StAZ 2007, 175 (176). 30 OLG Nürnberg FamRZ 2021, 493 ff. (mAnm Solomon). 31 Siehe zu diesen für Art. 13 Abs. 4 Satz 2 EGBGB typischen Fallkonstellationen der Griechenehen noch ausführlich unten, § 7 III 1c) cc). 32 Siehe zu den entsprechenden Problemen aus dem IPR Solomon, FamRZ 2021, 496 ff.; Wall, StAZ 2021, 202 (204 f.).

§ 6 Name

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Nr. 4195,33 in der der faktische Name zwar registriert, aber im Register ausdrücklich als ungeklärt gekennzeichnet wird, und der gesetzliche Name, anders als in den vorherigen Beispielsfällen, nicht festgestellt werden kann. Eine nach Deutschland geflüchtete und ausländerrechtlich geduldete Frau bekommt einen Sohn. Sie gibt an, aus dem Kosovo zu stammen, kann dies sowie ihren Namen allerdings nicht nachweisen. Mithin ist auch die Staatsangehörigkeit des Sohnes ungeklärt, was für den Namen gemäß Artt. 5 Abs. 2, 10 Abs. 1 EGBGB zu deutschem Recht führt.34 Danach ist der Familienname des Kindes gemäß § 1617a Abs. 1 BGB derjenige der Mutter, welcher indes ungeklärt ist. Folgerichtig wird das Kind mit dem von der Mutter angegebenen Familiennamen registriert, allerdings mit dem Zusatz, dass der Familienname nicht festgestellt werden konnte (vgl. § 35 Abs. 1 Satz 1 PStV35). An dieser Registrierung hat sich zwar bis heute nichts geändert, das inzwischen erwachsene Kind ist aber mit dem registrierten Familiennamen groß geworden; dies sowohl im sozialen Umfeld als auch im schulischen (Zeugnisse usw.) und behördlichen (Melderegister, Führerschein) Bereich. Als das Kind die Ehe schließen will, muss es seinen Personenstand nachweisen (vgl. §§ 12 Abs. 2 Nr. 1, 13 ff. PStG), was bezüglich seines Nachnamens wiederum problematisch ist. Damit ist die Frage aufgeworfen, ob ein rechtlich ungesicherter Name durch Zeitablauf zu einem rechtlich sicheren Namen erstarken kann. Im Gegensatz zu den bisherigen Fällen ist unklar, wie der gesetzliche Name in Wirklichkeit lautet, und die Heilung eines anfänglichen (und bekannten) Mangels steht damit im Vordergrund. 3. Der zunächst gesetzliche und später (nur noch) faktische (registrierte) Name Besondere Fallkonstellationen treten auf, wenn eine zunächst mit der gesetzlichen Namenszuordnung übereinstimmende Namensregistrierung erst durch eine spätere tatsächliche oder rechtliche Entwicklung von der faktischen Namensführung abweicht. Eine nachträgliche Veränderung in tatsächlicher Hinsicht kann beispielsweise die Eheaufhebung sein. Wird eine Ehe gemäß § 1313 Satz 1 BGB durch gerichtliche Entscheidung aufgehoben, so sind die namensrechtlichen Folgen

33

Siehe Fachausschuss/Horenkamp, StAZ 2021, 250 ff. Auch die Anerkennung als geflüchtete Person kann im Übrigen gemäß Art. 12 GFK zu deutschem Personalstatut führen, sodass insoweit ähnliche Fallkonstellationen entstehen können, vgl. beispielsweise BGH FamRZ 2021, 831 ff. (mAnm Schmitz). 35 Die Regelung ist Ausdruck des sogenannten Annäherungsgrundsatzes, vgl. BGHZ 221, 1 (6) {20} = NZFam 2019, 300 (301) (mAnm Zimmermann); BGH FamRZ 2021, 831 (832) (mAnm Schmitz). 34

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Dritter Teil: Vertrauensschutz und statusorientiertes Recht

umstritten.36 Die diesbezüglich veröffentlichte Rechtsprechung ist bisher relativ überschaubar und erschöpft sich in einer (umstrittenen) Entscheidung des OLG Celle aus dem Jahr 2013, wonach die Eheleute jeweils ihren früheren Namen wieder anzunehmen haben.37 Eine von Anfang an unzutreffende Registereintragung liegt anders als in der vorherigen Fallgruppe dennoch nicht vor, da die Eheaufhebungsfolgen lediglich mit Wirkung ex nunc eintreten, vgl. § 1313 Satz 2 BGB.38 Hier weicht also eine ursprünglich mit der gesetzlichen Namenszuweisung übereinstimmende Registerlage von derselben nachträglich ab. Aufsehen erregt hat insoweit jüngst ein Fall mit Auslandsbezug, der pars pro toto für die Fallgruppe steht:39 Im Jahr 1997 heiraten die deutsche Staatsangehörige D und der maltesische Staatsangehörige M in Malta. Zu diesem Zeitpunkt sind beide neunzehn Jahre alt. Anschließend erklären sie gegenüber dem zuständigen deutschen Standesamt die Wahl des deutschen Namensrechts (Art. 10 Abs. 2 EGBGB) und bestimmen den Namen des M zum gemeinsamen Familiennamen. Das Standesamt stellt eine entsprechende Bescheinigung nach § 46 PStG aus. Der deutsche Reisepass der D lautet ebenfalls auf den Familiennamen M. Über ein Jahrzehnt später erklärt ein (zuständiges) maltesisches Gericht die Ehe für „null und nichtig“, weil die Parteien wegen ihrer Unreife im Zeitpunkt der Eheschließung und aufgrund des familiären Drucks nicht in der Lage gewesen seien, eine Entscheidung mit solcher Tragweite zu treffen. Hintergrund ist Art. 19 Abs. 1 lit. d) Alt. 1 des maltesischen Ehegesetzes, wonach eine Eheschließung ungültig ist, wenn das Einverständnis eines Ehegatten dadurch beseitigt wird, dass er über das Eheleben oder seine grundlegenden Rechte und Pflichten wegen eines schweren Ermessensfehlers einer Fehleinschätzung unterliegt, (…), die es ihm unmöglich macht, die grundlegenden Verpflichtungen eines Ehegatten zu erfüllen.40 Wegen der auch nach der Auflösung der Ehe fortbestehenden Rechtswahl gemäß Art. 10 Abs. 2 EGBGB ist deutsches Namensrecht einschlägig.41 Weil die maltesische Erklärung für null und nichtig mit einer Eheaufhebung nach deutschem Recht funktional vergleichbar ist,42 greift hier § 1355 Abs. 5 Satz 1 BGB, wonach ein geschiedener Ehegatte den Ehenamen behält, nicht ein. Die

36 Siehe zum Streitstand nur Keuter, FamRZ 2013, 1936 (1936 f.), ausführlich noch sogleich, § 6 Fn. 43. 37 OLG Celle FamRZ 2013, 955 (955 ff.); zustimmend Fachausschuss/Wall, StAZ 2014, 151 (151 f.). 38 MüKo-BGB9/Wellenhofer, § 1313 Rn. 9; vgl. auch OLG Celle FamRZ 2013, 955 (955). 39 Angelehnt an die Schilderung bei Fachausschuss/Wall, StAZ 2019, 154 (154). 40 Abgedruckt bei Pietsch, in: Bergmann/Ferid/Henrich, Malta (1.1.2019), S. 113. 41 Vgl. ausführlich Fachausschuss/Wall, StAZ 2019, 154 (155) (mwN). 42 Fachausschuss/Wall, StAZ 2019, 154 (156).

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Vorschrift wird auch von § 1318 BGB (Folgen der Aufhebung) nicht für anwendbar erklärt. Ihre analoge Anwendung auf die Eheaufhebung wird mehrheitlich, insbesondere vom Fachausschuss des Bundesverbands der Deutschen Standesbeamtinnen und Standesbeamten und der einzig veröffentlichten einschlägigen Rechtsprechung, abgelehnt.43 Das verdient Zustimmung und überzeugt vor allem unter Berücksichtigung des Wortlauts von § 1318 Abs. 1 BGB („nur“) sowie seiner Entstehungsgeschichte, weil im Gesetzgebungsverfahren ein ursprünglich vorgesehener Gesamtverweis auf § 1355 BGB „insbesondere für das Ehenamensrecht“44 für bedeutsam gehalten, später aber nach einer entsprechenden Empfehlung des Rechtsausschusses45 gestrichen wurde.46 Nach alledem müsste die Frau also den bisher von ihr geführten Namen ablegen,47 wenn kein Vertrauensschutz (heilend) eingreift. 4. Der vertauschte und registrierte Name Ferner kann eine Namensführung auch problematisch sein, wenn sie weder von der Registerrechtslage noch von der gesetzlichen Namenszuordnung abweicht, aber durch eine andere als von der eigentlich zugeordneten Person erfolgt. Im Fall von vertauschten Kindern48 leben die Kinder beispielsweise schlichtweg 43

OLG Celle FamRZ 2013, 955 ff.; Fachausschuss/Wall, StAZ 2019, 154 (156); Fachausschuss/Wall, StAZ 2014, 151 (152). Ebenso gegen eine Analogie: BeckOK-BGB/Hahn (1.5.2022), § 1318 Rn. 23; Staudinger/Voppel, BGB (2018), § 1318 Rn. 51 f.; BeckOGKBGB/Kienemund (1.8.2022), § 1355 Rn. 84; Tschernitschek, FamRZ 1999, 829 (830); Muscheler, FamR4, Rn. 277; Bosch, NJW 1998, 2004 (2011); Tinnefeld, Bedeutungsverlust anfänglicher Eheschließungsmängel (2007), S. 273 ff.; wohl auch Palandt/Brudermüller, BGB79, § 1318 Rn. 16; im Ergebnis auch Keuter, FamRZ 2013, 1936 (1937), der eine analoge Anwendung verneint, in § 1355 Abs. 5 Satz 1 BGB aber ohnehin nur eine deklaratorische Regelung sieht und die Fortführung des Namens mit dem Grundsatz der Namenskontinuität begründet; wohl auch Fröschle, StAZ 2015, 130 (137). A.A.: Gernhuber/CoesterWaltjen, FamR7, § 14 Rn. 27, § 16 Rn. 24 mit Fn. 51; Erman/Roth, BGB16, § 1318 Rn. 12; NK-FamR4/Antomo, § 1318 Rn. 27; Soergel/Heintzmann, BGB13, § 1318 Rn. 34; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand3, Rn. III-637; MüKo-BGB9/Wellenhofer, § 1318 Rn. 19; NK-FamR4/dies., § 1355 Rn. 17 (jeweils aber differenzierend nach der Schutzbedürftigkeit). 44 Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Eheschließungsrechts (Eheschließungsrechtsgesetz – EheschlRG) vom 13.6.1996, BT-Drs. 13/4898, S. 21; vgl. auch Bosch, NJW 1998, 2004 (2010). 45 Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung – Drucksache 13/4898 – vom 10.12.1997, BT-Drs. 13/9416, S. 27, siehe auch S. 28; siehe zu der Gesetzesentstehung ferner Winkler, Der Ehename bei Eheaufhebung (2005), S. 131 f. 46 Siehe OLG Celle FamRZ 2013, 955 (957); Fachausschuss/Wall, StAZ 2019, 154 (156); Fachausschuss/Wall, StAZ 2014, 151 (152); Keuter, FamRZ 2013, 1936 (1937); vgl. auch Staudinger/Voppel, BGB (2018), § 1318 Rn. 48. 47 Fachausschuss/Wall, StAZ 2019, 154 (156). 48 Siehe exemplarisch bereits oben, § 1 II.

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Dritter Teil: Vertrauensschutz und statusorientiertes Recht

unter falscher Identität. Die realiter geführten Kindesnamen entsprechen den gesetzlich zutreffend gebildeten und fehlerfrei eingetragenen Namen: Manon Maillot führt im einleitend geschilderten Fall dennoch den Namen Marina Serrano und vice versa. Was gilt, wenn beide nunmehr Manon Maillot heißen wollen?

III. Ein Blick zurück: Die Entwicklung des Namens(rechts) Die Anwendung des Vertrauensschutzgedankens im Namensrecht steht in engem Zusammenhang mit den historisch gewachsenen und einem stetigen Wandel unterworfenen Funktionen, die die Namensführung für die Gesellschaft, den Staat und das Individuum erfüllen soll. Das eine kann nicht ohne das andere gedacht und bewertet werden. Es scheint deshalb zunächst geboten, über die bereits erfolgte Beschreibung der allgemeinen Statusfunktionen hinausgehend49 die besonderen Entwicklungslinien des Namens(-rechts) nachzuzeichnen und insofern eine kursorische historische Betrachtung an den Beginn der Untersuchung zu stellen. Der Name eines Menschen ist so alt wie die Menschheit selbst.50 Er diente schon seit jeher seiner Identifizierung und Unterscheidbarkeit von anderen innerhalb einer Gemeinschaft51 und gilt als untrennbarer Begleiter eines Menschen sowie als Mittel zu seiner Bewahrung und Erinnerung.52 Demgegenüber hat die Verrechtlichung des Namens erst in jüngerer Zeit eingesetzt.53 Noch bis in das 19. Jahrhundert hinein erfuhr das Namensrechtswesen nicht mehr als eine „stiefmütterliche, nur durch daß unabweisbare Bedürfnis verursachte und mit Befriedigung desselben abgeschlossene Behandlung“54. Das mag eigentümlich erscheinen, der Eindruck relativiert sich aber vor dem Hintergrund der rechtsgeschichtlichen Prägung des Namenswesens durch allgemein anerkannte Sitten und Gebräuche. Diese und die mit der Namensführung verbundenen Funktionen sollen anhand einer kurzen historischen tour d’horizon illustriert 49

Siehe oben, § 4 I und II. Hermann, AcP 45 (1862), 153 (155) („Die Namen sind so alt wie das Menschengeschlecht“). 51 Hermann, AcP 45 (1862), 153 (155 f.). 52 Hermann, AcP 45 (1862), 153 (156); Wiarda, Ueber deutsche Vornamen und Geschlechtsnamen (1800), S. 105 („Der alte Germane hatte, so wie alle alte Völker, nur einen Namen, den er bald nach der Geburt erhielt, den er nie ablegte, den er als Kind, Mann und Greis führte, den er mit sich in das Grab nahm, und der auch jenseits des Grabes noch so lange lebte, als sein Andenken unter seiner Nachkommenschaft nicht erloschen war.“). 53 Schott, in: FS Hegnauer (1986), S. 471 (473). 54 Hermann, AcP 45 (1862), 153 (153); siehe auch Schwenzer, FamRZ 1991, 390 (391). Eine erste ausführliche Behandlung des Namens findet sich bei Wiarda, Ueber deutsche Vornamen und Geschlechtsnamen (1800), passim. 50

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werden, die im Rahmen der vorliegenden Arbeit indes nur holzschnittartig ausfallen kann.55 1. Historische Bedeutung und Funktion des Namens Die vornehmliche und ursprünglichste Aufgabe kommt dem Namen als Unterscheidungsmerkmal zu (Individualisierungsfunktion oder Identitätsfunktion).56 Das gilt zum einen für die Unterscheidung der Menschen untereinander („wer allein ist, hat keinen Namen nöthig, denn es ist keiner da, mit dem er verwechselt werden könnte“57) und zum anderen auch für die unverwechselbare Bezeichnung von Tieren und Gegenständen. Der Name ist heutzutage nicht das effektivste Mittel zur Individualisierung einer Person. Insoweit haben sich unlängst zuverlässigere Methoden (DNA, Fingerabdrücke, Gesichtserkennung, Sozialversicherungsnummern etc.) herauskristallisiert.58 Allerdings ist der Name noch immer das Mittel der Wahl für das tägliche Miteinander und das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben: Es nennt seinen Namen, wer auf einen Unbekannten trifft und ermöglicht damit eine Kommunikation.59 Der Name hat ferner eine besondere Bedeutung für die eigene Identifikation und Selbstdarstellung einer Person (Identifikationsfunktion).60 Diese Funktion reicht weit in die germanische Zeit zurück. Mit der Namensgebung waren bestimmte Wünsche, Erwartungen und familiale Hintergründe verbunden. Besondere Fähigkeiten, die berufliche Betätigung, eine eigentümliche

55 Ausführlich zur Geschichte des Namenswesens Dumoulin, Adelsbezeichnung (1997), S. 28 ff. 56 Siehe Dutta, Reform des deutschen Namensrechts (2020), S. 8; Ficker, Das Recht des bürgerlichen Namens (1950), S. 13; Brexel, Die Entwicklung des Namensgebrauchs (1962), S. 2 f. Siehe auch RGZ 137, 213 (215); Sperling, Familiennamensrecht (2012), S. 5, der diese Funktion zu einer einheitlichen Identifikationsfunktion zusammenfasst, die eine selbstbezogene und eine drittbezogene Ausprägung erfährt; so auch Arndt, Namensrecht (2004), S. 44 f. 57 Schiller, Die Sendung Moses (1790), S. 14; siehe auch Wiarda, Ueber deutsche Vornamen und Geschlechtsnamen (1800), S. 7 („Gott […] hat keinen Eigennamen, weil er alleine ist, und keine Mehrheit in der Gottheit ist.“). 58 Sperling, Familiennamensrecht (2012), S. 5; Dutta, Reform des deutschen Namensrechts (2020), S. 9. 59 Darauf weist anschaulich Sperling, Familiennamensrecht (2012), S. 6 hin; siehe ferner Arndt, Namensrecht (2004), S. 44 mit zahlreichen weiteren Beispielen und Nachweisen; Lettmaier, FamRZ 2020, 1 (7). 60 Krüger, AcP 156 (1958), 232 (234); vgl. auch Arndt, Namensrecht (2004), S. 42 ff.; Klippel, Zivilrechtlicher Schutz des Namens (1985), S. 358 spricht insofern von einer Individuierungsfunktion, Dumoulin, Adelsbezeichnung (1997), S. 19 hingegen von Selbstdarstellungsfunktion, so auch Dutta, ZRP 2017, 47 (50).

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Wohnstätte, das Aussehen, die Herkunft61 oder die religiöse Zugehörigkeit einer Person beeinflussten die (eigene) Namensgebung:62 Ekkehard kann gut mit dem Schwert umgehen, Eberhart soll stark werden wie ein Eber,63 Herr Schneider fertigt die besten Stoffe an, während Hildegard die Streitschlichterin ist. Hagen wohnt an der Hecke, eine Person mit dem Namen Viehweg64 außerhalb von Siedlungen. Vor diesem Hintergrund entstanden viele unterschiedliche Namen, wobei statt der heute selbstverständlichen Verwendung von Vor- und Zunamen zunächst – jedenfalls nach germanischer Sitte – auf nur einen Namen, den sogenannten Vollnamen, zurückgegriffen wurde.65 Auch der Namenswechsel wird unter Berücksichtigung der Funktion der Selbstidentifikation als „Selbstentäußerung“ und den Beginn eines neuen Lebens(abschnitts) verstanden, und es wird insoweit auf vor allem christliche Brauchtümer (Taufe, Namen von Mönchen und Päpsten) verwiesen.66 Der Name einer Person dient zudem der Klassifizierung und der sozialen Zuordnung eines Menschen zu einer bestimmten Gruppe. Das betrifft in Deutschland neben der Geschlechtszugehörigkeit vor allem die familiale Zugehörigkeit der sogenannten Kernfamilie,67 die bekannterweise durch den Familiennamen nach außen zum Ausdruck gebracht wird, und weniger die Zugehörigkeit zu einer Religionsgruppe, wofür der Name(nszusatz) Singh noch als Beispiel aufzugreifen sein wird.68 Angesprochen ist damit die (familiale) Zuordnungsfunktion.69 Auch diese Funktion ist keine moderne Erscheinung, wenngleich der Familienname erst mit Beginn des 12. Jahrhunderts entstand,70 als die Namensgebung eines Kindes durch die familiale Zuordnung immer

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Fleischer, Personennamen2, S. 128 f. (mit zahlreichen Beispielen). Siehe die vielen Beispiele bei Ebert, Handbuch Namensrecht (2019), S. 60 f. (mwN); siehe auch Fleischer, Personennamen2, S. 122 ff.; Wiarda, Ueber deutsche Vornamen und Geschlechtsnamen (1800), S. 104 ff. 63 Fleischer, Personennamen2, S. 30. 64 Fleischer, Personennamen2, S. 136. 65 Brexel, Die Entwicklung des Namensgebrauchs (1962), S. 6; Wiarda, Ueber deutsche Vornamen und Geschlechtsnamen (1800), S. 104; Henrich/Bornhofen/Wagenitz, Deutsches Namensrecht (Stand: 2007), Rn. A III 1; Arndt, Namensrecht (2004), S. 31, 158. Siehe zu der von Rom ausgehenden Entwicklung der Zweinamigkeit dies., Namensrecht (2004), S. 34 f. 66 Vgl. Sturm, StAZ 1994, 370 (370). 67 Klippel, Zivilrechtlicher Schutz des Namens (1985), S. 362; siehe auch Dutta, ZRP 2017, 47 (47); ders., Reform des deutschen Namensrechts (2020), S. 8. 68 Siehe unten, § 6 III 3b) bb). 69 Dumoulin, Adelsbezeichnung (1997), S. 20; Klippel, Zivilrechtlicher Schutz des Namens (1985), S. 361 ff. Teilweise wird auch weitergehend von einer Klassifizierungsfunktion gesprochen, vgl. Dutta, ZRP 2017, 47 (47 f.). 70 Arndt, Namensrecht (2004), S. 33 ff. 62

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mehr geprägt wurde.71 Ein einheitlicher, vererbbarer72 Familienname – gebildet durch die Übernahme des Mannesnamens durch die Frau und die ehelichen Kinder – entwickelte sich zur allgemeinen Sitte; zunächst nur innerhalb des Adels und ab dem 17. Jahrhundert auch innerhalb bürgerlicher Kreise.73 Als Begründung für diese aufkommende Sitte gilt neben den Standesrechten des Adels74 und der Offenlegung familialer Zugehörigkeiten das Phänomen, Kindern mehrere Vornamen zu erteilen,75 und darüber hinaus die vermehrte Verbreitung von gewissen, vor allem der „bekannten und gefeierten Namen“.76 Damit ging eine Verwässerung der Identitätsfunktion des einteiligen Namens einher, die dem Nachnamen zu wachsender Bedeutung verhalf. Der Nachname stärkte mithin die Identitätsfunktion und erweiterte diese en passant um eine Zuordnungsfunktion.77 Der Familienname bringt ferner nicht nur die feste familiale Verbindung nach außen zum Ausdruck, sondern lässt, oder besser ließ,78 ihre gesellschaftliche Stellung79 oder (geographische) Herkunft80 scheinbar erkennbar werden. Ferner konnten Namenszusätze die Rollenverteilung innerhalb der Familienbande abbilden; beispielsweise unterstreicht der Namenszusatz „Fürst“ die Rolle als Chef der Familie.81 Heutzutage ist die (familiale) Zuordnungsfunktion deutlich abgeschwächt. Sie hat in der jüngeren Geschichte spürbar an Bedeutung verloren.82 Spätestens seit dem Wegfall der Pflicht, einen gemeinsamen Ehenamen zu führen, ist der Familienname nicht 71

Schwenzer, FamRZ 1991, 390 (391); Gaaz, StAZ 2006, 157 (163). Ebert, Handbuch Namensrecht (2019), S. 61. 73 Schwenzer, FamRZ 1991, 390 (391); Krüger, AcP 156 (1958), 232 (240) geht von einer Verbreitung der Sitte ab dem 15. Jahrhundert aus; siehe auch Arndt, Namensrecht (2004), S. 34; Dumoulin, Adelsbezeichnung (1997), S. 31 f. 74 Arndt, Namensrecht (2004), S. 37. 75 Krüger, AcP 156 (1958), 232 (240). 76 Hermann, AcP 45 (1862), 153 (157), der damit zwar unmittelbar das Entstehen von Beinamen erklärt, aber die Entwicklung der Beinamen zu Familien- bzw. Geburtsnamen aufzeigt; siehe auch Pathe, Der Familienname (1999), S. 24. Siehe allgemein zur Entwicklung und Entstehung der Familiennamen Fleischer, Personennamen2, S. 82 ff. 77 Vgl. zur allmählichen Weitergabe der sogenannten Beinamen vom Vater an den Sohn Wiarda, Ueber deutsche Vornamen und Geschlechtsnamen (1800), S. 116 f. Nach Dumoulin, Adelsbezeichnung (1997), S. 29 ist die Herausbildung der Zweinamigkeit vor allem auf privatwirtschaftliche und politisch-militärische Bedürfnisse zurückzuführen. 78 Siehe zum Problem des sogenannten Scheinadels sowie zu den rechtlichen Schwierigkeiten, die mit den nach deutschem Namensrecht weiterhin möglichen ehemaligen Adelsbezeichnungen als Bestandteil des Namens einhergehen, Otto, StAZ 2016, 225 (227 ff.); Dumoulin, Adelsbezeichnung (1997), S. 88 ff. 79 Schwab, StAZ 2015, 354 (355). 80 Vgl. Arndt, Namensrecht (2004), S. 46. 81 Dutta, ZRP 2017, 47 (47); ders., Reform des deutschen Namensrechts (2020), S. 8. 82 Dumoulin, Adelsbezeichnung (1997), S. 21 ff.; Arndt, Namensrecht (2004), S. 46; Sperling, Familiennamensrecht (2012), S. 7; Dutta, Reform des deutschen Namensrechts (2020), S. 8 f.; siehe auch BGH FamRZ 2020, 1275 (1281) (mAnm Helms). 72

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mehr verlässliches Kennzeichen miteinander verheirateter Eltern. Auch die weite Verbreitung der nichtehelichen Familie und die inzwischen unangefochtene gesellschaftliche Überzeugung, dass eine gefestigte Familie auch ohne eheliche Verbindung denkbar ist, begründen den Bedeutungsverlust der Zuordnungsfunktion. Der Familienname dient aber noch immer der Nachzeichnung von Abstammungslinien und Hervorhebung gemeinsamer familialer Zugehörigkeit, wie die gemeinsame Namensführung von Geschwistern (§ 1617 Abs. 1 Satz 3 BGB) belegt.83 Namensgebung war, so bestätigt unter anderem ein Blick in die Heilige Schrift, nicht zuletzt auch immer ein Ausdruck von Macht und ihrer Ausübung sowie ein Zeichen von Herrschaft über eine Person, ein Tier oder eine Sache.84 Gott verleiht nach dem zweiten Schöpfungsbericht Adam das Recht zur Benennung der Tiere.85 Das ist zumindest nach einer Lesart Ausdruck der Überordnung des Menschen über das Tier.86 Die Namensgebung ist ohnehin ein wiederkehrendes biblisches Motiv.87 Aber auch über die Religion hinaus wurde Namensgebung als Symbol des Beherrschens benutzt. Das lässt sich zwar überwiegend bei Städte- und Ländernamen beobachten. So wurden beispielsweise eroberte Städte umbenannt (Byzanz, Konstantinopel, Istanbul)88 und im Zuge des Kolonialismus besetzte Länder, Städte, Plätze und Straßen mit Namen versehen, die einen Bezug zu den Besatzungsmächten herstellen.89 Auch heute drückt die Benennung von Gebäuden Machtverhältnisse aus: Man denke nur an den Trump-Tower in Manhattan. Aber auch bei Personen ist Namensgebung mit Macht und Herrschertum verbunden. Menschen, die als Sklaven unterdrückt wurden, bekamen einen kurzen, oftmals ihre Herkunft bezeichnenden Namen und erhielten selbst nach ihrer Freilassung regelmäßig eine abgewandelte Form des Namens ihrer Herren.90 Der Namensentzug und die Namensersetzung durch eine Nummer sowie die verpflichtende Führung von Namen und 83 Arndt, Namensrecht (2004), S. 45; Sperling, Familiennamensrecht (2012), S. 7 f.; siehe auch noch Nelle, FamRZ 1990, 809 (811 f.). 84 Krüger, AcP 156 (1958), 232 (232) (mit zahlreichen Beispielen). 85 1. Buch Mose (Genesis) 2, 19. 86 Vgl. nur Gunkel, Genesis8, S. 12. 87 Siehe nur Sturm, StAZ 1994, 370 (370 mit Fn. 2). 88 Krüger, AcP 156 (1958), 232 (233) (mit Fn. 3). 89 Siehe zu deutschen Straßennamen in Namibia beispielsweise Stuttgarter Zeitung – Namibia will keine deutschen Straßennamen mehr, 7.6.2018, abrufbar unter: https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.ehemalige-kolonie-namibia-will-keine-deutschen-strassennamenmehr.6d22fdbc-06d2-4803-9a43-d90bb89ba933.html (zuletzt: 6.9.2022). Siehe ausführlich zur „erinnerungspolitischen Besetzung öffentlicher Räume“ durch Benennung und Umbenennung öffentlicher Straßen und Plätze in Algerien im 19. Jahrhundert Jansen, Erobern und Erinnern (2013), S. 104 ff. 90 Vgl. zur sogenannten Plantagen-Sklaverei in Amerika Zeuske, Handbuch Sklaverei2, S. 217 sowie „allgemeiner“ zur römischen Sklaverei S. 220. Die Namensgebung von als Sklaven gehaltenen Menschen diente neben der Unterdrückung und Einvernahme auch der

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Namenszusätzen91 stellt schließlich eine vollständige Unterwerfung von Menschen und ihre Entmenschlichung dar, wie sie auf brutale und menschenverachtende Art und Weise unter dem NS-Regime geschah.92 Von einer Machtfunktion des Namens zu sprechen, wäre indes überhöht, denn es sind erst die bereits aufgezeigten Funktionen, die den Namen als geeignetes Mittel der Machtausübung qualifizieren. Dennoch sind derartige Erkenntnisse nicht überflüssig, um „Funktion und Schutz von Namen in der heutigen Rechts- und Wirtschaftsordnung zu erhellen“,93 sondern durchaus geeignet, die Bedeutung des Namens für die namensführende Person zu unterstreichen und die Tragweite herauszustellen, die eine (rechtliche) Bestimmung des Namens haben kann. In einem engen Zusammengang mit der Machtausübung, aber deutlich weniger gewaltsam assoziiert, steht die Ordnungsfunktion, die das staatliche Bedürfnis an der Erfassung seiner Bürgerinnen und Bürger zur Erledigung der Aufgaben eines bürokratischen Staats befriedigen soll.94 Auch insoweit geht es um Identifizierung und Zuordnung einer Person, weshalb die Eigenständigkeit dieser Funktion mitunter in Abrede gestellt wird.95 Für die weitere Untersuchung bedarf es dieser subtilen Differenzierung aber nicht. Der Begriff der Ordnungsfunktion bringt vielmehr plastisch das staatliche Interesse an Namenskontinuität zum Ausdruck, welches für die Behandlung des faktischen Namens relevant sein wird. Ordnungsrecht trifft hier auf Persönlichkeitsrecht.96 Das ist im Grunde genommen der zentrale Konflikt bei der faktischen Namensführung. Auch die Verrechtlichung nimmt hier (scil. im staatlichen Ordnungsinteresse) ihren Anfang, was sogleich zu zeigen sein wird.

Zuordnungs- und Klassifizierungsfunktion des Namens, vgl. Zdenĕk, SPFB E 12 (1967), 173 (174). 91 Siehe nur § 2 Abs. 1 Zweite Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen vom 17.8.1938, RGBl I, S. 1044, wonach Juden und Jüdinnen ohne einen Vornamen, der Juden und Jüdinnen nach den vom Reichsminister des Innern herausgegebenen Richtlinien beigelegt werden durfte, den Zwangsnamen Israel oder Sara annehmen mussten. 92 Siehe zur Pflicht für Juden und Jüdinnen, „nur die für sie vorgesehenen Namen sich beizulegen“, Ebert, Handbuch Namensrecht (2019), S. 62; insoweit zeigt sich eine krasse Perversion der sogenannten Klassifizierungsfunktion, vgl. Dutta, ZRP 2017, 47 (48 mit Fn. 7). 93 So aber Klippel, Zivilrechtlicher Schutz des Namens (1985), S. 361. 94 Arndt, Namensrecht (2004), S. 46; kritisch zu einer eigenständigen Ordnungsfunktion aber Klippel, Zivilrechtlicher Schutz des Namens (1985), S. 363 ff., der darin lediglich Elemente der Identifikations- und Identitätsfunktion sieht. Für diese Arbeit bedarf es einer solchen Differenzierung nicht. Der Begriff der Ordnungsfunktion bringt das staatliche Interesse an Namenskontinuität plastisch zum Ausdruck, das für die Untersuchung relevant ist. 95 Klippel, Zivilrechtlicher Schutz des Namens (1985), S. 363 ff. 96 Schott, in: FS Hegnauer (1986), S. 471 (471).

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Dritter Teil: Vertrauensschutz und statusorientiertes Recht

2. Schritte der Verrechtlichung: Von staatlichen Ordnungsinteressen zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht Namensgebung und -führung blieben trotz ihrer gewichtigen alltäglichen Bedeutung, wie erwähnt, länger als andere Lebensbereiche weitgehend dem gesellschaftlichen Leben überlassen. Noch bis in das 18. Jahrhundert hinein bestimmte sich die Namensführung ausschließlich nach Sitten und Gebräuchen97 und war bis dahin nahezu völlig frei.98 Das änderte sich mit Beginn des 19. Jahrhunderts. Es existierten zwar zunächst nur vereinzelte Regelungswerke, die wie das preußische Allgemeine Landrecht das Führen eines fremden Namens verboten.99 Das bedeutete aber nicht, dass die Wählbarkeit und Änderbarkeit des Namens in das Gutdünken des einzelnen Individuums gestellt wurden. Insbesondere Einrichtungen des öffentlichen Rechts, Handelsbeziehungen sowie öffentliche Register zur Verwaltungsvereinfachung verlangten eine gewisse Kontinuität der Namensführung. Das führte zu einer schrittweisen Abkehr von der germanischen Sitte, den Namen jederzeit ändern zu können, wenn und soweit damit nichts Verbotenes intendiert wurde.100 Hermann berichtet insoweit von einer allgemein verbreiteten Rechtsansicht, nach der sich jeder verpflichtet fühle, „den ererbten Namen zu führen, eine Aenderung aber oder Vertauschung desselben, nur unter gewissen Bedingungen […] für rechtlich erlaubt und statthaft hält“.101 Es wird also mit dem Dogma gebrochen, dass der Name „durch und durch Privatsache“ sei.102 Eine greifbare Abkehr findet sich beispielsweise in einer preußischen Verordnung vom 30.10.1816, wonach „niemand […] sich eines ihm nicht zukommenden Namens bedienen [soll]“.103

97 Schwenzer, FamRZ 1991, 390 (391); Krüger, AcP 156 (1958), 232 (240); Lipp, StAZ 2009, 1 (2); Dutta, FamRZ 2016, 1213 (1213); Arndt, Namensrecht (2004), S. 31. 98 Krüger, AcP 156 (1958), 232 (240); Schwab, StAZ 2015, 354 (355); Ficker, Das Recht des bürgerlichen Namens (1950), S. 138; Schott, in: FS Hegnauer (1986), S. 471 (473). 99 Schwenzer, FamRZ 1991, 390 (391); Dumoulin, Adelsbezeichnung (1997), S. 38. Diese Regelung blieb aber mangels Strafandrohung weitgehend wirkungslos. Siehe zu weiteren frühen Kodifikationen Klippel, Zivilrechtlicher Schutz des Namens (1985), S. 42 mit Fn. 25 sowie zu ähnlichen Regeln im Corpus Iuris Civilis Dumoulin, Adelsbezeichnung (1997), S. 32. 100 Hermann, AcP 45 (1862), 153 (165). 101 Hermann, AcP 45 (1862), 153 (166). 102 Siehe zum Ganzen Hermann, AcP 45 (1862), 153 (161). 103 Gesetzsammlung für die Königlich-Preußischen Staaten (1816), S. 216; siehe Ficker, Das Recht des bürgerlichen Namens (1950), S. 139; siehe zu weiteren Regelungen Schott, in: FS Hegnauer (1986), S. 471 (473 f.) sowie ausführlich Klippel, Zivilrechtlicher Schutz des Namens (1985), S. 41 ff. Dem Erlass der Verordnung ging eine Diskussion über das „jüdische Namensrecht“ voraus, und die Verordnung gilt als Vorläufer zu der preußischen Kabinettsorder vom 15.4.1822 (Gesetzessammlung für die Königlich-Preußischen Staaten [1822], S. 108), wonach die willkürliche Änderung angenommener Familiennamen unter Strafe gestellt wurde, siehe eingehend Wagner-Kern, Staat und Namensänderung (2002),

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Bezeichnenderweise nahm die Verrechtlichung unter anderem im Zusammenhang mit der Pflicht zum allgemeinen Wehrdienst ihren Anfang;104 die Erfassung der Wehrdienstverpflichteten wurde durch sie stark vereinfacht.105 Aber auch im Hinblick auf Steuern, Abgaben und die Schulpflicht wuchs das Interesse des Staats an der „sicheren Identifizierung seiner Untertanen“ spürbar.106 Damit ist der Zweck der Verrechtlichung eindeutig: Es ging zunächst vor allem um das staatliche Ordnungsinteresse und die Identifizierung der Bürgerinnen und Bürger und weniger um das Recht auf einen eigenen Namen.107 Nichtsdestotrotz wurde im Zusammenhang mit der Entwicklung der Persönlichkeitsrechte im 19. Jahrhundert der für Handelsnamen bereits anerkannte Namensschutz auch auf Personennamen übertragen.108 Bereits vor Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs war damit der Name als Bestandteil des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts anerkannt.109 Motor der Verrechtlichung war indes die Ordnungs- und Kontrollfunktion. Die Einführung des Personenstandsgesetzes im Jahr 1875 bewirkte schließlich im gesamten Deutschen Reich die öffentlich-rechtliche Fixierung der Personennamen; sie wurden in den Personenstandsregistern, die das Kirchenregister ablösten, erfasst.110 Zugleich wurde damit das Führen von Familiennamen zur öffentlich-rechtlichen Pflicht.111 Spätestens seit der Einführung des Namensänderungsgesetzes im Jahr 1938 ist die Namensführung öffentlich-rechtlich umfassend geregelt und die Namensänderung an eine staatliche Mitwirkung gebunden.112 Die Namensänderung ist nicht mehr frei. S. 51 f. Siehe zur vorhergehenden Entwicklung auch Dumoulin, Adelsbezeichnung (1997), S. 34 ff. 104 Ficker, Das Recht des bürgerlichen Namens (1950), S. 139; Dutta, Reform des deutschen Namensrechts (2020), S. 9; vgl. auch Schott, in: FS Hegnauer (1986), S. 471 (474); Arndt, Namensrecht (2004), S. 36; Pathe, Der Familienname (1999), S. 26 f.; Dumoulin, Adelsbezeichnung (1997), S. 34 f. 105 Krüger, AcP 156 (1958), 232 (240). 106 Schwab, StAZ 2015, 354 (355); Schott, in: FS Hegnauer (1986), S. 471 (474); vgl. auch Pathe, Der Familienname (1999), S. 12; Dumoulin, Adelsbezeichnung (1997), S. 35. 107 Schwab, StAZ 2015, 354 (355); vgl. auch Lipp, StAZ 2009, 1 (2); Dutta, ZRP 2017, 47 (48); siehe auch Ficker, Das Recht des bürgerlichen Namens (1950), S. 139 („Schrittmacher [für die Unveränderlichkeit des Namens] war […] die mit der immer größeren Komplizierung des Staatswesens ständig zunehmende Registrierung der Untertanen“); siehe auch Klippel, Zivilrechtlicher Schutz des Namens (1985), S. 40 f.; Dumoulin, Adelsbezeichnung (1997), S. 34 f. 108 Schwab, StAZ 2015, 354 (357); RGZ 42, 147 (150). 109 Sturm, StAZ 1994, 370 (370); Arndt, Namensrecht (2004), S. 38 ff. (mwN); RGZ 42, 147 (150). Siehe ausführlich Klippel, Zivilrechtlicher Schutz des Namens (1985), S. 193 ff.; siehe auch Brexel, Die Entwicklung des Namensgebrauchs (1962), S. 128 ff. 110 Schwab, StAZ 2015, 354 (358). 111 Arndt, Namensrecht (2004), S. 36 f. 112 Ficker, Das Recht des bürgerlichen Namens (1950), S. 139.

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Die Väter des Bürgerlichen Gesetzbuchs übernahmen die vorgefundene zivilrechtliche Tradition113 der Namensgebung: Der gemeinsame Ehename als „natürliche Folge der Innigkeit und der daß ganze Leben umfassenden Bedeutung der ehelichen Gemeinschaft“114 wurde nach dem Namen des Mannes gebildet,115 der Name des ehelichen Kindes entsprach dem Ehenamen und der des unehelichen Kindes dem Namen der Mutter.116 Der Erste Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuchs enthielt keine explizite Ausgestaltung des Namensrechts als absolutes Recht,117 sondern lediglich vereinzelte namensrechtliche Normen über seine Entstehung und Beendigung. Als Reaktion auf die hieran geübte Kritik wurde im Zweiten Entwurf eine Vorschrift aufgenommen, die dem heutigen § 12 BGB weitgehend entsprach.118 Letzterer betrifft bekanntermaßen nur den Schutz des erworbenen Namens, nicht aber dessen Entstehung, Änderung oder Verlust,119 deren Regelungen noch immer sehr verstreut im Bürgerlichen Gesetzbuch und anderen Regelungswerken normiert sind; eine zusammenhängende Kodifikation des Namensrechts existiert (noch) nicht.120 Das liegt auch daran, dass Teile des Namensrechts dem öffentlichen Recht zuzuordnen sind.121 Die ursprünglich entworfene Kodifikation des Namensrechts im Ersten Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist also stark von Ordnungsinteressen geleitet. Beispielsweise wirft der Entwurf die Frage nach dem Schicksal des Ehenamens für die Frau nach Auflösung der Ehe auf und entscheidet sich ausdrücklich wegen des öffentlichen Interesses an einer Namenskontinuität gegen 113 Siehe ausführlich zum Begriff der Tradition des ehelichen Frauennamens Schott, in: FS Hegnauer (1986), S. 471 (477 ff.); vgl. auch Arndt, Namensrecht (2004), S. 51. 114 Motive IV-106, zitiert nach Mugdan IV, S. 59. 115 Siehe Motive IV-106, zitiert nach Mugdan IV, S. 59 („Die Stellung des Mannes bringt es mit sich, daß die Ehefrau seinen Familiennamen erhält […], und zwar ist sie diesen Namen zu führen nicht nur berechtigt, sondern […] auch verpflichtet“); der Antrag, der Frau das Beifügen ihres Familiennamens zu gestatten, wurde hingegen ausdrücklich abgelehnt, vgl. Motive IV-5758, zitiert nach Mugdan IV, S. 736; vgl. auch MüKo-BGB9/von Sachsen Gessaphe, § 1355 Rn. 1. 116 MüKo-BGB8/von Sachsen Gessaphe, vor § 1616 Rn. 7; siehe auch Motive IV-712, zitiert nach Mugdan IV, S. 377 („Recht und Pflicht des Kindes, den Familiennamen des Vaters zu führen, stellt sich als Ausfluß der Zugehörigkeit des Kindes zur väterlichen Familie dar […]“). 117 Siehe Motive IV-1005, zitiert nach Mugdan IV, S. 533; Dumoulin, Adelsbezeichnung (1997), S. 45. 118 Schwab, StAZ 2015, 354 (357); siehe zur Entstehungsgeschichte des § 12 BGB eingehend Klippel, Zivilrechtlicher Schutz des Namens (1985), S. 238 ff. 119 Staudinger/Fritzsche, BGB (2018), § 12 Rn. 1. 120 Siehe insoweit aber die jüngsten Reformvorschläge, BMJV/BMI/Eckpunkte zur Reform des Namensrechts, FamRZ 2020, 902 ff. 121 So beispielsweise das Namensänderungsrecht, vgl. schon Motive IV-712 f., zitiert nach Mugdan IV, S. 377.

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eine mögliche Namensänderung, und zwar unabhängig von den Verschuldensbeiträgen.122 Die Frau könne sich schließlich als geschiedene Ehefrau bezeichnen, da ein solcher Zusatz keine Namensänderung sei.123 Bereits die Diskussion über den Ersten Entwurf zeichnet aber schon in Nuancen ein bunteres Bild: Es wird nicht nur, wie gesehen, im Zweiten Entwurf mit § 12 BGB eine Vorschrift eingeführt, die den Personennamen als absolutes Privatrecht unter den Schutz der Rechtsordnung stellt und damit die persönlichkeitsrechtliche Dimension der Namensführung anerkennt.124 Auch eine weitere Änderung im Zweiten Entwurf verstärkt den Eindruck von der persönlichkeitsrechtlichen Einfärbung der namensrechtlichen Regelungen: Anstatt, wie ursprünglich angedacht, eine unveränderliche Namensführung (der Frau) nach Scheidung der Ehe vorzusehen, wurde der Frau das Recht eingeräumt, ihren früheren Namen durch Erklärung gegenüber einer Behörde wieder anzunehmen. Diese Wahlmöglichkeit erfuhr aber zugleich zugunsten des Mannes eine Einschränkung; sie wurde nur ermöglicht, wenn die Frau nicht der „alleinschuldige Theil“125 war. Andernfalls konnte der Mann die Weiterführung seines Namens durch Erklärung gegenüber der Frau untersagen.126 Ungeachtet der vorstehenden Nuancen war die erste Fassung des Bürgerlichen Gesetzbuchs in Bezug auf das Namensrecht aber ganz überwiegend vom staatlichen Ordnungs- und Identifizierungsinteresse und einer patriarchischen Familienstruktur127 geprägt. Es war die Frau, die in eine Familie durch Heirat eintrat und sie durch Scheidung auch wieder verließ; die Namensführung ließ diese gesellschaftliche Vorstellung nach außen erkennbar werden.128 Ein eheliches Kind war Teil der Mannesfamilie und trug mithin den Ehenamen, während ein außerhalb der Ehe geborenes Kind lediglich zur Familie der Mutter gehörte und folgerichtig ihren Namen führte (§ 1706 BGB a.F.). Zuordnungsund Identitätsfunktion standen eindeutig im Vordergrund.129 Erst seit den Fünfzigerjahren des 20. Jahrhunderts erfuhr das Namensrecht, allen voran das Ehenamensrecht – zugehörig zum „Familienrecht als Spiegel 122

Motive IV-621, zitiert nach Mugdan IV, S. 332. Motive IV-621, zitiert nach Mugdan IV, S. 332. 124 Schwab, StAZ 2015, 354 (357); vgl. auch Dumoulin, Adelsbezeichnung (1997), S. 47. 125 Siehe zur Ersetzung des Verschuldensprinzips durch das Zerrüttungsprinzip durch das Erste Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts von 1977 anschaulich Schwab, FamRZ 2017, 1 (1 f.); Breithaupt, Zerrüttungsprinzip (1986), S. 10. Siehe aber zur weiteren Bedeutung der Verschuldensbeiträge sowie zum Zusammenspiel von Zerrüttung und Verschulden Gernhuber/Coester-Waltjen, FamR7, § 24 Rn. 5 ff., 18 f. Siehe auch die Überlegungen bei Breithaupt, Zerrüttungsprinzip (1986), S. 268 f. 126 Motive IV-5751 ff., zitiert nach Mugdan IV, S. 914 f. 127 Siehe im Einzelnen Coester-Waltjen, StAZ 1992, 34 (35); siehe auch Arndt, Namensrecht (2004), S. 57 sowie Pathe, Der Familienname (1999), S. 29. 128 Siehe nur Motive IV-5755 f., zitiert nach Mugdan IV, S. 915. 129 Vgl. etwa RGZ 91, 350 (352), das aber auch im Kontext des § 12 entscheiden musste, in dem es maßgeblich auf die Identifizierungsfunktion ankam. 123

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der sozialen Wirklichkeit“130 –, eine stetige Modernisierung.131 Stein des Anstoßes war die Gleichberechtigung der Geschlechter, die durch das Gleichberechtigungsgesetz von 1957 in das Zivilrecht Einzug erhalten sollte. In einem ersten Schritt räumte der Gesetzgeber der Frau die Möglichkeit ein, ihren Mädchennamen dem Mannesnamen beizufügen,132 gefolgt von der gesetzlichen Öffnung für die Wahl des Geburtsnamens der Frau zum gemeinsamen Ehenamen im Jahr 1976.133 Die Pflicht zum Führen eines gemeinsamen Ehenamens wurde schließlich im Jahr 1993 im Zusammenhang mit der Umsetzung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts134 gänzlich abgeschafft; die Ehegatten sollen lediglich einen gemeinsamen Familiennamen wählen.135 Es bedarf nicht der Darstellung aller Einzelheiten der Entwicklung des Ehenamensrechts;136 die kursorisch benannten Schlaglichter der jüngeren Namensrechtsgeschichte verdeutlichen bereits einen klar erkennbaren gesellschaftlichen Wertewandel, der vor allem auch Niederschlag in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts findet. Während das Reichsgerichts den Namen vor allem als „ein äußeres Kennzeichen der Person zur Unterscheidung von anderen Personen“ aufgefasst und insoweit unter Schutz gestellt hat,137 klingt das nunmehr weitergehend: Mit dem in Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG verankerten Grundsatz der Gleichberechtigung der Geschlechter sei es nicht vereinbar, dass der Mannesname im Konfliktfall ipso iure Vorzug erhalte, wenn die Eheleute keinen Ehenamen bestimmen; allein die traditionelle Prägung eines Lebensverhältnisses reiche für eine Ungleichbehandlung nicht aus.138 Die kontrovers geführte

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Gaaz, StAZ 2006, 157 (158). Siehe den Überblick zur etappenweisen Modernisierung des Ehenamensrechts Schwab, StAZ 2015, 354 (359 f.); Sperling, Familiennamensrecht (2012), S. 17 ff. 132 Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts (Gleichberechtigungsgesetz – GleichberG) vom 18.6.1957, BGBl I, Nr. 26, S. 609 ff., Art. 1 Nr. 6. 133 Erstes Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts (1. EheRG) vom 14.6.1976, BGBl I, Nr. 67, S. 1421 ff., Art. 1 Nr. 2. 134 BVerfG FamRZ 1991, 535 ff. Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings die Pflicht zum Führen eines gemeinsamen Familiennamens als grundsätzlich verfassungsgemäß betrachtet, vgl. BVerfG FamRZ 1988, 587 (588 f.) (mAnm Bosch), lediglich der subsidiäre Vorrang des Mannesnamens war also verfassungswidrig. 135 Gesetz zu dem Haager Übereinkommen vom 29. Mai 1993 über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption vom 23.10.2001, BGBl II, Nr. 31, S. 1034, Art. 1 Nr. 1. 136 Siehe zur Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ausführlich und kritisch Sacksofsky, FPR 2010, 15 (19) „Zickzackbewegung statt Rechtsprechungsgerade“); siehe ferner Arndt, Namensrecht (2004), S. 61 ff. 137 RGZ 91, 350 (352); siehe auch RGZ 137, 213 (215). 138 BVerfG FamRZ 1991, 535 (536). 131

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Debatte über die Gleichberechtigung im Ehenamensrecht („System der namensrechtlichen Entrechtung der Frau“139) veränderte den Fokus des Namens über die Maxime der Gleichberechtigung hinaus. Bei der Gestaltung des Ehenamensrechts hat der Gesetzgeber nämlich nicht nur das aus Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG resultierende Gebot der Gleichberechtigung zu berücksichtigen,140 sondern gleichermaßen den Schutz des geführten Namens zu respektieren, der sich aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V. mit Art. 1 Abs. 1 GG ergibt.141 Als entscheidendes Wertungskriterium hat das Bundesverfassungsgericht dabei offenbar die Identifikationsfunktion des Namens vor Augen; der Ausschluss der Wahl eines Doppelnamens als Ehenamen sei beispielsweise verfassungsgemäß, da der unterlegene Teil den früheren Namen dem Ehenamen hinzufügen und dadurch sowohl seine bisherige als auch seine neue Identität zum Ausdruck bringen könne und der überlegene Teil dasselbe mit dem Ehenamen erreiche.142 Im Blickpunkt steht seither also vermehrt das persönlichkeitsrechtliche Element des Namens. Der Name des Menschen ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Ausdruck seiner Identität sowie Individualität und begleitet die Lebensgeschichte einer Person, die unter dem Namen als zusammenhängende erkennbar wird.143 Das Bundesverfassungsgericht greift damit das Bild des lebenslangen Begleiters auf und verlangt für Beeinträchtigungen der Namensführung eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung.144 Das gilt im Übrigen nicht nur für den Familiennamen, sondern gleichermaßen für den Vornamen, der noch deutlicher der Identifikationsfunktion dient.145 Für die Funktionen des Namens bedeutet dies, dass neben die ursprünglich vorherrschenden Funktionen der Identifizierung und staatlichen Ordnung146 eine mittlerweile stark ausgeprägte Identifikationsfunktion, etwas moderner formuliert: Selbstdarstellungsfunktion,147 tritt, die verfassungsrechtlich als Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts abgesichert ist. Der verfassungsrechtliche Schutz des Namens rechtfertigt sich heute geradezu allein wegen seiner identitätsstiftenden Funktion.148 Identifizierungs-, Ordnungs- und 139

Krüger, AcP 156 (1958), 232 (253). BVerfG FamRZ 1978, 667 ff.; 1991, 535 (536). 141 BVerfG FamRZ 2002, 306 (308). 142 BVerfG FamRZ 2002, 306 (309). 143 BVerfG FamRZ 2002, 306 (308); 2004, 515 (516) (mAnm von Hein). 144 Vgl. BVerfG FamRZ 1988, 587 (589) (mAnm Bosch); vgl. auch Sacksofsky, FPR 2010, 15 (16 mit Fn. 10), die auf eine jedenfalls eingriffsgleiche Wirkung bei der Ehenamenswahl hinweist. 145 Staudinger/Lugani, BGB (2020), § 1616 Rn. 20 (mwN). 146 Dutta, ZRP 2017, 47 (48); ders., Reform des deutschen Namensrechts (2020), S. 27. 147 Siehe Dutta, ZRP 2017, 47 (50). 148 Vgl. BVerfG FamRZ 2002, 306 (309); vgl. ferner BeckOGK-BGB/Kienemund (1.8.2022), § 1616 Rn. 10. 140

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Zuordnungsfunktion haben demgegenüber in ihrer Bedeutung stark abgenommen: Die eindeutige Identifizierung der Bürgerinnen und Bürger durch den Staat erfolgt vermehrt und effizienter über die Verteilung von der Person lebenslang zugeordneten Nummern und Kennzeichen (Steuernummer, Rentenversicherungsnummer)149 sowie das Erfassen von Fingerabdrücken und anderen biometrischen Daten. Die erkennbare Zuordnung zu einem familialen Verbund hat auch heute gewiss noch eine hohe Relevanz, um das Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken und nach außen zu tragen150 oder Abstammungslinien nachzuzeichnen.151 Durch die Abschaffung eines obligatorisch zu führenden gemeinsamen Ehenamens sowie die Verbreitung der nichtehelichen Lebensgemeinschaften kann die familiale Zuordnungsfunktion aber ohnehin kaum noch erfüllt werden.152 Im Zweifel hat die Zuordnungsfunktion der Identifikationsfunktion zu weichen, weil sie für sich allein einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der namensführenden Person nicht zu rechtfertigen vermag.153 Am Ende der historischen tour d’horizon stehen folgende Funktionen des Namens, die heute im Wesentlichen anerkannt sind: die Identitätsfunktion, die Zuordnungsfunktion, die Ordnungsfunktion sowie eine stark ausgeprägte Identifikationsfunktion.154 Zwischen ihnen besteht ein Spannungsverhältnis, wobei es Aufgabe des Gesetzgebers ist, dieses aufzulösen.155Als Ausdruck der Identität und Individualität ist der geführte Name aber stets von der Rechtsordnung zu respektieren und zu schützen.156

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Dutta, ZRP 2017, 47 (47 f.); ders., Reform des deutschen Namensrechts (2020), S. 9; Gössl, ZRP 2020, 183 (183); vorsichtiger Schwab, StAZ 2015, 354 (362); kritisch Horn, NZFam 2021, 764 (766). 150 Nelle, FamRZ 1990, 809 (811 f.); vgl. auch Dethloff, FamR33, § 12 Rn. 5. 151 BVerfG FamRZ 2002, 306 (308); siehe auch MüKo-BGB8/von Sachsen Gessaphe, vor § 1616 Rn. 8 f. 152 Erman/Kroll-Ludwigs, BGB16, § 1355 Rn. 5 („Die Namenseinheit der Familie [wird] zunehmend durch den Grundsatz der Privatautonomie verdrängt“); siehe auch Dethloff, FamR33, § 4 Rn. 88; MüKo-BGB9/von Sachsen Gessaphe, § 1355 Rn. 70; Fahrenbach/Liceni-Kierstein, NZFam 2020, 201 (202) („das Idealbild der Namenseinheit und -identität innerhalb der Familie [ist] faktisch überholt […]“); Gössl, ZRP 2020, 183 (183). 153 Siehe ausführlich Dutta, ZRP 2017, 47 (47 ff.); Gaaz, StAZ 2006, 157 (162 ff.) („die familiäre Zuordnungsfunktion ist also gleichsam ,halbiert‘“); Schwab, StAZ 2015, 354 (362); vgl. auch Fahrenbach/Liceni-Kierstein, NZFam 2020, 201 (201, 202). 154 BeckOGK-BGB/Kienemund (1.8.2022), § 1616 Rn. 10 ff.; Staudinger/Lugani, (2020), Vorbemerkungen zu §§ 1616‑1625 Rn. 7 (mit leicht abweichenden Bezeichnungen); Hepting/Dutta, Familie und Personenstand3, Rn. II‑137 ff. 155 BeckOGK-BGB/Kienemund (1.8.2022), § 1616 Rn. 16. 156 BVerfG FamRZ 1988, 587 (589) (mAnm Bosch).

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3. Der Aufstieg des Vertrauensschutzgedankens Die Entwicklung des Vertrauensschutzgedankens im Namensrecht reicht hingegen nicht ganz so weit zurück und erreichte mit der einleitend hervorgehobenen Singh-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2001157 einen prominenten Höhepunkt. Namensrechtlicher Vertrauensschutz erhielt so ein verfassungsrechtliches Fundament, auf dessen Grundlage er einfachrechtlicher Ausformung zugänglich wurde (dazu noch ausführlich unter IV.). Die relativ junge verfassungsrechtliche Entwicklung (b)) ist damit zwar zentraler Bezugspunkt rechtspraktischer und wissenschaftlicher Betrachtung des Themas, darf aber nicht den Blick auf die vorherige (scil. vor 2001) einfachrechtliche Behandlung des Vertrauensschutzgedankens (a)) verstellen, die nicht nur von allgemeinem rechtsdogmatischen Interesse ist, sondern auch Argumentationsmaterial für die konkrete Bestimmung der Reichweite des Vertrauensschutzes bei faktischer Namensführung liefert. a) Zögerliche Schritte des Bundesgerichtshofs Während ursprünglich dem gesetzlichen Namen und dem mit ihm verbundenen staatlichen Ordnungsinteresse in der Rechtsprechung grundsätzlich Vorrang vor der faktischen Namensführung beigemessen wurde,158 hat der Bundesgerichtshof für einige Fälle mit Bezug zum internationalen Privatrecht Ausnahmen entwickelt. Im Jahr 1971, also noch vor der ausdrücklichen Kodifizierung des internationalen Namensrechts in Art. 10 EGBGB, änderte er seine Rechtsprechung zur Anknüpfung des Namens der Frau aus einer gemischtnationalen Ehe. Entgegen der bis dahin überwiegend vertretenen Ansicht159 entschied er, dass sich die Namensführung der Ehefrau grundsätzlich nach ihrem Personalstatut und nicht nach dem Ehewirkungsstatut bestimme.160 Damit erwies sich ein vormals vermeintlich zutreffend gebildeter Name rückblickend eigentlich als unzutreffend: Es wurde mithin ein faktischer Name geführt.161 Der Bundesgerichtshof sprach der Frau indes wegen der Umweltbezogenheit des (gemeinsamen) Ehenamens zumindest ein Wahlrecht zu, das ihr die alternative Anknüpfung der Namensführung an das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts der Eheleute ermöglichte (namensrechtliche Option).162 Es sei nämlich unter Beachtung der Persönlichkeitsrechte der Ehegatten ein legitimes Interesse zu er-

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BVerfG StAZ 2001, 207 ff. Hepting, StAZ 2013, 1 (3) (mwN); BGH NJW 1965, 2052 (2055); StAZ 1991, 103 (103); KG StAZ 2006, 326 (326 f.). 159 BGH NJW 1965, 2052 (2054 f.) (mwN). 160 BGH NJW 1971, 1516 (1518); siehe zum Ganzen Wall, StAZ 2022, 225 (230). 161 Siehe zu dieser Fallgruppe sowie zu den Eigenarten der „geläuterten Rechtsprechung“ bereits oben, § 6 II 1. 162 BGH NJW 1971, 1516 (1518); 1975, 112 (114). 158

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kennen, den Namen an ihre Umwelt, also die Sitten und Gebräuche ihres Aufenthaltsorts, anzupassen.163 Diese namensrechtliche Option wurde zwar nicht im Zusammenhang mit der Frage nach der Wirksamkeit eines faktisch geführten (fehlerhaften) Namens entwickelt. Vielmehr ging es in dem konkreten Fall umgekehrt um eine Namensberichtigung zugunsten des gesetzlichen Namens nach dem Heimatrecht: Eine spanische Staatsangehörige hatte in Deutschland einen Deutschen geheiratet, zunächst den nach deutschem Recht, auf welches das Ehewirkungsstatut verwies, gebildeten Ehenamen geführt, dann aber die Berichtigung des Namens und seine Bildung nach spanischem Recht beantragt.164 Dieses Wahlrecht wurde auch nicht auf andere Fälle einer sogenannten geläuterten Rechtsprechung übertragen,165 allerdings begründete es der Bundesgerichtshof auch mit dem Argument, dass ein einmal erworbener Name nicht ohne Weiteres entzogen werden dürfe und bemühte insoweit den Begriff der „wohlerworbenen Rechte“.166 Die Rückwirkung einer Rechtsprechungsänderung auf die Namensführung, so deutete der Bundesgerichtshof ferner und obiter dicta an, trete nur mit Wirkung ex nunc ein.167 Der namensrechtliche Vertrauensschutz schimmerte also, wobei das Wahlrecht wesentlich auf der Umweltbezogenheit des Namens beruhte,168 bereits unverkennbar durch.169 Die zugrundeliegenden, verallgemeinerbaren Wertungen wurden indes von der instanzgerichtlichen Rechtsprechung nicht weiter verfolgt und die Möglichkeit, die Namensänderung infolge geläuterter Rechtsprechung nur mit Wirkung ex nunc eintreten zu lassen, im Jahr 1991 vom Bundesgerichtshof in einem vergleichbaren kindschaftsrechtlichen Fall sogar mittelbar verneint.170 Was blieb, 163

BGH NJW 1971, 1516 (1518). BGH NJW 1971, 1516 (1516). 165 Die Rechtsprechungsänderung nebst Wahlrecht wurde vielmehr auch auf zurückliegende Fälle angewendet, vgl. BGH NJW 1975, 112 (112). In der letztgenannten Entscheidung war die Auswirkung der Rechtsprechungsänderung gar nicht problematisch, sondern der Statutenwechsel (wenn auch erst im Zusammenspiel mit der Rechtsprechungsänderung), so auch Hepting, StAZ 2013, 1 (3); siehe auch BGH NJW 1975, 112 (113) („Diese Rechtsgrundsätze stehen hier nicht unmittelbar in Frage“). Etwas unklar insoweit Fachausschuss/Krömer, StAZ 2021, 284 (287), wonach der Eindruck entsteht, der BGH habe sich explizit mit der Frage einer Rückwirkung der Rechtsprechungsänderung auseinandergesetzt. 166 BGH NJW 1975, 112 (113). 167 BGH NJW 1975, 112 (112) („[…] allerdings nur mit Wirkung ex nunc, wobei die Beibehaltung des bisher geführten Namens mangels gegenteiliger Erklärung der Frau als Ausübung des Wahlrechts zugunsten des Namens angesehen werden kann, der sich aus dem bisher für maßgeblich gehaltenen Heimatrecht des Ehemannes ergab […]“). 168 BGH NJW 1975, 112 (114). 169 Vgl. Hepting, StAZ 2013, 1 (3); Fachausschuss/Krömer, StAZ 2021, 284 (286). 170 BGH StAZ 1991, 103 (104). In der Entscheidung ging es um einen Sachverhalt, in der drei Kinder in eine gemischtnationale Ehe hineingeboren worden sind, von denen die älteren beiden einen anderen Familiennamen führten als das jüngere Kind, das Beteiligte des Verfahrens war und um dessen Namensführung es ging. Hintergrund war eine Rechtsprechungsänderung (siehe dazu BGH NJW 1979, 1775 f.): Der Name der älteren Kinder bestimmte 164

§ 6 Name

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war aber zumindest die Überzeugung, dass ein zunächst zutreffend gebildeter Name nicht grundlos und gegen den Willen der namensführenden Person entzogen werden dürfe; ein Ergebnis, das verfahrensrechtlich durch das Antragserfordernis und eine Begrenzung des behördlichen Antragsrechts erreicht wurde („verfahrensrechtliche Krücke“171): Eine Namensberichtigung erfolgt gemäß § 48 Abs. 2 Satz 1 PStG nämlich nur auf Antrag eines Beteiligten, des Standesamts oder der Aufsichtsbehörde. Das behördliche Antragsrecht wird aber in den Fällen, in denen sich der eingetragene Name als unrichtig erweist, aus verfassungsrechtlichen Gründen eingeschränkt.172 Damit kann der faktische Name nur berichtigt werden, wenn die namensführende Person dies wünscht und einen entsprechenden Antrag stellt. b) Entwicklung auf verfassungsrechtlicher Ebene Die Entwicklung des Vertrauensschutzgedankens erfolgte, wie angedeutet, in der Rechtsprechung im Lichte der persönlichkeitsrechtlichen Relevanz des Namens (Umweltbezogenheit und allgemeines Persönlichkeitsrecht). Folgerichtig bildete sich der namensrechtliche Vertrauensschutz im Wesentlichen auf verfassungsrechtlicher Ebene heraus. Insbesondere das bereits skizzierte Verständnis der Namensführung als Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ermöglichte die Stärkung und Entwicklung zweier verfassungsrechtlicher Leitlinien, denen für die weitere Untersuchung grundlegende Bedeutung beizumessen ist. aa) Der Grundsatz der Namenskontinuität Der Grundsatz der Namenskontinuität setzt an zwei unterschiedlichen Funktionen an, die mitunter gegenläufig sein können. Zunächst ist der Name als Identifizierungsmerkmal auf Kontinuität angewiesen173 (vgl. Nr. 30 Abs. 4 NamÄndVwV174). Namenskontinuität dient der sich noch nach dem spanischen Rechtsstatut, das des jüngsten Kindes indes nach deutschem Rechtsstatut. Es ging mithin eigentlich um die Namensführung des jüngeren Kindes. Dem Wahlrecht der Eltern, den Namen des jüngsten Kindes ebenfalls nach der alten Rechtsprechung zu bilden, erteilte der BGH eine Absage. Mittelbar versagte der BGH ferner auch ein Wahlrecht in Bezug auf die Namensführung der älteren Kinder im Sinne seiner Ausführungen in NJW 1975, 112 (112), wonach die Rückwirkung nur ex nunc eintrete. Dieses von Fachausschuss/Krömer, StAZ 2021, 284 (287) als „dritter Weg“ bezeichnete Wahlrecht konnte sich damals also auch nicht durchsetzen, vgl. auch Hepting, StAZ 1991, 104 (106). 171 Wall, StAZ 2022, 225 (230); Staudinger/Hepting, BGB (2007), Art. 10 EGBGB Rn. 229. 172 BGH StAZ 1991, 103 (104); siehe ausführlich Hepting, StAZ 1991, 104 (106). Siehe auch Fachausschuss/Wall, StAZ 2020, 385 (388). 173 Ebert, Handbuch Namensrecht (2019), S. 36. 174 Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen (NamÄndVwV) vom 11.8.1980 in der Fassung vom 11.2.2014.

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Dritter Teil: Vertrauensschutz und statusorientiertes Recht

Ordnungs- und Identifizierungsfunktion,175 kann aber in Widerspruch zur Identifikationsfunktion geraten, wenn letztere eine Namensänderung verlangt. Grundsätzlich hat der Gesetzgeber den Konflikt zugunsten der Namenskontinuität gelöst und fordert für die Namensänderung gemäß § 3 NamÄndG das Vorliegen eines wichtigen Grundes.176 Das Bundesverfassungsgericht hat eine Auslegung des Gesetzes gebilligt, nach der das öffentliche Interesse an der Namenskontinuität mit dem privaten Interesse an einer Namensänderung abzuwägen ist.177 Die Identifikationsfunktion befindet sich aber nicht immer nur in Widerspruch zu, sondern auch in Abhängigkeit von der Namenskontinuität.178 Insoweit bedeutet Namenskontinuität, dass eine Namensänderung vom Gesetzgeber nur aus wichtigem Grund gefordert werden darf.179 Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt die namensführende Person vor Entzug oder aufgedrängter Änderung des geführten Namens.180 „Dabei ist zu berücksichtigen, daß der Name als Unterscheidungsmerkmal auch eine gesellschaftliche Funktion hat, so daß die Belange der Allgemeinheit berücksichtigt werden müssen. Deshalb hat der Einzelne kein uneingeschränktes Recht auf Beibehaltung seines bisher geführten Namens. Allerdings dürfen Eingriffe angesichts des hohen Werts, der dem Recht am eigenen Namen zukommt, nicht ohne gewichtige Gründe geschehen und nur unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen.“181 bb) Erstreckung des Grundsatzes auf die faktische Namensführung Der Schutz der Namenskontinuität wurde vom Bundesverfassungsgericht in der für die vorliegende Abhandlung grundlegenden Singh-Entscheidung aus dem Jahr 2001182 auf den faktischen Namen erstreckt.183 Damit entwickelte die 3. Kammer des Ersten Senats aus der rechtlichen Namenskontinuität eine „faktische Namenskontinuität“.184

175 BeckOGK-BGB/Kienemund (1.8.2022), § 1616 Rn. 12 f.; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand3, Rn. II-138. 176 Siehe Wielpütz, Über das Recht, ein anderer zu werden und zu sein (2012), S. 236; Muscheler, FamR4, Rn. 570. 177 BVerfG, Beschl. vom 10.10.1989 – 1 BvR 358/89, juris; zustimmend Wielpütz, Über das Recht, ein anderer zu werden und zu sein (2012), S. 236. 178 MüKo-BGB8/von Sachsen Gessaphe, vor § 1616 Rn. 8; Gaaz, StAZ 2006, 157 (163); Hepting, StAZ 1996, 1 (2). 179 Siehe zum Ehenamensrecht BVerfG FamRZ 2002, 306 (308). 180 BVerfG FamRZ 2004, 515 (517) (mAnm von Hein). 181 BVerfG FamRZ 1988, 587 (589) (mAnm Bosch). 182 BVerfG StAZ 2001, 207 ff. 183 Hepting/Dutta, Familie und Personenstand3, Rn. II-142. 184 Hepting, StAZ 2013, 1 (3 f.).

§ 6 Name

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Der Sachverhalt, über den die Kammer zu entscheiden hatte, ist der ersten der eingangs gebildeten Fallgruppen zuzuordnen (der registrierte faktische Name): Der Beschwerdeführer ist ein in Indien geborener Mann mit dem Geburtsnamen „Gu.“. Er hat wegen seiner religiösen Zugehörigkeit nach HinduRecht den Namenszusatz Singh erhalten.185 Diese Bezeichnung gilt in Indien zwar mitunter auch als Familienname, sie symbolisiert aber primär die Zugehörigkeit zu der religiösen Gruppe der Sikh – der männliche Namenszusatz lautet Singh (Löwe), während Kaur (Schmuck) die weibliche Entsprechung darstellt186 – und ist demnach als Namenszusatz „mit geringer Kennzeichnungsfunktion“ in Deutschland grundsätzlich kein Familienname.187 Nach seiner Einwanderung nach Deutschland heiratet der Beschwerdeführer 1986 und lässt den Namen Singh als Ehenamen in das deutsche Familienbuch (jetzt Eheregister, vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PStG) eintragen. Deutsche Behörden verwenden diesen Namen in der Einbürgerungsurkunde, dem Personalausweis und dem Reisepass als Familiennamen. Die Ehe wird geschieden, und der inzwischen nach Indien zurückgekehrte Beschwerdeführer heiratet dort 1994 zum wiederholten Male. Ein gemeinsamer Ehename wird nicht bestimmt. Aus der Ehe geht 1994 ein Kind hervor, dessen Eintrag im indischen Geburtenregister auf den Namen M. Singh lautet. Zwei Jahre später, nach der Geburt des zweiten Kindes in die neue Ehe, diesmal wieder nach Deutschland zurückgekehrt, beantragt der Beschwerdeführer beim deutschen Standesamt, ein Familienbuch gemäß § 15a PStG a.F. anzulegen und in dieses den Familiennamen Singh einzutragen. Auf die Zweifelsvorlage des Standesamts verneint das Amtsgericht die Eintragungsfähigkeit des Namens. Das Landgericht hebt die Entscheidung als Beschwerdegericht zwar wieder auf, wird aber seinerseits durch das Oberlandesgericht im Wege der weiteren Beschwerde korrigiert.188 Gegen die Zurückweisung der Beschwerde wendet sich der Beschwerdeführer an das Bundesverfassungsgericht.189

185

OLG Hamm StAZ 1998, 258 (259). Siehe zu alledem Sturm/Sturm, in: FS Brudermüller (2014), S. 801 (804); vgl. auch Berkl, Handbuch Personenstandsgesetz (2015), Rn. 37; Henrich, StAZ 2007, 197 (200). 187 MüKo-BGB9/von Sachsen Gessaphe, § 1355 Rn. 13; Fachausschuss/Krömer, StAZ 1996, 90 (90) (in Ermangelung zulässiger Familiennamen der Eltern könnten diese aber einen ihrer Eigennamen zum Familiennamen des gemeinsamen Kindes erklären); vgl. zu einer möglichen Namensangleichung Fachausschuss/Jauß, StAZ 2003, 52 (52 f.); siehe zu weiteren Beispielen nur Staudinger/Hausmann, BGB (2019), Vorbemerkung Art. 10 EGBGB Rn. 28 ff.; kritisch Hepting/Dutta, Familie und Personenstand3, Rn. II-308 mit Hinweis auf eine mögliche Verfestigung des Namenszusatzes zum Familiennamen bereits unter dem Heimatrechtsstatut. 188 OLG Hamm StAZ 1998, 258 ff. 189 Siehe zum Sachverhalt BVerfG StAZ 2001, 207 (207). 186

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Die 3. Kammer des Ersten Senats bejaht im Ergebnis eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Beschwerdeführers. Der Verstoß bestehe darin, dass das Oberlandesgericht ein Recht des Beschwerdeführers auf Fortführung seines gutgläubig geführten Namens nicht erwogen habe.190 Eine solche Prüfung sei aber veranlasst gewesen. Das Bundesverfassungsgericht nimmt Bezug auf seine ständige Rechtsprechung, wonach eine Namensänderung die Persönlichkeit beeinträchtige und nicht ohne gewichtigen Grund gefordert werden dürfe,191 und erweitert diese auf einen lediglich tatsächlich geführten Namen. Das gelte jedenfalls dann, „wenn sich mit diesem Namen eine Identität und Individualität des Namensträgers herausgebildet und verfestigt hat und sich im Vertrauen auf die Richtigkeit der Namensführung auch herausbilden durfte.“192 Das Rechtsstaatsgebot und der in ihm enthaltene Vertrauensschutzgedanke geböten zumindest eine Abwägung zwischen den Belangen des Allgemeinwohls und dem Individualinteresse am Fortbestand einer Rechtslage, auf welche die betreffende Person sich eingerichtet und vertraut habe.193 Der Anknüpfungspunkt für den abstrakt gefassten Vertrauensschutzgedanken ist also das allgemeine Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V. mit Art. 1 Abs. 1 GG.194 Die Eröffnung des Schutzbereichs hängt aber nach dem Bundesverfassungsgericht vom Vorliegen einer tatsächlichen sowie einer zeitlichen Komponente ab – ganz im Sinne des allgemeinen Vertrauensschutzgedankens.195 Beide Voraussetzungen bejaht das Bundesverfassungsgericht. Der Vertrauenstatbestand sei erfüllt, weil verschiedene Behörden durch die Eintragungen im Jahr 1986 keinerlei Zweifel an der Berechtigung der Namensführung zum Ausdruck gebracht hätten. Der geführte Name, unter welchem der Beschwerdeführer in seinem sozialen Umfeld bekannt sei, habe dessen Identität geprägt. Zweifel an der Richtigkeit hätte er keine haben müssen. Das Zeitelement ist schließlich mit elf Jahren besonders stark ausgeprägt196, sodass es bemerkenswert knapp bejaht wird („über den jedenfalls nicht unerheblichen Zeitraum von fast elf Jahren“).197 Die relativ kurze Beschlussbegründung erklärt sich durch den vergleichsweise eindeutigen Sachverhalt, darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Bundesverfassungsgericht den Vertrauensschutz, also das Überwiegen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gegenüber dem staatlichen Ordnungsinteresse, von der Gutgläubigkeit der betreffenden

190

BVerfG StAZ 2001, 207 (208). Siehe bereits oben, § 6 III 3b) aa). 192 BVerfG StAZ 2001, 207 (208). 193 BVerfG StAZ 2001, 207 (208). 194 Wall, StAZ 2022, 225 (229); Fachausschuss/Wall, StAZ 2019, 154 (157); Hepting, StAZ 2013, 1 (7); vgl. auch Fachausschuss/Krömer, StAZ 2012, 151 (151 f.). 195 Siehe bereits oben, § 5 VI 1. 196 Fachausschuss/Wall, StAZ 2019, 154 (157). 197 BVerfG StAZ 2001, 207 (208). 191

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Person abhängig gemacht hat.198 Das Gebot der Beachtung des Vertrauensschutzes gebiete nämlich nicht den Fortbestand jeder einmal entstandenen Vertrauensposition.199 Während vor der Singh-Entscheidung im Kollisionsfall zwischen dem vermeintlich richtigen Namen und dem Vertrauensschutz regelmäßig das staatliche Ordnungsinteresse dominierte,200 verhilft das Bundesverfassungsgericht nunmehr dem persönlichkeitsrechtlichen Element des Namens zu größerem Gewicht und unterstreicht damit den Charakter einer staatlich angeordneten Namensänderung als rechtfertigungsbedürftige Machtausübung. Es bereitet damit auch zugleich das argumentative Fundament für diejenigen Lösungsansätze, die der Bundesgerichtshof vereinzelt für bestimmte Fälle sogenannter geläuterter Rechtsprechung entwickelt hatte.201 Die „verfahrensrechtliche Krücke“202 (eine Namensänderung finde ohnehin nur auf Antrag statt, und eine geänderte Rechtsanwendungspraxis könne damit nicht gegen den Willen der betreffenden Person zu einer Namensänderung führen)203 wird also als Hilfserwägung überflüssig. Die faktische Namensführung kann vielmehr geheilt werden.

IV. Der gutgläubig geführte Name Die Singh-Entscheidung bedeutet ein eindeutiges Ja zum Ob des Vertrauensschutzes und zum gutgläubig geführten Namen. Naturgemäß verhält sich das Bundesverfassungsgericht weder zu weiteren denkbaren Einzelfällen noch zu der einfachrechtlichen Umsetzung, sondern bereitet mit seiner Entscheidung das Fundament für Rechtsprechung und Lehre, den Vertrauensschutzgedanken

198 Hepting, StAZ 2013, 1 (7); BVerfG StAZ 2001, 207 (208) („[…] Vertrauen auf die Richtigkeit der Namensführung auch herausbilden durfte“). 199 BVerfG StAZ 2001, 207 (208). 200 Hepting, StAZ 2013, 1 (3) (mwN), der ferner auf die Entwicklung vor der Singh-Entscheidung eingeht. Siehe ausführlich zur Rechtsprechung zu gutgläubig geführten Namen(sschreibweisen) vor der Singh-Entscheidung Sturm, StAZ 1994, 370 (375 f.) sowie grundsätzlich auch Fachausschuss/Krömer, StAZ 2021, 284 (286), der die Rechtsprechung des BGH neben der Singh-Entscheidung offenbar sogar als einen der beiden Meilensteine der Entwicklung von Vertrauensschutz im Namensrecht interpretiert („Der zweite Meilenstein“). Siehe zu der von ihm aufgeworfenen Frage des Verhältnisses der BGHRechtsprechung und der Singh-Entscheidung noch unten, § 6 IV 2) 201 Siehe oben, § 6 II 3a). Vgl. auch Fachausschuss/Krömer, StAZ 2021, 284 (286); siehe zu den Fällen bereits oben, § 6 II 1. 202 Wall, StAZ 2022, 225 (230); Staudinger/Hepting, BGB (2007), Art. 10 EGBGB Rn. 229. 203 Siehe nur Wall, StAZ 2021, 202 (204); OLG Nürnberg StAZ 2011, 367 (369); siehe im Übrigen oben, § 6 III 3a).

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im Namensrecht weiter auszuloten und zu konturieren. Dem widmet sich der folgende Abschnitt. 1. Tatbestandsvoraussetzungen im Einzelnen Unabhängig von der dogmatischen Umsetzung des Vertrauensschutzgedankens und der Frage, ob für den Vertrauensschutz öffentlich-rechtliche Kriterien oder diejenigen des Privatrechts heranzuziehen sind,204 sollen zunächst die vom Bundesverfassungsgericht zentral hervorgehobenen (Tatbestands-)Voraussetzungen in den Blick genommen werden. a) Umstandsmoment In objektiver Hinsicht ist das Vorliegen eines Umstandsmoments respektive Rechtsscheins erforderlich. Als solcher kommt die faktische Namensführung in Betracht, die einem in unterschiedlichen Konstellationen begegnet, behördlich veranlasst sein kann und jedenfalls zu einer Identitätsbildung geführt haben muss. aa) Abweichung vom gesetzlichen Namen Die faktische Namensführung besteht oftmals in der Verwendung eines Namens, der mit dem gesetzlichen überhaupt nicht übereinstimmt. Das ist bei der Führung des Namens Singh, aber auch dann gegeben, wenn wie in einem der Ausgangsfälle ein Kind den vermeintlichen Ehenamen der Eltern erhält, der aber mangels wirksamer Ehe nicht dem gesetzlich zugeordneten Kindesnamen entspricht. Die Abweichung kann ferner schlichtweg in der Schreibweise oder Zeichenverwendung bestehen (hs statt ß oder ie statt i oder K statt C).205 Ganz ähnlich ist der Fall gelagert, wenn im (maßgeblichen) deutschen Geburtenregister für ein ausschließlich türkisches Kind der Name Inal eingetragen ist, der Junge indes den im türkischen Personenstandsregister eingetragenen Namen Inan führt.206 Auch Katharina führt einen faktischen Namen, wenn das Geburtenregister den Namen Katharine ausweist und sie die ursprüngliche Unrichtigkeit der Eintragung nicht beweisen kann.207 Schließlich gilt das Gleiche, wenn die von Sturm erfundene Rosa Rohs als Rosa Roß registriert ist.208 In

204

Siehe zu alledem § 6 IV 1d). OLG Köln StAZ 2004, 340 ff.; 2012, 372 f.; OLG München StAZ 2013, 289 f.; siehe exemplarisch auch VGH Mannheim NJW-RR 1995, 1412 ff. (mit beachtlicher historischer Nachforschung zur Namensschreibweise von Ur-Ur-Großvorfahren). 206 OLG Hamm StAZ 2007, 175 ff. 207 Fachausschuss/Krömer, StAZ 2012, 151 (151 f.). 208 Sturm/Sturm, in: FS Brudermüller (2014), S. 801 (805). Vgl. zu einer Berichtigung des alten Zeichens „fs“ in „ß“ OLG Köln StAZ 2012, 372 f. 205

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Bezug auf ein Abweichen des Faktischen vom Gesetzlichen ist das Umstandsmoment selten problematisch. bb) Der zunächst gemäß der gesetzlichen Zuweisung erworbene Name Die faktische Namensführung ist aber deutlich schwieriger festzustellen, wenn der eingetragene Name im Zeitpunkt seiner Registrierung den gesetzlichen Regelungen zwar entsprach, sich danach (scil. der Eintragung) aber ändert oder wegfällt und dennoch faktisch (weiter-)geführt wird. (1) Wegfall ex tunc Fällt der Name mit Wirkung ex tunc weg – wie das etwa bei der oben beschriebenen Rechtsprechungsänderung der Fall ist209 – und wird durch einen anderen ersetzt, handelt es sich bei dem bis dato gesetzlichen Namen nunmehr um einen (bloß) faktisch geführten, aber registrierten Namen. Der Anknüpfungspunkt ist das Vertrauen in die Namenskontinuität, und die faktische Namensführung ist abermals unschwer zu erkennen. (2) Wegfall ex nunc Schwierigkeiten bereitet das Umstandsmoment aber, wenn ein gesetzlicher Name, der über einen längeren Zeitraum geführt wurde, mit Wirkung ex nunc wegfällt. Die Aufhebung einer Ehe bildet hierfür das Paradebeispiel. Nach umstrittener, aber wohl überwiegender Ansicht führen die Eheleute nach Aufhebung der Ehe wieder ihren früheren Familiennamen; jedenfalls das positive einfache Recht sieht eine Namensfortführung nicht vor.210 Haben die Eheleute die Ehe unter einem gemeinsamen Ehenamen über einen langen Zeitraum geführt, stellt sich die Frage, ob die Fortführung des Ehenamens unter Vertrauensschutzgesichtspunkten ermöglicht werden muss. Eine faktische Namensführung liegt dann streng genommen nicht vor,211 weil die Eheaufhebung gemäß § 1313 Satz 2 BGB lediglich ex nunc wirkt.212 Gutglaubensschutz setzt aber ein Abweichen des Faktischen vom Gesetzlichen voraus, sodass der Vertrauensschutzgedanke nicht weiterzuhelfen scheint. Der Fachausschuss des Bundesverbands der Deutschen Standesbeamtinnen und Standesbeamten befürwortet insoweit eine pragmatische Lösung. Aus einem Erst-recht-Schluss ergebe sich, dass nicht nur der gute Glaube an „einen 209

Siehe insoweit bereits oben, § 6 II 1. Vgl. statt vieler Berkl, Handbuch Personenstandsgesetz (2015), Rn. 883. Siehe ausführlich zum Streitstand bereits oben, § 6 II 3. 211 Eine faktische Namensführung ist zwar ab dem Zeitpunkt der rechtskräftigen Eheaufhebung denkbar, dann dürfte aber das subjektive Element des Gutglaubensschutzes problematisch sein. Weniger skeptisch insoweit indes Fachausschuss/Wall, StAZ 2019, 154 (157). 212 Dethloff, FamR33, § 3 Rn. 57. 210

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von Anfang an rechtswidrig geführten Namen schutzwürdig ist“, sondern auch die Fortführung eines rechtmäßig geführten Namens unter Vertrauensschutzgesichtspunkten geboten sein könne.213 Das gelte insbesondere, wenn die Ehe in gutem Glauben geschlossen wurde.214 Der Lösungsweg überzeugt. Er liegt gedanklich auf der Entwicklungslinie, die bereits im Zusammenhang mit der namensrechtlichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erkennbar wurde. Zunächst ging es um den persönlichkeitsrechtlichen Schutz des „rechtmäßig erworbenen“ Namens, der sodann auf den tatsächlich geführten Namen übertragen wurde.215 Vor diesem Hintergrund würde es nicht einleuchten, wenn der lediglich faktische Name, der stets im Widerspruch zu der gesetzlichen Namenszuweisung stand, verfassungsrechtlichen Schutz erfährt, nicht aber ein Name, der im Einklang mit dem Gesetz erworben und geführt wurde. Zudem erscheint ein Rückgriff auf die in den §§ 48, 49 VwVfG enthaltene Wertung möglich,216 wonach auch – und sogar in weitaus größerem Maße – das Vertrauen in den Fortbestand eines rechtmäßig geschaffenen Zustands schutzwürdig sein kann.217 Das gilt namentlich bei einem Widerruf eines Verwaltungsakts, der durch die Entwicklung der Verhältnisse bedingt und auf eine Änderung der Sach- oder Rechtslage zurückzuführen ist.218 Der öffentlichrechtliche Vertrauensschutzgedanke hat im Wesentlichen Niederschlag in den genannten verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorschriften gefunden.219 Diese können als Ausdruck allgemeiner Rechtsgedanken verstanden220 und als solche auf die überwiegend öffentlich-rechtlich geprägte Namensführung221 übertragen werden. Die Frage nach der Übertragbarkeit eines allgemeinen Rechtsge-

213

Fachausschuss/Wall, StAZ 2019, 154 (157); Fachausschuss/Wall, StAZ 2014, 151

(154). 214

Fachausschuss/Wall, StAZ 2019, 154 (157). Vgl. nur BVerfG StAZ 2001, 207 (207 f.). 216 Fachausschuss/Wall, StAZ 2019, 154 (157); Fachausschuss/Wall, StAZ 2014, 151 (154); so auch zumindest in Bezug auf die Gutgläubigkeit Fachausschuss/Krömer, StAZ 2012, 151 (152) sowie Hepting, StAZ 2013, 1 (7) und Wall, StAZ 2013, 237 (241). 217 Vgl. Detterbeck, AllgVerwR20, Rn. 718, 724; Maurer/Waldhoff, AllgVerwR20, § 11 Rn. 59. 218 Maurer/Waldhoff, AllgVerwR20, § 11 Rn. 59, 69. 219 Detterbeck, AllgVerwR20, Rn. 250; S/B/S/Sachs, VwVfG9, § 48 Rn. 3 f.; BVerfGE 59, 128 (166 f.); siehe bereits oben, § 5 III 2. 220 Hk-VerwR5/Kastner, § 48 VwVfG Rn. 7; Kramer, Methodenlehre6, S. 293 f. (zum schweizerischen Recht); siehe ausführlich zu allgemeinen Rechtsgrundsätzen Beaucamp, DÖV 2013, 41 ff. 221 Das Namensführungsrecht ist öffentliches Verwaltungsrecht, wenngleich Entstehung und Wirkung eng mit dem Zivilrecht verbunden sind, vgl. nur Hepting, StAZ 2013, 1 (4). 215

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dankens hat sich vor allem an dem Grad seiner Verbreitung sowie den Eigenheiten der ungeregelten Problemsituation zu orientieren.222 Es gibt keine absolut wirkenden übergeordneten Prinzipien.223 Der Vertrauensschutzgedanke ist rechtsgebietsübergreifend anerkannt.224 Die hier bestehende Problem- und Interessenlage ist ferner vergleichbar mit der von § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 6 VwVfG geregelten Konstellation des Widerrufs eines rechtmäßigen Verwaltungsakts aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen. Die Namensbestimmung erfolgt zwar nicht durch einen Verwaltungsakt. Aber durch die Eintragungen des Namens der deutschen Behörden in deutsche Register liegt immerhin ein behördliches Handeln vor. Jedenfalls für die Fallgruppe eines zunächst wirksam erworbenen und eingetragenen Namens gilt im Sinne des Vertrauensschutzgedankens, dass eine einmal erworbene Rechtsposition Vertrauensgrundlage sein kann. Eine andere, später zu behandelnde Frage ist die nach der Schutzwürdigkeit des auf dem Rechtsschein gebildeten Vertrauens. Bezeichnenderweise wird die Übertragbarkeit der in §§ 48, 49 VwVfG enthaltenen Wertungen vor allem für das subjektive Element bestritten und grob fahrlässige Unkenntnis nicht für ausreichend gehalten, um den Schutz des guten Glaubens zu zerstören (mangels Vergleichbarkeit der Sachverhalte).225 Was dort (Gutgläubigkeit) diskussionswürdig erscheint, gestaltet sich hier (Rechtsschein) indes viel eindeutiger. Das Kriterium des guten Glaubens ist im Rahmen der Schutzwürdigkeit anhand der einzelnen Umstände eingehend zu würdigen, während der Rechtsschein lediglich einen objektiven Anknüpfungspunkt für Gutglaubensschutz darstellt und als solcher eine allgemeinere Bewertung verdient. Erforderlich und zugleich ausreichend ist insoweit ein Umstand, auf dessen Bestand oder Fortbestand grundsätzlich vertraut werden kann. In der vorliegenden Fallgruppe ergeben sich also zwei Umstandsmomente: das (gutgläubige) Führen des zunächst wirksamen Namens einerseits und das Fortführen eines einmal erworbenen Namens226 (im Beispielsfall des Ehenamens nach rechtskräftiger Eheaufhebung227) andererseits. cc) Behördlich veranlasster Rechtsschein Im Zusammenhang mit der Unterscheidung zwischen privatrechtlichem und öffentlich-rechtlichem Vertrauensschutz stellt sich die Frage, ob der Rechtsschein ein behördlicher sein muss, also durch behördliches Handeln entweder 222

Beaucamp, DÖV 2013, 41 (46, 50). Höpfner, Systemkonforme Auslegung (2008), S. 64 f. Siehe zum entsprechenden Theorienstreit nur die Nachweise oben, § 5 Fn. 31. 224 Siehe bereits eingehend oben, § 5 III. 225 Sturm/Sturm, in: FS Brudermüller (2014), S. 801 (807). 226 Ähnlich Hepting, StAZ 2013, 34 (37). 227 Zu diesem Ergebnis gelangt auch Fachausschuss/Wall, StAZ 2019, 154 (157). 223

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gesetzt oder zumindest bestätigt wurde. Nach der privatrechtlichen Dogmatik des Vertrauensschutzgedankens bedarf es eines behördlichen Akts nicht, während der öffentlich-rechtliche Vertrauensschutz traditionell einen hoheitlich gesetzten Vertrauenstatbestand verlangt.228 Rechtsprechung und Lehre verhalten sich hierzu bemerkenswert zurückhaltend. (1) Rechtsprechung Das Amtsgericht Schöneberg verlangt mit der bundesverfassungsgerichtlichen Judikatur eine Prägung der Identität durch den Namen über einen nicht unbedeutenden Zeitraum und einen Vertrauenstatbestand, den es insbesondere in dem Eintrag des Namens in das deutsche Familienbuch der Eltern (jetzt Eheregister, vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PStG) sowie in der Erteilung eines deutschen Reisepasses, jeweils auf den faktischen Namen lautend, erblickt.229 Das spricht für ein Erfordernis eines behördlichen Rechtsscheins in Form einer amtlichen Verwendung des faktischen Namens.230 Einzig das VG München erhebt ein hoheitliches Handeln eines Standesamts, einer Pass- oder einer Meldebehörde zur unverzichtbaren Voraussetzung für namensrechtlichen Vertrauensschutz.231 Überwiegend berücksichtigt die einschlägige Rechtsprechung behördliches Verhalten hingegen erst innerhalb der Schutzwürdigkeit, also im Rahmen der Interessenabwägung.232 Ein Vertrauenstatbestand entsteht beispielsweise nach dem Landgericht Paderborn „nicht nur durch eigene Wahrnehmung, sondern auch durch die Wahrnehmung der eigenen Person durch Dritte“, wird dann aber durch eine behördliche Eintragung verstärkt.233 Teilweise dient ein hoheitlich relevantes Handeln jedenfalls als argumentativer Anknüpfungspunkt für die subjektive Tatbestandsseite, wenn für die betreffende Person erkennbare Zweifel unter Verweis auf das behördliche Handeln oder Unterlassen verneint werden.234 Diejenigen Gerichtsentscheidungen, die be-

228

Siehe zum Ganzen bereits oben, § 5 III und IV 1. AG Schöneberg StAZ 2013, 21 (22); ähnlich AG Mönchengladbach StAZ 2016, 214 f. 230 So ausdrücklich KG StAZ 2016, 243 (244), wonach es an „der Schaffung eines Vertrauensumstands durch die zuständigen Behörden“ fehlte. 231 VG München StAZ 2017, 145 (147). 232 LG Paderborn FamRZ 2008, 1779 (1780); OLG Köln StAZ 2004, 340 (342); ähnlich auch OLG Nürnberg StAZ 2011, 367 (369), das auf eine Namensführung „im deutschen Sprach- und Rechtsraum“ abstellt. 233 LG Paderborn FamRZ 2008, 1779 (1780). Ähnlich OLG Hamm StAZ 2007, 175 (176) (Der „Vertrauenstatbestand ist zwar nicht durch die Personenstandsbehörden begründet, aber auch von Seiten der deutschen Verwaltung […] bestätigt und verstärkt worden“). 234 Vgl. AG Lübeck StAZ 2008, 346 (347); OLG Hamm StAZ 2015, 110 (113) (wegen des im Libanon als ungeklärt geltenden Status musste den Beteiligten „klar gewesen sein, dass ihre tatsächliche Namensführung nicht durch Personenstandsurkunden gedeckt war und mit einer abweichenden Namensführung […] gerechnet werden musste“). 229

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reits beim Vertrauenstatbestand ein behördliches Verhalten entscheidend heranziehen, bemühen indes keinen ausschließlich zu verstehenden Obersatz. Sie greifen schlichtweg auf eine einleuchtende und knappe Begründungsmöglichkeit zurück, die der jeweilige Einzelfall bietet. Keinesfalls lässt sich hieraus die Wertung ableiten, der Rechtsschein könne stets nur ein behördlich bedingter sein.235 Das Oberlandesgericht München hat vielmehr ausdrücklich eine faktische Namensführung, die lediglich „im familiären und außerfamiliären Umfeld“ erfolgte, genügen lassen und eine sogar entgegenstehende amtliche Namenserfassung unter Hinweis darauf für unschädlich erklärt, dass die amtlichen Ausweise für die Betreffenden erst in einem Alter Bedeutung erlangten, in dem „die identitätsstiftende Wirkung des Vornamens“ bereits abgeschlossen sei.236 (2) Literatur Der Fachausschuss des Bundesverbands der Deutschen Standesbeamtinnen und Standesbeamten nennt im Allgemeinen zwei Tatbestandsvoraussetzungen für Vertrauensschutz bei der Namensführung, nämlich das Zeitelement sowie das Vertrauenselement, denen im Falle ihrer Bejahung eine umfassende Interessenabwägung folgen müsse. Das Vertrauenselement entspricht dem Vertrauenstatbestand, der einer Grundlage bedürfe. Ohne hierfür abstrakte Anforderungen zu formulieren, hält der Fachausschuss jedenfalls die behördliche Registrierung und das Ausstellen von Pass- und Ausweispapieren für ausreichend.237 Die Qualität der „förmlichen Spuren“ ist aber eines der abwägungsrelevanten Kriterien innerhalb der abschließenden Interessenabwägung.238 Es findet sich kein Anhaltspunkt dafür, dass der Fachausschuss das Vertrauenselement restriktiv auslegen und lediglich einen behördlich gesetzten oder verstärkten Vertrauensschein erfassen möchte. Hepting befasste sich ausführlich mit der Voraussetzung eines behördlichen Rechtsscheins. Im Ausgangspunkt hält er die Anwendung der öffentlich-recht-

235

So auch AG Köln StAZ 2002, 82 f., das ausdrücklich keine anfängliche Unrichtigkeit im Register für die Anwendung des Vertrauensschutzgedankens voraussetzt. 236 OLG München StAZ 2013, 289 (290); a.A. VG München StAZ 2017, 145 (147) zu Adelsbezeichnungen. Zurückhaltender OLG München StAZ 2015, 278 (279), ebenfalls zu Adelsbezeichnungen. 237 Vgl. zum Ganzen Fachausschuss/Wall, StAZ 2019, 154 (157). Siehe auch Fachausschuss/Wall, StAZ 2022, 182 (186). 238 Fachausschuss/Wall, StAZ 2019, 154 (158). Anders aber noch Fachausschuss/Krömer, StAZ 2012, 151 (152), wonach es eines Zeitelements sowie eines Vertrauenselements bedürfe. Das Vertrauenselement erschöpfte sich in der Frage nach der Gutgläubigkeit und der Schutzwürdigkeit des Vertrauens.

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lichen Vertrauensschutzgrundsätze für zwingend und fordert damit einen behördlich veranlassten Rechtsschein.239 Unter Berücksichtigung der „Doppelfunktion des Namens“240 nimmt er aber Abstufungen vor. Sie führen von einem positiven behördlichen Handeln über eine falsche Eintragung gesetzlich erworbener Namen und schlicht amtliche Verwendung faktischer Namen zu der Fallgruppe der bloßen sozialen Akzeptanz. Der Name als Ausdruck der Persönlichkeit verfolge auch ein soziales Ordnungsinteresse. Daraus schlussfolgert Hepting, dass der persönlichkeitsrechtliche Schutz – den Vertrauensschutz verkörpernd – bereits dann eingreife, wenn der Name im gesellschaftlichen Kontext geführt wurde und somit zur Grundlage der Persönlichkeit erstarkt sei.241 Er folgt insoweit den Ausführungen des Landgerichts Paderborn und liefert eine dogmatische Konstruktionsanleitung gleich mit: Die faktische Namensführung werde durch die Rechtsordnung und die an sie gebundenen Behörden geduldet und nicht verhindert, mit der Folge der Entstehung eines Rechtsscheins durch behördliches Unterlassen.242 (3) Stellungnahme Feststeht, dass ein behördliches Handeln Vertrauensschutz jedenfalls bestärkt und in die Interessenabwägung (maßgeblich) einfließt. Demgegenüber verliert die Frage, ob bereits der objektive Rechtsschein an sich hoheitliches Handeln oder Dulden erfordert, spürbar an Relevanz, wenn man sich der Konsequenzen seines Fehlens bewusst wird. Es ist nämlich kaum vorstellbar, dass ein Vertrauen schutzwürdig sein kann, ohne einen irgendwie gearteten behördlichen oder amtlichen Bezug; es würde jedenfalls die Schutzwürdigkeit entfallen und Vertrauensschutz wäre mithin zu versagen. Das Problem erweist sich im Ergebnis als ein überwiegend dogmatischer Einordnungszweifel. Vieles spricht gegen die strikte Forderung nach einem behördlich veranlassten Rechtsschein. Ausgangspunkt der Überlegung ist der Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts (Singh-Entscheidung). Er liest sich insoweit zwar nicht eindeutig. Einerseits genügt offenbar das Führen des Namens für einen Vertrauenstatbestand, andererseits betont das Gericht, dass der Name seit der Eintragung und infolge dessen geführt wurde.243 Abschließend dient die behördliche Eintragung aber vor allem der Begründung der Gutgläubigkeit des 239 Hepting, StAZ 2013, 1 (5); zustimmend BeckOGK-BGB/Kienemund (1.8.2022), § 1616 Rn. 25. 240 Hepting, StAZ 2013, 1 (6). 241 Siehe zum Ganzen Hepting, StAZ 2013, 1 (6). 242 Hepting, StAZ 2013, 1 (6). 243 BVerfG StAZ 2001, 207 (208) („Dadurch, dass der Bf. zu 1 […] diesen Namen als Familiennamen in Folge dessen [Anm.: der behördlichen Eintragung] seit der Eintragung […] tatsächlich geführt hat, ist für ihn […] ein rechtlich schutzwürdiger Vertrauenstatbestand entstanden […]“).

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Beschwerdeführers.244 Das legt nahe, dass die behördliche Eintragung zunächst für den zu ermittelnden Zeitpunkt, also das Zeitelement, sowie für die Schutzwürdigkeit von Bedeutung ist, nicht aber für den objektiven Rechtsschein.245 Es ist ferner ausgerechnet Hepting, seines Zeichens ausdrücklichster Verfechter der öffentlich-rechtlichen Prägung des namensrechtlichen Vertrauensschutzes, der Abstufungen so weit vornimmt, dass sogar eine rein soziale Akzeptanz für einen Rechtsschein genügen könnte (soziales Ordnungsinteresse).246 Er hat Recht. Die Auffassung wird getragen von der ursprünglichen Motivation, Vertrauen in eine Namensführung zu schützen: Der Name ist Ausdruck der Persönlichkeit und des Rechts zur Selbstdarstellung. Es geht weniger als in der klassischen öffentlich-rechtlichen Vertrauensschutzdogmatik um das Rechtsstaatsprinzip.247 Für das Vertrauen und die Persönlichkeitsbildung der betreffenden Person ist die Fehlerursache aber unerheblich. Auch für die Frage nach der Schutzwürdigkeit des gebildeten Vertrauens kommt es vornehmlich auf die Erkennbarkeit der Unrichtigkeit an und weniger auf eine „Differenzierung nach Fehlerursachen“.248 Die von Hepting angebotene dogmatische Konstruktion über ein behördliches Unterlassen ist ein gangbarer Weg, bedeutet bei Lichte besehen aber nichts anderes als eine faktische Abkehr vom Erfordernis eines hoheitlichen Rechtsscheins durch die Hintertür; ein hoheitliches Unterlassen lässt sich oftmals unschwer feststellen, wenn eine faktische Namensführung über einen längeren Zeitraum erfolgte. Eine etwaige für die Behörde bestehende Kenntnis- und Reaktionsmöglichkeit ist wiederum eine Frage der Schutzwürdigkeit. Die Entscheidung wird damit ohnehin in die spätere Prüfung verlagert, im Rahmen derer die Qualität des Rechtsscheins zu einem maßgeblichen Abwägungsfaktor wird.249 Das ist auch der richtige Prüfpunkt für die Würdigung eines entstandenen Rechtsscheins. Es lassen sich dort (scil. im Rahmen der Interessenabwägung) alle Umstände des Einzelfalls angemessen berücksichtigen und gegeneinander abwägen. Damit wird ferner für besonders gelagerte – selten bekanntwerdende (z.B. vertauschte Kinder) – Fallkonstellationen, in denen kein behördliches Handeln, aber ein sehr langer Zeitraum und eine weite soziale Verbreitung des Namens festzustellen sind, der Weg über den Vertrauensschutzgedanken ermöglicht und nicht von vornherein versperrt. Für die (objektive) Tatbestandsvoraussetzung des Rechtsscheins ist eine faktische Namensführung, gleich auf welche Weise veranlasst, als ausreichend anzusehen.

244

BVerfG StAZ 2001, 207 (208). So wohl auch jurisPK-BGB/Janal (6.3.2020), Art. 10 EGBGB Rn. 47. 246 Hepting, StAZ 2013, 1 (6). 247 Siehe zur nach wie vor umstrittenen dogmatischen Herkunft des öffentlich-rechtlichen Vertrauensschutzes bereits oben, § 5 III 1. 248 So auch Hepting, StAZ 2013, 34 (39). 249 So dann auch Hepting, StAZ 2013, 1 (8). 245

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dd) Identitätsbildung Die Singh-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nennt ein weiteres Kriterium, das dem Umstandsmoment zuzuordnen und für die Eröffnung des Schutzbereichs des allgemeinen Persönlichkeitsrechts konstitutiv ist: Mit dem faktischen Namen muss sich eine Identität und Individualität der namensführenden Person verfestigt haben.250 Es bedarf mit anderen Worten einer Verstetigung des Namens. Dabei handelt es sich, mit dem Vokabular des Vertrauensschutzes ausgedrückt, um die schutzwürdige „Vertrauensbetätigung“:251 Von dem Rechtsschein muss Gebrauch gemacht worden sein. Die Identitätsbildung ist ein kognitiv beeinflusster tatsächlicher Vorgang, und somit können subjektive Elemente durchaus Bedeutung gewinnen. Diese sind aber nicht zu verwechseln mit dem sogenannten Vertrauenselement, das die subjektive Tatbestandsseite im Sinne der Gutgläubigkeit bezeichnet252 und im Rahmen der Schutzwürdigkeit behandelt werden soll. Die Identitätsbildung kann auch als subjektives Umstandsmoment bezeichnet werden. (1) Allgemeine Bewertungskriterien Die bisher veröffentlichte Entscheidungspraxis von Gerichten und Standesämtern offenbart ein breites Spektrum von objektiven Elementen, die für eine Identitätsbildung sprechen. Die namensführenden Personen waren oftmals im sozialen, schulischen oder beruflichen Umfeld unter dem Namen bekannt.253 Auf ihren faktischen Namen wurden Zeugnisse und Bescheinigungen ausgestellt.254 Daneben ergeben sich Indizien auch im Zusammenhang mit der Zuordnungsfunktion des Namens, wenn die gleichlautende Namensführung der Kinder bemüht wird255 oder eine Eheschließung unter Verwendung des faktischen Namens erfolgte. Mit der Formulierung des Bundesverfassungsgerichts,

250

BVerfG StAZ 2001, 207 (208); Fachausschuss/Wall, StAZ 2022, 182 (185). Hepting, StAZ 2013, 1 (6 f.). 252 Vgl. zu dieser Begrifflichkeit Fachausschuss/Krömer, StAZ 2012, 151 (152), der als Voraussetzungen lediglich das Zeitelement und das Vertrauenselement benennt. Siehe auch Fachausschuss/Wall, StAZ 2022, 182 (186). 253 AG Lübeck StAZ 2008, 346 (347); AG Schöneberg StAZ 2013, 21 (22); LG Paderborn FamRZ 2008, 1779 (1780); OLG Nürnberg StAZ 2011, 367 (369 ff.) (zu einem Fall der Rechtsprechungsänderung); OLG Hamm StAZ 2007, 175 (176); so auch schon BVerfG StAZ 2001, 207 (208); ähnlich im Zusammenhang der Volljährigenadoption OLG Bamberg FamRZ 2018, 1929 (1929); siehe auch den Fall bei Sturm/Sturm, in: FS Brudermüller (2014), S. 801 (801) sowie bei Fachausschuss/Wall, StAZ 2019, 154 (158) und schon früher im Rahmen einer Ermessensentscheidung nach § 46a Abs. 2 PStG a.F. (Berichtigung von Schreibfehlern) LG Essen StAZ 1992, 309 (310 ff.). 254 AG Schöneberg StAZ 2013, 21 (22); OLG München StAZ 2013, 289 (289); vgl. auch Sturm/Sturm, in: FS Brudermüller (2014), S. 801 (801). 255 AG Lübeck StAZ 2008, 346 (247 ff.). 251

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wonach der faktische Name „die Persönlichkeit des Trägers tatsächlich mitbestimmt“ haben muss, lässt sich auch die rein subjektive Identifikation der namensführenden Person als ausreichende Identitätsbildung begreifen. Dafür streitet namentlich die persönlichkeitsrechtliche Prägung der Namensführung. Dies ist als innere Einstellung aber wohl nur schwerlich objektiv festzustellen und gerichtlich aufzuklären. Vor diesem Hintergrund erklärt es sich wohl, dass die Praxis auf ohnehin regelmäßig vorhandene äußere Kriterien zurückgreift. Im Zweifel kann von einer ausgeprägten zeitlichen Komponente, also einer jahrelangen Namensführung, auf eine innere Identifikation geschlossen werden.256 Das gilt vor allem, wenn der Name von Geburt an oder zumindest in den Kindheitsjahren geführt wurde.257 Es ist somit auch nicht verwunderlich, dass Identifikationsbildung und Zeitelement in vielen Entscheidungsbegründungen in einem Atemzug genannt werden.258 Beide sind mitunter fest miteinander verwoben. (2) Identitätsbildung bei Kindern Besondere Fragen kann die Identitätsbildung bei Kindern aufwerfen: Ab welchem Alter beginnt ein Kleinkind, eine eigene Identität zu bilden und, vor allem, diese mit seinem Namen zu verknüpfen? Welchen Einfluss kann eine passive Namensführung auf die Individualität und das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Kindes haben? Hinter diesen Fragestellungen verbirgt sich ein komplexes Geflecht aus psychologischen Erkenntnissen über die frühkindliche Entwicklung, der kognitiven Fähigkeit zur Selbstwahrnehmung, dem kindlichen Zeitempfinden und den Umständen des Einzelfalls. Bei aller detailreicher, fachspezifischer Aufbereitungen dieses Themas, auf die hier nicht eingegangen werden kann, lässt der Gesetzgeber zumindest für den Familiennamen eine 256 Die Figur des Anscheinsbeweises dürfte auf das subjektive Tatbestandsmerkmal nicht anzuwenden sein, vgl. Zöller/Greger, ZPO34, Vorbemerkungen zu § 284 Rn. 31. Allerdings ist es mitunter möglich, von feststehenden objektiven Umständen auf den subjektiven Tatbestand zu schließen, vgl. zur Arglist beispielsweise MüKo-BGB9/Armbrüster, § 123 Rn. 96; siehe allgemeiner zum mittelbaren Indizienbeweis Foerste, in: Musielak/Voit, ZPO19, § 284 Rn. 7; im Ergebnis ähnlich wohl auch Fachausschuss/Krömer, StAZ 2012, 151 (152), wo die Identitätsbildung keinen eigenständigen Raum innerhalb der Prüfung bekommt. Vielmehr werden der lange Zeitraum von 53 Jahren sowie die ausgestellten amtlichen Urkunden maßgeblich gewürdigt. In dem zu beurteilenden Fall ging es indes auch um die konkrete Schreibweise und damit um eine relativ schwache Berührung mit der Identitätsbildung. Hepting, StAZ 2013, 1 (7) hebt ebenfalls den Zusammenhang zwischen Vertrauensbetätigung und Zeitfaktor hervor. 257 KG StAZ 2013, 314 (314); OLG München StAZ 2013, 289 (289); AG Magdeburg StAZ 2009, 245 (245); vgl. auch AG Köln StAZ 2002, 82 (82 f.). 258 BVerfG StAZ 2001, 207 (208); ähnlich auch LG Paderborn FamRZ 2008, 1779 (1780) („Das Tragen eines Namens für die Dauer von inzwischen 2 ½ Jahren bedingt eine enge Verflechtung dieses Namens mit der durch ihn bezeichneten Person“); vgl. auch OLG Hamm StAZ 2007, 175 (176).

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scheinbar klare Leitlinie erkennen: In zahlreichen Fallkonstellationen ist die Namensänderung eines unter fünf Jahre alten Kindes ohne dessen Zustimmung möglich: beispielsweise bei einer Namensänderung bei nachträglicher gemeinsamer Sorge oder Scheinvaterschaft (§ 1617b Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 BGB), bei Namensänderung der Eltern (§ 1617c Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB), bei Einbenennung nach Aufnahme in den gemeinsamen Haushalt (§ 1618 Satz 3 BGB) oder Annahme Minderjähriger als Kind (§ 1757 Abs. 2 BGB).259 In all diesen Fällen sieht das Gesetz ein nach dem Alter des Kindes abgestuftes Schutzkonzept vor: Ab dem fünften Lebensjahr muss das Kind sich der Erklärung zumindest anschließen.260 Ab der Erreichung des vierzehnten Lebensjahres kann das Kind die Erklärung gemäß § 1617c Abs. 1 Satz 2 BGB nur noch selbst abgeben.261 Es handelt sich dabei zwar nicht um Fälle der faktischen Namensführung, sondern um die nachträgliche Änderung des Familiennamens mit Wirkung ex nunc. Zumindest aber erlaubt das Konzept die Schlussfolgerung, dass aus Sicht des Gesetzgebers eine Identitätsbildung des Kindes in Bezug auf seinen Familiennamen spätestens mit dem fünften Lebensjahr beginnt. Das ist im Hinblick auf den sich in diesem Alter anbahnenden Schuleintritt nachvollziehbar. Jedenfalls mit Schulbeginn tritt das Kind unter seinem Familiennamen (nach außen) in Erscheinung und identifiziert sich mit ihm.262 Vor dem Erreichen des fünften Lebensjahres scheint der Gesetzgeber kein eigenes schutzwürdiges Interesse des Kindes an seinem Familiennamen zu erkennen. Er erwartet ohne nähere Begründung keine nachteiligen Auswirkungen eines Namenswechsels auf die Persönlichkeitsfindung eines unter fünf Jahre alten Kindes.263 Gleichwohl respektiert er das allgemeine Persönlichkeitsrecht desselben, wenn er das Interesse des Kindes an Namenskontinuität durch eine erforderliche Zustimmung der (sorgeberechtigten) Eltern schützt.264 Die Vertrauensbetätigung der Eltern ist dann also maßgeblich, was mit der sozialen Komponente des persönlichkeitsrechtlichen Namensschutzes begründet

259 Siehe auch den zusammenstellenden Hinweis bei BeckOGK-BGB/Kienemund (1.8.2022), § 1617b Rn. 30; vgl. zur verbreiteten Fünfjahresfrist im Namensrecht auch Bornhofen, StAZ 2022, 161 (164). 260 Siehe auch BeckOGK-BGB/Kienemund (1.8.2022), § 1617b Rn. 30. 261 § 1617c Abs. 1 Satz 2 BGB gilt auch in den anderen genannten Fällen der nachträglichen Namensänderung, vgl. §§ 1757 Abs. 2 Satz 2, 1617b Abs. 1 Satz 4, Abs. 2 Satz 3, 1618 Satz 6 BGB. 262 Wall, StAZ 2022, 225 (229); AG Schöneberg StAZ 2013, 21 (22); Staudinger/Lugani, BGB (2020), § 1617b Rn. 32; Fachausschuss/Wall, StAZ 2020, 385 (387); Fachausschuss/Wall, StAZ 2020, 152 (156); Wall, FamRZ 2019, 971 (973). Ähnlich bereits Sturm, StAZ 1994, 370 (371). 263 Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Kindschaftsrechts (Kindschaftsrechtsreformgesetz – KindRG) vom 13.6.1996, BT-Drs. 13/4899, S. 91; siehe auch BeckOGKBGB/Kienemund (1.8.2022), § 1617b Rn. 1, 34, 48. 264 Hepting, StAZ 2013, 1 (7).

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werden kann.265 Das überzeugt jedenfalls insoweit, als das Kind bis zum fünften Lebensjahr noch keine wesentlichen und eigenständigen Kontakte mit der Außenwelt unterhält266 und seiner Umwelt regelmäßig nur mit seinem Vornamen vorgestellt und mit diesem angesprochen wird. Die Verbundenheit zu den sorgeberechtigten Eltern, die durch eine Änderung des Familiennamens (Anpassung an den geänderten Namen der Eltern) regelmäßig ausgedrückt werden soll,267 ist dann intensiver als die Identifikation mit dem bisherigen Familiennamen.268 Ob damit aber tatsächlich eine Verbindung von Familiennamen und Identität des Kindes in toto verneint wird,269 erscheint zweifelhaft. Vielmehr handelt es sich bei den gesetzlich geregelten Namensänderungen um vom Gesetzgeber jeweils vorweggenommene, vertypte Abwägungen des Kontinuitätsinteresses mit dem Zuordnungsinteresse der Familie für den Fall nachträglicher Änderung der Familiennamen der Bezugspersonen. Keinesfalls erlauben die gesetzlichen Regelungen eine kategorische Verneinung einer identitätsstiftenden Wirkung des Familiennamens bei einem Kind unter fünf Jahren. Vor allem aber lassen sich die gesetzgeberischen Wertungen zum Familiennamen nicht auf den Vornamen eines Kindes übertragen. Eine ausgeprägte Verbundenheit des Kleinkindes besteht regelmäßig zwar zuvörderst mit seinen Eltern, und die Identitätsbildung nach außen findet vorrangig den Eltern gegenüber statt. Auch insoweit könnte der Vertrauensbetätigung der Eltern entscheidende Bedeutung zu Teil werden. Träger des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist aber das Kleinkind selbst; es führt den Vornamen zwar nicht durch eigenes aktives Handeln, sondern überwiegend durch Handlungen seiner Eltern, die das Kind Bekannten und Verwandten unter Offenbarung des (Vor-)Namens vorstellen und unter Verwendung der gewählten Namensbezeichnung über und mit dem Kind sprechen. Eine nachträgliche Vornamensänderung haftet dem Kind und seiner Identität aber selbst unmittelbar an.270 Sie wird es sein Leben lang begleiten. Einer Analogie zur zivilrechtlichen Wissenszurechnung bedarf es dabei nicht,271 denn der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist nicht nur bei eigener Identifikation, sondern auch bei der Wahrnehmung durch Dritte eröffnet. Eine (zurechenbare) Ausübung jenes Rechts durch Dritte ist nicht erforderlich. Zudem gibt es Erkenntnisse, dass ein Kind bereits im Alter von etwa eineinhalb bis drei Jahren sich selbst

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So Hepting, StAZ 2013, 1 (7). Staudinger/Lugani, BGB (2020), § 1617b Rn. 31. 267 Vgl. Fahrenbach/Liceni-Kierstein, NZFam 2020, 201 (201); siehe auch Wagenitz, FamRZ 1998, 1545 (1545, 1550). 268 Staudinger/Lugani, BGB (2020), § 1617c Rn. 7. 269 In diese Richtung tendierend aber Hepting, StAZ 2013, 1 (7). 270 So auch, sogar in Bezug auf den Familiennamen, LG Paderborn FamRZ 2008, 1779 (1780). 271 So im Ergebnis auch Hepting, StAZ 2013, 1 (7). 266

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als Person wahrnehmen kann272 und seine Person mit einem bestimmten Namen(slaut) verbindet.273 Das Kontinuitätsinteresse des Kleinkindes wiegt womöglich nicht so schwer wie das eines über fünf Jahre alten Kindes, das beispielsweise spätestens mit Schulbeginn lernt, seinen Namen zu schreiben. Das Interesse ist aber dennoch zu würdigen und einer umfassenden Interessenabwägung zuzuführen. Insgesamt ist damit eine mit dem geführten Namen verbundene Identitätsbildung jedenfalls ab einem Alter von fünf Jahren möglich,274 und zwar sowohl in Bezug auf den Vor- als auch den Familiennamen. Für jüngere Kinder gilt hingegen eine geringere Schutzbedürftigkeit, welche sich vor allem im Rahmen der abschließenden Interessenabwägung auswirkt. Die Interessenabwägung hat der Gesetzgeber für den Fall veränderter Familiennamen der Bezugspersonen bereits zugunsten der familiären Namenseinheit entschieden. Eine mögliche identitätsstiftende Funktion der Namensführung im frühkindlichen Alter kann aber nicht per se ausgeschlossen werden. Insbesondere zur Berücksichtigung nicht juristischer, namentlich psychologischer und pädagogischer Erkenntnisse ist eine umfassende Abwägung im Einzelfall erforderlich. Eine starre Altersgrenze für die Ausprägung einer mit dem Namen verbundenen Identitätsbildung scheidet aus. ee) Zusammenfassung Die faktische Namensführung als solche ist der Rechtsschein und damit das Umstandsmoment. Mit ihr muss sich eine tatsächliche Identifikation nach außen oder nach innen gebildet haben.275 Es ist dabei erforderlich, aber auch ausreichend, wenn sich der Familienname identitätsstiftend verfestigt hat.276 Das Umstandsmoment setzt sich also mit anderen Worten aus der objektiven Namensführung und der objektiv-subjektiven Identitätsstiftung zusammen. Bei Kleinkindern, die das fünfte Lebensjahr noch nicht erreicht haben, wird eine Identitätsbildung mit dem Familiennamen allenfalls schwach ausgebildet sein, die (passive) Vornamensführung ist hingegen geeignet, ein Kontinuitätsinteresse des Kindes hervorzurufen und einen objektiven Rechtsschein zu begründen. Auf einen behördlicherseits gesetzten oder verstärkten Vertrauenstatbestand kommt es für die objektive Voraussetzung eines Rechtsscheins ebenso

272

Gerrig/Dörfler/Roos, Psychologie21, S. 409 ff. Gerrig/Dörfler/Roos, Psychologie21, S. 405 (eigener Name ab vier Monaten); vgl. auch Arndt, Namensrecht (2004), S. 168 (Identifizierung mit dem Namen finde schon vor dem Ich-Bewusstsein statt). 274 Fachausschuss/Wall, StAZ 2022, 182 (186); Fachausschuss/Wall, StAZ 2020, 385 (387); Fachausschuss/Wall, StAZ 2020, 152 (156); Wall, FamRZ 2019, 971 (973). 275 So auch Sturm/Sturm, in: FS Brudermüller (2014), S. 801 (805). 276 Sturm/Sturm, in: FS Brudermüller (2014), S. 801 (804). 273

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wenig an wie auf ein von Anfang an bestehendes Auseinanderfallen von gesetzlicher Namenszuweisung und faktischer Namensführung. b) Zeitmoment Neben dem Umstandsmoment ist das Zeitmoment wesentliche Voraussetzung für die Eröffnung des Schutzbereichs des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und damit für die Gewährung von Vertrauensschutz zugunsten einer faktischen Namensführung. Es steht, wie schon hervorgehoben, in besonders enger Verbindung zu der im Umstandsmoment enthaltenen Identitätsbildung. Beide Aspekte sind wechselseitig miteinander verbunden, verdienen aber eine isolierte Betrachtung, um dem Tatbestand Konturen zu verleihen. Das Zeitmoment erfüllt ferner eine doppelte Funktion. Es ist konstitutive Voraussetzung und Bewertungskriterium zugleich.277 Als Letzteres strahlt es in die abschließend vorzunehmende Interessenabwägung hinein. Erst diese qualitative Bewertung ermöglicht eine abschließende Bestimmung dessen, was ein „nicht unbedeutender Zeitraum“ im Sinne der Kammerrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bedeutet.278 In einem ersten Schritt kann es deshalb lediglich um eine zeitliche Untergrenze des Vertrauensschutzgedankens gehen – um eine quantitativ zu beurteilende Mindestdauer279 der faktischen Namensführung. aa) Literatur Hepting betrachtet die Namensführung von seiner öffentlich-rechtlich geprägten Warte aus als einen Dauertatbestand, erhebt das zeitliche Element aber zu einer tatbestandlichen, konstitutiven Voraussetzung für Vertrauensschutz und will das Zeitelement nicht nur als Bewertungskriterium innerhalb der Interessenabwägung verstanden wissen.280 Auch er betont also die „Doppelfunktion des Zeitfaktors“.281 Dabei enthält er sich aber einer Stellungnahme zu einer klaren zeitlichen Untergrenze und lässt es für das konstitutive Zeitelement ausreichen, wenn der Name „eine Zeit lang geführt wurde“.282 Bei einem Zeitraum von sechs Wochen hält er das Entstehen eines Vertrauenstatbestands zugunsten des neugeborenen Säuglings aber für ausgeschlossen.283

277

Hepting, StAZ 2013, 1 (7); siehe auch Fachausschuss/Wall, StAZ 2019, 154 (158). So wohl auch Sturm/Sturm, in: FS Brudermüller (2014), S. 801 (808); vgl. ferner BGH StAZ 2019, 207 (211). 279 Fachausschuss/Wall, StAZ 2019, 154 (158). 280 Hepting, StAZ 2013, 1 (6 f.). 281 Hepting, StAZ 2013, 1 (8). 282 Hepting, StAZ 2013, 1 (6, 8). 283 Hepting, StAZ 2013, 34 (40). 278

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Auch der Fachausschuss des Bundesverbands der Deutschen Standesbeamtinnen und Standesbeamten benennt keine zeitliche Mindestgrenze und orientiert sich vor allem an der einschlägigen Rechtsprechung.284 Bei der Anwendung des Vertrauensschutzgedankens wird zwar mitunter eine Analogie zu § 3 Abs. 2 StAG befürwortet,285 wonach die Staatsangehörigkeit erwirbt, wer seit zwölf Jahren von deutschen Stellen als deutscher Staatsangehöriger behandelt worden ist und dies nicht zu vertreten hat. Die Analogie wird aber lediglich in Bezug auf die Rechtsfolge und keinesfalls für die Konturierung des Tatbestands fruchtbar gemacht.286 Im Übrigen wird aber ein Zeitraum von nur einem Jahr als zu kurz angesehen.287 Für einen Kindesnamen sei das Zeitelement ab einem Alter von fünf Jahren, also nach einer fünfjährigen Namensführung, erfüllt.288 Für die Änderung von Schriftzeichen nach einer Schriftumstellung hat Klaus Esser bereits 1973 einen Zeitraum von zehn Jahren befürwortet: Nach dessen Ablauf habe sich eine neue Tradition herausgebildet, sodass auch ein eigentlich falscher Buchstabe beizubehalten sei.289 F. und G. Sturm erwägen hingegen eine Orientierung an § 1310 Abs. 3 BGB, also einem Zeitraum von zehn Jahren, äußern aber Bedenken gegen eine als Minimum verstandene Untergrenze und wollen vornehmlich auf die Umstände des Einzelfalls abstellen; gleichwohl favorisieren sie eine zeitliche Mindestgrenze von drei Jahren, und zwar unter Bezugnahme auf die allgemeine Verjährungsfrist (§ 195 BGB), die hier eigentlich gar nicht unmittelbar zum Tragen kommen kann.290 bb) Rechtsprechung Eine zeitliche Mindestgrenze hat sich in der Rechtsprechungspraxis bislang noch nicht eindeutig herausgebildet. Die einschlägige Rechtsprechung lässt aber Tendenzen erkennen. In der Singh-Entscheidung befindet das Bundesverfassungsgericht einen Zeitraum von elf Jahren für ausreichend. Dem folgt die

284 Vgl. Fachausschuss/Krömer, StAZ 2012, 151 (152); Fachausschuss/Wall, StAZ 2019, 154 (157); vgl. auch Fachausschuss/Berkl, StAZ 2017, 377 (379); Fachausschuss/Wall, StAZ 2016, 217 (221). 285 Fachausschuss/Krömer, StAZ 2012, 151 (152). 286 Dies übersehen Sturm/Sturm, in: FS Brudermüller (2014), S. 801 (806). 287 Vgl. Fachausschuss/Wall, StAZ 2014, 151 (154). 288 Fachausschuss/Wall, StAZ 2020, 385 (387); Fachausschuss/Wall, StAZ 2020, 152 (156); Wall, StAZ 2022, 225 (229); ders., FamRZ 2019, 971 (973). 289 Klaus Esser, StAZ 1973, 273 (275); ihm folgend, den genauen Mindestzeitraum aber offenlassend OLG Hamm StAZ 1983, 132 (133). 290 Sturm/Sturm, in: FS Brudermüller (2014), S. 801 (807). Siehe kritisch zu dem Rekurs auf das Verjährungsrecht noch unten, § 6 IV 1a) cc).

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instanzgerichtliche Rechtsprechung291 und lässt mitunter sogar kürzere Zeiträume hinreichen. Die Zeiträume, für die Vertrauensschutz bejaht wird, reichen von mehr als fünfzig Jahren292 über zehn293 Jahre bis hin zu sechs294 Jahren.295 In einem Fall bejaht das Landgericht Paderborn bereits nach einer zweieinhalb Jahre andauernden Namensführung eine vertrauensbegründende Verbindung zwischen Person und Namen.296 Demgegenüber reichen dem Kammergericht, inzwischen bestätigt durch den Bundesgerichtshof,297 vier Jahre nicht aus.298 Interessant ist ein Blick auf die jeweiligen Begründungsmuster. Das Ausreichen des Zeitelements wird fast durchgehend mit einer qualitativen Erwägung gerechtfertigt, beispielsweise durch das Betonen der besonders identitätsstiftenden Zeit des Schulbesuchs,299 das Beenden von Ausbildungen, das Beginnen beruflicher Karrieren oder das Führen des Namens seit der Geburt.300 Den Zeitraum von nur zweieinhalb Jahren erachtet das Landgericht Paderborn beispielsweise für ausreichend, und zwar unter Hinweis auf die im frühkindlichen Alter stattfindende Identifizierung durch Dritte.301 Auch die insoweit gegenteilige Ansicht, dass vier Jahre nicht ausreichend seien, wird durch eine Hervorhebung des frühkindlichen Alters zu untermauern versucht.302 Der Bundesgerichtshof verneint jüngst im Anschluss an das Kammergericht das Zeitelement für einen Zeitraum von zwei Jahren und hebt dabei ebenfalls das frühkindliche Alter des betreffenden Kleinkinds hervor.303 Die Gerichte beurteilen den Zeitfaktor also nahezu ausnahmslos in Abhängigkeit von den Umständen des Einzelfalls.304 Als pauschale Untergrenze wird lediglich in einer veröffentlichten Entscheidung ein Zeitraum von wenigen Monaten genannt.305 291

So auch Fachausschuss/Wall, StAZ 2019, 154 (157) (mwN). OLG München StAZ 2013, 289 f. 293 AG Schöneberg StAZ 2013, 21 (22 f.). 294 AG Lübeck StAZ 2008, 346 f. 295 Siehe ferner AG Mönchengladbach StAZ 2016, 214 f. (15 Jahre); OLG Hamm StAZ 2007, 175 (176) (20 Jahre); OVG Schleswig StAZ 2017, 307 (307) (21 Jahre); KG StAZ 2013, 314 ff. (23 Jahre); OLG Nürnberg StAZ 2011, 367 (369) (25 Jahre); OLG Köln StAZ 2004, 340 (341) (30 Jahre); AG Magdeburg StAZ 2009, 245 (39 Jahre). 296 LG Paderborn FamRZ 2008, 1779 (1780). 297 BGH StAZ 2019, 207 ff. 298 KG StAZ 2016, 243 f. 299 OLG München StAZ 2013, 289 (290). 300 OLG Köln StAZ 2004, 340 (341); KG StAZ 2013, 314 (314 ff.); AG Magdeburg StAZ 2009, 245 (245). 301 LG Paderborn FamRZ 2008, 1779 (1780). 302 KG StAZ 2016, 243 (244). 303 BGH StAZ 2019, 207 (211). 304 So auch BeckOGK-BGB/Kienemund (1.8.2022), § 1616 Rn. 25. 305 OLG Düsseldorf StAZ 2010, 110 (111) (Vertrauensschutz war für das OLG aber auch nicht entscheidungserheblich). 292

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Dritter Teil: Vertrauensschutz und statusorientiertes Recht

cc) Stellungnahme Es drängen sich nach alledem Zweifel an dem Erfordernis einer bestimmten zeitlichen Mindestvorgabe auf. Explizite zeitliche Grenzen bieten natürlich Rechtssicherheit für die Betreffenden und insbesondere auch für die zuständigen Standesämter. Die Rechtsanwendung wird voraussehbar und transparent. Allerdings sind mit ihnen auch Nachteile verbunden. Die Willkürlichkeit, die einer zeitlichen Grenzziehung anhaftet, wird greifbar, wenn die Mindestdauer nur um kurze Zeit unterschritten wird. Die Analyse der Rechtsprechungspraxis legt ferner eine ausgeprägte Wechselwirkung von Umstands- und Zeitmoment offen: Je gewichtiger, einleuchtender und schwerwiegender das Umstandsmoment, desto geringer können die Anforderungen an das Zeitmoment ausfallen. Eine universelle Zeitvorgabe kann mithin eine Abwägung im Einzelfall nicht ersetzen, und Letzteres sollte nicht durch zu hohe quantitative Anforderungen ausgeschlossen werden. Entscheidend gegen ein konstitutiv verstandenes und rein quantitativ bewertetes Zeitelement spricht, dass es mit Blick auf bislang bekannt gewordene Fälle gerade für besonders gelagerte, selten auftretende Sachverhaltskonstellationen eine kategorische Lösung herbeiführt. Überwiegend wird ein Name weit mehr als zehn Jahre faktisch geführt, und es kommt mithin zu einer Interessenabwägung, die angesichts des stark ausgeprägten Zeitfaktors zuweilen (und mit Recht) knapp ausfällt. Demgegenüber würde eine Interessenabwägung ausgerechnet dann gar nicht erst in Betracht kommen, wenn wegen der sehr kurzen Zeitspanne besondere Umstandsmomente für das Eingreifen des Vertrauensschutzgedankens zu fordern sind. Diese Sachverhalte bedürfen angesichts der rechtlichen wie gesellschaftlichen Bedeutung des Namens für die namensführende Person einer eingehenden Interessenabwägung. Das Bedürfnis nach Rechtssicherheit und Transparenz ließe sich sodann umgekehrt durch eine noch näher zu bestimmende Regelvermutung zugunsten der überwiegenden Schutzwürdigkeit erreichen: Ab Erreichen einer bestimmten Zeitschwelle könnte ein überwiegendes Interesse an der faktischen Namensführung vermutet werden. Auf diese Weise ließe sich eine ausführliche Interessenabwägung für eine Vielzahl von (eindeutig gelagerten) Fällen vermeiden und gleichsam aber vor allem dann erzwingen, wenn angesichts des schwach ausgeprägten Zeitelements Zweifel an der Schutzwürdigkeit der faktischen Namensführung bestehen.306 Zugleich wäre damit ein Orientierungswert für die Praxis geschaffen und Vorhersehbarkeit für die Betreffenden gewonnen, ohne den Anschein der Willkürlichkeit zu erwecken. Letztendlich ist eine Bestimmung einer zeitlichen Untergrenze nicht möglich, ohne sich dem Vorwurf der Willkürlichkeit auszusetzen. Eine Mindest-

306

Siehe noch ausführlich unten, § 6 IV 1c) bb) (1).

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grenze müsste so niedrigschwellig wie möglich sein, um eine sich anschließende und von den Gerichten vorzunehmende307 Interessenabwägung zu ermöglichen. Unter Beachtung der bisherigen Praxis sollten sechs Jahre jedenfalls genügen. Anderenfalls fielen Konstellationen aus dem Wirkkreis des Vertrauensschutzgedankens heraus, die bisher unter Bezugnahme auf die SinghEntscheidung einer interessengerecht erscheinenden Lösung zugeführt werden konnten. Dass sich eine hinreichende Verbindung zwischen Namen und Person bereits nach sechs Jahren herausbilden kann, zeigt nicht zuletzt der Sachverhalt, der dem Amtsgericht Lübeck zur Entscheidung vorlag. Die Mutter zweier Kinder führt sechs Jahre lang einen unzutreffend gebildeten, aber eingetragenen Ehenamen, ist unter diesem im sozialen Umfeld bekannt und durch ihn mit ihren Kindern verbunden.308 Es würde nicht einleuchten, wegen Unterschreitens einer vermeintlichen Mindestgrenze den Fall abweichend vom Amtsgericht Lübeck zu bewerten und den rechtlichen Schutz des faktischen Namens zu versagen. Deshalb scheidet eine Orientierung an § 1310 Abs. 3 BGB (zehn Jahre) oder § 3 Abs. 2 StAG (zwölf Jahre) für das konstitutive Zeitelement aus. Denkbar wäre sodann ein Zeitraum von fünf Jahren in Anlehnung an die Regelungen zum Geburtsnamen des Kindes, auf die im Rahmen der Identitätsbildung bereits eingegangen wurde. Diese gesetzlichen Wertungen gehen aber entscheidend auf das kindliche Zeitempfinden, die frühkindliche Entwicklung sowie auf den Konflikt zwischen Identität und familialer Zuordnung zurück. Eine Fünfjahresgrenze sieht sich somit auch unter Berücksichtigung dieser legislatorischen Wertungsentscheidungen dem Vorwurf der Willkürlichkeit ausgesetzt. Es lässt sich kein valides Argument finden, das beispielsweise im Fall des Amtsgerichts Lübeck für eine Versagung des Vertrauensschutzes bei ansonsten gleichbleibendem Sachverhalt streitet, nur weil die Mutter den Namen nicht sechs, sondern viereinhalb Jahre führte. Der Vorwurf der Willkürlichkeit einer Grenzziehung könnte zwar nicht ausgeschlossen, aber doch etwas reduziert werden durch eine Anknüpfung an bereits anerkannte Zeiträume, deren Erreichen zu Rechtssicherheit und Verlässlichkeit führen. Angesprochen sind damit insbesondere das Verjährungsrecht, aber auch die zivilrechtliche Ersitzung. Eine Anlehnung an die zivilrechtliche Ersitzung erscheint zunächst sachnäher als eine Orientierung am Verjährungsrecht, geht es doch bei der faktischen Namensführung gerade um den Namenserwerb durch Zeitablauf und nicht um den Ausschluss der Durchsetzbarkeit des noch immer gesetzlichen Namens.309 Allerdings scheidet die Ersitzung be-

307

Siehe nur Fachausschuss/Wall, StAZ 2014, 151 (154). Siehe AG Lübeck StAZ 2008, 346 f. 309 Vgl. zur Unterscheidung zwischen Verjährung im engeren Sinne und Ersitzung Staudinger/Peters/Jacoby, BGB (2019), Vorbemerkungen zu §§ 194–225 Rn. 1 ff. Siehe zum von der Ersitzung intendierten Ausgleich von Bestandsinteresse und Eigentumsinteresse im 308

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reits aufgrund des mit zehn Jahren (bewegliche Sachen, § 937 BGB) oder dreißig Jahren (Buchersitzung, § 900 BGB) offensichtlich zu lang bemessenen Zeitfaktors als Leitlinie aus. Ein verbleibender gesetzlicher Anknüpfungspunkt ist damit das allgemeine Verjährungsrecht, auf das auch F. und G. Sturm Bezug nehmen, obgleich sie von der Namensersitzung schreiben.310 Dabei klingt ihre Annahme auf den ersten Blick fast schon selbstverständlich: „Die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist […] dürfte unverzichtbar sein“.311 Das Regime der Verjährung könnte hier allenfalls als allgemeiner Wertungsgedanke Platz greifen, zu groß sind die Unterschiede zwischen Verjährung, die die Durchsetzbarkeit eines Anspruchs betrifft,312 und dem Führen eines faktischen Namens. Gleichwohl können Rechte durch Zeitablauf auch erworben werden.313 Als Anknüpfungspunkte dienen die rechtsgebietsübergreifend anerkannten Zwecke der Rechtssicherheit,314 des Rechtsfriedens und der Verlässlichkeit,315 die dem Rechtinstitut der Verjährung zugesprochen werden. Tatsächliche Zustände, die über längere Zeit unangefochten bestanden haben, werden als zu Recht bestehend anerkannt.316 Der Gesetzgeber hält die dreijährige Verjährungsfrist zudem, wenngleich europarechtlich weitgehend vorgezeichnet, als sachgerecht für fast alle gesetzlichen und vertraglichen Ansprüche und will die allgemeine Verjährungsfrist als allgemeine Auffangregelung für andere Rechtsgebiete verstanden wissen.317 Insoweit könnte die allgemeine Verjährungsfrist als allgemeiner Zeitraum für (zivilrechtlichen) Rechtsfriedensschutz interpretiert werden. Dabei würde aber die Rechtssicherheit zu dem allein maßgeblichen Fundament Spannungsfeld zwischen sofortigem gutgläubigen Eigentumserwerb und 30-jähriger Verjährungsfrist der Herausgabeansprüche statt vieler BeckOGK-BGB/Buchwitz (1.8.2022), § 937 Rn. 30, 2 ff.; vgl. zur (parallelen) Entwicklung von Verjährung und Ersitzung Oetker, Verjährung (1994), S. 26 f. sowie Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung (2006), S. 357 f. 310 Sturm/Sturm, in: FS Brudermüller (2014), S. 801 (807). 311 Sturm/Sturm, in: FS Brudermüller (2014), S. 801 (807). 312 Oetker, Verjährung (1994), S. 28; Klingmüller, Karlsruher Form 1991, 1 (1) („Erosion des Anspruchs durch Zeitablauf“). 313 Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung (2006), S. 304 f. 314 Oetker, Verjährung (1994), S. 33 f. (mwN in Fn. 109), 71; Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung (2006), S. 317 f. 315 MüKo-BGB9/Grothe, § 194 Rn. 6 f.; kritisch zur Funktion des Rechtsfriedens Staudinger/Peters/Jacoby, BGB (2019), Vorbemerkungen zu §§ 194–225 Rn. 7. Siehe eingehend Oetker, Verjährung (1994), S. 36 ff. 316 MüKo-BGB9/Grothe, § 194 Rn. 7; BeckOK-BGB/W. Henrich (1.5.2022), § 194 Rn. 1. 317 Siehe den Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 14.5.2001, BT-Drs. 14/6040, S. 104 f.; vgl. auch BeckOK-BGB/W. Henrich (1.5.2022), § 195 Rn. 18 (mwN); siehe aber auch Oetker, Verjährung (1994), S. 19, der für die konkrete Länge der Verjährungsfristen auf die Besonderheiten des jeweiligen Rechtsgebiets verweist.

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des Verjährungsrechts erhoben, was bereits Oetker überzeugend widerlegt hat, und zwar gerade unter Rekurs auf unterschiedlich lange und mitunter sehr kurze Verjährungsfristen.318 Die (kurze) allgemeine Verjährungsfrist vermag damit nicht als übergreifende Richtschnur für den Zeitraum herhalten, ab welchem Rechtssicherheit im Sinne einer Unveränderlichkeit faktischer Zustände möglich ist. Der Verjährung kann mit anderen Worten kein allgemeines Misstrauensgebot in den ersten drei Jahren entnommen werden. Es bleibt ohnehin die Frage nach dem Beginn der dreijährigen Frist, bei deren Beantwortung auch die Interessen des Berechtigten, hier wohl das behördliche Interesse an der Führung des gesetzlichen Namens, zu berücksichtigen wären (vgl. nur § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB).319 Gegen den Charakter eines „Mindestzeitmoment[s]“320 spricht ferner, dass mit der sogenannten Verwirkung ein weiteres Rechtsinstitut, das Rechtsänderungen durch Zeitablauf ermöglicht,321 vor Ablauf der Verjährungsfrist eingreifen kann; vor allem bei längeren Verjährungsfristen dient die Verwirkung als Verjährungsersatz.322 Die Verwirkung ist hier bei Lichte betrachtet auch sachnäher als die Verjährung. Ersteres setzt anders als Letzteres Vertrauen aufseiten des Schuldners zwingend voraus323 und greift nur bei einer positiven umfassenden Interessenabwägung ein.324 Im Gegenzug verzichtet sie aber auf eine starre Fristenregelung.325 Dem ist für Gutglaubensschutz bei faktischer Namensführung zuzustimmen, eine zeitliche Untergrenze mithin abzulehnen und auf diese

318

Oetker, Verjährung (1994), S. 42, 51, 62; ähnlich auch BeckOGK-BGB/Piekenbrock (1.8.2022), § 194 Rn. 4 ff. 319 Vgl. zur erforderlichen Kenntnis des Berechtigten auch Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung (2006), S. 136, 338. 320 BeckOK-BGB/W. Henrich (1.5.2022), § 194 Rn. 9. 321 Siehe ausführlich zur Verwirkung Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung (2006), S. 148 ff., 367 ff. 322 Vgl. Oetker, Verjährung (1994), S. 48. 323 Staudinger/Peters/Jacoby, BGB (2019), Vorbemerkungen zu §§ 194–225 Rn. 20. Siehe zur Abkehr des Verjährungsrechts von der sogenannten bona-fides-Lehre nur Oetker, Verjährung (1994), S. 23 (mwN). Anders aber die Terminologie bei Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung (2006), S. 359, der für die Verjährung ein „dauerhaftes Vertrauen in einen bestimmten status quo“ fordert. 324 BeckOGK-BGB/Piekenbrock (1.8.2022), § 194 Rn. 62. 325 Staudinger/Peters/Jacoby, BGB (2019), Vorbemerkungen zu §§ 194–225 Rn. 20, 26; kritisch insoweit BeckOGK-BGB/Piekenbrock (1.8.2022), § 194 Rn. 62; anders § 21 Abs. 1 und 2 MarkenG für die Verwirkung eines Unterlassungsanspruchs wegen einer unberechtigten, aber geduldeten Nutzung einer Marke mit jüngerem Zeitrang, siehe Fezer, Markenrecht4, § 21 Rn. 9, der interessanterweise zugleich die Bedeutung der daneben möglichen allgemeinen Verwirkung hervorhebt, die er darauf zurückführt, dass ein schutzwürdiger Besitzstand bereits erheblich unter dem Mindestzeitraum von fünf Jahren liegen könne.

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Weise die Berücksichtigung der gegenläufigen Interessen bei der Quantifizierung zu ermöglichen.326 Dies steht auch nicht der jüngsten Entscheidung des Bundesgerichtshofs entgegen; der Beschluss verzichtet auf eine nähere Bestimmung des „nicht unbedeutenden Zeitraums“, sondern legt die Annahme zugrunde, dass sich bei einem Kleinkind nach zwei Jahren noch keine „schutzwürdige soziale Identität mit dem geführten Doppelnamen bilden konnte“.327 Von einer allgemeingültigen zeitlichen Mindestgrenze kann keine Rede sein. c) Schutzwürdigkeit Während Umstands- und Zeitmoment über die Eröffnung des grundrechtlichen Schutzbereichs bestimmen sollen, ist der folgende Prüfungspunkt Ausdruck der erforderlichen Interessenabwägung. Umrissen wird er vom Bundesverfassungsgericht anschaulich mit der einschränkenden Formulierung, dass sich die herausgebildete und verfestigte Identität und Individualität auch im Vertrauen auf die Richtigkeit der Namensführung herausbilden durfte.328 Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist gegen das „öffentliche Interesse an der Richtigkeit von Eintragungen in Personenstandsurkunden“ abzuwägen.329 Hier entscheidet sich, ob Vertrauensschutz gewährt oder versagt wird. Umstands- und Zeitmoment, deren zwingende Anforderungen – wie dargelegt wurde – niedrigschwellig ausgestaltet sind, werden nunmehr im Einzelfall zueinander in Beziehung gesetzt und ihre jeweiligen Begrenzungslinien austariert (bb)). Vorgeschaltet ist aber die Voraussetzung der Gutgläubigkeit auf Seiten der namensführenden Person (aa)). aa) Gutgläubigkeit Ohne Gutgläubigkeit ist Vertrauensschutz grundsätzlich nicht denkbar.330 Sie ist eigenständige Voraussetzung innerhalb der Schutzwürdigkeit und nicht nur eines unter mehreren Abwägungskriterien der Gesamtbetrachtung.331 (1) Allgemeine Maßstäbe Ausgangspunkt allgemeiner Überlegungen zu den Anforderungen, die an die Gutgläubigkeit der faktischen Namensführung zu stellen sind, ist die Erkennt-

326

In diese Richtung auch Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung (2006), S. 403 (zum geltenden System der Verjährung). 327 BGH StAZ 2019, 207 (211). 328 BVerfG StAZ 2001, 207 (208). 329 BVerfG StAZ 2001, 207 (208); Berkl, Handbuch Personenstandsgesetz (2015), Rn. 584. 330 Vgl. nur Hepting, StAZ 2013, 1 (7) („Vertrauensschutz ist Gutglaubensschutz“). 331 So aber Hepting, StAZ 2013, 1 (8).

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nis, dass positives besseres Wissen Vertrauensschutz ausschließt. Ein wissentlich geführter faktischer Name kann nicht unter Beanspruchung von Vertrauensschutz eine Namensänderung begründen.332 Deshalb scheidet ein schutzwürdiges Interesse an der faktischen Namensführung insbesondere auch im Fall des Missbrauchs aus. Hierfür bilden Konstellationen, die unter der Bezeichnung Eheschließung nur um des Namens willen zusammengefasst werden, ein anschauliches Beispiel: So ging es in einem Sachverhalt, der vom Fachausschuss des Bundesverbands der Deutschen Standesbeamtinnen und Standesbeamten beraten wurde, dem (ehemaligen) Ehemann bei Abschluss der (aufgehobenen) Ehe nur um den Erwerb des adeligen Namens der Dame.333 Ungleich schwieriger gestaltet sich aber die Beurteilung von Fällen, die im Grenzbereich zwischen grob fahrlässiger und fahrlässiger Unkenntnis zu verorten sind. Ihre Behandlung scheint dogmatisch noch nicht geklärt zu sein. Zu erwägen ist ein Analogieschluss zu § 48 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 VwVfG, wonach sich nicht auf Vertrauensschutz berufen kann, wer die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.334 Voraussetzung der Analogie ist die Vergleichbarkeit einer faktischen Namensführung mit der Situation einer Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte.335 Während jedenfalls die pauschale Vergleichbarkeit zu Recht kategorisch abgelehnt wird,336 kann sie jedoch für diejenigen Fälle angenommen werden, in denen eine behördliche Registrierung des Namens erfolgt.337 Denn eine solche öffentliche Registrierung stellt für die betreffende Person, die regelmäßig verwaltungsrechtlicher Laie ist, den Abschluss eines behördlichen Verfahrens dar und erweckt damit einen ähnlich gewichtigen Eindruck der Richtigkeit und Verlässlichkeit wie ein Verwaltungsakt. Insbesondere die rein deklaratorische Wirkung der Registrierung dürfte den Betreffenden kaum bewusst sein.338 Fraglich bleibt aber die Reichweite und Bedeutung der Analogie im Einzelnen. Es ließe sich vertreten, dass bei behördlicher Registrierung die Anforderungen an die Gutgläubigkeit gesenkt werden: Es schaden nur positives Wissen und grob fahrlässige Unkenntnis, während sonst (scil. ohne Registrierung) auch fahrlässige Unkenntnis Vertrauensschutz ausschließen kann.339 Dies erklärt sich im Wesentlichen vor dem Hintergrund erhöhter Richtigkeitsgewähr 332

Weber, NZFam 2015, 4 (9) (mwN); Fachausschuss/Krömer, StAZ 2012, 151 (152); so auch Repasi, Wirkungsweise (2018), S. 437. 333 Vgl. nur Fachausschuss/Wall, StAZ 2014, 151 (154) (mwN). 334 Dafür Hepting, StAZ 2013, 1 (7); entschieden a.A. Sturm/Sturm, in: FS Brudermüller (2014), S. 801 (807). 335 Vgl. zum methodischen Erfordernis der Vergleichbarkeit nur Larenz/Canaris, Methodenlehre3, S. 202 ff. 336 Sturm/Sturm, in: FS Brudermüller (2014), S. 801 (807 mit Fn. 43). 337 Hepting, StAZ 2013, 1 (8). 338 Hepting, StAZ 2013, 1 (8). 339 So Hepting, StAZ 2013, 1 (8).

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behördlichen Handelns. Ein anderes Verständnis legen G. und F. Sturm nahe, die grundsätzlich sichere Kenntnis für den Ausschluss von Vertrauensschutz verlangen und insoweit die Analogie zu § 48 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 VwVfG quasi als Haftungsverschärfung begreifen und (von dieser Warte aus) folgerichtig ablehnen.340 Es leuchtete in der Tat nicht ein, ausgerechnet bei behördlichem Handeln strengere Anforderungen an die Gutgläubigkeit zu stellen. Richtigerweise handelt es sich aber weder um eine Verschärfung noch um eine Senkung der Sorgfaltsanforderungen, sondern lediglich um ein vertyptes Regelbeispiel, das bei behördlicher Namensregistrierung wertungsgemäß herangezogen werden kann: Bei grober Fahrlässigkeit liegt kein schutzwürdiges Vertrauen vor, bei einfacher Fahrlässigkeit kommt es auf eine Abwägung an. Das ist nicht nur ein praktikables Stufenmodell, sondern entspricht zudem der Regelungssystematik des § 48 Abs. 2 VwVfG, nach der „Umstände unterhalb der Schwelle der groben Fahrlässigkeit“ in die allgemeine Abwägung einfließen.341 Wenn grobe Fahrlässigkeit Vertrauensschutz bei erfolgter Registrierung ausschließen kann, muss das erst recht gelten, wenn der Rechtsschein keine behördlichen Berührungspunkte aufweist. Insoweit, also in Bezug auf die grob fahrlässige Unkenntnis, liegen die in der Literatur vorgeschlagenen Ansätze bei Lichte besehen auch nicht weit auseinander. Selbst diejenigen Stimmen, die sichere Kenntnis verlangen, lassen für diese auch bloße Hinweise von öffentlichen Stellen, beispielsweise Notaren im Ausland, genügen und reduzieren damit das Maß zur Ausmessung der sicheren Kenntnis: Auf Vertrauensschutz beruft sich eine Person erfolglos, wenn sie gewarnt war.342 Damit nähern sich die vertretenen Ansichten spürbar an. Grobe Fahrlässigkeit schließt Vertrauensschutz in aller Regel aus.343 In der Rechtsprechung wird Bösgläubigkeit überwiegend eng ausgelegt und ein zurechenbares Fehlverhalten im Sinne eines Verschuldens gefordert.344 Grob fahrlässige Unkenntnis schadet demnach, während einfache Fahrlässigkeit den Weg zum Vertrauensschutz nicht per se versperrt. Es bleibt stets eine Abwägung im Einzelfall möglich und erforderlich. Dies betrifft naturgemäß

340

So wohl Sturm/Sturm, in: FS Brudermüller (2014), S. 801 (807 mit Fn. 43). BeckOK-VwVfG/J. Müller (1.4.2022), § 48 Rn. 79. 342 Sturm/Sturm, in: FS Brudermüller (2014), S. 801 (807). 343 So auch Fachausschuss/Krömer, StAZ 2012, 151 (152); Fachausschuss/Wall, StAZ 2016, 217 (222). 344 OLG München StAZ 2013, 289 (290) („eigenmächtig noch mutwillig oder bösgläubig“); AG Lübeck StAZ 2008, 346 (347) („nicht schuldhaft beigetragen“); OLG Nürnberg StAZ 2011, 367 (369), wonach es unerheblich sei, dass die objektiv unrichtige Eintragung wahrscheinlich auf ein unvollständiges Ausweisen durch den Beteiligten zurückzuführen war; OLG Hamm StAZ 2007, 175 (176) („nicht zu vertreten hat“); siehe auch KG StAZ 2013, 314 (314 ff.) („nicht veranlasst“). 341

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auch und ohnehin bereits die Abgrenzung zwischen einfacher und grober Fahrlässigkeit.345 Vor diesem Hintergrund lässt sich ein allgemeingültiger Sorgfaltsmaßstab für die Bösgläubigkeit nicht formulieren. Es sind jedoch greifbare Wertungskriterien zu erkennen, die zu einem vorhersehbaren und einzelfallgerechten Ergebnis führen. Namentlich die Qualität des Umstandsmoments ((2)) und das quantitative Zeitelement ((3)) sind für die Ermittlung grober Fahrlässigkeit und die Frage nach der Schädlichkeit einfacher Fahrlässigkeit entscheidend heranzuziehen. Im Übrigen sind im Falle von Minderjährigen die allgemeinen Zurechnungsregeln zu beachten ((4)). (2) Einfluss des Umstandsmoments Die Qualität des Umstandsmoments, allen voran die Art und Weise des Zustandekommens des Rechtsscheins, hat entscheidenden Einfluss auf die im Einzelfall zu stellenden Anforderungen an die Gutgläubigkeit. Liegt ein behördlicherseits verursachter oder jedenfalls durch behördliches Verhalten perpetuierter Rechtsschein vor, ist, wie gesehen, eine Vergleichbarkeit mit § 48 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 VwVfG gegeben, mit der Folge, dass jedenfalls grobe Fahrlässigkeit Vertrauensschutz regelmäßig ausschließt. Dabei besteht aber keine allgemeine Nachforschungsobliegenheit, sondern vielmehr der Grundsatz, dass man sich auf behördliche Entscheidungen verlassen kann, sodass hohe Anforderungen an das Vorliegen von (grober) Fahrlässigkeit zu stellen sind.346 In der Rechtssprechungspraxis wird zwar eine Analogie zum Verwaltungsrecht, soweit ersichtlich, nicht thematisiert, die Bedeutung behördlichen Verhaltens für die Bestimmung des Sorgfaltsmaßstabs aber hervorgehoben, wenn ausdrücklich oder sinngemäß ausgeführt wird: „Zweifel an der Richtigkeit ihrer Namensführung mussten [ihr] angesichts des Behördenverhaltens nicht kommen“.347 Im Zusammenhang mit dieser Absenkung der Sorgfaltsanforderungen bei behördlichem Rechtsschein steht die weitere Frage, wie sich eine der faktischen Namensführung entgegenstehende Registrierung auf Vertrauensschutz auswirkt.348 Während der Fachausschuss des Bundesverbands der Deutschen Standesbeamtinnen und Standesbeamten zumindest Zweifel an einer dann

345

Vgl. etwa im Zusammenhang von Indizien und grober Fahrlässigkeit BeckOGKBGB/Schaub (1.3.2022), § 276 Rn. 95, 97 f. 346 Fachausschuss/Krömer, StAZ 2012, 151 (152); vgl. auch AG Lübeck StAZ 2008, 346 (347). 347 AG Lübeck StAZ 2008, 346 (347); siehe auch BVerfG StAZ 2001, 207 (208); OLG Köln StAZ 2004, 340 (342); ähnlich KG StAZ 2013, 314 (314 ff.) und OLG Hamm StAZ 2007, 175 (176). 348 Siehe etwa OLG München StAZ 2013, 289 f.

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Dritter Teil: Vertrauensschutz und statusorientiertes Recht

noch möglichen Gutgläubigkeit hat,349 F. und G Sturm Gutgläubigkeit entfallen lassen wollen, sobald anderslautende Personenstandsurkunden bekannt werden,350 und Hepting das Vertrauen dann für weniger schutzwürdig hält und damit auf eine Interessenabwägung verweist,351 nimmt das Oberlandesgericht München eine überzeugende funktionale Betrachtung vor. Es stellt entscheidend auf den möglichen Einfluss ab, den die Registrierung auf die Identitätsbildung noch haben konnte: So schade nicht nur eine anderslautende, unbekannt gebliebene Registrierung nicht, sondern auch auf den gesetzlichen Namen ausgestellte Ausweise und Führerscheine stünden Vertrauensschutz zugunsten des faktischen Namens nicht entgegen, wenn diese erst nach Abschluss der Identitätsbildung bedeutsam für die namensführende Person geworden seien.352 In dem konkreten Fall waren Taufschein, Abschlusszeugnisse und Rentenversicherungsausweis auf den faktischen Namen ausgestellt worden, und es handelte sich ferner um eine Konstellation (bloß) abweichender Schreibweise („Ko“ oder „ Co“).353 Das entspricht auch der Auffassung des Oberlandesgerichts Köln, wonach eine entgegenstehende Registrierung im deutschen Register es nicht ausschließt, sich auf eine US-amerikanische Eintragung und eine anschließende dementsprechende namensmäßige Behandlung durch deutsche Behörden zu berufen.354 Es bleibt festzuhalten, dass eine ursprüngliche Eintragung jedenfalls dann nicht schadet, wenn diese durch späteres behördliches Handeln überholt wird.355 Im Übrigen kommt es auf die Feststellungen im Einzelfall an: Kannte die betreffende Person die Registrierung? War zum Zeitpunkt der Kenntnisnahme bereits eine Identität mit dem faktischen Namen entstanden? Sicherlich wird auch das Maß der Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses ausschlaggebendes Gewicht besitzen können (anderslautender Name oder nur abweichende Schreibweise).

349

Fachausschuss/Wall, StAZ 2016, 217 (222); Fachausschuss/Horenkamp, StAZ 2021, 250 (251); siehe aber auch Fachausschuss/Krömer, StAZ 2012, 151 (152), wonach keine grundsätzliche Misstrauenspflicht gegenüber der Behörde besteht, wenn diese eine ursprüngliche Eintragung falsch übernimmt (Katharine im Geburtenbuch und Katharina im Heiratseintrag). 350 Sturm/Sturm, in: FS Brudermüller (2014), S. 801 (807), die damit wiederum auf Kenntnis abstellen; ähnlich auch OLG Hamm StAZ 2015, 110 (113) (als ungeklärt registrierter Personenstand in einem ausländischen Register). 351 Hepting, StAZ 2013, 1 (8). 352 OLG München StAZ 2013, 289 (290). 353 OLG München StAZ 2013, 289 (290). 354 OLG Köln StAZ 2004, 340 (342). 355 So in dem Fall bei Fachausschuss/Krömer, StAZ 2012, 151 (152).

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(3) Einfluss des Zeitelements Neben der Qualität des Umstandsmoments nimmt auch der zeitliche Aspekt einer faktischen Namensführung Einfluss auf den anzulegenden Sorgfaltsmaßstab. Die Länge und die Verortung des maßgeblichen Zeitraums im Lebenslauf vermögen das Sorgfaltsmaß im Einzelfall zu senken oder zu erhöhen; selbst eine festgestellte erhebliche Nachlässigkeit verliert an Gewicht, wenn der Name über einen langen Zeitraum und während einer in besonderem Maße identitätsstiftenden Zeit (kindliche Persönlichkeitsbildung) geführt wurde.356 (4) Zurechnung Schließlich werfen einige Fallkonstellationen Zurechnungsfragen auf, wenn sorgeberechtigte Erwachsene für Kinder handeln, welche in der Folge einen faktischen Namen führen. Hierbei gilt es, typische Sachverhalte auseinanderzuhalten. Kommt der Kindesname durch eine bewusste Täuschung der Sorgeberechtigten zustande, muss entschieden werden, ob dem Kind die Täuschungshandlung zugerechnet (§§ 166, 123 BGB) und ihm deshalb Vertrauensschutz versagt werden kann. Das Eingangsbeispiel der nur scheinbaren Ehefrau, die unter der Identität der in Wirklichkeit verstorbenen Ehefrau mit dem Ehemann ein gemeinsames Kind bekommt, verdeutlicht, dass die Täuschung der Eltern dem Kind mitunter erst nach sehr langer Zeit bekannt wird. Das Kammergericht sieht in einem vergleichbaren Fall keinen Anlass, die Identitätstäuschung der Eltern dem Kind zuzurechnen, wenn das Kind keine Kenntnis und keine Einflussmöglichkeit hatte.357 Das erscheint sachgerecht. Maßgeblich ist die Gutgläubigkeit der namensführenden Person, also die des Kindes. Bei der eigenen Identitätstäuschung handelt es sich auch nicht um eine Handlung, bei der das Kind vertreten wird. Vielmehr ist sie der Namensbestimmung vorgelagert und hat mit dem Eltern-Kind-Verhältnis unmittelbar nichts zu tun. Auch eine Orientierung an § 123 Abs. 2 BGB spricht gegen eine Zurechnung der Täuschung. Denn die Eltern sind Dritte im Sinne der vorgenannten Vorschrift, obwohl angesichts der familiären Beziehung auf den ersten Blick die gegenteilige Wertung nahezuliegen scheint. Abzustellen ist bei der Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs nämlich vor allem darauf, ob der Betreffende Einfluss auf das Handeln der anderen Person hat.358 Nur bei möglicher Einflussnahme erscheint es sachgerecht und mit der Privatautonomie vereinbar, die Täuschung durch einen anderen der betreffenden Person ohne Weiteres zuzurechnen.359 In 356

OLG Hamm StAZ 2007, 175 (177). KG StAZ 2013, 314 (315). 358 BeckOGK-BGB/Rehberg (1.6.2022), § 123 Rn. 44 ff.; BeckOK-BGB/Wendtland (1.5.2022), § 123 Rn. 21 f. 359 BeckOGK-BGB/Rehberg (1.6.2022), § 123 Rn. 45; vgl. auch MüKo-BGB9/Armbrüster, § 123 Rn. 74 f. (Risikoverteilung). 357

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Dritter Teil: Vertrauensschutz und statusorientiertes Recht

den angesprochenen Fällen treten die Eltern aber gerade nicht in ihrer Funktion als gesetzliche Vertreter des Kindes oder als dessen Vertrauenspersonen in Erscheinung. Schwieriger gestaltet es sich bei Fehlern, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Namensbestimmung(serklärung) auftreten. Der Bundesgerichtshof stellt bei einem zweieinhalbjährigen Kleinkind darauf ab, ob seinen gesetzlichen Vertretern Zweifel an der Unrichtigkeit hätten kommen müssen.360 Dabei ging es um einen im Ausland fehlerhaft gebildeten Doppelnamen des Kindes, der anschließend in Deutschland aufgrund einer Erklärung nach Art. 48 Satz 1 EGBGB eingetragen werden sollte. Spätestens nach zweieinhalb Jahren hätte den gesetzlichen Vertretern bekannt sein müssen, dass der Name auch im Ausland unzutreffend gebildet worden sei.361 Es hatte sich also die Person, die gutgläubig sein musste, noch nicht geändert. Es waren noch immer die sorgeberechtigten Eltern, da das Kleinkind zu eigenen Zweifeln an der Namensbildung noch nicht fähig362 war. Hier scheint abermals der Zeitfaktor eine gewichtige Rolle zu spielen sowie die Tatsache, dass es sich bei der Namensführung eines unter fünf Jahre alten Kindes um eine weitgehend den Sorgeberechtigten überantwortete Angelegenheit handelt. Ob der Bundesgerichtshof auf die grob fahrlässige Unkenntnis der Eltern auch dann abgestellt hätte, wenn das Kind den Namen schon zehn Jahre geführt hätte, erscheint angesichts der Bedeutung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zweifelhaft. Jedenfalls hätte das Kind dann eine eigene Gutgläubigkeit in Bezug auf die Namensführung entwickelt. Dabei ist eine Altersgrenze von fünf Jahren angemessen, weil das Kind zu diesem Zeitpunkt beginnt, sich mit seinem Namen zu identifizieren, und unter ihm nach außen auftritt.363 Ferner fügt sich die Altersgrenze schlüssig in das geschriebene Kindesnamensrecht ein; andere, normativ vergleichbare Regelungen (§ 17 Abs. 2 und 3 StAG; §§ 1617a Abs. 2 Satz 2; 1617b Abs. 1 Satz 3; 1617c Abs. 1 Satz 1; 1618 Satz 3 BGB) sehen ebenfalls eine Altersgrenze von fünf Jahren vor. Allerdings ist es nicht die Aufgabe des Vertrauensschutzgedankens, das Kind vor Handlungen seiner gesetzlichen Vertreter zu schützen. Darauf kam es in einem Fall an, in dem ein allein sorgeberechtigter nigerianischer Vater gemäß Art. 10 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB nigerianisches Recht für die Namensführung eines Kindes wählte, das er gemeinsam mit einer deutschen Frau gezeugt hatte, und damit die Frau von einer nachträglichen Bestimmung des Familiennamens ausschloss: Das Kind wird im Jahr 2000 geboren und trägt offenbar zunächst den Namen der Frau. Im Jahr 2006 wird dem Mann mit gerichtlichem

360

BGH StAZ 2019, 207 (211). BGH StAZ 2019, 207 (211). 362 Vgl. auch Hepting, StAZ 2013, 1 (7). 363 Siehe bereits oben, § 6 IV 1a) dd) (2). 361

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Beschluss364 das alleinige Sorgerecht übertragen. Anschließend gibt er im Jahr 2009 eine Erklärung zur nachträglichen Bestimmung des Geburtsnamens (das Kind sollte nunmehr seinen Namen tragen) gegenüber dem Standesamt ab. Nach deutschem Recht müsste die Frau einwilligen, vgl. §§ 1617a Abs. 2 Satz 2, 1618 Satz 3 BGB. Dies sei nach nigerianischem Recht indes nicht der Fall. Dennoch liege kein Verstoß gegen den ordre public vor, weil der Ausschluss der Einwilligung kein Ergebnis herbeiführe, das aus deutscher Sicht untragbar erscheine.365 Auch ein etwaiges Vertrauen des Kindes, das den Namen immerhin seit zehn Jahren führe, könne hier nicht weiterhelfen, weil sich das Kind die Einwilligung in die Namensänderung durch seinen gesetzlichen Vertreter zurechnen lassen müsse.366 Ein Ergebnis, das ganz auf der Linie des BGB-Stufenmodells zur nachträglichen Bestimmung des Kindesnamens liegt, wenn das Kind das fünfte Lebensjahr vollendet hat.367 (5) Zusammenfassung Regelmäßig dürfte grob fahrlässige Unkenntnis dem Erwerb des faktischen Namens kraft Vertrauens entgegenstehen. Ob eine faktische Namensführung gutgläubig erfolgte, beurteilt sich im Übrigen anhand des Einzelfalls, wobei es in erster Linie auf die Qualität des Umstandsmoments und das Zeitmoment ankommt: Je mehr der Rechtsschein von einer Behörde gesetzt oder verstärkt und je länger der faktische Name geführt wurde, desto geringere Anforderungen sind an die Gutgläubigkeit zu stellen. Wie stark der gute Glaube im Einzelnen ausgeprägt war, wirkt sich wiederum in der abschließenden Interessenabwägung aus, auf die sogleich einzugehen ist. Bezugsperson der Gutgläubigkeit ist grundsätzlich die namensführende Person. Bei Minderjährigen kommt es darauf an, ob sie bereits selbständiges Vertrauen entwickeln konnten und ob der Irrtum oder die namensrelevante Erklärung innerhalb der gesetzlichen Befugnisse erfolgten. Liegt sogar täuschendes Verhalten der gesetzlichen Vertreter vor, kann in Anlehnung an § 123 Abs. 2 BGB eine Zurechnung zulasten des minderjährigen Kindes nur bei dessen Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis erfolgen, da die Eltern als Dritte im Sinne der Vorschrift anzusehen sind.

364 Vgl. zur abweichenden Bewertung innerhalb des ordre public für den Fall, dass das alleinige Sorgerecht durch das ausländische Recht begründet wird, AG Halle, Beschl. vom 11.1.2011 – 65 III 19/10, juris, Rn. 5. 365 AG Halle, Beschl. vom 11.1.2011 – 65 III 19/10, juris, Rn. 3. 366 AG Halle, Beschl. vom 11.1.2011 – 65 III 19/10, juris, Rn. 7. 367 Vgl. Hepting, StAZ 2013, 1 (7). Siehe zu dem Konzept bereits oben, § 6 IV 1a) dd) (2).

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Dritter Teil: Vertrauensschutz und statusorientiertes Recht

bb) Interessenabwägung Ist der vorgeschaltete Filter der Gutgläubigkeit durchlaufen, schließt sich eine umfassende Interessenabwägung an. Das private Kontinuitätsinteresse368 ist abzuwägen mit den gegenläufigen (staatlichen) Interessen an der Richtigkeit registrierter und der Aufrechterhaltung gesetzlicher Namen. Es stellt sich mit anderen Worten die Frage, ob „der Bruch in der tatsächlichen Namensführung“ gerechtfertigt ist.369 Die jeweils involvierten Interessen sind dafür herauszuarbeiten, zu gewichten und gegeneinander abzuwägen.370 Diese können angesichts ihrer Variationsbreite nicht abschließend benannt werden; die Darstellung beschränkt sich deshalb auf häufig wiederkehrende Kriterien und Deutungsmuster. Auch die eingangs skizzierten Funktionen, die dem Namen zugeschrieben werden, sind in der Abwägung zu berücksichtigen.371 (1) Bedeutung des Zeitelements Einzubeziehen ist zunächst der Zeitablauf.372 Das gilt zum einen in rein quantitativer Hinsicht, weil mit längerem zeitlichen Gebrauch des faktischen Namens eine ausgeprägte Identitätsbildung einhergeht und der Aufwand zur Beseitigung der förmlichen Spuren (Ausweise, Zeugnisse usw.) stetig anwächst. Entscheidend ist zum anderen auch das „qualitative“ Zeitelement, es besteht nämlich die Möglichkeit der Kompensation eines kurzen Zeitfaktors durch qualitative Erwägungen.373 Angesprochen ist damit das Ausmaß der unvermeidbaren Nachteile, die sich aus einer Berichtigung der faktischen Namensführung ergeben würden.374 Die Zeit der Kindheit ist, und das ist ein oft wiederzuerkennendes Bewertungsmuster, als besonders persönlichkeitsprägend zu gewichten.375 Auch der Umfang der Vertrauensbetätigung – der sich regelmäßig, aber nicht zwingend kongruent zum quantitativen Zeitfaktor verhält – wird eine Rolle spielen: die berufliche Bekanntheit, ausgestellte Ausweispapiere und

368

Hepting, StAZ 2013, 1 (2). Hepting, StAZ 2013, 1 (4). 370 Hepting, StAZ 2013, 1 (8). 371 BGH StAZ 2019, 207 (211). 372 Fachausschuss/Wall, StAZ 2019, 154 (158); Hepting, StAZ 2013, 1 (8); AG Mönchengladbach StAZ 2016, 214 (215); AG Magdeburg StAZ 2009, 245 (245); jüngst auch BGH StAZ 2019, 207 (211). 373 Hepting, StAZ 2013, 1 (8) unter Bezugnahme auf LG Paderborn FamRZ 2008, 1779; Fachausschuss/Wall, StAZ 2019, 154 (158). 374 BGH StAZ 2019, 207 (211). 375 OLG Hamm StAZ 2007, 175 (176); KG StAZ 2013, 314 (314); OLG München StAZ 2013, 289 (290); vgl. auch OLG Köln StAZ 2004, 340 (342). 369

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Führerscheine, Zeugnisse sowie insgesamt der Aufbau einer sozialen Existenz.376 Auffällig ist schließlich die faktische Regelvermutungswirkung des Zeitelements, wenn dieses besonders lang ist. Diese wird zwar bislang als solche nicht ausdrücklich anerkannt: Die vorzunehmende Interessenabwägung fällt aber systematisch kürzer und großzügiger zugunsten des Vertrauensschutzes aus, wenn der faktische Name mehr als zehn Jahre geführt wurde. So fällt bereits die Interessenabwägung in der Singh-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts relativ knapp und ohne eine Gegenüberstellung möglicher staatlicher Ordnungsinteressen aus.377 Die instanzgerichtliche Rechtsprechung bestätigt diesen Eindruck durch die Annahme, dass das staatliche Ordnungsinteresse gegenüber einem stark ausgeprägtem Zeitelement nur geringe Bedeutung haben könne.378 Insoweit kann ein ausgeprägtes quantitatives Zeitelement sogar als Vermutung für die Schutzwürdigkeit gelten. (2) Bedeutung des Umstandsmoments In die Interessenabwägung fließt die Intensität des Vertrauenstatbestands und der Namensführung379 ein. Dabei ist mit Intensität die Urheberschaft und das Zustandekommen des Rechtsscheins gemeint: Ein behördlicher Rechtsschein spricht (deutlich) stärker für Vertrauensschutz als ein (lediglich) im sozialen Umfeld begründeter Rechtsschein. So wurde Vertrauensschutz dadurch als gestärkt angesehen, dass das Standesamt eine „aktive Beraterrolle“ übernommen habe.380 Während behördliches Handeln oder das Fehlen behördlicherseits geäußerter Zweifel an der Richtigkeit der Namensführung für das Überwiegen

376

Hepting, StAZ 2013, 1 (8); Fachausschuss/Wall, StAZ 2019, 154 (158); AG Schöneberg StAZ 2013, 21 (22 f.) (Schulbeginn); KG StAZ 2013, 314 (314) (Ausbildung abgeschlossen); AG Köln StAZ 2002, 82 (82) (Zeugnisse); OLG München StAZ 2013, 289 (290) (Taufschein, Abschlusszeugnisse, Rentenversicherungsausweis); OLG Köln StAZ 2004, 340 (342) (Pässe, Führerschein). 377 BVerfG StAZ 2001, 207 (208), wobei insoweit zu berücksichtigen ist, dass die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Rückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht führte, welches seinerseits eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen hatte. 378 OLG Hamm StAZ 2007, 175 (177), das sodann zwar entscheidend auf den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung abstellt, damit aber nur das personenstandsrechtliche Berichtigungsverfahren ablehnt und nicht die Abhilfe auf andere alternative Verfahrensweise; OLG Köln StAZ 2012, 372 (372 f.); OLG München StAZ 2013, 289 (290); KG StAZ 2013, 314 (315 ff.); AG Mönchengladbach StAZ 2016, 214 (215); AG Magdeburg StAZ 2009, 245 (245); vgl. auch OVG Schleswig StAZ 2017, 307 (308); siehe aber auch OLG Köln StAZ 2004, 340 (342), das nach Ablauf von dreißig Jahren eine umfassende Interessenabwägung vornimmt, diese aber eindeutig zugunsten des Namensträgers bewertet. 379 Hepting, StAZ 2013, 1 (8). 380 LG Paderborn FamRZ 2008, 1779 (1780).

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Dritter Teil: Vertrauensschutz und statusorientiertes Recht

des Vertrauensschutzes sprechen,381 stellt sich ein fehlender behördlicher Beitrag als ein starkes Argument gegen das Vertrauensschutzinteresse dar.382 Soweit ersichtlich, hat es noch keine gerichtliche Entscheidung zum Vertrauensschutz gegeben, in der es keinerlei behördlichen Bezug zu dem Rechtsschein gab. Um in einem etwaigen künftigen Fall ein überwiegendes Vertrauensschutzinteresse zu bejahen, müssten die übrigen Abwägungskriterien schon mit einer beachtlichen Ausprägung zugunsten der faktischen Namensführung streiten. Das wäre etwa der Fall bei den Konstellationen der vertauschten Kinder. Die jeweiligen Namen sind nicht nur zutreffend registriert. Der Rechtsschein, dass der faktische Name der gesetzliche Name sei, wird ferner durch die Behörde auch nicht veranlasst. Vielmehr erfolgt hier die faktische Namensführung zunächst unabhängig von einem behördlichen Beitrag (lediglich im weiteren Lebenslauf der Kinder wird der faktische Name auch behördlich, z.B. in Zeugnissen und Urkunden, perpetuiert). Gleichwohl kann der faktische Name ersessen werden: Das Merkmal des Zeitablaufs ist bei Vertauschungsfällen regelmäßig stark ausgeprägt, und die Gutgläubigkeit der betreffenden Kinder wird zu bejahen sein, weil diese von der Vertauschung keine Kenntnis haben konnten. An dieser Stelle kann auch berücksichtigt werden, in welchem Maße sich bereits eine mit dem faktischen Namen verbundene Identität gebildet hat. Dies wird insbesondere bei Kleinkindern oft kein einfaches Unterfangen sein. Anstelle der oben abgelehnten kategorischen Lösung unter Rückgriff auf bestimmte Altersgrenzen383 hat hier eine Untersuchung im Einzelfall stattzufinden. (3) Staatliches Identifikationsinteresse und Zuordnungsinteresse Das staatliche Ordnungsinteresse spricht für das Beharren auf dem gesetzlichen Namen, weil durch den faktischen Namen die Kennzeichnungskraft des Namens reduziert wird und die Registerführung einen höheren Verwaltungsaufwand verursacht.384 Hierbei ist indes zu berücksichtigen, dass die Ordnungsfunktion des Namens in ihrer Relevanz stark abgenommen hat und an die Stelle eines konkreten Namens inzwischen andere Mittel der Identifizierung und Zuordnung getreten sind.385 Die Namensgleichheit von Geschwistern, die der Gesetzgeber mit § 1617 Abs. 1 Satz 1 BGB gewährleisten will, vermag für sich genommen das Interesse an der Namensfortführung nicht zu überwiegen.386 Insoweit wirkt sich 381

OLG Hamm StAZ 2007, 175 (176); OLG Köln StAZ 2004, 340 (342). KG StAZ 2016, 243 (244). 383 Siehe oben, § 6 IV 1b) cc). 384 Hepting, StAZ 2013, 1 (2). 385 Siehe oben, § 6 III 2. 386 AG Schöneberg StAZ 2013, 21 (22 f.). 382

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die bereits aufgezeigte weitgehende Entwertung der familialen Zuordnungsfunktion des Namens aus.387 Die Namensgleichheit zwischen Eltern und Kindern ist hingegen durchaus ein relevanter Aspekt.388 Denn diese wirkt nicht nur als äußerliches Erkennungsmerkmal, sondern dient vor allem dem Kind als Anknüpfungspunkt für seine Identität und seine eigene soziale Einbettung. Möglicherweise ist das staatliche Ordnungsinteresse aber bei erheblichen Vorstrafen der namensführenden Personen besonders zu berücksichtigen. Jedenfalls ist das ein Grund für die Ablehnung einer öffentlich-rechtlichen Namensänderung nach dem Namensänderungsgesetz.389 Allerdings wird dabei insbesondere § 20a BZG zu beachten sein, wonach entsprechende Mitteilungspflichten der Meldebehörden bestehen.390 Ähnliches gilt in Bezug auf Eintragungen in Schuldnerverzeichnissen wie dem Schuldnerverzeichnis nach §§ 882b ff. ZPO oder dem Verzeichnis der privaten Schufa-Holding. Im Einzelfall kann wegen derartiger Eintragungen das öffentliche Interesse an dem gesetzlichen Namen überwiegen. Die Mehrzahl dieser Fälle wird sich indes bereits durch die Annahme von Missbrauch, also durch das Fehlen von Gutgläubigkeit lösen lassen, wenn der faktische Name nur oder ganz überwiegend für die Verschleierung von Vorstrafen oder Schulden angenommen worden ist. Hervorzuheben ist auch, dass an einer bestimmten Schreibweise des Namens ein nur geringes öffentliches Interesse besteht,391 erfahren Identifizierungs- und Zuordnungsfunktion durch einen Austausch von einigen Buchstaben oder Schriftzeichen doch kaum Einschränkungen. Das unterstreicht die abschließende Feststellung, dass das öffentliche Interesse am Führen des gesetzlichen Namens nicht als Selbstzweck in die Interessenabwägung einfließen darf. Abwägungsrelevanz kommt auch dem Merkmal der Erkennbarkeit der Fehlerhaftigkeit behördlichen Handelns zu. Bürgerinnen und Bürger müssen nicht „schlauer“ sein als Standesämter und Gerichte und damit quasi „hellseherische Fähigkeiten“ entwickeln.392 (4) Beseitigungsfolgekosten Bei einer von der Registrierung abweichenden Schreibweise, die zur richtigen erstarkt, bleibt ein öffentliches Kontinuitätsinteresse nur insoweit bestehen, als durch die Änderung ein Folgenbeseitigungsaufwand entsteht. Das Argument der Folgenbeseitigungskosten streitet aber vor allem für die Anerkennung der 387

Vgl. auch Hepting, StAZ 2013, 1 (2). Hepting, StAZ 2013, 1 (8); vgl. auch AG Lübeck StAZ 2008, 346 f. 389 Siehe B. Thomas, StAZ 2010, 33 (35). 390 Vgl. zu diesem Gedanken beiläufig im Rahmen einer Rechtswahl gemäß Art. 10 Abs. 2 EGBGB OLG Düsseldorf StAZ 2010, 110 (112). 391 OLG Köln StAZ 2004, 340 (342); 2012, 372 (373). 392 Fachausschuss/Wall, StAZ 2020, 385 (387); jüngst auch Wall, StAZ 2022, 225 (231). 388

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faktischen Namensführung;393 dies jedenfalls wenn Zeugnisse, Ausweise und andere Urkunde auf den faktischen Namen lauten. Sie müssten bei versagtem Vertrauensschutz allesamt geändert werden. Eine demgegenüber erforderliche Anpassung des Registers (Berichtigung oder Fortschreibung) fällt im Vergleich dazu nicht spürbar ins Gewicht und vermag insbesondere für sich genommen keinen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht zu rechtfertigen. (5) Andere namensführende Personen Regelmäßig steht dem Interesse an der Fortführung des faktischen Namens lediglich ein öffentliches Interesse gegenüber. Diese Tatsache erklärt womöglich den relativ großzügigen Umgang mit faktischen Namen im Vergleich zu anderen Status.394 In einem speziellen Ausnahmefall ist es aber auch denkbar, dass die faktische Namensführung ein anderes privates Interesse berührt und sich auf diese Weise zwei private Interessen gegenüberstehen. Damit ist nicht das Interesse einer dritten Person gemeint, die zufällig denselben Namen trägt – dieses Interesse kann bei Vorliegen näher bestimmter Voraussetzungen allenfalls im Rahmen eines Unterlassungsanspruchs nach § 12 BGB berücksichtigt werden. Gemeint ist vielmehr die seltene Konstellation der vertauschten Kinder.395 Im einleitenden Beispielsfall396 wurden Marina und Manon kurz nach ihrer Geburt vertauscht und lebten bis zu ihrem zehnten Lebensjahr unter dem Namen und der Identität der anderen. Die Geburtseinträge für beide Kinder sind richtig: Kind A ist zu einem näher bestimmten Zeitpunkt geboren worden und hat die Eltern A. Kind B wurde hingegen zum Zeitpunkt x geboren und hat die Eltern B. Nun lebt das Kind A aber unter dem Namen B und Kind B unter demjenigen des Kindes A. Zweierlei dürfte unzweifelhaft sein: Erstens kommt es auf das Lebensumfeld an, für das sich die Kinder und die beteiligten Elternpaare künftig entscheiden. Findet ein Rücktausch der Kinder statt, könnte ein Wechsel der tatsächlichen Namensführung interessengerecht sein. Die bisher faktisch geführten Namen werden also aufgegeben und der Geburtseintrag bleibt unverändert, während etwaige auf den faktischen Namen ausgestellte Urkunden auf den gesetzlichen Namen geändert werden müssen. Verbleiben die Kinder hingegen bei den bisher für ihre rechtlichen Eltern gehaltenen Personen, so liegt es nahe, der

393 Vgl. zum Beseitigungsaufwand AG Lübeck StAZ 2008, 346 (347); siehe auch Hepting, StAZ 2013, 1 (7). 394 Dazu sowie zu dem Vergleich mit anderen faktischen Statusverhältnissen noch eingehend unten, § 9 III. 395 Siehe hierzu allgemein Veit/Hinz, FamRZ 2010, 505 ff. sowie Frank, FamRZ 2015, 1149 ff.; speziell zum Namensrecht ders., StAZ 2015, 225 (227 f.). 396 Siehe oben, § 1 II.

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faktischen Namensführung zur Durchsetzung zu verhelfen und die Geburtseinträge entsprechend anzupassen.397 Ob ein Rücktausch stattfindet, wird in der Regel auch davon abhängen, zu welchem Zeitpunkt die Vertauschung aufgedeckt wird. Sind die Kinder noch im Kleinkindalter, haben sie bereits mit dem Schulbesuch begonnen oder sind sie möglicherweise sogar schon erwachsen und haben selbst Kinder bekommen, an welche sie ihren faktischen Namen weitergegeben haben?398 Vor diesem Hintergrund erscheint die Interessenabwägung in praktikabler Weise vorgezeichnet, eine wirkliche Interessenkollision hingegen ausgeschlossen. Zweitens ist anerkannt, dass der faktische Name nicht aufgezwungen werden kann: Entscheidet sich die namensführende Person für den gesetzlichen Namen, so hat dieser stets Vorrang.399 Verbleibt also Kind A bei dem Elternpaar B, möchte nunmehr aber aus irgendwelchen Gründen400 den gesetzlichen Namen A führen, kann es nicht gezwungen werden, den faktischen Namen B weiterzuführen. Was geschieht aber, wenn beide Kinder den Namen B oder den Namen A führen wollen? Angenommen, es erfolgt kein Rücktausch. Der Name B ist aber aus gewissen Gründen401 für beide Kinder der Name der Wahl, oder die Beteiligten einigen sich, dass nur das Kind A in die Familie A wechselt, Kind B hingegen bei Familie A verbleibt. Beide Kinder wollen nun den Namen A führen. Bei dem zuweilen komplex anmutenden Recht der Vornamensgebung,402 das im Übrigen keine positiv-rechtliche Kodifizierung erfahren hat, ist davon auszugehen, dass das Kindeswohl als Schranke der aus dem Elternrecht folgenden Freiheit in der Namensgebung403 verletzt ist, wenn ein Kind denselben

397 Frank, StAZ 2015, 225 (227), der auch die mögliche Verfahrensweise im Personenstandsrecht thematisiert. 398 Vgl. zu einem in zeitlicher Hinsicht besonders gravierenden Fall Frank, StAZ 2015, 225 (227 f.). 399 Vgl. ausführlich Hepting, StAZ 2013, 1 (9); zustimmend Frank, StAZ 2015, 225 (227). 400 Möglicherweise um dadurch zumindest eine Verbindung zu den biologischen Eltern aufzubauen oder nach außen zu tragen. 401 Motive hierfür sind diverse denkbar: besonders schlecht klingender oder negativ konnotierter Name, besonders populärer (Nach-)name; erfahrene Hänseleien aufgrund des Namens für Kind A, während Kind B gute Erfahrung mit dem Namen B gemacht hat usw. 402 Vgl. MüKo-BGB8/von Sachsen Gessaphe, Anh. § 1618 Rn. 3; siehe auch die ausführliche Behandlung des Themas bei Hepting/Dutta, Familie und Personenstand3, Rn. IV-355 ff. sowie bei Arndt, Namensrecht (2004), S. 168 ff. 403 BVerfG NJW 2009, 663 (663); NJW 2006, 1414 (1415) (mwN). Siehe auch Wall, NJOZ 2010, 2344 (2344); MüKo-BGB8/von Sachsen Gessaphe, Anh. § 1618 Rn. 9; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand3, Rn. IV-360.

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Vornamen wie eines seiner Geschwister erhält.404 Das lässt sich aber auf den Fall vertauschter Kinder nicht vollends übertragen, weil Hintergrund dieser Einschätzung die Erkenntnis ist, dass ein Mensch zur Identitätsfindung einen eigenen Namen haben muss, der nur ihm vorbehalten ist.405 Das gilt lediglich im innerfamiliären Kreis, in dem die Identitätsbildung zunächst hauptsächlich stattfindet und gerade auch in Abgrenzung zu Geschwisterkindern erfolgt.406 Eine Namensgleichheit zu dritten Personen ist hingegen keine Seltenheit407 und in realiter auch nicht vermeidbar. Das zeitliche Element wird auch insoweit wieder entscheidend sein. Sind die Kinder noch in einer besonders identitätsstiftenden Entwicklungsphase, wird das Identitäts- und Entwicklungsinteresse des Kindes mit dem gesetzlichen Namen das Kontinuitätsinteresse des Kindes mit dem faktischen Namen überwiegen. Ist diese Entwicklung wegen des bereits fortgeschrittenen Alters der Kinder aber bereits abgeschlossen, ist kein hinreichend gewichtiger Grund für einen Bruch in der tatsächlichen Namensführung des Kindes mit dem faktischen Namen erkennbar, und eine Namensgleichheit hinzunehmen. Hiergegen ist das staatliche Ordnungsinteresse abzuwägen, das aber durch andere Zuordnungskriterien wie Fingerabdrücke, Renten- und Sozialversicherungsnummern befriedigt werden kann. Schließlich ist womöglich ein Kompromiss in einer Namensführung zu finden, die aus gesetzlichem Vornamen und faktischem Nachnamen – oder vice versa – oder auch der Hinzufügung des jeweils weiteren Vornamens (Marina Manon und Manon Marina) besteht. (6) Zusammenfassung und Klassifizierung Die Interessenabwägung findet überwiegend im bipolaren Verhältnis zwischen den betreffenden Personen und dem Staat statt, nur in Ausnahmefällen sind gegenläufige private Interessen zu berücksichtigen. Das öffentliche Interesse ist kein Selbstzweck, sondern muss im Einzelfall genau beleuchtet und dessen tatsächliches Gewicht bestimmt werden. Es ist zumeist aber schwach ausgebildet und vermag für sich genommen einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht zu rechtfertigen. 404 Wendt, FPR 2010, 12 (14 f.) (mwN und einer undifferenziert anmutenden, nahezu polemischen Einleitung auf Seite 12); vgl. auch Hepting/Dutta, Familie und Personenstand3, Rn. IV-445. 405 Wendt, FPR 2010, 12 (14 f.). 406 Ausreichend kann es deshalb sein, wenn zumindest einer von mehreren Vornamen unterschiedlich ist, vgl. Hepting/Dutta, Familie und Personenstand3, Rn. IV-446 (mwN); kritisch insoweit, aber zu sehr auf die Ordnungsfunktion abstellend Arndt, Namensrecht (2004), S. 188. 407 Man denke nur an gängige und statistisch sehr wahrscheinliche Vor- und Nachnamenskonstellationen wie Thomas Müller, Alexander Schneider, Michael Hoffmann, Andreas Fischer, Matthias Zimmermann, Maria Richter, Andrea Krüger, Claudia Koch, Ute Meyer. Siehe auch Arndt, Namensrecht (2004), S. 188 (Begrenzung auf die „Kleinfamilie“).

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Die vorstehende Analyse erlaubt die Deduktion folgender Grundregeln: Je länger der faktische Name geführt wurde, je mehr formelle Spuren er hinterlassen hat und je mehr seine Entstehung oder Verfestigung durch Behörden veranlasst oder gebilligt wurden, desto schutzwürdiger ist er gegenüber dem gesetzlichen Namen. Sowohl das Zeitelement als auch das Zustandekommen des Rechtsscheins sind die relevantesten Faktoren. Deshalb kann in tatsächlicher Hinsicht von einer widerleglichen Vermutung zugunsten des faktischen Namens ausgegangen werden, wenn das Zeitelement größer als zehn Jahre ist und eine behördliche Bestätigung erfolgte. De lege ferenda erscheint dabei auch eine herabgesetzte Zeitspanne von beispielsweise fünf Jahren als angemessen.408 d) Zusammenfassung: Voraussetzungen für Vertrauensschutz Ob sich die faktische Namensführung durch den im allgemeinen Persönlichkeitsrecht liegenden Vertrauensschutzgedanken gegen den gesetzlichen Namen durchsetzen kann, hängt ganz erheblich von den Umständen des Einzelfalls ab. Er ist anhand vorstehend offengelegter Leitlinien konkret zu beurteilen, und die Abwägung ist keinesfalls schematisch vorzunehmen.409 Trotz starker Einzelfallorientierung lassen sich greifbare Kriterien formulieren, die das Konzept des Vertrauensschutzes vorhersehbar und abstrakt bestimmbar erscheinen lassen. Es sind folglich Grundsätze der faktischen Namensführung zu konstatieren, die dahingehen, dass der Schutz des faktischen Namens von drei Elementen abhängt: Objektive Rechtsgrundlage (Umstands- und Zeitelement), Gutgläubigkeit und Interessenabwägung. Ihnen sind ihrerseits eigene, aber niedrigschwellige Voraussetzungen immanent, und zwischen ihnen besteht eine intensive Wechselwirkung: Eine schwache Ausprägung der einen Voraussetzung kann durch eine hohe Intensität der anderen ausgeglichen werden. Auf die mitunter aufgeworfene Frage nach der dogmatischen Einordnung des namensrechtlichen Vertrauensschutzes (öffentlich-rechtlicher Vertrauensschutz410 oder zivilrechtliche Ersitzung411) ist mithin zu antworten, dass der Weg zwischen den Polen verläuft. Einerseits vermag die rein zivilrechtliche Betrachtung die typische öffentlich-rechtliche Interessenabwägung sowie den regelmäßig notwendigen behördlichen Bezug der faktischen Namensführung nicht hinreichend zu berücksichtigen. Auch der für die Ersitzung notwendige Zeitraum erscheint zu lang bemessen. Auf der anderen Seite lässt sich die öffentlich-rechtliche Dogmatik nicht konsequent durchhalten, wenn es um die

408

So dann auch der abschließende Vorschlag einer Kodifizierung der Namensersitzung, siehe unten, § 6 V 1. 409 Vgl. Fachausschuss/Krömer, StAZ 2012, 151 (152). 410 Hepting, StAZ 2013, 1 (4). 411 Sturm/Sturm, in: FS Brudermüller (2014), S. 801 (807).

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Anforderungen an die Gutgläubigkeit, das zwingende Erfordernis eines öffentlichen-rechtlichen Rechtsscheins oder auch die kollidierenden Privatinteressen geht. Die konstatierten Voraussetzungen bestehen unabhängig von einer einseitigen dogmatischen zivilrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Einordnung des Vertrauensschutzes im Namensrecht. Diese dogmatische Enthaltsamkeit ist aber auch unschädlich und sogar folgerichtig, wenn man sich vergegenwärtigt, dass der Vertrauensschutzgedanke ein rechtsgebietsübergreifendes Argumentationssystem darstellt.412 Die dogmatischen Kategorien haben sich bereits im grundlegenden § 5 der Arbeit als fließend erwiesen, konnten aber dennoch auf einheitliche Grundwertungen zurückgeführt werden.413 Der Vertrauensschutzgedanke im Namensrecht fügt sich insoweit problemlos in das allgemeine System Vertrauensschutz ein. 2. Rechtsfolge Während die Voraussetzungen des Gutglaubensschutzes im Einzelnen mitunter unterschiedlich bewertet und gewichtet werden, besteht hinsichtlich der Rechtsfolge weitgehende Einigkeit. Liegen die in den vorstehenden Abschnitten (unter § 6 IV 1) herausgearbeiteten Voraussetzungen vor, kann der faktische Name im Sinne einer Vertrauensentsprechung zum gesetzlichen Namen erstarken. Es vollzieht sich also eine Namensänderung,414 die aber stets vom Willen der namensführenden Person abhängig ist; diese kann gleichermaßen auf Vertrauensschutz verzichten.415 Die Heilung der faktischen Namensführung darf also nicht gegen den Willen der namensführenden Person erfolgen. Ebenso wenig, wie ein über lange Zeit tatsächlich geführter Name nicht ohne Weiteres entzogen werden darf, kann die Führung des rechtlich zutreffenden Namens verwehrt werden.416 Fällt die Entscheidung auf den gesetzlichen Namen, der nicht registriert ist, hilft das auf Antrag durchzuführende Namensberichtigungsverfahren gemäß § 48 PStG417 beziehungsweise eine (gerichtsfreie) Berichtigung durch den Standesbeamten gemäß § 47 PStG.418 Die Namensberichtigung wirkt dann aber zurück, entfaltet mithin ex tunc-Wirkung. Fraglich ist demgegenüber, ob daneben die Möglichkeit besteht, den gesetzlichen Namen unter analoger Anwendung namensrechtlicher Vorschriften 412

Siehe oben, § 5 III und V. Siehe oben, § 5 IV (verallgemeinerbares Grundgerüst). 414 Fachausschuss/Krömer, StAZ 2012, 151 (152); zustimmend auch Sturm/Sturm, in: FS Brudermüller (2014), S. 801 (806); Berkl, Handbuch Personenstandsgesetz (2015), Rn. 584. 415 Wall, StAZ 2022, 225 (231); Hepting, StAZ 2013, 1 (9); Fachausschuss/Wall, StAZ 2020, 385 (387). 416 Fachausschuss/Krömer, StAZ 2021, 284 (286); Hepting, StAZ 2013, 1 (9); Fachausschuss/Wall, StAZ 2020, 385 (387). 417 So vor allem in Fällen der geläuterten Rechtsprechung mit Bezug zum IPR, vgl. nur BGH NJW 1971, 1516 ff.; 1975, 112 ff. 418 Vgl. Fachausschuss/Krömer, StAZ 2021, 284 (287). 413

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(z.B. § 1355 Abs. 5 BGB)419 erst mit Wirkung ex nunc zu führen.420 Das ist für die namensführende Person gegebenenfalls interessant, wenn sie das Führen des gesetzlichen Namens nur für die Zukunft wünscht, ihren Lebenslauf aber keiner namensrechtlichen Revision unterziehen möchte. Die Wahl des gesetzlichen Namens mit Wirkung ex nunc ist ein schonender Ausgleich zwischen den beiden „extremen Pole[n]“421 der Berichtigung und der Fortführung des faktischen Namens. Die Belastbarkeit der Annahme eines differenzierten Wahlrechts ergibt sich aus einem Erst-recht-Schluss:422 Aufgrund des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist es der namensführenden Person sogar gestattet, sich rückwirkend auf den faktischen Namen zu berufen. Es leuchtete nicht ein, wenn die weniger intensiv wirkende zukünftige Änderung des Namens nicht zulässig sein sollte. Diese Einsicht liegt auch der Fassung des Art. 48 EGBGB zugrunde.423 Nach dessen Satz 2 kann die grundsätzlich bestehende Rückwirkung durch Erklärung abgeändert werden. Bei der Vorschrift handelt es sich zwar nicht um die Kodifizierung von klassischem Vertrauensschutz,424 sie hat aber denselben Grundkonflikt als Regelungsgegenstand: Die Auflösung konkurrierender Namensführungen in Abhängigkeit vom Willen der namensführenden Person. Auch Fragen der Rückwirkung sind bisher in der Literatur aufgeworfen worden,425 ohne aber eine dogmatische Diskussion ausgelöst zu haben. Die Rückwirkung tritt jedenfalls zu dem Zeitpunkt ein, in dem sich der faktische Name hinreichend verfestigt hat und die Interessenabwägung zugunsten des faktischen Namens ausfällt. Es ist müßig und in keiner der bisher veröffentlichten Entscheidungen oder diskutierten Konstellationen von entscheidender Bedeutung, den genauen Zeitpunkt einer Rückwirkung zu bestimmen.426 Insoweit erscheint eine pragmatische und in Literatur wie Rechtsprechung anzutreffende

419

Vgl. BGHZ 56, 193 ff. = FamRZ 1971, 426 ff. Fachausschuss/Krömer, StAZ 2021, 284 (287) spricht insoweit von einem „dritten Weg“. 421 Fachausschuss/Krömer, StAZ 2021, 284 (287). 422 Fachausschuss/Krömer, StAZ 2021, 284 (287); dahin tendiert wohl auch Hepting, StAZ 2013, 34 (42), der ohnehin von einer Namensänderung mit Wirkung ex nunc ausgeht. Siehe auch ders., StAZ 2013, 1 (9). 423 Auch diese Idee geht auf Fachausschuss/Krömer, StAZ 2021, 284 (287) zurück. 424 Vgl. Hepting, StAZ 2013, 34 (42); Sturm/Sturm, in: FS Brudermüller (2014), S. 801 (808 f.); Fachausschuss/Wall, StAZ 2019, 154 (159). 425 Frank, StAZ 2015, 225 (228), der eine Rückdatierung auf einen genauen Zeitpunkt für nicht erforderlich hält, wenn der tatsächlich geführte Name zumindest im maßgeblichen Zeitpunkt (Weitergabe des faktischen Namens an eigene Kinder) Schutz verdiente. 426 Vgl. auch Frank, StAZ 2015, 225 (227). 420

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Anlehnung an § 3 Abs. 2 Satz 3 StAG427 geboten.428 Demnach ist auf das Datum abzustellen, unter welchem erstmalig der faktische Name von einer Behörde verwendet oder akzeptiert wurde. Fehlt es an einer Verwendung durch eine Behörde, ist die erstmalige private Verwendung maßgeblich, wenn und soweit diese den Rechtsschein begründet.429 3. Lösung der Fallbeispiele Die eingangs skizzierten Beispielsfälle sowie die gebildeten Fallgruppen können mit den erarbeiteten Maßstäben im Ergebnis gelöst werden. Das Kind K, dessen Mutter vorgab, die Ehefrau des Vaters V zu sein,430 führt zu Recht den faktischen und registrierten Familiennamen V. K führte den Namen vierzig Jahre, identifiziert sich mit ihm und wusste nichts von der Täuschung seiner Eltern, die ihm auch nicht zugerechnet werden kann. Das Gleiche gilt für einen faktischen Namen, der im Wege einer vermeintlichen Adoption erworben sein sollte, wie in den Fällen der gefälschten Geburtenregister.431 Der faktische, aber nicht registrierte Name Inan setzt sich gegenüber der auf Inal lautenden Eintragung432 durch – hier ist insbesondere kein staatliches Ordnungsinteresse auszumachen, das gegenüber der zwanzigjährigen Namensführung spürbar ins Gewicht fällt. Gleiches gilt für das Kind, dessen griechische Eltern eine nach deutschem Recht unwirksame Ehe geschlossen haben.433 Das Oberlandesgericht Nürnberg löst den einleitend geschilderten Fall zwar über das Unionsrecht.434 Allerdings lag in dem Fall eine über mehrere Jahrzehnte faktische, hinkende Namensführung vor, die von deutschen Behörden nicht beanstandet worden war. Die anderslautende Registrierung im Geburtenregister wurde also durch späteres behördliches Handeln überholt, und ein Fall von Missbrauch, der Gutgläubigkeit a limine ausschließen würde, ist ebenfalls nicht gegeben. Auch die deutsche Staatsangehörige darf den während der nach über einem 427

Der zweite Absatz der Vorschrift lautet: „1Die Staatsangehörigkeit erwirbt auch, wer seit zwölf Jahren von deutschen Stellen als deutscher Staatsangehöriger behandelt worden ist und dies nicht zu vertreten hat. 2Als deutscher Staatsangehöriger wird insbesondere behandelt, wem ein Staatsangehörigkeitsausweis, Reisepass oder Personalausweis ausgestellt wurde. 3Der Erwerb der Staatsangehörigkeit wirkt auf den Zeitpunkt zurück, zu dem bei Behandlung als Staatsangehöriger der Erwerb der Staatsangehörigkeit angenommen wurde […]“. 428 So auch AG Mönchengladbach StAZ 2016, 214 (215). 429 Ob in einem solchen Fall überhaupt schutzwürdiges Vertrauen vorliegt, ist eine Frage der Interessenabwägung. 430 Siehe zum Sachverhalt oben, § 6 II 1 sowie bereits § 1 II. 431 Siehe zum Sachverhalt oben, § 1 II. 432 Siehe zum Sachverhalt oben, § 6 A II 2. 433 Siehe zum Sachverhalt oben, § 1 II sowie weitere Beispiele unten, § 7 III 1c) cc). 434 OLG Nürnberg FamRZ 2021, 493 (495 f.) (mAnm Solomon). Siehe zum Sachverhalt oben, § 1 I sowie § 6 II 2.

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Jahrzehnt annullierten Ehe geführten Ehenamen weiterführen.435 Ihr Vertrauen wiegt umso stärker angesichts der ursprünglich sogar gesetzlichen Namensführung. Die vertauschten Kinder436 können sich beide Manon Maillot nennen, sofern nicht wegen des Alters der Kinder und der räumlichen Zusammenführung in eine Familie das allgemeine Persönlichkeitsrecht der wahren Manon überwiegt. Einen schwierigen Grenzfall stellt sicherlich die faktische Namensführung des Kindes dar, dessen Familienname ungeklärt und nur in Verbindung mit dem klarstellenden Zusatz registriert worden ist.437 In diesem Fall ist auf der Grundlage der herausgearbeiteten, derzeit geltenden Maßstäbe nicht daran vorbeizukommen, dass mangels Gutgläubigkeit und behördlichen Rechtsscheins kein Gutglaubensschutz gewährt werden kann.438 Die Lösung muss also im Eheschließungsrecht gefunden werden, um eine Eheschließung trotz ungeklärter Namensführung zu ermöglichen.439 Unabhängig von einer solchen Korrektur auf sekundärer Ebene hat das aber zur Konsequenz, dass sich die ungesicherte Namensrechtslage von Generation zu Generation vererben würde, ohne dass die namensführenden Personen etwas daran ändern könnten. Daher erscheint es überlegenswert, insoweit noch einen Schritt weiterzugehen und eine Heilung der Namensführung auch in diesem Fall zu bejahen. Dafür müsste angenommen werden, dass die annähernde440 Registrierung durch Zeitablauf überholt ist und – mangels Aussicht auf eine zeitnahe Klärung des Familiennamens – gegenüber dem Interesse der namensführenden Person nachrangige Bedeutung besitzt. Das liefe auf eine umfassende Interessenabwägung hinaus, bei der aufgrund sehr besonderer Umstände (langjährige Namensführung, unverschuldete Rechtslage, fehlende Auflösungsperspektive) auf die Gutgläubigkeit nahezu verzichtet werden könnte – der unter § 6 V 1 unterbreitete Regulierungsvorschlag der Namensersitzung wäre für eine so weitgehende Lösung jedenfalls offen.

V. Ausblick Die ungeschriebene Heilung einer faktischen Namensführung ist de lege lata nicht nur bereits einhellig anerkannt, sondern auch ihre Voraussetzungen können als weitgehend konzertiert angesehen werden. Die Forderung nach einer 435

Siehe zum Sachverhalt oben, § 6 II 3. Siehe zum Sachverhalt oben, § 6 II 4 sowie bereits § 1 II. 437 Siehe zum Sachverhalt oben, § 6 II 2. 438 Fachausschuss/Horenkamp, StAZ 2021, 250 (251). 439 Vgl. auch Fachausschuss/Horenkamp, StAZ 2021, 250 (252). 440 Siehe zum Annäherungsgrundsatz oben, § 6 II 2 mit Fn. 35 sowie unten, § 7 IV 2b) bb) mit Fn. 323 und § 7 IV 3b) bb) (2) mit Fn. 462. 436

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Kodifizierung der Namensersitzung ist damit naheliegend, und sie könnte ein Mehr an Einheitlichkeit und Vorhersehbarkeit der Rechtsanwendung herbeiführen. Diese Regulierungsidee ist neben einer anderen Lösung (freie Namenswahl) abschließend de lege ferenda in den Blick zu nehmen. 1. Kodifizierung der Namensersitzung Die materiell-rechtliche Kodifizierung des Vertrauensschutzgedankens und seine Konturierung sind dringend erforderlich.441 Das hat auch die vom Bundesjustiz- und Bundesinnenministerium eingesetzte Arbeitsgruppe Namensrecht hervorgehoben und ausweislich des veröffentlichten Eckpunktepapiers die Einführung einer Regelung vorgeschlagen, die eine Namensersitzung ermöglichen soll, „wenn eine Person über einen längeren Zeitraum unter einem unrichtigen Familiennamen geführt wurde und ihr Vertrauen in die Richtigkeit dieser Namensführung schutzwürdig ist“.442 Ein erster Formulierungsvorschlag ist im Arbeitskreis offenbar angedacht, aber nicht veröffentlicht worden. Dem Vernehmen nach wurde dabei über einen Zeitraum von fünf Jahren und einer zwingenden Beteiligung einer deutschen Stelle diskutiert. Auf die problematische Bestimmung einer festen Zeitgrenze wurde demgegenüber in der vorliegenden Arbeit bereits hingewiesen.443 Auch würde sich das Erfordernis eines behördlichen Rechtsscheins als Ausschlusskriterium als zu eng erweisen.444 Insoweit könnte das Zeitelement bei Erreichen von fünf Jahren vielmehr als Regelvermutung dienen, wenn zugleich ein behördlicher Rechtsschein gegeben ist. Im Übrigen bleibt eine Abwägung möglich, aber auch erforderlich. Ferner bedarf es einer Klarstellung im Hinblick auf das umfassende Wahlrecht der namensführenden Person.445 Es bietet sich demnach folgende Formulierung an: Einen Personennamen erwirbt, wer diesen über eine nicht unerhebliche Zeit geführt hat, sofern der Schutz des Vertrauens in die Richtigkeit der Namensführung das entgegenstehende Interesse an der gesetzlichen Namensführung überwiegt. Überwiegende Schutzwürdigkeit liegt in der Regel vor, wenn der Name seit fünf Jahren gutgläubig geführt wurde und eine deutsche Behörde Anlass gegeben hat, in die Richtigkeit der Namensführung zu vertrauen. Die Namensersitzung tritt ein, wenn und soweit die namensführende Person sich auf die tatsächliche Namensführung beruft.

441

So auch Dutta, Reform des deutschen Namensrechts (2020), S. 3. BMJV/BMI, Eckpunkte zur Reform des Namensrechts, FamRZ 2020, 902 (904). 443 Siehe oben, § 6 IV 1b) cc). 444 Siehe oben, § 6 IV 1a) cc). 445 Das wird nachfolgend mit der Formulierung „soweit“ umgesetzt. 442

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2. Freie Namenswahl Eine weitergehende Reaktionsmöglichkeit des Gesetzgebers auf das aufgezeigte Regelungsdefizit wäre die Einführung einer schon länger diskutierten freien Namenswahl oder zumindest die spürbare Erleichterung der behördlichen Namensänderung nach § 3 NamÄndG. Die Arbeitsgruppe Namensrecht empfiehlt eine stärkere Fokussierung des Namensrechts auf die persönliche Autonomie der namensführenden Person446 und gibt damit die entscheidende Richtung vor: Das Namensrecht muss nicht nur vereinfacht, entbürokratisiert und neu strukturiert werden, es bedarf einer weiteren Liberalisierungsetappe,447 die den vom Bundesverfassungsgericht in einem „Zickzackkurs“448 eingeschlagenen Weg fortschreitet. Bereits im Jahr 2002 kritisierte Hepting den Gesetzgeber, sich in dem Labyrinth seines eigenen Gesetzes verloren zu haben,449 und arbeitete zudem heraus, dass das Prinzip der Selbstdarstellung zu der dominierenden Namensfunktion geworden sei.450 Auch Dutta befürwortet schon länger eine Liberalisierung der behördlichen Namensänderung und diskutiert einen möglichen Wegfall etwaiger Verfahrenskosten, wenn ein wichtiger Grund vorgetragen werden kann.451 Ein solcher wichtiger Grund kann de lege lata in einer langjährigen gutgläubigen Führung eines Familiennamens liegen, vgl. Nr. 50 NamÄndVwV.452 Die restriktive Formulierung, wonach eine Namensänderung bei faktischer Namensführung nur gerechtfertigt sei, wenn die namensführende Person ohne Namensänderung Nachteile erleiden würde, müsste de lege ferenda durch eine offenere Regelung ersetzt werden:453 Die Versagung der Namensänderung ist bei Vorliegen der oben herausgearbeiteten Voraussetzungen ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Die Rechtfertigungslast liegt damit beim Staat, und die Grundrechtsträgerinnen und Grundrechtsträger brauchen keine darüberhinausgehenden Nachteile geltend zu machen. Eine Erleichterung der Namensänderung müsste ferner, dem Vorbild der

446

BMJV/BMI, Eckpunkte zur Reform des Namensrechts, FamRZ 2020, 902 (903); siehe auch Dutta, ZRP 2017, 47 (50). 447 BMJV/BMI, Eckpunkte zur Reform des Namensrechts, FamRZ 2020, 902 (903). 448 Sacksofsky, FPR 2010, 15 (15). 449 Hepting, FPR 2002, 115 (120 f.) („Das Namensrecht ist Chaos, von den Standesbeamten sorgfältig verwaltet“). 450 Ausführlich und prägnant schon Hepting, FPR 2002, 115 (121). 451 Dutta, ZRP 2017, 47 (47, 50) sowie ders., FamRZ 2016, 1213 (1219) mit Blick auf das österreichische Namensrecht. 452 Siehe oben, § 6 Fn. 174. 453 Vgl. auch Sturm/Sturm, in: FS Brudermüller (2014), S. 801 (810).

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Dritter Teil: Vertrauensschutz und statusorientiertes Recht

Verweisungstechnik der Namensänderungsverwaltungsvorschrift folgend,454 für Vornamen gleichermaßen vorgesehen werden wie für Familiennamen.455 Noch einen Schritt weiter geht die von der Arbeitsgruppe zur Diskussion gestellte freie Namenswahl ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes, die einmal in zehn Jahren zulässig sein könnte.456 Es können hier nicht alle Argumente, die für und wider eine freie Namenswahl streiten, in einem Maße berücksichtigt werden, das sie verdienen.457 Vielmehr soll der Gruppe der befürwortenden Argumente eines hinzugefügt werden: Die Fälle der faktischen Namensführung lassen sich durch eine freie Namenswahl noch unbürokratischer lösen als durch die Kodifizierung der Namensersitzung, weil die Prüfung der im Einzelnen schwer feststellbaren Voraussetzungen entfiele. Das öffentliche Interesse an Namenskontinuität, Ordnung und Zuordnung ist durch eine Namensänderung nur geringfügig berührt und vermag den finanziellen und personellen Aufwand insoweit kaum zu rechtfertigen. Für besonders gelagerte Fälle (Missbrauch, Eintrag unter dem gesetzlichen Namen im Schuldnerverzeichnis458 usw.), wäre eine Auffangregelung denkbar, wonach die Namensänderung ausnahmsweise verweigert werden kann. Die freie Namenswahl würde zudem auch in Fällen eröffnet werden, in denen eine überwiegende Schutzwürdigkeit der faktischen Namensführung zwar nicht besteht, die namensführende Person aber dennoch der gefühlten Identifikation mit dem Namen zur rechtlichen Anerkennung verhelfen möchte.459 Das würde unterstreichen: Der Name ist vor allem Privatsache – das ist keine moderne Erscheinung, sondern im Hinblick auf die historische Entwicklung des Namensrechts vielmehr eine Rückbesinnung auf Vergangenes.

454

Die NamÄndVwV (§ 6 Fn. 174) enthält im zweiten Teil, der die Änderung von Vornamen betrifft, weitgehend Verweise auf die Nummern über die Änderung von Familiennamen (vgl. z.B. Nr. 60, 62, 64). 455 BMJV/BMI, Eckpunkte zur Reform des Namensrechts, FamRZ 2020, 902 (903 f.). 456 BMJV/BMI, Eckpunkte zur Reform des Namensrechts, FamRZ 2020, 902 (902). 457 Siehe Dutta, ZRP 2017, 47 ff.; ders., Reform des deutschen Namensrechts (2020), S. 27 ff. sowie Lettmaier, FamRZ 2020, 1 (6 f.); zum Problem des Namenssponsorings Arndt, Namensrecht (2004), S. 183. Kritisch hingegen Horn, NZFam 2021, 764 (766). 458 BMJV/BMI, Eckpunkte zur Reform des Namensrechts, FamRZ 2020, 902 (904). 459 Für eine großzügigere Handhabung der Namensänderung auch Sturm/Sturm, in: FS Brudermüller (2014), S. 801 (810).

§ 7 Ehe Die Globalisierung von Gesellschaft und Familie sowie das Eingehen familiärer Beziehungen über nationalstaatliche Grenzen hinweg bereichern nicht nur das gesellschaftliche Zusammenleben, die individuelle Lebensgestaltung und den kulturellen Austausch, sie müssen auch durch das geltende Recht hinreichend abgebildet werden und stellen die verschiedenen Rechtsordnungen insoweit mitunter vor Herausforderungen. In einer mobilen Gesellschaft ist die Vermeidung von hinkenden Ehen ein wichtiges Ziel.1 Sie werden aber immer wieder auftreten, solange keine umfassende Rechtsharmonisierung erfolgt: „A limping status is an ordinary risk of life“.2 Für diese Fälle müssen Lösungen angeboten werden, mit denen sachgerechte Ergebnisse im Umgang mit hinkenden Ehen erreicht werden können. Solche Lösungen werden schon lange diskutiert, und ihre Ansätze reichen von kollisionsrechtlichen Mechanismen über rechtsfolgenbezogene Konstruktionen bis hin zu sachrechtlichen Heilungsmöglichkeiten auf Statusebene.3 Insbesondere die statusrelevante Heilung einer gutgläubig gelebten Nichtehe ist Gegenstand langjähriger Kontroversen, wissenschaftlicher Abhandlungen und der Rechtsprechung.4 Das betrifft nicht 1 Coester-Waltjen, StAZ 2013, 10 (12); vgl. auch Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Eheschließungsrechts (Eheschließungsrechtsgesetz – EheschlRG) vom 13.6.1996, BTDrs. 13/4898, S. 17; Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 65; vgl. auch Nygh, in: LA Droz (1996), S. 253 (253, 266 f.); ähnlich von Schwind, RabelsZ 38 (1974), 523 (524). Allgemein zur Vermeidung hinkender Rechtsverhältnisse Wagner, NZFam 2019, 513 (514); Bernitt, Anknüpfung von Vorfragen (2010), S. 39. 2 Kinsch, in: LA Siehr (2010), S. 259 (260); vgl. Coester-Waltjen, IPRax 2021, 29 (30); dies., StAZ 2013, 10 (13). 3 Siehe eingehend Coester, in: FS Heldrich (2005), S. 537 (538); überblicksartig auch Staudinger/Mankowski, BGB (2010), Art. 13 EGBGB Rn. 497. 4 Aus der Literatur beispielsweise Bosch, FamRZ 1955, 72; ders., FamRZ 1965, 381; ders., FamRZ 1970, 248; Henrich, RabelsZ 37 (1973), 230 ff.; Thomas, Formlose Ehen (1973), S. 138 ff.; von Schwind, in: FS Bosch (1976), S. 919 (922 f.); Neuhaus, in: FS Schwind (1978), S. 223 ff.; Steding, Der rechtliche Schutz nichtstandesamtlich geschlossener Ehen (1985), passim; Coester, StAZ 1988, 122 (128 f.); Hepting, IPRax 1994, 355 ff.; Pfeiffer, LMK 2003, 128 f.; Coester, in: FS Heldrich (2005), S. 537 ff.; Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 186 ff.; Frank, StAZ 2011, 236 (239 ff.); ders., in: LA Pintens I (2012), S. 607 (618 ff.); Erbarth, NZFam 2021, 9 (16); MüKo-BGB8/Coester, Art. 13 EGBGB Rn. 166 ff.; MüKo-BGB8/von Hein, Einl. IPR Rn. 205 ff.; Staudinger/Mankowski, BGB (2010), Art. 13 EGBGB Rn. 542; BeckOGK-BGB/Kriewald

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Dritter Teil: Vertrauensschutz und statusorientiertes Recht

nur hinkende Ehen, sondern auch solche, die nach keiner in Betracht kommenden Rechtsordnung wirksam sind oder denen ein Auslandsbezug fehlt.

I. Grundlagen und Begrifflichkeiten Das Eheschließungsrecht stellt sich als eine sehr formalisierte Rechtsmaterie dar. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass die Ehe als gesetzlicher Protoptypus partnerschaftlichen Zusammenlebens eine grundlegende gesellschaftliche Bedeutung besitzt, die sich sowohl rechtlich als auch emotional im tatsächlichen Leben der beteiligten Personen niederschlägt.5 Die Ehe kommt zuvörderst durch den übereinstimmenden Ehewillen zustande, sie ist mithin ein personenrechtlicher Vertrag.6 Seit den Zeiten des sogenannten Kulturkampfs ist die Eheschließung überdies eine Sache des Staats, und die Eheschließungserklärungen müssen gemäß § 1310 Abs. 1 BGB vor einem mitwirkungsbereiten Standesbeamten abgegeben werden (obligatorische Zivileheschließung).7 Das gilt anders als bei sonstigen Formanforderungen (Art. 11 EGBGB) grundsätzlich für alle Eheschließungen, die im Inland vorgenommen werden: Inlandsehe gleich Inlandsform (Art. 13 Abs. 4 Satz 1 EGBGB). Hiervon macht Art. 13 Abs. 4 Satz 2 EGBGB eine in der Praxis häufig beanspruchte Ausnahme, die geeignet ist, Fallkonstellationen herbeizuführen, die Anlass für die vorliegende Untersuchung gaben. Die sachliche Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands (§ 2) schlägt sich auch im vorliegenden Kapitel nieder. Der nachfolgend verwendete Begriff der faktischen Ehe erfasst Konstellationen, in denen eine Nichtehe vorliegt, die Beteiligten indes von einer wirksamen Eheschließung ausgehen oder zumindest auf das gegenseitige Versprechen zur Vornahme einer zivilrechtlichen (1.7.2022), § 1310 Rn. 85 f. Aus der Rechtsprechung beispielsweise VG Berlin FamRZ 1955, 70 ff. (mAnm Bosch); OLG Nürnberg FamRZ 1965, 380 f. (mAnm Bosch); 1970, 246 ff. (mAnm Bosch); BGH FamRZ 1983, 450 ff.; OLG Hamburg FamRZ 1981, 356 ff. (mAnm Bosch); BVerfGE 62, 323 (323 ff.); OLG Köln FamRZ 1994, 891 ff.; AG Hannover FamRZ 2002, 1117 f.; BGH FamRZ 2003, 838 ff. (mAnm Borgmann); OLG Frankfurt a.M. StAZ 2014, 206 ff.; AG Groß-Gerau FamRZ 2017, 1491; OLG Nürnberg FamRZ 2021, 493 ff. (mAnm Solomon). 5 Vgl. ähnlich Coester, StAZ 1988, 122 (122). 6 Gernhuber/Coester-Waltjen, FamR7, § 12 Rn. 4; Dethloff, FamR33, § 3 Rn. 15; Schwab, FamR30, Rn. 66; Muscheler, FamR4, Rn. 273; Henrich, in: FS Lerche (1993), S. 239 (243). 7 „Der Exklusivanspruch der kirchlichen Form wurde durch den Exklusivanspruch des Staates ersetzt.“, von Schwind, in: FS Bosch (1976), S. 919 (921 f.); ders., RabelsZ 38 (1974), 523 (523); ders., ZfRV 1973, 145 (147). Ähnlich eindrücklich auch Hepting, IPRax 1994, 355 (358); nüchterner hingegen Hepting/Dutta, Familie und Personenstand3, Rn. III-203; Gernhuber/Coester-Waltjen, FamR7, § 11 Rn. 5 f. Siehe zu den historischen Entwicklungslinien der obligatorischen „Zivilehe(schließung)“ Schwab, in: FS Koch (2019), S. 139 (142 ff., 146).

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Eheschließung vertrauen. Das ist nicht zu verwechseln mit der nichtehelichen (auch, teils weitergehend, faktischen8) Lebensgemeinschaft,9 bei welcher die Beteiligten gezielt auf eine Eheschließung verzichten und sich der mangelnden Verrechtlichung ihrer Paarbeziehung bewusst sind.

II. Vertrauensschutz und die aufhebbare Ehe Die vorliegende Untersuchung nimmt entsprechend dem einleitend formulierten Forschungsanliegen sachrechtliche Korrektur- und Heilungsmöglichkeiten von Nichtehen in den Fokus. Es werden damit zum einen kollisionsrechtliche Lösungsmechanismen ausgeklammert (siehe bereits oben, § 2 I), zum anderen werden auch aufhebbare Ehen nicht schwerpunktmäßig behandelt. Innerhalb des Regimes der Eheaufhebung lässt sich Vertrauensschutz aber auf recht pragmatische Weise verwirklichen, sodass etwaige argumentative Rückgriffe und Querverbindungen naheliegen. Deshalb erscheint es angezeigt, den Vertrauensschutzgedanken bei aufhebbaren Ehen kurz näher zu betrachten. Das deutsche Eheschließungsrecht kennt seit dem Eheschließungsrechtsgesetz vom 4. Mai 199810 neben der vollwirksamen Ehe die aufhebbare Ehe und die Nichtehe (matrimonium non existens). Die Figur der nichtigen Ehe wurde aufgegeben.11 Welche Art der fehlerhaften Ehe vorliegt, ergibt sich anhand des konkret gegebenen Fehlers, wobei die Grenzziehung weder zwischen materiellen und formellen Fehlern12 noch zwischen Mängeln im Tatbestand und Abschlussmängeln erfolgt.13 Vielmehr benennt das Gesetz diejenigen Fehlertypen

8 Vgl. Grziwotz, NZFam 2015, 543 (543 f.); MüKo-BGB8/Coester, Art. 17b EGBGB Rn. 110; Gernhuber/Coester-Waltjen, FamR7, § 40 Rn. 1; Dethloff, FamR33, § 8 Rn. 2. 9 Diese hat insbesondere Schwenzer im Blick, wenn sie die faktische Realbeziehung mit dem Status der Ehe vergleicht, Schwenzer, Vom Status zur Realbeziehung (1987), S. 26, 155 ff., 160 ff., 276 sowie dies., in: Tensions between Legal, Biological an Social Conceptions of Parentage (2007), S. 1 (3, 26). 10 Gesetz zur Neuordnung des Eheschließungsrechts (Eheschließungsrechtsgesetz – EheschlRG) vom 4.5.1998, BGBl I, Nr. 25, S. 833 ff. 11 Frank, in: LA Pintens I (2012), S. 607 (607 f.); Barth/Wagenitz, FamRZ 1996, 833 (842); MüKo-BGB9/Wellenhofer, § 1313 Rn. 1; MüKo-BGB9/Koch, Einl. FamR Rn. 182; Erman/Roth, BGB16, Vorbemerkung vor § 1313 Rn. 2; Hepting, FamRZ 1998, 713 (714); Tinnefeld, Bedeutungsverlust anfänglicher Eheschließungsmängel (2007), S. 129 ff.; kritisch etwa Bosch, NJW 1998, 2004 (2010); ders., FamRZ 1997, 138 (141); siehe auch Mock, Heilung (2014), S. 299. 12 Vgl. Staudinger/Voppel, BGB (2018), Vorbemerkungen zu §§ 1313 ff. Rn. 20; vgl. auch Frank, in: LA Pintens I (2012), S. 607 (607) („je nach dem Gewicht des Fehlers“). 13 Vgl. nur Gernhuber/Coester-Waltjen, FamR7, § 13 Rn. 4 mit vorsichtiger Kategorisierung der Fehlertypen.

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explizit im Wege abschließender Enumeration,14 die zur Aufhebbarkeit führen (vgl. §§ 1313 Satz 3, 1314, 1320 BGB), und hebt solche Verstöße hervor, die als so schwerwiegend erachtet werden, dass an eine dennoch vorgenommene Eheschließung grundsätzlich keine Rechtsfolgen geknüpft werden (vgl. nur §§ 1310 Abs. 1 Satz 1, 1303 Satz 2 BGB). Die erste Weichenstellung bei der rechtlichen Beurteilung einer fehlerhaft geschlossenen Ehe ist also die Unterscheidung zwischen aufhebbarer Ehe und Nichtehe. Im ersteren Fall stellt die Berücksichtigung von Vertrauensschutzaspekten die Rechtsanwendenden nicht vor größere Probleme. Bereits die in § 1313 Satz 2 BGB grundsätzlich angeordnete ex nunc-Wirkung15 der Aufhebung trägt dem Umstand Rechnung, dass eine eheliche Partnerschaft tatsächlich gelebt wurde, und vermeidet unbillige Härten, die aus der Rückabwicklung der Ehe resultieren können.16 Darüber hinaus ermöglicht das System der Eheaufhebung auf vielfältige Weise, den Kontinuitätsinteressen der Eheschließenden gerecht zu werden.17 Der Vertrauensschutzgedanke kann schon bei der Frage nach der Aufhebbarkeit eine entscheidende Rolle spielen (§ 1315 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 [Scheinehe], Abs. 2 Nr. 2 [formwidrige Erklärungen], § 1317 Abs. 1 [Ausschlussfrist bei Irrtum, Täuschung oder Drohung], § 1319 Abs. 1 und 2 BGB [unzutreffende Todeserklärung]). Haben die Eheschließenden die Eheschließungserklärungen entgegen § 1311 BGB nicht persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit abgegeben oder mit einer Bedingung oder Zeitbestimmung versehen, ist die Ehe beispielsweise gemäß § 1314 Abs. 1 Nr. 2 BGB grundsätzlich aufhebbar.18 Es besteht aber mit § 1315 Abs. 2 Nr. 2 BGB eine faktische Heilungsmöglichkeit, weil danach die Aufhebung der Ehe ausgeschlossen ist, wenn die 14 Vgl. Dethloff, FamR33, § 3 Rn. 45; BeckOK-BGB/Hahn (1.5.2022), § 1311 Rn. 2; Jauernig/Budzikiewicz, BGB18, §§ 1313–1318 Rn. 1; MüKo-BGB9/Wellenhofer, § 1313 Rn. 4; Erman/Roth, BGB16, Vorbemerkung vor § 1313 Rn. 5. 15 Dethloff, FamR33, § 3 Rn. 41; Gernhuber/Coester-Waltjen, FamR7, § 14 Rn. 1, 18; siehe auch Makowsky, RabelsZ 83 (2019), 577 (600); Frank, in: LA Pintens I (2012), S. 607 (608) weist zu Recht darauf hin, dass wegen der disparaten Regelungen in § 1318 BGB die Eheaufhebung auf Rechtsfolgenseite mal ex nunc und mal ex tunc wirkt. 16 Staudinger/Voppel, BGB (2018), § 1318 Rn. 9; vgl. auch MüKo-BGB9/Wellenhofer, § 1313 Rn. 1; Coester-Waltjen, in: FS Rolland (1999), S. 67 (74); siehe zur Ablösung der Eheanfechtung durch die Eheaufhebung durch den nationalsozialistischen Gesetzgeber MüKo-BGB9/Koch, Einl. FamR Rn. 93. Der Alliierte Kontrollrat fand daran aber nichts spezifisch Nationalsozialistisches, siehe nur Barth/Wagenitz, FamRZ 1996, 833 (841). 17 Vgl. Grüneberg/Siede, BGB81, § 1315 Rn. 1. Neben den nachfolgenden Beispielen mit unmittelbarem Bezug zum Vertrauensschutzgedanken gründen auch die sonstigen Tatbestände des § 1315 Abs. 1 BGB, nach denen die Aufhebung wegen Bestätigung ausgeschlossen ist, auf dem Motiv, einer tatsächlich gelebten Ehe nicht aus überholten Begründungsfehlern ihre rechtliche Existenz abzusprechen, vgl. nur Staudinger/Voppel, BGB (2018), § 1315 Rn. 7; BeckOGK-BGB/Otto (1.7.2022), § 1315 Rn. 2. 18 Nach teilweise vertretener Ansicht soll ein Verstoß gegen § 1311 Satz 2 BGB entgegen dem Wortlaut des § 1314 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht zur Aufhebbarkeit führen, vgl. etwa

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Ehegatten fünf Jahre oder, falls einer von ihnen vorher verstorben ist, bis zu dessen Tode, jedoch mindestens drei Jahre als Ehegatten miteinander gelebt haben. Das gilt nur dann nicht, wenn bei Ablauf der fünf Jahre oder zur Zeit des Todes die Aufhebung beantragt ist. Die Norm verkörpert eine Heilungsvorschrift,19 die der tatsächlich gelebten Ehe den Vorrang gegenüber der Sanktionierung des Begründungsfehlers und damit dem öffentlichen Ordnungsinteresse an der Aufhebung der Ehe einräumt.20 Interessant ist, dass es auf Gutgläubigkeit in Bezug auf den konkreten Eheschließungsmangel nicht ankommen soll.21 Das Tatbestandsmerkmal des Miteinanderlebens wird vielmehr objektiv bestimmt und verlangt, dass ein von außen erkennbarer Eindruck einer auf Dauer angelegten ehelichen Gemeinschaft entstanden ist.22 Wenngleich die Vorschrift also mangels erforderlicher Gutgläubigkeit nicht entscheidend auf Vertrauensschutz abstellt, unterstreicht sie die Bedeutsamkeit einer tatsächlichen Eheführung über mehrere Jahre und des Willens, das eheliche Band tatsächlich zu leben und aufrechtzuerhalten. Welcher Spielraum besteht, unangemessene Ergebnisse durch entsprechende Auslegung und Anwendung der Normen des Eheaufhebungsrechts zu vermeiden, trat jüngst im Zusammenhang mit sogenannten Frühehen anschaulich zutage. Die instanzgerichtliche Rechtsprechung verweigerte in mehreren Fällen unter Rekurs auf das Vorliegen einer schweren Härte i.S. des § 1315 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b BGB die Aufhebung einer nach Art. 13 Abs. 3 Nr. 2 EGBGB aufhebbaren Ehe, die nach den Maßstäben eines anderen EU-Mitgliedstaats wirksam geschlossen worden war.23 Die Entscheidungen werden im

Gernhuber/Coester-Waltjen, FamR7, § 14 Rn. 52; siehe aber auch BeckOGK-BGB/Kriewald (1.7.2022), § 1311 Rn. 27 (mwN). 19 Zum insoweit doppeldeutigen Begriff der Heilung nur BeckOGK-BGB/Otto (1.7.2022), § 1315 Rn. 3.1; Frank, StAZ 2018, 1 (2); Makowsky, RabelsZ 83 (2019), 577 (592 mit Fn. 72). 20 Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 32; Staudinger/Voppel, BGB (2018), § 1315 Rn. 5, 40; BeckOGK-BGB/Otto (1.7.2022), § 1315 Rn. 3 ff. 21 Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 33; Staudinger/Voppel, BGB (2018), § 1315 Rn. 40 f.; BeckOGK-BGB/Otto (1.7.2022), § 1315 Rn. 22; MüKoBGB9/Wellenhofer, § 1315 Rn. 19; Grüneberg/Siede, BGB81, § 1315 Rn. 16; Soergel/Heintzmann, BGB13, § 1315 Rn. 43; OLG Celle FamRZ 2004, 949. 22 Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 32 f.; OLG Celle FamRZ 2004, 949. 23 OLG Frankfurt a.M. FamRZ 2019, 1853 ff. (mAnm Kleinjohann); OLG Oldenburg FamRZ 2018, 1152 f.; AG Frankenthal FamRZ 2018, 749 f. (mAnm Löhnig), das allerdings unzutreffend auch einen Ermessensspielraum i.R. des § 1314 BGB annimmt; AG Nordhorn FamRZ 2018, 750 f.; siehe auch Jauernig/Budzikiewicz, BGB18, §§ 1313–1318 Rn. 3 sowie eingehend Makowsky, RabelsZ 83 (2019), 577 (604 ff.) sowie kritisch in Bezug auf die Begründung Coester-Waltjen, IPRax 2019, 127 (131).

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Wesentlichen auf eine drohende Verletzung unionaler Freizügigkeitsrechte gestützt;24 eine Einzelfalllösung, die der Gesetzgeber bereits im Gesetzgebungsverfahren des Kinderehenbekämpfungsgesetzes25 im Sinn hatte.26 Der insoweit maßgebliche Gedanke des unionsrechtlichen Anerkennungsprinzips knüpft zwar argumentativ an die unionale Freizügigkeit an, argumentative Parallelen zum Vertrauensschutzgedanken sind aber unverkennbar.27 Auf diesem dogmatischen (Um-)Weg erhalten vertrauensschützende Erwägungen auch jenseits einer Bestätigung i.S. des § 1315 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a BGB Einzug in die Entscheidung über die Aufhebbarkeit von sogenannten Frühehen. Die Erkenntnis, dass Gutgläubigkeit und Vertrauensschutz bei der Frage der Aufhebbarkeit bereits angemessen berücksichtigt werden können, veranschaulicht auch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1994. Die Beteiligten schließen im Jahr 1957 vor dem Standesbeamten die Ehe. Der Mann versichert an Eides statt, nicht verheiratet zu sein, während er in Wirklichkeit bereits im Jahr 1937 eine andere Frau geehelicht und mit ihr zwei Kinder bekommen hatte. Nach dem Krieg kehrt der Mann indes nicht zu seiner Familie zurück. Die (frühere) Ehefrau lässt ihn für verstorben erklären und bezieht seit dem Jahr 1966 eine Versorgungsrente. Diese wird ihr 1987 entzogen, als bekannt wird, dass ihr Ehemann noch lebt. Bezüglich des Unterhalts der (ersten) Ehefrau kann eine Einigung erzielt werden. Interessant ist im vorliegenden Zusammenhang das Schicksal der zweiten Ehe des Mannes. Sie wird vom Amtsgericht wegen Verstoßes gegen § 20 EheG a.F. (Vorgänger des § 1306 BGB) für nichtig erklärt. Der Bundesgerichtshof bestätigt schließlich die Entscheidung und unterstreicht, dass die Todeserklärung nicht zur Aufhebung der ersten Ehe geführt habe. Eine Todeserklärung28 enthalte lediglich eine Vermutung, die im zu entscheidenden Fall widerlegt sei.29 Die in § 38 EheG a.F. (entsprach inhaltlich § 1319 BGB) enthaltene Irrtumsregelung verhelfe ferner der zweiten Ehe nicht zur Wirksamkeit. Regelungsobjekt ist nämlich der umgekehrte Fall, in dem der Überlebende eine neue Ehe schließt und in Bezug auf den Tod des anderen Teils einem Irrtum unterliegt. Nur eine solche zweite 24 OLG Frankfurt a.M. FamRZ 2019, 1853 (1854) (mAnm Kleinjohann); OLG Oldenburg FamRZ 2018, 1152 (1153); AG Frankenthal FamRZ 2018, 749 (749) (mAnm Löhnig); AG Nordhorn FamRZ 2018, 750 (751); vgl. auch BeckOGK-BGB/Rentsch (1.8.2022), Art. 13 EGBGB Rn. 50 sowie Frank, StAZ 2019, 129 (135). 25 Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen vom 17.7.2017, BGBl I, Nr. 48, S. 2429 ff. 26 Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen vom 25.4.2017, BT-Drs. 18/12086, S. 22 („Eine außergewöhnliche Härte könnte sich im Einzelfall auch daraus ergeben, dass die Aufhebung einer unter Beteiligung eines Unionsbürgers geschlossenen Ehe dessen Freizügigkeitsrecht verletzen würde.“). 27 Siehe Hepting, StAZ 2013, 34 ff. sowie bereits oben, § 2 III. 28 Unerheblich war, dass es sich um eine polnische Todeserklärung handelte, weil diese mit derjenigen der §§ 13 ff. VerschG funktional vergleichbar ist, vgl. BGH NJW-RR 1994, 264 (264). 29 BGH NJW-RR 1994, 264 (264).

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Ehe des nicht für tot erklärten Teils genieße Bestandsschutz, der durch die gesetzliche Auflösung der ersten Ehe verwirklicht werde.30 Der Vertrauensschutz beziehe sich auf die amtliche Todeserklärung und könne deshalb nicht der Person zugutekommen, die für tot erklärt wurde.31 Einer analogen Anwendung der Heilungsvorschrift erteilt der Bundesgerichtshof unter Hervorhebung des Ausnahmecharakters der Norm eine klare Absage.32 Die Entscheidung veranschaulicht die Grenze, an die eine Berücksichtigung von Vertrauensschutz im Eheaufhebungsrecht stoßen kann. Sie erging aber noch vor dem eingangs erwähnten Eheschließungsrechtsgesetz aus dem Jahr 1998, sodass das Urteil die Frage nach der Ehenichtigkeit zu beantworten hatte. Das Verbot der Polygamie, das der zweiten Eheschließung der für verstorben erklärten Person entgegensteht, ist nunmehr aber Aufhebungsgrund gemäß § 1314 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Eine entsprechende Heilungsmöglichkeit besteht nach heute geltendem Recht nur dann, wenn vor der Schließung der neuen Ehe die Scheidung oder Aufhebung der früheren Ehe ausgesprochen ist und dieser Ausspruch nach der Schließung der neuen Ehe rechtskräftig wird (§ 1315 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Auch nach derzeit geltendem Eheschließungsrecht kommt es für das Aufrechterhalten der (zweiten) Ehe33 also auf die Auslegung und etwaige analoge Anwendung von § 1319 BGB an. Insoweit dürften die vom Bundesgerichtshof angestellten Erwägungen weiterhin zum Tragen kommen. Das Eheaufhebungsrecht stellt aber mit der Härteklausel des § 1316 Abs. 3 Satz 1 BGB ein weiteres Vehikel zum Austarieren von Einzelfallgerechtigkeit34 zur Verfügung, bei dessen Anwendung der Grundsatz, wonach eine Zweitehe grundsätzlich gegenüber der Erstehe zu missbilligen ist,35 nicht mehr unbesehen übertragen werden kann.36 Vielmehr hat eine umfassende Berücksichtigung des Einzelfalls zu erfolgen. Ob der Fall hiernach im Ergebnis

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BGH NJW-RR 1994, 264 (265). BGH NJW-RR 1994, 264 (265). 32 BGH NJW-RR 1994, 264 (265). 33 Vgl. zum akademischen Streit der Wirkungsweise der Heilung BeckOGK-BGB/Otto (1.7.2022), § 1315 Rn. 6; Staudinger/Voppel, BGB (2018), § 1315 Rn. 9 (mwN). 34 Die Vorschrift ermöglicht und erfordert die Abwägung von privatem Erhaltungsinteresse und öffentlichem Aufhebungsinteresse, siehe MüKo-BGB9/Wellenhofer, § 1316 Rn. 10; BGH FamRZ 2012, 940 (941); eingehend zu dieser Abwägung beispielsweise Coester-Waltjen, FamRZ 2012, 1185 (1187). 35 BGH NJW 1962, 1152 (1153); siehe auch FamRZ 2001, 685 (686) zum übergangsweise (Art. 226 EGBGB i.d.F. vom 4.5.1998) geltenden alten Eheschließungsrecht; 1986, 879 (880); NJW 1975, 872 (873). 36 So BeckOGK-BGB/Otto (1.7.2022), § 1316 Rn. 14; ähnlich Jayme, IPRax 2018, 473 (475); vgl. zum „Schutzgendanken einer gutgläubig eingegangenen Zweitehe Piekenbrock, IPRax 2001, 119 (122). 31

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anders beurteilt werden muss,37 ist für die vorliegende Untersuchung nicht von Bedeutung. Der Beispielsfall soll lediglich veranschaulichen, inwiefern bereits auf der Prüfungsebene der Aufhebbarkeit vielfältige Mechanismen (namentlich in §§ 1315, 1316 BGB) zum Schutz tatsächlich gelebter Ehen existieren. Auch auf Rechtsfolgenseite besitzen Gedanken des Vertrauensschutzes, der Gutgläubigkeit und Schutzwürdigkeit Relevanz für die Frage der (teilweisen) Anwendung der Vorschriften über die Scheidung (vgl. beispielsweise § 1318 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 538 BGB).39 In dem oben bemühten Beispiel der Aufhebung einer formfehlerhaften Ehe (i.S. des § 1315 Abs. 2 Nr. 2 BGB) kommt es für die Rechtsfolgen der Aufhebung beispielsweise auf die Kenntnis des Aufhebungsgrunds an.40 Man kann mithin konstatieren, dass für aufhebbare Ehen Vertrauensschutzaspekte bereits hinreichend gesetzlich fixiert sind und die Berücksichtigung einer (gutgläubig) gelebten Ehe innerhalb des Eheaufhebungsrechts strukturell und systematisch keine größeren Probleme bereitet. Dies ist der Grund, warum (lediglich) aufhebbare Ehen aus der vorliegenden Untersuchung grundsätzlich ausgeklammert wurden.

III. Fallgruppen und Problemaufriss Für eine erste Annäherung an die Frage nach der sachrechtlichen Behandlung gutgläubig gelebter Nichtehen sind die einschlägigen Fallkonstellationen nach ihrer jeweiligen Fehlerquelle zu ordnen. Die Ursachen unwirksamer Eheschließungen sollen in dieser Arbeit zwar nicht im Einzelnen untersucht und diskutiert werden, ihre Identifizierung ist aber erforderlich, um die Umstände der Eheschließung und die insoweit möglichen Kausalitäten zwischen Begründungsfehler und gutgläubig-faktischem Vollzug offenzulegen.

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Der Bundesgerichtshof lehnte eine Rechtsmissbräuchlichkeit des Antrags der Staatsanwaltschaft ab und konnte auch kein schutzwürdiges Vertrauen feststellen, das die Erhaltung der Ehe erfordere, siehe BGH NJW-RR 1994, 264 (265); zustimmend auch nach neuem Recht wohl MüKo-BGB9/Wellenhofer, § 1316 Rn. 12. 38 Kritisch zu § 1318 Abs. 5 BGB, Gernhuber/Coester-Waltjen, FamR7, § 14 Rn. 7 („Unverständlich, systematisch falsch platziert und rechtspolitisch völlig verfehlt“) sowie Tschernitschek, FamRZ 1999, 829 (830). 39 Siehe eingehend Gernhuber/Coester-Waltjen, FamR7, § 14 Rn. 23 sowie kritisch in Bezug auf die praktische Anwendbarkeit der Norm Rn. 24; vgl. auch MüKo-BGB9/Wellenhofer, § 1318 Rn. 1; BeckOGK-BGB/Otto (1.7.2022), § 1318 Rn. 1; Staudinger/Voppel, BGB (2018), § 1318 Rn. 1, 6, 9; Muscheler, FamR4, Rn. 276. 40 Gernhuber/Coester-Waltjen, FamR7, § 14 Rn. 55; kritisch auch Tschernitschek, FamRZ 1999, 829 (830).

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1. Die Eheschließung im Inland vor einer nicht ordnungsgemäß ermächtigten Person i.S. des Art. 13 Abs. 4 Satz 2 EGBGB Die überwiegende Zahl der Fälle, in denen Gutglaubensschutz für eine unwirksam geschlossene Ehe diskutiert wird, ist auf eine Eheschließung im Inland nach Art. 13 Abs. 4 Satz 2 EGBGB zurückzuführen. Nach dieser besonders fehleranfälligen Vorschrift können Personen, von denen keine die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, eine Ehe im Inland vor einer Person schließen, die von der Regierung eines Staats, dem einer der Nupturienten angehört, ordnungsgemäß ermächtigt wurde. a) Regelungshintergrund Die Vorschrift ist im Jahr 1947 als § 15a EheG a.F.41 eingeführt worden, um sogenannte Besatzungsehen, also Eheschließungen zwischen Angehörigen der Besatzungsmächte, entsprechend den Gesetzen ihres Heimatrechts zu ermöglichen.42 Sie war jedoch von jeher nicht auf die Eheschließung von Mitgliedern der Besatzungsmächte begrenzt, sondern fand universell Anwendung.43 So erlangte die Vorschrift im Zusammenhang mit der „Gastarbeitermobilität“44 spürbar an Bedeutung.45 Sie wurde im Jahr 1986 zunächst durch das IPR-Reformgesetz46 als Art. 13 Abs. 3 Satz 2 EGBGB a.F. übernommen und durch das Kinderehenbekämpfungsgesetz aus dem Jahr 201747 sachlich unverändert in Art. 13 Abs. 4 Satz 2 EGBGB n.F. verschoben. Die im Inland grundsätzlich zwingende Mitwirkung eines Standesbeamten (Art. 13 Abs. 4 Satz 1 EGBGB

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Kontrollratsgesetz Nr. 52 vom 21.4.1947 (AblKR, S. 273). BeckOGK-BGB/Rentsch (1.8.2022), Art. 13 EGBGB Rn. 256.1; MüKo-BGB8/Coester, Art. 13 EGBGB Rn. 138; Staudinger/Mankowski, BGB (2010), Art. 13 EGBGB Rn. 620; Soergel/Schurig, BGB12, Art. 13 EGBGB Rn. 86; BGH FamRZ 1965, 311 (313) (mAnm Bosch); Hepting, StAZ 1987, 154 (154); OLG Schleswig StAZ 1974, 153 (154). Siehe zu völkerrechtlichen Bezügen der Vorschrift sowie zu den damit verbundenen Anforderungen an die Ermächtigung Sonnenberger, StAZ 1964, 289 ff. 43 Siehe BGH FamRZ 1965, 311 (313) (mAnm Bosch); OLG Schleswig StAZ 1974, 153 (154). 44 MüKo-BGB8/Coester, Art. 13 EGBGB Rn. 138. 45 Hepting, StAZ 1987, 154 (154); Frank, in: LA Pintens I (2012), S. 607 (612); MüKoBGB8/Coester, Art. 13 EGBGB Rn. 138; BeckOGK-BGB/Rentsch (1.8.2022), Art. 13 EGBGB Rn. 256.1. 46 Gesetz zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts vom 25.7.1986, BGBl I, Nr. 37, S. 1142 ff. 47 Art. 2 Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen vom 17.7.2017, BGBl I, Nr. 48, S. 2429 ff. 42

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i.V. mit § 1310 Abs. 1 BGB) soll neben anderen Regelungszwecken die Einhaltung der obligatorischen Form gewährleisten48 und dient damit dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit im Personenstandsrecht. An diese Ratio knüpft Art. 13 Abs. 4 Satz 2 EGBGB an: Mit der Bevollmächtigung durch den ausländischen Staat übernimmt dieser Gewähr für die formwirksame Eheschließung.49 Darüber hinaus soll erreicht werden, dass auch der ausländische Staat die Eheschließung anerkennt, was bei der Eheschließung vor einem deutschen Standesamt nicht selbstverständlich der Fall ist.50 Die Regelung erscheint vor diesem Hintergrund weniger als Ausnahme denn als konsequente Fortführung des Grundsatzes, dass die „Mitwirkung bei der Eheschließung ausschließlich eine Funktion des Staates ist“.51 b) Problemsensible Tatbestandsvoraussetzungen aa) Staatsangehörigkeit Die Möglichkeit, bei einer Inlandseheschließung von der Inlandsform abzuweichen, steht indes nur Eheleuten ohne deutsche Staatsangehörigkeit offen; Personen, die zumindest auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, sind damit vom Anwendungsbereich ausgeschlossen.52 Wie die exemplarischen Problemfälle noch verdeutlichen werden, ist die Voraussetzung fehlender deutscher Staatsangehörigkeit eine in der Praxis durchaus relevante Fehlerquelle, was aber häufig seinen Grund in den Regelungen über die Staatsangehörigkeit hat. bb) Ordnungsgemäße Ermächtigung Die Voraussetzung der ordnungsgemäßen Ermächtigung ist Ausdruck der weltlichen Ehe. Wie einleitend skizziert wird dadurch die hinreichende Legitimierung der Eheschließung durch den ausländischen Staat sichergestellt. Die ordnungsgemäße Ermächtigung kann jedes staatliche Handeln sein, muss aber 48 Kropholler, IPR6, § 44 II 1a, S. 336; jurisPK-BGB/Mäsch (5.10.2020), Art. 13 EGBGB Rn. 67; Staudinger/Mankowski, BGB (2010), Art. 13 EGBGB Rn. 551; von Bar/Mankowski, IPR II2, § 4 Rn. 149 ff.; siehe auch Hepting, StAZ 1987, 154 (155). 49 Grundlegend BGH FamRZ 1965, 311 (314) (mAnm Bosch). 50 Vgl. Sonnenberger, StAZ 1964, 289 (293). 51 OLG Schleswig StAZ 1974, 153 (154) im Anschluss an BGH FamRZ 1965, 311 (314) (mAnm Bosch); eingehend auch Hepting, StAZ 1987, 154 (155 f.). 52 Ganz h.M., Hepting/Dutta, Familie und Personenstand3, Rn. III-435; BeckOGKBGB/Rentsch (1.8.2022), Art. 13 EGBGB Rn. 257; BeckOK-BGB/Mörsdorf (1.2.2022), Art. 13 EGBGB Rn. 68; MüKo-BGB8/Coester, Art. 13 EGBGB Rn. 139; Staudinger/Mankowski, BGB (2010), Art. 13 EGBGB Rn. 621 ff.; Erman/Stürner, BGB16, Art. 13 EGBGB Rn. 49; Grüneberg/Thorn, BGB81, Art. 13 EGBGB Rn. 33; Soergel/Schurig, BGB12, Art. 13 EGBGB Rn. 87; Frank, in: LA Pintens I (2012), S. 607 (612); OLG Schleswig StAZ 1974, 153 (153 f.) (mwN zur früheren Gegenansicht); OLG Oldenburg FamRZ 2021, 269 (269).

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gewährleisten, dass die Eheschließung staatlicher Hoheitsakt bleibt.53 Sie muss sich ausdrücklich auf die Eheschließung im Ausland (erkennbarer spezifischer Auslandsbezug54) beziehen.55 Eine Beschränkung der Ermächtigung zur Eheschließung nur zwischen Personen des eigenen Staats oder eine Erweiterung auf Eheschließungen zwischen Personen, von denen keine dem eigenen Staat angehört, haben nur geringen Einfluss auf die Wirksamkeit der Ermächtigung nach deutschem Recht und die auf ihrer Grundlage geschlossenen Ehen: Während eine Erweiterung schon deshalb keine spürbare Wirkung entfaltet, weil nach Art. 13 Abs. 4 Satz 2 EGBGB mindestens einer der Nupturienten dem ermächtigenden Staat angehören muss, ist die Ehe, die einer Beschränkung zum Trotz zwischen einem eigenen Angehörigen und einer Person mit anderer Staatsangehörigkeit geschlossen wird, nach deutschem Recht dennoch wirksam.56 Ermächtigte Personen können Geistliche, Konsularbeamte oder sonstige staatliche Funktionsträger sein.57 Insbesondere bei der Ermächtigung von geistlichen und religiösen Trauungspersonen wie beispielsweise Priestern wird aber eine besondere staatliche Ermächtigung gefordert, die über die allgemeine sakramentale Berechtigung (im ausländischen Inland) hinausgeht.58 Das bedeutet, dass die generelle rechtliche Anerkennung der religiösen Eheschließung in einem Staat noch keine ordnungsgemäße Ermächtigung i.S. des Art. 13 Abs. 4 Satz 2 EGBGB darstellt.59 53 Erman/Stürner, BGB16, Art. 13 EGBGB Rn. 50; MüKo-BGB8/Coester, Art. 13 EGBGB Rn. 140; BGH FamRZ 1965, 311 (314) (mAnm Bosch); Hepting/Dutta, Familie und Personenstand3, Rn. III-419; vgl. Hepting, StAZ 1987, 154 (155) sowie Sonnenberger, StAZ 1964, 289 (291). 54 Vgl. Hepting/Dutta, Familie und Personenstand3, Rn. III-420. 55 BGH FamRZ 1965, 311 (313 f.) (mAnm Bosch); MüKo-BGB8/Coester, Art. 13 EGBGB Rn. 140. 56 Staudinger/Mankowski, BGB (2010), Art. 13 EGBGB Rn. 625 ff., siehe aber auch Rn. 32; a.A. MüKo-BGB8/Coester, Art. 13 EGBGB Rn. 140 sowie, allerdings quasi obiter dicta, Fachausschuss/Kraus, StAZ 2015, 90 (91). 57 Siehe statt vieler BeckOGK-BGB/Rentsch (1.8.2022), Art. 13 EGBGB Rn. 259. 58 BGH FamRZ 1965, 311 (313) (mAnm Bosch); Henrich, RabelsZ 37 (1973), 230 (233 f.); BeckOGK-BGB/Rentsch (1.8.2022), Art. 13 EGBGB Rn. 259.1; BeckOKBGB/Mörsdorf (1.2.2022), Art. 13 EGBGB Rn. 69; MüKo-BGB8/Coester, Art. 13 EGBGB Rn. 140; Staudinger/Mankowski, BGB (2010), Art. 13 EGBGB Rn. 636; Erman/Stürner, BGB16, Art. 13 EGBGB Rn. 51; Grüneberg/Thorn, BGB81, Art. 13 EGBGB Rn. 34; Soergel/Schurig, BGB12, Art. 13 EGBGB Rn. 89; siehe ausführlich Hepting, StAZ 1987, 154 (157); vgl. zu den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Ermächtigung ferner Hepting/Dutta, Familie und Personenstand3, Rn. III-419 ff. Siehe zum früheren Streitstand anschaulich LSG Rheinland-Pfalz FamRZ 1974, 373 (375) sowie Weyers, FamRZ 1964, 169 (171 ff.), der zu einem anderen Ergebnis als die h.M. gelangt, vgl. (173). 59 MüKo-BGB8/Coester, Art. 13 EGBGB Rn. 141; vgl. bereits Raape, IPR5, § 27 III 1b, S. 248. Die besondere Ermächtigung von Geistlichen erfolgt überwiegend durch Verbalnote eines ausländischen Staats gegenüber dem Auswärtigen Amt, in welcher die zu ermächtigende Person individuell bezeichnet wird, siehe Hepting/Dutta, Familie und Personenstand3,

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Die Ermächtigung muss im Übrigen zum Zeitpunkt der fraglichen Eheschließung vorliegen und entfaltet keine Rückwirkung.60 Die Beweislast trägt die Partei, die sich auf die wirksame Eheschließung beruft.61 Ihr Fehlen im Zeitpunkt der Eheschließung führt regelmäßig zu unerkannt unwirksamen Eheschließungen, wie sogleich zu zeigen sein wird. Das liegt vor allem auch daran, dass der gute Glaube der Beteiligten an die ordnungsgemäße Ermächtigung nicht geschützt wird.62 c) Exemplarische Problemfälle Die Vorschrift des Art. 13 Abs. 4 Satz 2 EGBGB und ihre Voraussetzungen, die soeben nur auszugsweise skizziert worden sind, hat zu einer Vielzahl von Fällen geführt, in der eine Ehe zwar unwirksam geschlossen wird, den Beteiligten aber der Begründungsfehler verborgen bleibt. Drei Beispiele sollen die klassischen Probleme im Anwendungsbereich der Norm veranschaulichen. aa) Militärgeistliche Zugeschnitten auf die Eheschließung zwischen Angehörigen der Besatzungsmächte, wirkte sich § 15a EheG a.F. anfangs namentlich bei der Eheschließung von britischen Soldaten in Deutschland praktisch aus. Wie im bereits einleitend dargestellten Sachverhalt63 der Witwenrentenentscheidung des Bundesverfassungsgerichts kam es aber in der Folge vermehrt zu Eheschließungen vor britischen Militärgeistlichen zwischen einem Angehörigen der britischen Streitkräfte und einer deutschen Frau.64 Eine ordnungsgemäße Ermächtigung der Trauungsperson lag zu jener Zeit mit dem Foreign Marriage Act von 189265 zwar vor. Allerdings scheiterte die wirksame Eheschließung an der deutschen Staatsangehörigkeit der Frau, die die britische Staatsangehörigkeit erst nach der Eheschließung annahm. Nach deutschem Recht handelte es sich deshalb um eine Nichtehe. Die Besonderheit liegt in diesen Fällen auch darin begründet, dass die britische Ermächtigung nur voraussetzt, dass einer der beiden Rn. III-426 sowie MüKo-BGB8/Coester, Art. 13 EGBGB Rn. 141; Soergel/Schurig, BGB12, Art. 13 EGBGB Rn. 89 sowie ausführlich Staudinger/Mankowski, BGB (2010), Art. 13 EGBGB Rn. 643. 60 Erman/Stürner, BGB16, Art. 13 EGBGB Rn. 52; Soergel/Schurig, BGB12, Art. 13 EGBGB Rn. 90, 94; BGH FamRZ 1965, 311 (314) (mAnm Bosch); OLG München StAZ 1994, 377 (378). Siehe auch Staudinger/Mankowski, BGB (2010), Art. 13 EGBGB Rn. 644 sowie Rn. 643 zum Verfahren der Ermächtigung im Einzelnen. 61 AG Groß-Gerau FamRZ 2017, 1491 (1491). 62 Frank, in: LA Pintens I (2012), S. 607 (613). 63 Siehe oben, § 1 II. 64 Vgl. nur BVerfGE 62, 323 (325); OLG Köln FamRZ 1994, 891 ff. 65 Nach dessen § 22, vgl. auch OLG Köln FamRZ 1994, 891 ff. sowie Staudinger/Mankowski, BGB (2010), Art. 13 EGBGB Rn. 632.

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Nupturienten die englische Staatsangehörigkeit besitzt.66 Das ändert aber an den Voraussetzungen des § 15a EheG a.F. nichts.67 Aus diesem Grund war die Eheschließung nach britischem Recht wirksam und führte zu einer hinkenden Ehe (die von Art. 13 Abs. 4 Satz 2 EGBGB intendierte Gewährleistung des ausländischen Staats für die Wirksamkeit der Eheschließung ist also erfüllt), woran insbesondere das Bundesverfassungsgericht argumentativ anknüpfte, um Vertrauensschutzaspekte zugunsten der Frau zu berücksichtigen.68 bb) Sogenannte Wiedertürkenfälle Auch in dem ebenfalls in der Einleitung geschilderten Fall69 der sogenannten Wiedertürken (unzutreffende ausländerrechtliche Einordnung einer Frau durch deutsche Behörden als Nurtürkin) ist die (unbekannte) deutsche Staatsangehörigkeit der faktischen Ehefrau punctum saliens für die Unwirksamkeit der Eheschließung. In diesem Fall ist vor allem der behördliche Beitrag zum gutgläubigen Vollzug der Nichtehe hervorzuheben. Die Konstellation kann mittlerweile mit § 30 Abs. 1 StAG gelöst werden,70 was jedoch für diejenigen Fälle zu spät kommen dürfte, in denen die Eheschließung vor Inkrafttreten des § 30 Abs. 1 StAG im Jahr 200771 erfolgte.72 Ein ähnlicher Fall, allerdings ohne behördliche Verursachung des Irrtums über die Staatsangehörigkeit, liegt einem Beschluss des Amtsgericht Mainz73 zugrunde. Ein Mann schließt am 20.12.1990 vor dem türkischen Generalkonsul die Ehe, obwohl er bereits am 2.7.1990 die deutsche Einbürgerungsurkunde erhalten hatte. Es liegt auch hier eine Nichtehe vor, die allerdings im Jahr 1991 anlässlich der Eintragung der Geburt einer gemeinsamen Tochter Eingang in die Personenstandsregister findet.74 Deshalb kann die Heilungsvorschrift des § 1310 Abs. 3 BGB helfen. Es handelt sich um einen der seltenen Fälle, in denen § 1310 Abs. 3 BGB heilend eingreift.75 Ein Irrtum über die eigene (deutsche) Staatsangehörigkeit kann auch ohne behördliches Zutun entstehen. In einem vom OLG Schleswig76 entschiedenen Fall schließt ein in Paraguay geborener Mann mit einer paraguayischen Frau 66

Siehe Staudinger/Mankowski, BGB (2010), Art. 13 EGBGB Rn. 632. Siehe bereits oben, § 7 III 1b) bb). 68 BVerfGE 62, 323 (331). 69 Siehe ausführlich oben, § 1 II sowie Frank, StAZ 2011, 236 ff. und ders., in: LA Pintens I (2012), S. 607 (614 f.). 70 Siehe Frank, StAZ 2011, 236 (239). 71 Eingefügt mit Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.8.2007, BGBl I, Nr. 42, 1970 (2005). 72 Frank, StAZ 2011, 236 (239); OLG München StAZ 2013, 143 (143). 73 AG Mainz FamRZ 2003, 600. 74 AG Mainz FamRZ 2003, 600 (600). 75 Siehe noch unten, § 7 IV 1b). 76 OLG Schleswig StAZ 1974, 153 f. 67

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vor dem Generalkonsul der Republik Paraguay in Hamburg die Ehe. Allerdings war der Vater des Mannes deutscher Staatsangehöriger gewesen und vermittelt deshalb dem Mann auch die deutsche Staatsangehörigkeit.77 Die konkreten Umstände des Falls ergeben sich aus der Entscheidung zwar nicht, aber im Schrifttum wurde im Zusammenhang mit dieser Entscheidung kritisiert, dass entgegen dem OLG Schleswig eine Nichtehe nicht angenommen werden dürfe, wenn sich im Nachhinein herausstelle, dass „einer der Ehegatten von seinen Vorfahren her noch die deutsche Staatsangehörigkeit besaß“.78 Auch insoweit stellt sich die Frage, ob das Vertrauen der faktischen Eheleute in den Bestand der von ihnen gelebten Ehe rechtliche Relevanz besitzt.79 cc) Sogenannte Griechenehen Noch häufiger als Fällen im Zusammenhang mit britischen Militärgeistlichen begegnet man hinkenden Ehen, die vor einem griechisch-orthodoxen Geistlichen in Deutschland geschlossen wurden.80 Fehlerquelle ist in diesen Fällen nicht die Staatsangehörigkeit der Beteiligten, sondern die ordnungsgemäße Ermächtigung der Trauungsperson.81 Hintergrund der unwirksamen Ermächtigung sind die einleitend skizzierten besonderen Voraussetzungen, die an eine Ermächtigung von Geistlichen zu stellen sind. So folgte der griechische Staat zunächst der Auffassung, die in seinem Zivilgesetzbuch enthaltene generelle Ermächtigung aller orthodoxen Priester zur Vornahme von Eheschließungen lasse eine Einzelermächtigung obsolet erscheinen.82 Benennungen, die den Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 4 Satz 2 EGBGB beziehungsweise seiner inhaltsgleichen Vorgängernormen entsprechen, erfolgten mithin erst in den Sechzigerjahren.83 Griechenland ließ im Übrigen bis in die Achtzigerjahre lediglich die religiöse Eheschließung zu.84 Das hatte zur Folge, dass eine Ehe-

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OLG Schleswig StAZ 1974, 153 (153). MPI, RabelsZ 47 (1983), 595 (610); siehe auch Staudinger/Mankowski, BGB (2010), Art. 13 EGBGB Rn. 623. 79 Vgl. Frank, in: LA Pintens I (2012), S. 607 (616). 80 Vgl. nur BGH FamRZ 2003, 838 ff. (mAnm Borgmann); 1965, 311 ff. (mAnm Bosch); OLG München StAZ 1994, 377 ff.; KG StAZ 1996, 204 ff.; OLG Nürnberg FamRZ 2021, 493 ff. (mAnm Solomon) sowie die zahlreichen Beispiele bei Staudinger/Mankowski, BGB (2010), Art. 13 EGBGB Rn. 639; siehe auch OLG Hamburg FamRZ 1981, 356 ff. (mAnm Bosch) zu einem katholischen Geistlichen. 81 So auch AG Groß-Gerau FamRZ 2017, 1491 (Eheschließung zweier Afghanen nach islamischen Scharia-Vorschriften). 82 Vgl. Sonnenberger, StAZ 1964, 289 (289). 83 Siehe Staudinger/Mankowski, BGB (2010), Art. 13 EGBGB Rn. 644. 84 Vgl. NK-FamR4/Savidis, Griechenland Rn. 3; Raape, IPR5, § 27 III 1a, S. 245 f.; Weyers, FamRZ 1964, 169 (169); siehe zum Rechtszustand im Jahr 1964 auch Sonnenberger, 78

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schließung in Deutschland vor dem Standesamt nach griechischem Recht unwirksam war und die in Deutschland lebenden Griechen quasi auf die Trauung vor dem Geistlichen angewiesen waren. Deren alleinige Beteiligung wiederum führte jedoch zu nach deutschem Recht unwirksamen Ehen. In dem einleitend geschilderten Sachverhalt, der einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 13.3.2003 zugrunde lag, geht es beispielsweise um eine Eheschließung, die im Jahr 1962 vorgenommen wird, während eine Ermächtigung, die den Anforderungen des Art. 13 Abs. 4 Satz 2 EGBGB genügt, erst 1964 vorliegt.85 Die Ehe ist nach deutschem Recht eine Nichtehe, nach griechischem Recht hingegen voll wirksam. Sie wird aber jedenfalls von den Beteiligten für wirksam gehalten und subjektiv als solche bis ins Jahr 1989 gelebt. Erst viele Jahre nach Abschluss eines Scheidungsverfahrens (sic!) erfährt der Mann von der formellen Unwirksamkeit der Eheschließung.86 Während es im Fall des Bundesgerichtshofs im Kern (eingekleidet in einen Regressfall) um Scheidungsfolgen geht, ist beispielsweise in einer Entscheidung des OLG Nürnberg87 die Frage, ob zwischen den Eltern eines Kindes eine wirksame Ehe bestand, für die Namensführung des Kindes von Bedeutung. Insoweit zeigt sich, dass Vertrauensschutz in Bezug auf eine unerkannt unwirksame Ehe in unterschiedlichen Zusammenhängen virulent werden kann. d) Zwischensumme und Reformbestrebungen Schon die wenigen Beispielsfälle haben die Fehleranfälligkeit des Art. 13 Abs. 4 Satz 2 EGBGB offenbart. Die meisten Fälle von gutgläubig gelebten Nichtehen stehen im Zusammenhang mit dieser Ausnahmevorschrift.88 Schon seit längerem wird eine grundlegende Reform des Art. 13 EGBGB diskutiert,89 wobei die Überlegung im Raum steht, die Ausnahmeregel des Abs. 4 Satz 2 als eine Art zweite (alternative) Inlandsform in das Eheschließungsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu übernehmen.90 Auch im Deutschen Rat für IPR stößt dieser Vorschlag vor dem Hintergrund, dass man sich ganz generell dafür ausspricht, im deutschen internationalen Eherecht das Staatsangehörigkeitsprinzip

StAZ 1964, 289 (289). Vgl. auch Müller-Freienfels, Sozialversicherungsrecht und das BVerfG (1984), S. 10. 85 BGH FamRZ 2003, 838 (838) (mAnm Borgmann); noch knapper war es im Fall von OLG Nürnberg FamRZ 2021, 493 ff. (mAnm Solomon) (6 Monate). 86 Mäsch, IPRax 2004, 421 (421). 87 OLG Nürnberg FamRZ 2021, 493 ff. (mAnm Solomon). 88 Ähnlich in Bezug auf formnichtige Inlandsehen Frank, in: LA Pintens I (2012), S. 607 (613). 89 Siehe umfassend BeckOGK-BGB/Rentsch (1.8.2022), Art. 13 EGBGB Rn. 4 ff. (mwN); Coester-Waltjen, IPRax 2021, 29 ff.; vgl. bereits Dorenberg, Hinkende Rechtsverhältnisse (1968), S. 59. 90 Coester-Waltjen, StAZ 2013, 10 (18 mit Fn. 50).

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durch die Maßgeblichkeit der lex loci celebrationis zu ersetzen, wohl auf Zustimmung.91 Wie auch immer aber ein zukünftiger Art. 13 EGBGB aussehen wird, hinkende Ehen werden sich nicht vollständig verhindern lassen.92 Deshalb werden die hier aufgeworfenen Fragen nach der hinreichenden Berücksichtigung von Vertrauensschutz auch weiterhin von praktischer Bedeutung sein. 2. Die inländische Nichtehe ohne Auslandsbezug Inlandsfälle ohne Auslandsbezug haben die Praxis bislang weitaus seltener beschäftigt, aber auch sie können das deutsche Sachrecht mitunter vor Probleme stellen. a) Rein religiöse Eheschließung Soweit nicht der Anwendungsbereich von Art. 13 Abs. 4 Satz 2 EGBGB eröffnet ist, führen Eheschließungen ohne standesamtliche Beteiligung wegen der eingangs skizzierten Verweltlichung der Eheschließung, die vor allem in dem Gebot der obligatorischen Zivilehe ihren legislatorischen Ausdruck findet, regelmäßig zu Nichtehen. Das gilt wegen Art. 13 Abs. 4 Satz 1 EGBGB i.V. mit § 1310 Abs. 1 Satz 1 BGB grundsätzlich für alle Eheschließungen im Inland. Der bereits einleitend dargestellte Sachverhalt,93 der einer Entscheidung des High Court of England and Wales94 zugrunde lag, wirft hier – auch wenn man ihn in Deutschland spielen ließe – exemplarisch95 Probleme auf. Eine Frau mit muslimischer Religionszugehörigkeit führt mit einem muslimischen Mann eine Eheschließungszeremonie vor einer staatlich dazu nicht autorisierten Stelle

91 Siehe die Beschlüsse der Sitzung der Ersten Kommission des Deutschen Rats für IPR zur Reform des Ehe- und Lebenspartnerschaftsrechts am 9./10.11.2012 in Würzburg, vorgestellt bei Mansel, IPRax 2013, 200 (201) [II]. Siehe auch das Gutachten von Coester-Waltjen, IPRax 2021, 29 ff. 92 Coester-Waltjen, IPRax 2021, 29 (30); dies., StAZ 2013, 10 (13). 93 Siehe oben, § 7. 94 High Court of England and Wales, Rs. Akhter v Khan vom 31.7.2018, [2018] EWFC 54; siehe Kaesling, StAZ 2019, 102 ff. Die Entscheidung wurde am 14.2.2020 vom Court of Appeal, [2020] EWCA Civ 122, aufgehoben, vgl. auch Bergmann Aktuell – Status einer nur islamisch geschlossenen Ehe, 26.2.2020, abrufbar unter: https://www.vfst.de/bergmann-aktuell/nachrichten/status-nur-islamisch-geschlossenen-ehe-2020-02-26?pk_campaign=2020_02_BFHA_NL_Ausgabe_2_2020&pk_kwd=02_Laendernachrichten_02_Vereinigtes_Koenigreich (zuletzt 6.9.2022). 95 Siehe zu anderen Fällen einer rein religiösen Eheschließung im Inland OLG Oldenburg FamRZ 2021, 269 ff. (auch mit Feststellungen zur Bestimmung des Orts der Eheschließung); OVG Lüneburg NJW 2005, 1739 f.; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. vom 20.5.2014 – OVG 3 M 7.14, juris; AG Groß-Gerau FamRZ 2017, 1491; früh bereits VG Berlin FamRZ 1955, 70 ff. (mAnm Bosch).

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durch, und zwar in dem vollen Bewusstsein, dadurch keine zivilrechtlich wirksame Ehe zu schließen. Die Parteien versprechen sich aber gegenseitig, eine zivilrechtliche Eheschließung nachzuholen, was der Mann allerdings wiederholt verweigert. Das Paar lebt insgesamt zwanzig Jahre als Eheleute zusammen und bekommt vier gemeinsame Kinder. Nach Streitigkeiten „in Bezug auf häusliche Gewalt und Maßnahmen zum Kindesschutz“96 begehrt die Frau die Scheidung und damit verbundene Scheidungsfolgen. Auf die vom High Court bemühten Lösungsansätze des englischen Rechts zur Erzielung eines einzelfallgerechten Ergebnisses soll hier nicht eingegangen werden.97 Nach deutschem Recht stellte sich die Ehe als Nichtehe dar (§ 1310 Abs. 1 Satz 1 BGB), mit der Konsequenz, dass der Frau weder ein Anspruch auf Versorgungsausgleich noch unterhalts- oder erbrechtliche Ansprüche zustünden. Damit ist die Frage aufgeworfen, ob und auf welchem Wege der Frau geholfen werden könnte. Womöglich bietet sich eine gedankliche Parallele zu den Fällen an, in denen eine zivile Eheschließung den Beteiligten aus tatsächlichen Gründen (z.B. Nachkriegswirren) nicht möglich war.98 Wenngleich die Frau von der zivilrechtlichen Bedeutungslosigkeit der rein religiösen Eheschließung positive Kenntnis hatte und damit im Unterschied zu den anderen Fallkonstellationen von einer gutgläubig geführten Ehe nicht gesprochen werden kann, besitzt der Gedanke des Vertrauensschutzes im vorliegenden Kontext gleichwohl seine Berechtigung;99 dies insofern, als die Frau auf den gemeinsamen Entschluss zur Durchführung einer zivilen Eheschließung vertraute und auf dieser Grundlage den in ihrem Kulturkreis verbindlichen Akt der religiösen Eheschließung vornahm. b) Eheschließung vor einem Scheinstandesbeamten Problematische Konstellationen einer formunwirksamen Ehe bei reinen Inlandsfällen sind, um es mit Frank tautologisch zu formulieren, wegen § 1310 Abs. 2 BGB100 eine „seltene Rarität“.101 In einem Fall aus der standesamtlichen Praxis, der im Jahr 1983 vom Fachausschuss des Bundesverbands der Deutschen Standesbeamtinnen und Standesbeamten102 analysiert wurde, geht es je-

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Kaesling, StAZ 2019, 102 (103). Siehe umfassend Kaesling, StAZ 2019, 102 ff. 98 Siehe zu den Fällen von unterbliebenen staatlichen Eheschließungen infolge der Nachkriegswirren nur Thomas, Formlose Ehen (1973), S. 131 ff. Siehe ferner unten, § 11 II 1b) mit Fn. 52. 99 Siehe auch Kaesling, StAZ 2019, 102 (105) zum englischen Recht. 100 Als Standesbeamter gilt danach auch, wer, ohne Standesbeamter zu sein, das Amt eines Standesbeamten öffentlich ausgeübt und die Ehe in das Eheregister eingetragen hat. Siehe zu dieser Vorschrift noch unten, § 7 IV 1a). 101 Frank, in: LA Pintens I (2012), S. 607 (611), s. auch (609 ff.) zu weiteren Beispielen. 102 Fachausschuss/Nied, StAZ 1983, 283 (283 f.). 97

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doch um eine Paar, das die Eheschließung zwar in einem Standesamt vornimmt, dort aber ein Angestellter, der nicht zum Standesbeamten bestellt war, die Erklärungen entgegennimmt. Dieser legt die Eintragung dem tatsächlich bestellten Standesbeamten vor, anstatt sie selbst zu unterzeichnen.103 Der Standesbeamte unterzeichnet sodann die Eintragung und stellt die Urkunde aus. Die Eheschließung verstößt gegen § 11 Abs. 1 EheG a.F. (Vorgänger des § 1310 Abs. 1 BGB) und ist damit eine Nichtehe. Auch die Fiktion des § 11 Abs. 2 EheG a.F. (nunmehr § 1310 Abs. 2 BGB) kann mangels Eintragung der Ehe durch den Scheinstandesbeamten selbst nicht eingreifen.104 Über die Frage, ob die Ehe gleichwohl (inzwischen) wirksam ist, konnte der Fachausschuss keine Einigkeit erzielen.105 Mittlerweile steht mit § 1310 Abs. 3 BGB eine Heilungsvorschrift zur Verfügung, die insoweit Abhilfe schaffen könnte.106 c) Eheschließung mit einer unter sechzehnjährigen Person Materiell unwirksame Ehen (im Sinne einer Nichtehe107) ohne Auslandsbezug sind beispielsweise denkbar, wenn ein Verstoß gegen § 1303 Satz 2 BGB gegeben ist, also die Ehe im Inland mit einer Person (egal welcher Staatsangehörigkeit, vgl. Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB) unter sechzehn Jahren geschlossen wird. Das dürfte allerdings wegen der sorgsamen Prüfung und umfassenden Ausbildung der deutschen Standesbeamtenschaft ein lediglich theoretischer Fall bleiben.108 d) Formwidrige Eheschließungserklärungen Ferner ist eine Nichtehe gegeben, wenn schon die Eheschließungserklärungen i.S. des § 1310 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht vorliegen. Ein Beispiel für diese ungewöhnlich anmutende Konstellation ist ein Fall, über den der Bundesgerichtshof im Jahr 1978109 zu entscheiden hatte. Ausgangspunkt ist eine (bestrittene und unbelegte) Ferntrauung zwischen zwei deutschen Staatsangehörigen in der 103

Dann hätte die in § 1310 Abs. 2 BGB enthaltene Fiktion helfen können. Fachausschuss/Nied, StAZ 1983, 283 (284). 105 Fachausschuss/Nied, StAZ 1983, 283 (284). 106 Siehe hier vorerst nur BeckOGK-BGB/Kriewald (1.7.2022), § 1310 Rn. 75; siehe ausführlich unten, § 7 IV 1b). 107 Siehe Schwab, FamRZ 2017, 1369 (1370); Coester-Waltjen, IPRax 2017, 429 (431); Antomo, ZRP 2017, 79 (80); Hüßtege, FamRZ 2017, 1374 (1376); BeckOGK-BGB/Kriewald (1.7.2022), § 1303 Rn. 31; Jauernig/Budzikiewicz, BGB18, §§ 1303, 1304 Rn. 3 unter Berufung auf den Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen vom 25.4.2017, BT-Drs. 18/12086, S. 22; a.A. offenbar Majer, NZFam 2017, 537 (539). 108 Vgl. BeckOGK-BGB/Kriewald (1.7.2022), § 1303 Rn. 32; NK-FamR4/Antomo, § 1303 Rn. 14. 109 BGH FamRZ 1983, 450 ff.; siehe kritisch Hepting, IPRax 1994, 355 (356, 360) sowie Steding, Der rechtliche Schutz nichtstandesamtlich geschlossener Ehen (1985), S. 64 ff. 104

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Zeit des Zweiten Weltkriegs. Nach der Personenstandsverordnung der Wehrmacht in der Fassung vom 17.10.1942110 konnte nämlich eine Ferntrauung erfolgen, wenn der als Soldat eingesetzte Mann vor seiner militärischen Dienststelle und die Frau vor dem heimischen Standesamt jeweils Eheschließungserklärungen abgaben.111 In dem Fall ist unklar, ob die von der Frau behauptete Ferntrauung tatsächlich und wirksam erfolgt ist. Der Mann jedenfalls leugnet die Abgabe einer entsprechenden Eheschließungserklärung. Allerdings lebt das Paar seit der Rückkehr des Mannes im Jahr 1949 als Eheleute zusammen und gibt sich auch als solche gegenüber Behörden und Dritten aus.112 Insbesondere beantragt die Frau im Jahr 1959 die Anlegung eines Familienbuchs, und zwar unter Bezugnahme auf die Ferntrauung. Dies bestätigt der Mann gegenüber dem Standesamt, welches das Familienbuch antragsgemäß anlegt. Die Gerichte vermögen die Umstände der behaupteten Ferntrauung nicht aufzuklären und gehen mithin zunächst von einer Nichtehe aus. Die rechtliche Würdigung entspricht auch dem heutigen Recht, weil eine aufhebbare Ehe nach §§ 1314 Abs. 1 Nr. 2, 1311 BGB nur vorliegt, wenn zumindest Ferntrauungserklärungen festgestellt werden können. Es stellt sich mithin die (allgemeine) Frage nach einer Heilung der Nichtehe, deren Beantwortung der Bundesgerichtshof allerdings durch eine Fiktion im Einzelfall umgeht. Er unterstellt nämlich im Wege der Auslegung, dass die Bestätigungserklärungen der Ferneheschließung im Zusammenhang mit der Anlegung eines Familienbuchs zugleich erneute Eheschließungserklärungen darstellten, und gelangt so zu einer gemäß § 17 Abs. 1 EheG a.F. nichtigen (jetzt gemäß § 1314 Abs. 1 Nr. 2 BGB aufhebbaren) Ehe, die nach § 17 Abs. 2 EheG a.F. (jetzt § 1315 Abs. 2 Nr. 2 BGB) einer Heilung durch Zeitablauf zugänglich ist.113 Das ist kein verallgemeinerbarer Lösungsansatz, und die Frage der Heilung einer Nichtehe in Abwesenheit von vor dem Standesamt abgegebenen Eheschließungserklärungen ist deshalb nach wie vor von praktischer Relevanz. Das gilt namentlich auch deshalb, weil der Bundesgerichtshof mit keiner Silbe auf die greifbare Gutgläubigkeit (der Frau) eingeht.114 3. Die formunwirksame Auslandseheschließung Wird die Ehe im Ausland geschlossen, können ebenfalls unerkannte Formfehler auftreten. Sachrechtlich kann es insoweit ausweislich des Art. 11 Abs. 1 110

Personenstandsverordnung der Wehrmacht vom 4.11.1939 (PersStdWMV), RGBl I, S. 597. 111 Siehe näher zum Verfahren BGH FamRZ 1983, 450 (450 f.). 112 BGH FamRZ 1983, 450 (450). 113 BGH FamRZ 1983, 450 (451). Zu Recht kritisch Hepting, IPRax 1994, 355 (360); Steding, Der rechtliche Schutz nichtstandesamtlich geschlossener Ehen (1985), S. 65. 114 So auch Steding, Der rechtliche Schutz nichtstandesamtlich geschlossener Ehen (1985), S. 65.

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EGBGB sowohl auf das Ortsrecht (locus regit actum)115 als auch alternativ auf das (kumulative) Geschäftsstatut beider Eheleute116 ankommen. Auch insoweit sollen Beispielsfälle die Problematik veranschaulichen. Zwei deutsche Staatsangehörige schließen im Jahr 1946 in Stettin vor einem Geistlichen der römisch-katholischen Pfarrkirche eine Ehe.117 Aus dieser ehelichen Verbindung gehen drei gemeinsame Kinder hervor. Die Familie siedelt 1957 in die Bundesrepublik Deutschland über und lebt dort zwanzig Jahre als Familie zusammen. Die Eltern treten gegenüber allen deutschen Behörden als Eheleute auf und werden behördlich auch als solche behandelt. Sie vereinbaren sogar auf notariellem Wege Gütertrennung. Im Jahr 1977 begehrt der Mann die gerichtliche Feststellung, dass keine wirksame Ehe zwischen ihm und der Frau bestehe, die sich für ihren gegenteiligen Standpunkt unter anderem auf die langjährige tatsächliche Vollziehung der Ehe beruft. Der Mann hingegen gibt vor, auf die Unwirksamkeit der Eheschließung vertraut und die Ehe nach außen nur zum Schein geführt zu haben, um die Kinder vor einem etwaigen Makel der Unehelichkeit zu bewahren.118 Nach für beide Eheleute maßgeblichem deutschen Recht verstößt die Eheschließung gegen den Grundsatz der obligatorischen Zivilehe (§ 11 EheG a.F., nunmehr § 1310 Abs. 1 Satz 1 BGB) und ist damit eine Nichtehe.119 Auch das nach Art. 11 Abs. 1 Alt. 2 EGBGB alternativ berufene polnische Ortsrecht knüpft die Wirksamkeit der Eheschließung ausnahmslos an die Mitwirkung eines Standesbeamten.120 Somit kommt es entscheidend auf die Frage nach der Heilung der faktisch gelebten Nichtehe und das Gewicht des Vertrauensschutzes aufseiten der Frau an. Deutsches Sachrecht kann hier wegen Art. 11 Abs. 1 Alt. 1 i.V. mit Art. 13 Abs. 1 EGBGB ohne Weiteres zum Tragen kommen. Etwas komplexer gestaltet sich der Sachverhalt, wenn beide Eheleute im Zeitpunkt der Eheschließung kein gemeinsames Eheschließungsstatut haben und auch nicht dem Staat angehören, in dem die Ehe geschlossen wird. In einem vom Oberlandesgericht Frankfurt121 entschiedenen Fall ging es beispielsweise um die Wirksamkeit einer Ehe, die eine deutsche Staatsangehörige mit einem Mann, der zu diesem Zeitpunkt noch pakistanischer Staatsangehöriger 115 Vgl. nur Raape, IPR5, § 27 III 2a, S. 249 ff.; Staudinger/Mankowski, BGB (2010), Art. 13 EGBGB Rn. 476. 116 Zum Kumulationsprinzip des Art. 11 Abs. 1 Alt. 1 i.V mit Art. 13 Abs. 1 EGBGB: MüKo-BGB8/Coester, Art. 13 EGBGB Rn. 148; BeckOGK-BGB/Rentsch (1.8.2022), Art. 13 EGBGB Rn. 237. 117 Fallbeispiel nach OLG Hamburg FamRZ 1981, 356 ff. (mAnm Bosch); siehe auch Staudinger/Mankowski, BGB (2010), Art. 13 EGBGB Rn. 545. 118 OLG Hamburg FamRZ 1981, 356 (356) (mAnm Bosch). 119 OLG Hamburg FamRZ 1981, 356 (357) (mAnm Bosch). 120 Vgl. OLG Hamburg FamRZ 1981, 356 (357) (mAnm Bosch); siehe auch Baade/Skubiszewski, StAZ 1958, 29 (33). 121 OLG Frankfurt a.M. StAZ 2014, 206 ff.; siehe Gössl, StAZ 2015, 233 ff.

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ist, in London geschlossen hatte. Es ging um folgenden Sachverhalt: Die Eheschließung erfolgt 1977 in der pakistanischen Botschaft und wird „nach pakistanischem Recht als Nikah Registrar mit der Zeremonie des Nikah Nama vorgenommen.“122 Der Mann und die Frau leben sodann seit 1970 als Ehegatten gemeinsam in Deutschland.123 Nach dem Tod des Mannes begehrt die Frau im Zusammenhang mit der Registrierung des Todesfalls die Eintragung des Mannes als verheiratet. Auf die Zweifelsvorlage des Standesamts stellte das Amtsgericht die Unwirksamkeit der Ehe fest.124 Dagegen richtet sich die Beschwerde der Frau. Der Senat gelangt zu dem Ergebnis, dass die Formwirksamkeit der Eheschließung nach dem britischen Ortsrecht nicht festgestellt werden könne und hebt sodann maßgeblich auf das Eheschließungsstatut ab.125 Danach liegt eine hinkende Ehe vor, die nach pakistanischem Recht wirksam und nach deutschem Recht unwirksam ist.126 Für die deutsche Frau galt im Zeitpunkt der Eheschließung nach Art. 11 Abs. 1 Alt. 1 i.V. mit Art. 13 Abs. 1 EGBGB deutsches Eheschließungsrecht mit der Folge, dass eine standesamtliche Eheschließung erforderlich gewesen wäre. Auch die Ausnahmevorschrift des Art. 13 Abs. 3 Satz 2 EGBGB a.F. ist weder einschlägig noch erfüllt.127 Wegen der insoweit gegebenen Maßgeblichkeit des deutschen Sachrechts kommt es schließlich auch für die Heilung dieser gutgläubig gelebten Ehe auf deutsches Sachrecht an. 4. Die nicht anerkannte Auslandsehe Unerkannt unwirksame Ehen in Form von hinkenden Statusverhältnissen entstehen insbesondere auch dann, wenn eine Ehe im Ausland gemäß dem aus deutscher Sicht maßgeblichen Eheschließungsrecht zwar wirksam geschlossen, aber in Deutschland ausnahmsweise nicht anerkannt wird. Aktuelle Beispiele für diese Fallgruppe sind die sogenannten Frühehen. Durch das Inkrafttreten des Kinderehenbekämpfungsgesetzes128 im Jahr 2017 wird das Entstehen von hinkenden Ehen vermehrt provoziert, weil nach der in Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB implementierten Unwirksamkeitslösung eine im Ausland wirksam geschlossene Ehe gemäß deutschem Recht auch unwirksam ist, wenn sich die Ehemündigkeit einer der Nupturienten nach ausländischem

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OLG Frankfurt a.M. StAZ 2014, 206 (207). Gössl, StAZ 2015, 233 (234). 124 Vgl. OLG Frankfurt a.M. StAZ 2014, 206 (207). 125 Kritisch insoweit Gössl, StAZ 2015, 233 (234). 126 OLG Frankfurt a.M. StAZ 2014, 206 (208); zustimmend Gössl, StAZ 2015, 233 (234). 127 OLG Frankfurt a.M. StAZ 2014, 206 (208 f.). 128 Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen vom 17.7.2017, BGBl I, Nr. 48, S. 2429 ff.; siehe dazu kollisionsrechtlich Coester-Waltjen, IPRax 2017, 429 (432 ff.); rechtsvergleichend Reuß, FamRZ 2019, 1 (6 ff.). 123

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Recht richtet und dieser im Zeitpunkt der Eheschließung das sechzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hatte.129 Die gesetzliche Neuregelung wirft dogmatische,130 rechtspolitische131 und verfassungsrechtliche132 Fragen auf und ersetzt die ehedem bestehende Möglichkeit einer am Einzelfall orientierten ordre public-Lösung133 durch eine starre und äußerst harte Pauschalregelung.134 Für eine Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls verbleibt kein Raum mehr.135 Vorliegend geht es entsprechend der einleitend gezogenen Abgrenzungslinien nicht um die Beseitigung oder Korrektur dieser Fehlerquelle. Vielmehr knüpft die Untersuchung an das so ermittelte Ergebnis an. Es ist mit anderen Worten die Frage aufgeworfen, ob die Betreffenden Vertrauensschutz beanspruchen können, wenn sie jahrelang als Eheleute in Deutschland zusammengelebt haben. Schließlich entfallen mit der Ehe sämtliche Sicherheiten, die durch eine Ehe vermittelt werden. Es bestehen weder Unterhaltsansprüche noch Erbrechte noch Ansprüche gemäß § 844 Abs. 2 BGB136 noch kommen, anders als bei der Eheaufhebung nach Art. 13 Abs. 3 Nr. 2 EGBGB, etwaige Scheidungsfolgen nach Auflösung der partnerschaftlichen Verbindung zum Tragen.137 Ferner steht den nach deutschem Recht Unverheirateten die Eheschließung mit einer anderen Person offen, mit der Folge, dass eine sogenannte

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Makowsky, RabelsZ 83 (2019), 577 (584) mit dem Hinweis auf die missglückte Gesetzesformulierung („Verlobten“). 130 Siehe Makowsky, RabelsZ 83 (2019), 577 ff.; vgl. zu praktischen Problemen bei der Subsumtion unter die unbestimmten Rechtsbegriffe (Führen einer Ehe, gewöhnlicher Aufenthalt) Hepting/Dutta, Familie und Personenstand3, Rn. III‑279. 131 Frank, StAZ 2018, 1 (3) („Die Intoleranz des Gesetzgebers gegenüber fremden Rechtsordnungen“); Coester-Waltjen, IPRax 2017, 429 (436); siehe auch BeckOGKBGB/Rentsch (1.8.2022), Art. 13 EGBGB Rn. 57. 132 BGH FamRZ 2019, 181 (186 ff.) {67 ff.} (mAnm Hettich und Dutta); Frank, StAZ 2019, 129 (131 f.); ders., StAZ 2018, 1 (4 f.); Coester-Waltjen, IPRax 2017, 429 (433) („[…] nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung ausländischer und deutscher Eheschließender […]“). 133 Siehe Fachausschuss/Wall, StAZ 2018, 96 (97 f.); Coester, FamRZ 2017, 77 (79); Andrae, NZFam 2016, 923 (924); Antomo, NZFam 2016, 1155 (1157 f.); Frank, StAZ 2012, 129 (130, 132). 134 Fachausschuss/Wall, StAZ 2018, 96 (98). 135 So auch Frank, StAZ 2019, 129 (130); ders., StAZ 2018, 1 (2); Antomo, ZRP 2017, 79 (81); Bongartz, NZFam 2017, 541 (546); vgl. BGH FamRZ 2019, 181 (187 f.) {80 ff.} (mAnm Hettich und Dutta); a.A. offenbar Majer, NZFam 2017, 537 (538 f.). 136 Eine analoge Anwendung des § 844 Abs. 2 BGB auf faktischen Unterhalt scheidet jedenfalls nach der gesetzgeberischen Entscheidung gegen eine entsprechende Erweiterung der Norm aus, vgl. nur BeckOGK-BGB/Eichelberger (1.6.2022), § 844 Rn. 77 (mwN). 137 Siehe auch Frank, StAZ 2019, 129 (133) (mwN), der die Schutzlosigkeit der Betreffenden hervorhebt.

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hinkende Doppelehe entsteht.138 Die Frage nach sachrechtlichen Lösungen gewinnt also deshalb an Bedeutung, weil eine ordre public-Prüfung, bei der Vertrauensschutz grundsätzlich berücksichtigt werden konnte,139 nunmehr ersatzlos weggefallen ist. Der Vertrauensschutz kann hier nur dem deutschen Sachrecht entnommen werden, weil es gerade das deutsche Recht ist, nämlich die Eingriffsnorm des Art. 13 Abs. 2 EGBGB, die zur Unwirksamkeit führt. Die Anwendbarkeit des deutschen Sachrechts richtet sich nach Art. 13 EGBGB (materielle Voraussetzung der Ehefähigkeit) und ergibt sich nicht aus Art. 13 Abs. 1 EGBGB, weil die Betreffenden regelmäßig keine deutschen Staatsangehörigen sind. Für Geflüchtete hilft die in Art. 12 Abs. 1 GFK vorgesehene Anknüpfung an den Wohnsitz oder den Aufenthaltsort. Im Übrigen müsste der Vertrauensschutz als Ausnahme zum Eingreifen von Art. 13 Abs. 2 EGBGB anerkannt werden.

IV. Die gutgläubig gelebte Nichtehe In einigen der Beispielsfälle und vielen anderen Konstellationen, in denen eine unwirksame Ehe gutgläubig gelebt wird, erscheint das Verdikt eines matrimonium non existens unbillig zu sein, wenngleich bei bestimmten Fallkonstellationen einer der Eheleute von der unwirksamen Eheschließung profitieren mag.140 Anknüpfend an diese Erkenntnis wurden diverse Lösungen entwickelt, vorgeschlagen und diskutiert, die mit dem hergebrachten Paradigma der Unheilbarkeit von Ehemängeln, die zum Vorliegen einer Nichtehe führen, brechen. Ihr Fundus reicht von der vollständigen Heilung auf Statusebene bis hin zu einer nur rechtsfolgenbezogenen de facto-Anerkennung auf einer sekundären, materiell-rechtlichen Ebene. Dieses vielschichtige Lösungstableau ist im Folgenden einer genaueren Betrachtung zu unterziehen, und zwar unter Fokussierung der tatsächlichen Voraussetzungen, unter denen sie erwogen werden. Auf diese Weise lassen sich gemeinsame Leitlinien herausdestillieren.

138 Makowsky, RabelsZ 83 (2019), 577 (585 f.) (mwN); Frank, StAZ 2019, 129 (133); Coester-Waltjen, IPRax 2017, 429 (435); Antomo, ZRP 2017, 79 (81); Hepting/Dutta, Familie und Personenstand3, Rn. III-275; Weller/Thomale/Hategan/Werner, FamRZ 2018, 1289 (1295). 139 Siehe beispielsweise AG Hannover FamRZ 2002, 1117 (1117); vgl. zu Anwendungsproblemen aber auch die Beispiele bei Frank, StAZ 2012, 129 ff. 140 So schon Neuhaus, in: FS Schwind (1978), S. 223 (225), der aber gerade keine Beschränkung der Heilung auf die „Putativehe“, also eine gutgläubig gelebte Ehe, vornehmen will.

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1. Gesetzlich geregelte Heilungsmöglichkeiten Im Eheschließungsrecht finden sich auch außerhalb des Regimes der Eheaufhebung141 Vorschriften, die einer (form-)fehlerhaft geschlossenen Ehe ausnahmsweise zur Wirksamkeit verhelfen können. a) Der Scheinstandesbeamte des § 1310 Abs. 2 BGB Das zwingende Erfordernis der Mitwirkung eines Standesbeamten (§ 1310 Abs. 1 BGB)142 und der damit ausgedrückte Grundsatz der obligatorischen Zivileheschließung werden durch die Regelung über den sogenannten Scheinstandesbeamten in § 1310 Abs. 2 BGB etwas relativiert. Danach gilt als Standesbeamter im Sinne des ersten Absatzes nämlich auch die Person, die das Amt eines Standesbeamten öffentlich ausgeübt und die Ehe in das Eheregister eingetragen hat. Hinter dieser sachlichen Erweiterung steht die Einsicht, dass die Risiken einer fehlenden ordnungsgemäßen Bestellung oder mangelnden Zuständigkeit143 des Standesbeamten nicht die Eheschließenden und der Rechtsverkehr tragen sollen.144 Vielmehr ist das Vertrauen in den Bestand einer Ehe geschützt, die zumindest nach dem äußeren Anschein ordnungsgemäß geschlossen wurde.145 Voraussetzung ist aber, dass der Scheinstandesbeamte selbst die Eintragung, die ausnahmsweise konstitutiv wirkt,146 vornimmt.147 Weder die bloße Niederschrift noch die Eintragung durch die wirklich zuständige Trauperson genügen, um nach § 1310 Abs. 2 BGB die ordnungsgemäße

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Siehe oben, § 7 II. Siehe zur Verfassungsmäßigkeit dieser zwingenden Eheschließungsvoraussetzung BVerfGE 29, 166 (176); 31 (70); 62, 323 (330); MüKo-BGB9/Wellenhofer, § 1310 Rn. 2; BeckOGK-BGB/Kriewald (1.7.2022), § 1310 Rn. 6 f.; Soergel/Heintzmann, BGB13, Vor §§ 1310–1312 Rn. 6; Staudinger/Löhnig, BGB (2018), § 1310 Rn. 5. 143 Standesbeamter ist nur diejenige Person, die formell ordnungsgemäß bestellt wurde und innerhalb ihres örtlichen Zuständigkeitsbereichs tätig wird, vgl. § 2 PStG. Handelt die Person hingegen außerhalb ihres Sprengels, ist sie nicht Standesbeamte. Siehe auch Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 28; BeckOGK-BGB/Kriewald (1.7.2022), § 1310 Rn. 50; MüKo-BGB9/Wellenhofer, § 1310 Rn. 8; Frank, in: LA Pintens I (2012), S. 607 (609 f.) (mwN). 144 Vgl. Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 28, 30; Staudinger/Löhnig, BGB (2018), § 1310 Rn. 46; Erbarth, NZFam 2021, 9 (15). 145 Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 30; BeckOGKBGB/Kriewald (1.7.2022), § 1310 Rn. 39. 146 Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 29; Staudinger/Löhnig, BGB (2018), § 1310 Rn. 49; MüKo-BGB9/Wellenhofer, § 1310 Rn. 14; BeckOK-BGB/Hahn (1.5.2022), § 1310 Rn. 7. 147 Vgl. Fachausschuss/Nied, StAZ 1983, 283 (284); MüKo-BGB9/Wellenhofer, § 1310 Rn. 14. 142

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Beteiligung des Standesbeamten zu fingieren. Seiner Wirkungsweise nach handelt es sich um einen Heilungstatbestand,148 der allerdings rechtstechnisch mit der Fiktion eines Tatbestandsmerkmals operiert149 und ohne vertrauensschutztypische Voraussetzungen auskommt; so ist die Heilung weder von einem bestimmten Zeitablauf noch der Gutgläubigkeit150 der Beteiligten abhängig. Es handelt sich mithin um typisierten, abstrakten Vertrauensschutz, der indes in der sorgsamen standesamtlichen Praxis selten zum Tragen kommt. b) Heilung gemäß § 1310 Abs. 3 BGB Mit § 1310 Abs. 3 BGB kennt das deutsche Eheschließungsrecht eine Heilungsvorschrift, die prima vista einen weiten Anwendungsbereich hat und scheinbar diverse Fallkonstellationen umfasst. Ihr wurde allerdings schon zur Zeit ihres Inkrafttretens keine allzu bedeutende Zukunft vorausgesagt. Als zu eng gefasst sei sie nicht mehr als ein bloßer „Papiertiger“151. Ein Blick in die Rechercheergebnisse zu dieser Vorschrift bestätigt jene frühe Einschätzung. Die veröffentliche Rechtsprechung, die sich mit der Heilungsvorschrift beschäftigt, ist bereits überschaubar;152 eine im Sinne der Heilung erfolgreiche Anwendung war insgesamt sogar nur drei Mal Gegenstand einer veröffentlichten Entscheidung.153 Auch die wissenschaftliche Literatur hat sich mit dieser Heilungsvariante kaum beschäftigt. Insbesondere in der letzten Dekade sind keine nennenswerten Beiträge hervorzuheben, die auf neuere Entwicklungen hinweisen oder auf eine nennenswerte praktische Relevanz der Vorschrift

148 Siehe Neuhaus, in: FS Schwind (1978), S. 223 (228) zu § 11 Abs. 2 EheG, der Vorgängervorschrift von § 1310 Abs. 2 BGB; Gernhuber/Coester-Waltjen, FamR7, § 13 Rn. 12; Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 29; Erbarth, NZFam 2021, 9 (15). 149 Siehe nur BeckOGK-BGB/Kriewald (1.7.2022), § 1310 Rn. 40. 150 Thomas, Formlose Ehen (1973), S. 95 (mwN); Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 30; Staudinger/Löhnig, BGB (2018), § 1310 Rn. 47; Erman/Roth, BGB16, § 1310 Rn. 9a; MüKo-BGB9/Wellenhofer, § 1310 Rn. 14; BeckOKBGB/Hahn (1.5.2022), § 1310 Rn. 6. 151 Sturm, StAZ 1999, 289 (296). Siehe auch die kritische Anmerkung von Finger, FuR 1996, 124 (125 f.); zurückhaltend zunächst Bosch, FamRZ 1997, 138 (139); differenzierend Hepting, FamRZ 1998, 713 (725) („große[r] Fortschritt“) sowie (726) („Lückenhaftigkeit einer halbherzig-formalistischen Neuregelung“); vgl. auch Staudinger/Mankowski, BGB (2010), Art. 13 EGBGB Rn. 502c. 152 OLG München FamRZ 2000, 699 ff.; StAZ 2013, 143; AG Mainz FamRZ 2003, 600; BGH FamRZ 2003, 838 (839) (mAnm Borgmann); OLG Frankfurt a.M. StAZ 2014, 206 ff.; nur am Rande beachtet von AG Groß-Gerau FamRZ 2017, 1491; jüngst AG Siegburg StAZ 2018, 54 f. sowie OLG Nürnberg FamRZ 2021, 493 ff. (mAnm Solomon). 153 OLG München FamRZ 2000, 699 (701); AG Mainz FamRZ 2003, 600; AG Siegburg StAZ 2018, 54 (54 f.).

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schließen lassen.154 Damit und insoweit erweist sich die monographische Behandlung von Müller aus dem Jahr 2008 als noch immer aktuell.155 Im Folgenden sollen die Heilungsvoraussetzungen deshalb nur grundlegend beleuchtet und lediglich auf diejenigen Aspekte näher eingegangen werden, die für die Auslotung der Reichweite der gesetzlichen Heilungsmöglichkeit mit Blick auf eine etwaige ungeschriebene Heilung von besonderem Interesse sind. aa) Entstehungsgeschichte und ratio legis Die ursprüngliche Fassung des Bürgerlichen Gesetzbuchs enthielt bereits eine Heilungsvorschrift für nicht standesamtlich geschlossene Ehen. Nach § 1324 Abs. 2 BGB a.F. konnte eine sogenannte Putativehe geheilt werden, wenn sie seit zehn Jahren im Heiratsregister eingetragen war.156 Auf diese Vorschrift rekurrierte der Reformgesetzgeber von 1998 und identifizierte eine Schutzlücke, die durch ihre vermeintlich ersatzlose Streichung im Jahr 1938 entstanden sei und die mit § 1310 Abs. 3 BGB geschlossen werden sollte.157 Sturm tritt dieser rechtshistorischen Einschätzung entschieden entgegen. Tatsächlich hätten mit der ursprünglichen Vorschrift lediglich einige besondere Formfehler (fehlende gleichzeitige oder persönliche Erklärung, bedingte oder befristete Erklärung, fehlende Bereitschaft des Standesbeamten zur Entgegennahme)158 geheilt werden können.159 Ferner sei § 1324 Abs. 2 BGB a.F. im Jahr 1938 durch § 17 Abs. 2 EheG a.F. abgelöst und Letzterer schließlich im Jahr 1998 in 154 Siehe aber Erbarth, NZFam 2021, 9 (15 f.), der allerdings lediglich die unumstrittenen Grundlagen der Vorschrift skizziert, um anschließend der Frage nach einer ungeschriebenen Heilungsmöglichkeit von Nichtehen nachzugehen. 155 Siehe Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 31 ff., die sowohl die internrechtliche Bedeutung (S. 36 ff.) als auch die internationalrechtliche Bedeutung (S. 44 ff.) getrennt voneinander untersucht. Vgl. zu einer solchen Unterscheidung bereits Coester, in: FS Heldrich (2005), S. 537 (538 ff.). 156 § 1324 BGB a.F. lautete: (1) Eine Ehe ist nichtig, wenn die im § 1317 vorgeschriebene Form nicht beobachtet worden ist. (2) Ist die Ehe in das Heirathsregister eingetragen worden und haben die Ehegatten nach der Eheschließung 10 Jahre […] als Ehegatten mit einander gelebt, so ist die Ehe als von Anfang an gültig anzusehen. […], vgl. Mugdan IV, S. VII; vgl. auch HKK-BGB/Schmoeckel, §§ 1313–1320 Rn. 10; siehe auch Voit, Heilung durch Statutenwechsel (1997), S. 186 sowie S. 185 ff. allgemein zur Gesetzgebungsgeschichte des § 11 EheG a.F.; Hepting, IPRax 1994, 355 (359); Sturm, StAZ 1999, 289 (295 f.) (mwN zu der auch damals restriktiven Anwendung der Heilungsvorschrift); Henrich, RabelsZ 37 (1973), 230 (231); Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 34 f. 157 Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Eheschließungsrechts (Eheschließungsrechtsgesetz – EheschlRG) vom 13.6.1996, BT-Drs. 13/4898, S. 17; so auch Hepting, FamRZ 1998, 713 (725); kritisch hingegen Sturm, StAZ 1999, 289 (295 f.) („Man tut sich offenbar auch mit der jüngsten Rechtsgeschichte schwer“). 158 Dabei handelt es sich in der Tat um Formfehler, die heutzutage lediglich zu einer aufhebbaren Ehe führen und somit nicht um die Möglichkeit der Heilung einer Nichtehe. 159 Vgl. Sturm, StAZ 1999, 289 (296).

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§ 1315 Abs. 2 Nr. 2 BGB übernommen worden, mit der Folge, dass § 1315 Abs. 2 Nr. 2 BGB auf § 1324 Abs. 2 BGB a.F. zurückführe.160 Insbesondere eine rein religiös geschlossene Ehe sei in der Ursprungsfassung des BGB unter der Herrschaft des § 1324 Abs. 2 BGB a.F. keiner gesetzlichen Konvaleszenz zugänglich gewesen.161 Andere unterstreichen, dass § 1324 Abs. 2 BGB a.F. nur nichtige Ehe und nicht Nichtehen erfasst habe.162 Unabhängig von dieser rechtshistorischen Streitfrage lässt sich konstatieren, dass die Heilung von Nichtehen offenbar bereits bei Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein kontroverses Thema gewesen ist. Überdies lässt sich jedenfalls der Schluss ziehen, dass die gesetzliche Heilungsmöglichkeit des § 1310 Abs. 3 BGB eine legislatorische Reaktion auf den in der Praxis zutage getretenen Bedarf an Lösungsmöglichkeiten für gutgläubig gelebte Nichtehen gewesen ist.163 Wesentlicher Stein des Anstoßes war die eingangs skizzierte Witwenrentenentscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Eheschließung einer Deutschen vor dem britischen Militärgeistlichen), wonach auch eine nach deutschem Recht unwirksame hinkende Ehe jedenfalls in Bezug auf einzelne Rechtsfolgen wie eine wirksame Ehe behandelt werden müsse.164 Für solche hinkenden Ehen wollte der Gesetzgeber ein Heilungsinstrumentarium zur Verfügung stellen, ging indes mit § 1310 Abs. 3 BGB über die in der Rechtsprechung entwickelte Lösung insoweit hinaus, als die Vorschrift eine Heilung im Status und nicht nur die Behandlung der Lebensgemeinschaft wie eine Ehe ermöglichte.165 Ferner können auch absolute Nichtehen von der gesetzlichen Heilungsmöglichkeit profitieren und nicht nur hinkende Nichtehen.166 Allerdings ist die Heilungsmöglichkeit lediglich unter eng gefassten Voraussetzungen eröffnet (namentlich bestimmte in Abs. 3 Nr. 1 bis 3 abschließend aufgezählte personenstandsrelevante Handlungen eines Standesbeamten), die dem kodifizierten Vertrauensschutz das bereits hervorgehobene Prädikat eines „Papiertigers“167 bescherten. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber auch

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Siehe zu alledem Sturm, StAZ 1999, 289 (295 f.). Sturm, StAZ 1999, 289 (296) (mwN). 162 HKK-BGB/Schmoeckel, §§ 1313–1320 Rn. 10; vgl. auch die Darstellung bei Tinnefeld, Bedeutungsverlust anfänglicher Eheschließungsmängel (2007), S. 13. Anders Hepting, FamRZ 1998, 713 (725). 163 Hepting, FamRZ 1998, 713 (725) („Die Art, wie die Gerichte auf diesen Rechtszustand reagierten, gehört zu den trübsten Kapiteln der deutschen Rechtsprechung“); vgl. auch Staudinger/Löhnig, BGB (2018), § 1310 Rn. 63 f.; Fachausschuss/Krömer, StAZ 2017, 219 (220 ff.); Barth/Wagenitz, FamRZ 1996, 833 (843). 164 BVerfGE 62, 323 (323 ff.); siehe bereits oben, § 1 II und § 7 III 1c) aa) sowie ausführlich noch unten, § 7 IV 2b) aa) (1). 165 Barth/Wagenitz, FamRZ 1996, 833 (843). 166 Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 35; Sturm, StAZ 1999, 289 (290). 167 Siehe bereits oben, § 7 IV 1b). 161

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Altfälle, namentlich unwirksame Ehen der Nachkriegszeit,168 erfassen wollen und ihr deshalb mit der Überleitungsvorschrift des Art. 226 Abs. 3 EGBGB Rückwirkung beigemessen. Vor diesem entstehungsgeschichtlichen Hintergrund lässt sich die ratio legis klar benennen: Die Vorschrift soll im Sinne eines Interessenausgleichs das berechtigte Vertrauen faktischer Eheleute auf die Wirksamkeit der von ihnen jahrelang gelebten Ehe mit dem staatlichen Ordnungsinteresse abwägen und den Grundsatz der Unheilbarkeit der Nichtehe partiell durchbrechen. bb) Internationalprivatrechtlicher Anwendungsbereich Die Heilungsvorschrift ist eine Formvorschrift des deutschen Sachrechts und keine Kollisionsnorm.169 Ihre Anwendbarkeit setzt mithin grundsätzlich deutsches Formstatut voraus.170 Dieses kann sich auch aus einer Weiter- oder Rückverweisung ergeben.171 Ist deutsches Formstatut kollisionsrechtlich berufen, findet § 1310 Abs. 3 BGB uneingeschränkte Anwendung, und zwar auch im Fall fehlender deutscher Staatsangehörigkeit der faktischen Eheleute.172 Dies wird teilweise anders beurteilt; die Vorschrift sei dem Ehesachrecht zuzuweisen und deshalb nur zur Anwendung zu bringen, wenn die faktischen Eheleute übereinstimmend ein deutsches Eheschließungsstatut haben.173 Das vermag nicht zu überzeugen, weil es gerade das Anliegen des Gesetzgebers war, hinkenden Ehen zur Wirksamkeit zu verhelfen, die von „ausländisch-deutschen oder ausländischen Paaren im Inland vor einer Trauungsperson geschlossen

168 Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Eheschließungsrechts (Eheschließungsrechtsgesetz – EheschlRG) vom 13.6.1996, BT-Drs. 13/4898, S. 17. 169 Sturm, in: FS Rolland (1999), S. 373 (377); ders., StAZ 1999, 289 (293). 170 Coester, in: FS Heldrich (2005), S. 537 (538); Sturm, StAZ 1999, 289 (293); MüKoBGB8/Wellenhofer, § 1310 Rn. 29 (zurückhaltend in der 9. Auflage 2022); Andrae, IntFamR4, § 1 Rn. 171. 171 Coester, in: FS Heldrich (2005), S. 537 (539); MüKo-BGB8/ders., Art. 13 EGBGB Rn. 163; Sturm, StAZ 1999, 289 (294). 172 Das dürfte ganz h.M. sein, siehe BeckOGK-BGB/Kriewald (1.7.2022), § 1310 Rn. 73; BeckOK-BGB/Mörsdorf (1.2.2022), Art. 13 EGBGB Rn. 75; Coester, in: FS Heldrich (2005), S. 537 (539); Sturm, StAZ 1999, 289 (293); Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 46 f.; Kropholler, IPR6, § 44 II 1c, S. 338; vgl. auch BGH FamRZ 2003, 838 (838 f.) (mAnm Borgmann); AG Mainz FamRZ 2003, 600 (600); OLG München FamRZ 2000, 699 (701). Zur Gegenansicht wohl lediglich Erman/Stürner, BGB16, Art. 13 EGBGB Rn. 45a sowie früher Palandt/Heldrich, BGB64, Art. 13 EGBGB Rn. 21, relativierend dann aber in der nachfolgenden Auflage, Palandt/ders., BGB65, Art. 13 EGBGB Rn. 21 – vgl. auch Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 44. 173 Erman/Stürner, BGB16, Art. 13 EGBGB Rn. 45a, der für seine Ansicht auf Coester und den BGH verweist. Siehe auch Rn. 52, wonach deutsches Recht anwendbar sei, „da es bei Verletzungen von Art. 13 IV 1 und 2 um die Verletzung der dt Ortsform geht“.

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wurden“.174 Diese restriktive Lesart ist daher zu Recht ohne Gefolgschaft geblieben. Relevant ist die Erkenntnis der Anwendbarkeit auf Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit vor allem im Hinblick auf die häufigen Fallkonstellationen, in denen eine wirksame Eheschließung an der Ausnahmevorschrift des Art. 13 Abs. 4 Satz 2 EGBGB beziehungsweise an deren fehlerhaften Gebrauch scheitert. Auch insoweit vermag § 1310 Abs. 3 BGB also grundsätzlich zu helfen.175 Fraglich ist allerdings, ob die Vorschrift auch heilend eingreifen kann, wenn nicht deutsches, sondern ausländisches Formstatut berufen ist. Neben der Möglichkeit, die heilende Kraft des ordre public zu bemühen,176 wird mitunter die Anwendbarkeit des § 1310 Abs. 3 BGB bereits dann bejaht, wenn ein deutscher Standesbeamter einen der gesetzlich normierten Vertrauenstatbestände erfüllt hat.177 Eine solche Annahme kann sich auf die Erkenntnis stützen, dass die Heilungsvorschrift das Handeln des deutschen Standesbeamten zur zentralen Heilungsvoraussetzung erhebt und insgesamt das vom Standesbeamten verstärkte Vertrauen der faktischen Eheleute darin schützen will, „nach deutschem Recht wirksam verheiratet zu sein“.178 Wenngleich § 1310 Abs. 3 BGB als Formvorschrift eigentlich kollisionsrechtlich zur Anwendung berufen sein muss und die Frage nach einer Heilung grundsätzlich nach dem verletzten Recht zu beantworten ist,179 erweist sich die Schutzwürdigkeit der faktischen Eheleute bei einer Handlung eines deutschen Standesbeamten (ggf. lange Zeit) nach der Eheschließung als nicht weniger ausgeprägt als bei einer Eheschließung, die deutschem Formstatut unterliegt.180 Die Heilung knüpft auch nicht

174 Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Eheschließungsrechts (Eheschließungsrechtsgesetz – EheschlRG) vom 13.6.1996, BT-Drs. 13/4898, S. 17; so auch Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 46. 175 Siehe nur Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 46 f.; OLG München FamRZ 2000, 699 (701); AG Mainz FamRZ 2003, 600; vgl. auch Andrae, IntFamR4, § 1 Rn. 172 mit 170. 176 Siehe nur MüKo-BGB8/Coester, Art. 13 EGBGB Rn. 170. 177 Wagenitz/Bornhofen, Handbuch des Eheschließungsrechts (1998), Rn. 4–41, S. 206; Coester, in: FS Heldrich (2005), S. 537 (546); BeckOGK-BGB/Kriewald (1.7.2022), § 1310 Rn. 101. Zustimmend Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 55 f. A.A. Sturm, StAZ 1999, 289 (294). 178 Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Eheschließungsrechts (Eheschließungsrechtsgesetz – EheschlRG) vom 13.6.1996, BT-Drs. 13/4898, S. 17; siehe Coester, in: FS Heldrich (2005), S. 537 (546). 179 von Bar/Mankowski, IPR II2, § 4 Rn. 163; von Hoffmann/Thorn, IPR9, § 8 Rn. 9 f.; Staudinger/Mankowski, BGB (2010), Art. 13 EGBGB Rn. 497 f.; BeckOGK-BGB/Rentsch (1.8.2022), Art. 13 EGBGB Rn. 178; MüKo-BGB8/Coester, Art. 13 EGBGB Rn. 154 (mwN). 180 Coester, in: FS Heldrich (2005), S. 537 (546); Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 55 f.

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an die Eheschließung, sondern vielmehr an die nach außen erkennbare standesamtliche Behandlung der Ehe als wirksam an. Das zeigt sich bereits daran, dass die „Wartezeit“ nicht mit der unwirksamen Eheschließung, sondern mit der standesamtlichen Behandlung eintritt.181 Mithin überzeugt es im Ergebnis, der Heilungsvorschrift einen eigenständigen internationalen Anwendungsbereich zuzusprechen. Nur so kann man zu dem überzeugenden Ergebnis gelangen, dass der deutsche Staat stets die Gewähr für die Handlungen seiner Standesbeamtenschaft übernimmt.182 Das bereitet allerdings erhebliche dogmatische Schwierigkeiten. Man könnte den (umstrittenen) positiven ordre public bemühen. Dies hätte den Vorteil, dass damit zugleich die verfassungsrechtliche Dimension der Heilung von gutgläubig gelebten Nichtehen stärker akzentuiert würde.183 Allerdings setzt der ordre public erst bei dem gefundenen Ergebnis nach Anwendung des kollisionsrechtlich berufenen Rechts ein; zunächst müsste also eine Heilung nach maßgeblichem ausländischen Recht geprüft werden. Ferner hat sich die positive Funktion des ordre public mittlerweile verselbständigt und ist im Institut der Eingriffsnormen aufgegangen.184 Zu denken ist also vielmehr an eine Sonderanknüpfung im Sinne einer (seltenen) positiven Eingriffsnorm,185 für die das autonome deutsche IPR, anders als beispielsweise Art. 9 Rom I-VO und Art. 16 Rom II-VO oder Art. 30 EuGüVO, regelmäßig keine spezielle Kollisionsnorm bereithält.186 Eingriffsnormen bestimmen ihren räumlichen Anwendungsbereich selbst, und zwar unabhängig von den kollisionsrechtlichen Vorschriften.187 Sie dienen typischerweise nicht nur der Regelung privatrechtlicher Rechtsverhältnisse, sondern verfolgen einen ordnungspolitischen Zweck des Allgemeinwohls188 und sind für die Wahrung des öffentlichen Interesses von entscheidender Bedeutung,189 was im Wege der Auslegung zu ermitteln ist.190 Der insoweit erforderliche ordnungspolitische Charakter des § 1310 Abs. 3 BGB ließe sich aus dem vorstehend ermittelten Zweck, das staatlicherseits gesetzte Vertrauen in die Wirk181

Siehe nur Staudinger/Löhnig, BGB (2018), § 1310 Rn. 77. Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 55 f.; Coester, in: FS Heldrich (2005), S. 537 (546). 183 MüKo-BGB8/Coester, Art. 13 EGBGB Rn. 170. 184 MüKo-BGB/von Hein, Art. 6 EGBGB Rn. 2; Weller/Kaller/Schulz, AcP 216 (2016), 387 (396). 185 Vgl. Junker, IPR4, § 5 Rn. 45; MüKo-BGB8/von Hein, Einl. IPR Rn. 307, Art. 6 Rn. 2, 92. Siehe zur Unterscheidung von Eingriffsnorm und ordre public nur Erman/Hemler, BGB16, Art. 6 EGBGB Rn. 7. 186 MüKo-BGB8/von Hein, Einl. IPR Rn. 308. 187 jurisPK-BGB/Ludwig (1.3.2020), Art. 4 EGBGB Rn. 24 (mwN). 188 Staudinger/Voltz, BGB (2013), Art. 6 EGBGB Rn. 24. 189 MüKo-BGB8/von Hein, Einl. IPR Rn. 309. 190 BeckOK-BGB/Lorenz (1.5.2022), Einl. IPR Rn. 50. 182

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samkeit der Eheschließung zu schützen und damit Verlässlichkeit und Rechtssicherheit zu gewährleisten, entnehmen. Problematisch ist allerdings der auf diese Weise provozierte Widerspruch zu der grundsätzlichen Einsicht, dass die Heilungsmöglichkeit und ihre Voraussetzungen sich nach demjenigen Sachrecht richten, das kollisionsrechtlich berufen ist. Auch ist es kaum einsichtig, dem Handeln der Standesbeamtenschaft einen solch hohen Stellenwert einzuräumen und mit einer derart hohen Richtigkeitsgewähr auszustatten, wie es die Charakterisierung der Heilungsvorschrift als Eingriffsnorm erforderte. Mithin ist daran festzuhalten, dass § 1310 Abs. 3 BGB als Formvorschrift des deutschen Sachrechts nur heilend eingreifen kann, wenn sie kollisionsrechtlich dazu berufen ist. cc) Voraussetzungen Die Voraussetzungen, unter denen eine Nichtehe gemäß § 1310 Abs. 3 BGB ipso iure geheilt wird, sind weitgehend geklärt.191 Allerdings sind vor allem bei der Anwendung auf Fälle mit Auslandsbezug noch nicht alle Unklarheiten ausgeräumt. Auf diese und andere offene Gesichtspunkte konzentriert sich die nachfolgende Darstellung. (1) Konsenserklärung Allen Heilungstatbeständen des § 1310 Abs. 3 BGB ist die Voraussetzung gemein, dass die faktischen Ehegatten192 erklärt haben müssen, die Ehe miteinander eingehen zu wollen. Damit soll gewährleistet werden, dass eine nichteheliche Lebensgemeinschaft, die als solche über einen langen Zeitraum gelebt wird, nicht ohne Zutun und ohne Willen des Paares zu einer Ehe erstarkt.193 Es handelt sich also um ein Abgrenzungskriterium, um – als Ausdruck der Privatautonomie – gutgläubig gelebte Nichtehen von bewusst nichtehelich gelebten Verbindungen zu unterscheiden. Im Einzelnen ist umstritten, welche konkreten Anforderungen an die Äußerung des Ehekonsenses zu stellen sind. Teilweise werden zumindest eine spezielle Trauungszeremonie gefordert oder die Anwe-

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So auch Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 36. Vgl. im Übrigen BeckOGK-BGB/Kriewald (1.7.2022), § 1310 Rn. 70 ff.; Staudinger/Löhnig, BGB (2018), § 1310 Rn. 68 ff.; Grüneberg/Siede, BGB81, § 1310 Rn. 10 ff.; MüKoBGB9/Wellenhofer, § 1310 Rn. 30 ff.; Erman/Roth, BGB16, § 1310 Rn. 11 f.; Jauernig/Budzikiewicz, BGB18, §§ 1310–1312 Rn. 3; vgl. auch Frank, in: LA Pintens I (2012), S. 607 (616 f.). 192 Siehe zur unzutreffenden Begriffsverwendung „Ehegatten“ Staudinger/Löhnig, BGB (2018), § 1310 Rn. 66. 193 Barth/Wagenitz, FamRZ 1996, 833 (843); Sturm, StAZ 1999, 289 (290); Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 36; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand3, Rn. III-207.

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senheit von Zeugen oder die Erklärung vor einer nicht befugten Trauungsperson, die noch nicht einmal Scheinstandesbeamte ist.194 Dagegen gibt es Stimmen, die sich gegen besondere Anforderungen aussprechen und auch den rein privat und lediglich bilateral erklärten Ehewillen genügen lassen.195 Diese Meinungsverschiedenheiten stehen im Zusammenhang mit der ebenfalls umstrittenen Frage, ob die faktischen Eheleute gutgläubig gewesen sein müssen, sowie mit der Beweisbarkeit der Eheschließungserklärungen.196 Zutreffend ist, dass eine lediglich im rein Privaten vorgenommene Eheschließungserklärung im Ergebnis keine Heilung herbeiführen kann, wenn man Gutgläubigkeit der faktischen Eheleute in Bezug auf die wirksame Eheschließung voraussetzt, weil allgemein bekannt ist, dass eine Eheschließung auf diese Weise nicht wirksam ist.197 Das ist aber eine andere Frage, auf die noch einzugehen sein wird. Die erste Voraussetzung des Ehekonsenses (quasi als „selbstverständlich[e]“198 Eingangsvoraussetzung) ist vielmehr weit zu verstehen und erfasst grundsätzlich auch Eheschließungserklärungen ohne besondere Trauungszeremonie. Dafür sprechen die Ratio der Heilungsvorschrift sowie ihre weiteren Voraussetzungen. Namentlich die erforderliche Mitwirkung eines Standesbeamten durch Vornahme (späterer) Beurkundungshandlungen, die an die (vorgebliche) Eheschließung anknüpfen, ist nahezu undenkbar, wenn die faktischen Eheleute sich auf eine lediglich im Privaten abgegebene Eheschließungserklärung berufen.199 So lag es beispielsweise in dem vom Amtsgericht Groß Gerau entschiedenen Fall,200 der mitunter zu Unrecht als Beleg dafür angeführt wird, dass eine Erklärung vor dem Informationsbüro des Mojahedin für den Ehekonsens nicht ausreichen solle.201 Problematisch waren aber vielmehr die fehlende Registrierung und damit die weiteren Heilungsvoraussetzungen; das 194

Sturm, StAZ 1999, 289 (290); Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 37; MüKo-BGB9/Wellenhofer, § 1310 Rn. 31; Staudinger/Mankowski, BGB (2010), Art. 13 EGBGB Rn. 502b (argumentativ auf das Erfordernis der Gutgläubigkeit abstellend); Andrae, IntFamR4, § 1 Rn. 172. 195 Staudinger/Löhnig, BGB (2018), § 1310 Rn. 81; Gernhuber/Coester-Waltjen, FamR7, § 11 Rn. 21. 196 BeckOGK-BGB/Kriewald (1.7.2022), § 1310 Rn. 71.1; siehe auch Sturm, StAZ 1999, 289 (291). 197 So auch Sturm, StAZ 1999, 289 (291), der dennoch ein Zeremoniell und das Zugegensein einer Urkundsperson zwingend voraussetzen will. 198 Frank, in: LA Pintens I (2012), S. 607 (617). 199 Vgl. generell zu der geringen Wahrscheinlichkeit von unzutreffenden Eintragungen durch die deutsche Standesbeamtenschaft Frank, in: LA Pintens I (2012), S. 607 (617); Staudinger/Löhnig, BGB (2018), § 1310 Rn. 68; Staudinger/Mankowski, BGB (2010), Art. 13 EGBGB Rn. 502c. 200 AG Groß-Gerau FamRZ 2017, 1491 (1491) („Eine Heilung des Formmangels nach § 1310 Abs. 3 Nr. 1–3 BGB hat die Antragstellerin selbst nicht behauptet, geschweige denn belegt.“); ähnlich auch OLG Frankfurt a.M. StAZ 2014, 206 ff. 201 MüKo-BGB9/Wellenhofer, § 1310 Rn. 31.

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Gericht führt lediglich aus, dass Konsens und Zeitablauf allein nicht ausreichen, den Formmangel im Ergebnis zu heilen. Wird auf einer solchen Grundlage die unwirksame eheliche Verbindung aber dennoch eingetragen und dadurch standesamtlich der Eindruck einer wirksamen Ehe erweckt, kann allenfalls das Merkmal der Wartezeit oder der Gutgläubigkeit (soweit man es in die Vorschrift hineinlesen möchte) einer Konvaleszenz entgegenstehen. § 1310 Abs. 3 BGB soll aber, wie herausgearbeitet wurde, typisierend das Vertrauen schützen, das an die spätere Eintragung anknüpft. Mit der hier vertretenen Auslegung gelangt man auch nicht zur absoluten Geltung des römisch-rechtlichen Satzes consensus facit nuptias.202 Immerhin hängt die Heilung der Nichtehe maßgeblich von weiteren Voraussetzungen ab.203 Ausgehend von der Erkenntnis, dass mit dem Merkmal des Ehekonsenses allein die Privatautonomie gewahrt werden soll, kommt es mithin entscheidend auf die Beweisfrage an. Tragen die Parteien übereinstimmend vor, die Eheschließung erklärt zu haben, sind an den Nachweis keine besonderen Anforderungen zu stellen,204 wenngleich der eingeschränkte Amtsermittlungsgrundsatz (§ 127 Abs. 1 und 2 FamFG) gilt und die Privatautonomie insoweit im Vergleich zum allgemeinen Zivilprozess stark einschränkt.205 Ist die Eheschließungserklärung hingegen zwischen den Parteien streitig, was noch nicht einmal bei der Entscheidung des Amtsgerichts Groß Gerau der Fall war,206 kommt es in der Praxis auf die Möglichkeit zum Beweis der Eheschließung an, was sich bei rein privaten Konsenserklärungen als schwierig erweist. Vereinzelnd wird hingegen befürwortet, Beweisschwierigkeiten durch eine einschränkende Auslegung zu vermeiden, um „etwaigen Versuchen, in den Genuss […] der Begünstigungen zu gelangen“ entgegenzuwirken.207 Dabei wird indes übersehen, dass die Begünstigungen nach diesem Ansatz auch dann versagt würden, wenn eine rein private Eheschließungserklärung im Einzelfall nachgewiesen werden 202

So aber Sturm, StAZ 1999, 289 (290). Deutlich Staudinger/Löhnig, BGB (2018), § 1310 Rn. 65 („Diese Erfordernisse stellen klar, dass allein der übereinstimmende Ehewille auch weiterhin zur Begründung der Ehe nicht ausreicht.“). 204 Ähnlich auch Staudinger/Löhnig, BGB (2018), § 1310 Rn. 81. 205 Insbesondere ist keine einvernehmliche Disposition über den Bestand der Ehe im Wege eines Anerkenntnisses oder Geständnisses zulässig, vgl. § 113 Abs. 4 Nr. 1, 5, 6 FamFG. Eine dennoch abgegebene Anerkenntniserklärung kann dann aber im Rahmen der allgemeinen Beweiswürdigung berücksichtigt werden, siehe Helms, in: Prütting/Helms, FamFG5, § 113 Rn. 33. Hier geht es indes gar nicht um die große Frage nach einer Disposition über das Vorliegen einer wirksamen Ehe als solche, sondern zunächst nur um die Frage, ob ein gegenseitiger Ehekonsens erklärt worden ist. 206 Der Antragsgegner behauptete selbst, dass die Ehe vor einem „Mullah“ geschlossen worden sei und deshalb auch nur vor einem solchen wieder aufgehoben werden könne, AG Groß-Gerau FamRZ 2017, 1491 (1491). 207 Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 37. 203

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könnte und sogar einer der Rechtsscheintatbestände des § 1310 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 BGB verwirklicht wäre. (2) Personenstandsrelevante Handlung eines Standesbeamten Zentrale Heilungsvoraussetzung ist das Vorliegen eines Rechtsscheintatbestands, der nicht in der Eheschließung selbst, sondern in einer der in § 1310 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 BGB abschließend208 benannten standesamtlichen Handlungen zu sehen ist. Auf die einzelnen Tatbestandsvarianten soll hier nicht im Speziellen eingegangen, sondern insoweit auf die reichhaltige Kommentarliteratur209 verwiesen werden. Vereinzelt wird diskutiert, ob die Heilungstatbestände nur von einem deutschen Standesbeamten erfüllt werden können, oder ob es ausreicht, dass ein ausländischer Funktionsträger eine entsprechende Registrierungshandlung vornimmt.210 Angesprochen ist damit die Frage nach der Substitution des deutschen Standesbeamten, also die Ersetzung dieses normativen Tatbestandsmerkmals durch einen ausländischen, funktional äquivalenten Vorgang.211 Zunächst ist klarstellend darauf hinzuweisen, dass sich die Frage nach der Zulässigkeit einer Substitution nur stellt, wenn die Eintragung auch aus Sicht des ausländischen Rechts sachlich unrichtig ist, weil anderenfalls kein (bloßer) Rechtsschein vorliegt und eine Heilung nach § 1310 Abs. 3 BGB schon deshalb ausscheidet.212 208 Gernhuber/Coester-Waltjen, FamR7, § 11 Rn. 18; MüKo-BGB9/Wellenhofer, § 1310 Rn. 30; BeckOGK-BGB/Kriewald (1.7.2022), § 1310 Rn. 74. 209 MüKo-BGB9/Wellenhofer, § 1310 Rn. 32; BeckOGK-BGB/Kriewald (1.7.2022), § 1310 Rn. 75 ff.; Staudinger/Löhnig, BGB (2018), § 1310 Rn. 69 ff.; Soergel/Heintzmann, BGB13, § 1310 Rn. 37 ff.; siehe auch Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 37 ff. sowie Hepting/Dutta, Familie und Personenstand3, Rn. III-211 ff. 210 Die Frage wird in der Literatur selten eingehend diskutiert, vgl. Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 51 (mwN), und hat die Rechtsprechung bislang offenbar kaum beschäftigt. Das OLG Frankfurt a.M. StAZ 2014, 206 (208) hebt zwar hervor, dass eine Heilung nach § 1310 Abs. 3 BGB die Eintragung der Ehe in ein deutsches Eheregister durch einen deutschen Standesbeamten voraussetze, nimmt aber nicht zu der Frage der Substitution explizit Stellung, die sich in dem Verfahren auch gar nicht stellt. Die Bedeutung der Frage erscheint vor diesem Hintergrund gering zu sein. Sie ist aber von besonderem Interesse für die Reichweite der gesetzlichen Heilungsmöglichkeit. Für die Zulässigkeit einer Substitution: Coester, in: FS Heldrich (2005), S. 537 (539 f.); MüKo-BGB8/ders., Art. 13 EGBGB Rn. 165; Staudinger/Mankowski, BGB (2010), Art. 13 EGBGB Rn. 722; Sturm, StAZ 1999, 289 (294). Dagegen: Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 51 ff.; BeckOGK-BGB/Kriewald (1.7.2022), § 1310 Rn. 74; Gernhuber/Coester-Waltjen, FamR7, § 11 Rn. 18; MüKo-BGB9/Wellenhofer, § 1310 Rn. 32. 211 Junker, IPR4, § 11 Rn. 46; Kropholler, IPR6, § 33 I, S. 231. Die Frage der Substitution stellt sich nur, wenn deutsches Formstatut überhaupt Anwendung findet, siehe Sturm, StAZ 1999, 289 (295) sowie Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 51. 212 Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 52 f.

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Im Rahmen des § 1310 Abs. 1 BGB wird die Möglichkeit einer Substitution des Standesbeamten verneint.213 Das dürfte auch die richtige Antwort im Rahmen des § 1310 Abs. 3 BGB sein. Immerhin bezieht sich schon die Gesetzesbegründung ausdrücklich auf den „deutschen Standesbeamten“,214 und auch ein Vergleich mit der abstammungsrechtlichen Heilungsvorschrift des § 1598 Abs. 2 BGB spricht gegen die Möglichkeit einer Substitution. Danach ist eine Heilung einer fehlerhaften Vaterschaftsanerkennung ausdrücklich nur in Konstellationen möglich, in denen eine Eintragung in ein deutsches Personenstandsregister erfolgt ist.215 Hintergrund ist die Einsicht, dem deutschen Staat nur das Handeln der eigenen Standesbeamtenschaft zurechnen zu können.216 Dieser Gedanke lässt sich uneingeschränkt für jedes standesamtliche Registerhandeln verallgemeinern,217 jedenfalls bedürfte es gewichtiger Gründe, um für beide Heilungsvorschriften zu unterschiedlichen Wertungen zu gelangen. Solche vermögen aber diejenigen nicht aufzuzeigen, die sich für eine Substitution des Standesbeamten aussprechen. Sturm befürwortet das ohnehin nur bei Deutschen, die im Ausland heiraten, und beruft sich auf ein Gebot der Substitution („Das gebietet der Grundsatz der Substitution“),218 deren Zulässigkeit hier aber gerade in Rede steht. Coester weist darauf hin, dass die Heilungsvorschrift des § 1310 Abs. 3 BGB dem Schutz von Privatinteressen und dem Rechtsverkehr diene und staatliche Ordnungsinteressen eine untergeordnete Bedeutung besäßen. Letztere seien ausreichend geschützt, wenn das Kriterium der funktionalen Vergleichbarkeit ernst genommen werde.219 Hier wirke überkommenes Kulturkampfdenken fort, und es sei nicht zu erklären, warum trotz funktioneller Äquivalenz beispielsweise das von einem schweizerischen Zivilstandesbeamten hervorgerufene Vertrauen eine Heilung nicht begründen können soll.220 Müller äußert dagegen zu Recht Bedenken, weil sie Fälle befürchtet, in denen der Inlandsbezug schwach ausgeprägt sein und sich nur aus der Staatsangehörigkeit der Beteiligten ergeben könnte. Um zu einer Heilung gemäß § 1310

213 MüKo-BGB8/Coester, Art. 13 EGBGB Rn. 148; Soergel/Schurig, BGB12, Art. 13 EGBGB Rn. 83; OLG Karlsruhe StAZ 1994, 286 (286); a.A. Staudinger/Mankowski, BGB (2010), Art. 13 EGBGB Rn. 722. Siehe zum Streitstand auch Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 50 f. 214 Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Eheschließungsrechts (Eheschließungsrechtsgesetz – EheschlRG) vom 13.6.1996, BT-Drs. 13/4898, S. 17. 215 Siehe zu dieser Heilungsmöglichkeit noch ausführlich unten, § 8 III 2b) aa). 216 Siehe beispielsweise Berkl, Handbuch Personenstandsgesetz (2015), Rn. 503; MüKoBGB8/Wellenhofer, § 1598 Rn. 23; BeckOGK-BGB/Balzer (1.8.2022), § 1598 Rn. 71. Siehe noch unten, § 8 III 2b) aa) (mwN). 217 Vgl. Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 54. 218 Sturm, StAZ 1999, 289 (294). 219 Coester, in: FS Heldrich (2005), S. 537 (539 f.). 220 Coester, in: FS Heldrich (2005), S. 537 (539); vgl. auch MüKo-BGB8/ders., Art. 13 EGBGB Rn. 165.

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Abs. 3 BGB zu gelangen, könne „allein das schutzwürdige Vertrauen der Putativehegatten“ nicht genügen, weil es auf Gutgläubigkeit ohnehin gar nicht ankomme.221 Das überzeugt. Ein Zulassen der Substitution führte gemeinsam dem Verzicht auf die Gutgläubigkeit222 der Ehegatten zu einer sehr weitgehenden Heilungsmöglichkeit. Angesichts der klar umrissenen Tatbestandsvoraussetzungen ist nicht davon auszugehen, dass dies dem gesetzgeberischen Willen entspricht. Die ratio legis ist vielmehr allein die Einstandspflicht des deutschen Staats für seine Standesbeamtenschaft. Schließlich muss man bei Registrierungen im Ausland stets in Rechnung stellen, dass diese auf der Grundlage einer anderen Rechtsordnung vorgenommen werden und damit wenig darüber aussagen, ob die Ehe nach deutschem Recht wirksam ist. Ein in der Literatur zur Untermauerung der Zulässigkeit der Substitution angeführtes Beispiel legt allerdings die Unzulänglichkeit der positivrechtlichen Heilungsvorschrift offen: Zwei Deutsche schließen in der Türkei formunwirksam (d.h. weder die türkische Ortsform noch die deutsche Form wird gewahrt, vgl. Art. 11 Abs. 1 EGBGB) eine Ehe, lassen sich in der Schweiz nieder, wo anlässlich der Geburt eines gemeinsamen Kindes die (formunwirksame) Ehe vom Zivilstandesbeamten im Geburtenregister registriert wird. Nach mehr als zehnjährigem Zusammenleben kehren die Eheleute nach Deutschland zurück und beantragen dort die Scheidung.223 Nach deutschem Sachrecht, das gemäß Art. 11 Abs. 1 Alt. 1 i.V. mit Art. 13 Abs. 1 EGBGB berufen ist, wäre eine Heilung gemäß § 1310 Abs. 3 BGB nur bei Substitution des deutschen Standesbeamten möglich. Das Beispiel allein liefert als seltener Ausnahmefall indes kein belastbares Argument für die Gesetzesauslegung zugunsten der Substitution. Vielmehr ist die insoweit konstatierte Schutzlücke im Einzelfall durch einen ungeschriebenen und flexiblen Heilungsansatz, wie er im dritten Teil der Arbeit diskutiert wird, zu schließen.224 (3) Miteinanderleben als Ehegatten innerhalb einer Wartefrist Ferner müssen die faktischen Eheleute gemäß § 1310 Abs. 3 BGB seit der standesamtlichen Handlung mindestens zehn Jahre beziehungsweise bei Vorversterben eines Teils mindestens fünf Jahre bis zu dessen Tod als Ehegatten miteinander gelebt haben. Die Frist beginnt nicht mit der vermeintlichen Eheschließung, sondern mit der Vornahme der vertrauensbegründenden Handlung des Standesbeamten.225 Auf den Ort des Zusammenlebens kommt es nicht 221

Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 53 f. Siehe sogleich, § 7 IV 1b) cc) (3). 223 Siehe zum Ganzen Coester, in: FS Heldrich (2005), S. 537 (540). 224 Siehe unten, § 11 II 2a) sowie § 11 III 2. 225 Sturm, StAZ 1999, 289 (292); ders., in: FS Rolland (1999), S. 373 (376); MüKoBGB9/Wellenhofer, § 1310 Rn. 33; BeckOGK-BGB/Kriewald (1.7.2022), § 1310 Rn. 81; BeckOK-BGB/Hahn (1.5.2022), § 1310 Rn. 20; NK-FamR4/Antomo, § 1310 Rn. 14; 222

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an.226 Ausreichend ist also der langjährige faktische Vollzug der Nichtehe.227 Uneinigkeit besteht aber hinsichtlich der Frage, ob das Tatbestandsmerkmal des Miteinanderlebens die Gutgläubigkeit der faktischen Eheleute in Bezug auf die Wirksamkeit ihrer faktisch gelebten Ehe erfordert228 oder nicht.229 Der Gesetzeswortlaut allein ist insoweit unergiebig, während die Gesetzesbegründung den Vertrauensschutz zum tragenden Leitgedanken der Heilungsvorschrift erhebt und die irrige Vorstellung der faktischen Eheleute, wirksam verheiratet zu sein, anhand des Beispiels einer hinkenden Ehe besonders betont.230 Dennoch erfordert die gesetzliche Heilung richtigerweise keine Gutgläubigkeit hinsichtlich einer wirksamen Eheschließung. Das deutet bereits die Gesetzessystematik an; auch beim Scheinstandesbeamten i.S. des § 1310 Abs. 2 BGB ist keine Gutgläubigkeit erforderlich, weil es sich um typisierten, abstrakten Vertrauensschutz handelt.231 Ferner verlangen die gleichlautenden Tatbestandsmerkmale innerhalb des § 1315 Abs. 2 Nr. 2 BGB und des § 1315 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BGB nach einhelliger Ansicht ebenfalls keine Gutgläubigkeit.232 Auch ein Vergleich mit dem Abstammungsrecht legt die Annahme nahe, auf Gernhuber/Coester-Waltjen, FamR7, Rn. § 13 Rn. 18; Staudinger/Löhnig, BGB (2018), § 1310 Rn. 77; Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 43. 226 Coester, in: FS Heldrich (2005), S. 537 (539); MüKo-BGB8/ders., Art. 13 EGBGB Rn. 165; MüKo-BGB9/Wellenhofer, § 1310 Rn. 33; Sturm, StAZ 1999, 289 (294); OLG München FamRZ 2000, 699 (701). 227 BeckOGK-BGB/Kriewald (1.7.2022), § 1310 Rn. 79. 228 Sturm, StAZ 1999, 289 (291, 292); Mock, Heilung (2014), S. 318; Soergel/Heintzmann, BGB13, § 1310 Rn. 40; BeckOGK-BGB/Kriewald (1.7.2022), § 1310 Rn. 71.3, 80; dies., Statusrelevante Erklärungen (2009), S. 219; Gernhuber/Coester-Waltjen, FamR7, § 11 Rn. 18; wohl auch OLG München FamRZ 2000, 699 (701). 229 Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 43; Staudinger/Löhnig, BGB (2018), § 1310 Rn. 76; MüKo-BGB9/Wellenhofer, § 1310 Rn. 33; Grüneberg/Siede, BGB81, § 1310 Rn. 13; NK-FamR4/Antomo, § 1310 Rn. 14; Erman/Roth, BGB16, § 1310 Rn. 11a; Frank, in: LA Pintens I (2012), S. 607 (617). 230 Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Eheschließungsrechts (Eheschließungsrechtsgesetz – EheschlRG) vom 13.6.1996, BT-Drs. 13/4898, S. 17; siehe ausführlich auch BeckOGK-BGB/Kriewald (1.7.2022), § 1310 Rn. 71.3, die aus den Motiven den Schluss zieht, dass der Gesetzgeber Gutgläubigkeit als ungeschriebene Voraussetzung gewollt habe. Überzeugend a.A. insoweit Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 42. 231 Siehe bereits oben, § 7 IV 1a). 232 § 1315 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BGB: BeckOGK-BGB/Otto (1.7.2022), § 1315 Rn. 17; Staudinger/Voppel, BGB (2018), § 1315 Rn. 32; vgl. auch Grüneberg/Siede, BGB81, § 1315 Rn. 14. Für § 1315 Abs. 2 Nr. 2 BGB: NK-FamR4/Antomo, § 1315 Rn. 14; BeckOGKBGB/Otto (1.7.2022), § 1315 Rn. 22; Grüneberg/Siede, BGB81, § 1315 Rn. 16; Staudinger/Voppel, BGB (2018), § 1315 Rn. 40. Siehe zu beiden Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 42. Ferner kommt es auf die Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit nicht an, vgl. MüKo-BGB9/Wellenhofer, § 1315 Rn. 18; Staudinger/Voppel, BGB (2018), § 1315 Rn. 35.

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die Voraussetzung der Gutgläubigkeit zu verzichten. In der statusrelevanten Heilungsvorschrift des § 1598 Abs. 2 BGB findet ein Gutglaubenserfordernis nämlich schon gar keinen sprachlichen Anhalt und wird deshalb für eine Heilung auch nicht eingefordert.233 Der Gesetzgeber hat sich zudem bewusst für einen formalen Vertrauenstatbestand entschieden234 und den Vertrauensschutz nicht an die Eheschließung angeknüpft, sondern an die nachträgliche Handlung eines Standesbeamten. Es entsteht quasi neues Vertrauen, und die Anknüpfung dient auch dem Rechtsverkehr, der sich auf die Eintragung verlassen können soll. Damit ist ein schwer beweisbares subjektives Tatbestandsmerkmal unvereinbar.235 Die ratio legis bestätigt mithin, dass ein (ungeschriebenes) Gutgläubigkeitserfordernis nicht besteht. Im Übrigen würde die Gutgläubigkeit ohnehin vermutet,236 sodass unterschiedliche Ergebnisse kaum einmal zutage treten dürften. dd) Zusammenfassende Stellungnahme Die Heilungsvorschrift des § 1310 Abs. 3 BGB hat sich als Interessenausgleichsnorm237 erwiesen, die eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Rechtszustand unter dem früheren EheG bedeutet. Sie löst jedenfalls den viel zitierten Witwenrentenfall des Bundesverfassungsgerichts,238 weil in dem Fall mit der Registrierung der Ehe, die anlässlich der Geburt gemeinsamer Kinder erfolgte,239 ein Rechtsschein gemäß § 1310 Abs. 3 Nr. 2 BGB gegeben ist und die faktischen Eheleute nach der formunwirksamen Eheschließung vor dem britischen Militärgeistlichen in Deutschland mehr als zehn Jahre als Ehegatten miteinander gelebt haben. Allerdings ist die Heilung an eng gefasste Voraussetzungen geknüpft, die sich zwar vor dem Hintergrund erklären, dass die umfassende Heilung auf Statusebene über dasjenige hinausgeht, was das Bundesverfassungsgericht zur Witwenrente entschieden hat.240 Sie führen aber zu einer geringen Praxisrele-

233

Vgl. nur MüKo-BGB8/Wellenhofer, § 1598 Rn. 25; siehe noch unten, § 8 III 2b) aa). Das kritisieren Hepting, FamRZ 1998, 713 (726); Hepting/Dutta, Familie und Personenstand3, Rn. III-210. 235 Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 42. 236 Sturm, StAZ 1999, 289 (293). 237 Coester, in: FS Heldrich (2005), S. 537 (540). 238 Siehe zu diesem Fall bereits oben, § 1 II, § 7 III 1c) aa). 239 Siehe Erbarth, NZFam 2021, 9 (14). 240 Vgl. auch Barth/Wagenitz, FamRZ 1996, 833 (844). 234

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vanz der Vorschrift, was sich vor allem an dem Fundus veröffentlichter einschlägiger Rechtsprechung zeigt.241 Nicht alle Fälle gutgläubig gelebter Nichtehen können mit der Heilungsvorschrift interessengerecht aufgelöst werden.242 Im Schrifttum wird deshalb der lange Wartezeitraum kritisiert243 und zudem gefordert, dass der erforderliche Rechtsschein auch von anderen (deutschen) Behörden gesetzt werden können sollte.244 Insbesondere Hepting sprach sich dafür aus, die Heilungsvorschrift besser an den „materiellen Tatbestand der gutgläubig gelebten Ehe“ anzuknüpfen als an einen formalen Vertrauenstatbestand; Letzteres sei unnötiges Kulturkampfdenken, Ersteres gelte bei aufhebbaren Ehen immerhin auch.245 Die Heilungsvorschrift des § 1310 Abs. 3 BGB ist nur ein halbherziger Versuch des Gesetzgebers, gutgläubig gelebte Nichtehen angemessen rechtlich zu würdigen. Folglich hat sich die Diskussion über anderweitige Lösungsmöglichkeiten nicht erledigt.246 Die angesprochenen Auslegungsprobleme unterstreichen überdies, dass die Anwendung der gesetzlichen Heilungsvorschrift bei Auslandsfällen Probleme bereitet und nicht durchweg einen Weg zu unumstrittenen Ergebnissen zu weisen vermag. Andererseits ist die gesetzgeberische Entscheidung unverkennbar zutage getreten, eine Heilung jedes ehelichen Zusammenlebens nicht allein durch Konsens und schlichten Zeitablauf zu ermöglichen.247 c) Heilung gemäß Art. 229 § 44 Abs. 4 Nr. 2 EGBGB Die derzeitige Diskussion über die Wirksamkeit sogenannter Frühehen ist nicht nur emotional stark aufgeladen und rechtspolitisch überhöht, sie hat auch zu einer problematischen Gesetzeslage geführt, die bereits im Rahmen der Fallgruppenbildung skizziert wurde. Die Unwirksamkeit dieser im Ausland wirksam begründeten Ehen kann zu Fällen gutgläubig gelebter Nichtehen im Inland 241

Siehe bereits oben, § 7 Fn. 152. So auch schon Frank, in: LA Pintens I (2012), S. 607

(616). 242 Hepting/Dutta, Familie und Personenstand3, Rn. III-210; BeckOGK-BGB/Kriewald (1.7.2022), § 1310 Rn. 41. Siehe auch Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 61 ff. 243 Sturm, StAZ 1999, 289 (292 f.); ders., in: FS Rolland (1999), S. 373 (378); Finger, FuR 1996, 124 (126); siehe auch Frank, in: LA Pintens I (2012), S. 607 (617). 244 Sturm, in: FS Rolland (1999), S. 373 (378). 245 Hepting, FamRZ 1998, 713 (726); ähnlich Coester, in: FS Heldrich (2005), S. 537 (539 f.) sowie Hepting/Dutta, Familie und Personenstand3, Rn. III-210. 246 Das hat Neuhaus, Ehe und Kindschaft (1979), S. 115 unwillentlich vorausgesagt („[…] ist eine nachträgliche Heilung der Nichtehe auch ohne gesetzliche Normierung zu erwägen, zumal ein entsprechendes Gesetz erfahrungsgemäß meist zu eng ausfällt.“ [Hervorhebung im Original]). 247 Siehe nur Barth/Wagenitz, FamRZ 1996, 833 (843 f.); vgl. auch HKKBGB/Thier/Schmoeckel, §§ 1303–1312, 1588 Rn. 40.

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führen; es gibt mithin eine (neue) Fallkonstellation, an welche die vorliegende Untersuchung anknüpfen kann. Die Gefahr des Entstehens unbilliger Härten hat offenbar auch der Gesetzgeber erkannt. Er versucht ihr zum einen mit einer intertemporalen Begrenzung der Unwirksamkeitslösung (Art. 229 § 44 Abs. 4 Nr. 1 EGBGB) zu begegnen. Damit sollte insbesondere die eo ipso eintretende Unwirksamkeit von langjährig gelebten Ehen verhindert248 und Vertrauensschutz gewährt werden.249 Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB gilt danach nicht für Sachverhalte, in denen der im Zeitpunkt der Eheschließung noch minderjährige Ehegatte vor dem 22.7.1999 geboren wurde, also beim Inkrafttreten des Kinderehenbekämpfungsgesetzes nach deutschem Recht bereits volljährig geworden ist.250 Auf den Zeitpunkt der Eheschließung kommt es hingegen nicht an.251 Zum anderen hat der Gesetzgeber mit Art. 229 § 44 Abs. 4 Nr. 2 EGBGB eine Heilungsvorschrift252 für ausländische Frühehen implementiert. Ihre Bedeutung ist umso gewichtiger, als eine einzelfallbezogene Prüfung der Wirksamkeit der Eheschließung nicht mehr möglich ist.253 Allerdings zeigt sich bei genauerer Betrachtung, dass die gesetzliche Heilungsvorschrift ähnlich wie § 1310 Abs. 3 BGB zu restriktiv ausgestaltet ist, um alle problematischen Fälle zu erfassen.254 Nach ihr gilt Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB nur dann nicht, wenn eine nach ausländischem Recht wirksame Ehe bis zur Volljährigkeit255 des minderjährigen Ehegatten geführt worden ist und kein Ehegatte seit der Eheschließung bis zur Volljährigkeit des minderjährigen 248

Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen vom 25.4.2017, BT-Drs. 18/12086, S. 24; Frank, StAZ 2018, 1 (2) kritisiert, dass es auf die Dauer der Ehe, das Alter der Beteiligten bei Eheschließung und das tatsächliche Führen der Ehe nicht ankommen soll. 249 Vgl. Makowsky, RabelsZ 83 (2019), 577 (587); BeckOGK-BGB/Kriewald (1.7.2022), Art. 229 § 44 EGBGB Rn. 2. 250 Die Rechtsfolge der intertemporalen Begrenzung ist umstritten, vgl. nur Frank, StAZ 2019, 129 (132); ders., StAZ 2018, 1 (3 f.); Makowsky, RabelsZ 83 (2019), 577 (591 ff.); BeckOGK-BGB/Kriewald (1.7.2022), Art. 229 § 44 EGBGB Rn. 18; Fachausschuss/Wall, StAZ 2018, 96 (98 ff.). 251 Hepting/Dutta, Familie und Personenstand3, Rn. III-274. 252 Siehe zu der dogmatischen Einordnung der Norm ausführlich Makowsky, RabelsZ 83 (2019), 577 (588 f.); so auch Coester-Waltjen, IPRax 2017, 429 (433). Siehe auch den Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen vom 25.4.2017, BT-Drs. 18/12086, S. 24. 253 Frank, StAZ 2018, 1 (1); kritisch zum Wegfall der einzelfallbezogenen Lösung Coester, FamRZ 2017, 77 (79). 254 Vgl. Coester-Waltjen, IPRax 2017, 429 (435); vgl. auch Gernhuber/Coester-Waltjen, FamR7, § 13 Rn. 13. 255 Die Volljährigkeit soll sich nach dem gemäß Art. 7 EGBGB berufenen Heimatrecht beurteilen, vgl. Coester-Waltjen, IPRax 2017, 429 (433); Hepting/Dutta, Familie und Personenstand3, Rn. III-280 mit Hinweis zu insoweit vom Gesetzgeber nicht bedachten Konstellationen, in denen der Grundsatz „Ehe macht mündig“ gilt; Hüßtege, FamRZ 2017, 1374 (1374). A.A. Makowsky, RabelsZ 83 (2019), 577 (590) („Maßgeblichkeit des deutschen Volljährigkeitsalters“).

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Ehegattens seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte. Die Heilung der Ehe muss also durch Zeitablauf und Erreichen der Volljährigkeit geheilt werden, bevor ein räumlicher Inlandsbezug entsteht.256 Bereits der Begriff der Volljährigkeit überzeugt nicht, worauf Dutta257 im Anschluss an Coester-Waltjen258 zutreffend hinweist.259 Frank kritisiert überdies das Kriterium des Grenzübertritts.260 Eine überzeugende Unterscheidung zwischen anerkennungswürdigen und nicht anerkennungswürdigen Ehen gelingt damit insgesamt nicht.261 Die Wirksamkeit der Ehe wird vielmehr von einer willkürlich anmutenden zeitlich-örtlichen Grenze abhängig gemacht, und über den Schutz des Ehebands wird sachfremd entschieden. So hilft die Heilungsvorschrift beispielsweise nicht weiter, wenn die faktischen Eheleute die Bundesrepublik zwar betreten haben, bevor beide volljährig geworden sind, im Inland aber die Ehe jahrelang weiter gutgläubig führten und sich gegenseitig als Eheleute unterstützten.262 Auch entzieht die Regelung ausgerechnet einer Person den Schutz der Rechtsordnung (wie er etwa im Eheaufhebungs- und Scheidungsfolgenrecht Niederschlag gefunden hat), die wegen ihrer Minderjährigkeit besonders schutzwürdig ist.263 Sie kommt nicht nur nicht in den Genuss der Schutzmechanismen des Eherechts, auch die Beziehung zu ihrer (einzigen) engen Bezugsperson erfährt keine rechtliche Anerkennung.264 Es besteht also weitergehender Korrekturbedarf. Der Erkenntnis, dass der Heilungsvorschrift zum Trotz weiterhin ein unbefriedigtes Bedürfnis nach Heilung gutgläubig gelebter Frühehen besteht, unterstreicht auch die Entwicklung in der Rechtsprechung. So wurde beispiels-

256

BeckOGK-BGB/Rentsch (1.8.2022), Art. 13 EGBGB Rn. 47. Hepting/Dutta, Familie und Personenstand3, Rn. III-280. 258 Coester-Waltjen, IPRax 2017, 429 ff. 259 Siehe auch BeckOGK-BGB/Rentsch (1.8.2022), Art. 13 EGBGB Rn. 47; Makowsky, RabelsZ 83 (2019), 577 (590); Onwuagbaizu, NZFam 2019, 465 (466). 260 Frank, StAZ 2019, 129 (130), der zudem auf die unklare Rechtsfolge der Heilungsvorschrift (wirksame oder aufhebbare Ehe) hinweist, vgl. (132); siehe kritisch auch CoesterWaltjen, IPRax 2019, 127 (129). 261 Frank, StAZ 2019, 129 (130 f.) („Der Gesetzgeber gibt vor, das Wohl der Kinder zu schützen, lässt aber eine am Wohl des Kindes orientierte Prüfung nicht zu“); ders., StAZ 2018, 1 (2); Antomo, ZRP 2017, 79 (81). 262 Vgl. auch Coester, FamRZ 2017, 77 (79). 263 Coester-Waltjen, IPRax 2017, 429 (435); vgl. auch Frank, StAZ 2018, 1 (4); ähnlich auch mit Blick auf die Unwirksamkeitslösung Weller/Thomale/Hategan/Werner, FamRZ 2018, 1289 (1294 f., 1298). 264 Frank, StAZ 2019, 129 (132 f.); Coester-Waltjen, IPRax 2017, 429 (435); siehe zur psychischen Komponente ferner Lohse/Meysen, JAmt 2017, 345 (349). 257

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weise schon mehrfach die Aufhebbarkeit einer Ehe unter Rekurs auf das unionsrechtliche Anerkennungsprinzip verneint.265 Ähnliche Erwägungen können auch bei nichtigen Frühehen angestellt werden.266 Angesichts der unzureichenden gesetzlichen Heilungsmöglichkeit wird die Frage einer ungeschriebenen Heilung von Nichtehen beziehungsweise ihre sachrechtliche Behandlung im Einzelfall auch im Kontext der Frühehen relevant werden.267 d) Zwischensumme Die Betrachtung der wenigen ausdrücklich normierten Heilungsmöglichkeiten einer Nichtehe hat den Bedarf an weiteren Lösungsmöglichkeiten für gutgläubig gelebte Nichtehen offenbart. Nur in eng gefassten Ausnahmefällen greift eine statusrelevante Heilung ein. Deshalb mangelt es nicht an Versuchen, ungeschriebene Heilungsmöglichkeiten und sekundäre Abhilfemechanismen zu entwickeln. Besonders hervorzuheben ist zum Ende der Betrachtung geschriebener Heilungsmöglichkeiten, dass die kodifizierten Konvaleszenztatbestände nach überwiegender und zutreffender Ansicht allesamt keine Gutgläubigkeit der faktischen Eheleute zwingend voraussetzen. Die Schutzwürdigkeit des Vertrauens wird mithin entscheidend auf einen besonderen staatlichen Rechtsscheintatbestand gestützt, wobei indes die Heilung nach Art. 229 § 44 Abs. 4 Nr. 2 EGBGB offensichtlich (allein) auf einem fehlenden Inlandsbezug beruht. Diese Erkenntnisse münden unmittelbar in die Überlegung, ob die Schutzwürdigkeit des Vertrauens nicht auch abseits des § 1310 Abs. 2 und 3 BGB gegeben sein kann, wenn an die Stelle eines standesamtlichen Rechtsscheins andere Umstände und zugleich Gutgläubigkeit der faktischen Eheleute treten.268 2. Ungeschriebene Abhilfemöglichkeiten auf sekundärer Ebene Unter dem Eindruck dieser wenigen und restriktiv gefassten Heilungsvorschriften hat es schon seit jeher Versuche gegeben, bei einer jahrelang gelebten, aber unheilbaren Nichtehe zumindest auf Rechtsfolgenebene Abhilfe zu schaffen. Angesprochen sind damit materiell-rechtliche Hilfskonstruktionen

265

Siehe bereits im Rahmen der Aufhebbarkeit oben, § 7 II. Hepting/Dutta, Familie und Personenstand3, Rn. III-283; siehe auch Weller/Thomale/Hategan/Werner, FamRZ 2018, 1289 (1297), die sich aber für eine Rechtfertigung des Eingriffs in die Personenfreizügigkeit aussprechen; siehe ferner von Bar/Mankowski, IPR II2, § 4 Rn. 91. 267 Vgl. Makowsky, RabelsZ 83 (2019), 577 (593); Gernhuber/Coester-Waltjen, FamR7, § 13 Rn. 13 sowie § 11 Rn. 21. 268 Siehe unten, § 11 II 1f). 266

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ohne Statusrelevanz. Sie setzen auf einer sekundären Ebene direkt bei den konkreten Rechtsfolgen der Ehe an.269 Dem System des allgemeinen Vertrauensschutzgedankens folgend geht es also nicht um Vertrauensentsprechung, sondern um Kompensation der Nachteile, die durch enttäuschtes Vertrauen entstanden sind.270 a) Korrektur im Recht der (anderen) Statusverhältnisse Eine naheliegende Abhilfemöglichkeit liegt zunächst darin, anstatt einer statusrechtlichen Heilung der faktischen Ehe jeweils im Recht anderer Status Ergebnisse zu konstruieren, die eigentlich eine wirksame Ehe voraussetzen.271 Hat beispielsweise die unerkannte Unwirksamkeit einer Ehe eine rechtlich unzutreffende Namensführung zur Folge (gemeinsamer Ehename der Eheleute gemäß § 1355 BGB, der an Abkömmlinge weitergegeben werden kann, vgl. §§ 1616, 1757 Abs. 1 BGB), kann aus Sicht des Namensrechts, gestützt auf den Gedanken des Vertrauensschutzes und das allgemeine Persönlichkeitsrecht, der faktische Name zum rechtlichen Namen erstarken.272 Auch die Staatsangehörigkeit eines Kindes kann von der Wirksamkeit der Ehe abhängen, wenn die Mutter nicht die deutsche Staatsangehörigkeit hat und es deshalb entscheidend auf die rechtliche Vaterschaft des deutschen Mannes ankommt, die ihrerseits an die Wirksamkeit der Ehe geknüpft sein kann, wenn Vaterschaftsanerkennung oder gerichtliche Feststellung der Vaterschaft fehlen (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 StAG). Das Staatangehörigkeitsrecht ermöglicht insofern aber Rechtssicherheit im Wege der Feststellungswirkung eines Bescheids nach § 30 StAG273 und der gesetzlichen Heilungsmöglichkeit nach § 3 Abs. 2 StAG, die ganz wesentlich vom Gedanken des Vertrauensschutzes geprägt sind.274 Darüber hinaus könnte eine Analogie zu § 17 Abs. 2 und 3 StAG erwogen werden,

269

Siehe zu solchen sekundären Lösungsmöglichkeiten noch die Darstellung der ElternKind-Zuordnung, unten § 8 III sowie zusammenfassend § 8 IV 2. 270 Siehe zur entsprechenden Zweispurigkeit oben, § 5 IV 2b). 271 Eine gesonderte Lösung für jede Norm anstelle einer einheitlichen Heilung für die gesamte Rechtsordnung befürwortet beispielsweise Winkler von Mohrenfels, RabelsZ 51 (1987), 20 (30). 272 Siehe ausführlich oben, § 6 IV. 273 Zur Reichweite der Bindungswirkung sowie den Möglichkeiten von Rücknahme und Widerruf, siehe nur BeckOK-AuslR/Kluth/Bohley (1.7.2022), § 30 StAG Rn. 6 f.; NKAuslR2/Oberhäuser, § 30 StAG Rn. 5 ff. 274 Siehe zur vor der Schaffung des § 3 Abs. 2 StAG entwickelten verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung sowie zu der Frage, ob § 3 Abs. 2 StAG abschließend den Vertrauensschutz regelt, BeckOK-AuslR/Weber (1.7.2022), § 3 StAG Rn. 10 f.

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wonach im Falle der Anfechtung einer Vaterschaft für den Verlust der Staatsangehörigkeit des Kindes zumindest eine Altersgrenze gilt.275 Auch im ElternKind-Verhältnis sind einzelfallorientierte Gerechtigkeitslösungen nicht ausgeschlossen, wie noch im Einzelnen zu zeigen sein wird.276 Spezifische gesetzliche Ansatzpunkte, die Lösungen auf sekundärer Ebene oder auf der Ebene eines anderen Status ermöglichen, existieren allerdings lediglich im Staatsangehörigkeitsrecht, das nicht im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung steht. Darüber hinaus würde man durch ein solches Vorgehen lediglich die Probleme von einem Statusmerkmal zu einem anderen verschieben und entgegen den Funktionen statusorientierten Rechts (Statustotalität, Statusklarheit, Statusbeständigkeit)277 womöglich zu einer Art Teilwirksamkeit des Status gelangen. Die grundlegende Frage aber bleibt stets dieselbe, unter welchen Voraussetzungen man bereit ist, Vertrauensschutz als ungeschriebenen Rechtsgrundsatz im Recht der Statusmerkmale zu gewähren. b) Ergebnisorientierte Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts Neben diesen Lösungen im Recht anderer Status wurde teilweise eine Auslegung des einfachen Rechts in der Weise vorgenommen, dass auch eine zivilrechtlich unwirksame Ehe einen Tatbestand erfüllen kann, der das Bestehen einer Ehe voraussetzt. So sollen, anders gewendet, mitunter Rechtsfolgen, die an eine wirksame Ehe anknüpfen, auch bei unwirksamer Eheschließung eintreten. Die Kodifizierung der statusorientierten Heilungsmöglichkeit des § 1310 Abs. 3 BGB steht diesen sekundären Lösungsversuchen nicht entgegen. Selbst diejenigen, die eine ungeschriebene Heilungsmöglichkeit neben § 1310 Abs. 3 BGB unter Berufung auf dessen abschließenden Charakter ablehnen,278 stehen rechtsfolgenbegrenzten Ergebniskorrekturen nicht prinzipiell ablehnend gegenüber.279

275 Siehe zur verfassungsrechtlichen Problematik des Staatsangehörigkeitsverlusts infolge rückwirkender Vaterschaftsanfechtung BVerfG FamRZ 2014, 449 ff. (mAnm Helms); 2019, 1624 ff. (mAnm Leipold) sowie Manhart, NZFam 2015, 442 (446). 276 Siehe noch ausführlich unten, § 8 III. 277 Siehe oben, § 4 I 2. 278 Siehe noch unten, § 7 IV 3b) cc) (1). 279 Mäsch, IPRax 2004, 421 (424); Erman/Roth, BGB16, § 1310 Rn. 13; MüKoBGB9/Wellenhofer, § 1310 Rn. 35. Insoweit ist die gegenteilige Ansicht von Wagenitz/Bornhofen, Handbuch des Eheschließungsrechts (1998), Rn. 4–45, S. 107 ohne große Gefolgschaft geblieben, siehe aber Hohloch, JuS 2003, 921 (922 f.). Der Bundesgerichtshof hat in BGH FamRZ 2003, 838 ff. (mAnm Borgmann) lediglich die Übertragbarkeit auf das Zivilrecht verneint, dazu sogleich § 7 IV 2b) cc) (2) sowie § 7 IV 3b) aa).

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aa) Sozialrechtlicher Ehebegriff und das Bundesverfassungsgericht Wie der gutgläubig geführte Name in der Singh-Entscheidung hat auch die gutgläubig gelebte Ehe das Bundesverfassungsgericht beschäftigt, welches auf diese Weise einen verfassungsrechtlichen Markstein gesetzt hat: Die sogenannte Witwenrentenentscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1982280 hat die Problematik zwar – anders als die Singh-Entscheidung im Namensrecht – nicht entscheidend auflösen können. Sie hat aber die Diskussion nachhaltig geprägt und auch in jüngerer Zeit nicht an Strahlkraft verloren. Als wiederkehrendes Argumentationsmuster beeinflusst diese Entscheidung die wissenschaftliche Auseinandersetzung und gibt ihr ein deutliches verfassungsrechtliches Gepräge. (1) Die Witwenrentenentscheidung des Bundesverfassungsgerichts Am 23.11.1982 erließ der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts einen Beschluss, der mitunter als „epochemachend“281 bezeichnet wurde und tatsächlich bis heute kontrovers diskutiert wird. In der sogenannten Witwenrentenentscheidung erstreckte der Senat erstmalig282 – und zugleich bisher einmalig283 – den verfassungsrechtlichen Schutz der Ehe gemäß Art. 6 Abs. 1 GG auf eine nach deutschem284 Recht unwirksam geschlossene Ehe. Der Entscheidung lag eine Sachverhaltskonstellation zugrunde, die bereits einleitend285 als Exempel für den Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit stand:

280

BVerfGE 62, 323 (323 ff.). Bosch, FamRZ 1983, 452 (452). 282 In dem sogenannten Spanierbeschluss des BVerfG stand der Eheschließung das nach Art. 13 Abs. 1 EGBGB berufene spanische Recht entgegen, was aber die Eheschließungsfreiheit der deutschen Beschwerdeführerin aus Art. 6 Abs. 1 GG verletzte, vgl. BVerfGE 31, 58 (81), siehe von Bar, NJW 1983, 1929 (1930). Es wurde mithin das deutsche Kollisionsrecht an Art. 6 Abs. 1 GG gemessen und in der Folge das eigentlich anwendbare spanische Recht verdrängt; nicht aber wurde Art. 6 Abs. 1 GG auf eine nach deutschem Recht unwirksame Ehe angewendet. 283 Vgl. BVerfG NJW 1993, 3316 (3317); siehe auch BeckOK-GG/Uhle (15.5.2022), Art. 6 Rn. 11. 284 Einschließlich des deutschen Kollisionsrechts, sodass eine nach maßgeblichem, ausländischen Recht wirksame Ehe grundsätzlich unter Art. 6 Abs. 1 GG fallen kann, wenn die Gemeinschaft „dem das Grundgesetz beherrschenden Bild von Ehe und Familie nicht widerspricht“, BVerfGE 76, 1 (42) (die Normen des deutschen Kollisionsrechts sind indes nur Anhaltspunkte für die eigenständige verfassungsrechtliche Einordnung). Siehe ferner BVerfGE 62, 323 (330 f.) (mwN); 31, 58 (79); Jarass/Pieroth/Jarass, GG17, Art. 6 Rn. 4. 285 Siehe oben, § 1 II. 281

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Eine ursprünglich deutsche Staatsangehörige schließt mit einem Soldaten der britischen Besatzungsarmee im Jahr 1947 vor einem britischen Militärgeistlichen (formunwirksam, vgl. § 15a EheG a.F.286) in Hilden die Ehe. Nachdem sich das Paar für kurze Zeit in England aufgehalten und die Frau die englische Staatsangehörigkeit angenommen hatte, kehrt es 1949 wieder nach Deutschland zurück, wo es bis zum Tod des Mannes im Jahr 1975 gemeinsam in der irrigen Vorstellung lebt, wirksam verheiratet zu sein. Die Rechtswirksamkeit der geschlossenen Ehe wird von niemandem und keiner öffentlichen Stelle in Zweifel gezogen. Im Gegenteil stellt ein deutscher Standesbeamter im Jahr 1952 anlässlich der Geburt einer gemeinsamen Tochter des Paares eine Urkunde aus, in der die Frau als Ehefrau bezeichnet und auf die Eheschließung in Hilden verwiesen wird. Der Mann zahlt zu Lebzeiten als Arbeitnehmer in die deutsche Sozialversicherung ein. Als die Frau nach dem Tod des Mannes schließlich die Auszahlung einer Witwenrente beantragt, verwehrt der Sozialversicherungsträger die Bewilligung unter Berufung auf die Unwirksamkeit der Eheschließung; die Frau sei nicht Witwe i.S. des maßgeblichen § 1264 Reichsversicherungsordnung a.F. Dagegen klagt die Frau vor dem Sozialgericht Düsseldorf, das den Bescheid des Versicherungsträgers aufhebt und diesen zur Gewährung einer Witwenrente verurteilt.287 Interessanterweise beschreitet das Sozialgericht einen einfachrechtlichen sowie zugleich ungeschriebenen288 Weg und erklärt die formunwirksame Ehe in analoger Anwendung des § 17 Abs. 2 EheG a.F. für geheilt289 – ein Lösungsansatz, den vor allem schon Henrich vertreten hatte.290 Dem folgt indes das im Wege der Sprungrevision angerufene Bundessozialgericht nicht. Es erteilt der Heilung eine Absage, hebt das Urteil des Sozialgerichts auf und weist die Klage ab. Ganz im Sinne seiner damals ständigen Rechtsprechung beurteilt das Bundessozialgericht die Witweneigenschaft des Sozialrechts „ausschließlich nach dem familienrechtlichen Status der Witwe“.291 Die dagegen erhobene Verfassungsbeschwerde hat Erfolg.

286 Die Vorschrift entsprach weitgehend dem derzeit geltenden Art. 13 Abs. 4 EGBGB, vgl. Staudinger/Mankowski, BGB (2010), Art. 13 EGBGB Rn. 619; siehe ausführlich zu der Vorschrift bereits oben, § 7 III 1a). 287 BSG FamRZ 1981, 767 (767 ff.) (mAnm Bosch). 288 Die gesetzliche Heilungsvorschrift des § 1310 Abs. 3 BGB, die hier helfen könnte, gab es im Entscheidungszeitpunkt noch nicht, vgl. oben, § 7 IV 1b) aa). 289 Siehe die Darstellung im Sachverhalt bei BSG FamRZ 1981, 767 (768) (mAnm Bosch). 290 Henrich, RabelsZ 37 (1973), 230 (242) im Anschluss an LG Kleve FamRZ 1964, 365 (365). Siehe noch unten, § 7 IV 3a) bb) sowie § 7 IV 3b) cc). 291 BSG FamRZ 1981, 767 (769) (mAnm Bosch); kritisch bereits von Maydell, in: FS Bosch (1976), S. 645 (649 ff., 654).

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Die im Ergebnis überwiegend begrüßte292 und dennoch in methodischer Hinsicht viel kritisierte293 Entscheidung des Senats beruht vor allem auf der verfassungsrechtlichen Prämisse, dass der staatliche Schutz der Ehe nicht auf solche Verbindungen begrenzt ist, die nach deutschem Eheschließungsrecht wirksam begründet wurden.294 Der Senat konnte angesichts seiner beschränkten Funktion als Hüter der Verfassung („oberstes Verfassungsorgan“)295 keine Lösung im einfachen (Ehe-)Recht entwickeln, sondern musste das offensichtlich bestehende Gerechtigkeitsproblem mit den Mitteln des Verfassungsrechts, mithin auf grundrechtlichem Wege lösen.296 Es hatte also die Auslegung des sozialrechtlichen Witwenbegriffs durch das Bundessozialgericht am Maßstab des Art. 6 Abs. 1 GG zu messen. Hervorzuheben ist vor allem, dass das Bundesverfassungsgericht vor diesem Hintergrund auf die Frage einer statusrelevanten Heilung gar nicht eingeht. Insoweit ist die Witwenrentenentscheidung unergiebig.297 Ihr kann indes der verallgemeinerungsfähige298 Grundsatz entnommen werden, dass der Schutz von Art. 6 Abs. 1 GG nicht immer und ausnahmslos an den deutschen Formvorschriften der Bürgerlichen Ehe endet beziehungsweise beginnt. Entscheidend ist vielmehr, dass die dem Grundrecht des Art. 6 Abs. 1 GG immanenten Strukturprinzipien erfüllt sind, wobei das Gericht namentlich die Einehe, die Geschlechtsverschiedenheit, die grundsätz-

292

von Bar, NJW 1983, 1929 (1930); Müller-Freienfels, JZ 1983, 230 (230); ders., Sozialversicherungsrecht und das BVerfG (1984), S. 13; Bosch, FamRZ 1983, 253 (253); Wengler, IPRax 1984, 68 (70); vgl. auch Behn, NJW 1984, 1014 (1014) (mwN); Frank, in: LA Pintens I (2012), S. 607 (621); Beitzke, SGb 1983, 238 f. 293 Siehe Wengler, IPRax 1984, 68 (68 ff.); von Bar, NJW 1983, 1929 (1930 f.) („eine Rätsel aufgebende Begründung“); Winkler von Mohrenfels, RabelsZ 51 (1987), 20 (26); Müller-Freienfels, JZ 1983, 230 (231 ff.); ders., Sozialversicherungsrecht und das BVerfG (1984), S. 21 („ungewisser Sprung ins Dunkle“); Sturm/Sturm, in: FS W. Lorenz (2001), S. 423 (427); teilweise zustimmend Hepting, IPRax 1994, 355 (356); siehe auch Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 175 ff., insbes. 178 mit Fn. 628. 294 BVerfGE 62, 323 (330). 295 BVerfGE 7, 1 (14); siehe auch Detterbeck, in: Sachs, GG9, Art. 93 Rn. 4 f. Siehe zum begrenzten Prüfungsmaßstab nur Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht12, Rn. 281. Das BVerfG ist nämlich keine Superrevisionsinstanz, BVerfGE 7, 198 (207); 18, 85 (92); 30, 173 (197); 42, 143 (149); BVerfG NJW 2005, 1344 (1344). 296 Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 177; von Bar, NJW 1983, 1929 (1931); Behn, NJW 1984, 1014 (1014); Hepting, IPRax 1994, 355 (356); Beitzke, SGb 1983, 238 (238). Insoweit ist die diesbezügliche Kritik unberechtigt, vgl. aber MüllerFreienfels, JZ 1983, 230 (232). 297 Vgl. Hepting, IPRax 1994, 355 (357). 298 Coester, StAZ 1988, 122 (128); siehe vorsichtiger von Bar, NJW 1983, 1929 (1931 f.), der den Grundsatz der obligatorischen Zivileheschließung durch Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in besonders gelagerten Fällen zurücknehmen will, wenn anderenfalls die Form zum Selbstzweck degradiert werde.

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liche Unauflösbarkeit sowie die Erkennbarkeit (im Sinne der Publizität) benennt.299 Der nach Art. 13 Abs. 1 EGBGB sowie § 1310 Abs. 1 BGB vorgesehenen Mitwirkung eines Standesbeamten komme als Ordnungselement zwar eine wesentliche Bedeutung zu, „nicht minder wesentlich“ sei aber der übereinstimmend geäußerte Eheschließungswille der faktischen Eheleute.300 Das bedeutet eine „merklich[e] Akzentverschiebung“301, war doch in vorigen Judikaten des Senats stets von einer entscheidenden Bedeutung des Ordnungselements die Rede,302 das nicht allein schon deshalb an Bedeutung einbüßte, weil dies für den Einzelnen eine Härte bedeuten könnte.303 Argumentativ knüpft die Entscheidung sodann an die im konkret zu beurteilenden Einzelfall bestehende hinkende Ehe an und kommt zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für eine Ehe erfüllt sind, wenn die Partner „bei Abschluß einer ‚hinkenden Ehe‘ ihre Verbindung als dauernde Gemeinschaft beabsichtigen und versprechen“.304 Besonders wichtig ist es dem Senat offenbar, dass sich die Verbindung von einer nichtehelichen Gemeinschaft unterscheidet, immerhin stellt er auf eine „nachweisbare Eheschließung“ ab.305 Auch sei es mit dem Sozialstaatsgebot unvereinbar, wenn die Hinterbliebenenversorgung nur deshalb verweigert werde, weil die Ehe lediglich nach einer ausländischen Rechtsordnung wirksam sei.306 Interessant ist, dass die Entscheidung demgegenüber weder dem langen Zeitraum der faktischen Eheführung (ca.

299 BVerfGE 62, 323 (330); siehe auch 53, 224 (245); 31, 58 (69); 29, 166 (176); 10, 59 (66). Siehe zum aktuellem Begriffsverständnis der Ehe i.S. des Art. 6 Abs. 1 GG von Münch/Kunig/Heiderhoff, GG7, Art. 6 Rn. 54 ff., die zutreffend auch die gleichgeschlechtliche Ehe als von Art. 6 Abs. 1 GG erfasst ansieht, siehe Rn. 59 (mwN auch zur Gegenansicht). 300 BVerfGE 62, 323 (331). Das hebt auch Coester, in: FS Heldrich (2005), S. 537 (544) hervor und kritisiert den BGH, auf Seiten des Ordnungselements aus der wesentlichen Bedeutung eine entscheidende Bedeutung zu machen. Wengler, IPRax 1984, 68 (70 ff.) hält das für „reine Rhetorik“. 301 Behn, NJW 1984, 1014 (1015). 302 BVerfGE 29, 166 (177); 56, 363 (386), allerdings jeweils mit dem Hinweis, dass dem Ordnungselement „neben der Willensübereinstimmung der Ehegatten“ entscheidende Bedeutung zukommt. 303 BVerfGE 29, 166 (178). 304 BVerfGE 62, 323 (331); kritisch dazu Müller-Freienfels, JZ 1983, 230 (232, 237). 305 BVerfGE 62, 323 (331 f.); insoweit zu Recht kritisch Müller-Freienfels, Sozialversicherungsrecht und das BVerfG (1984), S. 22 f., der klarstellt, dass eine hinkende Auslandsehe nicht immer und eo ipso die Voraussetzung einer nachweisbaren Eheschließungserklärung erfüllt. 306 BVerfGE 62, 323 (333).

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dreißig Jahre) noch der zwischenzeitlichen Eintragung der Ehe in ein öffentliches Register (so dann aber die Kodifizierung in § 1310 Abs. 3 BGB)307 anlässlich der Geburt einer Tochter in seiner Argumentation entscheidendes Gewicht beimisst.308 (2) Der Witwenbegriff des Sozialrechts Mit der Witwenrentenentscheidung hat das Bundesverfassungsgericht – insoweit an das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz309 anknüpfend – klargestellt, dass der Ehebegriff „jedenfalls“ im Sozialrecht nicht durch die bürgerlichrechtlichen Weichenstellungen begrenzt, sondern darüberhinausgehend auch gegenüber solchen Ehen offen ist, die zumindest dem Schutz von Art. 6 Abs. 1 GG unterstehen. Es handelt sich also um eine verfassungskonforme Auslegung des sozialrechtlichen Begriffs der Witwe, der auch das sozialrechtliche Schrifttum folgt.310 Dieser Auslegung liegt zudem eine funktionale Betrachtungsweise zugrunde. Der Gesetzgeber wollte im Sozialrecht nicht in erster Linie an den zivilrechtlichen Status anknüpfen, sondern an das Bestehen einer Unterhaltspflicht.311 Wenn eine solche nach ausländischem Recht besteht, ist es nur folgerichtig, dass das deutsche Sozialrecht ebenfalls an den Ehewirkungen und nicht an dem Ehestatus anknüpft. Wenngleich der sehr weitgehend formulierte Leitsatz der Entscheidung seinem Wortlaut nach alle hinkenden Auslandsehen erfasst,312 befördert die genauere Betrachtung der Entscheidungsgründe die eigentlichen Beweggründe des Judikats zutage: Den Formzwecken war in diesem Fall genügt, ein Ehekonsens war nachweisbar und die Beteiligten haben auf die Wirksamkeit ihrer Eheschließung vertraut.313 Der Ehebegriff des Art. 6 Abs. 1 GG ist damit erfüllt und setzt sich im Sozialrecht gegen den zivilrechtlichen Ehebegriff durch. Dem steht auch nicht die Einheit der Rechtsordnung entgegen,314 wenngleich ein Interesse der Bürgerinnen und Bürger an einer 307

Siehe oben, § 7 IV 1b) cc) (2). Sturm, StAZ 1999, 289 (295); vgl. auch Coester, in: FS Heldrich (2005), S. 537 (544) in Bezug auf die Registrierung. Vgl. auch die Kritik bei von Bar, NJW 1983, 1929 (1932); auch auf Gutgläubigkeit hebt der Senat nicht ab, vgl. insoweit die Kritik bei Müller-Freienfels, JZ 1983, 230 (237). 309 LSG Rheinland-Pfalz FamRZ 1974, 373 ff.; siehe Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 174 mit Fn. 606. 310 Kasseler Kommentar/Gürtner, 118. EGL, § 46 SGB VI Rn. 4; BeckOK-SozR/Kreikebohm/Jassat (1.6.2022), § 46 SGB VI Rn. 10; jurisPK-SGB VI/Bohlken (1.4.2021), § 46 SGB VI Rn. 31. 311 von Maydell, in: FS Bosch (1976), S. 645 (651 f., 654). 312 Kritisch etwa Müller-Freienfels, Sozialversicherungsrecht und das BVerfG (1984), S. 21 ff., 100; Samtleben, RabelsZ 52 (1988), 466 (492). 313 So auch ausdrücklich LSG Rheinland-Pfalz FamRZ 1974, 373 (376). 314 Staudinger/Mankowski, BGB (2010), Art. 13 EGBGB Rn. 533; kritisch aber Sturm/Sturm, in: FS W. Lorenz (2001), S. 423 (429). 308

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möglichst einheitlichen Bewertung der Wirksamkeit einer Ehe unverkennbar ist. Letzteres führt zu dem Gedanken, ob nicht die Annahme einer Heilung im Status vorzugswürdig wäre, steht aber einer weniger weitreichenden Auflösung des Interessenkonflikts nicht entgegen. Verfassungsrechtlich gebotene Wertungen können nicht mit dem Postulat der Einheit der Rechtsordnung relativiert werden.315 bb) Strafprozessualer Ehegattenbegriff Ein ähnlicher Auslegungsansatz wird im Strafprozessrecht diskutiert in Bezug auf das Tatbestandsmerkmal „Ehegatte“ in §§ 52, 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO. Das Bundesverfassungsgericht hat aber bei einer Nichtzulassung der Nebenklage einer Frau, die nur nach Sinti-Art mit dem Getöteten (unwirksam) die Ehe geschlossen hatte, einen Grundrechtsverstoß verneint.316 Zwar hätten die faktischen Eheleute 26 Jahre als Eheleute zusammengelebt und fünf gemeinsame Kinder bekommen. Allerdings könne hier, anders als im Fall der Witwenrentenentscheidung, nicht festgestellt werden, dass die Form Selbstzweck geworden sei.317 Insoweit stützt sich der Zweite Senat namentlich auf das Fehlen einer zumindest nach ausländischem Recht wirksamen Ehe (hinkende Auslandsehe), gibt aber zugleich zu erkennen, dass auch andere Anknüpfungspunkte in Frage kommen könnten, um den Weg zu bereiten, über den Verstoß gegen das Ordnungselement hinwegzusehen. Im Strafprozess ist mithin jedenfalls bei einer rein religiös geschlossenen Ehe keine erweiternde Auslegung verfassungsrechtlich geboten, um die unwirksame Ehe wie eine Ehe im strafprozessualen Sinne zu behandeln. Zu beachten ist allerdings, dass der entschiedene Sachverhalt von demjenigen der Witwenrentenentscheidung nicht nur in Bezug auf die Abwesenheit eines staatlichen Eheschließungselements abweicht, sondern auch ganz unterschiedlich zu gewichtende Rechtsfolgen betroffen sind: In dem einen Fall geht es um eine Nebenklägereigenschaft und in dem anderen Fall um die existentielle Versorgung der betreffenden Person. Daran (scil. die Gewichtigkeit der in Rede stehenden Rechtsfolge) knüpft auch der Versuch an, die Witwenrentenentscheidung auf die Frage nach dem Bestehen eines Zeugnisverweigerungsrechts zu übertragen. Ein Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 52 StPO kommt grundsätzlich nur bei einer nach deutschem Recht wirksamen Ehe in Betracht.318 Die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zur Witwenrente spricht aber für eine verfassungskonforme Auslegung der Norm, weil der Schutz der Zeuginnen und

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Staudinger/Mankowski, BGB (2010), Art. 13 EGBGB Rn. 533; Samtleben, RabelsZ 52 (1988), 466 (468 f., 493 ff.). 316 BVerfG FamRZ 1993, 781 f. 317 BVerfG FamRZ 1993, 781 (781). 318 BGH BeckRS 2017, 129180.

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Zeugen Sinn und Zweck des § 52 StPO ist.319 Letzterer ist eng mit der Intention verbunden, einen Loyalitätskonflikt zu vermeiden, und deshalb nicht von der formalen Eheschließung abhängig. Zudem hat eine strafprozessuale Zeugenaussage eine konkrete Grundrechtsrelevanz.320 Inzwischen sind ferner auch in der strafprozessualen Diskussion Bestrebungen zu beobachten, die Tatbestände der nahen Angehörigen entsprechend der gesellschaftlich gewandelten Realität auszulegen und den Kreis der dort genannten nahen Angehörigen im Wege der Analogie zu erweitern.321 Auf diese Weise könnten auch Partnerinnen und Partner aus einer gutgläubig gelebten Nichtehe in den Genuss strafprozessualer Privilegien kommen. Damit ist zu konstatieren, dass auch abseits der bekannten sozialrechtlichen Thematik (umstrittene) Lösungsansätze für die gutgläubig gelebte Nichtehe auf sekundärrechtlicher Ebene existieren.322 cc) Bürgerlich-rechtliche Scheidungsfolgen Zivilrechtliche Rechtsfolgen, die an eine wirksame Ehe anknüpfen, werden ganz überwiegend erst bei Auflösung der Ehe relevant. Angesprochen sind damit vor allem die bürgerlich-rechtlichen Scheidungsfolgen (namentlich Unterhaltsansprüche, aber auch Rückabwicklungsfragen). Auch insoweit stellt sich

319 Ebner/Müller, NStZ 2010, 657 (659); MüKo-StPO1/Percic, § 52 Rn. 12; a.A. Gercke, in: Gercke/Julius/Temming/Zöller, StPO6, § 52 Rn. 7; Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, StPO65, § 52 Rn. 5; BGH BeckRS 2017, 129180. 320 Ebner/Müller, NStZ 2010, 657 (659). 321 Siehe im Zusammenhang der Nebenklage eines Stiefvaters BeckOK-StPO/Weiner (1.7.2022), § 395 Rn. 24; KK-StPO8/Walther, § 395 Rn. 11; AG Aurich BeckRS 2012, 22110. 322 In diese Richtung tendiert auch die im IPR geführte Diskussion über das sogenannte Anerkennungsprinzip, siehe bereits oben, § 2 III. So hat der der Europäische Gerichtshof in der Coman-Entscheidung die Anerkennung einer Ehe zumindest für die Begründung eines Aufenthaltsrechts gefordert, vgl. EuGH, Urt. vom 5.6.2018 – Rs. C-673/16, FamRZ 2018, 1063 (mAnm Dutta) – Coman. Ähnlich zum Abstammungsrecht nunmehr EuGH, Urt. vom 14.12.2021 – Rs. C-490/20, FamRZ 2022, 281 (mAnm Flindt) – Pancharevo. Dabei handelt es sich also nicht um statusrelevante Lösungen, sondern um Hilfskonstruktionen auf sekundärer Rechtsfolgenebene. Eine andere sekundäre Lösung des deutschen Sachrechts besteht womöglich in der personenstandsrechtlichen Besonderheit des sogenannten Annäherungsgrundsatzes, vgl. zu diesem Gedanken Gössl, StAZ 2015, 233 ff., die aber den Annäherungsgrundsatz in bemerkenswert selbstverständlicher Art und Weise zur Anwendung bringt und weiterentwickelt, obwohl der Annäherungsgrundsatz für nicht bewiesene und somit unklare eintragungspflichtige Tatsachen entwickelt worden ist und damit in einem ganz anderen Kontext eine praxisrelevante Rolle spielt, vgl. nur BGHZ 221, 1 (6) {20} = NZFam 2019, 300 (301 Rn. 20) (mAnm Zimmermann).

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Dritter Teil: Vertrauensschutz und statusorientiertes Recht

die Frage, ob sie unabhängig vom rechtlichen Status zumindest in Fällen zugesprochen werden können, in denen anderenfalls eine unbillige Härte für einen der faktischen Ehepartner entstehen würde. (1) Übertragbarkeit der Witwenrentenentscheidung Zumindest der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs erteilte Versuchen, die in der Witwenrentenentscheidung entwickelte Eigenständigkeit des Ehebegriffs unmittelbar auf das Zivilrecht zu übertragen, eine klare Absage.323 Anlass zu der Entscheidung gab der bereits skizzierte324 versicherungsrechtlich eingekleidete Fall einer unwirksamen Eheschließung vor einem nicht ordnungsgemäß ermächtigten griechisch-orthodoxen Geistlichen in Deutschland. Die faktischen Eheleute gehen von der Wirksamkeit der Ehe aus und leben mehr als zwanzig Jahre lang als Ehegatten miteinander. Die Unwirksamkeit der Eheschließung bleibt sogar im Scheidungsverfahren unerkannt, sodass der Mann zur Zahlung von Versorgungsausgleich verpflichtet wird und mit der Frau Unterhaltszahlungen vereinbart. Erst Jahre nach dem Abschluss des Scheidungsverfahrens erfährt der Mann von der Unwirksamkeit und nimmt seinen damaligen Rechtsbeistand in Regress. Einen Unterschied zum Witwenrentenfall sieht der IX. Zivilsenat schon darin, dass es im Sozialrecht als Teil des Öffentlichen Rechts um einen Interessenkonflikt zwischen dem Staat und seiner Bürgerinnen und Bürger gehe, während das Zivilrecht zwei gleichgeordnete Interessen abzuwägen habe. So sei auch das Interesse des faktischen Ehemanns an der Unwirksamkeit der Ehe zu berücksichtigen. Ob der Senat diese Abwägung ebenso pauschal vorgenommen hätte, wenn die Folgen seines Abwägungsergebnisses tatsächlich die faktische Ehefrau und nicht die Haftpflichtversicherung des in Regress genommenen Rechtsanwalts getroffen hätten, erscheint zumindest zweifelhaft.325 Jedenfalls aber ist nicht einzusehen, dass das Interesse des Mannes an der auch für ihn zufälligen Unwirksamkeit schwerer zu gewichten sein soll als dasjenige der Frau an ihrer existentiellen Versorgung im Nachgang der gutgläubig gelebten Ehe. Hier wird der Formzweck nicht nur zum Selbstzweck, sondern in sein Gegenteil verkehrt (Rechtsunsicherheit statt Vorhersehbarkeit und Verlässlichkeit). Den Weg des Bundesverfassungsgerichts konnte der Bundesgerichtshof aber tatsächlich nicht beschreiten; eine Ehe im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist lediglich die wirksame Ehe gemäß §§ 1310 ff. BGB. Die Übertragung der vom Bundesverfassungsgericht für das Sozialrecht entwickelten Kompro-

323

BGH FamRZ 2003, 838 ff. (mAnm Borgmann). Siehe zu dieser kritikwürdigen Entscheidung noch ausführlich unten, § 7 IV 3b) aa) und dd). 324 Siehe oben, § 1 II, § 7 III 1c) cc). 325 Vgl. Coester, in: FS Heldrich (2005), S. 537 (544); Mäsch, IPRax 2004, 421 (424); siehe auch noch unten, § 7 IV 3b) cc) (2) sowie dd).

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misslösung auf das Zivilrecht würde eine analoge Anwendung der Scheidungsfolgen auf Nichtehen bedeuten. Die Ehe wäre beispielsweise (nur) für das Unterhaltsrecht als wirksam anzusehen. Das hat sich verständlicherweise nicht durchsetzen können.326 Ein eigenständiger Ehebegriff des Unterhaltsrechts scheidet also aus. Diese Erkenntnis bedeutet aber nicht zugleich, dass sämtliche verfassungsrechtliche Wertungen, die der Witwenrentenentscheidung zugrunde liegen, ignoriert werden können. Vielmehr hat auch das Zivilrecht eine Lebensgemeinschaft zu schützen, die zwar – abgesehen von einer etwaigen Heilungsmöglichkeit – keine wirksame Ehe im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist, aber dennoch den Ehebegriff des Art. 6 Abs. 1 GG erfüllt.327 Insoweit sind indes andere Wege zu suchen, die unter anderem in einer statusrechtlichen Heilung bestehen könnten. (2) Analoge Anwendung von § 1318 Abs. 2 BGB Eine andere Möglichkeit zur rechtsfolgenorientierten Abhilfe ist die analoge Anwendung der in § 1318 BGB niedergelegten Rechtsfolgen einer Eheaufhebung, was gleichbedeutend mit einer doppelten Analogie zu den Scheidungsfolgen ist. Das wird neuerdings im Zusammenhang mit sogenannten Frühehen diskutiert. Unstreitiger Ausgangspunkt ist die Prämisse, dass Aufhebungsfolgen gemäß § 1318 BGB grundsätzlich eine zunächst wirksam geschlossene Ehe voraussetzen,328 an der es in den hier untersuchten Fallkonstellationen fehlt. An dieser Stelle setzt die Gesetzesanalogie an. Fest steht ferner, dass dies nur bei gutgläubig gelebten Ehen ein sinnvoller Weg ist, weil § 1318 BGB selbst nur die gewünschten Rechtsfolgen gewährt, wenn Gutgläubigkeit der betreffenden Person gegeben ist.329 Die für die Analogie erforderliche Vergleichbarkeit der Interessenlage kann bei Frühehen von Personen, die das sechzehnte Lebensjahr noch nicht erreicht haben, damit begründet werden, dass das Unwirksamkeitsverdikt des § 1303 Satz 2 BGB die

326

Frank, in: LA Pintens I (2012), S. 607 (621); Staudinger/Mankowski, BGB (2010), Art. 13 EGBGB Rn. 5; Makowsky, RabelsZ 83 (2019), 577 (596); wohl auch Pfeiffer, LMK 2003, 128 (129), der eine statusrechtliche Heilung befürwortet. Siehe aber OLG Karlsruhe FamRZ 1983, 757 f. (ehelicher Kindesunterhalt nach Beendigung der faktischen Ehe) sowie Mäsch, IPRax 2004, 421 (424), der aber den dogmatischen Weg nicht vorgibt und offenbar eher zu einer statusrechtlichen Heilung tendiert. 327 Siehe nur Mäsch, IPRax 2004, 421 (424) sowie ferner unten, § 10 I 1. 328 MüKo-BGB9/Wellenhofer, § 1318 Rn. 2; Jauernig/Budzikiewicz, BGB18, §§ 1313– 1318 Rn. 1; BeckOGK-BGB/Otto (1.7.2022), § 1318 Rn. 3; NK-FamR4/Antomo, § 1318 Rn. 2; Staudinger/Voppel, BGB (2018), § 1318 Rn. 13. 329 Vgl. BeckOK-BGB/Hahn (1.5.2022), § 1318 Rn. 1; Erman/Roth, BGB16, § 1318 Rn. 3; vgl. auch Coester-Waltjen, IPRax 2017, 429 (431). Nur in Ausnahmefällen ist beiderseitige Bösgläubigkeit ausreichend, § 1318 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

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sonst (scil. bei der Aufhebung einer Frühe von über Sechzehnjährigen) erforderliche Interessenabwägung ersetzen, aber in der Rechtsfolge die unwirksame Frühehe nicht schlechter behandeln soll als eine aufhebbare Frühehe.330 Vor allem werde die eigentlich zu schützende minderjährige Person bei der Unwirksamkeit schlechter gestellt als bei Aufhebbarkeit.331 Streitig ist aber das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke. Während manche meinen, keine Anhaltspunkte für einen gesetzgeberischen Willen für eine materiellrechtliche Schlechterstellung der unter Sechzehnjährigen erkennen zu können,332 weisen andere zu Recht darauf hin, der Gesetzgeber habe das Problem gesehen und bewusst nicht geregelt.333 In der Gesetzesbegründung heißt es ausdrücklich, dass Ehen, die von einer Person unter sechzehn Jahren geschlossen wurden „keinerlei Rechtswirkungen“ entfalten sollen.334 Die damit tatsächlich bestehende Schlechterstellung der minderjährigen Person in Bezug auf die Rückabwicklung der gelebten sozialen Realität ist zwar kaum mit der Rechtsprechung des Bundverfassungsgerichts vereinbar,335 erlaubt aber keine verfassungskonforme Auslegung gegen den eindeutigen gesetzgeberischen Willen.336 Auch jenseits der Fallgruppe unwirksamer Frühehen dürfte eine Analogie zu § 1318 BGB auf Nichtehen nur schwerlich zu begründen sein. Eine analoge Anwendung einer Vorschrift, die bereits ausnahmsweise für begrenzte Fälle die entsprechende Anwendung ganz konkreter Scheidungsfolgen anordnet, begegnet schon im Ansatz Bedenken. Diese verstärken sich, wenn man die gesetzgeberische Entscheidung ernst nimmt, zwischen aufhebbarer und unwirksamer Ehe zu unterscheiden.337 Die eigentlichen Leitmotive (Gutgläubigkeit, langjähriger faktischer Vollzug, schutzwürdige Interessen, Erfüllung der Formzwecke) könnten bei einer Analogie im Übrigen nur mittelbar Berücksichtigung finden. Richtigerweise ist deshalb die Auflösung der Unbilligkeiten eher in der statusrechtlichen Heilung zu suchen als in der rechtsfolgenorientierten Gleichsetzung einer Nichtehe mit einer aufhebbaren Ehe.338 330

Majer, NZFam 2017, 537 (539 f.); BeckOGK-BGB/Otto (1.7.2022), § 1318 Rn. 3. Weller/Thomale/Hategan/Werner, FamRZ 2018, 1289 (1295). 332 Majer, NZFam 2017, 537 (539); Weller/Thomale/Hategan/Werner, FamRZ 2018, 1289 (1295 f.). 333 MüKo-BGB9/Wellenhofer, § 1318 Rn. 2; NK-FamR4/Antomo, § 1303 Rn. 13; Staudinger/Löhnig, BGB (2018), § 1310 Rn. 16; Makowsky, RabelsZ 83 (2019), 577 (586). 334 Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen vom 25.4.2017, BT-Drs. 18/12086, S. 15. 335 Weller/Thomale/Hategan/Werner, FamRZ 2018, 1289 (1295); Coester-Waltjen, IPRax 2017, 429 (431). 336 BGH FamRZ 2019, 181 (185) (mAnm Hettich und Dutta). 337 Vgl. Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung – Drucksache 13/4898 – vom 10.12.1997, BT-Drs. 13/9416, S. 28. 338 Im Ausgangspunkt ähnlich Makowsky, RabelsZ 83 (2019), 577 (586 ff.), der aber eine statusrechtliche Heilung im Ergebnis ablehnt, (597 f.). 331

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(3) Andere zivilrechtliche Behelfskonstruktionen Führt die Annahme einer unheilbaren Nichtehe zu unerträglichen Ergebnissen, können letztere im Einzelfall auch mit anderen zivilrechtlichen Vehikeln des Schuldrechts abgemildert werden. In Betracht kommt beispielsweise die Annahme eines Unterhaltsvertrags, der eine (nacheheliche) Unterhaltspflicht begründet und nicht nur eine bestehende gesetzliche Verpflichtung ausgestaltet.339 Ein solcher Vertrag kann grundsätzlich formfrei und konkludent geschlossen werden, setzt aber das Vorliegen eines gegenseitigen Rechtsbindungswillens (Angebot und Annahme, §§ 145 ff. BGB) voraus.340 An dieser Stelle hängt der schuldrechtliche Ausgleich – ehrlicherweise – entscheidend von der in casu bestehenden Bereitschaft der rechtsanwendenden Person zur Fiktion entsprechender Willenserklärungen ab.341 Derartige (mehr oder weniger offen fingierte) Verträge finden sich in der Rechtsprechungspraxis vor allem im Zusammenhang mit dem Kindesunterhalt bei rechtlich nicht bestehender Elternschaft,342 sind aber auch im bilateralen Verhältnis zwischen zwei (faktischen) Ehegatten denkbar.343 Der konkludente Unterhaltsvertrag könnte womöglich in dem einleitend geschilderten Fall helfen, in der eine rein religiöse Eheschließung im Nachhinein entgegen dem Versprechen des Mannes nicht durch eine standesamtliche Eheschließung rechtlich bestätigt wird. In jenem Versprechen könnte der im Wege der Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zu ermittelnde Wille erkannt werden, sich für den Fall der Beendigung der Lebensgemeinschaft zu Unterhalts- und Versorgungsleistungen zu verpflichten, die denen einer wirksamen bürgerlichen Ehe entsprechen. Dabei besteht allerdings die Gefahr, die Grenzziehung zwischen bewusster Eheschließung nach bürgerlichem Recht und bewusstem Verzicht auf die rechtliche Eheschließung zu verwischen. Es werden mithin auch insoweit die vom Vertrauensgedanken bekannten Leitlinien (Gutgläubigkeit, Schutzwürdigkeit, faktischer Vollzug) zu berücksichtigen sein; dies allerdings nur mittelbar, was wiederum zu einer schwerlich vorhersehbaren Rechtsanwendung führt. Sind aus der faktischen Ehe gemeinsame Kinder hervorgegangen, kann Unterhalt aus Anlass der Geburt gemäß § 1615l BGB auch ohne wirksame Ehe 339

Siehe zu dieser Unterscheidung Staudinger/Klinkhammer, BGB (2018), Vorbemerkungen zu §§ 1601–1615n Rn. 137; Erman/Hammermann, BGB16, vor § 1601 Rn. 24. 340 Staudinger/Klinkhammer, BGB (2018), Vorbemerkungen zu §§ 1601–1615n Rn. 138 f.; BeckOGK-BGB/Selg (1.8.2022), § 1601 Rn. 113; vgl. auch Erman/Hammermann, BGB16, vor § 1601 Rn. 24 f.; Gernhuber/Coester-Waltjen, FamR7, § 43 Rn. 9 f. 341 Vgl. insoweit die Zurückhaltung bei Erman/Hammermann, BGB16, vor § 1601 Rn. 24 a.E.; die vertragliche Konstruktion hat sich in der Praxis aber nicht als erfolgsversprechend herausgestellt, vgl. Wellenhofer, FamRZ 2015, 973 (974). 342 Siehe insoweit noch ausführlich und kritisch unten, § 8 III 1b) bb). 343 Siehe zu einem Beispiel für eine Vereinbarung zwischen nichtehelichen Lebensgefährten BGH NJW 1986, 374 (374).

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gewährt werden. Die früher bestehenden Unterschiede im Vergleich zu dem eherechtlichen Pendant des § 1570 BGB wurden mittlerweile weitgehend eingeebnet,344 sodass es insoweit auf die Wirksamkeit der Eheschließung nicht ankommt. Interessant ist ferner die Möglichkeit der zeitlichen Verlängerung des Unterhaltsanspruchs aus Gründen der Billigkeit gemäß § 1615l Abs. 2 Satz 4 BGB, die auch bei Vorliegen sogenannter elternbezogener Gründe erfolgen kann.345 Eine darunter subsumierbare Fallgruppe ist nämlich das Bestehen eines Vertrauenstatbestands, der durch eine gemeinsame Lebensgestaltung entstanden und auf ein längeres Zusammenleben bei gemeinsamem Kinderwunsch gerichtet ist.346 Allerdings müssen die elternbezogenen Gründe sich auf die persönliche Betreuung des Kindes beziehen, sodass weitergehende Unterhaltsinteressen (z.B. Folgeunterhalt wegen abgebrochener Berufsausbildung, Ausbildungsunterhalt) anders als bei ehelichem Unterhalt außer Betracht zu bleiben haben.347 An dieser Stelle könnte eine Analogiebildung erwogen werden für Fälle gutgläubig gelebter Nichtehen – dieser Weg wurde indes noch nicht beschritten und es ist nicht Anliegen der vorliegenden Arbeit, neue sekundäre Abhilfemöglichkeiten zu entwickeln. Vielmehr soll eine grundsätzlichere Möglichkeit diskutiert werden. Hierfür ist es zunächst ausreichend, auf die hohen Hürden einer Analogie zu § 1615l BGB hinzuweisen; der Unterhaltsanspruch ist nämlich bewusst auf Unterhalt wegen Kindesbetreuung begrenzt.348 Ferner ist der Weg nur gangbar, wenn gemeinsame Kinder überhaupt vorhanden sind, weil der Unterhaltsanspruch seine Legitimationsgrundlage ausschließlich in der gemeinsamen Elternverantwortung findet.349 In dem zuvor angesprochenen Fall der nicht eingehaltenen Eheschließungszusage nach rein religiöser Eheschließung vermag möglicherweise auch das 344

Siehe zu verfassungsrechtlichen Implikationen der früheren Unterscheidung Budzikiewicz, NJW 2007, 3536 ff. sowie umfassend dies., Materielle Statuseinheit (2007), S. 156 ff. Siehe auch BeckOGK-BGB/Lugani (1.8.2022), § 1615l Rn. 94; Lipp, in: Familienrechtlicher Status und Solidarität (2008), S. 53 (78) sowie Götz, FamRZ 2018, 1474 (1474 f., 1476), auch zu weiterhin bestehenden Unterschieden (1477 f.). 345 MüKo-BGB8/Langeheine, § 1615l Rn. 38 ff.; BeckOGK-BGB/Lugani (1.8.2022), § 1615l Rn. 93 ff.; Staudinger/Klinkhammer, BGB (2018), § 1615l Rn. 51 ff. Siehe zur rechtspolitischen Diskussion nur Koch, ZRP 2017, 162 (163) sowie Borth, FamRZ 2016, 269 (270 f.). 346 MüKo-BGB8/Langeheine, § 1615l Rn. 38; Staudinger/Klinkhammer, BGB (2018), § 1615l Rn. 62; Lipp, in: Familienrechtlicher Status und Solidarität (2008), S. 53 (79, 83). Siehe zu einem daran anknüpfenden Unterhaltsrecht der faktischen Lebensgemeinschaft Löhnig, NJW 2016, 1487 ff. (Verlängerung des Anspruchs aufgrund eines Vertrauenstatbestands); siehe auch BeckOGK-BGB/Lugani (1.8.2022), § 1615l Rn. 95. 347 MüKo-BGB8/Langeheine, § 1615l Rn. 41 (mwN); Staudinger/Klinkhammer, BGB (2018), § 1615l Rn. 63 (mwN). 348 MüKo-BGB8/Langeheine, § 1615l Rn. 41. 349 Götz, FamRZ 2018, 1474 (1475); Jauernig/Budzikiewicz, BGB18, §§ 1615l-1615n Rn. 1.

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Rechtsinstitut der gestörten Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB einen Weg zu einem als gerecht empfundenen Ergebnis zu weisen. Das erfordert, dass die Durchführung der versprochenen standesamtlichen Eheschließung zur Geschäftsgrundlage des faktischen Zusammenlebens als Ehegatten erhoben wird. Insoweit bestehen gedankliche Parallelen zu schuldrechtlichen Konstruktionen, die für die Rückabwicklung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft diskutiert werden.350 Diesen kann im Rahmen der vorliegenden Untersuchung zwar keine nähere Analyse gewidmet werden, sie stellen aber potenzielle Werkzeuge für die Abmilderung von Ungerechtigkeiten dar, die infolge versagter statusrechtlicher Heilung entstehen, wenngleich sie sich vor allem auf die Rückabwicklung vergangener Vermögensverschiebungen und weniger auf die Absicherung zukünftiger Versorgung fokussieren.351 Ihre Anwendung wäre im vorliegenden Kontext immerhin insofern etwas vereinfacht, als dass bei gutgläubig gelebten Nichtehen die Beteiligten, anders als bei bewusst nichtehelichen Lebensgemeinschaften, sich den Regeln der Ehe unterwerfen wollten. Das Argument, die Beteiligten hätten sich bewusst gegen die Verrechtlichung ihrer Lebensgemeinschaft entschieden,352 verliert mithin spürbar an Überzeugungskraft. Die Bereitschaft der Rechtspraxis zu pragmatischen Lösungsansätzen auf sekundärer Ebene lässt sich abschließend anhand einer vereinzelt gebliebenen Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln353 zum Ausschluss des Versorgungsausgleichs trotz unwirksamer Ehescheidung unterstreichen. Gegenstand der Entscheidung ist zwar der umgekehrte Fall zu einer gutgläubig gelebten Nichtehe, nämlich die versorgungsrechtliche Behandlung einer eigentlich noch wirksamen, aber gutgläubig beendeten Ehe: Eine in Marokko wirksam geschlossene Ehe wird durch eine vor dem Marokkanischen Generalkonsulat im Jahr 1982 erklärte Verstoßungserklärung (nach deutschem Recht unwirksam) geschieden, und die Eheleute leben seither getrennt voneinander, und zwar in der Annahme, ihre Lebens- und Versorgungsgemeinschaft sei beendet. Der Mann hat inzwischen erneut geheiratet. Erst als auch die Frau wieder heiraten will, stellte sich die Frage nach der Wirksamkeit der Scheidung, sodass die die 350 Siehe zu den unterschiedlichen Lösungen des Schuldrechts Wellenhofer, NZFam 2021, 381 ff.; MüKo-BGB8/Schäfer, Vor § 705 Rn. 86 f.; Stein, FamFR 2011, 409 ff.; Sorge, JZ 2011, 660 ff.; Kemper, NJ 2009, 177 (179 ff.); Kroppenberg, in: Rechtsregeln für nichteheliches Zusammenleben (2009), S. 43 (58 ff.); Mayer, Haftung und Paarbeziehung (2017), S. 387 ff.; BGH NJW 2013, 2187 ff.; 2011, 2880 ff.; 2008, 3277 ff. 351 Busche, JZ 1998, 387 (391, 393). Vgl. auch BGH NJW 2013, 2187 ff.; 2011, 2880 ff. 352 Busche, JZ 1998, 387 (391); Kemper, NJ 2009, 177 (179); Henrich, in: Rechtsregeln für nichteheliches Zusammenleben (2009), S. 329 (343); vgl. auch MüKo-BGB9/Wellenhofer, Anh. § 1302 Rn. 99 sowie Grziwotz, NZFam 2021, 410 (410). Siehe zutreffend auch Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 218 f. sowie Röthel, in: Familienrechtlicher Status und Solidarität (2008), S. 85 (112). 353 OLG Köln FamRZ 2000, 895 f.

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Ehescheidung vor dem Amtsgericht beantragt. Diese erfolgt im Jahr 1998 zwar antragsgemäß, der Versorgungsausgleich wird aber auf den Zeitraum zwischen Eheschließung und Verstoßungserklärung begrenzt. Im Übrigen sei er wegen grober Unbilligkeit (§ 1587c Nr. 1 BGB a.F., Vorgänger des § 27 S. 1 VersAusglG) auszuschließen. Dem folgt das Oberlandesgericht und stellt argumentativ auf die übereinstimmende Vorstellung der Parteien ab, die Verstoßungserklärung habe ihre Ehe wirksam beendet.354 Es zeigt sich: Generalklauseln des Bürgerlichen Rechts sind grundsätzlich geeignet, die (verfassungsrechtlich) gebotene Berücksichtigung gutgläubig gelebter Realbeziehung einfachrechtlich zu gewährleisten. Festzuhalten ist aber auch, dass kaum veröffentlichte Entscheidungen existieren, in denen zwischen zwei faktischen Eheleuten355 Unterhalts-, Versorgungs- oder Erbansprüche mit den vorgenannten zivilrechtlichen Hilfskonstruktionen begründet werden. dd) Zwischensumme Auf sekundärer Rechtsfolgenebene hat sich gezeigt, dass durchaus Lösungen zur Verfügung stehen, um Härten, die aus dem Verdikt der Unwirksamkeit einer langjährig gelebten Nichtehe resultieren, abzuschwächen und das Interesse gutgläubiger Personen zu schützen. Allerdings werden die Konstruktionen nur sehr zurückhaltend und vereinzelt in der Praxis bemüht und konzentrieren sich vor allem auf die existentielle Versorgung. Ihre erfolgreiche Anwendung setzt ferner zumeist einen konkludenten Vertragsschluss voraus – mit Ausnahme des sozialrechtlichen Witwenbegriffs – und vermag lediglich eine relativ wirksame Ehe zu begründen; sie entfalten keine Wirkung erga omnes und sind auf den jeweiligen Rechtsbereich begrenzt. Das ist angesichts der zentralen Bedeutung, die dem Status der Ehe beigemessen wird, nicht zufriedenstellend.356 Ferner leidet die Rechtssicherheit, die statusorientiertes Recht stets zu erreichen sucht.357 In diesem Sinne und angesichts des erkennbaren Bedarfs an weiteren Abhilfemöglichkeiten ist es geboten, den Gedanken der ungeschriebenen Heilung aufzugreifen und auszuloten, ob eine systemkonforme, rechtssichere und zugleich interessengerechte Lösung in der Entwicklung eines allgemeinen ungeschriebenen Heilungstatbestands gefunden werden kann.

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OLG Köln FamRZ 2000, 895 (895 f.). Siehe aber auch allgemein zum Ausschluss des Versorgungsausgleichs bei langer Trennungszeit BeckOGK-BGB/Maaß (1.8.2022), § 27 VersAusglG Rn. 57 ff. 355 Häufiger werden auf diese Weise Ansprüche im faktischen Eltern-Kind-Verhältnis begründet, siehe unten, § 8 III. 356 So bereits Neuhaus, in: FS Schwind (1978), S. 223 (236) im Anschluss an Thomas, Formlose Ehen (1973), S. 138. 357 Vgl. MPI, RabelsZ 47 (1983), 595 (624) sowie oben, § 4 I 2.

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3. Ungeschriebene Heilung mit Statusfolge Die Möglichkeit einer ungeschriebenen statusrechtlichen Heilung formunwirksamer Ehen wurde in Literatur und Rechtsprechung bereits vor der Implementierung des Heilungstatbestands in § 1310 Abs. 3 BGB im Jahr 1998 immer wieder diskutiert.358 Die vorgehend konstatierten Unzulänglichkeiten der heutigen gesetzlichen Heilungsvorschriften sprechen dafür, dass die Diskussion noch nicht beendet werden sollte. Diese Entwicklung hat namentlich Müller bereits anschaulich zusammengefasst und das insoweit bestehende bunte Kaleidoskop nach dogmatischen Lösungsansätzen geordnet.359 Auf Grundlage ihrer Darstellung und unter Rekurs auf ihre Ergebnisse sollen im Folgenden die wesentlichen Entwicklungs- und Argumentationslinien für den vorliegenden Zweck einer statusübergreifenden Betrachtung des Vertrauensschutzgedankens nachgezeichnet werden. Im Mittelpunkt des Interesses stehen dabei weniger der einzelne dogmatische Heilungsansatz als vielmehr die tatsächlichen Umstände, unter denen die Bereitschaft zu einer Konvaleszenz auf Statusebene beobachtet werden kann. Insoweit steht nämlich zu vermuten, dass einheitliche Kriterien extrahiert werden können, die wiederum Grundlage eines umfassenden Heilungsansatzes sein können. Bereits bei einer ersten Annäherung an die Diskussion über den rechtlichen Umgang mit einer gutgläubig gelebten Nichtehe tritt die Zäsur, welche die Diskussion durch die Kodifizierung einer Heilungsmöglichkeit in § 1310 Abs. 3 BGB360 erfahren hat, unübersehbar zum Vorschein.361 Dementsprechend ist zunächst ein Blick auf die Heilungsansätze vor dem Eheschließungsrechtsgesetz 1998 zu werfen (a)), bevor die jüngere Entwicklung betrachtet wird (b)) und eine abschließende Stellungnahme zur der grundsätzlichen Zulässigkeit einer ungeschriebenen Heilung erfolgt (c)). a) Rechtsentwicklung vor der Kodifizierung Die Blütezeit der rechtwissenschaftlichen Diskussion über die ungeschriebene Heilung einer Nichtehe liegt, betrachtet man Quantität und Qualität der Auseinandersetzung, sicherlich vor der Kodifizierung der Heilungsmöglichkeit in

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Siehe zur Diskussion sogenannter Putativehen bereits im 19. Jahrhundert nur Henrich, RabelsZ 37 (1973), 230 (230 f.) sowie Müller-Freienfels, JZ 1983, 230 (233). 359 Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 154 ff.; siehe aber auch Hepting, IPRax 1994, 355 (356 ff.); Coester, in: FS Heldrich (2005), S. 537 (541 ff.). 360 Siehe bereits oben, § 7 IV 1b). 361 Siehe die Differenzierungen bei Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 186 ff.; Sturm, StAZ 1999, 289 (295); Coester, in: FS Heldrich (2005), S. 537 (537, 540 f.).

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§ 1310 Abs. 3 BGB.362 Angestoßen von der Rechtsprechung, die die Unbilligkeiten einer strikten Unheilbarkeit offenbarte, waren es insbesondere Bosch, Thomas, Henrich, Neuhaus, Steding, Coester und Hepting, die sich für eine Korrektur auf Statusebene aussprachen.363 Die insoweit ergangene Rechtsprechung und die einschlägige Literatur bereichern die aktuelle Diskussion noch immer und verdienen somit eine nähere Betrachtung. aa) Rechtsprechung Die Abwesenheit gesetzlicher Heilungsmöglichkeiten hat in der Rechtsprechung überwiegend dazu geführt, dass unbilligen Ergebnissen zum Trotz eine jahrelang gelebte Ehe keine rechtliche Anerkennung gefunden hat. So hat beispielsweise das Oberlandesgericht Nürnberg in zwei Entscheidungen, die indes denselben Fall betrafen, einer jahrelang als Ehe gelebten Verbindung die rechtliche Anerkennung versagt, weil die Eheschließung unwirksam war und eine Heilung einer Nichtehe dem Gesetz unbekannt sei.364 Gleichermaßen haben Bundesgerichte und untere Instanzen eine ungeschriebene Heilung versagt365 und „Korrekturen dieser Rechtslage“ dem Gesetzgeber überantwortet.366 Allerdings hat es wiederholt auch Judikate gegeben, die eine Heilung im Status befürworteten.367

362

Ähnlich Coester, in: FS Heldrich (2005), S. 537 (537) („Das alte Problem heißt ‚Heilung von Nichtehen‘“), siehe auch schon den Untertitel des Beitrags: „Neue Fragestellungen zu einem alten Problem“. 363 Siehe in chronologischer und nicht abschließender Aufzählung: Bosch, FamRZ 1955, 72; ders., FamRZ 1965, 381; ders., FamRZ 1970, 248; ders., FamRZ 1981, 360 (allesamt Urteilsanmerkungen); Thomas, Formlose Ehen (1973), passim; Henrich, RabelsZ 37 (1973), 230 ff.; Neuhaus, in: FS Schwind (1978), S. 223 ff.; ders., Ehe und Kindschaft (1979), S. 103 ff.; Steding, Der rechtliche Schutz nichtstandesamtlich geschlossener Ehen (1985), passim; Coester, StAZ 1988, 122 (128 f.); Hepting, IPRax 1994, 355 ff. 364 OLG Nürnberg FamRZ 1965, 380 f. (mAnm Bosch); 1970, 246 ff. (mAnm Bosch). Kritisch dazu auch Bosch, FamRZ 1966, 57 (70). Die Unwirksamkeit ergab sich daraus, dass der Mann (unzutreffend) als im Krieg gefallen gemeldet worden war und die Frau aus diesem Grund eine nachträgliche Eheschließung gemäß dem Führererlass vom 6.11.1941 vollzogen hatte. Als der Mann aus dem Krieg zurückkehrte, lebte das Paar die vermeintlich wirksam geschlossene Ehe, ohne die Eheschließung zu „wiederholen“. 365 BSG FamRZ 1959, 278 (279) (mAnm Bosch); 1978, 240 (241); 1981, 767 (768) (mAnm Bosch); OLG Nürnberg FamRZ 1965, 380 f. (mAnm Bosch); 1970, 246 ff. (mAnm Bosch); OLG Hamm FamRZ 1973, 456 (458 f.) (mAnm Bosch); OLG Köln IPRax 1985, 352 (353); LG Stuttgart IPRspr. 1966/67 Nr. 75, 245 (249); LG Bonn IPRspr. 1992 Nr. 81, 186 (186); AG Karlsruhe IPRspr. 1975 Nr. 39A, 92 (93); AG Pinneberg FamRZ 1978, 893 (893). 366 So LG Bonn IPRspr. 1992 Nr. 81, 186 (187 f.). 367 VG Berlin FamRZ 1955, 70 ff. (mAnm Bosch); im Ergebnis auch BGH FamRZ 1983, 450 ff.; OLG Hamburg FamRZ 1981, 356 ff. (mAnm Bosch); OLG Köln FamRZ 1994, 891 ff. Siehe auch OLG Stuttgart FamRZ 1963, 39 ff.

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(1) Verwaltungsgericht Berlin 1954 Ein frühes Beispiel für eine ungeschriebene Heilung bildet eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin aus dem Jahr 1954. Eine staatenlose Frau („russische Emigrantin“368) schließt mit einem ebenfalls staatenlosen Mann im Jahr 1921 vor einem Erzpriester der griechisch-orthodoxen Kirche in Lichtenhorst die Ehe, und zwar nach dem Ritus dieser Kirche. Die Eheschließung ist nach deutschem Recht wegen Art. 13 EGBGB und § 1317 BGB a.F. unwirksam. Während die Ehe zwar nicht in das deutsche Familienbuch eingetragen wird, lebt das Paar mehr als dreißig Jahre lang als Eheleute zusammen und wird auch von deutschen und ausländischen Behörden als solche behandelt. Auch ihre gemeinsamen Kinder werden als ehelich in das Personenstandsregister eingetragen. 1952 nimmt die Polizei der Frau ihren Personalausweis ab und teilt ihr mit, dass sie einen Fremdenpass erhalten solle, ihren Geburtsnamen führen müsse und ihr Familienstand ledig sei. Das ist für die Betreffende unter anderem mit Blick auf ihre Rentenversorgung als Ehefrau eine schwere Härte. Daran knüpft das Verwaltungsgericht an und führt aus, die rückwirkende Beseitigung einer seit dreißig Jahren tatsächlich bestehenden Ehe führe zu größter Unordnung und letztlich zu einer Umkehrung der Formzwecke, eindeutige Rechtsverhältnisse und Rechtssicherheit zu schaffen.369 Die Kammer weicht bewusst von der „reinen Gesetzesnorm“370 ab, um unerträgliche Ergebnisse zu vermeiden. Dafür stützt sie sich vor allem auf den Gedanken des Vertrauensschutzes und benennt den Zeitablauf und die Gutgläubigkeit der Eheleute als maßgebliche Richtschnur:371 Die Ehe sei Grundlage für eine Familie gewesen, deren Mitglieder sich mit Recht auf den rechtlichen Bestand der Ehe verlassen hätten.372 Allerdings unterstreicht das Gericht, dass es sich um einen „ganz ungewöhnlichen Ausnahmefall“ handele373 und begrenzt die Heilung ausdrücklich auf die Folgewirkungen im öffentlichen Recht.374 Ob der Fall inzwischen nach § 1310 Abs. 3 Nr. 2 BGB gelöst werden kann, erscheint möglich, hängt aber von der Qualität der Eintragung der Kinder als „ehelich“ im Geburtenregister ab.375

368

VG Berlin FamRZ 1955, 70 (70) (mAnm Bosch). VG Berlin FamRZ 1955, 70 (70, 71) (mAnm Bosch). 370 VG Berlin FamRZ 1955, 70 (71) (mAnm Bosch). 371 VG Berlin FamRZ 1955, 70 (71) (mAnm Bosch) („Anders könnte es nur sein, wenn die Kl. oder deren Ehemann die Behörde bewußt getäuscht hätte“). 372 VG Berlin FamRZ 1955, 70 (71) (mAnm Bosch). 373 VG Berlin FamRZ 1955, 70 (72) (mAnm Bosch). 374 Unstreitig sei eine wirksame Ehe nicht geschlossen worden, womit eine Feststellungsklage vor den Zivilgerichten nicht zielführend sei, vgl. VG Berlin FamRZ 1955, 70 (70) (mAnm Bosch). 375 Das VG Berlin teilt lediglich mit, dass die Eintragung als „ehelich“ erfolgt sei, nicht aber, ob auch ein Hinweis auf die Eltern und ihre Eheschließung erfolgte. 369

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Dritter Teil: Vertrauensschutz und statusorientiertes Recht

(2) Oberlandesgericht Hamburg 1980 Ganz ähnliche Erwägungen stellt das Oberlandesgericht Hamburg im Jahr 1980 an, als es über den einleitend dargestellten Sachverhalt376 einer in Stettin formunwirksam geschlossenen Ehe zu entscheiden hat.377 Auch hier war die faktische Ehe gelebt und gegenüber Behörden und Gerichten behauptet worden. Das Gericht stellt zunächst fest, dass die Parteien jedenfalls einen übereinstimmenden, ernstlichen, unbedingten und unbefristeten Eheschließungswillen geäußert hätten.378 Der Formfehler (das Fehlen der Mitwirkung eines Standesbeamten) sei hingegen durch Zeitablauf geheilt worden. Im Ausgangspunkt hebt der Senat indes die grundsätzliche Bedeutung des Formerfordernisses hervor und unterstreicht, dass auf die Mitwirkung eines Standesbeamten nicht leichtfertig verzichtet werden dürfe.379 In dem zu entscheidenden Fall lägen aber „besonder[e] Umstände[…] des Streitfalls“380 vor, die eine Abweichung von der Formvorschrift gebieten würden. Ein „Beharren auf dem Ordnungsprinzip“ bewirke nämlich, „daß eine organisch gewachsene Verbindung und Familie, die praktisch den Schutz des Art. 6 GG seit Jahrzehnten genossen hat, diesem Schutz entzogen und ohne rechtfertigenden Grund schutzlos gestellt würde.“381 Als schlagendes Argument führt das Gericht die Formzwecke an. Die Form dürfe nicht zum Selbstzweck verkommen, und die mit ihr verfolgten Ziele der Publizität, Rechtsklarheit und des Übereilungsschutzes seien im konkret zu beurteilenden Fall erreicht.382 Zudem wird der Entscheidung die Erkenntnis zugrunde gelegt, dass die Ehe über dreißig Jahre lang nach außen erkennbar gelebt und von Behörden (nicht vom Standesamt) und Gerichten als solche behandelt wurde.383 Mithin habe die behördliche Behandlung als wirksame Ehe dazu geführt, dass die Formzwecke der Publizität und der Rechtssicherheit erfüllt seien. Eine Heilung wird also unter folgenden Voraussetzungen ermöglicht: Ehekonsens, tatsächlicher Vollzug der Ehe, äußerliche Manifestation und faktische behördliche Anerkennung. Eine Heilung nach dem heutigen § 1310 Abs. 3 BGB würde hier jedenfalls nach den mitgeteilten Sachverhaltsangaben nicht in Betracht kommen, weil kein standesamtlicher Rechtsscheintatbestand erfüllt wurde. Dem Senat genügt anders als dem kodifizierten Heilungstatbestand die Beteiligung irgendeiner Behörde. 376

Siehe oben, § 7 III 3. OLG Hamburg FamRZ 1981, 356 ff. (mAnm Bosch). 378 OLG Hamburg FamRZ 1981, 356 (357) (mAnm Bosch), wobei das Gericht vertieft auf die für die vorliegend verfolgten Zwecke nicht relevante Frage der Ernstlichkeit sowie die Vorschrift des § 116 BGB eingeht. 379 OLG Hamburg FamRZ 1981, 356 (358) (mAnm Bosch). 380 OLG Hamburg FamRZ 1981, 356 (358, 360) (mAnm Bosch). 381 OLG Hamburg FamRZ 1981, 356 (359) (mAnm Bosch). 382 OLG Hamburg FamRZ 1981, 356 (358) (mAnm Bosch). 383 OLG Hamburg FamRZ 1981, 356 (358 f.) (mAnm Bosch). 377

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(3) Oberlandesgericht Köln 1993 Das Oberlandesgericht Köln greift die Argumentation mit dem Formzweck im Zusammenhang mit einer Eintragung der Ehe im Sterberegister wieder auf.384 Der Entscheidung liegt abermals eine hinkende Auslandsehe zwischen einer ursprünglich Deutschen und einem Angehörigen der britischen Streitkräfte zugrunde, die vor einer nicht gemäß Art. 13 Abs. 3 Satz 2 EGBGB a.F. wirksam ermächtigten Trauperson geschlossen worden war. Das Gericht geht über die Witwenrentenentscheidung des Bundesverfassungsgerichts hinaus und sieht die Rechtsprechung zur hinkenden Ehe nicht auf die Rechtsfolgenseite begrenzt; vielmehr sei auch die Eintragung im Sterbebuch (jetzt Sterberegister, vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 PStG) geboten, da anderenfalls der „Lebensentwurf der früheren Eheleute […] mit einem Federstrich beiseite geschoben würde.“385 Argumentativ stehen vor allem die Überholung des Formzwecks durch Zeitablauf (44 Jahre) und der nach außen erkennbare Ehekonsens im Vordergrund.386 Aber auch die Wirksamkeit der Ehe nach englischem Recht ist für den Senat entscheidend, weil aus diesem Grund eine die Ehe nicht verlautbarende Eintragung teilweise rechtlich unzutreffend sei und die wirkliche Rechtslage nur unvollständig wiedergebe.387 (4) Bundesgerichtshof 1978 Auch der Bundesgerichtshof hat vereinzelt offenbar ein Bedürfnis erkannt, trotz einer eigentlich unwirksamen Eheschließung im Ergebnis zu einer wirksamen Ehe zu gelangen.388 Dabei hat er allerdings durch einen nur im konkreten Einzelfall möglichen methodischen Kniff die Auseinandersetzung mit der Frage nach einer statusrechtlichen Heilung vermieden: Die Besonderheit des Falls besteht nämlich darin, dass die Frau im Jahr 1959, also vierzehn Jahre nach der unwirksamen Eheschließung, die Anlegung eines Familienbuchs beantragt, sich dabei als Ehefrau ausgibt und auf die Eheschließung aus dem Jahr 1945 verweist. Der Mann stimmt dem zu, mit der Konsequenz, dass der

384

OLG Köln FamRZ 1994, 891 ff. Siehe zu anderen „Sterbebuchfällen“ und ihrer geringen Aussagekraft in Bezug auf eine statusrechtliche Heilung noch unten, § 7 IV 3b) bb) (2). 385 OLG Köln FamRZ 1994, 891 (892 f.). 386 OLG Köln FamRZ 1994, 891 (892). 387 OLG Köln FamRZ 1994, 891 (892). 388 BGH FamRZ 1983, 450 ff.; siehe zum Sachverhalt der Entscheidung bereits oben, § 7 III 2d).

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Dritter Teil: Vertrauensschutz und statusorientiertes Recht

Bundesgerichtshof im Jahr 1978 an diese beiderseitigen Erklärungen anknüpfen und übereinstimmende Eheschließungserklärungen fingieren kann.389 Dieser Lösungsweg wird deshalb auch mit „Ehe durch Bestätigung“ etikettiert.390 Zu Recht hebt Hepting hervor, dass der Schutz dieser tatsächlich gelebten Ehe schwerlich von der zufälligen Beantragung eines Familienbuchs abhängen könne.391 Auch sei die erforderliche Abschlussklarheit nicht gegeben.392 Insoweit wäre es sachgerechter gewesen, an die Eintragung beziehungsweise Anlegung eines Familienbuchs im Jahr 1959 Heilungsfolgen zu knüpfen. Problematisch wäre dann allerdings der (auch gemäß § 1310 Abs. 3 BGB) erforderliche nachweisbare Ehekonsens, weil die faktischen Eheleute insoweit gegenläufiger Ansicht waren und die Frau insoweit beweisfällig geblieben ist.393 Allenfalls eine aus den äußeren Umständen anzustellende beweisrechtliche Schlussfolgerung auf den Ehewillen könnte helfen; immerhin hatte der Mann die Abgabe der Erklärung als solche nicht in Abrede gestellt. Unabhängig von dieser Einzelfallfrage und der dogmatischen Bewertung ist für den Bundesgerichtshof aber eines ganz entscheidend: Die „Ausnahmesituation dieses Falles“ rechtfertigte die Annahme, dass die Parteien jedenfalls künftig (das bedeutet ab 1960) als Eheleute zusammenleben wollen. Welche Kriterien für die Annahme dieser Ausnahmesituation konstitutiv sein sollen, bleibt indes im Dunkeln. Es drängt sich aber auf, dass es das langjährige, gutgläubige Zusammenleben als Ehegatten394 sowie die behördliche Bestätigung desselben gewesen sind. bb) Die ungeschriebene Heilung in der Literatur Auch in der Literatur hat es immer wieder Stimmen gegeben, die sich für eine ungeschriebene Heilung einer Nichtehe aussprachen. Schon früh hebt Bosch beispielsweise den Grundsatz consensus facit nuptias hervor und meint, zur Not dürfe man sich nicht auf die Unwirksamkeit berufen.395 Als Voraussetzung einer Heilung sieht er vor allem den Zeitablauf an, aber auch das Verhalten des Putativehepartners, welches Vertrauen auf die Wirksamkeit einer Eheschließung begründen könne.396 Thomas befürwortet eine weitgehende Heilungsmöglichkeit, schlägt aber eine Gesetzänderung vor und hofft de lege lata und 389 Vgl. auch Steding, Der rechtliche Schutz nichtstandesamtlich geschlossener Ehen (1985), S. 65. 390 Hepting, IPRax 1994, 355 (360). 391 Hepting, IPRax 1994, 355 (360). 392 Steding, Der rechtliche Schutz nichtstandesamtlich geschlossener Ehen (1985), S. 65. 393 Siehe Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 166. 394 Vgl. auch Steding, Der rechtliche Schutz nichtstandesamtlich geschlossener Ehen (1985), S. 65 f. 395 Bosch, FamRZ 1970, 248 (248); ders., FamRZ 1981, 360 (360). 396 Vgl. auch Neuhaus, in: FS Schwind (1978), S. 223 (232 f.).

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im Anschluss an Bosch397 auf mutige Richter und Richterinnen.398 Auch er erhebt den Ehekonsens zum zentralen Wertungskriterium und Abgrenzungsmerkmal zur bewusst faktischen Lebensgemeinschaft.399 Ferner sei wegen des Erreichens der Formzwecke400 der Zeitablauf entscheidend: „Der Nutzen einer förmlichen Eheschließung [verflüchtigt sich] im gleichen Maße, wie sich die Verbindung der Partner praktisch bewährt“.401 Insoweit befürwortet er eine Erweiterung der Heilungsvorschriften, denen eine nachträgliche Kontrolle und Registrierung immanent sein müsse, um den fehlenden Eingehungsmangel zu kompensieren.402 Diese Einschätzung teilt von Schwind und fordert eine Heilungsmöglichkeit durch nachträgliche Registrierung nach mehrjährigem Zusammenleben.403 Der mit einem strengen Formerfordernis zwangsläufig einhergehende Eingriff in die „Freiheitssphäre des einzelnen“ sei nur insoweit gerechtfertigt, als die „Evidenthaltung“ des Personenstands dies erfordere.404 Der gute Glaube an die Wirksamkeit einer gelebten Ehe müsse die Heilung der tatsächlich unwirksamen Ehe nach sich ziehen, wenn das eheliche Zusammenleben eine „gewisse Zeit“ erfolgt und die Eheschließung urkundlich dokumentiert worden sei.405 Der Eheschließungswille müsse aber jedenfalls objektiv beweisbar sein.406 Henrich befürwortet (zunächst) hingegen weitergehend eine Analogie zu § 17 Abs. 2 EheG a.F.,407 wenn eine Nichtehe gutgläubig und auf Grundlage eines übereinstimmenden Ehekonsenses gelebt worden sei.408 Neuhaus ergänzt den Gedanken, dass die Unwirksamkeit der Ehe durchaus einem der Partner willkommen sein und auch den zwischenzeitlichen Interessen der Eheleute entsprechen könne.409 Eine nachträgliche Heilung sei dennoch zu erwägen, und zwar unter der Voraussetzung eines nachweisbaren gegenseitigen Ehekonsenses, des Ehevollzugs über einen gewissen Zeitraum hinweg sowie der öffentlichen Anerkennung.410 Ferner hält Böhmer zwar Ausnahmen für geboten, wenn die Ortsform nicht eingehalten werden konnte oder Behörden das

397

Bosch, FamRZ 1970, 248 (348). Thomas, Formlose Ehen (1973), S. 141. 399 Thomas, Formlose Ehen (1973), S. 89, 90, 138 f. 400 Thomas, Formlose Ehen (1973), S. 136 ff. 401 Thomas, Formlose Ehen (1973), S. 138. 402 Thomas, Formlose Ehen (1973), S. 141. 403 von Schwind, RabelsZ 38 (1974), 667 (670); ders., ZfRV 1973, 145 (148). 404 von Schwind, in: FS Bosch (1976), S. 919 (922). 405 von Schwind, in: FS Bosch (1976), S. 919 (922); siehe auch ders., RabelsZ 38 (1974), 523 (531); weitergehend noch ders., RabelsZ 37 (1973), 217 (223) unter (zumindest konkludent geäußertem) Verzicht auf eine Registrierung. 406 von Schwind, RabelsZ 37 (1973), 217 (228). 407 Henrich, RabelsZ 37 (1973), 230 (242); so auch Coester, StAZ 1988, 122 (129). 408 Vgl. Henrich, RabelsZ 37 (1973), 230 (240). 409 Neuhaus, in: FS Schwind (1978), S. 223 (223 f.). 410 Neuhaus, in: FS Schwind (1978), S. 223 (236). 398

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Dritter Teil: Vertrauensschutz und statusorientiertes Recht

Paar über Jahrzehnte als verheiratet behandelt haben.411 Er spricht sich aber gegen ein „Radikalmittel der Heilung“412 aus. Steding verhält sich in seiner rechtsvergleichenden Analyse gegenüber einer Heilung auf Statusebene zwar zurückhaltend, hält aber vor allem den Ehewillen und die Gutgläubigkeit für entscheidend.413 Coester spricht sich wiederum, wie bereits oben beschrieben, für eine Heilung aus, wenn der gemeinsame Ehekonsens durch eine für wirksam gehaltene Trauungszeremonie entäußert und die Ehe zumindest jahrzehntelang vollzogen wurde, wobei sowohl die „subjektive Einstellung“ (Gutgläubigkeit) als auch die „öffentliche Anerkennung“ erforderlich seien.414 Dem hat sich Hepting vorbehaltslos angeschlossen.415 Die frühere, eine Heilung bejahende Literatur zeichnete mithin bereits ein relativ einheitliches Bild, wenn es um die Voraussetzungen einer ausnahmsweisen Heilung im Status geht: Erforderlich seien der nachweisbare und ernsthafte Ehekonsens, ein längeres Zusammenleben, Gutgläubigkeit und ein irgendwie gearteter öffentlicher Bezug (Registrierung oder behördliche Akzeptanz). Entscheidend ist im Grunde genommen die Erfüllung der Formzwecke (Warnfunktion, Publizität Rechtssicherheit). Das stimmt bei Lichte betrachtet, und abgesehen von kleinen Nuancen im Einzelfall, mit den Wertungskriterien überein, die von der bereits wiedergegebenen Rechtsprechung herangezogen wurden. b) Rechtsentwicklung im Anschluss an die Kodifizierung Die Zäsur, welche die Kodifizierung des Heilungstatbestands in § 1310 Abs. 3 BGB im Jahr 1998 bedeutete, wurde bereits hervorgehoben. Ein Schlussstrich wurde mit ihr indes nicht unter die rechtswissenschaftliche Diskussion über die statusrechtliche Behandlung von gutgläubig gelebten Nichtehen gezogen. Der seither (weiter)geführte Diskurs betrifft vornehmlich die Frage, ob der gesetzliche Heilungstatbestand abschließender Natur ist oder weitergehende Konvaleszenzmöglichkeiten, wie sie zuvor (scil. vor dem Eheschließungsrechtsgesetz von 1998) erwogen worden sind, in ungeschriebener Form zulässt. Will man dieser Frage auf den Grund gehen, ist es im Sinne argumentativer Klarheit geboten, die prinzipielle Frage nach der Zulässigkeit einer ungeschriebenen Heilung im Status (dazu unmittelbar nachfolgend) von den anschließenden Überlegungen zu trennen, ob eine ungeschriebene Heilung systematisch überzeugt und an welche Voraussetzungen sie zu knüpfen ist (dazu statusübergreifend unten, § 10 f.). 411

Böhmer, in: FS Firsching (1985), S. 41 (47). Böhmer, in: FS Firsching (1985), S. 41 (48). 413 Steding, Der rechtliche Schutz nichtstandesamtlich geschlossener Ehen (1985), S. 108. 414 Coester, StAZ 1988, 122 (128 f.). 415 Hepting, IPRax 1994, 355 (360). 412

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aa) Die Griechenehe-Entscheidung des IX. Zivilsenats 2003 Die Deutung der Heilungsmöglichkeiten als abschließende gesetzliche Regelungen von Nichtehen findet prima vista in einer Entscheidung des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2003416 argumentativen Halt. Eine Frau und ein Mann – jeweils ursprünglich griechische Staatsangehörige – schließen im Jahr 1962 vor einem nicht gemäß § 15a EheG a.F. ordnungsgemäß ermächtigten griechisch-orthodoxen Geistlichen vermeintlich die Ehe und leben diese bis ins Jahr 1989 in dem Glauben an ihre Wirksamkeit. Der Mann ist inzwischen Arzt und besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit. Er beauftragt nach der Trennung von der Frau einen Rechtsanwalt, der für ihn ein Scheidungsurteil erstreitet, in dem ein Versorgungsausgleich zugunsten der Frau angeordnet wird. Ferner vereinbaren die vermeintlich geschiedenen, vormals faktischen Eheleute im gerichtlichen Termin eine Unterhaltszahlung an die Frau. Als sich später die Unwirksamkeit der Eheschließung herausstellt, verlangt der Mann von dem mandatierten Rechtsanwalt Schadensersatz wegen eines Beratungsfehlers; er habe erkennen müssen, dass die Ehe gar nicht wirksam geschlossen worden war und der Mann deshalb nichts an die Frau habe zahlen müssen. Über diese Regressklage hatte der Bundesgerichtshof zu entscheiden, wobei es für das Vorliegen eines Beratungsfehlers maßgeblich auf die Wirksamkeit der Ehe im Zeitpunkt des vom beklagten Rechtsanwalt eingeleiteten Scheidungsverfahrens ankam.417 Der Senat erteilt einer Heilungsmöglichkeit einer Nichtehe außerhalb der gesetzlich normierten Tatbestände eine deutliche Absage.418 Insoweit kommt es aber wegen der Besonderheiten des Falls auf einen Beurteilungszeitpunkt an, der vor der Implementierung des Heilungstatbestands in § 1310 Abs. 3 BGB liegt.419 Es handelt sich also um ein sogenanntes obiter dictum, wenn es in den Entscheidungsgründen recht beiläufig heißt: „Eine solche Heilungsmöglichkeit ist als abschließend gedacht“.420 Allein deshalb ist die Entscheidung im Hinblick auf die Frage nach einer Sperrwirkung des § 1310 Abs. 3 BGB nicht über jeden Zweifel erhaben. Hinzu kommt die Besonderheit, dass das Urteil nicht der Feder des Familiensenats (XII. Zivilsenat), sondern wegen der Regresskonstellation derjenigen des für die Anwaltshaftung zuständigen

416 BGH FamRZ 2003, 838 ff. (mAnm Borgmann); siehe bereits die einleitende Darstellung oben, § 1 II. 417 Siehe kritisch zu besonderen Aspekten der Anwaltshaftung in dieser Entscheidung Borgmann, FamRZ 2003, 844 ff. 418 BGH FamRZ 2003, 838 (838) (mAnm Borgmann). 419 Maßgeblich war wegen der Regresskonstellation der Zeitpunkt des Mandats, vgl. BGH FamRZ 2003, 838 (838) (mAnm Borgmann), was im Jahr 1992 zu einem Scheidungsurteil geführt hatte. 420 BGH FamRZ 2003, 838 (840) (mAnm Borgmann).

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Dritter Teil: Vertrauensschutz und statusorientiertes Recht

IX. Zivilsenats entspringt.421 Vor allem der Umstand, dass durch die Versagung der Heilung nicht die betreffende Frau, sondern der von dem Mann mandatierte Rechtsanwalt Rechtsnachteile erlitt, wird in der Literatur zur Erklärung dafür herangezogen, dass sich der Senat mit einer sehr pauschalen und recht einseitigen Interessenabwägung zufriedengibt:422 Als maßgeblich hervorgehoben wird vom Bundesgerichtshof, dass Art. 6 Abs. 1 GG eine Heilung auch deshalb nicht gebiete, weil „das Interesse des einen Ehegatten am (Nicht-)Bestand der Scheinehe […] nicht allgemein weniger Schutz [verdient] als das Vertrauen des anderen Ehegatten auf den Bestand seiner vermeintlichen Ehe“.423 Der Formzweck wird dabei deutlich verkannt. Die Warnfunktion zugunsten des Mannes, der selbst jahrzehntelang von einer wirksamen Eheschließung ausging, hat sich mit Zeitablauf verflüchtigt.424 Rechtssicherheit und Statusklarheit werden durch eine Heilung auch nicht wesentlich beeinträchtigt; ganz im Gegenteil ist es doch eher die Annahme der Unwirksamkeit, die zu einer unvorhergesehenen Rechtslage führt. Immerhin sind die faktischen Eheleute, Behörden, der Rechtsanwalt und sogar das Gericht von einer wirksamen Eheschließung ausgegangen. Warum das Interesse des Mannes an der (unverhofften und für ihn glücklichen) Unwirksamkeit der Ehe höher zu gewichten sein soll als das jahrzehntelange Vertrauen der Frau, wirksam verheiratet zu sein, erschließt sich nicht; dies umso weniger als die Ehe nach griechischem Recht wirksam geschlossen wurde und, die Ehescheidung vor dem deutschen Familiengericht hinweggedacht, noch immer gültig wäre. Mithin ist es zweifelhaft, ob die Ausführungen des Senats auch dann mit Art. 6 Abs. 1 GG zu vereinbaren wären, wenn sich die „fragwürdigen Folgen eines Heilungsausschlusses einmal praktisch zeigen“.425 Der Bundesgerichtshof erhebt den standesamtlichen Rechtsscheintatbestand ferner in den Rang einer entscheidenden Heilungsvoraussetzung und beruft sich insoweit zu Unrecht426 auf die Witwenrentenentscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Das höchste deutsche Gericht geht indes von einer Gleichwertigkeit von standesamtlicher Mitwirkung einerseits und zum Ausdruck gebrachtem Ehekonsens andererseits aus.427 Die hinkende Ehe erfülle nach dem Bundesverfassungsgericht den Ehebegriff des Art. 6 Abs. 1 GG, und zwar nicht wegen der später anlässlich der Geburt einer Tochter erfolgten Bezugnahme auf die Eheschließung durch das Standesamt, sondern aufgrund des 421

Pfeiffer, LMK 2003, 128 (129); Mäsch, IPRax 2004, 421 (424). Coester, in: FS Heldrich (2005), S. 537 (544); ähnlich auch Pfeiffer, LMK 2003, 128 (129) sowie Mäsch, IPRax 2004, 421 (424). 423 BGH FamRZ 2003, 838 (840) (mAnm Borgmann). 424 Vgl. auch Pfeiffer, LMK 2003, 128 (128). 425 Pfeiffer, LMK 2003, 128 (129); a.A. Hohloch, JuS 2003, 921 (923). 426 Coester, in: FS Heldrich (2005), S. 537 (544). 427 BVerfGE 62, 323 (331); so auch Coester, in: FS Heldrich (2005), S. 537 (544). 422

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nachweisbaren Ehekonsenses und des tatsächlichen Vollzugs.428 Eine andere Frage ist, ob neben dem Tatbestand einer hinkenden Ehe auch andere Fallgruppen in Betracht kommen und ob über die Witwenrentenentscheidung hinausgehend eine Heilung im Status erfolgen kann.429 Keinesfalls aber kann man mit dem IX. Zivilsenat zur Begründung des abschließenden Normcharakters des § 1310 Abs. 3 BGB auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts rekurrieren. Auch die Art und Weise, wie die Entscheidung des IV. Zivilsenats des Bundgerichtshofs vom 5.4.1978 („Ehe durch Bestätigung“, siehe § 7 IV 3a) aa) (4)) gedeutet wird, überzeugt nicht. Der IX. Zivilsenat unterstellt, die Annahme einer Heilung durch den IV. Zivilsenat beruhe wesentlich auf der im Einzelfall erfolgten Registrierung der Ehe.430 Das ist unzutreffend. Vielmehr erkennt der IV. Zivilsenat offenbar die Schutzbedürftigkeit der gelebten Verbindung und des Vertrauens der faktischen Ehefrau und unterstreicht die besondere Bedeutung des Ehekonsenses.431 Er rückt die Registrierung nur deshalb in den Vordergrund seiner Argumentation, weil ihm dies mit der Konstruktion einer (formwirksamen) Bestätigung des Eheschließungswillens einen Ausweg eröffnet, ohne auf die eigentlich im Raum stehende Heilung einer Nichtehe eingehen zu müssen. Mithin kann der Entscheidung aus dem Jahr 1978 zwar nichts für eine Heilung der Nichtehe, ihr aber umgekehrt auch kein Argument gegen die Möglichkeit einer ungeschriebenen Heilung ohne standesamtliche Registrierung entnommen werden. Die Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung erlaubt ebenfalls nicht den Schluss auf eine abschließende Regelung der Heilung von Nichtehen. Der Senat führt insofern zu Recht an, dass die Fallkonstellation einer hinkenden Ehe Anlass für das legislatorische Einschreiten war.432 Allerdings hat der Gesetzgeber in § 1310 Abs. 3 BGB nicht hinkende Ehen als solche geregelt – der Fall der Witwenrentenentscheidung wird von § 1310 Abs. 3 BGB nicht wegen der wirksamen Eheschließung nach ausländischem Recht erfasst, sondern wegen der (zufälligen) zwischenzeitlichen Eintragung in ein Personenstandsregister.433 Darauf stellt das Bundesverfassungsgericht aber, wie gesehen, gerade

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BVerfGE 62, 323 (331); so auch Coester, in: FS Heldrich (2005), S. 537 (545). Pfeiffer, LMK 2003, 128 (129). 430 BGH FamRZ 2003, 838 (840) (mAnm Borgmann). 431 BGH FamRZ 1983, 450 (451); so auch Steding, Der rechtliche Schutz nichtstandesamtlich geschlossener Ehen (1985), S. 65 f. 432 BGH FamRZ 2003, 838 (839) (mAnm Borgmann); Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Eheschließungsrechts (Eheschließungsrechtsgesetz – EheschlRG) vom 13.6.1996, BT-Drs. 13/4898, S. 17; siehe auch bereits oben, § 7 IV 1b) aa). 433 Siehe bereits oben, § 7 IV 1b) cc). 429

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Dritter Teil: Vertrauensschutz und statusorientiertes Recht

nicht ab. Demnach hat der Gesetzgeber die verfassungsrechtliche Rechtsprechung nicht vollständig umgesetzt, weshalb sich der Schluss verbietet, damit sei die Heilung von Nichtehen einfachgesetzlich ausgeschlossen.434 Zutreffend versagt der Senat allerdings dem Vorschlag einer analogen Anwendung des § 17 Abs. 2 EheG a.F. (jetzt § 1315 Abs. 2 Nr. 2 BGB) auf den Fall einer nicht vor dem Standesbeamten oder einer ordnungsgemäß ermächtigten Person geschlossenen Ehe die Gefolgschaft.435 Zu sehr unterscheidet sich das Institut der Eheaufhebung, das an die Stelle der Ehenichtigkeit getreten ist, von einer Nichtehe.436 Ferner droht durch die schlichte Anwendung des § 1315 Abs. 2 Nr. 2 BGB, also ohne weitergehende Voraussetzungen, ein Unterlaufen der gesetzlichen Wertungen des § 1310 Abs. 3 BGB.437 Nicht zu beanstanden ist auch die Erkenntnis, dass der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kein allgemeines Petitum für eine ungeschriebene Heilung im Status entnommen werden kann. Die Ablehnung jeglicher Abhilfemöglichkeiten, auch abseits einer statusrechtlichen Heilung, hat aber außerhalb der konkreten Regresssituation und im Hinblick auf das Interesse und die Vertrauensinvestition der faktischen Ehefrau wenig Überzeugungskraft.438 Pfeiffer konstatiert in seiner Urteilsanmerkung: Das „letzte Wort“ ist noch nicht gesprochen439 – das gilt noch immer. bb) Instanzgerichtliche Rechtsprechung Nur einige wenige Judikate haben sich seit der Einführung des § 1310 Abs. 3 BGB mit der Frage einer ungeschriebenen Heilung argumentativ auseinandergesetzt.

434 Coester, in: FS Heldrich (2005), S. 537 (544 f.); überzeugend auch Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 153 f.; a.A. Hohloch, JuS 2003, 921 (923). 435 BGH FamRZ 2003, 838 (839) (mAnm Borgmann); insoweit zustimmend Coester, in: FS Heldrich (2005), S. 537 (544) sowie Fachausschuss/Krömer, StAZ 2017, 219 (220 ff.); Staudinger/Mankowski, BGB (2010), Art. 13 EGBGB Rn. 530. Siehe ausführlich dazu Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 159 ff. Selbst Henrich, auf den der Heilungsansatz zurückgeht (vgl. oben, § 7 IV 3a) bb)), ist nach Inkrafttreten des Eheschließungsrechtsgesetzes offenbar von seiner Position abgewichen und befürwortet seither eine ungeschriebene Heilung durch Zeitablauf, vgl. Henrich, IntFamR2, § 1 VII, S. 41. 436 Coester, in: FS Heldrich (2005), S. 537 (543); Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 162. 437 Insoweit hat der Gesetzgeber ausdrücklich hervorgehoben, die Heilung nach § 1310 Abs. 3 BGB strenger ausgestalten zu wollen als jene nach § 1315 Abs. 2 Nr. 2 BGB, siehe Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Eheschließungsrechts (Eheschließungsrechtsgesetz – EheschlRG) vom 13.6.1996, BT-Drs. 13/4898, S. 17. 438 Coester, in: FS Heldrich (2005), S. 537 (544); Mäsch, IPRax 2004, 421 (422, 424). 439 Pfeiffer, LMK 2003, 128 (129).

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(1) Amtsgericht Hannover 2002 Das Amtsgericht Hannover hat im Jahr 2002 beispielsweise eine ungeschriebene Heilung einer Ehe, die aus Sicht des kollisionsrechtlich berufenen vietnamesischen Rechts unwirksam geschlossen wurde, angenommen.440 Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Zwei mittlerweile deutsche Staatsangehörige (Mann und Frau) schließen im Jahr 1980 im Alter von vierzehn beziehungsweise siebzehn Jahren in Vietnam eine Ehe. Diese wird nicht, wie vom damaligen vietnamesischen Recht vorgeschrieben, registriert.441 Nach der Eheschließung migrieren die faktischen Eheleute nach Deutschland, wo sie gemeinsam leben und im Jahr 2000 eingebürgert werden. Schließlich beantragt die Frau, die Ehe zu scheiden, und es ist zu klären, ob die von ihnen gelebte Ehe wirksam ist. Das Gericht hält eine Heilung sowohl auf materieller Ebene (Ehemündigkeit) als auch auf formeller Ebene (Registrierungserfordernis) im Ergebnis für zulässig und geboten. Allerdings ist die Begründung methodisch, vor allem mit kollisionsrechtlichem Blick auf die Anwendbarkeit des deutschen Sachrechts, sehr vage.442 Das Registrierungserfordernis ist beispielsweise als Formfrage nach Art. 11 Abs. 1 EGBGB anzuknüpfen. Danach kommt grundsätzlich nur vietnamesisches Recht in Betracht, wonach die Ehe formunwirksam ist. Das Amtsgericht vermag die Frage nach einer möglichen Heilung des Formmangels nach vietnamesischem Recht nicht aufzuklären und nimmt sodann eine Heilung der Form unter vagem Rekurs auf „Bestrebungen des nationalen IPR“, die Heilung formfehlerhafter Ehen zu ermöglichen, an.443 Deutsches Sachrecht kann indes nicht ohne Weiteres, auch nicht im Wege eines (umstrittenen) Statutenwechsels, heilend eingreifen, weil die Heilung durch Statutenwechsel zumindest voraussetzt, dass die Ehe nach dem neuen Statut formgültig gewesen wäre.444 Davon kann hier mangels Registrierung aber nicht ausgegangen werden, und man müsste im Anschluss an Coester445 den (positiven) ordre public bemühen, um zu deutschem Sachrecht zu gelangen. Im vorliegenden Zusammenhang ist aber unabhängig von den internationalprivatrechtlichen Fragen, die der Fall aufwirft, der Heilungsansatz des Gerichts 440

AG Hannover FamRZ 2002, 1117 f. AG Hannover FamRZ 2002, 1117 (1117). 442 Das gilt vor allem für die Form. Eine Heilung der materiellen Unwirksamkeit entnimmt das AG dem maßgeblichen vietnamesischen Recht, kommt aber im Zusammenhang mit dem deutschen ordre public auch insoweit auf die Heilungsmöglichkeit nach deutschem Sachrecht zurück, siehe AG Hannover FamRZ 2002, 1117 (1117). 443 AG Hannover FamRZ 2002, 1117 (1118). 444 Siehe MüKo-BGB8/Spellenberg, Art. 11 EGBGB Rn. 81. 445 Coester, in: FS Heldrich (2005), S. 537 (546) versteht das AG Hannover dahingehend, dass es sich offenbar auf die heilende Kraft des positiven ordre public beruft. Siehe auch MüKo-BGB8/Coester, Art. 13 EGBGB Rn. 170. Diese Frage wird auch die vorliegende Arbeit nur ansatzweise behandeln können, siehe unten, § 11 IV. 441

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inhaltlich aufschlussreich. Die Wirksamkeit der Frühehe sei anzunehmen, wenn die Eheschließung durch kumulativ vorliegende Aspekte des Zeitablaufs, der gutgläubigen Vollziehung sowie dem Vorhandensein gemeinsamer Kinder geheilt sei.446 Das habe vor allem dann zu gelten, wenn keine behördlichen Zweifel (etwa im Einbürgerungsverfahren) geltend gemacht worden seien.447 In der Sache rekurriert das Gericht also ohne weitere Überlegungen zu § 1310 Abs. 3 BGB und konkretere methodische Erwägungen auf die vor der Implementierung der Vorschrift entwickelten Heilungsansätze.448 (2) Oberlandesgericht Frankfurt 2014 und die „Sterbebuchfälle“ Die bereits angesprochene Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Köln aus dem Jahr 1993 zu „Sterbebuchfällen“ beziehungsweise seit der PStG-Reform 2008449 Sterberegisterfällen (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 PStG) bei hinkender Ehe wurde zunächst von anderen Obergerichten aufgegriffen450 und zuletzt vom Oberlandesgericht Frankfurt in Bezug genommen. Das Oberlandesgericht Köln hatte anlässlich einer versagten Eintragung der Ehe in ein Sterbebuch (jetzt Sterberegister, s.o.) unter Verweis auf die Witwenrentenentscheidung eine Heilung der Ehe in Bezug auf die Beurkundung eines Sterbefalls angenommen.451 Dem folgt etwas später im Ergebnis das Oberlandesgericht München, betont dabei aber, dass jedenfalls die Eintragung nicht verwehrt werden könne, weil es sich nur um eine beschreibende Eintragung handele.452 In der Begründung hebt es vor allem auf die Tatsache ab, dass die Eheleute zumindest nach einer Rechtsordnung wirksam verheiratet waren und sie den erforderlichen Ehekonsens geäußert sowie die faktische Ehe gelebt hätten.453 Andererseits relativiert das Gericht aber die Eintragung durch das zusätzliche Erfordernis einer klarstellenden Ergänzung, da anderenfalls ein unzutreffender Rechtschein entstünde.454 Eine Heilung im Status wird damit gerade abgelehnt. Dem stimmt das Kammergericht in der Folge zu.455 Hier setzt auch das Oberlandesgericht Frankfurt im Jahr 2014 an, nachdem es die Ehe, die im Sterberegister registriert werden sollte, für unwirksam erachtet hatte,456 und hält die Rechtsansicht des Oberlandesgerichts München auch nach den neuen Regelungen der 446

AG Hannover FamRZ 2002, 1117 f. AG Hannover FamRZ 2002, 1117 f. 448 AG Hannover FamRZ 2002, 1117 (1118). 449 Gesetz zur Reform des Personenstandsrechts (Personenstandsrechtsreformgesetz – PStRG) vom 19.2.2007, BGBl I, Nr. 5, S. 122 ff. 450 OLG München StAZ 1994, 377 ff.; KG StAZ 1996, 204 ff. 451 OLG Köln FamRZ 1994, 891 (892); siehe bereits oben, § 7 IV 3a) aa) (3). 452 OLG München StAZ 1994, 377 (379); KG StAZ 1996, 204 (205). 453 OLG München StAZ 1994, 377 (379). 454 OLG München StAZ 1994, 377 (379). 455 KG StAZ 1996, 204 ff. 456 OLG Frankfurt a.M. StAZ 2014, 206 (208 f.). 447

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§§ 31, 60 PStG für überzeugend. Eine Eintragung ohne erklärenden Zusatz lehnt das Gericht entgegen dem Kölner Judikat ebenfalls ausdrücklich ab.457 Insgesamt lassen sich den „Sterbebuchfällen“ zum einen nur Lösungen für hinkende Ehen entnehmen. Zum anderen geht es gar nicht um eine Heilung im Status, sodass die Entscheidungen für die hier verfolgte Frage nach einer ungeschriebenen Heilung unergiebig sind und mitunter zu Unrecht als Beispiele für eine ungeschriebene Heilung angeführt werden.458 Zu beachten ist ferner, dass dem Eintrag im Sterberegister gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 2 PStG keine Beweiswirkung in Bezug auf die Eheschließung zukommt459 und es lediglich um die Angabe des Familienstands („beschreibend[e] Eintragung“) geht.460 Die angebotene Lösung des klarstellenden Zusatzes ist jedoch bei genauerem Hinsehen auch keine selbstverständliche Konstruktion, weil der insoweit bemühte Annäherungsgrundsatz des Personenstandsrechts eigentlich in einem ganz anderen Zusammenhang entwickelt worden ist und vor allem unklare Angaben (etwa ungeklärte Namen oder Identitäten) betrifft,461 während die Unwirksamkeit der Ehe nach Ansicht der Senate fest steht. Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass die abgelehnte Möglichkeit einer ungeschriebenen Heilung Lösungen im einfachen Recht provoziert, die nicht unbedingt zwingend und nicht über jeglichen Zweifel erhaben sind. (3) Amtsgericht Groß-Gerau 2017 Das Amtsgericht Groß-Gerau verneint in einem Fall einer wegen Verstoßes gegen § 15a EheG a.F. (die ordnungsgemäße Berechtigung der Trauperson konnte nicht nachgewiesen werden)462 unwirksamen Eheschließung zweier ur-

457

OLG Frankfurt a.M. StAZ 2014, 206 (209). Fachausschuss/Krömer, StAZ 2017, 219 (220 ff.); Erman/Roth, BGB16, § 1310 Rn. 10; anders aber die Einordnung bei Coester, in: FS Heldrich (2005), S. 537 (545 mit Fn. 56). 459 OLG München StAZ 1994, 377 (379); ausdrücklich auch KG StAZ 1996, 204 (205). 460 OLG München StAZ 1994, 377 (379). 461 Nach dem sogenannten Annäherungsgrundsatz sind einzutragende Tatsachen, die nicht bewiesen werden können und wegen derer sich die antragstellende Person in einer Beweisnot befindet, dennoch in das Personenstandsregister einzutragen, allerdings wegen der Beweiskraft der Personenstandsregister mit einem klarstellenden Zusatz. Siehe BGHZ 221, 1 (6) {20} = NZFam 2019, 300 (301) (mAnm Zimmermann); BGH FamRZ 2021, 831 (832) {23} (mAnm Schmitz); OLG Nürnberg StAZ 2021, 47 (48) (mAnm Wührl); OLG Hamburg StAZ 2020, 142 (144); OLG Schleswig StAZ 2014, 242 (243); LG Kiel StAZ 2011, 185 (186); Berkl, StAZ 2016, 97 (103); dies., Handbuch Personenstandsgesetz, Rn. 21. Vgl. auch BT-Drs. 15/5826, S. 208, 211. Siehe allgemein zu erläuternden Zusätzen Bornhofen, in: Gaaz/Bornhofen/Lammers, PersonenstandsG5, § 56 Rn. 11. 462 Anders insoweit MüKo-BGB9/Wellenhofer, § 1310 Rn. 31, die die Unwirksamkeit der Eheschließung an der fehlenden förmlichen Trauungszeremonie festzumachen scheint. Siehe bereits oben, § 7 IV 1b) cc) (1). 458

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sprünglich afghanischer Staatsangehöriger eine Heilung durch schlichten Zeitablauf selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Beteiligten die faktische Ehe 22 Jahre vollzogen hatten, ein nach außen erkennbarer Ehekonsens vorliegt, die Parteien von der Wirksamkeit der Eheschließung ausgehen und dies nie von Behörden angezweifelt worden war.463 Das Gericht sieht von einer eigenständigen und ausführlichen Begründung ab und belässt es dabei, die lapidare Feststellung fehlender Heilungsmöglichkeiten auf die Rechtsprechung des IX. Zivilsenats aus dem Jahr 2003 zu stützen. Die erhebliche Kritik an dieser Entscheidung wird ausgeblendet. Als beachtlicher Beleg aus der Rechtsprechung gegen eine ungeschriebene Heilungsmöglichkeit kann der Beschluss mithin nicht dienen. (4) Oberlandesgericht Nürnberg 2020 Auch das Oberlandesgericht Nürnberg nimmt in einem Beschluss vom 25.11.2020 auf die Rechtsprechung des IX. Zivilsenats Bezug und lehnt eine ungeschriebene Heilung einer Nichtehe (formunwirksame Eheschließung vor einem nicht ordnungsgemäß ermächtigten Geistlichen) ab.464 Zwar gebiete das Verfassungsrecht auch den Schutz einer Ehe, die nicht vor einer ordnungsgemäß ermächtigten Person i.S. des § 15a EheG a.F. geschlossenen wurde. Allerdings sei eine Gleichstellung mit der Ehe nur erforderlich, wenn die Form zum Selbstzweck werde. Insoweit habe der Gesetzgeber einen Gestaltungsspielraum, und dieser habe abschließend bestimmt, unter welchen Voraussetzungen eine Heilung möglich sei.465 Gegenstand der Entscheidung war aber weniger eine Wirkung der Ehe als die namensrechtliche Folgewirkung: Es ging ganz konkret um den Namen des Kindes, den es als scheinbar eheliches Kind von dem Vater abgeleitet und geführt hatte.466 Es ist mithin folgerichtig, dass das Gericht die Lösung im Namensrecht sucht und sie dort auch mit der ausnahmsweisen unselbständigen Vorfragenanknüpfung467 findet.468 Der Fall hätte ebenfalls mit dem Vertrauensschutzgedanken gelöst werden können. Das gilt vor allem für das Namensrecht.469 463

AG Groß-Gerau FamRZ 2017, 1491 (1491). OLG Nürnberg FamRZ 2021, 493 (494) (mAnm Solomon). Siehe zu der Entscheidung ausführlich Wall, StAZ 2021, 202 ff. 465 OLG Nürnberg FamRZ 2021, 493 (494) (mAnm Solomon). 466 OLG Nürnberg FamRZ 2021, 493 (493) (mAnm Solomon). 467 Siehe zu diesem kollisionsrechtlichen Lösungsweg Staudinger/Hausmann, BGB (2019), Art. 10 EGBGB Rn. 133 ff.; MüKo-BGB8/von Hein, Einl. IPR Rn. 193 ff. (Grundsatz der unselbständigen Anknüpfung von Vorfragen im Namensrecht). 468 OLG Nürnberg FamRZ 2021, 493 (495 f.) (mAnm Solomon). Die Argumentation des Gerichts ist eng verbunden mit der Rechtsprechung des EuGH, die unter dem Stichwort des Anerkennungsprinzips diskutiert wird, vgl. nur Solomon, FamRZ 2021, 496 (497) sowie Wall, StAZ 2021, 202 (206). 469 So Wall, StAZ 2021, 202 (206 ff.). Siehe auch bereits oben, § 6 IV 3. 464

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cc) Die ungeschriebene Heilung in der Literatur Die ungeschriebene Heilung einer Nichtehe wird in der Literatur weiterhin kontrovers diskutiert. (1) Restriktiver Ansatz Vertreter470 eines restriktiven Ansatzes, die die gesetzlichen Heilungsmöglichkeiten also für abschließend halten, verweisen für ihre Ansicht vor allem auf die – insoweit bei Lichte betrachtet unergiebige471 – Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2003. Mäsch kritisiert den IX. Zivilsenat zwar insoweit, als jener sämtliche Ausgleichsmechanismen ablehnt. Hinsichtlich der Frage einer ungeschriebenen Heilung im Status teilt er jedoch dessen Auffassung und verweist auf den vermeintlichen gesetzgeberischen Willen, eine Heilung im Status nur in den (zu)472 engen Grenzen des § 1310 Abs. 3 BGB zuzulassen.473 Die wesentliche Bedeutung, die der Gesetzgeber dem Grundsatz der obligatorischen Zivilehe beimesse, dürfe durch einen „allgemeinen Heilungsgedanken“ nicht überspielt werden.474 (2) Liberaler Ansatz Demgegenüber wird vielfach ein abschließender Charakter des § 1310 Abs. 3 BGB verneint.475 Der insoweit betriebene argumentative Aufwand ist ungleich höher als aufseiten des restriktiven Ansatzes. Müller hat sich monographisch mit der Frage auseinandergesetzt und das auf die gesetzgeberische Intention abzielende Argument des Bundesgerichtshofs einer kritischen Überprüfung 470 Wagenitz/Bornhofen, Handbuch des Eheschließungsrechts (1998), Rn. 4–45, S. 207; Erman/Roth, BGB16, § 1310 Rn. 11, 13; Soergel/Heintzmann, BGB13, § 1310 Rn. 34; Grüneberg/Thorn, BGB81, Art. 13 EGBGB Rn. 28; zurückhaltend Staudinger/Voppel, BGB (2018), Vorbemerkungen zu §§ 1313 ff. Rn. 22; jurisPK-BGB/Wahlen (15.10.2019), § 1310 Rn. 68; Hohloch, JuS 2003, 921 (922 f.); Mäsch, IPRax 2004, 421 (423 f.); Fachausschuss/Kissner, StAZ 2011, 247 (248); wohl auch Staudinger/Löhnig, BGB (2018), § 1310 Rn. 65; tendenziell auch Mock, Heilung (2014), S. 305 (Der Gesetzgeber habe zumindest klargestellt, dass „für die Wirksamkeit der Ehe das Konsensprinzip ebenso wenig wie deren langjähriger Vollzug allein ausreichen kann.“). 471 Siehe bereits oben, § 7 IV 3b) aa). 472 Mäsch, IPRax 2004, 421 (424). 473 Mäsch, IPRax 2004, 421 (423 f.); so auch Hohloch, JuS 2003, 921 (922 f.). 474 Hohloch, JuS 2003, 921 (922). 475 MüKo-BGB8/Coester, Art. 13 EGBGB Rn. 166; ders., in: FS Heldrich (2005), S. 537 (545); MüKo-BGB8/von Hein, Einl. IPR Rn. 207; Staudinger/Mankowski, BGB (2010), Art. 13 EGBGB Rn. 545a; Pfeiffer, LMK 2003, 128 (129); Finger, FuR 1996, 124 (126); Barth/Wagenitz, FamRZ 1996, 833 (843); Hepting, FamRZ 1998, 713 (726); nachdrücklich auch Sturm, StAZ 1999, 289 (295); BeckOGK-BGB/Kriewald (1.7.2022), § 1310 Rn. 85.1; in der Sache auch Frank, StAZ 2011, 236 (240), unklar dann aber ders., in: LA Pintens I (2012), S. 607 (622).

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unterzogen. Die Untersuchung hat sie zu dem Ergebnis geführt, dass weder der Wortlaut noch die Systematik des Gesetzes die Annahme eines abschließenden Normcharakters zu stützen vermögen. Nach ihr belege der Wortlaut des § 1310 Abs. 3 BGB vielmehr, dass der Gesetzgeber die Heilung einer Nichtehe nicht abschließend regeln wollte. Zum einen hätte er eine eindeutigere Formulierung wählen können.476 Auch die Gesetzesbegründung eröffne zum anderen nur „grundsätzlich“ die Heilung.477 Systematisch werde das bestätigt durch einen Vergleich mit § 1313 Satz 3 BGB, der die Voraussetzungen der Aufhebung abschließend anordne.478 Henrich rückt in Anbetracht der Abschaffung des Rechtsinstituts der nichtigen Ehe von der von ihm lange Zeit befürworteten analogen Anwendung des § 17 Abs. 2 EheG a.F. zwar ab, spricht sich aber für eine Heilung durch Zeitablauf aus. Es könne nicht überzeugen, wenn einerseits aus einer Nichtehe bei Eintragung eine vollgültige Ehe werde, andererseits aber bei tatsächlich gelebter Ehe noch nicht mal eine aufhebbare Ehe entstehen könne.479 Coester wiederum führt ein verfassungsrechtliches Argument ins Feld. Die Auslegung des § 1310 Abs. 3 BGB als abschließende Regelung verstoße gegen Art. 6 Abs. 1 GG. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erstrecke sich der verfassungsrechtliche Eheschutz nämlich auch auf solche Ehen, die nicht früher oder später standesamtlich registriert, aber dennoch gutgläubig über lange Zeit vollzogen worden seien. Über diesen Schutz könne der Gesetzgeber nicht disponieren, weshalb eine verfassungskonforme Auslegung nur die Annahme erlaube, dass eine ungeschriebene Heilung neben gesetzlich ausgestalteten Heilungstatbeständen weiterhin möglich sei.480 Ähnlich hatte zuvor bereits Pfeiffer argumentiert und eine ungeschriebene Heilung gefordert, wobei aber ein im Vergleich zu § 1310 Abs. 3 BGB längerer Zeitraum erforderlich sei.481

476 Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 153, latent anders dann aber im Hinblick auf die Planwidrigkeit der erkannten Regelungslücke auf S. 155 ff. (es sei von einer bewussten gesetzgeberischen Begrenzung auf die geregelten Fälle auszugehen). 477 Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 153 unter Rekurs auf den Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Eheschließungsrechts (Eheschließungsrechtsgesetz – EheschlRG) vom 13.6.1996, BT-Drs. 13/4898, S. 18 478 Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 153. 479 Henrich, IntFamR2, § 1 VII, S. 41. 480 Siehe zum Ganzen Coester, in: FS Heldrich (2005), S. 537 (544 f.); MüKoBGB8/ders., Art. 13 EGBGB Rn. 166; so auch Staudinger/Mankowski, BGB (2010), Art. 13 EGBGB Rn. 545a; ähnlich auch MüKo-BGB8/von Hein, Einl. IPR Rn. 207, der indes von rechtsfortbildender Erweiterung des § 1310 Abs. 3 BGB spricht. 481 Pfeiffer, LMK 2003, 128 (129).

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dd) Stellungnahme Ausgangspunkt der Überlegungen sollte die Feststellung sein, dass das Verfassungsrecht kein eindeutiges Ergebnis für das Zivilrecht vorgibt. Zutreffend unterstreicht Coester zwar die Verallgemeinerbarkeit der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zum Schutzgehalt des Art. 6 Abs. 1 GG. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht keine statusrechtliche Heilung, sondern eine einfachrechtliche Berücksichtigung der gelebten Verbindung verlangt. Ein etwaiger gesetzgeberischer Wille, eine Heilung nur in den engen Grenzen des § 1310 Abs. 3 BGB zuzulassen, wäre demnach mit Art. 6 Abs. 1 GG zu vereinbaren, wenn und soweit der verfassungsrechtlich gebotene Schutz anderweitig gewährleistet wird. Es ist mithin im Wege der anerkannten Auslegungsmethoden zu ermitteln, ob die Heilungsvorschrift abschließend ist. Ganz selbstverständlich ist dabei zunächst die Einsicht, dass ein tatsächlich bestehendes Bedürfnis nach weitergefasster Heilungsmöglichkeit allein nicht ausreicht, einen etwaigen gesetzgeberischen Willen auszuschalten.482 Ein rechtspolitisch unerwünschtes Ergebnis kann de lege lata nicht ohne Weiteres am Gesetzeswortlaut vorbei korrigiert werden. Stützte man indes die Annahme eines abschließenden Charakters der Heilungsvorschrift auf vorstehende Erkenntnis, würde bereits ein entsprechender gesetzgeberischer Wille impliziert werden. Ein solcher abschließender Regelungswille ergibt sich aber nicht per se aus der legislatorischen Betätigung an sich. Es kann, anders gewendet, allein aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber eine Heilungsmöglichkeit für Nichtehen kodifiziert hat, nicht darauf geschlossen werden, dass andere Heilungsansätze daneben ausscheiden sollen. Dass dies gerade bei der Heilung von Nichtehen nicht der Fall ist, hat Müller überzeugend herausgearbeitet.483 Weder wurde die Regelung eindeutig abschließend formuliert noch ergibt sich der abschließende Charakter aus der Gesetzessystematik. Vielmehr hat der Gesetzgeber bei Schaffung des Instituts der Eheaufhebung den insoweit unstreitig abschließenden Regelungscharakter besonders hervorgehoben484 und hierauf bei der Heilung nach § 1310 Abs. 3 BGB verzichtet. Auch die ratio legis spricht gegen einen abschließenden Regelungscharakter. Der Gesetzgeber wollte dem als unbefriedigend empfundenen Rechtszustand abhelfen und knüpfte dabei „insbesondere“ an die hinkende Ehe, wie sie der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Witwenrente zugrunde

482 Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 152; Mäsch, IPRax 2004, 421 (424). 483 Siehe Pfeiffer, LMK 2003, 128 (129). 484 Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Eheschließungsrechts (Eheschließungsrechtsgesetz – EheschlRG) vom 13.6.1996, BT-Drs. 13/4898, S. 18 („Die Regelung betont zugleich den abschließenden Charakter der Eheaufhebungsgründe“).

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lag, an.485 Diese Konstellation stand gewissermaßen Exempel für die gesetzliche Regelung. Durch den gesetzgeberischen Eingriff sollten bestimmte Fallgruppen gelöst, aber mitnichten ein Schlussstrich unter das Thema der Heilung von Nichtehen gezogen werden.486 Die von Sturm487 insoweit angeführten früheren Fälle (sogenannte „Sterbebuchfälle“, siehe § 7 IV 3b) bb) (2)) führten zwar allesamt nicht zu einer Heilung im Status; das Argument richtet sich also (nur) gegen den abschließenden Regelungscharakter im Verhältnis zu sekundären Heilungsmöglichkeiten. Dennoch sind keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme ersichtlich, der Gesetzgeber habe in diesen und vergleichbaren Sachverhalten die Lösung über die statusrechtliche Heilung ausschließen wollen. Klar zum Ausdruck gebracht hat er mit der Implementierung der eng gefassten Heilungsvoraussetzungen nur, dass eine Heilung allein durch Zeitablauf nicht ermöglicht werden soll. Vor diesem Hintergrund steht die Zulässigkeit einer ungeschriebenen Heilung unter dem Vorbehalt, ihre Voraussetzungen auf eine Weise zu fassen, die ein Unterlaufen der in § 1310 Abs. 3 BGB niedergelegten gesetzgeberischen Wertungen verhindert.488 Diese Überlegungen führen zu den materiellen Anforderungen an einen ungeschriebenen Heilungansatz, die im Anschluss diskutiert werden sollen. An dieser Stelle bleibt festzuhalten, dass entgegen der wohl herrschenden Meinung in Literatur und vor allem in der Rechtspraxis489 die Existenz des gesetzlichen Heilungstatbestands auch de lege lata einer ungeschriebenen Heilung nicht grundsätzlich entgegensteht.

V. Fazit und Ausblick Die gesetzlich vorgesehene Heilungsmöglichkeit des § 1310 Abs. 3 BGB hält zwar eine Lösung für Fälle wie denjenigen bereit, der Gegenstand der Witwenrentenentscheidung gewesen ist. Hervorzuheben ist aber, dass dies nur deshalb so ist, weil in jener Konstellation zufällig eine standesamtliche Eintragung der unwirksam geschlossenen Ehe anlässlich der Geburt eines gemeinsamen Kindes erfolgte; ein Umstand, auf den das Bundesverfassungsgericht offensichtlich und zu Recht gar nicht abgehoben hatte. Für alle weiteren Fälle, in denen es nicht zu einer solchen Eintragung gekommen ist, hilft die Heilungsvorschrift 485 Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Eheschließungsrechts (Eheschließungsrechtsgesetz – EheschlRG) vom 13.6.1996, BT-Drs. 13/4898, S. 17. 486 Es sollte „grundsätzlich“ die Möglichkeit der statusrechtlichen Heilung eröffnet werden, Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Eheschließungsrechts (Eheschließungsrechtsgesetz – EheschlRG) vom 13.6.1996, BT-Drs. 13/4898, S. 17. 487 Sturm, StAZ 1999, 289 (295). 488 So auch Pfeiffer, LMK 2003, 128 (129). 489 BGH FamRZ 2003, 838 ff. (mAnm Borgmann); Fachausschuss/Kissner, StAZ 2011, 247 (248); Fachausschuss/Krömer, StAZ 2017, 219 (220 ff.); AG Groß-Gerau FamRZ 2017, 1491.

§ 7 Ehe

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nicht. Das zeigt sich vor allem bei der griechischen Eheschließung, über die der Bundesgerichtshof im Jahr 2003 zu entscheiden hatte und deren Unwirksamkeit selbst von deutschen Gerichten nicht erkannt worden war.490 Dieser Fall verdeutlicht ferner die Bedeutung von sekundären, also nicht statusrelevanten Korrekturmechanismen. Fraglich ist aber, ob im Griechenehen-Fall beispielsweise die Annahme eines konkludenten Unterhaltsvertrags überzeugen könnte. Er würde jedenfalls eine mehr oder weniger offene Fiktion eines Rechtsbindungswillens voraussetzen. Auch die Frau, die im Vertrauen auf ihre scheinbar nur türkische Staatsangehörigkeit eine unwirksame Ehe geschlossen hat,491 kommt nicht in den Genuss einer statusrechtlichen Heilung, weil weder eine Handlung des Standesbeamten i.S. des § 1310 Abs. 3 BGB vorliegt noch der lange Zeitraum von zehn Jahren erreicht wird. Das gleiche Ergebnis gilt für den paraguayischen Mann, der von seiner auch deutschen Staatsangehörigkeit erst nach seiner Eheschließung Kenntnis erlangen konnte.492 Die Frau, die vor dem Amtsgericht Mainz die Heilung der unwirksam geschlossenen Ehe (der Mann hatte kurz zuvor die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten und konnte deshalb die Ehe nicht gemäß Art. 13 Abs. 4 Satz 2 EGBGB schließen) geltend macht,493 kann indes von der gesetzlichen Heilung profitieren, weil eine zwischenzeitliche Eintragung erfolgt ist. Die sachliche Unterscheidung will angesichts der Zufälligkeit der Eintragung und der zweifelhaften kausalen Verknüpfung zwischen späterer Eintragung und gutgläubig geführter Ehe nicht recht überzeugen. Auch die Lösungen der frühen Fälle des Oberlandesgerichts Hamburg und des Verwaltungsgerichts Berlin werden durch § 1310 Abs. 3 BGB nicht obsolet.494 In einer bereits viel zitierten obergerichtlichen Entscheidung führt die versagte Heilung einer gutgläubig gelebten Ehe jüngst zudem zu Korrekturbedarf im Namensrecht.495 Schließlich müsste der Fall des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1978 („Ehe durch Bestätigung“)496 weiterhin über die gewagte Fiktion der (erneuten) Eheschließungserklärungen gelöst werden. Nichtehen, die sich aus der nahezu ausnahmslosen Nichtigkeit sogenannter Frühehen ergeben,497 können ebenfalls nur in den zu engen498 Grenzen des Art. 299 § 44

490

Siehe zum Sachverhalt oben, § 7 III 1b) cc) Siehe zum Sachverhalt oben, § 7 III 1b) bb). 492 Siehe zum Sachverhalt oben, § 7 III 1b) bb). 493 Siehe zum Sachverhalt oben, § 7 III 1b) cc). 494 Siehe bereits oben, § 7 IV 1b) dd). Siehe zu den Sachverhalten oben, § 7 III 3. 495 Siehe OLG Nürnberg FamRZ 2021, 493 ff. (mAnm Solomon), das aber auf eine Lösung im deutschen Sachrecht unter Berücksichtigung des Vertrauensschutzgedankens im Namensrecht verzichtet und den Fall über das Unionsrecht löst. 496 Siehe zum Sachverhalt oben, § 7 III 2d). 497 Siehe zu dieser Fallgruppe oben, § 7 III 4. 498 Siehe oben, § 7 IV 1c). 491

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Dritter Teil: Vertrauensschutz und statusorientiertes Recht

Abs. 4 Nr. 2 EGBGB geheilt werden und sind im Übrigen auf sekundäre Abhilfemechanismen angewiesen, die aber, wie gesehen,499 kaum überzeugen können. In all diesen Fällen versagt die zu eng gefasste Heilungsmöglichkeit des § 1310 Abs. 3 BGB, und eine jeweils festgestellte Härte kann nach derzeitiger Rechtspraxis, die eine ungeschriebene Heilung (zu Unrecht) a limine ablehnt, nur auf unsicherer500 sekundärer Ebene abgemildert werden – abgesehen von einer Korrektur im jeweiligen Recht eines anderen Status –, was wiederum weder vorhersehbar ist noch stets dogmatisch überzeugen kann. Das bedeutet noch nicht, dass sämtliche Beispielsfälle einer Heilung zugänglich sein sollten. Zu denken ist insofern beispielsweise an die bewusst nur religiös vorgenommene Eheschließung, bei der eine statusrechtliche Heilung eine vollständige Aufgabe des Eheschließungsrechts der §§ 1310 ff. BGB bedeuten würde. Vor diesem Hintergrund ist eine Heilung nur innerhalb klar gezogener Grenzlinien denkbar, was sich bereits aus der gesetzgeberischen Wertung ergibt.501 Diese Leitlinien haben sich bei der Untersuchung der bemühten Abhilfe- und Heilungsversuche wiederholt gezeigt: Erkennbarer Ehekonsens, faktischer Vollzug der Ehe, Gutgläubigkeit und Zeitablauf.502 Sie sind im abschließenden Teil der Arbeit aufzugreifen und statusübergreifend, im Sinne eines allgemeinen Heilungsansatzes für unwirksame Statusverhältnisse, zu präzisieren.

499

Siehe oben, § 7 IV 2b) cc) (2). Siehe oben, § 7 IV 2b) dd). 501 Siehe oben, § 7 IV 3b) dd). 502 Siehe oben, § 7 IV 2b) aa) (1) und (2) sowie § 7 IV 2b) cc) (2) und § 7 IV 3a) bb) aE. 500

§ 8 Rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung Im Abstammungsrecht gibt es gegenwärtig eine rege Reformdiskussion, die insbesondere auf die Vielgestaltigkeit tatsächlich gelebter Familienformen und die rasante Entwicklung der Fortpflanzungsmedizin zurückzuführen ist.1 Wie viele Eltern kann ein Kind haben? Sollten an die Stelle von Mutter und Vater die erste und zweite Elternstelle treten? Sind die Vorschriften über die ärztlich assistierte Insemination noch zeit- und interessengerecht? Welche rechtliche Anerkennung verdient eine faktische Eltern-Kind-Beziehung, und in welchem Verhältnis steht diese zur biologischen Wahrheit? Diese sind nur einige von vielen aktuellen Fragen, die das Abstammungsrecht beschäftigen, im vorliegenden Zusammenhang jedoch nur am Rande eine Rolle spielen. Für die Fragestellung, die in dieser Arbeit untersucht wird, sind ferner Probleme aus dem internationalen Privatrecht – wie die rechtliche Elternschaft bei unwirksamen sogenannten Frühehen oder nicht anerkannten ausländischen Adoptionsentscheiden – von Interesse.2 Gerade bei Auslandsbezug kommt es mitunter auch zur Fälschung von Einträgen in Geburtenregistern, um die strengen Anforderungen, die an eine internationale Adoption gestellt werden, zu umgehen. In ähnlicher Weise wie im namensrechtlichen und im eherechtlichen Kapitel dieser Arbeit geht es um Fragen des Vertrauensschutzes, konkreter gesprochen um die Schutzwürdigkeit einer real gelebten, aber rechtlich nicht wirksam etablierten Eltern-Kind-Beziehung.

I. Grundlagen und Begriffsbestimmungen 1. Abstammung Der Begriff der Abstammung erfasst in seiner ursprünglichen Bedeutung zuvörderst die genetische Verbindung eines Kindes zu seinen Eltern.3 Er ist aber für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung besser durch den Begriff der rechtlichen Eltern-Kind-Zuordnung zu ersetzen, weil er die Regelungsmaterie

1

Siehe exemplarisch Arbeitskreis Abstammungsrecht, Abschlussbericht (2017), passim. Siehe zur Problematik bereits oben, § 2 II 1. 3 Gernhuber/Coester-Waltjen, FamR7, § 52 Rn. 8. 2

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Dritter Teil: Vertrauensschutz und statusorientiertes Recht

schon begrifflich zu sehr auf die genetische Verbindung begrenzt4 und damit die nachfolgenden Konstellationen faktisch gelebter Eltern-Kind-Verhältnisse zum Teil hermeneutisch ausschließt. Reuß schlägt neuerdings den Begriff des Elternschaftsrechts vor5 und weist damit auf die bereits veranschaulichte Konstruktion des Eltern-Kind-Verhältnisses als komplexes Regelungsgefüge6 hin. Der Begriff der Eltern-Kind-Zuordnung bezeichnet indes genau dasjenige, was vorliegend Untersuchungsgegenstand sein soll, nämlich die statusrechtliche Vaterschaft beziehungsweise Mutterschaft. Es wird deshalb von rechtlicher Eltern-Kind-Zuordnung gesprochen, wenn das Abstammungsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs gemeint ist. Begriffe des Eltern-Kind-Verhältnisses und der faktischen Familie oder faktischen Eltern werden hingegen weiter gefasst und umschreiben die tatsächlichen Lebensbeziehungen der Personen zueinander. Der Status ist mithin die rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung. Das Eltern-KindVerhältnis ist hingegen das Statusverhältnis in einem weiteren Sinne und umfasst sämtliche Rechtsbeziehungen, die sich aus dem Status ergeben.7 2. Vater, Mutter, Elternschaft Die Begriffe Vater und Mutter bezeichnen ganz generell diejenigen Personen, die einem Kind als erste Bezugs- und Verantwortungspersonen zugeordnet werden. Dabei kann die Zuordnung auf tatsächlich vorgefundener Lebensrealität, rechtlichen Zuordnungskriterien, voluntativen Elementen oder wissenschaftlich nachgewiesenen Fakten beruhen. So unterschiedlich die dabei gefundenen Ergebnisse lauten, so mannigfaltig sind die für die jeweils getroffenen Zuordnungen verwendeten Begriffe in Recht und Gesellschaft: Ist es der biologische, der genetische oder der soziale Vater? Ist die Frau die genetische Mutter oder die Geburtsmutter? Handelt es sich um die leiblichen oder die rechtlichen Eltern oder die Wunscheltern? Liegt vielleicht einfach nur eine Wahlfamilie oder eine Tauschfamilie vor? Die unterschiedliche umgangssprachliche, aber auch fachsprachliche Verwendung der Begriffe erfordert eine genaue Begriffsbestimmung. In der vorliegenden Arbeit werden die Begriffe mit folgender Bedeutung verwendet: Rechtliche Eltern sind die Personen, denen die Elternschaft rechtlich durch das Recht der Eltern-Kind-Zuordnung zugeordnet wird. Genetische Eltern sind diejenigen Personen, von denen das Kind genetisch abstammt. Letzteres umschreibt der Gesetzgeber gelegentlich 4

Gernhuber/Coester-Waltjen, FamR7, § 52 Rn. 10; siehe auch Arbeitskreis Abstammungsrecht, Abschlussbericht (2017), S. 19, 30 (These 1) sowie zustimmend Schürrmann, in: FS Koch (2019), S. 123 (126) („[…] notwendige Reaktion auf die Vielfalt heutiger Lebensverhältnisse“). Kritisch hingegen Wellenhofer, in: Moderne Familienformen (2019), S. 59 (71). 5 Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts (2018), S. 31, 188 f. 6 Siehe oben, § 4 III 2. 7 Siehe zu der Differenzierung zwischen Status und Statusverhältnis bereits oben, § 4 I 1.

§ 8 Rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung

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mit dem Begriff der leiblichen Eltern.8 Andere sprechen insoweit auch gleichbedeutend von biologischer Elternschaft.9 Die genetische Elternschaft kann, muss aber nicht mit der rechtlichen Elternschaft übereinstimmen.10 Faktische Eltern sind diejenigen, die nur vermeintlich die rechtlichen Eltern sind und das in Wahrheit nur tatsächlich bestehende Eltern-Kind-Verhältnis leben, als wäre es ein rechtliches. Ein Unterfall der faktischen Eltern sind die Putativeltern. Das sind diejenigen, die sich bei unerkannter Vertauschung von Kindern für die rechtlichen Eltern halten.11 Ein sozialer Elternteil hingegen übernimmt elterliche Verantwortung, ohne aber auch eine entsprechende rechtliche ElternKind-Zuordnung zu avisieren.12

II. Überblick und Gang der Untersuchung: Die unterschiedlichen Fallkonstellationen Wie bei der faktischen Namensführung und der faktischen Ehe bietet sich auch für die Untersuchung faktischer Eltern-Kind-Verhältnisse zunächst eine Kategorisierung der problematischen Fallkonstellationen an, um Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Fälle aufzuzeigen. Auf einer ersten Ebene kann danach differenziert werden, ob die Unwirksamkeit der rechtlichen Eltern-Kind-Zuordnung den Beteiligten zumindest teilweise bekannt war oder ob alle Beteiligten von ihrer Wirksamkeit ausgingen. Das hat womöglich entscheidenden Einfluss auf ihre jeweilige Schutzwürdigkeit. Auf der zweiten Ebene werden sodann die unterschiedlichen Entstehungssituationen im Einzelnen unterschieden. Anders als in den namens- und eherechtlichen Kapiteln werden die Lösungen aber unabhängig von ihrer kategorialen Zuordnung herausgearbeitet 8 Beispielsweise §§ 1600 Abs. 2, 1686a Abs. 2, 1597a Abs. 5 BGB, vgl. nur MüKoBGB8/Wellenhofer, § 1597a Rn. 22; BeckOK-BGB/Veit (1.5.2022), § 1686a Rn. 5 sowie Arbeitskreis Abstammungsrecht, Abschlussbericht (2017), S. 21 f. Siehe aber auch Schwab, in: Pluralisierung von Elternschaft (2011), S. 41 (43), der auf die abweichende Terminologie im Adoptionsrecht hinweist – dies erfolgt indes jedenfalls im Gesetzestext nicht durchgehend, so spricht § 1747 BGB nicht von „leiblichen“ Eltern, sondern ganz allgemein von Eltern und meint damit, wie sonst auch, die rechtlichen Eltern, vgl. BeckOGK-BGB/Löhnig (1.4.2022), § 1747 Rn. 12. Anders hingegen §§ 1925 Abs. 4, 1763 Abs. 3 lit. a), 1764 Abs. 3 und 4, 1770 Abs. 3 BGB, die von leiblichen Elternteilen/Verwandten sprechen und damit die „Ursprungsfamilie“ (vgl. exemplarisch Staudinger/Helms, BGB (2019), § 1764 Rn. 10), also die vormals rechtlichen Eltern, meinen, die nicht die genetischen Eltern sein müssen. 9 Dethloff, FamR33, § 10 Rn. 58; siehe auch BeckOGK-BGB/Balzer (1.8.2022), § 1592 Rn. 3. Siehe zur erforderlichen Unterscheidung zwischen biologischer und genetischer Elternschaft nur Vaskovics, in: Pluralisierung von Elternschaft (2011), S. 11 (16 f.). 10 Siehe Dethloff, FamR33, § 10 Rn. 1. 11 Siehe überzeugend Eckebrecht, in: GS Wörlen (2013), S. 267 (271 f.); anders hingegen Veit/Hinz, FamRZ 2010, 505 (505 f.), die den Begriff der Tauscheltern befürworten. 12 Ähnlich Arbeitskreis Abstammungsrecht, Abschlussbericht (2017), S. 22.

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Dritter Teil: Vertrauensschutz und statusorientiertes Recht

und analysiert (III.), weil die Fälle und ihre Lösungen zu individuell für eine fallgruppenbezogene Betrachtung sind. Erst im anschließenden Abschnitt werden die gefundenen Einzelfalllösungen en bloc betrachtet, um allgemeingültige Aussagen über die rechtliche Behandlung eines faktischen Eltern-Kind-Verhältnisses treffen zu können (IV.). 1. Unbewusst unwirksame Etablierung rechtlicher Elternschaft Der klassische Anwendungsfall eines gutgläubig gelebten faktischen ElternKind-Verhältnisses im Sinne dieser Untersuchung zeichnet sich dadurch aus, dass eine rechtliche Elternschaft von Anfang an nicht wirksam etabliert wird, dies den Beteiligten aber zunächst verborgen bleibt. a) Unwirksame Vaterschaftsanerkennung Eine solche Konstellation tritt beispielsweise ein, wenn die Anerkennung der Vaterschaft nicht die Voraussetzungen der §§ 1594 bis 1597 BGB erfüllt,13 die Beteiligten aber von ihrer Wirksamkeit ausgehen. Solange die Anerkennung nicht wirksam ist, kann sich niemand auf die durch sie zu begründende rechtliche Vaterschaft berufen (§ 1594 Abs. 1 BGB). Die Wahrscheinlichkeit, dass unerkannt unwirksame rechtliche Vaterschaften durch fehlerhafte Anerkennungen entstehen, hat der Gesetzgeber bereits durch einschränkende Regelung auf der Fehlerebene reduziert. Nur die Missachtung der in § 1598 Abs. 1 BGB genannten Wirksamkeitsanforderungen führt zur Unwirksamkeit der Anerkennung: Das sind beispielsweise das Bestehen der rechtlichen Vaterschaft eines anderen Mannes, die Anerkennung unter einer Bedingung oder Zeitbestimmung, das Fehlen einer erforderlichen Zustimmung der Mutter, gegebenenfalls des Kindes oder einer öffentlichen Beglaubigung. In allen diesen Fällen droht ein faktisches Eltern-Kind-Verhältnis ohne rechtliche Anerkennung zu bleiben. Insofern hat der Gesetzgeber die Notwendigkeit eines Vertrauensschutzes erkannt und mit § 1598 Abs. 2 BGB eine gesetzliche Heilungsmöglichkeit vorgesehen. b) Folgewirkungen fehlerhafter Ehen der Eltern Paradigmatische Fallkonstellationen sind ferner solche, in denen die rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung maßgeblich vom Status der Eltern abhängt. Gemeint ist damit namentlich die Vaterschaftszuordnung kraft Ehe gemäß § 1592 Nr. 1 BGB. Vater eines Kindes ist danach der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist. Gründet sich die rechtliche Vaterstellung scheinbar bereits auf einer Ehe mit der Mutter, erfolgt oftmals keine 13 Erfasst ist nicht nur die Anerkennungserklärung, sondern die „gesamte Anerkennung“, vgl. nur BeckOGK-BGB/Balzer (1.8.2022), § 1598 Rn. 69.

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Anerkennung der Vaterschaft, weil dies den Beteiligten, die von einer wirksamen Ehe ausgehen, überflüssig erscheinen wird. Davon abgesehen ist ihre Zulässigkeit auch nicht unumstritten.14 Stellt sich die Ehe aber im Nachhinein als unwirksam heraus, steht damit zugleich auch das Nichtbestehen der rechtlichen Vaterschaft des faktischen Ehemanns fest. Es bedarf dann einer erneuten Etablierung der rechtlichen Vaterschaft durch gerichtliche Vaterschaftsfeststellung oder Anerkennung. Das kann allerdings scheitern, wenn zwischen faktischem Vater und Kind keine genetische Verbindung besteht (§ 1600d Abs. 1 BGB15) und der Vater oder die Mutter (§ 1595 BGB) zur Abgabe beziehungsweise Zustimmung zu einer Anerkennung nicht bereit oder bereits verstorben sind.16 Es drängt sich die Frage auf, ob und unter welchen Voraussetzungen das faktische Eltern-Kind-Verhältnis dann in seinem Bestand zu schützen ist. c) Vertauschte Kinder Werden Kinder kurz nach ihrer Geburt vertauscht und wachsen fortan bei Putativeltern auf,17 entstehen ebenfalls faktische Eltern-Kind-Verhältnisse, die im Widerspruch zur tatsächlich bestehenden rechtlichen Elternschaft gutgläubig gelebt werden. Die Zuordnung der Mutter zu den jeweiligen Kindern ist relativ unproblematisch:18 Rechtliche Mutter ist gemäß § 1591 BGB jeweils die Frau, die das Kind geboren hat. Daran ändert die Vertauschung nichts. Die Mutterschaft kann im Sinne der Statusklarheit nach aufgedeckter Vertauschung in einem Verfahren gemäß § 169 Nr. 1 FamFG deklaratorisch festgestellt werden.19

14

Gemäß § 1594 Abs. 2 BGB ist die Anerkennung nicht wirksam, solange die Vaterschaft eines anderen Mannes besteht. Auch wenn hier nicht die Vaterschaft eines anderen Mannes, sondern eine andere Vaterschaftszuordnung in Bezug auf denselben Mann in Rede steht, ist davon auszugehen, dass § 1594 Abs. 1 und 2 BGB die Konkurrenz mehrerer Vaterschaftszuordnungen zugunsten der ehelichen Zuordnung auflöst, vgl. MüKo-BGB8/Wellenhofer, § 1592 Rn. 16. Insoweit wäre eine Anerkennung des scheinbaren Ehemanns zwar möglich und sogar mangels wirksamer Zuordnung kraft Ehe wirksam, vgl. BeckOGKBGB/Balzer (1.8.2022), § 1594 Rn. 57; Soergel/Schmidt-Recla, BGB13, § 1594 Rn. 19; differenzierend Staudinger/Rauscher, BGB (2011), § 1594 Rn. 31. Eine solche dürfte aber kaum einmal erklärt werden, wenn die Beteiligten von der Wirksamkeit der Ehe ausgehen oder diese vortäuschen. Siehe auch die besonderen Voraussetzungen der sogenannten Dreiererklärung gemäß § 1599 Abs. 2 Satz 2 BGB. 15 „Feststellung der Vaterschaft“ bedeutet ausschließlich Feststellung der genetischen Vaterschaft, vgl. BeckOGK-BGB/Reuß (1.8.2022), § 1600d Rn. 6; Palandt/Brudermüller, BGB79, § 1600d Rn. 1; Gernhuber/Coester-Waltjen, FamR7, § 54 Rn. 53. 16 Siehe zur postmortalen Vaterschaftsfeststellung noch unten, § 8 III 2c) bb). 17 Siehe das einleitend angeführte Beispiel, § 1 II. 18 Veit/Hinz, FamRZ 2010, 505 (506); Frank, FamRZ 2015, 1149 (1149); Willems, NZFam 2016, 445 (445); Geier, ZEuP 2017, 180 (192). 19 Jäschke, Gametenvertauschung (2020), S. 116; Frank, FamRZ 2015, 1149 (1150); Veit/Hinz, FamRZ 2010, 505 (508).

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Die Zuordnung des rechtlichen Vaters gestaltet sich hingegen etwas komplizierter. Sind die Geburtsmutter und der genetische Vater miteinander verheiratet, bezieht sich die rechtliche Zuordnung des Vaters automatisch auf das von der Ehefrau tatsächlich geborene Kind gemäß § 1592 Nr. 1 BGB.20 Insoweit lebt das vertauschte Kind nicht bei seinen rechtlichen Eltern. Sind die Geburtsmutter und der genetische Vater nicht miteinander verheiratet und erfolgt eine Vaterschaftsanerkennung, stellt sich die Frage, auf welches Kind die Anerkennung bezogen ist. Insoweit soll es entscheidend auf den Zeitpunkt und die Auslegung der Anerkennungserklärung ankommen.21 Frank hingegen geht davon aus, dass sich die Anerkennungserklärung stets auf das von der Partnerin geborene Kind bezieht.22 Regelmäßig wird das auch dem tatsächlichen Willen des Anerkennenden entsprechen.23 Andere vertreten zumindest im Falle einer postnatalen Anerkennungserklärung, dass sich die Anerkennung auf das bekannte, also das Putativkind bezieht.24 Dann wäre die Anerkennung mangels Zustimmung der rechtlichen Mutter zunächst gemäß §§ 1598 Abs. 1, 1595 Abs. 1 BGB unwirksam. Es könnte zwar eine Heilung gemäß § 1598 Abs. 2 BGB eintreten, möglich bliebe aber die rückwirkende Beseitigung der rechtlichen Vaterschaft durch Anfechtung.25 Es können sich hier insgesamt viele schwierige Fragen stellen. Ergibt die Auslegung beispielsweise, dass die Anerkennung des einen Vaters auf das genetisch fremde Kind bezogen ist, während der andere Vater das genetisch eigene anerkennen möchte, ist ein und dasselbe Kind Bezugspunkt zweier Anerkennungserklärungen. Es gilt dann das in § 1594 Abs. 2 BGB verankerte Prioritätsprinzip.26 Insoweit setzt sich regelmäßig die Anerkennungserklärung durch, die der Partner der rechtlichen Mutter abgibt, da sie wegen des Zustimmungserfordernisses nach § 1595 Abs. 1 BGB zuerst wirksam wird, bevor die andere erst durch Zeitablauf geheilt werden kann.27 Wie auch immer der Einzelfall gelagert ist, es kommt bei einem Rücktausch der Kinder möglicherweise zu einer schwierigen finanziellen Rückabwicklung der gelebten Eltern-Kind-Verhältnisse durch einen Scheinvaterregress gemäß § 1607 Abs. 3 Satz 2 BGB einerseits und einen Scheinmutterregress analog 20 Vgl. Willems, NZFam 2016, 445 (445); Geier, ZEuP 2017, 180 (192); Eckebrecht, in: GS Wörlen (2013), S. 267 (274); ders., FPR 2011, 394 (396). 21 So Veit/Hinz, FamRZ 2010, 505 (506); siehe zur Anerkennungserklärung als (auszulegende) Willenserklärung nur Staudinger/Rauscher, BGB (2011), § 1592 Rn. 51 (mwN) sowie BeckOGK-BGB/Balzer (1.8.2022), § 1594 Rn. 15. 22 Frank, FamRZ 2015, 1149 (1149); so auch Willems, NZFam 2016, 445 (445 f.). 23 Veit/Hinz, FamRZ 2010, 505 (506). 24 BeckOGK-BGB/Balzer (1.8.2022), § 1594 Rn. 24. 25 Siehe ausführlich Veit/Hinz, FamRZ 2010, 505 (506); vgl. auch Gernhuber/CoesterWaltjen, FamR7, § 54 Rn. 52. 26 Siehe nur BeckOGK-BGB/Balzer (1.8.2022), § 1594 Rn. 58 ff. 27 Vgl. Erman/Hammermann, BGB16, § 1594 Rn. 6.

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§ 1607 Abs. 3 Satz 2 BGB andererseits.28 Nicht immer hilft hier das Rechtsinstitut der Aufrechnung weiter, wenn beispielsweise eines der Kinder einen besonderen Mehrbedarf hatte.29 Entscheiden sich die Beteiligten gegen einen Rücktausch, stellt sich die Frage, wie die rechtliche Elternschaft und die mit ihr verbundenen Elternrechte auf die faktischen Eltern übertragen werden können; eine Adoption scheint erforderlich zu sein, obwohl deren Verfahrensregelungen überwiegend nicht auf die Situation der seit Jahren gelebten Realbeziehung passen.30 Hinsichtlich des Erbrechts ist ebenfalls fehlender Rechtsschutz faktischer Eltern-Kind-Verhältnisse zu konstatieren.31 Regelmäßig sehen die Beteiligten kein Bedürfnis, die Erbfolge testamentarisch zu regeln. Sie gehen vielmehr vom rechtlichen Bestand ihrer faktischen Familienbeziehung und folgerichtig davon aus, die Putativkinder seien die gesetzlichen Erben erster Ordnung nach den Putativeltern und die Putativeltern gesetzliche Erben zweiter Ordnung nach den Putativkindern.32 Tatsächlich werden sie daher von ihrer Testierfreiheit oftmals keinen Gebrauch machen.33 Die Fallkonstellationen der vertauschten Kinder werfen mithin diverse Fragen auf, die im Zusammenhang mit der rechtlichen Anerkennung faktischer Eltern-Kind-Verhältnisse stehen. Das betrifft das Unterhalts- und Erbrecht, aber auch den rückwirkenden Verlust des Sorgerechts und der Vertretungsbefugnis. 2. Bewusst unwirksame Etablierung rechtlicher Elternschaft Neben den diversen Fällen, in denen eine unwirksame Etablierung der rechtlichen Elternschaft unerkannt bleibt, kommt es mitunter auch zu der besonderen Konstellation, in der die Wirksamkeit rechtlicher Elternschaft den Behörden und dem Kind (zunächst) vorgetäuscht wird, obwohl die Unwirksamkeit den faktischen Eltern bekannt ist. Gutgläubigkeit in Bezug auf die rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung ist dann aber auf Seiten des betreffenden Kindes und gegebenenfalls des nicht eingeweihten Elternteils zu konstatieren. Es kann demnach auch bei bewussten Täuschungen ein (teilweise) gutgläubig gelebtes Statusverhältnis ohne wirksame Statusbegründung geben. a) Falsche Identität Der bereits im namensrechtlichen Teil der Arbeit diskutierte Fall einer Frau, die ein Kind zur Welt bringt und vorgibt, die verstorbene Ehefrau des genetischen Vaters zu sein, stellt auch die rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung vor 28

Veit/Hinz, FamRZ 2010, 505 (509); Frank, FamRZ 2015, 1149 (1151). Veit/Hinz, FamRZ 2010, 505 (509); Frank, FamRZ 2015, 1149 (1151). 30 Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts (2018), S. 456. 31 Frank, FamRZ 2015, 1149 (1154). 32 Frank, FamRZ 2015, 1149 (1153). 33 Frank, FamRZ 2015, 1149 (1153). 29

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Herausforderungen. Gegenstand des Falls ist der bereits einleitend geschilderte Sachverhalt,34 in dem die rechtliche Mutter zwar die genetische Mutter des Kindes ist, aber die Identität der verstorbenen Ehefrau des genetischen Vaters des Kindes übernommen hatte und vorgibt, die Ehefrau zu sein. Es handelt sich bei dieser Sachverhaltskonstellation um einen Grenzfall: Einerseits bezieht sich die Täuschung nicht unmittelbar auf die rechtliche Vaterschaft, sondern auf die Identität und damit auf die nicht bestehende Ehe zwischen den Beteiligten. Bei rechtlichen Laien liegt der Gedanke nicht fern, hier von einer unerkannten Unwirksamkeit der rechtlichen Vaterschaft des scheinbaren Ehemanns auszugehen. Nichtsdestotrotz gibt die Täuschung auch der Eltern-Kind-Zuordnung das entscheidende Gepräge, sodass der Fall eher der Fallgruppe der bewusst unwirksam etablierten rechtlichen Elternschaft zugeordnet werden soll. Es zeigt sich bereits an dieser Stelle, dass von einer eindeutigen Abgrenzung zwischen den Fallgruppen nicht immer und ausnahmslos die Rede sein kann. Der Fall ist jedenfalls dann problematisch und wirft die Frage nach Vertrauensschutz auf, wenn die Vater-Kind-Zuordnung auch nicht durch Neubegründung rechtlich etabliert werden kann, weil der faktische Vater nicht der genetische Vater ist und eine Vaterschaftsanerkennung aus tatsächlichen Gründen (etwa Zustimmungsverweigerung etc.) ausscheidet. b) Fälschung des Geburtenregisters Um eine unmittelbar die rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung betreffende Täuschung handelt es sich hingegen, wenn ein Paar eine genetische Abstammung dadurch vortäuscht, dass es sich fälschlicherweise als rechtliche Eltern in das Geburtenregister eintragen lässt und dem Kind eine genetische Abstammung vorspielt.35 Vor allem zur Umgehung der Anforderungen, die an eine internationale Adoption gestellt werden, wenn das Paar mit dem Adoptivkind nach Deutschland zurückkehren und es damit in einen fremden Kulturkreis bringen möchte, lassen sich Paare mitunter als rechtliche Eltern eines Kindes, das genetisch von anderen Personen abstammt, in das ausländische Geburtenregister und, zurück in Deutschland, auch in das deutsche Geburtenregister eintragen.36 Lebt die faktische Familie fortan unter dem Schutz dieses Rechtsscheins mehr oder weniger glücklich zusammen, wird die Täuschung kaum einmal zutage treten. Problematisch wird es aber, wenn entweder die faktische Mutter oder der faktische Vater sich von dem Kind lösen wollen und insbesondere Unterhaltsansprüche ablehnen. Das kann etwa nach Scheitern der elterlichen

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Siehe bereits oben, § 1 II sowie § 6 II 1. Siehe oben, § 1 II. 36 Siehe beispielsweise OLG Bremen FamRZ 1995, 1291 (1292) (eine Adoption hätte ein einjähriges Zusammenleben auf den Philippinen vorausgesetzt). 35

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Beziehung geschehen.37 Möglicherweise besinnt sich auch ein genetischer Elternteil eines anderen und entscheidet sich, doch noch rechtliche Verantwortung für das Kind übernehmen zu wollen und strengt ein Abstammungsverfahren an.38 Besonders dramatische Konsequenzen für das betreffende Kind hat es, wenn die faktischen Eltern gemeinsam dem Kind die Fälschung offenbaren, jegliche Unterhaltsansprüche ablehnen und ferner darauf hinweisen, dass auch keine Erbenstellung besteht, wie das in einem von Frank besprochenen Fall geschehen war.39 Nach der deutschen lex lata ist keine rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung gegeben, womit gesetzliche Unterhalts- und Erbansprüche grundsätzlich entfallen. Auch hier drängt sich die Frage auf, in welchem Maße das Vertrauen des Kindes und gegebenenfalls des anderen faktischen Elternteils schutzwürdig ist und auf welchem methodischen Weg entsprechender Gutglaubensschutz gewährt werden kann. 3. Hinkende Eltern-Kind-Zuordnung Der enge Zusammenhang, der zwischen den Konstellationen, die Gegenstand dieser Untersuchung sind, und den Fragen der Anerkennung von Status(-verhältnissen) im internationalen Privatrecht besteht, wurde bereits eingangs hervorgehoben. Als Beispiel mag die nicht anerkannte Auslandsadoption dienen. Unabhängig von der problematischen Versagung der Anerkennung einer Auslandsadoption unter Rekurs auf den ordre public – in aller Regel unter Berufung auf eine ursprünglich mangelhafte Kindeswohlprüfung im ausländischen Adoptionsverfahren40 – knüpft die vorliegende Arbeit an das so zustande gekommene Ergebnis an: Wird die Anerkennung versagt, fehlt es zumindest nach deutschem Abstammungsstatut an einer rechtlichen Eltern-Kind-Zuordnung, obwohl die Familie bereits seit einigen Jahren als solche gemeinsam in Deutschland lebt.41 Das wirft Fragen nach dem Schutz des Kindes auf, dem nunmehr weder Unterhalts- noch Erbansprüche zustehen.42 Von einer bewussten oder unbewussten Etablierung einer unwirksamen rechtlichen Eltern-Kind-Zuordnung kann hier kaum die Rede sein. Streitpunkt ist hier auch gar nicht so sehr die ursprüngliche Begründung der rechtlichen Elternschaft, sondern vielmehr die spätere Versagung ihrer Anerkennung für den deutschen Rechtsraum, während die Eltern-Kind-Zuordnung nach anderem Rechtsstatut wirksam ist. Hinkende

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OLG Bremen FamRZ 1995, 1291 ff. Vgl. OLG Koblenz FamRZ 2010, 481. 39 Frank, in: FS Coester-Waltjen (2015), S. 53 (55). 40 Siehe bereits oben, § 2 II 1. 41 So lagen die eingangs erläuterten Fälle, vgl. oben, § 2 II 1. 42 So auch Frank, in: FS Coester-Waltjen (2015), S. 53 (56 ff.). 38

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Dritter Teil: Vertrauensschutz und statusorientiertes Recht

Eltern-Kind-Verhältnisse sind mithin eine eigenständige Fallgruppe faktischer Elternschaft. Eine hinkende Eltern-Kind-Zuordnung entsteht ferner, wenn eine im Ausland wirksame Eheschließung wegen Minderjährigkeit eines der Ehegatten für den deutschen Rechtsraum unwirksam ist und die rechtliche Vaterschaft kraft Ehe deshalb in Wahrheit nicht besteht. Auch insoweit knüpft die vorliegende Untersuchung an das gefundene Ergebnis an, ohne den Fokus auf die berechtigte Kritik an dessen Entstehung zu legen.43

III. Bereits beschrittene Lösungswege Ein faktisch gelebtes Eltern-Kind-Verhältnis kann, das illustrieren die vielen Beispielsfälle, in mehrfacher Hinsicht angezweifelt und in seinem rechtlichen Bestand in Frage gestellt werden: durch Fehler bei der rechtlichen Etablierung, durch Versagung der Anerkennung im Inland oder Fehler bei der Eheschließung der Eltern, die in die rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung ausstrahlen. Es zeigt sich immer wieder derselbe Grundkonflikt zwischen faktischen Familienbeziehungen einerseits und der mangelhaften Etablierung der rechtlichen Eltern-Kind-Zuordnung andererseits.44 Dabei kann weder der eine noch der andere Gesichtspunkt allein entscheidend sein. Berücksichtigt werden muss etwa auch, dass die faktische Eltern-Kind-Zuordnung nicht nur Interessen der faktischen Eltern und der Kinder, sondern zudem (mitunter gegenläufige) Interessen der genetischen Eltern und der faktischen und genetischen Großeltern und Geschwister tangiert. Es handelt sich also um ein asymmetrisches Mehrpersonengefüge.45 Im Folgenden soll anhand konkreter Beispiele untersucht werden, inwieweit das geltende Recht dem faktischen Band Schutz und Anerkennung gewährt, wie weit der Schutz reicht, zu wessen Gunsten er eingreift und von welchen Bedingungen er abhängt. Dabei gilt es, die bereits praktizierten methodischen Ansätze herauszustellen und kritisch zu würdigen. 1. Fälschung des Geburtenregisters Die Fallkonstellationen, die unter der Bezeichnung Fälschung des Geburtenregisters zusammenzufassen sind, wurden bereits einleitend und zur Veranschaulichung eines faktischen Eltern-Kind-Verhältnisses skizziert.46 Pars pro

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Siehe insoweit noch unten, § 8 III 2a). Gernhuber/Coester-Waltjen, FamR7, § 54 Rn. 87 (ein problematischer „Spitzentanz“). 45 Vgl. bereits oben, § 4 III 2 und 3. 46 Siehe einleitend jeweils oben, § 1 II sowie § 8 II 2b). 44

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toto für diese Fallkonstellationen steht der folgende Sachverhalt:47 Die in Indonesien lebenden deutschen Eheleute beabsichtigen, vor Ort ein Kind zu adoptieren, anschließend mit diesem gemeinsam nach Deutschland zurückzukehren und dort als Familie zusammenzuleben. Zur Umgehung des Adoptionsverfahrens lässt sich das Paar als vermeintlich genetische Eltern eines in Wahrheit nicht von ihnen gezeugten Kindes in das ausländische Geburtenregister eintragen. Dies geschieht mit Unterstützung durch die Geburtsklinik und mit dem Einverständnis der genetischen Mutter, die ferner angibt, der genetische Vater sei verstorben. Das Paar zieht mit dem Kind nach Deutschland, lässt unter Vorlage eines Auszugs aus dem ausländischen Geburtenregister ihre rechtliche Elternschaft in das deutsche Geburtenbuch (jetzt Geburtenregister, vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 PStG) eintragen (§ 36 PStG) und lebt mit dem Kind fortan als Familie zusammen. Das Kind geht davon aus, ordnungsgemäß adoptiert worden zu sein. a) Problemaufriss und Interessenlage Nach dem gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 1 EGBGB maßgeblichen deutschen Sachrecht (einen gewöhnlichen Aufenthalt in Indonesien hat das Kind nie gehabt)48 besteht zwischen den faktischen Eltern und dem Kind keinerlei statusrelevante Beziehung. Die rechtliche Mutter des Kindes ist vielmehr die Frau, die das Kind geboren hat (§ 1591 BGB), und der rechtliche Vater entweder der Mann, der mit der Mutter im maßgeblichen Zeitraum verheiratet war oder das Kind anerkannt hat (§ 1592 Nr. 1 und 2 BGB). Es gibt mangels Anknüpfungspunkte ferner weder die Möglichkeit zur Heilung eines formellen Fehlers bei der Etablierung der rechtlichen Elternschaft (§ 1598 Abs. 2 BGB) noch zur Anerkennung einer ausländischen Adoption. Die fehlerhafte Eintragung in das Personenstandsregister hat lediglich deklaratorische Wirkung, und die nach § 54 Abs. 1 PStG bestehende Beweiskraft kann durch den Nachweis der Unrichtigkeit der die Geburt betreffenden Angaben erschüttert werden (§ 54 Abs. 3 Satz 1 PStG).49 Auch die nachträgliche, immerhin ex tunc wirkende Etablierung einer entsprechenden Eltern-Kind-Zuordnung kann lediglich in engen Grenzen erfolgen, und das auch nur, wenn alle Beteiligten einverstanden sind. Eine Anerkennung der Vaterschaft bedürfte der Zustimmung der rechtlichen Mutter (§ 1595 Abs. 1 BGB), die realistischerweise nicht ohne Weiteres einzuholen sein wird, oder des volljährig gewordenen Kindes (§ 1595 Abs. 2 BGB) und wäre überdies nur möglich, wenn der genetische Vater verstorben 47 Die Fallkonstellation ist angelehnt an einen von Frank, in: FS Coester-Waltjen (2015), S. 53 (55) geschilderten Fall. 48 Siehe zum gewöhnlichen Aufenthalt von Neugeborenen Wall, StAZ 2022, 133 (134 ff.). 49 Siehe zu den insoweit erforderlichen Anforderungen bereits OLG München StAZ 1978, 37 ff. zu § 60 PStG a.F.

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oder nicht auch der rechtliche Vater ist. Ganz ähnliche Zustimmungsvorbehalte bestehen für eine Adoption nach deutschem Recht (vgl. nur §§ 1746 f., 1768 Abs. 1 BGB). Eine rechtliche Elternschaft, die nur auf dem Willensakt der (Wunsch-)Eltern beruht, kennt das geltende Recht nicht.50 Auch eine wirksame Adoption nach indonesischem Recht ist gerade nicht erfolgt.51 Die fehlende rechtliche Elternschaft steht offensichtlich im Widerspruch zu den Interessen des Kindes an dem Bestand unterhaltsrechtlicher und erbrechtlicher Ansprüche gegenüber denjenigen, die es für seine rechtlichen Eltern gehalten hat. Aber auch das unterhaltsrechtliche Interesse der faktischen Eltern, die das Kind stets wie ein eigenes Kind behandelt und unterstützt haben, könnte mitunter schutzwürdig sein. So liegt der Fall beispielsweise, wenn die Eltern dem Kind die Fälschung des Geburtenregisters offenbaren, das Kind diese faktische Beziehung akzeptiert und auf deren Grundlage Unterhalt entgegennimmt, mit steigendem Alter der Eltern dann aber eigene Unterhaltsleistungen unter Hinweis auf die fehlende rechtliche Elternschaft ablehnt.52 b) Unterhaltsansprüche des Kindes gegen die faktischen Eltern Gesetzliche Unterhaltsansprüche des Kindes gegen seine faktischen Eltern bestehen nicht. Zum Unterhalt verpflichtet sind gemäß § 1601 BGB nur die rechtlichen Eltern.53 In Betracht kommt allenfalls eine analoge Anwendung des gesetzlichen Unterhaltsanspruchs. Hierfür fehlt es aber offensichtlich an der erforderlichen planwidrigen Regelungslücke, hat der Gesetzgeber doch ganz bewusst (und aus gutem Grund) einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch auf rechtliche Verwandtschaftsverhältnisse in gerader Linie begrenzt.54 Vertragliche Ansprüche auf Unterhalt des Kindes gegen die faktischen Eltern sind in diesen und vergleichbaren Sachverhaltskonstellationen hingegen bereits erwogen und teilweise gerichtlich zugesprochen worden. Es ist mithin 50

Coester-Waltjen, JZ 2016, 101 (101). Dafür wäre u.a. die Beteiligung einer Behörde für Kindesfürsorge erforderlich gewesen, vgl. Lewenton, in: Bergmann/Ferid/Henrich, Indonesien (1.12.2019), S. 44. 52 Die insoweit zu berücksichtigende, relativ großzügige Bemessung des Selbstbehalts (vgl. nur BeckOGK-BGB/Haidl [1.8.2022], § 1603 Rn. 292 ff.) führt zwar zu verringerter Praxisrelevanz dieser Konstellation, ändert aber an ihrer dogmatischen Relevanz nichts. 53 Staudinger/Klinkhammer, BGB (2018), § 1601 Rn. 7. 54 Vgl. nur Staudinger/Klinkhammer, BGB (2018), Vorbemerkungen zu §§ 1601–1615n Rn. 29 (mwN aus der Gesetzgebungsgeschichte). Siehe zu einer ähnlichen Diskussion bei sogenannten Frühehen Majer, NZFam 2017, 537 (539 f.) (befürwortend); Makowsky, RabelsZ 83 (2019), 577 (586) (ablehnend). Dort geht es aber um die Behandlung einer unwirksamen Ehe als aufhebbare Ehe in dem speziellen Fall einer Eheschließung unter Beteiligung von Minderjährigen. Die dort teilweise befürwortete Analogie ist also viel konkreter und kann an besondere Regelungszwecke anknüpfen. Das ist bei der allgemeinen Frage der analogen Anwendung des § 1601 BGB auf nur scheinbar familienrechtlich miteinander verbundene Personen anders. 51

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der Frage nachzugehen, ob innerhalb der faktischen Familie auch ohne rechtlich wirksamen Status Unterhaltsansprüche begründet werden können.55 An die Stelle des gesetzlichen tritt dann möglicherweise ein vertraglicher56 Unterhaltsanspruch. aa) Vertrag zwischen faktischem Elternteil und Kind Anders als bei den bekannten Inseminationsfällen, auf die sogleich einzugehen sein wird, war das Kind im Zeitpunkt der elterlichen Vereinbarung bereits gezeugt (und geboren), sodass die faktischen Eltern womöglich mit dem Kind einen Vertrag mit dem Inhalt geschlossen haben könnten (vgl. § 1 BGB), ihm Unterhalt zu gewähren, der sich an dem gesetzlichen Unterhalt nach §§ 1601 ff. BGB orientieren könnte. Das wirft zunächst die vielschichtige Frage auf, welches Sachrecht auf einen solchen Vertrag Anwendung findet beziehungsweise nach welchem Sachrecht sich dessen Wirksamkeit beurteilt. Das Haager Unterhaltsprotokoll (HUP) kommt hier nicht zur Anwendung, weil es sich um eine freiwillige, rechtsgeschäftliche Begründung eines Unterhaltsanspruchs und nicht um die Fixierung oder Konkretisierung eines gesetzlichen Unterhaltsanspruchs handelt.57 Es ist also eine vertragsrechtliche Anknüpfung gemäß Art. 10 EGBGB (Form) sowie Artt. 7, 21 EGBGB beziehungsweise dem vorrangigem58 Kinderschutzübereinkommen (KSÜ) (Geschäftsfähigkeit, Recht der gesetzlichen Stellvertretung) vorzunehmen. Ohne auf die Einzelfragen des IPR näher einzugehen,59 kann hier bereits anhand des deutschen Sachrechts aufgezeigt werden, welche Probleme die Konstruktion eines etwaigen Vertragsschlusses zwischen Kind und faktischen Eltern aufwirft. Ein Vertragsschluss unmittelbar mit dem Kind kommt jedenfalls nach deutschem Sachrecht mangels Geschäftsfähigkeit (§§ 104 Nr. 1, 105 BGB) nicht in Betracht; es bedarf vielmehr einer wirksamen Vertretung des Kindes. Denkbar ist es vor diesem Hintergrund, dass die rechtliche Mutter – etwa anlässlich der Übergabe ihres Kindes in der Klinik – als gesetzliche Vertreterin agierte. Eine Beschränkung der gesetzlichen Vertretung ergibt sich nicht aus dem in § 181 BGB enthaltenen Selbstkontrahierungsverbot, weil die rechtliche Mutter nicht selbst Vertragspartnerin der Unterhaltsvereinbarung werden soll. Es sprechen

55

So Klinkhammer, in: LA Pintens I (2012), S. 753 (753 f.). Siehe Staudinger/Klinkhammer, BGB (2018), § 1601 Rn. 13; MüKo-BGB8/Langeheine, § 1601 Rn. 5. 57 Vgl. nur von Bar/Mankowski, IPR II2, § 1 Rn. 31; MüKo-BGB8/Staudinger, Art. 1 HUP Rn. 35 f. 58 MüKo-BGB8/Helms, Art. 21 EGBGB Rn. 5; BeckOGK-BGB/Markwardt (1.6.2022), Art. 21 EGBGB Rn. 4. 59 Siehe exemplarisch zur Stellvertretung Tschernoster, RNotZ 2017, 125 (146). 56

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aber andere rechtliche und tatsächliche Bedenken gegen einen Vertragsschluss mit dem Kind im Wege der Stellvertretung. Ein naheliegendes abstraktes Schuldversprechen des jeweiligen faktischen Elternteils zugunsten des Kindes gemäß § 780 BGB scheidet bereits wegen der erforderlichen Schriftform aus.60 Nimmt man als Vertragstyp einen Schenkungsvertrag an, wäre der Vertrag ebenfalls formnichtig (§ 518 BGB), was auch nicht durch die erste Zahlung des Unterhalts geheilt werden könnte,61 weil der Unterhaltsanspruch „Tag für Tag neu“ entsteht.62 Das gilt für den vertraglich vereinbarten Unterhalt genauso wie für einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch, weil der vertragliche dem gesetzlichen Leitbild folgt und von den weiteren Voraussetzungen der Leistungsfähigkeit und Bedürftigkeit abhängt; anderenfalls wäre nämlich ein formpflichtiges Leibrentenversprechen gegeben. Eine Unentgeltlichkeit kann ferner nicht daraus resultieren, dass mit der Leistung eine sittliche Pflicht erfüllt werden soll. Das ergibt sich systematisch aus § 534 BGB.63 Zur Vermeidung der Unentgeltlichkeit des schuldrechtlichen Vertrags ist vielmehr erforderlich, dass die Leistung zur Erfüllung einer wirksamen Verpflichtung oder aus einem anderen Rechtsgrund oder für eine Gegenleistung erfolgen soll.64 Man müsste den etwaigen Vertrag zwischen faktischem Elternteil und Kind mithin als einen unterhaltsrechtlichen Vertrag einordnen, der eine Gegenleistung des Kindes, etwa die Verpflichtung zur Leistung von Elternunterhalt, enthält.65 Dann wäre zwar die Form des konkludent geschlossenen Vertrags kein Problem; ein Formerfordernis ergibt sich nämlich nicht schon daraus, dass es sich um einen unterhaltsrechtlichen Vertrag handelt.66 Ein formbedürftiges Leibrentenversprechen liegt auch nicht vor, weil die gegenseitigen Ansprüche von den Kriterien der Leistungsfähigkeit und Bedürftigkeit abhängen und damit nicht gleichbleibend sind.67 Problematisch ist dann aber die Vertretungsmacht der gesetzlichen Vertreterin. Gemäß §§ 1643 Abs. 1, 1822 Nr. 5 BGB bedarf der gesetzliche Vertreter nämlich der familiengerichtlichen Genehmigung bei einem Miet- oder Pachtvertrag oder einem anderen Vertrag, durch den 60

Frank, in: FS Coester-Waltjen (2015), S. 53 (55). Anders aber Rütz, Heterologe Insemination (2008), S. 193 mit Fn. 962. 62 Vgl. Staudinger/Klinkhammer, BGB (2018), Vorbemerkungen zu §§ 1601–1615n Rn. 94. 63 BeckOGK-BGB/Harke (1.7.2022), § 516 Rn. 59. 64 Vgl. BeckOGK-BGB/Harke (1.7.2022), § 516 Rn. 58 ff.; Jauernig/Mansel, BGB18, § 516 Rn. 8 f.; BeckOK-BGB/Gehrlein (1.5.2022), § 516 Rn. 7. 65 Alternativ könnte auch die Einigung über die Unentgeltlichkeit in Anlehnung an die Grundsätze der unbenannten Zuwendungen unter Ehegatten verneint werden, siehe dazu umfassend Jauernig/Mansel, BGB18, § 516 Rn. 20. 66 Staudinger/Klinkhammer, BGB (2018), Vorbemerkungen zu §§ 1601–1615n Rn. 138; BeckOGK-BGB/Selg (1.8.2022), § 1601 Rn. 109. 67 Staudinger/Klinkhammer, BGB (2018), Vorbemerkungen zu §§ 1601–1615n Rn. 138; Holzhauer, in: FS Lukes (1989), S. 673 (676). 61

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das Kind zu wiederkehrenden Leistungen verpflichtet wird, wenn das Vertragsverhältnis länger als ein Jahr nach dem Eintritt der Volljährigkeit des Kindes fortdauern soll. Das wurde zwar beispielsweise bei einer Erklärung eines minderjährigen Vaters verneint, die nach Auffassung des Gerichts eine gesetzlich bestehende Unterhaltspflicht bestätigen sollte.68 Bei der Konstellation des gefälschten Geburtenregisters liegt aber schon keine gesetzliche Unterhaltspflicht vor, die einseitig anerkannt oder konkretisiert werden soll. Ferner betraf der angesprochene Fall eine Anerkennung durch den minderjährigen Vater und nicht, wie hier, das gegenseitige Unterhaltsversprechen gegenüber dem minderjährigen Kind. Bei einer vertraglichen Begründung von Unterhaltsansprüchen, die über gesetzlich bereits bestehende Unterhaltsansprüche hinausgehen, handelt es sich vielmehr um ein Dauerschuldverhältnis i.S. des § 1822 Nr. 5 BGB.69 Insoweit erweist sich der etwaig geschlossene Vertrag – jeweilige Willenserklärungen müssten noch unterstellt werden – jedenfalls als schwebend unwirksam. Der Vertrag kann nur durch nachträgliche Genehmigung des Familiengerichts (§§ 1643 Abs. 3, 1829 Abs. 1 BGB) oder des volljährigen Kindes (§§ 1643 Abs. 3, 1829 Abs. 3 BGB) wirksam werden. Die Konstruktion eines gegenseitigen Vertrags zwischen faktischen Eltern und Kind wäre zwar mit dem Vorteil verbunden, dass damit zugleich die Verpflichtung des Kindes zu Unterhaltsleistungen an die faktischen Eltern begründet werden könnte.70 Allerdings begegnet die Konstruktion rechtlichen Bedenken. Im Wege der Auslegung erscheint es zwar nicht ausgeschlossen, dass die faktischen und die genetischen Eltern über den Weg der Stellvertretung einen gegenseitigen Unterhaltsvertrag zwischen ersteren und dem Kind begründen wollten. Dies dient nämlich gerade der rechtlichen Umsetzung der tatsächlich gewollten faktischen Adoption; das Adoptionsverfahren wurde nur deshalb nicht durchlaufen, weil es mit hohen Anforderungen verbunden war. Allerdings drängt sich der Verdacht der Unwirksamkeit eines solchen Adoptionsvertrags71 auf. Immerhin unterstreicht die Vorschrift des § 1752 Abs. 1 BGB 68 KG NJW 1971, 434 (434 f.); siehe auch BeckOK-BGB/Bettin (1.5.2022), § 1822 Rn. 19; MüKo-BGB8/Kroll-Ludwigs, § 1822 Rn. 39; Jauernig/Budzikiewicz, BGB18, § 1822 Rn. 10; Staudinger/Veit, BGB (2020), § 1822 Rn. 119. 69 Vgl. MüKo-BGB8/Kroll-Ludwigs, § 1822 Rn. 38; Erman/Schulte-Bunert, BGB16, § 1822 Rn. 22; Staudinger/Veit, BGB (2020), § 1822 Rn. 118. 70 Siehe zu dieser Frage noch ausführlich unten, § 8 III 1c). 71 Das hat nichts mit der Anerkennung einer sogenannten Vertragsadoption zu tun. Dort geht es nämlich um die Frage der Anerkennungsfähigkeit einer nach ausländischem Recht wirksam vorgenommenen Kindesannahme. Hier handelt es sich jedoch nicht um eine solche Vertragsadoption nach ausländischem Recht, sondern um eine Umgehung des Adoptionsverfahrens, das auch nach ausländischem Recht hätte durchlaufen werden müssen. Der verwendete Begriff des Adoptionsvertrags meint in diesem Kontext die Vereinbarung zwischen faktischen Eltern und dem (vertretenen) Kind, das Kind unter Umgehung der formalen Adoption in die Obhut der faktischen Eltern zu geben.

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die gesetzgeberische Entscheidung zugunsten des Dekretsystems unter Aufgabe des Vertragssystems.72 Durch den Abschluss eines Adoptionsvertrags wird dieses gesetzliche Verbot zumindest für das Unterhaltsrecht missachtet. Abgesehen von diesen rechtlichen Bedenken erreicht die vorstehende Konstruktion keinen befriedigenden Schutz des Kindes. Der Vertrag kommt schließlich erst durch nachträgliche Genehmigung wirksam zustande. Eine konkludente Genehmigung ist nur durch das Kind denkbar, was wiederum erst ab Eintritt der Volljährigkeit möglich ist. Die Wirksamkeit wird damit in vielen Fällen schlichtweg zu spät kommen. Ferner wird damit das Kind unter Druck gesetzt: Einen Unterhaltsanspruch bekommt es (auch für die Vergangenheit) nur unter der Bedingung, die eigene Unterhaltsverpflichtung gegenüber den faktischen Eltern anzuerkennen. bb) Unterhaltsrechtlicher Vertrag zugunsten des Kindes gemäß § 328 BGB Das rechtsethisch gebotene Ziel, dem Kind einen Anspruch auf Unterhalt gegen die faktischen Eltern zuzusprechen, kann durch die Annahme eines Vertrags zwischen den faktischen Eltern und dem Kind also nicht überzeugend erreicht werden. Womöglich eröffnet aber das Rechtsinstitut des Vertrags zugunsten Dritter (§§ 328 ff. BGB) eine vertragsrechtliche Lösung.73 Die grundsätzliche Idee eines unterhaltsrechtlichen Vertrags zugunsten Dritter entwickelte bereits Dölle im Jahr 1954 im Zusammenhang mit der heterologen Insemination.74 Die Diskussion bezog sich zunächst auf die Konstellation, in der sich ein Ehemann mit der heterologen Insemination seiner Ehefrau einverstanden erklärte, die Ehelichkeit der so gezeugten Kinder später aber erfolgreich angefochten hat. Noch relativ vorsichtig formulierte Dölle, es dürfte oft angenommen werden, dass der konsentierende Ehegatte mit seiner Zustimmung gegenüber der Ehefrau auch die Bereitschaft erkläre, für den Unterhalt des Kindes zu sorgen.75 Diesen Gedanken griff Coester-Waltjen in ihrem für den 54. Deutschen Juristentag angefertigten Gutachten auf, entwickelte ihn inhaltlich weiter und übertrug ihn zudem auf die konsentierte heterologe Insemination unverheirateter Paare, bei denen eine rechtliche Vater-Kind-Zuordnung wegen der absprachewidrigen Weigerung des Mannes, die Vaterschaft des so gezeugten Kindes anzuerkennen, nicht etabliert werden konnte.76

72

MüKo-BGB8/Maurer, § 1752 Rn. 1; BeckOK-BGB/Pöcker (1.5.2022), § 1752 Rn. 1; siehe auch Abramenko, Die vom Annehmenden verschuldete Aufhebung einer Adoption (2000), S. 31 f. 73 Frank, in: FS Coester-Waltjen (2015), S. 53 (55). 74 Dölle, in: FS Rabel I (1954), S. 187 (204). 75 Dölle, in: FS Rabel I (1954), S. 187 (204) („ein Versprechen, dem künftigen Kinde Unterhalt zu leisten“). 76 Coester-Waltjen, Gutachten B zum 56. Deutschen Juristentag (1986), S. B56 f., B77.

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Ausgangspunkt der Überlegung war die kontroverse Annahme eines grundsätzlich unbeschränkten Anfechtungsrechts auch für den Mann, der gemeinsam mit der Frau den Entschluss zur Durchführung einer Insemination gefasst hatte. Der Ausschluss des Anfechtungsrechts oder die Unwirksamkeit der Anfechtung sei auch zur Abwehr missbräuchlicher Anfechtungen nicht erforderlich, wenn mit der Beseitigung des Status nicht zugleich die finanzielle Verantwortung entfalle.77 Diese finanzielle Verantwortlichkeit des konsentierenden Ehemanns ergebe sich aus einem mit der Ehefrau geschlossenen Vertrag zugunsten des so gezeugten Kindes. Ein solcher „Vertrag sui generis“ werde in der Regel durch eine formlose Einigung geschlossen, die wiederum dem Konsens der Ehegatten, ein Kind im Wege der heterologen Insemination zu zeugen, zu entnehmen sei.78 Das soll nach Coester-Waltjen auch gelten, wenn der Ehegatte sein Einverständnis mit der ausdrücklichen Ablehnung etwaiger Unterhaltspflichten gegenüber dem Kind verbindet, weil diese Einschränkung als protestatio facto contraria unwirksam sei – der Ehegatte müsse sich gegen die Zeugung als solche aussprechen.79 Argumentativ hebt Coester-Waltjen insoweit entscheidend darauf ab, dass die Einwilligung conditio sine qua non für die Zeugung des Kindes gewesen sei.80 Höhere Anforderungen müssten aber an das Einverständnis des nicht mit der Mutter verheirateten Mannes gestellt werden. Erforderlich sei ein „klares Ja zu dem Kind“.81 Der Bundesgerichtshof folgte im Grundsatz dem von Coester-Waltjen geprägten und auch in der Rechtsprechung82 mitunter vertretenen Ansatz und stellte in einem Urteil vom 3. Mai 1995 fest, dass eine Vereinbarung zwischen Eheleuten, mit welcher der Ehemann sein Einverständnis zu einer heterologen Insemination erteilt, regelmäßig einen von familienrechtlichen Besonderheiten geprägten berechtigenden Vertrag zugunsten des aus der heterologen Insemination hervorgehenden Kindes enthält. Aus diesem ergebe sich für den Ehe-

77 Coester-Waltjen, Gutachten B zum 56. Deutschen Juristentag (1986), S. B54; vgl. auch dies., FamRZ 1984, 230 (232 f.). 78 Coester-Waltjen, Gutachten B zum 56. Deutschen Juristentag (1986), S. B56. 79 Coester-Waltjen, Gutachten B zum 56. Deutschen Juristentag (1986), S. B57; besonders kritisch Holzhauer, FamRZ 1986, 1162 (1164). 80 Siehe ausführlich Coester-Waltjen, Gutachten B zum 56. Deutschen Juristentag (1986), S. B57; dies., FamRZ 1984, 230 (234); so auch Wellenhofer, FamRZ 2013, 825 (828). 81 Coester-Waltjen, Gutachten B zum 56. Deutschen Juristentag (1986), S. B77. 82 LG Duisburg FamRZ 1987, 197 (198) (mAnm Coester-Waltjen); LG Zwickau NJW 1995, 787 (787); aber zu Unrecht von Wanitzek, Rechtliche Elternschaft (2002), S. 267 mit Fn. 407 als bestätigendes Urteil eingeordnet: OLG Celle NJW 1992, 1516 f.; a.A. aber OLG Hamm NJW 1994, 2424 (2425), das einen vertraglichen Unterhaltsanspruch für schon „im Ansatz konstruiert“ hält und befürwortet, ein kindesinteressengerechtes Ergebnis durch den Ausschluss der Anfechtungsmöglichkeit zu erreichen.

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mann die Pflicht gegenüber dem Kind, für dessen Unterhalt auch nach erfolgreicher Ehelichkeitsanfechtung wie ein ehelicher Vater zu sorgen.83 Diese Rechtsprechung übertrug der Bundesgerichtshof im Jahr 2015 – ganz im Sinne Coester-Waltjens – auch auf die Konstellation unverheirateter Paare, die sich gemeinschaftlich für die Zeugung eines Kindes im Wege der Fremdinsemination entschieden haben.84 Der unverheiratete Mann, der sich mit einer heterologen Insemination seiner Lebensgefährtin einverstanden erkläre, bringe einen entsprechenden Rechtsbindungswillen zum Ausdruck. Erkennt dieser konsentierende Mann das Kind im Nachhinein absprachewidrig nicht an, könne eine rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung i.S. des § 1601 BGB zwar nicht etabliert werden.85 Die Unterhaltspflicht ergibt sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aber aus dem mit der Mutter des Kindes konkludent geschlossenen Vertrag zugunsten des Kindes.86 Bei genauerer Betrachtung der Inseminationskonstellationen wird die Zielsetzung eines solchen unterhaltsrechtlichen Vertrags zugunsten Dritter offenbar: Es geht darum, die Mutter und vor allem das Kind vor dem unlauteren Gebaren eines Mannes zu schützen, der entgegen seiner Zusage die rechtliche Vaterschaft für das durch konsentierte heterologe Insemination gezeugte Kind nicht anerkennt oder, was früher (scil. vor Einführung des Anfechtungsausschlusses gemäß § 1600 Abs. 4 BGB im Jahr 2002)87 möglich war,88 die kraft Ehe etablierte Vaterschaft anficht.89 Die dahinter stehende Wertung hat vor allem den Verursachungsbeitrag des konsentierenden Mannes im Blick: Die Zeugung des Kindes im Wege konsentierter Insemination hängt mehr noch als bei

83

BGH FamRZ 1995, 861 ff.; siehe auch die Parallelentscheidung vom selben Tag, FamRZ 1995, 865 f. 84 BGH FamRZ 2015, 2134 ff. (mAnm Wellenhofer); siehe auch Keuter, FamRZ 2016, 945 (946 f.) sowie die Anmerkungen von Schwonberg, FF 2016, 281 ff. und Coester-Waltjen, JZ 2016, 101 ff.; so schon dies., Gutachten B zum 56. Deutschen Juristentag (1986), S. B77; kritisch Löhnig/Runge-Rannow, NJW 2015, 3757 (3758) („kritikwürdiges Comeback [der Zahlvaterschaft] auf schuldrechtlichem Fundament“). Das OLG Brandenburg hat diese Rechtsprechung inzwischen auch auf gleichgeschlechtliche Partnerschaften angewendet, OLG Brandenburg NZFam 2021, 424 (424) (mAnm Reinken). 85 Siehe nur MüKo-BGB8/Langeheine, § 1601 Rn. 7. 86 BGH FamRZ 2015, 2134 (2135) (mAnm Wellenhofer). 87 Eingeführt als Abs. 2 durch das Gesetz zur weiteren Verbesserung von Kinderrechten (Kinderrechteverbesserungsgesetz – KindRVerbG) vom 9.4.2002, BGBl I, Nr. 23, S. 1239 ff. 88 Vgl. zur früheren Rechtslage nur Coester-Waltjen, Gutachten B zum 56. Deutschen Juristentag (1986), S. B49 f. 89 Natürlich kann auch die unlautere Mutter die Etablierung der rechtlichen Vaterschaft im Wege der Anerkennung verhindern, etwa durch Verweigerung ihrer gemäß § 1595 Abs. 1 BGB erforderlichen Zustimmung, vgl. Helms, FuR 1996, 178 (189).

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natürlicher Zeugung von seinem Willen ab.90 Gerade weil die gesetzliche Unterhaltspflicht an die (vermutete) genetische Abstammung anknüpfe, die im Fall der heterologen Insemination bekanntermaßen nicht gegeben sei, könne die Zustimmung des Mannes aus der Sicht der Frau nur dahingehend verstanden werden, „daß er eine Unterhaltspflicht unabhängig davon übernehmen wollte, ob die gesetzliche Unterhaltspflicht […] (fort-)bestehen würde“.91 Diese Rechtsprechung wurde aus zwei unterschiedlichen Richtungen kritisiert. Einige bemängelten die vertragliche Konstruktion als zu weitgehend zulasten des Mannes, weil sie keine präventiven Schutzmechanismen bereithalte, die eine umfassende Aufklärung des konsentierenden Mannes gewährleisteten oder eine hinreichende Warnfunktion erfüllten. Das sei im Vergleich zu der gesetzlich geregelten Vaterschaftsanerkennung oder der Adoption nicht überzeugend.92 Auch der Bundesgerichtshof hat diesen Zustand zwar „als unbefriedigend empfunden“, ihn aber hingenommen, damit die Lösung nicht darin bestehe, demjenigen, der einen entscheidenden Beitrag zur Zeugung des Kindes durch Insemination geleistet hat, die Möglichkeit einzuräumen, sich seiner Verantwortung für das Kind zu entziehen.93 Die Konstruktion eines schuldrechtlichen Ausgleichs verfolgte zudem gerade eine Abmilderung der Konsequenzen der vom XII. Zivilsenat befürworteten Zulässigkeit einer Vaterschaftsanfechtung nach konsentierter heterologer Insemination.94 Vor der Einführung des gesetzlichen Anfechtungsausschlusses wurden nämlich die Möglichkeiten eines rechtsgeschäftlichen Anfechtungsverzichts sowie eine Versagung des Anfechtungsrechts wegen Rechtsmissbrauchs in Literatur und Rechtsprechung lebhaft diskutiert.95 Insbesondere nach umfassender Aufklärung

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So schon Coester-Waltjen, Gutachten B zum 56. Deutschen Juristentag (1986), S. B57; dies aufgreifend auch BGH FamRZ 1995, 861 (862); siehe ferner Löhnig/Runge-Rannow, NJW 2015, 3757 (3758); Helms, Gutachten F zum 71. Deutschen Juristentag (2016), S. F13. 91 BGH FamRZ 1995, 861 (862). 92 Marian, Die Rechtsstellung des Samenspenders (1998), S. 75; vgl. auch Mansees, Das Erbrecht des Kindes (1991), S. 101 f. 93 BGH FamRZ 1995, 861 (863). 94 Spickhoff, in: FS Schwab (2005), S. 923 (925); ders., AcP 197 (1997), 398 (406) ausdrücklich BGH FamRZ 1995, 1272 (1274) („Die Revision weist zu Recht darauf hin, daß er damit Verantwortung für das Kind übernommen hat. Deshalb hat der Senat bereits entschieden, daß in einem solchen Falle die Unterhaltspflicht des Ehemannes für das Kind nicht ohne weiteres endet, wenn in einem Statusverfahren die Nichtehelichkeit des Kindes festgestellt worden ist“). 95 Vgl. Spickhoff, in: FS Schwab (2005), S. 923 (925) (mwN); ebenfalls einen Anfechtungsausschluss der vertraglichen Unterhaltskonstruktion vorziehend Holzhauer, FamRZ 1986, 1162 (1164); Helms, FuR 1996, 178 (189); siehe auch umfassend Marian, Die Rechtsstellung des Samenspenders (1998), S. 60 ff. (mit zahlreichen Nachweisen); vorsichtiger Giesen, in: FS Hegnauer (1986), S. 55 (67); früh bereits Dölle, in: FS Rabel I (1954), S. 187 (202); siehe auch Röthel, in: FS Karsten Schmidt II (2019), S. 273 (276).

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über Bedeutung und Tragweite der Einwilligung in die heterologe Insemination wurde der Rechtsmissbrauchseinwand von einigen Autoren anerkannt.96 Der Bundesgerichtshof verteidigte letztlich aber seine Rechtsprechungslinie, wonach weder ein vorgeburtlich erklärter Anfechtungsverzicht wirksam noch die wider Erwarten erklärte Anfechtung ohne Weiteres rechtsmissbräuchlich sei.97 Die Lösung über den Vertrag zugunsten Dritter wurde deshalb von anderen auch als zu zögerlich kritisiert; die vom Bundesgerichtshof postulierte Elternverantwortung müsse über das finanzielle Interesse des Kindes hinaus Berücksichtigung finden.98 Es ist mithin bereits an dieser Stelle99 zu konstatieren, dass die Konstruktion des unterhaltsrechtlichen Vertrags zugunsten Dritter nicht nur ein Festhalten des Mannes an der von ihm übernommenen Verantwortung bedeutet. Es handelt sich vielmehr um einen dogmatischen Ausweg im Wege richterlicher Rechtsfortbildung, um die faktische Verantwortungsübernahme aus dem Statusrecht herauszuhalten und gleichzeitig die damit verbundene Ungerechtigkeit schuldrechtlich auszugleichen.100 Der Gesetzgeber hielt endlich im Jahr 1999 den Ausschluss des Anfechtungsrechts des Vaters eines im Wege der heterologen Insemination gezeugten Kindes für „rechtsethisch erforderlich“, weil sich das Paar bewusst für die Zeugung des Kindes entschieden habe.101 Die Lösung über die Versagung des An-

96

Zimmermann, DNotZ 1996, 790 (791 ff.) (mwN); siehe Marian, Die Rechtsstellung des Samenspenders (1998), S. 70. 97 BGH FamRZ 1995, 1272 (1272 f.); siehe auch die Entscheidung des IX. Zivilsenats, NJW 1983, 2073 ff.; kritisch Wanitzek, Rechtliche Elternschaft (2002), S. 275 ff. sowie Marian, Die Rechtsstellung des Samenspenders (1998), S. 75 f.; Helms, FuR 1996, 178 (189); besonders kritisch Giesen, JZ 1983, 552 ff. („Das Urteil überzeugt jedoch weder in seiner Begründung noch in seinem Ergebnis“ und „verrät keinerlei Gespür für die Besonderheiten ihres Gegenstandes“). 98 Vor allem Letzteres führte zu erheblicher Kritik an der Auffassung des BGH, ein Anfechtungsausschluss nach § 242 BGB komme grundsätzlich nicht in Betracht, siehe nur Spickhoff, in: FS Schwab (2005), S. 923 (926) (mit zahlreichen Nachweisen in Fn. 20) sowie Wanitzek, Rechtliche Elternschaft (2002), S. 276 f., die vor allem die Reduzierung der vom konsentierenden Mann übernommenen Elternverantwortung auf die finanzielle Dimension kritisiert. Das werde dem Eltern-Kind-Verhältnis als gegenseitiges Dauerschuldverhältnis nicht gerecht. Ähnlich auch Wolf, FuR 1998, 392 (394); Marian, Die Rechtsstellung des Samenspenders (1998), S. 75 f.; OLG Hamm NJW 1994, 2424 (2425 f.). 99 Siehe zur Bewertung noch ausführlich unten, § 8 III 1b) bb) (9) und 1f). 100 Coester-Waltjen, Gutachten B zum 56. Deutschen Juristentag (1986), S. B57 ff. verweist insoweit auf die unterschiedlichen Interessen im Statusrecht und im Unterhaltsrecht; siehe zu dieser Aufspaltung auch ausdrücklich BGH NJW 1983, 2073 (2075); skeptisch gegenüber einer vom Status losgelösten Unterhaltspflicht Klinkhammer, in: LA Pintens I (2012), S. 753 ff. 101 Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Verbesserung von Kinderrechten (Kinderrechteverbesserungsgesetz – KindRVerbG) vom 11.11.1999, BT-Drs. 14/2096, S. 7.

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fechtungsrechts, die bei den Inseminationsfällen verheirateter Paare überzeugend gewesen wäre, wurde damit im Gesetz verankert (Anfechtungsausschluss, § 1600 Abs. 4 BGB102) und ein Rückgriff auf § 242 BGB ist insofern nicht mehr erforderlich. Für die Fälle nicht verheirateter Paare hat die Einführung des § 1600 Abs. 4 BGB jedoch mangels Etablierung rechtlicher Elternschaft qua Gesetz keine Lösung gebracht,103 und auch für den hier diskutierten Ausgangsfall hilft weder das eine noch das andere, weil es darum geht, einen Status positiv zu begründen, und nicht darum, den Bestand eines rechtlichen Status zu verteidigen. Insoweit vermag das Rechtsinstitut des Vertrags zugunsten Dritter weiterhin Abhilfe zu schaffen. (1) Dogmatische Grundlegung So selbstverständlich heute der Vertrag zugunsten Dritter104 als Rechtsinstitut anerkannt wird,105 so unzweifelhaft galt nach klassischem römischen Recht der Grundsatz, dass ein Vertrag keine Rechte für einen Dritten begründen kann (alteri stipulari nemo potest).106 Die rechtshistorische Entwicklung vollzog sich wie so oft in mehreren Etappen und in den jeweiligen geographischen Gebieten recht unterschiedlich. Es handelt sich keinesfalls um eine lineare Entwicklung. Sie kann und muss für die gutgläubig gelebten Eltern-Kind-Verhältnisse nicht im Einzelnen nachvollzogen werden.107 Vielmehr ist an jeweils geeigneter Stelle auf die rechtshistorische Wurzel zurückzugreifen. In Bezug auf einen unterhaltsrechtlichen Vertrag zugunsten Dritter ist einleitend aber zumindest hervorzuheben, dass diese Konstellationen nicht Anlass

102 Eingeführt als § 1600 Abs. 2 BGB durch das Gesetz zur weiteren Verbesserung von Kinderrechten (Kinderrechteverbesserungsgesetz – KindRVerbG) vom 9.4.2002, BGBl I, Nr. 23, S. 1239 f.; vgl. zur Gesetzgebungsgeschichte Spickhoff, in: FS Schwab (2005), S. 923 (924 ff.); kritisch Hager, in: FS Schwab (2005), S. 773 (779 f.). 103 Siehe kritisch insoweit Hager, in: FS Schwab (2005), S. 773 (780). 104 Gleichbedeutend auch „Vertrag zu Rechten Dritter“, vgl. nur Soergel/Hadding, BGB13, § 328 Rn. 4; mitunter auch „berechtigend[e] Verträg[e] auf Leistung an Dritte“, vgl. Hellwig, Die Verträge auf Leistung an Dritte (1899), S. 43. 105 Siehe nur Soergel/Hadding, BGB13, § 328 Rn. 22. 106 Siehe Soergel/Hadding, BGB13, Vor § 328 Rn. 1; Wesenberg, Verträge zugunsten Dritter (1949), S. 6, 8 ff., 17 f.; siehe zur späteren Entwicklung nach römischem Recht Hellwig, Die Verträge auf Leistung an Dritte (1899), S. 1 ff. sowie Bayer, Der Vertrag zugunsten Dritter (1995), S. 6 ff. 107 Siehe ausführlich zur Dogmengeschichte Bayer, Der Vertrag zugunsten Dritter (1995), S. 5–128; Wesenberg, Verträge zugunsten Dritter (1949), passim.

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der allgemeinen Entwicklung des Rechtsinstituts waren. Dogmengeschichtliche Relevanz wird vor allem Versicherungs-,108 Leibrenten- und Gutsübernahmeverträgen zugesprochen.109 Erst später traten neben diese Versorgungsverträge andere Vertragstypen als Verträge zugunsten Dritter. Eine Unterhaltsvereinbarung als Vertrag zugunsten Dritter war im Jahr 1842 beispielsweise Gegenstand einer Entscheidung des Oberappellationsgerichts (OAG) zu Kiel:110 Es geht um einen Anspruch der Klägerin gegen den Ehemann ihrer Mutter. Die Klägerin wird vor der Eheschließung ihrer Mutter mit dem Beklagten als uneheliches Kind geboren. Bei Eingehung der Ehe vereinbaren die Prätendenten, „daß er von ihrem Vermögen 1000 Mark an die Klägerin herausgebe und von ihrem 14. Jahre an mit 4 Procent verzinse“. Im Gegenzug soll ihm die Alimentation der Klägerin nicht zur Last fallen. Die Parteien streiten über die Auszahlung rückständiger Zinsen für die letzten zehn Jahre, und es kommt auf die Frage an, ob die Klägerin aus der zwischen den Eheleuten getroffenen Vereinbarung ein eigenes Forderungsrecht erworben hat.111 Das OAG Kiel hält die Klage für begründet. Ausgehend von der altrömischen Regel alteri stipulari nemo potest sieht das Gericht eine ausnahmsweise Wirksamkeit der Abrede darin begründet, dass der Beklagte, also der Versprechende, ein eigenes Interesse an der vereinbarten Drittleistung hatte (die Freistellung von der Erziehungspflicht und der zunächst unverzinsliche Gebrauch der 1000 Mark) und auch die Mutter der Klägerin das eigene Interesse verfolgte, die Versorgung ihres unehelichen Kindes zu sichern.112 Die Abrede verleihe dem Dritten auch ein eigenes Recht. Der für diese Annahme erforderliche besondere Grund ergebe sich bereits aus dem Gesetz. Danach habe ein Dritter gegen jemanden, dem etwas mit der Auflage geschenkt wurde dasselbe nach einiger Zeit diesem Drittem herauszugeben, gegen den Beschenkten eine actio utilis auf Herausgabe des geschenkten Gegenstands.113 Das OAG Kiel folgt damit dogmatisch einem römischrechtlichen Ansatz, legt das Interesse des Versprechenden aber weit aus und vertritt mithin die sogenannte Zessionstheorie.114 Inhaltlich stellt es entscheidend auf das Interesse der Vertragschließenden ab und sucht eine sachliche Rechtfertigung, um ein Forderungsrecht eines 108 Wesenberg, Verträge zugunsten Dritter (1949), S. 123 sieht in der Entwicklung von Versicherungsverträgen „den eigentlichen Anstoß zu immer neuen Erörterungen des Problems der Verträge zugunsten Dritter“. 109 Wesenberg, Verträge zugunsten Dritter (1949), S. 134, deutlich auch auf S. 137. 110 OAG Kiel vom 26.1.1842, abgedruckt bei Busch, Doctrin und Praxis (1860), S. 136 ff., Nr. XLIV. 111 Siehe zum Ganzen OAG Kiel vom 26.1.1842, in: Busch, Doctrin und Praxis (1860), S. 136. 112 OAG Kiel vom 26.1.1842, in: Busch, Doctrin und Praxis (1860), S. 136 f. 113 OAG Kiel vom 26.1.1842, in: Busch, Doctrin und Praxis (1860), S. 137 f. 114 Bayer, Der Vertrag zugunsten Dritter (1995), S. 72 (mwN auch zu der damals gegenläufigen Lehre und Gerichtsentscheidungen, S. 72 ff.).

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Dritten ausnahmsweise entgegen dem Dogma alteri stipulari nemo potest zuzulassen. Das Bürgerliche Gesetzbuch folgte mit der in den §§ 328 ff. BGB kodifizierten Regelungssystematik bekanntermaßen der Zessionstheorie nicht und erklärte den Parteiwillen zur obersten Richtschnur für die Frage nach Existenz und Umfang eines eigenen Forderungsrechts für den Dritten.115 Unterhaltsvereinbarungen wurden auch unter der Geltung des Bürgerlichen Gesetzbuchs zunächst nur vereinzelt als Vertrag zugunsten Dritter erkannt und diskutiert. Beispielsweise für den Fall, dass Eheleute sich zur Zahlung eines in der Höhe über die gesetzliche Verpflichtung hinausgehenden Unterhalts verpflichteten oder nichteheliche Paare Abreden über den Unterhalt für gemeinsame Kinder trafen.116 Im Übrigen waren „Unterhaltsverträge zugunsten der Kinder […] der Praxis so gut wie unbekannt“.117 Mittlerweile ist die Rechtsfigur des Vertrags zugunsten Dritter weit verbreitet und in den unterschiedlichsten Kontexten anzutreffen;118 eine Fixierung auf wenige „Grundmuster“ erscheint kaum mehr möglich zu sein.119 Dieser mannigfaltigen DNA eines Vertrags zugunsten Dritter zum Trotz ist das dogmatische Gerüst stets dasselbe: Ein Vertrag zugunsten Dritter besteht aus drei voneinander zu trennenden Rechtsverhältnissen. Grundlage der vertraglichen Beziehungen ist das sogenannte Deckungsverhältnis120 zwischen Versprechendem (auch Schuldner) und Versprechungsempfängerin (auch Gläubigerin). Ursprünglich ging es regelmäßig darum, dass sich der Versprechende gegenüber der Gläubigerin verpflichtet, eine Leistung an eine dritte Person vorzunehmen, die eine solche der Gläubigerin sein soll:121 Die indirekte Leistung der Versprechensempfängerin wird vom Versprechenden erbracht, und die Leistung findet ihren Anhaltspunkt im Deckungsverhältnis.122 Eine Verpflichtung der 115

Vgl. ausführlich Bayer, Der Vertrag zugunsten Dritter (1995), S. 108 ff. Bayer, Der Vertrag zugunsten Dritter (1995), S. 145 (mwN). Dabei war vor allem streitig, ob die Vereinbarung lediglich im Innenverhältnis wirken oder dem Kind einen eigenen Anspruch verleihen sollte. 117 Gernhuber/Coester-Waltjen, FamR4, § 26 III 3, S. 302 im Kontext von Scheidungsverträgen. 118 Siehe nur die Aufzählung bei BeckOGK-BGB/Mäsch (1.7.2022), § 328 Rn. 82 ff. 119 Vgl. Gernhuber, Das Schuldverhältnis (1989), § 20 I 2b, S. 468. 120 Medicus/Lorenz, SchuldR I22, § 63 Rn. 6; Larenz, SchuldR AT I14, § 17 Ib, S. 224; Gernhuber, Das Schuldverhältnis (1989), § 20 II 2, S. 478; Soergel/Hadding, BGB13, § 328 Rn. 17; BeckOK-BGB/Janoschek (1.5.2022), § 328 Rn. 7. 121 Vgl. Hellwig, Die Verträge auf Leistung an Dritte (1899), S. 43 („Die Leistung, welche der Versprechende zusagt, sagt er dem Stipulanten zu; indem er sie dem Dritten macht, wirkt dies im Verhältnis jener Personen gerade so, als hätte er sie dem Stipulanten gemacht; […]“); siehe zu den Funktionen der „Versorgung“ und der „abgekürzten Leistung“ MüKoBGB9/Gottwald, § 328 Rn. 10. 122 Siehe Hellwig, Die Verträge auf Leistung an Dritte (1899), S. 53; vgl. auch Soergel/Hadding, BGB13, § 328 Rn. 20. 116

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Versprechensempfängerin gegenüber dem Dritten ist zwar nach geltendem Recht nicht konstitutiv für den Vertrag zugunsten Dritter.123 Es wird noch nicht mal ein erkennbares Eigeninteresse der Versprechensempfängerin gefordert;124 dieses Interesse kann allenfalls bei der Auslegung der Willenserklärung des Versprechenden virulent werden.125 Allerdings ist die Rechtsgrundlage für die Leistung des Versprechenden an den Dritten dem Deckungsverhältnis zu entnehmen.126 Anders als bei einer Stellvertretung wollen die Vertragsparteien sich unabhängig von einer Genehmigung oder Zustimmung der dritten Person verpflichten.127 Es muss mit anderen Worten ein Kausalverhältnis zwischen Versprechendem und Versprechensempfängerin gewollt sein. Das Verhältnis zwischen Gläubigerin und Drittem wird hingegen als Valutaverhältnis bezeichnet. Dieses bildet den eigentlichen Rechtsgrund der Leistung – in ihr liegt die causa für das Behaltendürfen der Leistung durch den Dritten gegenüber der Versprechensempfängerin.128 Das Valutaverhältnis ist typischerweise der Anlass für den Abschluss eines Vertrags zugunsten Dritter.129 Bereits der Begriff des Valutaverhältnisses unterstreicht, dass es um eine Wertbewegung im Verhältnis zwischen Versprechensempfängerin und Drittem geht. Deckungsverhältnis und Valutaverhältnis sind ferner voneinander unabhängig.130 Auch eine etwaige Formunwirksamkeit dieses Valutavertrags hat auf die Verpflichtung des Versprechenden keinen Einfluss. Lediglich die Versprechungsempfängerin kann im Fall eines unwirksamen Valutaverhältnisses von dem Dritten bereicherungsrechtlich zurückfordern. Die Beziehung zwischen Versprechendem und Drittem ist das sogenannte Vollzugsverhältnis,131

123

Staudinger/Klumpp, BGB (2020), Vorbemerkungen zu §§ 328 ff. Rn. 8. Staudinger/Klumpp, BGB (2020), Vorbemerkungen zu §§ 328 ff. Rn. 27 ff.; auf ein solches Erfordernis wurde bereits in der 1. Kommission verzichtet, vgl. nur Bayer, Der Vertrag zugunsten Dritter (1995), S. 114. 125 Staudinger/Klumpp, BGB (2020), Vorbemerkungen zu §§ 328 ff. Rn. 29. 126 BeckOK-BGB/Janoschek (1.5.2022), § 328 Rn. 7. 127 Hellwig, Die Verträge auf Leistung an Dritte (1899), S. 49. 128 BeckOK-BGB/Janoschek (1.5.2022), § 328 Rn. 8. 129 BeckOK-BGB/Janoschek (1.5.2022), § 328 Rn. 8; Soergel/Hadding, BGB13, § 328 Rn. 21. 130 Staudinger/Klumpp, BGB (2020), § 328 Rn. 18; Medicus/Lorenz, SchuldR I21, § 63 Rn. 21; BeckOK-BGB/Janoschek (1.5.2022), § 328 Rn. 8. 131 BeckOK-BGB/Janoschek (1.5.2022), § 328 Rn. 9; Soergel/Hadding, BGB13, § 328 Rn. 20. 124

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wobei im Einzelnen umstritten ist, ob es sich um ein vertragsähnliches Verhältnis,132 ein Vertragsverhältnis im weiteren Sinne133 oder eine besonders gelagerte Gläubigermehrheit134 handelt. Es drängt sich schon auf den ersten Blick auf, dass die Konstellation des gefälschten Geburtenregisters hier nicht recht passen will (das Gleiche gilt im Übrigen auch für die Inseminationsfälle). So müssten zwei Verträge angenommen werden, in denen sich die faktischen Eltern jeweils gegenseitig und gegenüber dem jeweils anderen Teil zur Alimentation des Kindes verpflichten. Diese Rechtsverhältnisse ergeben sich jedenfalls nicht ohne Weiteres. In der Sache geht es nämlich um die rechtliche Konstruktion einer ethisch als gerecht empfundenen Pflicht des Mannes zur Wahrnehmung seiner finanziellen Verantwortung gegenüber dem Kind und damit um eine bipolare Rechtsbeziehung. Die Zahlung des Mannes soll seine eigene Leistung und nicht die seiner Frau sein. Es ist insbesondere keine Leistungspflicht der Frau, die der Mann für sie gegenüber dem Kind erfüllen soll. Auch tangiert die Unterhaltszahlung zuvörderst das Interesse des Kindes, das Dritter ist. Ein Valutaverhältnis zwischen dem jeweils anderen Elternteil und dem Kind erscheint hier also gekünstelt; denkbar ist insoweit eine Schenkung von Unterhalt oder – bei den Inseminationsfällen – die eigene gesetzliche Unterhaltspflicht der Mutter gegenüber dem Kind (§ 1601 BGB), die bei einer Fälschung des Geburtenregisters aber mangels rechtlicher Mutterschaft nicht besteht. Es kommt hinzu, dass dieses Valutaverhältnis den Rechtsgrund für das Behaltendürfen des Kindes gegenüber dem Elternteil, der das Versprechen empfängt, darstellt. Im Falle einer Unwirksamkeit des Valutaverhältnisses bliebe zwar der versprechende faktische Elternteil gegenüber dem Kind verpflichtet. Der andere könnte aber bereicherungsrechtlich die Leistung vom Kind zurückverlangen. Das wurde bisher deshalb nicht virulent, weil der empfangende faktische Elternteil sich weiterhin zu dem Kind bekannte und vom anderen Teil Leistung an das Kind verlangte. Bei zusammenwirkenden faktischen Eltern stellt sich das Problem indes, worauf noch einzugehen sein wird.135 Es sind folgerichtig, anders als bei streitigen Elternverhältnissen, zwei Verträge zugunsten des Kindes erforderlich: Einerseits verspricht die Frau dem Mann die Alimentation des Kindes und andererseits vice versa. Sie sind damit jeweils Versprechender und Versprechensempfängerin. Es existieren dann auch zwei Valutaverhältnisse.

132 Staudinger/Klumpp, BGB (2020), § 328 Rn. 25; BeckOK-BGB/Janoschek (1.5.2022), § 328 Rn. 9; MüKo-BGB9/Gottwald, § 328 Rn. 31. Siehe auch Larenz, SchuldR AT I14, § 17 Ib, S. 221. 133 Vgl. Soergel/Hadding, BGB13, § 328 Rn. 16, 14. 134 Raab, Austauschverträge mit Drittbeteiligung (1999), S. 480; siehe auch Gernhuber, Das Schuldverhältnis (1989), § 20 II 3, S. 479 f. 135 Siehe unten, § 8 III 1b) bb) (6).

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Über diese dogmatischen Bedenken täuscht die Annahme eines „von familienrechtlichen Besonderheiten geprägten berechtigenden Vertrag[es]“136 etwas hinweg. Bei Lichte betrachtet liegen jeweils im Wege der Stellvertretung mit dem Kind geschlossene Verträge näher, was aber aus den aufgezeigten Rechtsgründen nicht möglich ist.137 Die Konstruktion eines Vertrags zugunsten des Kindes unter Bezugnahme auf einen von familienrechtlichen Besonderheiten geprägten Vertrag löst dieses schuldrechtliche Dilemma auf. Die Konstruktion ist dabei weitgehend anerkannt, und es ist auch, wie aufgezeigt, kein eigenes Interesse der Versprechensempfängerin an der Drittleistung erforderlich. Es kann davon ausgegangen werden, dass eine besondere familienrechtlich geprägte Rechtsbeziehung zwischen den Beteiligten gegeben ist, die die Annahme eines drittbegünstigenden Vertrags rechtfertigen. Dagegen ist an sich nichts einzuwenden. Einer genauen Prüfung bedarf es aber in jedem Einzelfall, ob tatsächlich ein entsprechender Rechtsbindungswille vorliegt, welche Formvorschriften zu beachten sind, wie der Vertrag im Einzelnen zustande kommt und wieweit die dadurch erzielte Bindungswirkung reicht. Nachfolgend sollen Schwachstellen dieses Lösungswegs aufgezeigt und diskutiert werden. (2) Der Vertragsschluss im Deckungsverhältnis Überträgt man die Idee des unterhaltsrechtlichen Vertrags zugunsten des Kindes trotz der aufgezeigten dogmatischen Bedenken auf den Fall des gefälschten Geburtenregisters, stellt sich primär die Frage nach einem übereinstimmenden Rechtsbindungswillen der faktischen Eltern. Dieser muss auf den Abschluss eines gegenseitigen Vertrags gerichtet sein, durch welchen sich beide gegenseitig verpflichten, für das Kind wie ein eigenes zu sorgen. Ferner muss der übereinstimmende Wille darauf gerichtet sein, dem Kind jeweils ein eigenes Forderungsrecht zu gewähren. Die – soweit ersichtlich – einzige veröffentlichte Entscheidung aus der Rechtsprechung zu dem Themenkreis gefälschter Geburtenregister nimmt einen gegenseitigen Rechtsbindungswillen der Beteiligten ohne Weiteres an. Das Oberlandesgericht Bremen, später vom Bundesgerichtshof bestätigt,138 hat im Verhalten der faktischen Eltern einen konkludenten Abschluss eines Vertrags zugunsten des Kindes gemäß § 328 BGB erblickt.139 Das Paar habe eine einverständliche Entscheidung getroffen, das Kind zu sich zu nehmen und wie ein eigenes groß zu ziehen. Ferner hätten sie – insbesondere durch Veranlassung der Eintragung in das Geburtenbuch (jetzt Geburtenregister, vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 PStG) – nach außen den Eindruck erweckt, dass das Kind von ihnen abstamme. Der Senat hebt argumentativ zwei Aspekte hervor, um die 136

BGH FamRZ 1995, 861 (861) (1. Leitsatz). Vgl. auch Schwonberg, FF 2016, 281 (287). 138 BGH FamRZ 1995, 995. 139 OLG Bremen FamRZ 1995, 1291 ff., bestätigt von BGH FamRZ 1995, 995. 137

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Annahme, es hätten jeweils kongruente Willenserklärungen und damit vor allem ein gegenseitiger Verpflichtungswille im Zeitpunkt der Annahme des Kindes vorgelegen, zu untermauern: die Schutzwürdigkeit des Kindes140 und die Dauer des Zusammenlebens als Familie.141 So sei die „Dauer des Zusammenlebens als Familie (5 ½ Jahre)“ geeignet gewesen, „das Vertrauen der Parteien in das beiderseitige Einstehenwollen wie ein ehel. Elternteil zu verstärken“.142 Ohne Weiteres sprechen diese Gesichtspunkte ex post für einen gegenseitigen Verpflichtungswillen dahingehend, für das Kind sowohl in guten als auch in schlechten Zeiten finanziell Sorge zu tragen. Beide Gesichtspunkte bestätigen das gefundene Ergebnis allerdings nur. Dafür, dass das Paar durch Mitnahme des Kindes nach Deutschland gegenseitige schuldrechtliche Verpflichtungen eingehen wollte, können sie allein nicht streiten. Es kommt vielmehr darauf an, im Wege der Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln, wie ernst es den faktischen Eltern war und ob sie eine Situation herbeiführen wollten, die unterhaltsrechtlich einer Adoption faktisch entspricht. Womöglich kam es ihnen gerade darauf an, keinerlei Verpflichtungen zu übernehmen. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist der Vertragsschluss und nicht eine spätere Entwicklung.143 Das würde nicht bedeuten, sie von jeglicher Verantwortung zu befreien; die Annahme eines gegenseitigen Rechtsbindungswillens ist dann aber jedenfalls zweifelhaft.144 Der Unterschied zu den Inseminationsfällen liegt hier vor allem in dem Fehlen einer konkreten Erklärung der Parteien, die Gegenstand der Auslegung ist. Bei den Sachverhalten der künstlichen Befruchtung wurde in den Entscheidungsgründen ganz wesentlich auf die Vereinbarung abgehoben, die die Beteiligten mit der jeweiligen Geburtsklinik getroffen haben.145 Bei diesen Vereinbarungen handelte es sich um schriftliche Klauseln, die ausführlich den gemeinsamen Willen des Paares dokumentierten, „das durch die therapeutische Befruchtung entstehende Kind in jeder Beziehung […] als ihr eheliches Kind anzusehen und zu erziehen […]“.146 Auch enthielt die Vereinbarung einen (unwirksamen) Anfechtungsverzicht. An solche ausdrücklichen Erklärungen 140 OLG Bremen FamRZ 1995, 1291 (1292) („Sie haben gleichzeitig beschlossen, das Kind aus dem Land und dem Kulturkreis, in die es hineingeboren war, herauszunehmen, ihm einen deutschen Vornamen gegeben und es damit in eine Abhängigkeit von sich gebracht, wie sie größer kaum vorstellbar ist“). 141 OLG Bremen FamRZ 1995, 1291 (1292). 142 OLG Bremen FamRZ 1995, 1291 (1292). 143 OLG Karlsruhe FamRZ 2012, 1150 (1152). 144 Insoweit pragmatisch Coester-Waltjen, Gutachten B zum 56. Deutschen Juristentag (1986), S. B57, B77, die einen solchen Willen als venire contra factum proprium wertet und damit für unbeachtlich hält. 145 BGH FamRZ 1995, 861 (862); 2015, 2134 (2134) (mAnm Wellenhofer); vgl. auch Wellenhofer, FamRZ 2013, 825 (828). 146 BGH FamRZ 1995, 861 (861); 1995, 865 (865), wo es eine schriftliche Vereinbarung gab, deren genauer Text aber nicht mehr bekannt war.

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konnte eine Auslegung anknüpfen, um den darin (scil. der Vereinbarung) enthaltenen Abschluss eines Vertrags zugunsten des Kindes zu begründen; ohne eine entsprechende Einverständniserklärung kann ein Rechtsbindungswille indes kaum hergeleitet werden.147 Und bereits bei dieser Sachverhaltslage wurden Zweifel am Vorliegen entsprechender Willenserklärungen geäußert.148 Die gleichen Bedenken bestehen auch – und mangels formeller Erklärung erst recht – bei gefälschten Geburtseinträgen. Viel stärker noch als bei den Inseminationsfällen steht hier der Verdacht einer Willensfiktion im Raum. Wahrscheinlich hebt das Oberlandesgericht Bremen auch deshalb in seiner weiteren Begründung darauf ab, dass die faktischen Eltern nur wegen der strengen Anforderungen auf ein Adoptionsverfahren verzichtet hätten, und unterstreicht, dass der faktische Vater nicht nur einen Kinderwunsch der Frau unterstützen, sondern auch selbst Verantwortung für das Kind übernehmen wollte. Es kommt also in erster Linie auf den Rechtsbindungswillen der faktischen Eltern und erst in zweiter Reihe auf die Schutzbedürftigkeit und die zeitliche Dauer des Zusammenlebens als Familie an.149 Der Bundesgerichtshof stellt im Übrigen auf die Abreden der Parteien ab, ohne diese konkret zu benennen.150 Er geht damit offenbar mit dem Oberlandesgericht davon aus, dass die faktischen Eltern eine Vereinbarung über die Annahme des Kindes getroffen haben, die konkludent zugleich das gegenseitige Versprechen enthielt, für das Kind unterhaltsrechtlich wie für ein eigenes (rechtliches) zu sorgen. Wie die Vereinbarung zwischen den faktischen Eltern lautete und welchen Inhalt sie hatte, ist mangels einer schriftlichen Erklärung schwer festzustellen. Es wird kaum eine andere Möglichkeit bestehen, als aus dem Verhalten der faktischen Eltern auf eine entsprechende Übereinkunft zu schließen und dieser Übereinkunft, noch einen Schritt weitergehend, den beiderseitigen Willen zu entnehmen, dem anderen Teil die Versorgung des Kindes zu versprechen. Das steht im Widerspruch zu der im Zusammenhang mit den Inseminationsfällen erhobenen Forderung, dass an ein konkludentes Unterhaltsversprechen hohe Anforderungen zu stellen sind.151 Diese Vorgehensweise dürfte wie bei der heterologen Insemination nicht unumstritten sein. 147 Siehe OLG Karlsruhe FamRZ 2014, 313 (314), das allein die Kenntnis von der Durchführung einer heterologen Insemination und ein späteres Anerkenntnis der Vaterschaft für nicht ausreichend hält, um einen vertraglichen Unterhaltsanspruch zu begründen. 148 Mansees, Das Erbrecht des Kindes (1991), S. 102 („Überstrapazierung der Zustimmungserklärung“); siehe auch Helms, FuR 1996, 178 (189) sowie Schwonberg, FF 2016, 281 (283). 149 Staudinger/Klinkhammer, BGB (2018), Vorbemerkungen zu §§ 1601–1615n Rn. 139. 150 BGH FamRZ 1995, 995 (995). 151 Spickhoff, in: FS Schwab (2005), S. 923 (931); a.A. Coester-Waltjen, Gutachten B zum 56. Deutschen Juristentag (1986), S. B57, B77 (Es könne von der Übernahme finanzieller Verantwortung für das Kind ausgegangen werden, soweit der Mann „nicht gegen die Zeugung protestiert“).

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Dennoch ist die Annahme eines gegenseitigen Rechtsbindungswillens, der auf den Abschluss eines von familienrechtlichen Besonderheiten geprägten Vertrags zugunsten des Kindes gerichtet ist, wertungsmäßig naheliegend.152 Während bei einer heterologen Insemination das Kind erst noch gezeugt werden soll, existierte im Beispielsfall das Kind bereits, als das Paar das Kind als eigenes annahm. Damit war das Bedürfnis, für das Kind Unterhalt zu leisten, unzweifelhaft und für die Beteiligten erkennbar. Ferner trafen die faktischen Eltern die übereinstimmende Vereinbarung, mit dem Kind gemeinsam als Familie in Deutschland zu leben. Ein Anknüpfungspunkt für übereinstimmende Willenserklärungen ist mithin gegeben und dieser geht ferner – angesichts der Herausnahme des Kindes aus seinem kulturellen und familiären Umfeld und die damit verbundene Abhängigkeit des Kindes von den faktischen Eltern – in seiner Intensität auch spürbar über eine konventionelle Vaterschaftsanerkennung, die in der Rechtsprechungspraxis mitunter als unzureichend für einen Vertragsschluss gehalten wird,153 hinaus. Ohne Bedenken kann ferner angenommen werden, dass die Beteiligten gemeinsam handeln und sich auch davor schützen wollten, dass der andere Teil sie mit dem Kind und dessen Fürsorge allein lässt. Ein gegenseitiger Wille, für das Kind zu sorgen, liegt damit nicht nur im Interesse des Kindes, sondern auch im Interesse des jeweiligen faktischen Elternteils. Dieses Interesse ist, wie aufgezeigt, für die Auslegung der konkludenten Erklärung maßgeblich heranzuziehen. Auch steht dem Kind ein eigenes Forderungsrecht zu. Das wird selten einmal von den Vertragsparteien ausdrücklich erklärt, ergibt sich aber gemäß § 328 Abs. 2 BGB aus dem Parteiwillen154 und dem Sinn und Zweck des konkreten Vertrags.155 Bei der Auslegung der Parteierklärungen kommt es ausschließlich auf das Deckungsverhältnis an und nicht auch auf Erklärungen gegenüber anderen Personen.156 Es braucht also nicht ermittelt zu werden, was das Paar dem Chefarzt oder dem Kind gegenüber erklärte. Auf eine Zustimmung des Kindes kommt es im Übrigen auch nicht an.157 Ein eigenes Forderungsrecht kann vielmehr angenommen werden, wenn ein überwiegendes Drittinteresse besteht, wohinter das Interesse der Versprechensempfängerin 152

So auch Frank, in: FS Coester-Waltjen (2015), S. 53 (55). OLG Karlsruhe FamRZ 2014, 313 (314). 154 Siehe Bayer, Der Vertrag zugunsten Dritter (1995), S. 133. 155 von Caemmerer, in: FS Wieacker (1978), S. 311 (321). 156 Bayer, Der Vertrag zugunsten Dritter (1995), S. 134. 157 BeckOGK-BGB/Mäsch (1.7.2022), § 328 Rn. 15; auch sonst bedarf es zum Rechtserwerb des Dritten dessen Beteiligung nicht, siehe Raab, Austauschverträge mit Drittbeteiligung (1999), S. 458 (mwN) sowie Gernhuber, Das Schuldverhältnis (1989), § 20 I 3, S. 468. Vgl. aber zur sogenannten Akzeptanztheorie und zu einer korrigierenden Auslegung des § 328 BGB Soergel/Hadding, BGB13, Vor § 328 Rn. 13 ff.; kritisch aber Raab, Austauschverträge mit Drittbeteiligung (1999), S. 459 ff.; Staudinger/Klumpp, BGB (2020), Vorbemerkungen zu §§ 328 ff. Rn. 24; Larenz, SchuldR AT I14, § 17 Ia, S. 218. 153

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zurücktritt.158 Hier bestehen jeweils unentgeltliche Valutaverhältnisse, was für ein überwiegendes Interesse des Kindes streitet. Das wird ferner durch die zweckgerichtete Wahrnehmung des Drittinteresses gestützt: Es geht primär um die Absicherung des Kindes, die am effektivsten durch ein eigenes Forderungsrecht des Kindes erreicht wird. Die Argumentation des Oberlandesgerichts Bremen mit der Schutzwürdigkeit des Kindes und dem zeitlichen Element stellt sich demgegenüber als ergebnisorientiert dar und zeigt, dass die Annahme eines schuldrechtlichen Vertrags zugunsten des Kindes in Wirklichkeit ein (zulässiger) „Kunstgriff“159 ist. Diese Wertungen, die hinter der Annahme konkludenter Willenserklärungen stehen, sind unverkennbar von dem Gedanken des Vertrauensschutzes geprägt, und die Entscheidungsgründe sind entsprechend eingefärbt. Die Erkennbarkeit steht eher im Vordergrund als das Wollen. Es ist nichts Neues, dass ein für richtig gehaltenes Ergebnis durch die Konstruktion eines Vertrags zugunsten Dritter unter der Prämisse eines „im Grunde fiktiven Parteiwillen[s]“ zu erreichen gesucht wird.160 So hat etwa Gernhuber prägnant formuliert: „Das Recht der Drittwirkung ist […] ein geradezu klassisches Repertoire aller Tugenden und Laster, die Richterrecht auszeichnen können, […]“.161 Das ist, wie aufgezeigt, methodisch zulässig, handelt es sich doch um eine ergänzende Vertragsauslegung oder zumindest um richterliche Rechtsfortbildung.162 Dies wurde generell für den Vertrag zugunsten Dritter zwar bereits bei der Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuchs bemängelt,163 der Gesetzgeber hat sich aber dennoch für eine wertungsoffene Ausgestaltung entschieden. Insoweit lässt sich auch formulieren, dass die Rechtsprechung eine „Willensfiktion“164 zugrunde legt, um ein rechtsethisch als gerecht empfundenes Ergebnis zu erreichen, ohne den rechtlichen Status der Eltern-Kind-Zuordnung zu begründen. Röthel erkennt darin sogar ein „neue[s] Paradigma intentionaler Elternverantwortung“165 und deutet damit in die entscheidende Richtung: Das Problem stellt sich eigentlich im Statusrecht, und die fehlende Unterhaltspflicht ist eine Folge der statusorientierten Ausgestaltung des Unterhaltsrechts. Die Lösung könnte womöglich besser ebenfalls im Statusrecht liegen. Will man diesen Schritt nicht wagen, bleibt die schuldrechtliche Lösung: Das Paar

158

Siehe ausführlich Bayer, Der Vertrag zugunsten Dritter (1995), S. 135 ff. Frank, in: FS Coester-Waltjen (2015), S. 53 (60). 160 Vgl. Wesenberg, Verträge zugunsten Dritter (1949), S. 139 ff. 161 Gernhuber, Das Schuldverhältnis (1989), § 19 II 2, S. 463. 162 Zimmermann, DNotZ 1996, 790 (793 ff.) zu den Inseminationsfällen. 163 Bayer, Der Vertrag zugunsten Dritter (1995), S. 120 f. 164 Im Kontext der Insemination: Röthel, in: FS Karsten Schmidt II (2019), S. 273 (275). 165 Röthel, in: FS Karsten Schmidt II (2019), S. 273 (276). 159

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hat im Ergebnis einen echten166 unterhaltrechtlichen Vertrag zugunsten des Kindes geschlossen. (3) Die Vertragsschließenden Genauere Betrachtung verdient ferner die Frage, wer jeweils konkret Vertragspartner beziehungsweise Vertragspartnerin wird. Bisher wurde unterstellt, dass der Vertragsschluss durch das Paar erfolgt, das das Kind zu sich nimmt. Diese Annahme erweist sich aber in dem Fall als problematisch, in dem eine einzelne Person beschließt, eine solche faktische Annahme vorzunehmen. Ein echter Vertrag zugunsten Dritter ist kein eigener Vertragstypus, sondern vielmehr eine Möglichkeit der Vertragsgestaltung und eine vom Gesetz ausdrücklich zugelassene Durchbrechung des Grundsatzes der Relativität der Schuldverhältnisse.167 Die begünstigte Person ist mithin nicht selbst Vertragspartnerin des Versprechenden.168 Das Kind scheidet mithin als Vertragspartner aus, und der genetische Elternteil und die Geburtsklinik beziehungsweise der im Beispielsfall unterstützende Chefarzt, verbleiben als denkbares vertragliches Gegenüber. Der genetische Elternteil könnte ein gesteigertes Interesse an der gesicherten Versorgung seines Kindes haben, die er durch den Vertragsschluss mit der Person, die das Kind annimmt, sicherstellen will. Insoweit müsste man indes von der Vereinbarung zwischen faktischem Elternteil und genetischem Elternteil auf eine entsprechende vertragliche Vereinbarung schließen. Das ist deshalb im Einzelfall schwierig, weil der genetische Elternteil regelmäßig unbekannt sein wird. Das Gleiche gilt für die Abrede der Beteiligten. Bei dieser Sachverhaltsvariante tritt die Willensfiktion noch deutlicher zutage. (4) Formerfordernis Auch die Frage, ob der unterhaltsrechtliche Vertrag zugunsten Dritter ein bestimmtes Formerfordernis erfüllen muss, lässt sich nicht überzeugend nur mit einem Verweis auf die Abwesenheit gesetzlicher Vorgaben beantworten. Über das Bestehen eines Formerfordernisses des echten Vertrags zugunsten Dritter entscheidet allein das Deckungsverhältnis. Eine besondere Formbedürftigkeit resultiert nicht schon daraus, dass ein Dritter berechtigt werden soll.169 Ebenso 166 Kritisch zur terminologischen Unterscheidung „echt“ und „unecht“ Hellwig, Die Verträge auf Leistung an Dritte (1899), S. 42. 167 BeckOGK-BGB/Mäsch (1.7.2022), § 328 Rn. 1, 8; MüKo-BGB9/Gottwald, § 328 Rn. 4, 20; Staudinger/Klumpp, BGB (2020), Vorbemerkungen zu §§ 328 ff. Rn. 8. 168 Vgl. nur BeckOGK-BGB/Mäsch (1.7.2022), § 328 Rn. 20. 169 Ganz h.M., siehe nur BeckOGK-BGB/Mäsch (1.7.2022), § 328 Rn. 25; MüKoBGB9/Gottwald, § 328 Rn. 27; Staudinger/Klumpp, BGB (2020), § 328 Rn. 53; Erman/Bayer, BGB16, § 328 Rn. 34 sowie bereits Gernhuber, Das Schuldverhältnis (1989), § 20 III 2, S. 481.

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hat eine etwaige Formbedürftigkeit des Valutaverhältnisses – in dem zu beurteilenden Fall liegt ja eine formpflichtige Schenkung (§ 518 BGB) nahe – auf die formellen Voraussetzungen des Vertrags zwischen Versprechendem und Versprechensempfängerin keinen Einfluss. Ein gesetzliches Formerfordernis könnte sich ergeben, wenn der im Deckungsverhältnis geschlossene Vertrag eine Leibrentenvereinbarung oder eine unentgeltliche Zuwendung darstellte. Ersteres scheidet offensichtlich aus, weil der Leibrentenvertrag anders als ein (vertraglicher) Unterhaltsanspruch weder von der Bedürftigkeit noch von der Leistungsfähigkeit der Beteiligten abhängt und einer Anpassung an veränderte Verhältnisse nicht zugänglich ist.170 Letzteres liegt prima facie nahe, ist aber unter Berücksichtigung der gegenseitigen Verpflichtung abzulehnen. Vielmehr ist die besondere familienrechtliche Verbindung der Rechtsgrund für die jeweilige Leistung.171 Unter Berücksichtigung des mit einem Formerfordernis intendierten Übereilungsschutzes bleibt aber ein Unbehagen. Ausgehend von der Erkenntnis, dass der Übereilungsschutz sich stets auf das pflichtenbegründende Rechtsgeschäft bezieht,172 könnte angenommen werden, dass der von familienrechtlichen Besonderheiten geprägte Vertrag so weitreichende Rechtsfolgen begründet, dass auch hier – ähnlich wie bei einer Adoption – ein Bedürfnis nach einer hinreichenden Warnfunktion besteht.173 Sowohl eine analoge Anwendung des § 761 BGB als auch des § 1750 Abs. 1 Satz 2 BGB könnten insoweit in Betracht zu ziehen sein. Bei den Inseminationsfällen greifen diese Überlegungen weniger Platz, weil die Übereilungssituation, vor der die Formstrenge schützen soll, bei einer künstlichen Befruchtung erst durch die formfreie Erklärung selbst geschaffen wird.174 Vor allem stellt die Einwilligung in die heterologe Insemination ein Äquivalent zum natürlichen Zeugungsakt dar, sodass eine fehlende besondere Formvorschrift konsequent erscheint. Die Zuhilfenahme der Reproduktionsmedizin ist ferner an besondere verfahrensrechtliche Voraussetzungen gebunden, und eine Entscheidung eines Paares zur Durchführung einer heterologen Insemination wird regelmäßig gut überlegt sein.175 Zusätzlich haben die behandelnden Personen ärztliche Aufklärungspflichten zu befolgen, die berufsrechtlich abgesichert sind.176 170 Staudinger/Klinkhammer, BGB (2018), Vorbemerkungen zu §§ 1601–1615n Rn. 138; BGH FamRZ 2015, 2134 (2136) (mAnm Wellenhofer). 171 Coester-Waltjen, Gutachten B zum 56. Deutschen Juristentag (1986), S. B56. 172 Staudinger/Klumpp, BGB (2020), § 328 Rn. 53. 173 Vgl. Schwonberg, FF 2016, 281 (284). 174 Coester-Waltjen, JZ 2016, 101 (102). 175 In diese Richtung auch Löhnig/Runge-Rannow, NJW 2015, 3757 (3759); energisch Giesen, JZ 1983, 552 (552). 176 Vgl. beispielsweise die Richtlinie der Bundesärztekammer zur Entnahme und Übertragung von menschlichen Keimzellen im Rahmen der assistierten Reproduktion, S. A 4 ff.

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Der Fall des gefälschten Geburtenregisters stellt sich mit Blick auf den erforderlichen Übereilungsschutz ganz anders dar als die Inseminationsfälle. Vergleichbar ist er vielmehr mit einer fehlgeschlagenen Adoption oder einer Vaterschaftsanerkennung, wo die Situation, die nicht voreilig und unüberlegt herbeigeführt werden soll, nur durch den formellen Akt entstehen und nicht wie bei der konsentierten Insemination auch ohne Einhaltung der Form eintreten kann. Der Übereilungsschutz hat hier mithin einen höheren Stellenwert.177 Der Bundesgerichtshof hat die Zweifel im Hinblick auf die Warnfunktion bei der Insemination erkannt, sie letztlich aber unter Betonung des entscheidenden Beitrags des Mannes zur Zeugung des Kindes abgemildert.178 Das greift bei Sachverhaltskonstellationen, die mit einer Adoption vergleichbar sind, aber nicht durch, was der Bundesgerichtshof sogar selbst andeutet.179 Bedauerlicherweise geht der Senat in seinem Urteil zum gefälschten Geburtenbuch180 (jetzt Geburtenregister, vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 PStG) darauf mit keinem Wort ein. Um die unterhaltsrechtliche Lösung über den Vertrag zugunsten Dritter zu erreichen, muss an dieser Stelle der Hinweis auf den besonderen Verursachungsbeitrag der faktischen Eltern genügen. Insoweit sind erneut die Gerechtigkeitserwägungen unverkennbar, welche der Entscheidung maßgeblich zugrunde liegen. Unstreitig ist das Ergebnis der Formfreiheit damit jedenfalls nicht. (5) Anpassung gemäß § 313 BGB Ist ein Vertrag einmal geschlossen, ist er in der Regel verbindlich und kann zumindest einseitig nicht wieder aufgehoben werden (pacta sunt servanda). Das Institut der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) eröffnet hingegen eine gesetzlich vorgesehene Möglichkeit, den Vertrag im Nachhinein ausnahmsweise anzupassen oder aufzuheben. Bei den Inseminationsfällen haben diejenigen, die im Wege eines unterhaltsrechtlichen Vertrags zugunsten Dritter zu Unterhaltszahlungen verpflichtet wurden, regelmäßig versucht, sich auf dieses Rechtsinstitut zu berufen. So haben sie geltend gemacht, dass das Unterhaltsversprechen nur auf der Grundlage einer intakten Beziehung mit der Mutter oder einer bestehenden rechtlichen Vaterschaft erfolgt und mit der Auflö(Nr. 2), abrufbar unter: https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/pdf-Ordner/RL/Ass-Reproduktion_Richtlinie.pdf (zuletzt: 6.9.2022). Siehe aber zum fehlenden Einfluss einer unterbliebenen Aufklärung auf die Wirksamkeit der Zustimmung i.S. des § 1600 Abs. 4 BGB BeckOGK-BGB/Reuß (1.8.2022), § 1600 Rn. 110. 177 Das deutet auch Coester-Waltjen, JZ 2016, 101 (102) an. 178 BGH FamRZ 1995, 861 (863); siehe zuletzt auch BGH FamRZ 2015, 2134 (2136) (mAnm Wellenhofer) mit dem Hinweis auf die vom Gesetzgeber bewusst getroffene Entscheidung, die Zustimmung nach § 1600 Abs. 4 BGB formfrei auszugestalten. 179 BGH FamRZ 2015, 2134 (2136) (mAnm Wellenhofer). 180 BGH FamRZ 1995, 995.

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sung der Ehe beziehungsweise der Aufhebung der rechtlichen Vaterschaft hinfällig sei.181 Der Bundesgerichtshof hat das nur für den Fall gelten lassen, in dem das Kind (vertreten durch die Mutter) von seinem Anfechtungsrecht182 Gebrauch gemacht und sich damit selbst von der rechtlichen Vaterschaft abgewendet hatte.183 Dann sei der Wegfall der Geschäftsgrundlage (Auflösung der rechtlichen Vaterschaft) nämlich auf den Entschluss des Kindes und nicht auf eine eigene Handlung des verpflichteten Mannes zurückzuführen. Dem Mann, der weiterhin entsprechend der Geschäftsgrundlage – die darin bestehe, die Beziehung zwischen Vater und Kind so wie bei einer genetischen Vaterschaft auszugestalten – handeln wolle, sei nach Treu und Glauben nicht zuzumuten, lediglich als sogenannter Zahlvater in Anspruch genommen zu werden.184 Der Mann hingegen, der selbst die Beziehung zu dem Kind beendet, könne sich nicht auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen.185 Dahinter steht der allgemeingültige Gedanke, dass sich die Person, die die veränderten Umstände selbst veranlasst hat, nicht auf die Veränderung berufen kann.186 Bei den Fällen der gefälschten Geburtenregistern besteht gleichermaßen die Möglichkeit, dass sich ein Elternteil von der vertraglich übernommenen Verpflichtung lossagt, wenn und weil die Paarbeziehung sich nicht wie gewünscht entwickelt. Insoweit überzeugt die Argumentation des Bundgerichtshofs, wonach es nicht das Scheitern der Paarbeziehung ist, in welcher die Störung der Geschäftsgrundlage gesehen werden kann, sondern die Aufkündigung der rechtlichen Elternschaft und die damit verbundene Beseitigung der Beziehung zwischen Mann und Kind.187 Ferner ist die im Rahmen der Erörterung des Vertragsschlusses getroffene Feststellung zu berücksichtigen, dass die faktischen Eltern auch das Interesse verfolgten, sich vertraglich gegenseitig davor zu schützen, dass der eine Teil den anderen mit dem Kind und seinen finanziellen

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BGH FamRZ 1995, 861 (864); 1995, 865 (865). Siehe ausführlich zu diesem Aspekt BeckOGK-BGB/Selg (1.8.2022), § 1601 Rn. 121 f., die auf die Möglichkeit eines angemessenen Ausgleichs hinweist und insoweit auch die Fälle, die den Tatbestand des § 1611 BGB erfüllen, berücksichtigen will. Siehe zu § 1611 BGB aber noch unten, § 8 III 1b) bb) (7). 182 Das Anfechtungsrecht des Kindes ist auch bei konsentierter heterologer Insemination nicht ausgeschlossen, vgl. § 1600 Abs. 4 BGB; siehe nur Roth, DNotZ 2003, 805 (816 ff.). 183 BGH FamRZ 1995, 865 (865 f.); siehe ähnlich auch OLG Hamm NJW 1994, 2424 (2425) sowie bereits Coester-Waltjen, Gutachten B zum 56. Deutschen Juristentag (1986), S. B63; allgemein kritisch Helms, FuR 1996, 178 (189) („Notnagel“). 184 BGH FamRZ 1995, 865 (866); vgl. auch zustimmend OLG Karlsruhe FamRZ 2014, 313 (314). 185 BGH FamRZ 1995, 861 (864). 186 Vgl. Grüneberg/Grüneberg, BGB81, § 313 Rn. 22, 24; MüKo-BGB9/Finkenhauer, § 313 Rn. 75; BGH FamRZ 1995, 861 (864) (mwN); NJW 2011, 989 (991); siehe auch Wanitzek, Rechtliche Elternschaft (2002), S. 274. 187 BGH FamRZ 1995, 861 (864).

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Bedürfnissen allein lässt.188 Damit ist die Annahme unvereinbar, die faktischen Eltern hätten eine intakte Paarbeziehung zur Geschäftsgrundlage erhoben. An eine Vertragsaufhebung gemäß § 313 BGB kann aber auch dann gedacht werden, wenn sich das Kind wider Erwarten von den faktischen Eltern lossagt. Es fällt zwar anders als bei einer Anfechtung eine rechtliche Vaterschaft nicht weg. Diese hat nämlich ohnehin nie existiert. Allerdings erfüllt sich nicht die tatsächliche Erwartung der faktischen Eltern, mit dem Kind wie mit einem eigenen und als Familie mit gegenseitigen Rechten und Pflichten zusammenzuleben, und diese Entwicklung geht entscheidend von dem Kind aus. Ähnlich argumentierte der Bundesgerichtshof in den Inseminationsfällen, um den Wegfall der Unterhaltspflicht des redlichen Mannes zu begründen. Fraglich ist, ob dies übertragen werden kann: Zunächst könnte das Risiko unerwarteter Entwicklung den faktischen Eltern zuzumuten sein, weil sie sich schließlich selbst und ganz bewusst dafür entschieden haben, ein Kind zu sich zu nehmen, ohne eine rechtliche Elternschaft zu etablieren. Das gilt jedenfalls so lange, wie das Kind schutzwürdig und der Bruch der Beziehung zwischen faktischen Eltern und Kind auf Erstere zurückzuführen ist. Dann wäre es den faktischen Eltern nach Treu und Glauben189 nicht unzumutbar, am Vertrag festgehalten zu werden. Es fehlt, wenn man so will, mit der rechtlichen Elternschaft der Bezugspunkt für einen Vertrauensschutz der faktischen Eltern. Wenn das mit den Umständen vertraute Kind aber den ernsthaften Willen äußert, von den faktischen Eltern, die sich um das Kind stets wie um ein eigenes gekümmert haben, nichts mehr wissen zu wollen, und sich von ihnen abwendet, könnte das Begehren des Kindes auf den weiteren Unterhaltsbezug womöglich abweichend zu bewerten sein. Die so gelagerte Konstellation erinnert an die Anfechtung des Kindes, das im Wege heterologer Insemination gezeugt und dessen Vaterschaft kraft Ehe oder Anerkennung etabliert wurde. Dem Kind wird ein Anfechtungsrecht eingeräumt, das innerhalb von zwei Jahren ab Kenntnis ausgeübt werden kann, wobei die Frist mit Eintritt der Volljährigkeit neu beginnt.190 Entscheidet sich das Kind gegen die (rechtliche) Elternschaft, verliert es grundsätzlich auch seine gesetzlichen Unterhaltsansprüche. Die vertraglichen Ansprüche hat der Bundesgerichtshof, wie gesehen, an § 313 BGB scheitern lassen. Wertungsmäßig lässt sich das gleiche Ergebnis im Fall des gefälschten Geburtenregisters erreichen, wenn die faktischen Eltern als Geschäftsgrundlage des Vertrags zugunsten Dritter erklären, dass das Kind sich nicht in ernsthafter Weise von ihnen abwendet. Durch das Kriterium der Ernsthaftigkeit wäre sichergestellt, 188

Siehe oben, § 8 III 1b) bb) (1); siehe auch OLG Bremen FamRZ 1995, 1291 (1292). Vgl. zum Zusammenhang mit der Unzumutbarkeit BeckOGK-BGB/Martens (1.7.2022), § 313 Rn. 120. 190 Mehrheitlich kritisch insoweit Arbeitskreis Abstammungsrecht, Abschlussbericht (2017), S. 50, 63. 189

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dass auch das Alter und die Einsichtsfähigkeit des Kindes zu berücksichtigen sind. Der Wegfall des Unterhalts wirkte ex nunc,191 und die Entscheidung des Kindes wäre damit nicht durch ein etwaiges Rückforderungsverlangen der faktischen Eltern beeinflusst. Aber auch hier lässt sich dasselbe einwenden wie gegen das nicht ausgeschlossene Anfechtungsrecht des Kindes nach konsentierter heterologer Insemination: Eine sozial-familiäre Eltern-Kind-Beziehung verdient Schutz.192 Entscheidend ist darüber hinaus: Eine Lossagung des (volljährigen) Kindes von seinen Eltern ist bei rechtlicher und genetischer Elternschaft gleichermaßen möglich und führt dort nicht zu einem Wegfall der Unterhaltsverpflichtung der Eltern; die Unterhaltspflicht fällt lediglich in den engen Grenzen des § 1611 BGB weg, woran indes hohe Anforderungen zu stellen sind.193 Die faktischen Eltern wären bei einer Umgehung des Adoptionsverfahrens also besser gestellt als bei rechtstreuem Verhalten. Anders als in den Inseminationsfällen geht es hier zudem um beide faktischen Eltern des Kindes, womit dieses regelmäßig alle unterhaltspflichtigen Bezugspersonen verlöre, wenn man den faktischen Eltern den Rekurs auf die gestörte Geschäftsgrundlage erlaubte. Bei dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall ging es um eine Anfechtung, die die Mutter in Vertretung des Kindes erklärte. Vor diesem besonderen Hintergrund ist die Annahme einer nicht zumutbaren reinen Zahlvaterschaft zu betrachten. Eine Aufhebung des Vertrags gemäß § 313 BGB scheidet bei dem gefälschten Geburtenregister mithin grundsätzlich aus. Das Ergebnis ist aber nicht zwingend und vor allem abhängig von den Umständen des Einzelfalls. Insbesondere, wenn das Kind seine genetischen Eltern ausfindig machen und mit diesen zusammenleben kann, wird die Frage womöglich anders zu beantworten sein. Wichtig und für den Untersuchungszweck ausreichend ist hier jedoch zu konstatieren, dass das allgemeine Schuldrecht mit dem Institut der gestörten Geschäftsgrundlage ein wertungsoffenes Instrument bereithält, um das im Wege eines Vertrags zugunsten Dritter konstruierte Ergebnis im Einzelfall zu korrigieren und weiter auszudifferenzieren. Dabei geht es stets um eine Willensfiktion und das Erreichen eines interessengerech-

191 Vgl. BeckOK-BGB/Lorenz (1.5.2022), § 313 Rn. 92; vgl. auch Erman/Böttcher, BGB16, § 313 Rn. 44b. 192 Für den Ausschluss des Anfechtungsrechts wird angeführt, dass das faktische Band Schutz verdiene und die rechtliche Wunschfamilie „unumstößlich“ sein solle, vgl. Helms, in: Ehe, Familie, Abstammung (2010), S. 49 (63); kritisch aber Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts (2018), S. 404 ff., der ein unbeschränktes Anfechtungsrecht des Kindes befürwortet. Der Familienfrieden sei ohnehin gestört, wenn das Kind die Vaterschaft ernsthaft und endgültig anfechten wolle, vgl. S. 405; für einen Ausschluss des Anfechtungsrechts ferner Arbeitskreis Abstammungsrecht, Abschlussbericht (2017), S. 16, 31 (These 9). 193 Vgl. die Kasuistik bei Jauernig/Budzikiewicz, BGB18, § 1611 Rn. 2 ff.

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ten Ergebnisses unter umfassender Würdigung aller Umstände des Einzelfalls.194 Ein Vorgang, dem Überzeugungskraft und Angemessenheit nicht abgesprochen werden soll, der sich aber auch dem Vorwurf konstruiert zu sein nicht gänzlich zu entziehen vermag.195 (6) Übereinstimmende Vertragsaufhebung Über die Möglichkeit einer Vertragsanpassung gemäß § 313 BGB hinaus stellt sich die Frage, ob die Vertragsparteien den Vertrag nicht schlichtweg durch einvernehmliche Erklärung wieder aufheben können. Dies ist hier deshalb interessant, weil anders als bei den vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fällen die faktischen Eltern, also die Vertragsparteien, zusammenwirken. Jedenfalls bei bipolaren Rechtsverhältnissen steht der Vertragsabschlussfreiheit eine Vertragsaufhebungsfreiheit gegenüber. Wieweit aber letztere im Gefüge eines echten Vertrags zugunsten Dritter angenommen werden kann, ist eine Frage, die schon diskutiert wurde, als über die Dogmatik des Rechtsinstituts noch keine Einigkeit erzielt worden war. Die Vorschläge reichten von einer strikten Unwiderruflichkeit196 bis zur freien Widerruflichkeit, solange der Dritte das Forderungsrecht noch nicht angenommen habe.197 Das Bürgerliche Gesetzbuch überlässt die Frage der privatautonomen Ausgestaltung den Parteien.198 Danach besteht grundsätzlich die (zu vereinbarende) Möglichkeit, auch einen Vertrag zugunsten Dritter jederzeit im gegenseitigen Einvernehmen aufzulösen. So wie das Forderungsrecht der dritten Person ohne ihr Zutun zur Entstehung gelangen kann, fällt auch die Aufhebung dieses Rechts in die Gestaltungsfreiheit der Vertragsschließenden.199 Während bei der Entstehung des Rechts eine Mitwirkung der dritten Person unstreitig nicht erforderlich ist, gestaltet sich die Aufhebung als actus contrarius problematischer.200 Maßgeblich und vorrangig zu berücksichtigen ist eine von den Parteien getroffene besondere Bestimmung (§ 328 Abs. 2 BGB), die

194 Siehe zur der Interessenabwägung im Rahmen der Zumutbarkeit BeckOK-BGB/Lorenz (1.5.2022), § 313 Rn. 32. 195 Ähnlich kritisch auch zu den Inseminationsfällen Lettmaier/Moes, FamRZ 2018, 1553 (1562) („Schon der Gang über eine Generalklausel zeigt, dass man es hier mit einer Behelfslösung zu tun hat, […]“). 196 Vgl. Wesenberg, Verträge zugunsten Dritter (1949), S. 128 mit Hinweis auf Bayer, Der Vertrag zugunsten Dritter (1995), S. 40, dieser mit Hinweis auf die frühere Einschätzung Pufendorfs. 197 Vgl. Bayer, Der Vertrag zugunsten Dritter (1995), S. 108 mit Hinweis auf von Kübel. 198 Wesenberg, Verträge zugunsten Dritter (1949), S. 134 führt dies auf das „Dogma, daß die vertragliche Drittbegünstigung ein Kind des allmächtigen Parteiwillens sei, […]“ zurück. 199 Siehe auch Hadding, in: FS Gernhuber (1993), S. 153 (162) („Das Gesetz räumt mithin eine Skala von Gestaltungsmöglichkeiten ein […]“). 200 Vgl. Raab, Austauschverträge mit Drittbeteiligung (1999), S. 470.

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gegebenenfalls im Wege der Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln ist.201 Die Parteien können etwa die Möglichkeit der einseitigen Aufhebung oder auch nur der einvernehmlichen Aufhebung vorsehen,202 eine Aufhebung aber auch generell ausschließen. Wurde der Vertrag bereits lediglich konkludent geschlossen, wird eine ausdrückliche Vereinbarung kaum feststellbar sein. Das gilt vor allem, wenn der konkludente Vertragsschluss auf einer Willensfiktion beruht. Die vertragliche Abrede muss mithin ausgelegt werden, wobei entsprechend der Maßgabe des § 328 Abs. 2 Var. 3 BGB insbesondere der Vertragszweck zu berücksichtigen ist. Vorliegend ist bereits die Annahme eines gegenseitigen Verpflichtungswillens das Resultat ergebnisorientierter Rechtsanwendung. Es müsste noch einen Schritt weitergegangen und angenommen werden, die Parteien hätten sich unwiderruflich verpflichten und sogar eine gemeinschaftliche, spätere Aufhebung ausschließen wollen. Mit anderen Worten: Sie wollten das Kind vor sich (scil. den faktischen Eltern) selbst schützen. Das ist aber nicht ohne Weiteres überzeugend. Während auf der Seite des jeweils versprechenden Teils ein Interesse an einer ausgeschlossenen Aufhebbarkeit kaum erkennbar ist, genügt auf der Seite der Versprechensempfängerin der Ausschluss des einseitigen Aufhebungsrechts, um sich selbst zu schützen.203 Es leuchtet nicht unmittelbar ein, dass die Vertragsparteien ihre eigenen Gestaltungsmöglichkeiten ohne Not beschneiden wollten.204 Es handelt sich gerade nicht um einen dreiseitigen Vertrag.205 Diese Sichtweise überzeugt, wenn man den Vertragszweck allein darin erblickt, dass sich die Parteien gegenseitig davor schützen wollten, von dem anderen Teil mit dem Kind allein gelassen zu werden. Darin wird sich aber der Vertragszweck regelmäßig nicht erschöpfen. Das Paar hat im Beispielsfall eine Adoption deshalb nicht vorgenommen, weil sie mit hohen formellen Hürden verbunden war. Allein diese sollten umgegangen werden und damit dasselbe Ergebnis der Annahme eines Kindes auf pragmatischem Wege erreicht werden. Es ist kein Umstand erkennbar, welcher die Annahme nahelegt, dass das Paar sich am Adoptionsverfahren vorbei seiner elterlichen Verantwortung entziehen und seine faktische Elternrolle nicht anerkennen wollte. Die faktischen Eltern intendierten vielmehr, die gleichen Wirkungen herbeizuführen, die eine wirksame Adoption entfaltet, wozu eine verbindliche Unterhaltspflicht gehört.206 201 Staudinger/Klumpp, BGB (2020), § 328 Rn. 73, 87; siehe auch Raab, Austauschverträge mit Drittbeteiligung (1999), S. 471 (mwN). 202 Raab, Austauschverträge mit Drittbeteiligung (1999), S. 471 ff. 203 Vgl. Raab, Austauschverträge mit Drittbeteiligung (1999), S. 475. 204 So auch Raab, Austauschverträge mit Drittbeteiligung (1999), S. 475 f., 499. 205 Vgl. Raab, Austauschverträge mit Drittbeteiligung (1999), S. 476. 206 Staudinger/Klinkhammer, BGB (2018), § 1601 Rn. 20. Siehe auch § 1751 Abs. 4 Satz 1 BGB, wonach die Unterhaltspflicht des Annehmenden bereits beginnt, sobald die Eltern des Kindes die erforderliche Einwilligung erteilt haben und das Kind in die Obhut des Annehmenden mit dem Ziel der Annahme aufgenommen ist.

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Vor diesem Hintergrund kann bei der geschilderten Fallkonstellation die Vertragsauslegung durchaus ergeben, dass die faktischen Eltern auch die übereinstimmende Vertragsaufhebung ausgeschlossen haben. Dahinter steht ganz entscheidend die Schutzwürdigkeit des Kindes. Bei der Ermittlung des (hypothetischen) Parteiwillens, was nichts anderes bedeutet als „objektive Interessenwertung“, können auch die Erwartungen der dritten Person einfließen, wenn und soweit sie nach den gesellschaftlichen Verhältnissen legitim erscheinen.207 Das Sicherungs- und Existenzinteresse des Kindes ist zweifellos legitim. Der Vertragszweck ist auf die sichere Alimentation des Kindes gerichtet, welche eine Unwiderruflichkeit des unterhaltsrechtlichen Vertrags erfordert. Das durch Auslegung gewonnene Ergebnis hält auch einer vergleichenden Betrachtung ähnlich gelagerter Fallkonstellationen stand: Bei den Inseminationsfällen ist der Widerruf des Einverständnisses nur möglich, wenn er richtig adressiert und rechtzeitig ist.208 Rechtzeitigkeit liegt dabei jedenfalls nicht mehr vor, wenn die zur Zeugung führende Insemination bereits durchgeführt worden ist; danach ist weder eine einseitige noch eine übereinstimmende Lösung vom Vertrag möglich.209 Bei einer bewusst wahrheitswidrigen Anerkennung der Vaterschaft besteht zwar gewissermaßen ein „Reuerecht“210: Das Anfechtungsrecht des Anerkennenden ist auch dann nicht ausgeschlossen, wenn er im Zeitpunkt der Anerkennung wusste, dass er nicht der genetische Vater ist.211 Dieses ist aber durch die zweijährige Anfechtungsfrist zeitlich eng begrenzt. Insgesamt spricht demnach Vieles dafür, mit Frank davon auszugehen, dass die faktischen Eltern einen Vertrag schließen wollten, „von dem es kein Zurück mehr geben soll“.212 Lehnt man eine so weitgehende Auslegung der konkludenten Parteivereinbarung ab, könnte sich das Ergebnis aber auch unter Orientierung an objektiveren Kriterien ergeben. Dafür müsste eine entsprechende Unklarheitenregelung bestehen. Mitunter wird angenommen, dass ein solches Regel-Ausnahme-Prinzip existiert213 und im Zweifel eine endgültige Forderungsberechtigung entsteht.214 Nach Bayer ist hingegen die Aufhebbarkeit

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von Caemmerer, in: FS Wieacker (1978), S. 311 (317). BGH FamRZ 1995, 861 (863). 209 So Büte, in: Büte/Poppen/Menne, UnterhaltsR3, § 1601 BGB Rn. 6; Spickhoff, in: FS Schwab (2005), S. 923 (938 f.). 210 Frank, in: FS Coester-Waltjen (2015), S. 53 (60). 211 BeckOGK-BGB/Balzer (1.8.2022), § 1594 Rn. 22; siehe jüngst OLG Düsseldorf FamRZ 2020, 1008 (1008 f.); zu Recht kritisch Arbeitskreis Abstammungsrecht, Abschlussbericht (2017), S. 49 sowie Wolf, in: FS Frank (2008), S. 349 (377). 212 Frank, in: FS Coester-Waltjen (2015), S. 53 (55). 213 Raab, Austauschverträge mit Drittbeteiligung (1999), S. 474. 214 In diese Richtung wohl Staudinger/Klumpp, BGB (2020), § 328 Rn. 75; MüKoBGB9/Gottwald, § 328 Rn. 34. 208

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nicht bereits bei Abwesenheit einer ausdrücklichen Vereinbarung ausgeschlossen, sondern erst bei Vorliegen eines besonderen Parteiwillens, Vertragszwecks oder einer besonderen Vertrauensbegründung.215 Bedeutung erheischt dabei eine etwaige Mitteilung an den Dritten.216 Auch Gernhuber verlangt einen besonderen Grund für die Bindung.217 Ähnlich will Solomon den Konflikt auflösen und eine Grenze des Vertrauensschutzes ziehen.218 Diese besonderen Anforderungen sind bei einer Fälschung des Geburtenregisters und einer zunächst vorgenommenen Unterhaltsleistung erfüllt. Die faktischen Eltern haben das Kind aus seinem Kulturkreis herausgenommen und in eine große Abhängigkeit gebracht, die nicht nur, aber wesentlich auch finanzieller Natur ist und größer kaum sein kann.219 Ein besonderer Grund ist mithin ebenso gegeben wie die Schutzwürdigkeit des Kindes (Vertrauensschutz). (7) Ausschluss des Unterhalts wegen grober Verfehlung des Kindes Weiterer Bedarf, die vertragliche Konstruktion im Detail auszutarieren, wird offenbar, wenn das Kind sich schwere Verfehlungen gegenüber seinen faktischen Eltern leistet und ein Verhalten zeigt, das den Tatbestand des § 1611 Abs. 1 BGB erfüllt. Bei wirksam etablierter rechtlicher Eltern-Kind-Zuordnung wäre der Unterhaltsanspruch entsprechend dem Gebot der Billigkeit zu beschränken. Ob die Umgehung des Adoptionsrechts der sonst fürsorgenden faktischen Eltern tatsächlich Grund genug ist, das Kind insoweit besser zu stellen, als es bei ordnungsgemäßer Adoption stünde, erscheint zumindest unter Berücksichtigung allgemeiner Vertrauensschutzgedanken220 zweifelhaft. Ein sachgerechtes Ergebnis ließe sich durch die Annahme einer Verfallsklausel erreichen; das bedeutete eine auflösende Bedingung der Drittberechtigung für den Fall, dass der Dritte gegen bestimmte Verhaltensgebote verstößt.221 Diese könnten die Parteien vereinbart haben, indem ihr vertragliches Versprechen auf Herstellung eines Zustands gerichtet war, der einer wirksamen Adoption entspricht. Die Verfallsklausel lässt sich ohne größeren argumentativen Aufwand mit dem nach § 328 Abs. 2 BGB für die Auslegung maßgeblichen Vertragszweck vereinbaren. Die auflösende Bedingung wäre dahingehend zu formulieren, dass die Drittberechtigung entfallen soll, wenn sich das volljährige (vgl. § 1611 Abs. 2 BGB) Kind so verhält, dass der Tatbestand des 215

Bayer, Der Vertrag zugunsten Dritter (1995), S. 244. Bayer, Der Vertrag zugunsten Dritter (1995), S. 245. 217 Gernhuber, Das Schuldverhältnis (1989), § 20 III 4e, S. 489. 218 Solomon, in: FS H.P. Westermann (2008), S. 655 (673). 219 Vgl. auch Frank, in: FS Coester-Waltjen (2015), S. 53 (55) sowie deutlich OLG Bremen FamRZ 1995, 1291 (1292). 220 Siehe oben, § 5 IV 2b). 221 Vgl. nur Staudinger/Klumpp, BGB (2020), Vorbemerkungen zu §§ 328 ff. Rn. 62 sowie MüKo-BGB9/Gottwald, § 328 Rn. 268. 216

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§ 1611 Abs. 1 BGB erfüllt wäre. Die mit dem Vertrag bezweckte Absicherung des Kindes entspräche dann der gesetzlichen Absicherung im Fall einer Adoption. Man müsste eine solche Verfallsklausel aber im Wege einer weiteren Willensfiktion unterstellen. Darüber hinaus kann die Beendigung auch im Wege der Kündigung des Unterhaltsvertrags gemäß § 314 BGB im Einzelfall erreicht werden, wobei wiederum die Kriterien des § 1611 Abs. 1 BGB normative Orientierung bieten. (8) Sonstige Anspruchsvereitelung Schließlich besteht für das Kind die Gefahr, dass die faktischen Eltern beziehungsweise ihr rechtlicher Beistand auf anderem Wege versuchen, sich gemeinsam von der übernommenen vertraglichen Unterhaltspflicht zu befreien. Denkbar scheint es, im Wege einer gegenseitigen Kondiktion vorzugehen. Die Idee der gegenseitigen Kondiktion geht einher mit der dogmatischen Konstruktion des Vertrags zugunsten Dritter. Das Valutaverhältnis bildet den Rechtsgrund für die Zahlung des Versprechenden im Verhältnis der dritten Person gegenüber der Versprechensempfängerin.222 Bei Störung des Valutaverhältnisses erfolgt die Kondiktion mithin zwischen dem faktischen Elternteil, der das Versprechen des anderen Teils entgegengenommen hat, und dem Kind. Liegen in den jeweiligen Valutaverhältnissen Schenkungsverträge vor, sind diese formnichtig (§ 518 BGB), und der Rechtsgrund, der dem Kind das Behaltendürfen der Zahlung ermöglicht, fällt mithin weg. Bei insoweit nicht kooperierenden Elternteilen stellt das kein Problem dar, weil der das Versprechen empfangende Teil die Leistung vom Kind nicht zurückverlangen wird. Wenn aber beide Teile zusammenwirken und jeweils die Zahlung des anderen herausverlangen, kann das Kind den schenkungsweise erhaltenen Unterhalt schwerlich behalten. Dieses Ergebnis mag auf einer subtilen Aufspaltung der Rechtsverhältnisse beruhen, wird sich aber nur durch die Annahme einer bereits von Coester-Waltjen angedeuteten besonderen familienrechtliche Beziehung zwischen Kind und jeweiligem Elternteil vermeiden lassen.223 Ein denkbarer Ausweg wäre womöglich auch der Ausschluss der Kondiktion unter Rekurs auf den Grundsatz von Treu und Glauben in Form des Vertrauens- und Verkehrsschutzes, der das Bereicherungsrecht durchdringt und wesentlich prägt.224 Der Kondiktionsausschluss des § 814 Var. 2 BGB hilft lediglich für bereits geleisteten Unterhalt,

222

Siehe bereits oben, § 8 III 1b) bb) (1). Vgl. Coester-Waltjen, Gutachten B zum 56. Deutschen Juristentag (1986), S. B56. 224 Grüneberg/Sprau, BGB81, vor § 812 Rn. 1; BGH NJW 1962, 580 (582); 1971, 609 (611); 1979, 763 (763); 1986, 2700 (2700 f.); vgl. auch Thöne, JuS 2019, 193 (199, 200). Kritisch zu der weit gefassten Wendung „Bereicherungsrecht ist Billigkeitsrecht“ hingegen MüKo-BGB8/Schwab, § 812 Rn. 97 (mwN). 223

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nicht aber für die auf einen ohnehin bestehenden Rückforderungsanspruch gestützte Leistungsverweigerung. Jedenfalls kommt die Lösung über den unterhaltsrechtlichen Vertrag zugunsten des Kindes abermals nicht ohne dogmatische Feinjustierung im Wege richterlicher Rechtsfortbildung aus. (9) Kritische Zusammenfassung Schon früh wurde in der rechtswissenschaftlichen Literatur konstatiert, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung das scharf begrenzte Institut des Vertrags zugunsten Dritter „in [seinem] eigentlichen Sinn“ entfremdet und die strenge Relativität der Schuldverhältnisse aufgeweicht habe.225 Auch bei den unterhaltsrechtlichen Verträgen zugunsten Dritter handelt es sich letztlich um eine objektive Interessenbewertung.226 Im Prinzip hat man es mit einer richterlichen Rechtsfortbildung in dem Sinne zu tun, dass der gesetzliche Unterhaltsanspruch aus § 1601 BGB schuldrechtlich rekonstruiert und in vertragliche Form gegossen wird. Im Ergebnis läuft das auf eine rechtsfolgenbezogene Analogie zur Adoption hinaus, und eine analoge Gesetzesanwendung wäre möglicherweise methodenehrlicher. Ganz so negativ wie das soeben bemühte Zitat fällt die Bilanz der vorstehenden Untersuchung aber nicht aus. Die Konstruktion des unterhaltsrechtlichen Vertrags zugunsten des Kindes erscheint gut vertretbar und hält sich in den Grenzen zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung und Gesetzesauslegung. Anlass dieser Untersuchung war es auch nicht, die entwickelte und in praxi anerkannte Konstruktion durch methodische Engstirnigkeit in Frage zu stellen. Die gefundenen Ergebnisse vermögen im Ergebnis durchaus zu überzeugen, sind mitunter von methodischer Raffinesse geprägt und unterstreichen die Fähigkeit der Zivilrechtswissenschaft und der richterlichen Rechtsanwendung, auf dem Boden abstrakter Rechtsregeln zu einem ausgewogenen Interessenausgleich im Einzelfall zu gelangen. Es bleiben indes eine Feststellung und ein Unbehagen: Der beschrittene Weg ist kein Königsweg, die Probleme zeigen sich oftmals im Detail, und es sind viele einzelne Diskussionen zu führen. Das bedingt Unsicherheit und bringt konstruiert anmutende Lösungen hervor. So fällt beispielsweise die Begründung des Vertragsschlusses schwer, wenn die Parteien sich ausdrücklich gegen einen solchen verwehren oder wenn eine Einzelperson handelt. Die Bereitschaft zur Willensfiktion ist ferner in hohem Maße wertungsabhängig, wie ein Vergleich mit einer bewusst wahrheitswidrigen Vaterschaftsanerkennung zeigt. Dabei handelt es sich nämlich um ein Paradebeispiel für das Vorliegen eines übereinstimmenden Willens, das Kind wie ein eigenes zu behandeln.

225

von Caemmerer, in: FS Wieacker (1978), S. 311 (311). Vgl. schon früher zur Entwicklung des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter von Caemmerer, in: FS Wieacker (1978), S. 311 (317). 226

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Dennoch dürfte die gesetzgeberische Wertung, die Anfechtung durch den Anerkennenden trotzdem zuzulassen,227 gegen ein Aufrechterhalten der Unterhaltspflicht im Wege eines unterhaltsrechtlichen Vertrags zugunsten des Kindes streiten.228 Schwierigkeiten treten auch auf, wenn die Eltern zusammenwirkend versuchen, sich ihrer vertraglichen Unterhaltspflicht zu entziehen. Schließlich darf nicht übersehen werden, dass ein vertraglicher Unterhaltsanspruch nicht in jeder Hinsicht dieselbe Sicherheit bietet wie ein gesetzlicher.229 Das verdeutlicht beispielsweise die Vorschrift des § 844 Abs. 2 BGB, wonach bei Tötung eines Elternteils das Kind mit nur einem vertraglichen Anspruch leer ausgehen dürfte.230 c) Unterhaltsansprüche der faktischen Eltern gegen das Kind Es wurde bereits herausgearbeitet, dass sich das Kind emotional und sozial von den faktischen Eltern distanzieren und das Zusammenleben als Familie ablehnen kann, ohne dass es seine (vertraglichen) Unterhaltsansprüche verliert.231 Damit verbunden ist aber nicht die Feststellung, dass das Kind mit seiner Entscheidung gegen die faktische Familie eine etwaige eigene Unterhaltspflicht beseitigen kann. Es stellt sich allgemein die Frage, ob den faktischen Eltern gegen das Kind ein Unterhaltsanspruch zusteht, wenn sie selbst dem Kind vertraglichen Unterhalt gewährt haben. Ausgangspunkt der Überlegung ist die Erkenntnis, dass die rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung mehr bedeutet als nur eine einseitige Rechtsbeziehung zugunsten des Kindes. Es handelt sich vielmehr um „ein [umfassendes] von gegenseitigen Rechten und Pflichten getragenes familienrechtliches Dauerschuldverhältnis zwischen Eltern und Kind.“232 Namentlich Wanitzek hat die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Inseminationsfällen vor der Einführung des § 1600 Abs. 4 BGB nicht nur dogmatisch kritisiert, sondern vor allem als zu zögerlich und inkonsequent bemängelt.233 Die Argumentation des Senats erkenne zutreffend ein überwiegendes Kindesinteresse, ziehe daraus aber nicht den richtigen Schluss und vernachlässige das Gebot der Statussi-

227

Siehe bereits oben, § 8 III 1b) bb) (6). Frank, in: FS Coester-Waltjen (2015), S. 53 (60); vgl. ähnlich im Zusammenhang mit der Frage, ob eine Einverständniserklärung i.S des § 1600 Abs. 4 BGB abgegeben wurde, OLG Karlsruhe FamRZ 2014, 313 (314). 229 Vgl. Helms, Gutachten F zum 71. Deutschen Juristentag (2016), S. F13 f. 230 Vgl. oben, § 7 Fn. 136. Siehe ähnlich bei Stiefkindfällen Muscheler, FamRZ 2004, 913 (917) sowie Brudermüller, Referat zum 71. DJT 2016, S. P40 (P43); vgl. auch Spickhoff, AcP 197 (1997), 398 (409), der aber zumindest die vertragliche Unterhaltspflicht als Nachlassverbindlichkeit einordnen will. 231 Siehe oben, § 8 III 1b) bb) (5). 232 Wanitzek, Rechtliche Elternschaft (2002), S. 171 f., siehe auch S. 279. 233 Wanitzek, Rechtliche Elternschaft (2002), S. 275 ff., 279. 228

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cherheit und die umfassende Dimension der (rechtlichen) Eltern-Kind-Zuordnung.234 Auch der Arbeitskreis Abstammungsrecht hat sich mehrheitlich kritisch dazu geäußert, dass auch nach dem neuen § 1600 Abs. 4 BGB für das im Wege heterologer Insemination gezeugte Kind immer noch die Möglichkeit besteht, sich seiner Unterhaltspflicht durch Anfechtung der Vaterschaft zu entziehen, und (de lege ferenda) den Schutz einer langjährig gelebten sozial-familiären Beziehung gefordert.235 Der einzige Unterschied zu dem gefälschten Geburtenregister liegt darin, dass dort die Elternschaft niemals verrechtlicht worden ist. Wertungsmäßig, gerade im Hinblick auf die tatsächliche Beziehung, sind die Fallkonstellationen (nach Ausübung des Anfechtungsrechts in den Inseminationsfällen) aber vergleichbar. Das gilt jedenfalls, soweit die Eltern schutzwürdig sind. An die Stelle der rechtlichen Elternschaft könnte demnach die Redlichkeit der faktischen Eltern treten. Redlichkeit bezieht sich in diesem Zusammenhang auf die Beziehung zwischen Eltern und Kind und nicht auf die Umstände der faktischen Adoption; entscheidend ist also, ob die faktischen Eltern dem Kind die Wahrheit offenbaren. Im Ergebnis erscheint es durchaus nicht unbillig, jedenfalls das volljährige Kind in die Unterhaltspflicht zu nehmen, wenn es in Kenntnis der objektiven Umstände den Unterhalt entgegennimmt und ernsthaft am faktischen Eltern-Kind-Verhältnis festhält. Man könnte zwar einwenden, dass das Kind den Unterhalt ohnehin auch dann verlangen kann, wenn es sich von den faktischen Eltern abwendet. Es könnte dann wenig überzeugend wirken, dem Kind eine Unterhaltspflicht deshalb aufzubürden, weil es Unterhalt bezieht, ohne sich von den Eltern abzuwenden. Dieses Bedenken beruht aber erstens auf der nicht unumstößlichen Prämisse, das volljährige Kind könne auch nach einer Aufkündigung der Beziehung Unterhalt verlangen. Zweitens ist regelmäßig davon auszugehen, dass die Unterhaltsleistungen der faktischen Eltern bei gelebter Eltern-Kind-Beziehung höher ausfallen als es der vertragliche Anspruch rechtfertigt; dieser ist in der Höhe auf den gesetzlichen Unterhaltsanspruch begrenzt. Man schießt durch die Konstruktion eines konkludent geschlossenen Unterhaltsvertrags (zugunsten Dritter) weit über das Ziel der finanziellen Absicherung des Kindes hinaus, wenn man es gleichzeitig von jeder eigenen Unterhaltspflicht freispricht. Das erschiene zu kurz gegriffen und ließe vorhandenes Differenzierungspotential ungenutzt. Es stellt sich aber die Frage, wie eine Unterhaltspflicht des Kindes dogmatisch hergeleitet und methodisch konstruiert werden kann. Die Leitlinien für die Konstruktion sind eindeutig: Das Kind ist in seiner Entscheidungsfreiheit zu schützen, aber auch ernst zu nehmen; die Schutzwürdigkeit der faktischen Eltern setzt nicht schon ein, weil sie das Kind im Baby- oder Kleinkindalter 234 235

Wanitzek, Rechtliche Elternschaft (2002), S. 276 ff. Arbeitskreis Abstammungsrecht, Abschlussbericht (2017), S. 50 f.

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faktisch zu sich nehmen und ihm nach eigenem Ermessen gute Eltern sind. Es geht mithin um Kriterien des Vertrauensschutzgedankens: Redlichkeit, Gutgläubigkeit und Zeitablauf. Einen ersten methodischen Anknüpfungspunkt bietet der von den faktischen Eltern geschlossene unterhaltsrechtliche Vertrag zugunsten des Kindes. Eine darin enthaltene Pflicht des Kindes wäre als Vertrag zulasten Dritter ohne jeden Zweifel unzulässig.236 Maßgeblich ist eine rein rechtliche Betrachtung, es findet insbesondere keine „wirtschaftliche Günstigkeitsabwägung“ statt.237 Deshalb ist es insoweit unbedeutend, dass das Kind auch bei eigener Verpflichtung womöglich einen positiven Saldo behält. Auch eine entsprechende Auflage zulasten des Dritten ist unzulässig, weil sie eine selbstständige Leistungspflicht begründete.238 Möglich bleibt eine Obliegenheit oder ein Nebenpflicht,239 was aber bereits mangels Einklagbarkeit keinen Anspruch der faktischen Eltern begründen könnte. Jedenfalls wären Belastungen nur insoweit zulässig, wie sie lediglich die Begünstigung des Dritten, nicht aber dessen eigenes Vermögen aufzehren.240 Man könnte den Dritterwerb letztlich von einer Bedingung abhängig machen.241 Dann würde die Unterhaltsberechtigung des Kindes unter der aufschiebenden Bedingung stehen, dass es sich seinerseits zu zukünftigen Unterhaltsleistungen verpflichtet. Das könnte aber angesichts des nach § 328 Abs. 2 BGB auslegungserheblichen Alimentationszwecks des Vertrags, des Minderjährigenschutzes und mit Blick auf eine etwaige Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB)242 erst ab Volljährigkeit des Kindes gelten. Vor allem setzt dies eine ent-

236 Vgl. zur Unzulässigkeit eines Vertrags zulasten Dritter Staudinger/Klumpp, BGB (2020), Vorbemerkungen zu §§ 328 ff. Rn. 54 (mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung); MüKo-BGB9/Gottwald, § 328 Rn. 263; Soergel/Hadding, BGB13, § 328 Rn. 118; BeckOGK-BGB/Mäsch (1.7.2022), § 328 Rn. 123; BeckOK-BGB/Janoschek (1.5.2022), § 328 Rn. 5; Roth, in: FS Hadding (2008), S. 253 (253); siehe auch Schirmer, in: FS R. Schmidt (1976), S. 821 (830). 237 BeckOGK-BGB/Mäsch (1.7.2022), § 328 Rn. 126; siehe auch Roth, in: FS Hadding (2008), S. 253 (258) sowie Staudinger/Klumpp, BGB (2020), Vorbemerkungen zu §§ 328 ff. Rn. 54. 238 Gernhuber, Das Schuldverhältnis (1989), § 20 I 7, S. 475 f.; vgl. BeckOGKBGB/Mäsch (1.7.2022), § 328 Rn. 140 sowie Staudinger/Klumpp, BGB (2020), Vorbemerkungen zu §§ 328 ff. Rn. 63. 239 Siehe umfassend zu Obliegenheiten zulasten Dritter Schirmer, in: FS R. Schmidt (1976), S. 821 ff. (mit Bezug vor allem zum Versicherungsrecht). 240 Schirmer, in: FS R. Schmidt (1976), S. 821 (840); siehe auch Roth, in: FS Hadding (2008), S. 253 (258), der ferner auf die parallele Regelung in § 107 BGB hinweist. 241 Gernhuber, Das Schuldverhältnis (1989), § 26 I 7, S. 476; Schirmer, in: FS R. Schmidt (1976), S. 821 (840). 242 Siehe zur Sittenwidrigkeit von Freistellungsvereinbarungen der Eltern zulasten des minderjährigen Kindes Roth, in: FS Hadding (2008), S. 253 (264 f.).

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sprechende Parteivereinbarung voraus. Letztere bedarf wiederum der Unterstellung einer konkludenten Vereinbarung, was sehr konstruiert erscheint. Aus dem unterhaltsrechtlichen Vertrag zugunsten des Kindes wird man einen Anspruch der Eltern nicht überzeugend herleiten können. Helfen kann den faktischen Eltern nur der Abschluss eines neuen Unterhaltsvertrags mit dem Kind, der an die Stelle des bisherigen Vertrags zugunsten des Kindes tritt. Ein solcher Vertragsschluss wird regelmäßig nicht ausdrücklich erfolgen. Auch insoweit könnten aber wiederum konkludente Erklärungen vorliegen. Das Angebot der Eltern läge in der Zahlung des Unterhalts an das volljährige Kind. Das überzeugt je eher, desto mehr die Unterhaltsleistungen über das vertraglich geschuldete Maß hinausgehen, weil dann nicht lediglich ein bereits bestehender Vertrag erfüllt wird. Aus Sicht des Kindes ist es erkennbar, dass die faktischen Eltern die Zahlungen vor allem wegen des gelebten Eltern-Kind-Verhältnisses vornehmen und damit intuitiv von einem beiderseitigen Verhältnis ausgehen. Nimmt das Kind die Leistungen entgegen, könnte darin zugleich die Annahme des Angebots liegen. Das wäre aus der Sicht der faktischen Eltern aber nur der Fall, wenn sie das Kind zuvor über die tatsächlichen Umstände aufgeklärt haben. Diese Konstruktion böte zwei spürbare Vorteile: Zum einen würde sie sich zwanglos in das System des Minderjährigenschutzes einfügen, das in der Regel sicherstellt, dass ein Kind vor Entscheidungen geschützt wird, die es aufgrund seines Alters noch nicht überschauen kann. So wie beim Vaterschaftsanfechtungsrecht (§ 1600b Abs. 3 BGB) würde sich das Kind mit Erreichen der Volljährigkeit (neu) entscheiden, ob es an dem (faktischen) Eltern-Kind-Verhältnis festhalten will. Zum anderen ist die Begründung von Ansprüchen der faktischen Eltern wegen der nach objektivem Empfängerhorizont vorzunehmenden Auslegung davon abhängig, ob sie das Kind über die Gegebenheiten aufgeklärt haben. Das böte demnach auch einen Anreiz für die faktischen Eltern zu einem ehrlichen Umgang mit dem Kind.243 Diesen Vorteilen stehen aber auch kaum überwindbare Probleme gegenüber. Zunächst stellt sich die Formfrage. Handelt es sich um ein Schenkungsversprechen gegenüber den Eltern, wäre ein nur konkludent geschlossener Vertrag formnichtig (§ 518 BGB). Das lässt sich lösen, indem man einen (gegenseitigen) Vertrag sui generis annimmt, der an die Stelle des Vertrags zugunsten Dritter tritt und damit als Gegenleistung die Unterhaltszahlungen der Eltern enthält. Schon hier scheint jedoch die Konstruktion eines solchen Vertrags un-

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Siehe zu kinderpsychologischen Erkenntnissen, dass eine frühe Aufklärung des Kindes über seine wahre „genetische Herkunft“ positive Wirkung auf die Entwicklung hat, nur Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts (2018), S. 100 ff. (mwN); vgl. auch Helms, in: Pluralisierung von Elternschaft (2011), S. 105 (118 f.); Walper/Wendt, in: Pluralisierung von Elternschaft (2011), S. 211 (217 ff., 232).

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verkennbar durch, wenn im Rahmen des Vertragsschlusses auch darauf abgestellt wird, dass die faktischen Eltern einen überobligatorischen Unterhalt leisten. Spätestens der erforderliche Rechtsbindungswille des Kindes kann kaum überzeugend begründet werden. Entscheidend müsste nämlich angenommen werden, dass das Kind nicht nur einfach den ihm zustehenden Unterhalt annehmen, sondern darüber hinaus auch selbst lebenslange Verpflichtungen eingehen will. Das ist aber sehr weitreichend und entspricht nicht ohne Weiteres dem objektiven Interesse des Kindes. Hier stößt die zulässige Annahme konkludenter Willenserklärungen an ihre Grenzen, und die Willensfiktion wird zum Alleinentscheidungsmerkmal erhoben. Ein Ausweg könnte eröffnet sein, wenn man nicht nur auf die vertragliche Unterhaltspflicht abstellte, sondern auf das gelebte Eltern-Kind-Verhältnis als solches. Dies bedeutete einen Vertragsschluss über die Begründung eines Statusverhältnisses (ohne Status) anzunehmen. Ob das zulässig ist, soll hier nicht weiter erforscht werden. Vielmehr bleibt die Feststellung, dass Unterhaltsansprüche der Eltern gegenüber dem Kind nicht bestehen dürften.244 d) Erbrechtliche Ansprüche des Kindes Aufgrund der statusrechtlichen Irrelevanz des faktischen Eltern-Kind-Verhältnisses gelangen nicht nur gesetzliche Unterhaltsansprüche gemäß §§ 1601 ff. BGB nicht zur Entstehung. Mangels rechtlicher Eltern-Kind-Zuordnung bestehen wegen der strikten Statusakzessorietät des (gesetzlichen) Erbrechts245 auch keine gegenseitigen Erbrechte oder Pflichtteilsrechte zwischen faktischen Eltern und Kind. Auf die (auch nur begrenzt) bestehenden einvernehmlichen Gestaltungsmöglichkeiten der Beteiligten soll vorliegend nicht eingegangen werden.246 Bei der zu begutachtenden Fallkonstellation versagen die faktischen Eltern dem Kind vielmehr jegliches Erbrecht. Damit ist die Frage aufgeworfen, ob analog zum Unterhaltsbegehren schuldrechtliche Lösungen zur Verfügung stehen. Ein erbrechtlicher Anspruch des Kindes kann weder durch eine Schenkung auf den Todesfall noch im Wege eines konkludent geschlossenen Erbvertrags zwischen faktischem Elternteil und Kind begründet werden, weil unabhängig von der Schwierigkeit der Konstruktion eines Vertragsschlusses jeweils ein Formverstoß vorliegt (§§ 2301 244 So für die Fälle der heterologen Insemination ausdrücklich BGH FamRZ 1995, 861 (864); grundsätzlich zustimmend Spickhoff, AcP 197 (1997), 398 (409). 245 Siehe zur „Familienorientiertheit“ des Erbrechts etwa Röthel, ErbR18, § 1 Rn. 15; § 38 Rn. 2; vgl. zur strengen Statusakzessorietät auch Frank/Helms, ErbR7, § 1 Rn. 1, § 2 Rn. 2; Rütz, Heterologe Insemination (2008), S. 207 ff.; vgl. auch Leipold, in: FS Kralik (1986), S. 467 (469). Die Statusakzessorietät des Erbrechts bleibt sogar bei einer vertraulichen Geburt bestehen, siehe nur Budzikiewicz/Vonk, 17 EJLR 2015, 216 (229). 246 Vgl. zu erbrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten in diesem Zusammenhang Taupitz/Schlüter, AcP 205 (2005), 591 (611 ff.).

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Abs. 1, 2276 Abs. 1 BGB). Es bleibt zu erwägen, ob die Konstruktion eines Vertrags zugunsten des Kindes (§ 328 Abs. 2 BGB) auch für erbrechtliche Positionen weiterhelfen kann. Zunächst ist zu unterstreichen, dass § 331 BGB nicht zur Anwendung gelangt, weil es bei diesem Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall darum geht, dass die Versprechensempfängerin verstirbt und sodann das Forderungsrecht des Dritten zur Entstehung gelangen soll.247 Darum geht es hier aber nicht; es verstirbt der versprechende Elternteil, dessen Erbe das Kind nicht sein kann, aber wertungsmäßig möglicherweise sein soll. Coester-Waltjen hat für erbrechtliche Ansprüche eines im Wege der heterologen Insemination gezeugten Kindes die Lösung über § 328 Abs. 2 BGB befürwortet. Die übernommene Verpflichtung sei dahingehend auszulegen, „daß das Kind aus der Einverständniserklärung einen schuldrechtlichen (vertraglichen) Anspruch gegen den Nachlaß in der Höhe hat, in der ihm bei Nichtanfechtung der Vaterschaft ein Pflichtteilsanspruch zustehen würde, § 2303 BGB.“248 Das wurde aber, anders als beim unterhaltsrechtlichen Interesse, mehrheitlich kritisiert und auch vom Bundesgerichtshof ausdrücklich, aber obiter dicta abgelehnt.249 Zum einen wurde das Vorliegen eines Rechtsbindungswillens bezweifelt. Nach Spickhoff könne beispielsweise „das Junktim, das zwischen gesetzlichem Erb- beziehungsweise Pflichtteilsrecht einerseits und Verwandtschaft (beziehungsweise Ehe) andererseits an sich besteht, kraft stillschweigender Willenserklärung […]“ nicht aufgelöst werden.250 Auch nach Wellenhofer ist eine ausdrückliche Erklärung in Form des Erbvertrags erforderlich,251 wenn nicht die Grenzen der Auslegung überschritten werden sollen.252 Hinter dieser am Rechtsbindungswillen orientierten Argumentation verbirgt sich entscheidend das Anliegen, die erbrechtlichen Vorschriften nicht zu unterlaufen. So knüpft die Kritik zum anderen nicht an den Rechtsbindungswillen an, sondern hält den Weg über § 328 BGB ausdrücklich für einen Verstoß gegen den erbrechtlichen Typenzwang.253 Es handele sich faktisch um ein 247 Das hebt auch Mansees, Das Erbrecht des Kindes (1991), S. 103 mit Fn. 33 hervor; siehe allgemein Soergel/Hadding, BGB13, § 331 Rn. 3. 248 Coester-Waltjen, Gutachten B zum 56. Deutschen Juristentag (1986), S. B58 ff.; zustimmend Kemper, FuR 1995, 309 (311). 249 BGH FamRZ 1995, 861 (864); Taupitz/Schlüter, AcP 205 (2005), 591 (613); Mansees, Das Erbrecht des Kindes (1991), S. 202 f.; Roth, DNotZ 2003, 805 (818) sowie Rütz, Heterologe Insemination (2008), S. 207; differenzierend, aber überwiegend ablehnend Spickhoff, AcP 197 (1997), 398 (409 f.) sowie ders., in: FS Schwab (2005), S. 923 (926); sehr kritisch Holzhauer, FamRZ 1986, 1162 (1164); Helms, FuR 1996, 178 (189). 250 Spickhoff, AcP 197 (1997), 398 (409), der eine Minimallösung in Anlehnung an eine (Halb-)Waisenrente gemäß § 48 SGB VI befürwortet. Siehe sogleich unten, § 8 III 1d). 251 Wellenhofer, FamRZ 2013, 825 (828). 252 Wellenhofer, FamRZ 2013, 825 (828). 253 Taupitz/Schlüter, AcP 205 (2005), 591 (613) sowie zustimmend Rütz, Heterologe Insemination (2008), S. 207.

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Vermächtnis, dessen Wirkungen nur bei Einhaltung bestimmter erbrechtlicher Form (§§ 1939, 1941 BGB) eintreten könnten.254 Teilweise wird der erbrechtliche Vertrag zugunsten Dritter auch als unzulässiger Vertrag zulasten Dritter (der Erben und Erbinnen) qualifiziert.255 Bei den Fällen gefälschter Geburtenregister sind die Bedenken dieselben. Dennoch wird die Annahme eines Rechtsbindungswillens bei der gezielten Fälschung zur Umgehung einer förmlichen Auslandsadoption für unproblematisch gehalten, weil das Kind „aus seinem kulturellen Umfeld in eine andere Welt“ entführt werde.256 Dabei wird auf die besonderen Umstände des Falls abgestellt und damit die Ergebnisorientiertheit dieses Ansatzes unterstrichen. Man ist geneigt zu formulieren, dass der Umweg über den drittbegünstigenden Vertrag je eher zulässig sein soll, desto sachgerechter das Ergebnis erscheint, was wiederum von dem Verhalten der Parteien und der Schutzwürdigkeit des Kindes abhängt. So wurde gegen den konkludent geschlossenen erbrechtlichen Vertrag zugunsten des Kindes bei den Inseminationsfällen auch eingewendet, dass es zu einer Doppelbegünstigung des Kindes komme, weil dieses schließlich auch Erbrechte nach dem Samenspender habe.257 Dieses Argument lässt sich bei den gefälschten Geburtenregistern mit Frank tatsächlich etwas entkräften, weil die rechtlichen Eltern regelmäßig nicht auffindbar sein werden und damit ein doppeltes Erbrecht faktisch ausgeschlossen ist. Auch erscheint eine unterschiedliche Bewertung der verfahrenswidrigen Annahme des Kindes unter Berücksichtigung seines besonderen Versorgungsbedürfnisses gerechtfertigt, weil die faktischen Eltern nicht nur die Erforderlichkeit einer unterhaltsrechtlichen Versorgung des Kindes erkennen mussten, sondern darüber hinaus den Verlust der rechtlichen Eltern billigend in Kauf nahmen; das kann bei Inseminationsfällen mit Blick auf die Ermittelbarkeit des Samenspenders durchaus anders zu bewerten sein. Ferner leuchtet es allgemein nicht unmittelbar ein, die Prämisse, die faktischen Eltern wollten das Kind wie ein eigenes behandeln und ihm eine entsprechende Rechtsposition einräumen, nur in unterhaltsrechtlicher Hinsicht – durch großzügige und stark ergebnisorientierte schuldrechtliche Konstruktionen – zu verwirklichen. Ein Kind rechtlich wie ein eigenes zu stellen, bedeutet zweifelsfrei auch die Einräumung einer erbrechtlichen Position, die der von rechtlichen Kindern nachzuempfinden ist. Damit (scil. der vertragli-

254 Mansees, Das Erbrecht des Kindes (1991), S. 103; Taupitz/Schlüter, AcP 205 (2005), 591 (613). 255 Mansees, Das Erbrecht des Kindes (1991), S. 103. 256 Frank, in: FS Coester-Waltjen (2015), S. 53 (55), der im Hinblick auf die Inseminationsfälle aber kritischer ist, vgl. (54) („Dieser Schritt ist gewagt, weil in der Einverständniserklärung des Ehemannes eine Willenserklärung hineingelesen wird, die so nicht vorgelegen hat, […]“). 257 Roth, DNotZ 2003, 805 (818) sowie Rütz, Heterologe Insemination (2008), S. 207 und Holzhauer, FamRZ 1986, 1162 (1164).

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chen Konstruktion) würde auch nicht übermäßig in die Testierfreiheit eingegriffen werden, weil eine testamentarische Enterbung des faktischen Kindes ebenso möglich bliebe wie bei einem rechtlichen Kind. Dieses Ergebnis scheint sachgerecht zu sein, wenn man es ernst meint mit der „Übernahme einer nicht beliebig wieder aufgebbaren Elternverantwortung“258 aufseiten der faktischen Eltern. Dennoch bleibt die Annahme eines erbrechtlichen Vertrags zugunsten des Kindes angesichts der nicht unberechtigten Kritik an der damit verbundenen Umgehung erbrechtlicher Formerfordernisse ein methodisches Wagnis und Produkt (sehr) ergebnisorientierter Rechtsanwendung. Das Formproblem wird durch eine Besinnung auf die Erkenntnis, dass ein Vertrag zugunsten Dritter nicht das Formerfordernis der im Valutaverhältnis bestehenden Vertragsbeziehung erfüllen muss,259 methodisch abgeschwächt. Anders als im Unterhaltsrecht hat der Gesetzgeber aber erbrechtliche Gestaltungen stets unter einen besonderen Formvorbehalt gestellt. Während ein unterhaltsrechtlicher Vertrag grundsätzlich formfrei geschlossen werden kann,260 ist das bei einem erbrechtlichen Versprechen nicht möglich. Insoweit und mit Blick auf den erbrechtlichen Typenzwang ist das Unbehagen, das mit einer Vertragskonstruktion im Wege richterlicher Rechtsfortbildung zwangsläufig einhergeht, im Erbrecht bedeutend größer als im Unterhaltsrecht. Schließlich ist auch der Vorwurf eines unzulässigen Vertrags zulasten Dritter nicht ohne Weiteres zu entkräften. Der vertragliche „Erbanspruch“ richtet sich schließlich nur gegen die Erben und in keinem Zeitpunkt gegen den Erblasser. Eine Relativierung dieses Kritikpunkts durch die Annahme eines aufschiebend bedingten Anspruchs gegen die versprechende Erblasserin, die (erst) im Wege der Universalsukzession auf die Erben übergeht, offenbart die Konstruiertheit des vertraglichen Erbrechts in aller Deutlichkeit. Selbst wenn man über die vorstehenden Bedenken hinweg einen rechtsethisch sicherlich angemessenen erbrechtlichen Vertrag zugunsten Dritter annähme, verblieben im Vergleich mit einem statusakzessorischen Erbrecht spürbare Schwachstellen. So kann auf diesem Wege kein echter Pflichtteilsanspruch konstruiert werden, und die vertragliche Verpflichtung wäre mangels formwirksamen Erbvertrags frei widerruflich. Auch steuerrechtliche Freibeträge variieren zuungunsten des vertraglichen Erbrechts. Insgesamt ist damit eine Gleichstellung des faktischen Kindes mit rechtlichen Kindern nicht möglich.

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Wanitzek, Rechtliche Elternschaft (2002), S. 276, die damit zutreffend zusammenfasst, wovon BGH FamRZ 1995, 861 ff. grundsätzlich ausgeht. 259 Siehe oben, § 8 III 1b) bb) (4), sowie Coester-Waltjen, Gutachten B zum 56. Deutschen Juristentag (1986), S. B58 ff. 260 Siehe oben, § 8 III 1b) bb) (4).

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e) Anspruch auf Waisenrente In engem Zusammenhang mit dem Erbrecht steht die Frage, ob das Kind nach Versterben eines oder beider faktischer Elternteile einen Anspruch auf (Halb)Waisenrente gemäß § 48 Abs. 1 oder 2 SGB VI hat. Ein erster Anknüpfungspunkt könnte die Unterhaltspflichtigkeit im Sinne der Vorschrift sein. Darunter müsste auch eine vertragliche Unterhaltspflicht subsumiert werden können, was aber sehr zweifelhaft ist.261 Punctum saliens ist denn auch vielmehr der Begriff des Kindes, womit bei systematischer Betrachtung nur das rechtliche Kind gemeint sein dürfte; immerhin erweitert § 48 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI den Anwendungsbereich dadurch, dass als Kinder i.S. des Abs. 1 und 2 auch Stief- und Pflegekinder zu berücksichtigen sind.262 Das Kind, das mit seinen faktischen Eltern wie eine rechtliche Familie zusammenlebt, ist aber regelmäßig Pflegekind i.S. des § 48 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI, mit der Folge, dass es anspruchsberechtigt ist. Für ein solches Pflegekindverhältnis ist nach § 56 Abs. 2 Nr. 2 SGB I (lediglich) Voraussetzung, dass zwischen dem Kind und der betreuenden Person eine häusliche Gemeinschaft besteht, das Pflegeverhältnis auf längere Dauer angelegt ist und ein Obhuts- und Pflegeverhältnis zwischen dem Kind und seinen leiblichen Eltern nicht mehr besteht.263 Das Sozialrecht erkennt das faktische Eltern-Kind-Verhältnis also bei Vorliegen eines örtlichen, zeitlichen und tatsächlichen Moments für die Waisenrente an.264 Diese Voraussetzungen sind bei einem Fall der vorliegenden Art erfüllt. Das gilt insbesondere auch für die letztgenannte Voraussetzung, die in den Inseminationsfällen häufig fehlt; das ist hier deshalb anders, weil das Kind bei keinem seiner rechtlichen Eltern aufwächst und damit zu ihnen keine Obhuts- oder Pflegebeziehung mehr unterhält. Probleme treten aber auf, wenn der faktische Elternteil erst verstirbt, nachdem das Kind bereits aus der nach § 56 Abs. 2 Nr. 2 SGB I erforderlichen häuslichen Gemeinschaft ausgezogen ist. Dann handelt es sich bei dem Kind nicht (mehr) um ein Pflegekind. Ein Anspruch auf (Halb-)Waisenrente dürfte also auch in dem Fall, der Anlass zur vorliegenden Untersuchung gab, nicht bestehen, wenn man nicht die sozialrechtlichen Vorschriften entsprechend weit auslegen will. Es könnte dann allenfalls mit Spickhoff und unter Berücksichtigung 261

Siehe Kasseler Kommentar/Gürtner, 118. EGL, § 48 SGB VI Rn. 8 (mwN); auch nur auf den gesetzlichen Unterhaltsanspruch abstellend BeckOK-SozR/Kreikebohm/Jassat (1.6.2022), § 48 SGB VI Rn. 20, 22. 262 Vgl. BeckOK-SozR/Kreikebohm/Jassat (1.6.2022), § 48 SGB VI Rn. 7 („maßgebend sind die Vorschriften des bürgerlichen Rechts“) sowie Kasseler Kommentar/Gürtner, 118. EGL, § 48 SGB VI Rn. 4 mit Verweis auf Kasseler Kommentar/ders., 118. EGL, § 46 SGB VI Rn. 18 ff. 263 Siehe nur Kasseler Kommentar/Siefert, 118. EGL, § 56 SGB I Rn. 26. 264 Vgl. zur Bereitschaft des Sozialrechts, einen faktischen Status anzuerkennen, Klinkhammer, in: LA Pintens I (2012), S. 753 (762 ff.) sowie bereits die Witwenrentenentscheidung des BVerfG, siehe oben, § 7 IV 2b) aa) (1).

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der Versorgungsfunktion des Erbrechts der Rechtsbindungswille des verstorbenen Teils, der auf den Abschluss eines unterhaltsrechtlichen Vertrags zugunsten des Kindes gerichtet ist, so ausgelegt werden, dass der vertragliche Unterhaltsanspruch nicht wie ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch mit dem Tode der versprechenden Person endet, sondern gewissermaßen auf deren Erben und Erbinnen zumindest in der Höhe übergeht, in welcher bei rechtlicher Elternschaft ein Anspruch auf (Halb-)Waisenrente bestanden hätte.265 f) Wertendes Ergebnis Die vorstehende Untersuchung der verfügbaren Lösungsmöglichkeiten für einen interessengerechten Ausgleich zwischen faktischen Eltern und Kind im Falle eines gefälschten Geburtenregisters hat einige schuldrechtliche Wege aufgezeigt, die beschritten werden können, um im Einzelfall zu einem ausgewogenen finanziellen Ausgleich zu gelangen. Hervorgehoben wurden aber auch die damit verbundenen Schwierigkeiten tatsächlicher und rechtlicher Natur, die sich je nach Einzelfall in mehr oder weniger intensiver Ausprägung stellen. Insgesamt scheint ein unterhaltsrechtlicher Ausgleich zugunsten des Kindes aber möglich zu sein. Das Erbrecht hat sich hingegen als weniger flexibel erwiesen. Ein wesentliches Instrument für den schuldrechtlichen Ausgleich ist das Rechtsinstitut des Vertrags zugunsten Dritter. Neben die dogmatischen Bedenken266 treten insoweit aber weitere Unzulänglichkeiten. Der vertragliche Anspruch ist nicht in jeder Hinsicht einem gesetzlichen Unterhaltsanspruch gleichwertig (etwa im Mangelfall bei Konkurrenz mehrerer Anspruchsberechtigter267). Das Konstrukt gründet sich durchgehend auf einer Willensfiktion, die bei schwierig gelagerten Sachverhalten an ihre Grenzen stoßen kann. Ausgeklammert wurde bisher zudem die Frage, ob Ansprüche des Kindes gegen die wahren rechtlichen Eltern bestehen bleiben; insoweit könnte an eine Freistellungsvereinbarung zwischen faktischen und rechtlichen Eltern gedacht werden, wie sie bei den Inseminationsfällen diskutiert wird, wenn es um die Freistellung des Samenspenders geht.268 Auch erfasst die Konstruktion des Vertrags zugunsten Dritter das Eltern-Kind-Verhältnis nicht umfassend und nur einseitig im Sinne des Kindes.269 Man könnte sich natürlich mit der Feststellung begnügen, die rechtsuntreuen Eltern seien nicht schutzwürdig und die 265

Spickhoff, AcP 197 (1997), 398 (410). Siehe bereits zusammenfassend oben, § 8 III 1b) bb) (1). 267 Vertragliche Unterhaltsansprüche werden von § 1609 BGB (Rangfolge mehrerer Unterhaltsberechtigter) nicht erfasst, siehe Wendel/Dose/Wönne, UnterhaltsR10, § 10 Rn. 608. Die gesetzlichen gehen den vertraglichen Ansprüchen regelmäßig vor, vgl. auch Borth, FamRZ 2014, 915 (917). 268 Siehe umfassend Taupitz/Schlüter, AcP 205 (2005), 591 ff. 269 Vgl. nur die Kritik von Wanitzek, Rechtliche Elternschaft (2002), S. 276 f. 266

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fehlende Gegenseitigkeit sei deshalb kein Problem. Das scheint aber zu kurz gegriffen zu sein. Es hat sich vielmehr gezeigt, dass die faktischen Eltern unter besonderen Umständen schutzwürdig sind. Das lässt sich aber mit den zur Verfügung stehenden schuldrechtlichen Hilfskonstruktionen nur unzureichend abbilden. Ein weiteres Problem tritt zutage, wenn die Eltern dem Kind gegenüber ehrlich sind, aber die Behörden von der fehlenden Verrechtlichung der Elternschaft erfahren. Es stellt sich dann womöglich die Frage, wie die faktische Familie, wenn sie es übereinstimmend will, ihre Realbeziehung verrechtlichen kann.270 Insgesamt stellen die schuldrechtlichen Lösungen nur ein unvollständiges und undifferenziertes Konstrukt dar, das den Anforderungen aus dem Statusrecht (Beständigkeit, Erkennbarkeit, Verlässlichkeit)271 nicht vollständig gerecht wird. Außerdem lässt sich eine Vielzahl wichtiger Rechtsfolgen, die normalerweise an den zwischen Eltern und Kind bestehenden Status geknüpft werden, nicht mit Hilfe schuldrechtlicher Notlösungen konstruieren: angefangen bei der Staatsangehörigkeit, über das elterliche Sorgerecht und wechselseitige Pflichtteilsrechte bis zur mangelnden Anerkennung etwa im Erbschaftssteuerrecht. Auch Klinkhammer hat bei der Beobachtung der vom Bundesgerichtshof diskutierten Möglichkeit des Wegfalls der Geschäftsgrundlage konstatiert, dass das „Auseinanderfallen von Status und Unterhaltspflicht […] einen nicht widerspruchsfrei auflösbaren Konflikt dar[stellt]“.272 Dieser Befund wurde vorliegend bestätigt durch die vielen Einzeldiskussionen, die allesamt darauf gerichtet sind, eine Parallele zum gesetzlichen Geflecht des Verwandtenunterhalts zu ziehen. Es sollen einzelfallgerechte Ergebnisse außerhalb des Statusrechts gefunden werden. Dafür braucht es aber ein schlüssiges Gesamtkonzept, das grundsätzlich eine (finanzielle) Gleichstellung des Kindes mit einem rechtlichen Kind gewährleistet, aber gleichzeitig für eine gegenseitige Verpflichtung des Kindes offen ist, wenn es sich ernsthaft und bewusst für das faktische Statusverhältnis entscheidet. Ferner sollte die Möglichkeit für das Kind gewährleistet sein, sich gegen die faktischen und für die rechtlichen Eltern zu entscheiden. Diese (vertrauensschutztypische) Wahlmöglichkeit muss aber auch mit rechtlichen Konsequenzen einhergehen, was die Auflösung der Unterhaltspflicht der faktischen Eltern bedeuten könnte. Dieses letztere Ergebnis ließe sich zwar schuldrechtlich erreichen (§ 313 BGB), wirkt aber sehr konstruiert und ist methodisch angreifbar.

270

Vgl. ferner im Rahmen vorgetäuschter Identität noch unten, § 8 III 2c). Siehe oben, § 4 I 1 und 2. 272 Klinkhammer, in: LA Pintens I (2012), S. 753 (762). 271

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2. Unwirksame Ehe der faktischen Eltern Gutgläubig gelebte Vater-Kind-Verhältnisse entstehen ferner, wenn die rechtliche Vaterschaft auf der Ehe der Eltern beruht und sich die eheliche Verbindung später als unwirksam erweist. Eine unwirksame Ehe kann nämlich nicht die rechtliche Vaterschaft eines Kindes gemäß § 1592 Nr. 1 BGB etablieren.273 Die Beispiele für diese Fallkonstellationen sind so breitgefächert wie die Gründe, aus denen sich die Unwirksamkeit der Ehe ergibt. a) Problemaufriss und Interessenlage Alleinstellungsmerkmal einer dieser Fallkonstellationen ist das Vortäuschen einer fremden Identität, deren Fehlen die unerkannte beziehungsweise unbedachte Nichtexistenz der rechtlichen Vaterschaft eines gemeinsamen Kindes zur Folge hat. Der Lebenssachverhalt wurde bereits wiederholt geschildert274 und ist hier nur kursorisch zusammenzufassen: Die genetische Mutter eines Kindes ist in Wirklichkeit nicht die Ehefrau des (genetischen) Vaters ihres gemeinsamen Kindes, für die sie sich ausgibt. In konsequenter Fortführung dieser Täuschung wird die Anerkennung des Kindes nicht erklärt. Dennoch leben die Frau, der Mann und das Kind als Familie zusammen und gehen davon aus, dass ihr familiäres Band rechtliche Anerkennung findet. Erst vierzig Jahre nach der Geburt des Kindes erfahren das Kind und das Standesamt von der Täuschung. Zu diesem Zeitpunkt ist der faktische Vater bereits verstorben. Das Verhalten des Paares führt dazu, dass der Partner der genetischen Mutter nicht die Position eines rechtlichen Vaters erlangt: Die Zuordnung gemäß § 1592 Nr. 1 BGB scheitert an der Nichtexistenz der Ehe, und eine Anerkennung ist in konsequenter Fortführung der Täuschung nicht erfolgt. Das gilt unabhängig davon, ob der faktische Vater zugleich, wie im Ausgangsfall, der genetische Vater des Kindes ist. Ist der faktische Vater bereits verstorben, wenn die tatsächlichen Umstände bekannt werden, begehrt das Kind die Verrechtlichung der gelebten Vaterschaft vor allem deshalb, weil sein gesetzliches Erbrecht von einer rechtlichen Vaterschaft abhängt. Liegt der Fall hingegen etwas anders und wendet sich der faktische Vater nach Bekanntwerden der Täuschung von dem Kind ab, richtet sich der Fokus des Kindes möglicherweise auch auf Unterhaltsleistungen. Aber auch das unterhaltsrechtliche Interesse des faktischen Vaters könnte virulent werden, wenn er, anstatt zu versterben, schwer erkrankt und sich das Kind angesichts der Täuschung von ihm abwendet. Eng verwandt mit der Konstellation der vorgetäuschten Identität der Ehefrau sind Fälle, in denen eine von allen Beteiligten für wirksam gehaltene Ehe rechtlich unwirksam ist und damit auch die rechtliche Vaterschaft des faktischen 273

Soergel/Schmidt-Recla, BGB13, § 1592 Rn. 17; vgl. zur Begründung der rechtlichen Vaterschaft bei einer Heilung der Ehe BeckOGK-BGB/Balzer (1.8.2022), § 1592 Rn. 63 f. 274 Siehe oben, § 1 II sowie § 6 II 1 sowie § 8 II 2a).

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Ehemanns nicht kraft Ehe besteht. Ist etwa eine im Ausland geschlossene sogenannte Frühehe in Deutschland nach deutschem Recht gemäß Art. 13 Abs. 3 Nr. 3 EGBGB unwirksam, hat das Auswirkungen auf den Status der gemeinsamen Kinder des Paares. Jedenfalls nach deutschem Abstammungsstatut besteht keine rechtliche Vaterschaft des Mannes kraft Ehe,275 sofern nicht die Ehe selbst geheilt wird.276 Insoweit wird eine kollisionsrechtliche Lösung etwa im Wege unselbständiger Vorfragenanknüpfung diskutiert,277 entspricht aber nicht der herrschenden Meinung.278 Ebenfalls einschlägig ist der bereits eingangs skizzierte und im eherechtlichen Teil der Arbeit besprochene Fall der sogenannten Wiedertürken. Das Paar geht von einer wirksamen Eheschließung gemäß Art. 13 Abs. 4 Satz 2 EGBGB und damit von einer rechtlichen Vaterschaft des Mannes gemäß § 1592 Nr. 1 BGB aus. Stellt sich nun beispielsweise im Rahmen eines Scheidungsverfahrens heraus, dass die Ehe nie wirksam geschlossen wurde und eine Heilung nicht eingreift, entfällt damit nach deutschem Sachrecht die rechtliche Vaterschaft eines etwaigen gemeinsamen Kindes mit Wirkung ex tunc. Eine Anerkennung, die allerdings immerhin auch ex tunc wirkt, hängt vom good will des Mannes oder der Frau ab. Es bleibt möglicherweise nur die gerichtliche Vaterschaftsfeststellung, deren Erfolg aber davon abhängt, dass es sich beim Betreffenden auch um den genetischen Vater handelt. Dem auf Sachverhaltsebene anzutreffenden Facettenreichtum korrespondiert mannigfaltiges Lösungspotential. Eine Auflösung des Spannungsverhältnisses, das zwischen unwirksamer rechtlicher Vaterschaft und gelebter Realbeziehung infolge (unerkannter) Unwirksamkeit der Ehe entsteht, könnte bei sogenannten hinkenden Ehen über Art. 19 EGBGB erreicht werden, wobei kollisionsrechtliche Lösungen nicht vom vorliegend abgesteckten Untersuchungsrahmen erfasst sind.279 Womöglich kann das Problem der faktischen ElternKind-Beziehung aber auch für Sachverhalte mit Auslandsbezug im deutschen Sachrecht gelöst werden, was den Vorteil hätte, dass die Fälle nach einheitlichen Maßstäben gelöst würden, und zwar unabhängig davon, ob ein alternatives Abstammungsstatut die faktische Beziehung rechtlich anerkennt oder nicht. Zugleich wäre damit eine Lösung für Sachverhalte ohne Auslandsbezug gefunden, wenngleich eine unheilbar unwirksame Ehe in rein nationalen Fällen selten sein wird.280 275 Schwab, FamRZ 2017, 1369 (1370 f.); Frank, StAZ 2019, 129 (132); siehe auch Makowsky, RabelsZ 83 (2019), 577 (585). 276 Vgl. bereits oben, § 7 IV 1 und 3. 277 Vgl. nur Hüßtege, FamRZ 2017, 1374 (1378); Lohse/Meysen, JAmt 2017, 345 (346) gehen offenbar von einer unselbständigen Anknüpfung aus bzw. erstrecken das Günstigkeitsprinzip auf die Vorfragenanknüpfung, siehe auch Andrae, IntFamR4, § 7 Rn. 47. 278 Siehe zum Streitstand MüKo-BGB8/Helms, Art. 19 EGBGB Rn. 54 mit 49 ff. 279 Siehe zur entsprechenden Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands oben, § 2 I. 280 Vgl. Coester, in: FS Heldrich (2005), S. 537 (537).

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b) Heilung im Status durch Zeitablauf Weil eine Konvaleszenz der für wirksam gehaltenen Ehe, wie die Untersuchung bereits ergeben hat, nach überwiegender Ansicht nur selten, insbesondere bei Vorliegen der strengen Voraussetzungen des § 1310 Abs. 3 BGB, in Betracht kommt,281 stellt sich die Frage, ob zumindest die faktische ElternKind-Zuordnung geheilt werden kann. Statusrelevante Heilungsvorschriften sind zwar generell selten anzutreffen. Das Recht der Eltern-Kind-Zuordnung sieht aber die Heilung einer unwirksamen Vaterschaftsanerkennung nach Ablauf von fünf Jahren nach Eintragung in ein deutsches Personenstandsregister vor (§ 1598 Abs. 2 BGB). Wenn wie in den hier geschilderten Fällen schon keine Anerkennungserklärung vorliegt, hilft die Heilungsvorschrift unmittelbar nicht weiter. Womöglich kann sie aber analog auf den Fall unerkannter Unwirksamkeit der elterlichen Ehe angewendet werden. Ein mit der Anerkennung vergleichbarer Bezugspunkt ist mit der für wirksam gehaltenen Ehe und deren tatsächlichem Vollzug grundsätzlich vorhanden. Anders als im Fall des gefälschten Geburtenregisters soll die rechtliche Vaterschaft auch gerade durch die Ehe vermittelt werden. Bevor die analoge Anwendung diskutiert werden kann, ist ein allgemeiner Blick auf die Heilungsvorschrift zu werfen, um die ratio legis der Vorschrift herauszuarbeiten. aa) Die Heilungsvorschrift des § 1598 Abs. 2 BGB Bereits die Beschränkung der Unwirksamkeitsgründe in § 1598 Abs. 1 BGB gewährleistet einen hohen Bestandsschutz für eine Vaterschaftsanerkennung.282 Darüber hinaus wird aber auch über diesen engen Kreis an Unwirksamkeitsgründen nach Ablauf von fünf Jahren nach Eintragung in ein deutsches Personenstandsregister hinweggesehen. Dabei „werden selbst die evidentesten Mängel geheilt“.283 Das dient vor allem der Statusklarheit sowie der Rechtssicherheit und nicht zuvörderst dem Bestandsinteresse des Kindes.284 Die weiterhin bestehende Möglichkeit der Vaterschaftsanfechtung,285 deren 281

Siehe bereits oben, § 7 IV 1b). BeckOGK-BGB/Balzer (1.8.2022), § 1598 Rn. 2; MüKo-BGB8/Wellenhofer, § 1598 Rn. 1; BeckOK-BGB/Hahn (1.5.2022), § 1598 Rn. 1; Erman/Hammermann, BGB16, § 1598 Rn. 1; Jauernig/Budzikiewicz, BGB18, § 1598 Rn. 11; Soergel/Schmidt-Recla, BGB13, § 1598 Rn. 1 („Statusdogma des Personenrechts“); Grüneberg/Siede, BGB81, § 1598 Rn. 1; Gaul, FamRZ 1997, 1441 (1451); vgl. auch den Entwurf eines Gesetzes über die rechtliche Stellung der unehelichen Kinder vom 7.12.1967, BT-Drs. V/2370, S. 30. 283 Gernhuber/Coester-Waltjen, FamR7, § 54 Rn. 52; vgl. auch MüKo-BGB8/Wellenhofer, § 1598 Rn. 25. 284 Vgl. BeckOGK-BGB/Balzer (1.8.2022), § 1598 Rn. 6; vgl. BeckOK-BGB/Hahn (1.5.2022), § 1598 Rn. 4. 285 § 1598 Abs. 2 BGB schließt die Anfechtung nicht aus, vgl. nur Berkl, Handbuch Personenstandsgesetz (2015), Rn. 503 sowie BeckOGK-BGB/Balzer (1.8.2022), § 1598 Rn. 83. 282

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Frist an keine personenstandsrechtliche Eintragung geknüpft ist, bestätigt diesen Befund. Gegenstand der Heilung ist denn auch lediglich die Anerkennung und nicht der Status der Vaterschaft als solcher.286 Die unstreitig vorzunehmende teleologische Reduktion der Heilungsvorschrift im Falle einer Anerkennungssperre gemäß § 1594 Abs. 2 BGB, also bei Bestehen einer anderen rechtlichen Vaterschaft,287 unterstreicht, dass auch dem Bestandsinteresse im Rahmen des § 1598 Abs. 2 BGB eine gewichtige Rolle zukommt. Die Heilung führt mitnichten dazu, dass eine geheilte Anerkennung eine bereits bestehende Vaterschaft verdrängt. Das Bestandsinteresse überwiegt also im Zweifel die Statusklarheit. Dies erlaubt die Schlussfolgerung, dass der Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 1598 BGB die widerstreitenden Interessen im Sinne der Rechtssicherheit und auch unter entscheidender Berücksichtigung des Bestandsinteresses des Kindes auflösen wollte.288 Fälle mit Auslandsbezug werden im Zusammenhang mit § 1598 Abs. 2 BGB, anders als bei § 1310 Abs. 3 BGB,289 kollisionsrechtlich kaum einmal ausführlich diskutiert, was darauf zurückzuführen sein dürfte, dass diese Fälle selten auftreten; immerhin steht ausweislich des Gesetzeswortlauts nur die Heilung einer Anerkennungserklärung gegenüber dem deutschen Standesamt zur Diskussion, und in diesem Fall wird das Kind regelmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben (Art. 19 Abs. 1 Satz 1 EGBGB) oder der anerkennende Vater wird Deutscher sein (Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EGBGB), sodass insoweit deutsches Sachrecht berufen ist. Der internationale Anwendungsbereich kann aber unabhängig davon auch hier eigenständig und weit definiert werden, weil es, wie bei § 1310 Abs. 3 BGB, um Vertrauen geht, welches ein deutsches Standesamt erweckt hat. Die Schutzwürdigkeit der Betreffenden verdient unter diesen Voraussetzungen bei ausländischem Statut nicht weniger Anerkennung als bei deutschem Statut. Hintergrund der Begrenzung auf eine Registrierung im deutschen Personenstandsregister ist, dass nur so die hinreichende Prüfung der Eltern-Kind-Zuordnung aus Sicht des deutschen Rechts gewährleistet werden kann.290 Insoweit 286

BeckOGK-BGB/Balzer (1.8.2022), § 1598 Rn. 69. Siehe BeckOGK-BGB/Balzer (1.8.2022), § 1598 Rn. 79 ff.; MüKo-BGB8/Wellenhofer, § 1598 Rn. 25; Jauernig/Budzikiewicz, BGB18, § 1598 Rn. 13; Soergel/Schmidt-Recla, BGB13, § 1598 Rn. 11; Palandt/Brudermüller, BGB79, § 1598 Rn. 5; Keuter, FamRZ 2019, 671 (674). 288 So auch BGH NJW 1985, 804 (805). 289 Siehe oben, § 7 IV 1b) bb) und cc) (2). 290 Berkl, Handbuch Personenstandsgesetz (2015), Rn. 503; MüKo-BGB8/Wellenhofer, § 1598 Rn. 23; BeckOGK-BGB/Balzer (1.8.2022), § 1598 Rn. 71. Siehe auch den Entwurf eines Gesetzes über die rechtliche Stellung der unehelichen Kinder vom 7.12.1967, BT-Drs. V/2370, S. 31; vgl. zur Vermutung der biologischen Wahrheit von Scheliha, Familiäre Autonomie und autonome Familie (2019), S. 89. Vgl. zur vergleichbaren Problematik innerhalb des § 1310 Abs. 3 BGB (dort aber str.) bereits oben, § 7 IV 1b) cc) (2). 287

286

Dritter Teil: Vertrauensschutz und statusorientiertes Recht

wird nicht nur die enge Begrenzung der Heilungsvorschrift sichtbar291 sondern auch der Grund für den Bestandsschutz und die Rechtssicherheit: Entscheidend ist, dass nach außen erkennbar wird, dass eine Vaterschaftsanerkennung abgegeben wurde, und die Betreffenden hiervon Kenntnis nehmen können.292 Insgesamt ist festzuhalten, dass der Gedanke des Vertrauensschutzes dem statusorientierten Recht der Eltern-Kind-Zuordnung nicht fremd ist. Vielmehr hat er gesetzlichen Niederschlag gefunden; dies aber nur in eng begrenzten Fällen einer unwirksamen Vaterschaftsanerkennung, und dort auch nur insbesondere unter der Voraussetzung, dass eine Eintragung in ein deutsches Personenstandsregister erfolgt ist und das Bestandsinteresse des Kindes nicht entgegensteht. Es geht mithin primär um Verkehrsschutz und daneben auch um den Bestandsschutz des Kindes. bb) Analoge Anwendung Liegt einer der hier geschilderten Fälle einer unwirksamen Ehe vor, werden die allgemeinen Tatbestandsvoraussetzungen der Heilungsvorschrift grundsätzlich erfüllt sein: Die vermeintliche Vaterschaft ist in einem deutschen Personenstandsregister seit mehr als fünf Jahren eingetragen. Zweifel bestehen aber an der methodischen Zulässigkeit einer Gesetzesanalogie. Erforderlich sind bekanntlich Vergleichbarkeit und planwidrige Regelungslücke.293 Der Ausnahmecharakter der Vorschrift steht allein einer Analogie nicht entgegen; die These der Analogieunfähigkeit von Ausnahmeregelungen muss vielmehr als Formalargument hinter die teleologische Betrachtung zurücktreten.294 Die Interessenlagen sind ähnlich: Erfüllt eine Anerkennung nicht die in § 1598 Abs. 1 BGB in Bezug genommenen Voraussetzungen, rechtfertigt die auf einer wirksamen Anerkennung aufbauende Vater-Kind-Beziehung nach Ablauf von fünf Jahren den Bestand der rechtlichen Vaterschaft. Es geht also darum, dass Beteiligte und Außenstehende von einer wirksamen Anerkennung ausgehen und die so (vorgeblich) etablierte Vaterschaft tatsächlich leben. Das lässt sich auf eine unwirksame Eheschließung und eine darauf aufbauende Zuordnung rechtlicher Vaterschaft übertragen. Dabei fällt aber auf, dass die Heilungsvorschrift des § 1598 Abs. 2 BGB keine Gutgläubigkeit voraussetzt. Das wird kompensiert durch das Erfordernis der Eintragung in ein Register und die Vornahme einer Handlung in Form der Anerkennungserklärung. An die Stelle der Anerkennungserklärung müsste also ein vergleichbarer Akt treten. Das ist 291 Ferner ist eine Heilung nicht möglich, wenn eine Anerkennung zwar eingetragen, aber niemals erklärt wurde, vgl. BeckOGK-BGB/Balzer (1.8.2022), § 1598 Rn. 78. 292 Entwurf eines Gesetzes über die rechtliche Stellung der unehelichen Kinder vom 7.12.1967, BT-Drs. V/2370, S. 31; vgl. auch Soergel/Schmidt-Recla, BGB13, § 1598 Rn. 10. 293 Larenz/Canaris, Methodenlehre3, S. 191, 194, 202 f.; Möllers, Juristische Methoden4 lehre , Rn. 6.109, 6.112, 6.115 ff. 294 Möllers, Juristische Methodenlehre4, Rn. 6.32 ff., insbes. 6.34.

§ 8 Rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung

287

hier problematisch, weil die Ehe im Gegensatz zur Anerkennung nicht auf die Etablierung rechtlicher Vaterschaft gerichtet ist. Letztere ist lediglich eine Nebenwirkung, die auf eine von Erfahrungssätzen getragene Vermutung gestützt wird.295 Die Analogie bedeutete zudem eine partielle Heilung der Ehe für die Zwecke der Etablierung der Vaterschaft. Die Heilung einer Ehe unterliegt aber ganz eigenen Voraussetzungen,296 die nicht unterlaufen werden dürfen. Zudem ist eine partielle Heilung der Ehe nicht mit dem statusrechtlichen Gedanken der Totalität297 vereinbar. Summa summarum fehlt es an einer hinreichenden Vergleichbarkeit. Man könnte ferner auf eine mit der Anerkennung(-serklärung) vergleichbare Handlung womöglich verzichten, indem stattdessen der Gutgläubigkeit eine entscheidende Bedeutung beigemessen wird. Das aber wiederum entfernt sich nicht nur vom Gesetzeswortlaut, sondern führt weit über den primären Gesetzeszweck hinaus, der einer registrierten Anerkennung im Sinne des Verkehrsschutzes ein hohes Maß an Verlässlichkeit zuspricht. Man kann der Regelung schwerlich die allgemeine gesetzgeberische Wertung entnehmen, sämtliche Vater-Kind-Zuordnungen bei Gutgläubigkeit des Kindes zu verrechtlichen. Im Gegenteil hat der Gesetzgeber mit der Anerkennung eine besondere Regelungsmaterie herausgegriffen, die sich vor allem durch ein sehr formelles und damit fehleranfälliges System auszeichnet; die Heilungsmöglichkeit rechtfertigt sich auch besonders vor diesem Hintergrund. In letzter Konsequenz liefe die analoge Anwendung auf eine Heilung der Vaterschaft als solche hinaus, die aber der Gesetzgeber so nicht gewollt haben dürfte. Eine Analogie scheidet damit grundsätzlich aus. Darüber hinaus bereitete die Analogie im Fall der vorgetäuschten Identität der Ehefrau weitere Probleme. Die Gutgläubigkeit der Eltern, auf die ja entscheidend abgestellt werden müsste, lässt sich nicht ohne Weiteres feststellen. Es kommt dann darauf an, welche Sachverhalte zu vergleichen sind. Stellt man auf die gesamte Familie ab, wird man eine Analogie mangels Vergleichbarkeit ablehnen müssen. Ist das Kind hingegen Bezugspunkt, kann es keinen Unterschied machen, ob die Eltern von der Unwirksamkeit der Eheschließung wussten oder nicht, solange das Kind insoweit gutgläubig gewesen ist. Richtigerweise scheint die isolierte Betrachtung der Gutgläubigkeit auf Seiten des Kindes im vorliegenden Zusammenhang aber wenig überzeugend zu sein, weil die Heilungsvorschrift des § 1598 Abs. 2 BGB gerade nicht primär Ausdruck des Kindeswohls ist, sondern der allgemeinen Statusklarheit.

295 Im Sinne des römischen Rechtssatzes „pater vero est, quem nuptiae demonstrant“, vgl. MüKo-BGB8/Wellenhofer, § 1592 Rn. 1, 6. 296 Vgl. nur § 1310 Abs. 3 BGB; ausführlich bereits oben, § 7. 297 Siehe bereits oben, § 4 I 2a).

288

Dritter Teil: Vertrauensschutz und statusorientiertes Recht

c) Begründung des Status Als statusrelevante Lösung bleibt auf der Ebene des deutschen Sachrechts mithin lediglich die Möglichkeit, den gewünschten Status nachträglich (mit Wirkung ex tunc) auf anderem Wege zu begründen. Diese Option ist zunächst in den Blick zu nehmen, bevor – wie bei dem gefälschten Geburtenregister – ein etwaiger schuldrechtlicher Ausgleich diskutiert werden soll. Für die Implementierung des Status stehen die herkömmlichen Wege der Vaterschaftsanerkennung und der gerichtlichen Vaterschaftsfeststellung zur Verfügung. Weitgehend unproblematisch liegt der Fall, wenn die faktische Familie bei der Frage der Verrechtlichung des Eltern-Kind-Verhältnisses einvernehmlich zusammenwirkt und gleichzeitig kein anderer Mann, der womöglich sogar der genetische Vater des Kindes ist, dies (scil. die Verrechtlichung des Faktischen) zu vereiteln sucht. Die rechtliche Vaterschaft kann dann im Wege der Anerkennung herbeigeführt werden. Wird der für eine Anerkennung erforderliche Konsens hingegen nicht erreicht, weil eine der beteiligten Personen nicht zustimmt oder der faktische Vater bereits verstorben ist, kommt die Feststellung der rechtlichen Vaterschaft im Wege des Vaterschaftsfeststellungsverfahrens gemäß § 1600d BGB in Betracht. aa) Anerkennung der Vaterschaft Eine Anerkennung der Vaterschaft gemäß §§ 1594 ff., 1592 Nr. 2 BGB ist an keine Frist gebunden, sodass sie auch noch Jahre nach der Geburt erfolgen kann.298 Wird sie postnatal erklärt, wirkt sie grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Geburt zurück, wenngleich die Wirkungen erst ab Wirksamkeit der Anerkennung (ggf. rückwirkend) geltend gemacht werden können (§ 1594 Abs. 2 BGB, sogenannte Rechtsausübungssperre).299 Unschädlich ist ferner, dass das Kind womöglich bereits volljährig ist; es bedarf dann lediglich auch dessen Zustimmung gemäß § 1595 Abs. 2 BGB.300

298

Siehe Schwab, FamR30, Rn. 669; Gernhuber/Coester-Waltjen, FamR7, § 54 Rn. 48. Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts (2018), S. 320; Wanitzek, Rechtliche Elternschaft (2002), S. 72; Dethloff, FamR33, § 10 Rn. 28; MüKo-BGB8/Wellenhofer, § 1594 Rn. 18; vgl. auch zu § 1599 Abs. 2 BGB Billig, Scheidungsakzessorischer Statuswechsel (2000), S. 96. Differenzierend Schwab, FamR30, Rn. 675 (für Sorge und Vertretung nur ex tunc-Wirkung). Probleme, die aus einer mangelnden Rückwirkung der Anerkennung in Bezug auf die elterliche Sorge resultierten, können mit denselben Erwägungen gelöst werden, die bei einer wirksamen Vaterschaftsanfechtung diskutiert werden: konkludente Ermächtigung des Scheinvaters bei gemeinsamer Sorge, Analogie zu §§ 1698a, 1698b, 1893 BGB bei alleiniger Sorge des faktischen Vaters, vgl. BeckOGK-BGB/Reuß (1.8.2022), § 1599 Rn. 126.1 f.; MüKo-BGB8/Wellenhofer, § 1599 Rn. 62 (mwN auch zur Gegenansicht). 300 Siehe MüKo-BGB8/Wellenhofer, § 1595 Rn. 12; Muscheler, FamR4, Rn. 549. 299

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(1) Fehlender Konsens Bei fehlendem Konsens ist die Etablierung rechtlicher Vaterschaft qua Anerkennung bekanntermaßen nicht möglich. Erforderlich ist neben der Anerkennungserklärung des faktischen Vaters die Zustimmung der Mutter (§ 1595 Abs. 1 BGB) und gegebenenfalls des Kindes (§ 1595 Abs. 2 BGB). Letzteres ruft beispielsweise Friktionen hervor, wenn der faktische Vater, der stets für das Kind gesorgt hat, seinerseits Unterhalt von dem inzwischen volljährigen Kind begehrt, das Kind aber seine Zustimmung nunmehr verweigert. Eine Etablierung rechtlicher Vaterschaft ist dann nur im Wege der gerichtlichen Feststellung möglich. Ein fehlender Konsens hinsichtlich der Anerkennung kann aber nur bei genetischer Verbindung zwischen faktischem Vater und Kind im Wege einer gerichtlichen Vaterschaftsfeststellung kompensiert werden. Dieses Verfahren ermöglicht nämlich nur die rechtliche Feststellung einer genetischen Vaterschaft. Darüber hinaus scheidet die Verrechtlichung der Vaterschaft im Wege einer Anerkennung auch aus, wenn der faktische Vater bereits verstorben ist, weil er dann keine Willenserklärung mehr abgeben kann.301 Es bleibt wiederum die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft bei Bestehen einer genetischen Verbindung. Die Erkenntnis, dass bei fehlender Zustimmung oder Vorversterben des faktischen Vaters eine rechtliche Vaterschaft nur konstituiert werden kann, wenn Kind und faktischer Vater genetisch voneinander abstammen, begegnet mitunter Bedenken. Wertungsmäßig lässt sich eine Parallele zur wissentlich falschen Vaterschaftsanerkennung ziehen: Erkennt ein Mann ein Kind als eigenes an, obwohl er weiß, dass er mit dem Kind nicht genetisch verbunden ist, bestehen keine Zweifel an der wirksamen rechtlichen Vaterschaft; es existiert lediglich ein zweijähriges „Reuerecht“302 für den faktischen Vater, aber auch für die Mutter. Jedenfalls wenn der faktische Vater in den hier analysierten Fällen von der fehlenden genetischen Verbindung wusste, sich aber nicht gegen die scheinbare Etablierung rechtlicher Vaterschaft gemäß § 1592 Nr. 1 BGB wendet, überzeugt es nicht, den Fall anders zu entscheiden als bei einer wissentlich falschen Anerkennung. In beiden Fällen entschließt sich der Mann, die rechtliche Vaterschaft für ein genetisch nicht von ihm abstammendes Kind zu übernehmen, und zwar jeweils mit Einverständnis der Mutter. Es liegt dann eine 301

Vgl. zur Rechtsnatur der Anerkennung nur Schwab, FamR30, Rn. 670 sowie Dethloff, FamR , § 10 Rn. 15; vgl. zur umstrittenen Frage, ob eine Anerkennung nach Versterben der Mutter noch möglich ist, statt vieler BeckOGK-BGB/Balzer (1.8.2022), § 1595 Rn. 13; Keuter, FamRZ 2018, 969 (971); vgl. zur postmortalen Anerkennung im Falle des Versterbens des Kindes BeckOGK-BGB/Balzer (1.8.2022), § 1595 Rn. 59 f. 302 Frank, in: FS Coester-Waltjen (2015), S. 53 (60); kritisch zu der Anfechtungsmöglichkeit bei „bewusst der genetischen Abstammung widersprechenden […] Anerkennung“ Arbeitskreis Abstammungsrecht, Abschlussbericht (2017), S. 49. 33

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Dritter Teil: Vertrauensschutz und statusorientiertes Recht

wertungsmäßig gleichgelagerte übereinstimmende Disposition303 über die Vater-Kind-Zuordnung vor; was in einem Fall die Zustimmung zur wahrheitswidrigen Anerkennung ist, bedeutet in dem anderen Fall die Nichtbeseitigung der wahrheitswidrigen Vaterschaft qua Ehe. Ein Unterschied besteht zwar möglicherweise darin, dass die Disposition nur auf der Grundlage einer (im zwischenmenschlichen Sinne) intakten Ehe erfolgte. Dieses Interesse ist aber weder kindeswohlgerecht noch als tatsächliche Bedingung zulässig. Eine entsprechend bedingte Anerkennung wäre jedenfalls gemäß § 1594 Abs. 3 BGB unwirksam. Wird sie dennoch eingetragen, wäre sie zumindest der Heilung gemäß § 1598 Abs. 2 BGB zugänglich. Einziger Grund für eine unterschiedliche Bewertung der Konstellationen könnte in dem Formerfordernis der Anerkennung erblickt werden. Damit besteht bei wissentlich falscher Anerkennung zumindest eine gewisse Warnfunktion, die es so bei der Etablierung rechtlicher Vaterschaft qua Ehe nicht gibt. Ob das allein die unterschiedlichen Ergebnisse rechtspolitisch überzeugend zu begründen vermag, ist zweifelhaft. (2) Fehlende genetische Verbindung Probleme können auch auftreten, wenn es an einer genetischen Verbindung zwischen faktischem Vater und Kind mangelt. Scheitert die dennoch erfolgte Anerkennung zwar nicht an dem Verhalten einzelner Mitglieder der faktischen Familie, kann die auf diesem Wege herbeigeführte Vaterschaft aber von einem Mann angefochten werden, der an Eides statt versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben (§ 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Hier kann womöglich der in § 1600 Abs. 2 und 3 BGB implementierte Anfechtungsausschluss weiterhelfen, wofür aber die Besonderheiten des Einzelfalls in den Blick genommen werden müssen. Bei der danach vorzunehmenden Abwägung kommt es nicht auf starre Altersgrenzen, sondern auf „qualitative Faktoren“ an.304 Eine zeitliche Mindestdauer des Kontakts wird zwar nicht gefordert,305 es muss aber eine gewisse Intensitätsschwelle überschritten werden.306 Insoweit reichen bloße Unterhaltsleistungen307 oder das bloße Zusammenleben in einer Hausgemeinschaft308 nicht aus. Eine sozial-familiäre Beziehung liegt

303

Vgl. insoweit Gernhuber/Coester-Waltjen, FamR7, § 54 Rn. 20. BeckOGK-BGB/Reuß (1.8.2022), § 1600 Rn. 92 mit ausführlicher Kasuistik in Rn. 92.1 f. 305 BGH FamRZ 2018, 275 (277); MüKo-BGB8/Wellenhofer, § 1600 Rn. 27 (mwN). 306 MüKo-BGB8/Wellenhofer, § 1600 Rn. 27. 307 MüKo-BGB8/Wellenhofer, § 1600 Rn. 26. 308 BeckOGK-BGB/Reuß (1.8.2022), § 1600 Rn. 92.2. 304

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aber vor, wenn der Vater in wesentliche Entscheidungen, die das Kind betreffen, einbezogen wird,309 ein ihm zustehendes Sorgerecht tatsächlich wahrnimmt und eine vertrauensvolle Beziehung zu dem Kind aufbaut.310 Das zeitliche Momentum erlangt insoweit an Relevanz, als dass die Verantwortungsübernahme auf Dauer angelegt sein muss.311 Auch sind Alter und Entwicklungsstand des Kindes zu berücksichtigen.312 Das Gleiche gilt letztlich für die Frage, welcher Zeitraum für ein Zusammenleben über eine „längere Zeit“ i.S. des § 1600 Abs. 3 Satz 2 BGB erforderlich ist. Das ist umstritten und es kommt im Ergebnis entscheidend auf den Einzelfall und die Qualität der Vater-KindBeziehung an.313 In aller Regel wird in den hier betrachteten Konstellationen eine Anfechtung durch den genetischen Vater ausgeschlossen sein, wenn die Nachholung der Vater-Kind-Zuordnung im Wege der Anerkennung erfolgt ist. bb) Vaterschaftsfeststellungsverfahren Verstirbt der faktische Vater oder weigert sich eine der beteiligten Personen, das Kind anzuerkennen beziehungsweise die Zustimmung zur Anerkennung zu erteilen, bleibt lediglich eine gerichtliche Feststellung der Vaterschaft gemäß § 1600d BGB möglich.314 Das erfordert gegebenenfalls die Exhumierung315 des verstorbenen Mannes. Unabhängig von einer moralisch-ethischen Bewertung der Exhumierung316 stellen sich im postmortalen Vaterschaftsfeststellungsver-

309

BeckOGK-BGB/Reuß (1.8.2022), § 1600 Rn. 92. Vgl. OLG Hamm FamRZ 2016, 1185 ff. (mAnm Hammer). 311 BGH FamRZ 2018, 275 (277); BeckOGK-BGB/Reuß (1.8.2022), § 1600 Rn. 92. 312 MüKo-BGB8/Wellenhofer, § 1600 Rn. 27. 313 Vgl. etwa OLG Bremen FamRZ 2010, 1822 (1822) („jedenfalls in einer Fallgestaltung der vorliegenden Art“); siehe Büttner, in: FS Schwab (2005), S. 735 (739) sowie Helms, FamRZ 2010, 1 (5 mit Fn. 44). 314 Siehe zur Erforderlichkeit eines postmortalen Vaterschaftsfeststellungsverfahren etwa OLG Saarbrücken NZFam 2019, 322 (mAnm Thomas Stein). 315 Vor der Durchführung einer Exhumierung ist aber im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu prüfen, ob Gewebeproben der verstorbenen Person oder naher Verwandter vorhanden und ausreichend sind, die genetische Abstammung aufzuklären, vgl. MüKoBGB8/Wellenhofer, § 1600d Rn. 27; BeckOGK-BGB/Reuß (1.8.2022), § 1600d Rn. 62; Dürbeck, in: Prütting/Helms, FamFG5, § 178 Rn. 5a. Im Falle einer Kremierung der verstorbenen Person ist ein Rückgriff auf andere Verwandte ebenfalls zulässig, weil die Duldungspflicht nach § 178 FamFG grundsätzlich alle Personen trifft, siehe MüKo-FamFG3/CoesterWaltjen/Lugani, § 178 Rn. 7. 316 Vgl. MüKo-BGB8/Wellenhofer, § 1600d Rn. 27 (mwN). Siehe zur soziologischen und rechtlichen Bedeutung der Totenruhe sowie zur Bedeutung der Exhumierung im Abstammungsverfahren Helms, DEuFamR 2000, 162 (163 f., 168 ff.). Das Interesse an der Feststellung der Vaterschaft genießt regelmäßig Vorrang gegenüber der Totenruhe, siehe BGH NJW 2014, 3786 (3788 f.) (mAnm Wellenhofer); Helms/Kieninger/Rittner, Abstammungsrecht 310

292

Dritter Teil: Vertrauensschutz und statusorientiertes Recht

fahren gemäß §§ 1600d BGB, 169 Nr. 1 FamFG teilweise besondere verfahrensrechtliche Probleme.317 Wirklich problematisch wird es aber erst, wenn – anders als im Ausgangsfall – eine genetische Verbindung zwischen dem faktischen Vater und dem Kind nicht besteht, weil die gerichtliche Feststellung nur bei genetischer Vaterschaft erfolgen kann.318 Eine Begründung der rechtlichen Vaterschaft gemäß § 1592 Nr. 3 BGB ist dann nicht mehr möglich. cc) Zwischenergebnis Die Untersuchung hat verdeutlicht, dass eine rechtliche Begründung des faktisch gelebten Status nachträglich oftmals, aber nicht immer, unproblematisch möglich ist. Ohne auf die aufgeworfenen Einzelfragen en détail einzugehen, genügt für die vorliegende Untersuchung die Feststellung, dass die positivrechtliche Lösung für die jahrelang gutgläubig gelebte Vaterschaft im Falle einer unwirksamen Ehe der faktischen Eltern zwar oftmals in einer neuen Begründung des Status bestehen kann, es aber Fälle gibt, in denen dieser Weg versperrt ist. d) Rechtsfolgenorientierte Lösung Scheiden sowohl die Heilung als auch die Neubegründung des Status aus, stellt sich die Frage, ob die erwünschten Rechtsfolgen auch ohne wirksamen Status herbeigeführt werden können. Die Möglichkeit, den (väterlichen) Namen weiterhin zu führen, wurde bereits herausgearbeitet.319 Es bleibt zu untersuchen, welche schuldrechtlichen Ansprüche zwischen faktischem Vater und Kind bestehen. aa) Ansprüche des Kindes Erbrechtliche oder unterhaltsrechtliche Ansprüche des Kindes gegen den faktischen Vater, der nicht auch genetischer Vater des Kindes ist, lassen sich wie bei den gefälschten Geburtenregistern je nach Einzelfall im Wege eines Vertrags zugunsten des Kindes konstruieren. Es sind dann dieselben argumentativen Hürden zu nehmen wie bei den Fällen der gefälschten Geburtenregister, (2010), Rn. 170, 256 mit Hinweis auf EGMR, Urt. vom 13.7.2006 – 58757/00, FamRZ 2006, 1354 (1354 f.) (Jäggi/Schweiz). 317 Vgl. zur Frage, wer zu beteiligen ist, beispielsweise Dürbeck, in: Prütting/Helms, FamFG5, § 172 Rn. 10; zu Beweisproblemen etwa Wellenhofer, NZFam 2014, 117 (120); siehe zur Exhumierung im Rahmen einer postmortalen Vaterschaftsfeststellung ausführlich Lakkis, FamRZ 2006, 454 ff.; Klinkhammer, MAH Familienrecht5, § 31 Rn. 68 ff. sowie BGH NJW 2014, 3786 ff. (mAnm Wellenhofer); siehe zur Exhumierung zur Erfüllung eines Anspruchs gemäß § 1598a BGB Helms, FamRZ 2008, 1033 (1034). 318 BeckOGK-BGB/Reuß (1.8.2022), § 1600d Rn. 6; Palandt/Brudermüller, BGB79 § 1600d Rn. 1; Gernhuber/Coester-Waltjen, FamR7, § 54 Rn. 53. 319 Siehe oben, § 6 IV 3.

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die sich insbesondere im Hinblick auf das Erbrecht stellen.320 Problematisch erscheint jedoch auch die Begründung eines Rechtsbindungswillens zu sein. Die Konstellation der vorgetäuschten Identität erinnert an die sogenannten Stiefkindfälle, in denen jedenfalls nicht ohne Weiteres unterstellt werden kann, dass der Partner des rechtlichen Elternteils das Kind wie ein eigenes behandeln will.321 Es müsste mithin festgestellt werden, dass der faktische Vater bewusst das Kind als rechtliches akzeptierte. Zudem muss gewährleistet sein, dass ihm positiv bekannt war, dass das Kind nicht genetisch von ihm abstammt. Anderenfalls bestünde die Gefahr, eine etwaige Täuschung durch die Kindesmutter rechtlich zu unterstützen und dem Mann ein genetisch nicht von ihm abstammendes Kind ohne sein Zutun schuldrechtlich aufzudrängen. Methodisch lässt sich das erreichen, indem ein entsprechender Rechtsbindungswille aus verobjektivierter Sicht der Erklärungsempfängerin (der Mutter) nur vorliegen kann, wenn der Mann in Kenntnis aller Umstände den Schein der rechtlichen Vaterschaft, der durch die vorgegebene Ehe vermittelt wird, aufrechterhält. Der entscheidende Unterschied zu den Stiefkindkonstellationen besteht hier also darin, dass eine rechtliche Vaterschaft zumindest mittelbar vorgetäuscht wird. Ist das Kind insoweit gutgläubig, ist sein Schutzinteresse durch die Annahme eines Vertrags zugunsten des Kindes anzuerkennen. Bei der Konstellation unerkannter Unwirksamkeit der Ehe bedeutete die Konstruktion eines schuldrechtlichen Vertrags hingegen die schlichte Fiktion eines Rechtsbindungswillens, für die kaum Anhaltspunkte bestehen. Selbst bei Kenntnis von der fehlenden genetischen Verbindung zwischen faktischem Vater und Kind gingen die faktischen Eheleute von einer wirksamen rechtlichen Vaterschaft qua Ehe aus. Die Annahme, sie hätten durch das Aufrechterhalten der scheinbaren rechtlichen Vaterschaft zu erkennen gegeben, einen gegenseitigen schuldrechtlichen Vertrag zugunsten des Kindes schließen zu wollen, ist zumindest eine anspruchsvolle argumentative Herausforderung. bb) Ansprüche des faktischen Vaters Ansprüche des faktischen Vaters lassen sich, wie bei den gefälschten Geburtenregistern,322 kaum überzeugend begründen.

320

Siehe umfassend bereits oben, § 8 III 1. Vgl. Frank, in: FS Coester-Waltjen (2015), S. 53 (60); MüKo-BGB8/Wellenhofer, § 1590 Rn. 8; vgl. auch Brudermüller, Referat zum 71. DJT 2016, S. P40 (P43); vgl. auch Staudinger/Klinkhammer, BGB (2018), Vorbemerkungen zu §§ 1601–1615n Rn. 139 (die Aufnahme des Stiefkinds in den Haushalt allein genüge nicht für die Annahme eines konkludenten Vertragsschlusses). 322 Siehe oben, § 8 III 1c). 321

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Dritter Teil: Vertrauensschutz und statusorientiertes Recht

e) Zusammenfassendes Ergebnis Die Problematik der Fallkonstellationen unwirksamer Ehen hat ihren Ursprung bei Lichte betrachtet in der Unwirksamkeit der Eheschließung. Das für die rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung einfachste Ergebnis wäre damit die Heilung der Ehe, die aber nur in engen Grenzen möglich ist. Gleiches gilt für eine Heilung der unwirksamen rechtlichen Vaterschaft. Das provoziert eine Ergebniskorrektur im Recht der Eltern-Kind-Zuordnung durch Neubegründung der rechtlichen Abstammungsbeziehung, die regelmäßig, aber nicht immer vorgenommen werden kann. Nur mit großer Mühe lassen sich Ungerechtigkeiten dann noch teilweise im Schuldrecht ausgleichen. 3. Versagte Anerkennung der Adoption im Inland a) Problemaufriss und Interessenlage In den einleitend angesprochenen Fallkonstellationen, in denen eine im Ausland wirksam erfolgte Adoption im Inland keine Anerkennung findet, entstehen ebenfalls faktische Eltern-Kind-Verhältnisse, wenn die faktische Familie als solche über einen längeren Zeitraum hinweg zusammenlebt. Eine zu bevorzugende Lösung könnte, wie einleitend angedeutet, gelegentlich in der großzügigeren Handhabung des materiellen ordre public und damit in der Anerkennung der ausländischen Adoptionsentscheidung liegen.323 Solange die deutschen Gerichte aber dazu neigen, eine Anerkennung schon dann zu versagen, wenn im ausländischen Adoptionsverfahren eine Kindeswohlprüfung nicht mit der gleichen Intensität wie in der deutschen Praxis vorgenommen wurde, und damit sogenannte hinkende Abstammungsverhältnisse produziert, ist eine Lösung im deutschen Sachrecht zu suchen, um die aus der fehlenden rechtlichen Elternschaft resultierenden Nachteile, insbesondere den Wegfall eines gesetzlichen Unterhaltsanspruchs des Kindes, auszugleichen. b) Heilung im Status Eine Heilung im Status kommt nicht in Betracht. Eine Analogie zu § 1598 Abs. 2 BGB scheidet bereits ganz allgemein324 und vorliegend im Speziellen auch deshalb aus, weil keine Eintragung in einem deutschen Personenstandsregister erfolgt ist.

323 324

Siehe oben, § 2 II 1. Siehe oben, § 8 III 2b) bb).

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c) Begründung des Status Eine zukunftsgerichtete Lösung mit ex nunc-Wirkung bietet die Möglichkeit einer sogenannten Nachadoption im Inland. Das bedeutet, ein erneutes Adoptionsverfahren in Deutschland durchzuführen.325 Darauf weist auch das OLG Karlsruhe im eingangs angesprochenen Beispielsfall hin, wenn es eine „Wiederholungsadoption“ anstatt einer Anerkennung befürwortet.326 Ein solches Verfahren verursacht allerdings zusätzliche Kosten und einen vorübergehenden Schwebezustand für das Kind, was angesichts der denkbaren Komplikationen eines zweiten Adoptionsverfahrens umso schwerer wiegt.327 Auch Unterhaltsansprüche stehen dem Kind erst mit Etablierung der rechtlichen ElternKind-Zuordnung zu, weil die Nachadoption nur ex nunc wirkt.328 Diese vermeidbaren Nachteile werden auch nicht durch eine etwas pragmatischere Behandlung im Sozialrecht kompensiert.329 Hinzukommt, dass gerade internationale Adoptionen eine große Herausforderung für die Adoptiveltern darstellen. Eltern-Kind-Beziehungen entwickeln sich nicht immer so, wie man sich das erhofft hat. Die Gefahr, dass kein Interesse an einer Neuvornahme der Adoption bestehen könnte, ist nicht von der Hand zu weisen. Jugendamtsmitarbeitende berichten von Fällen, in denen Adoptiveltern nach Vornahme einer Auslandsadoption das Kind wenige Zeit später dem Jugendamt überantworten wollten. d) Rechtsfolgenorientierte Lösungen Frank sieht bei versagter Anerkennung einer Adoption einen Ausweg in der Konstruktion eines unterhaltsrechtlichen Vertrags zugunsten des Kindes.330 Von den bereits diskutierten Einzelfragen dieses schuldrechtlichen Ansatzes sind im Vergleich zu den Fällen gefälschter Geburtenregister insbesondere die Umstände des Vertragsschlusses von besonderem Interesse. Zunächst ist zu eruieren, zwischen welchen Personen ein solcher Vertrag geschlossen worden sein könnte. Nimmt ein Paar die Adoption gemeinsam vor, liegt es nahe, wiederum einen Vertrag zwischen den beiden Partnern anzunehmen.331 Die Annahme eines beiderseitigen Rechtsbindungswillens erscheint hier noch mehr

325 Siehe zum Begriff der Nachadoption nur Reinhardt, ZRP 2006, 244 (247) sowie kritisch zu diesem Rechtsinstitut Busch, IPRax 2003, 13 (13 f.). 326 OLG Karlsruhe StAZ 2011, 210 (212 f.). 327 Siehe nur MüKo-BGB5/Klinkhardt, Art. 22 EGBGB Rn. 114. 328 MüKo-BGB8/Helms, Art. 22 EGBGB Rn. 112. 329 Sozialrechtlich ist beispielsweise für den Bezug von Elterngeld gemäß § 4 Abs. 1 Satz 3 BEEG die tatsächliche Haushaltsaufnahme entscheidend, vgl. LSG Hessen FamRZ 2020, 1108; siehe Eckebrecht, NZFam 2020, 1053 (1055). 330 Frank, in: FS Coester-Waltjen (2015), S. 53 (58). 331 Frank, in: FS Coester-Waltjen (2015), S. 53 (58).

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Dritter Teil: Vertrauensschutz und statusorientiertes Recht

als bei gezielter Umgehung eines Adoptionsverfahrens als reine Willensfiktion; gehen die Beteiligten doch gerade (zu Recht) von einer wirksamen Adoption im Ausland aus und wollen darüber hinaus keinerlei schuldrechtliche Verbindlichkeiten eingehen. Nichtsdestotrotz erscheint es methodisch vertretbar, die Zustimmung zur Auslandsadoption so auszulegen, dass für das Kind auch für den Fall Verantwortung übernommen werden soll, wenn die Adoption im Ausland keine Rechtswirkungen entfalten sollte; und zwar sowohl gegenüber dem anderen faktischen Elternteil als auch gegenüber dem Kind. Entschließt sich hingegen eine Einzelperson zur Adoption,332 bleibt als Vertragspartnerin regelmäßig nur die Adoptionsvermittlungsstelle. Letztere wird sich aber gerade nicht gegenüber dem adoptionswilligen Teil zur Verantwortungsübernahme verpflichten wollen – ein mehrseitiger Vertrag zugunsten des Kindes scheidet mithin aus. Die bereits zu den Fällen des gefälschten Geburtenregisters angestellten Erwägungen333 gelten hier gleichermaßen, und die Konstruiertheit des schuldrechtlichen Ansatzes wird entsprechend sichtbar. e) Zusammenfassendes Ergebnis Die Fallgestaltung versagter Adoptionsanerkennungen lässt sich nach demselben Muster auflösen wie die Konstellation des gefälschten Geburtenregisters. Die Annahme eines unterhaltsrechtlichen Vertrags zugunsten des Kindes erfordert indes noch mehr Bereitschaft zur Willensfiktion, weil die faktischen Eltern auf eine wirksame Adoption vertrauen und anders als bei einer gezielten Umgehung des Adoptionsverfahrens keinerlei Anlass haben, sich gegenseitig zu verpflichten, für das Kind stets wie für ein eigenes zu sorgen. 4. Vertauschte Kinder Wie einleitend aufgezeigt, entstehen faktisch gelebte Eltern-Kind-Verhältnisse auch, wenn Kinder nach der Geburt334 versehentlich und zunächst unerkannt vertauscht werden. Sie wachsen dann in der Regel nicht bei ihren rechtlichen Eltern, sondern bei den sogenannten Putativeltern auf.335 a) Problemaufriss und Interessenlage Anschauungsmaterial zu vertauschten Kindern ist rar gesät, was auf eine geringe Fallzahl schließen lässt. Eine einschlägige Statistik existiert aber nicht, 332

So im Fall des OLG Frankfurt a.M. StAZ 2012, 241 ff. Siehe oben, § 8 III 1b) bb). 334 Insoweit unterscheiden sich die Fallkonstellationen von denjenigen, die Gegenstand der Untersuchung von Jäschke, Gametenvertauschung (2020) sind. Bei der postnatalen Vertauschung stellen sich andere Rechtsfragen als bei der pränatalen Vertauschung von Keimzellen, vgl. zu letzterem ders., Gametenvertauschung (2020), S. 114 ff. 335 Siehe bereits oben, § 1 II sowie § 8 II 1c). 333

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und die tatsächliche Häufigkeit dieser Fallkonstellationen ist mithin nicht ermittelbar.336 In der Öffentlichkeit werden indes immer wieder einschlägige Fälle bekannt,337 und es ist davon auszugehen, dass sich nicht alle Vertauschungen aufdecken lassen und damit eine gewisse Dunkelziffer338 besteht. Mangels einheitlicher Standards zur Vorbeugung von Kindesverwechslungen in deutschen Geburtskliniken ist es ferner mitnichten ausgeschlossen, dass es zukünftig auch in Deutschland zu Fällen kommen kann wie demjenigen, über den im Jahr 2015 das Tribunal de Grande Instance de Grasse339 zu entscheiden hatte.340 Auch die veröffentlichte Rechtsprechung liefert bislang wenig Anschauungsmaterial. In der rechtswissenschaftlichen Literatur hingegen handelt es sich, wohl weil es dogmatisch besonders anspruchsvoll ist, um ein regelmäßig diskutiertes Phänomen,341 für dessen Folgeprobleme im Sorge-, Umgangs-, Unterhalts-, und Erbrecht bereits Lösungsvorschläge unterbreitet wurden.342 Das positive Familienrecht zeigt im Ausgangspunkt eine scheinbar eindeutige Lösung auf, die in der Herausgabe des jeweiligen Kindes an seine rechtlichen Eltern, zu denen es keine sozial-familiäre Beziehung besitzt, besteht. Dass dies der gesetzliche Regelfall ist, ergibt sich aus §§ 1632, 1626 BGB, wonach die rechtlichen Eltern als Personensorgeberechtigte Herausgabe des Kindes verlangen und über Aufenthalt und Umgang des Kindes bestimmen können.343

336

Eckebrecht, in: GS Wörlen (2013), S. 267 (270); ders., FPR 2011, 394 (395). Siehe nur die Beispiele bei Eckebrecht, in: GS Wörlen (2013), S. 267 (270 mit Fn. 5) sowie bei Veit/Hinz, FamRZ 2010, 505 (505 mit Fn. 1); vgl. auch Geier, ZEuP 2017, 180 (185 mit Fn. 2) unter Hinweis auf die Aufzählung bekannter Fälle bei Corpart, 7 RJFP 2015, 29 (30). Siehe auch die Fallübersicht bei Jäschke, Gametenvertauschung (2020), S. 351 f.; vgl. auch die Suche eines erwachsenen Kindes nach seinem Pendant, nachdem die Kinder bereits 1990 in einer Klinik vertauscht wurden, https://www.abendblatt.de/vermischtes/article210940715/Wenn-die-Tochter-mit-ihrer-Mama-nicht-verwandt-ist.html (zuletzt: 6.9.2022). 338 So auch Berg/Felber/Hübner/Jonat, Der Gynäkologe 2008, 544 ff.; Jäschke, Gametenvertauschung (2020), S. 5. 339 Siehe oben, § 1 II sowie Geier, ZEuP 2017, 180 ff.; Frank, FamRZ 2015, 1149 ff. 340 So Geier, ZEuP 2017, 180 (185); ähnlich Osterloh, Krankenhaus: Vertauschte Babys, in: Deutsches Ärzteblatt 43/2013, abrufbar unter: https://www.aerzteblatt.de/archiv/148446/Krankenhaus-Vertauschte-Babys (zuletzt: 6.9.2022); siehe auch Berg/Felber/Hübner/Jonat, Der Gynäkologe 2008, 544 ff. im Zusammenhang mit der Darstellung einer Studie der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe aus dem Jahr 2007. 341 Frank, FamRZ 2015, 1149 ff.; ders., StAZ 2015, 225 ff.; Veit/Hinz, FamRZ 2010, 505 ff.; Willems, NZFam 2016, 445 ff.; Geier, ZEuP 2017, 180 ff.; Eckebrecht, FPR 2011, 394 ff.; ders., in: GS Wörlen (2013), S. 267 ff.; Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts (2018), S. 455 ff.; Neuner, AcP 214 (2014), 459 (498 ff.). 342 Siehe zum Namensrecht bereits oben, § 6 II sowie § 6 IV 3. 343 Vgl. nur Neuner, AcP 214 (2014), 459 (498). 337

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Dritter Teil: Vertrauensschutz und statusorientiertes Recht

Ein solcher Rücktausch ist aber nicht immer unproblematisch.344 Das konsequente Anknüpfen an die genetische Abstammung entspricht nicht per se dem Kindeswohl und den Interessen der rechtlichen und faktischen Eltern. Im US-amerikanischen Recht wird dies unter der Bezeichnung „nature vs nuture“345 diskutiert, was die gegensätzlichen Pole anschaulich beschreibt. Auch im deutschen Familienrecht besteht keine strikte Dichotomie zwischen genetischer und faktischer Elternschaft. Vielmehr stellt das Kindeswohl die maßgebliche Richtschnur für die Auflösung eines Zuordnungskonflikts dar.346 Ganz im Sinne des neueren Verständnisses vom Kind als Subjekt statt Objekt familienrechtlicher Maßnahmen und elterlicher Stipulation ist das Kind nach Möglichkeit entscheidend zu beteiligen.347 Fraglich ist aber, wie eine entsprechende Lösung erreicht werden kann. b) Konsensualer Rücktausch Die wenigsten Probleme bereitet die Rechtsanwendung, wie so oft, wenn die Familien Einigkeit über die zukünftige Gestaltung der familiären Verhältnisse erzielen können. Eine Entscheidung könnte auf den Rücktausch der Kinder lauten. Die Kinder werden dann jeweils an die rechtlichen Eltern,348 die sorgeberechtigt sind, herausgegeben (§ 1632 Abs. 1 BGB) und die faktischen Eltern erhalten innerhalb des von § 1685 Abs. 2 BGB abgesteckten Rahmens ein Umgangsrecht mit dem Kind. Abgesehen von der Rückwirkung des fehlenden Sorgerechts der faktischen Eltern,349 bedürfen zwei Aspekte kurzer Untersuchung: die hinreichende Berücksichtigung des Kindesinteresses am Fortbestand der sozialen Familie bei fehlender Einsichts- und Urteilsfähigkeit des Kindes (aa)) sowie die finanzielle Rückabwicklung der faktischen Familien (bb)). aa) Kindesinteresse Das Kindeswohl und der Schutz des Kindesinteresses am Fortbestand der sozialen Familie können, auch wenn das Kind noch nicht selbst entscheidungsfähig ist, über die Vorschrift des § 1632 Abs. 4 BGB berücksichtigt werden. Danach kann das Familiengericht eine Verbleibensanordnung mit dem Inhalt er-

344

Willems, NZFam 2016, 445 (446). Siehe dazu sowie rechtsvergleichend zur Rechtsprechungspraxis in den USA Willems, NZFam 2016, 445 (446). 346 Vgl. im Rahmen von § 1632 BGB, BVerfG FamRZ 2010, 865 (865) sowie BeckOKBGB/Veit (1.5.2022), § 1632 Rn. 72 (mwN). 347 Vgl. Willems, NZFam 2016, 445 (447) sowie im Zusammenhang mit der vertraglichen Gestaltungsfreiheit im Familienrecht Budzikiewicz, in: Family law and culture (2014), S. 151 (162) („in any case the child must not become an object of free disposition“) sowie (167). 348 Vgl. zu der rechtlichen Elternschaft in diesen Fällen bereits oben, § 8 II 1c). 349 Siehe auch Veit/Hinz, FamRZ 2010, 505 (509). 345

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lassen, dass das Kind bei der Pflegeperson verbleibt. Ein Antrag der Pflegeperson ist nicht zwingend erforderlich, theoretisch kann die Anordnung vielmehr auch von Amts wegen erfolgen, doch ist das in der Praxis selten. Voraussetzung ist zum einen, dass das Kind seit längerer Zeit in Familienpflege lebt ((1)) und zum anderen, dass die Wegnahme das Kindeswohl gefährden würde (2)). Darüber hinaus wirft das Umgangsrecht des Kindes mit seinen (bisherigen) sozialen Eltern klärungsbedürftige Fragen auf ((3)). (1) Pflegeverhältnis i.S. des § 1632 Abs. 4 BGB Ein Pflegeverhältnis i.S. des § 1632 Abs. 4 BGB setzt nicht den Abschluss einer Pflegvereinbarung zwischen Sorgeberechtigten und Pflegeperson voraus. Ausreichend ist vielmehr die tatsächliche Übernahme von Pflegeverantwortung über einen längeren Zeitraum.350 Das Merkmal des längeren Zeitraums hat sich an dem kindlichen Zeitempfinden zu orientieren und umfasst die gesamte Zeit, die das Kind tatsächlich bei der Pflegeperson verbracht hat.351 Vor diesem Hintergrund erweist sich das Tatbestandsmerkmal des Pflegeverhältnisses in Vertauschungsfällen regelmäßig als unproblematisch. (2) Kindeswohlgefährdung Die Eingriffsschwelle ist in Anlehnung an die Vorschrift des § 1666 BGB zu ermitteln und damit wegen der insoweit bestehenden Beschränkung des Elterngrundrechts der rechtlichen Eltern (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) sehr hoch.352 Erforderlich ist insbesondere eine nachhaltige Gefährdung des Kindeswohls.353 Das soll anzunehmen sein, „wenn im Einzelfall mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht auszuschließen ist, dass die Trennung des Kindes von seinen Pflegeeltern psychische oder physische Schädigungen nach sich ziehen kann“.354 Einschlägige Beurteilungskriterien sind der Grad der Verwurzelung in der Pflegefamilie, der Wille und das Alter des Kindes, die Dauer des fakti-

350

MüKo-BGB8/Huber, § 1632 Rn. 40 mit 18; vgl. auch Dethloff, FamR33, § 14 Rn. 9, § 13 Rn. 87; Gernhuber/Coester-Waltjen, FamR7, § 68 Rn. 19. 351 Vgl. Veit/Hinz, FamRZ 2010, 505 (510); allgemein auch MüKo-BGB8/Huber, § 1632 Rn. 41 sowie Staudinger/Salgo, BGB (2020), § 1632 Rn. 42. 352 MüKo-BGB8/Lugani, § 1666 Rn. 22 mit Fn. 61; vgl. kritisch auch Staudinger/Salgo, BGB (2020), § 1632 Rn. 47 ff. Siehe aber auch MüKo-BGB8/Huber, § 1632 Rn. 46, der sich überzeugend für eine niedrigere Schwelle als bei § 1666 BGB ausspricht, so auch Siedhoff, NJW 1994, 616 (619); a.A. hingegen BeckOK-BGB/Veit (1.5.2022), § 1632 Rn. 80. 353 BeckOK-BGB/Veit (1.5.2022), § 1632 Rn. 72 f., 80 (mwN). 354 So wörtlich MüKo-BGB8/Huber, § 1632 Rn. 45 unter Bezugnahme auf BVerfG FamRZ 2010, 865 (866).

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Dritter Teil: Vertrauensschutz und statusorientiertes Recht

schen Zusammenlebens sowie die Persönlichkeit der faktischen und rechtlichen Eltern.355 Es hat jedenfalls eine umfassende Bewertung des Einzelfalls stattzufinden.356 Auf diese Weise kann das Kindeswohl theoretisch auch dann Berücksichtigung finden, wenn sich die faktischen und rechtlichen Eltern über einen Rücktausch einig sind. Der Weg über die Verbleibensanordnung erlaubt mit anderen Worten die einzelfallbezogene Abwägung der Interessen der rechtlichen und faktischen Eltern, aber auch der beteiligten Kinder. Dennoch wird ein von den Elternpaaren übereinstimmend gewollter Rücktausch realistischerweise nicht an § 1632 Abs. 4 BGB scheitern, weil dann, wenn alle beteiligten Erwachsenen den Rücktausch des Kindes wünschen, kaum anzunehmen sein wird, dass ein Verbleib in der Pflegefamilie gegen den Willen der sozialen Eltern den Interessen des Kindes besser dient, und außerdem die Annahme einer Kindeswohlgefährdung im Sinne der Vorschrift nicht schon dann möglich ist, wenn der Verbleib des Kindes in der Putativfamilie schlicht kindeswohldienlicher wäre als der Rücktausch. Hinzu kommt aus praktischer Sicht, dass das Familiengericht von dem Sachverhalt (vor dem Rücktausch) keine Kenntnis erlangen wird. (3) Umgang des Kindes Ein Bestandsinteresse des Kindes, das im Gedanken der Statusbeständigkeit unüberhörbaren Widerhall findet, könnte abseits einer Kindeswohlgefährdung womöglich durch ein Umgangsrecht hinreichend berücksichtigt werden. Darauf hat das Kind selbst keinen gesetzlichen Anspruch, weil das Umgangsrecht des Kindes gemäß § 1684 Abs. 1 BGB auf die rechtlichen Eltern beschränkt ist357 und § 1685 BGB dem Kind kein eigenes Umgangsrecht mit anderen Bezugspersonen gewährt.358 Allerdings können die faktischen Eltern bei Nachweis positiver Kindeswohldienlichkeit über § 1685 Abs. 2 BGB einen Anspruch auf Umgang geltend machen, um das bestehende Sozialgefüge im kindlichen Kontinuitätsinteresse wenigstens ein Stück weit aufrechtzuerhalten. bb) Monetäre Rückabwicklung Der Rücktausch der Kinder hat nach deutschem Familienrecht aber stets auch (gegenseitige) Regressansprüche wegen des in der Vergangenheit zu Unrecht geleisteten Unterhalts zur Folge. Gemäß § 1607 Abs. 3 Satz 2 BGB geht der Unterhaltsanspruch des Kindes gegen einen (unterhaltspflichtigen) Elternteil 355 Vgl. Veit/Hinz, FamRZ 2010, 505 (510); MüKo-BGB8/Huber, § 1632 Rn. 50 ff.; anschaulich auch Willems, NZFam 2016, 445 (447). 356 MüKo-BGB8/Huber, § 1632 Rn. 49; Staudinger/Salgo, BGB (2020), § 1632 Rn. 44b. 357 Siehe nur Jauernig/Budzikiewicz, BGB18, §§ 1684, 1685 Rn. 2; Grüneberg/Götz, BGB81, § 1684 Rn. 4. 358 Veit/Hinz, FamRZ 2010, 505 (509); Jauernig/Budzikiewicz, BGB18, §§ 1684, 1685 Rn. 2.

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auf denjenigen über (cessio legis), der irrtümlich als Vater Unterhalt leistet. Dieser rechtspolitisch umstrittene359 sogenannte Scheinvaterregress ist auch auf die Scheinmutter analog anwendbar, weil der Gesetzgeber nicht bedacht hat, dass auch eine weibliche Person sich irrtümlich für die rechtliche Mutter eines Kindes halten und dem Kind Unterhalt gewähren kann.360 Der jeweilige Regress ist aber in der Höhe auf dasjenige Maß beschränkt, dass der rechtliche Elternteil hätte gewähren müssen. Insoweit werden die gegenseitigen Regressansprüche regelmäßig im Wege der Aufrechnung ausgeglichen.361 Probleme treten aber auf, wenn eines der Kinder früher verstirbt und folgerichtig keinen Unterhaltsanspruch mehr hat oder ein Kind einen besonderen Mehrbedarf besitzt, mit der Folge höherer Regressforderungen.362 Dann muss ein tatsächlich gelebtes Eltern-Kind-Verhältnis nicht nur theoretisch, sondern in praxi für die Beteiligten spürbar finanziell rückabgewickelt werden.363 Das erscheint ohne zeitliche Begrenzung nicht angemessen zu sein,364 ist aber konsequente Folge des gesetzgeberischen Motivs, denjenigen zu schützen, der irrtümlich an das Bestehen einer verwandtschaftlichen Beziehung geglaubt hat.365 Damit soll die Bereitschaft Dritter gefördert werden, den Unterhalt des Kindes sicherzustellen.366 Hier ist die Unzulänglichkeit des deutschen Familienrechts bei der Anerkennung faktischer Statusverhältnisse klar zu erkennen. Es besteht, zugespitzt formuliert, ein auf das negative Interesse gerichteter Schutz des faktischen Elternteils und kein konstruktiver Schutz für die in der Vergangenheit gelebte Realbeziehung. Die Bereitschaft zur Sicherung des Lebensunterhalts eines Kindes, das die unterhaltsleistende Person für ein eigenes hält, wird von einer cessio legis für einen Fall, an den überhaupt nicht gedacht wurde, nicht berührt. 359

Anschaulich und nachdrücklich Heiderhoff, FamRZ 2010, 8 (13); siehe auch Helms, FamRZ 2013, 943 (943 f.) sowie Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Scheinvaterregresses […] vom 16.11.2016, BT-Drs. 18/10343, S. 2. 360 Veit/Hinz, FamRZ 2010, 505 (509); Frank, FamRZ 2015, 1149 (1151); Neuner, AcP 214 (2014), 459 (499). Siehe zur analogen Anwendung auf den Ausgleich zwischen zwei rechtlichen Elternteilen Zwirlein, FamRZ 2015, 896 (898). 361 Veit/Hinz, FamRZ 2010, 505 (509); Frank, FamRZ 2015, 1149 (1151). 362 Frank, FamRZ 2015, 1149 (1151). 363 Siehe Frank, FamRZ 2015, 1149 (1151), der rechtsvergleichend von einer „Eigenart des deutschen Rechts“ spricht. Ähnlich und allgemein kritisch zum zeitlich unbeschränkten Regress Helms, FamRZ 2013, 943 (943 f.). 364 Vgl. das vorerst gescheiterte Reformvorhaben des Entwurfs eines Gesetzes zur Reform des Scheinvaterregresses […] vom 16.11.2016, BT-Drs. 18/10343, S. 2 („unangemessen[e] monetär[e] Rückabwicklung des Familienlebens für viele Jahre“); siehe Staudinger/Klinkhammer, BGB (2018), § 1607 Rn. 3. 365 Siehe zur ratio legis Palandt/Brudermüller, BGB79, § 1607 Rn. 16; MüKo-BGB8/Langeheine, § 1607 Rn. 22; Erman/Hammermann, BGB16, § 1607 Rn. 23. 366 Erman/Hammermann, BGB16, § 1607 Rn. 23 mit 20; siehe auch Forschner, FamRZ 2013, 1700 (1700).

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cc) Zwischenergebnis Überwiegend kann der konsensuale Rücktausch der Kinder von dem geltenden Familienrecht bewältigt werden. Das gilt allerdings nicht für die monetäre Rückabwicklung des faktischen Statusverhältnisses. Sie negiert nicht nur die faktisch gelebte Verbindung, sondern führt auch in besonders gelagerten Einzelfällen zu ungerechten Ergebnissen. Im Übrigen kann das Kindeswohl theoretisch zwar im Rahmen des § 1632 Abs. 4 BGB Beachtung finden, doch muss erstens die hohe Hürde einer Kindeswohlgefährdung genommen werden, und dürften zweitens die Familiengerichte aus praktischer Sicht bei einvernehmlichem Vorgehen der beteiligten Erwachsenen mit dieser Frage schon überhaupt nicht befasst werden. c) Übereinstimmende Erhaltung des status quo Bis zu einem etwaigen Rücktausch sind die Putativeltern zunächst Pflegeeltern des Kindes, das bei ihnen aufgewachsen ist, und haben Entscheidungsbefugnisse für Angelegenheiten des täglichen Lebens (§ 1688 Abs. 1 BGB).367 Entscheiden sich die Familien übereinstimmend für die Beibehaltung der bis dato gelebten Familienverhältnisse, wird es regelmäßig ihrem Interesse entsprechen, die faktischen Eltern-Kind-Zuordnungen zu verrechtlichen. Insoweit werden zwei Ansätze diskutiert. aa) Adoptionsverfahren Die beteiligten Familien können Adoptionsverfahren durchführen, mit dem Ziel, das jeweilige Putativkind zu adoptieren. Ein Vorteil der Dekretadoption gemäß §§ 1741 ff., 1752 BGB besteht darin, dass das Kindeswohl zentraler Entscheidungsmaßstab ist und insoweit die von den Beteiligten in Anspruch genommene Autonomie auch unter Kindeswohlerwägungen zulässt.368 Insbesondere Reuß weist aber darauf hin, dass das Adoptionsverfahren mit seinen auf Prognose des Zusammenlebens und Prävention gerichteten Voraussetzungen auf die Konstellation eines bereits jahrelang gelebten faktischen ElternKind-Verhältnisses nicht recht passt und sieht es als zu sperrig an.369 Das stützt bereits der Zweck der Minderjährigenadoption, der darin besteht, „Kindern ohne Eltern und Kindern, deren Eltern zur Erziehung nicht bereit oder in der Lage sind, das Aufwachsen in einer intakten Familie zu ermöglichen“.370 Darum geht es bei gutgläubig gelebten Eltern-Kind-Verhältnissen infolge Kindesvertauschung aber nicht.

367

Vgl. Veit/Hinz, FamRZ 2010, 505 (509). Vgl. nur Budzikiewicz, in: Family law and culture (2014), S. 151 (163). 369 Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts (2018), S. 456. 370 Staudinger/Helms, BGB (2019), § 1748 Rn. 1. 368

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bb) Einvernehmliche Vaterschaftszuordnung Ausgehend von den erkannten Nachteilen eines Adoptionsverfahrens erwägt Reuß eine analoge Anwendung des § 1599 Abs. 2 BGB.371 Ein Konzept einvernehmlicher Vaterschaftszuordnung außerhalb der konventionellen Vaterschaftszuordnung gemäß § 1592 BGB wird auch im Zusammenhang mit der heterologen Samenspende diskutiert.372 Dahinter steht die zutreffende Wertung, dass das Recht „einer von allen Beteiligten gewünschten Deckungsgleichheit von rechtlicher und genetischer Vaterschaft nicht im Wege stehen“ sollte.373 § 1599 Abs. 2 BGB stellt zu diesem Zweck eine Ausnahme von der in § 1592 Nr. 1 BGB enthaltenen Vermutung der genetischen Vaterschaft des Ehemanns dar.374 Diese Wertung ist auf den Fall vertauschter Kinder nur teilweise übertragbar, weil dort gerade nicht die Zusammenführung von rechtlicher und genetischer Vaterschaft intendiert wird. Ein gemeinsamer Nenner besteht aber in der übereinstimmend gewollten Verrechtlichung faktisch gelebter – und künftig gewollter – Realitäten. Angeknüpft wird mit anderen Worten neben dem voluntativen Element an ein tatsächliches Moment. Ein Konzept einvernehmlicher Vaterschaftszuordnung verdient unter dem Gesichtspunkt gutgläubig gelebter Statusverhältnisse weitere Überlegungen, hat indes mit § 1599 Abs. 2 BGB nur wenig zu tun, weil der scheidungsakzessorische Statuswechsel auf einer Richtigkeitsvermutung fußt, die sich auf die genetische Vaterschaft des anerkennenden Mannes bezieht,375 während bei gutgläubig gelebten Eltern-Kind-Verhältnissen infolge Kindesvertauschung gerade entgegen der bekannten genetischen Abstammung rechtliche Elternschaft etabliert werden soll. Ferner müsste eine hinreichende Gewährleistung des Kindeswohls sichergestellt werden, damit eine von faktischen und rechtlichen Eltern konsentierte Aufrechterhaltung des status quo nicht nur ihrem Interesse, sondern auch demjenigen des Kindes entspricht; eine staatliche Prüfung findet im Rahmen des § 1599 Abs. 2 BGB aber konsequenterweise376 nicht statt. Das gilt umso mehr, als dass das Kind anders als in den Fällen des § 1599 Abs. 2 BGB nicht nur ein Kleinstkind sein kann, dessen Wille ohnehin nicht ermittelbar wäre.

371

Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts (2018), S. 456, 539. Wellenhofer, FamRZ 2013, 825 (829). 373 Wellenhofer, FamRZ 2013, 825 (829). 374 BeckOGK-BGB/Reuß (1.8.2022), § 1599 Rn. 14; Billig, Scheidungsakzessorischer Statuswechsel (2000), S. 30 ff., 40 f.; Grüneberg/Siede, BGB81, § 1599 Rn. 10; BeckOKBGB/Hahn (1.5.2022), § 1599 Rn. 3; MüKo-BGB8/Wellenhofer, § 1599 Rn. 63. 375 BeckOGK-BGB/Reuß (1.8.2022), § 1599 Rn. 14. 376 Vgl. BeckOK-BGB/Hahn (1.5.2022), § 1599 Rn. 4; MüKo-BGB8/Wellenhofer, § 1599 Rn. 64, 66. 372

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d) Konflikthafte Konstellationen Erzielen die beteiligten Kinder und die rechtlichen sowie faktischen Eltern keinen Konsens, muss das Familienrecht die streitigen Konstellationen in den einzelnen Rechtsbereichen (elterliche Sorge, Aufenthalt, Umgang und Unterhalt) entscheiden und die Interessenkollision unter maßgeblicher Berücksichtigung des Wohls der Kinder auflösen. Ausgangspunkt der Überlegung ist die Unterscheidung der Konfliktfälle. Es kann vorkommen, dass das eine Elternpaar tauschen, das andere den status quo aufrechterhalten möchte; denkbar ist auch, dass eine (oder sogar beide) Familie(n) zwar das bei ihnen lebende Kind abgeben, aber das andere Kind nicht aufnehmen wollen. Ferner ist vorstellbar, dass die Wünsche der Kinder nicht mit denjenigen ihrer faktischen oder rechtlichen Eltern übereinstimmen. Es kann vorliegend nicht jede denkbare Konstellation durchexerziert werden; vielmehr soll es für den Zweck der Arbeit genügen, die skizzierten Grundkonstellationen einer kritischen Würdigung zu unterziehen; und zwar ausgehend von dem gesetzlichen Regelfall des Rücktausches, also der Herausgabe an die rechtlichen Eltern, sowie der Erkenntnis, dass eine Veränderung der rechtlichen Elternschaft bei fehlendem Konsens de lege lata bisher kaum377 möglich erscheint. Insbesondere kommt, wie oben erörtert,378 eine Heilung analog § 1598 Abs. 2 BGB nicht in Betracht. aa) Rücktausch als Regelfall Auch in einer streitigen Konstellation dürfte davon auszugehen sein, dass das Gesetz den Rücktausch als Regelfall ansieht.379 Das Sorgerecht steht gemäß § 1626 BGB den rechtlichen Eltern zu, die deshalb das Kind nach § 1632 Abs. 1 BGB herausverlangen können und allein über den Aufenthalt des Kindes bestimmen (§ 1632 Abs. 2 BGB). Sie sind gemäß § 1601 BGB unterhaltspflichtig und müssen den faktischen Eltern den irrtümlich geleisteten Unterhalt gemäß/analog § 1607 Abs. 3 Satz 2 BGB zurückerstatten. Den Putativeltern steht demgegenüber lediglich ein Umgangsrecht unter den Voraussetzungen des § 1685 BGB bei Kindeswohldienlichkeit zu.380 Dieser gesetzliche Regelfall begegnet aber Bedenken, wenn das Kind in der faktischen Familie bleiben will, die faktische Familie das Kind behalten oder

377 Siehe zur Ersetzung der Zustimmung der rechtlichen Eltern zur Adoption noch unten, § 8 III 4d) bb) sowie § 11 II 1d). 378 Siehe oben, § 8 III 2b) bb). 379 So wohl auch Frank, FamRZ 2015, 1149 (1151). 380 Eckebrecht, in: GS Wörlen (2013), S. 267 (275); vgl. auch Gernhuber/Coester-Waltjen, FamR7, § 68 Rn. 24.

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wenn die rechtlichen Eltern das Kind nicht aufnehmen wollen.381 In allen diesen Fällen stellt sich die Frage nach einem ausnahmsweisen Verbleib des Kindes in der faktischen Familie. bb) Verbleib des Kindes in der faktischen Familie als Ausnahme Auswege kommen nur wenige in Betracht. Denkbar ist im Einzelfall etwa die Erzwingung einer Adoption durch die faktischen Eltern, indem die Einwilligung der rechtlichen Eltern gemäß § 1748 BGB ersetzt wird. Das ist aber nur unter sehr engen Voraussetzungen möglich;382 ein übereinstimmender Wille von faktischer Familie und Kind allein reicht dafür auf keinen Fall aus. Ähnliches gilt für das Sorgerecht der rechtlichen Eltern: Dieses kann nur unter den strengen Voraussetzungen des § 1666 Abs. 1 und 3 Nr. 6 BGB entzogen werden. Allerdings kommt eine Verbleibensanordnung gemäß § 1632 Abs. 4 BGB als milderes Mittel gegenüber Maßnahmen nach § 1666 Abs. 1 BGB in Betracht.383 Ein Pflegeverhältnis zwischen Kind und faktischen Eltern wird regelmäßig bestehen, weil dafür nicht erforderlich ist, dass die Unterbringung des Kindes auf dem Entschluss der rechtlichen Eltern beruht.384 Umstritten und zweifelhaft ist allerdings, ob bei einer Verbleibensanordnung gemäß § 1632 Abs. 4 BGB die Voraussetzung der Kindeswohlgefährdung weniger streng ausgelegt werden kann als im Rahmen des § 1666 Abs. 1 BGB.385 Die Auflösung der „verfassungsrechtlichen Dreieckskonstellation“ ist insgesamt eine schwierige Aufgabe.386 Immerhin sind die gewachsene familiale Bindung, die sich vor allem im frühen Kindesalter manifestiert,387 sowie die mit einer Entfremdung von der

381

Ähnlich schon Geier, ZEuP 2017, 180 (193). Siehe Botthof, Perspektiven der Minderjährigenadoption (2014), S. 80 sowie kritisch S. 91 ff. 383 MüKo-BGB8/Lugani, § 1666 Rn. 22 („§ 1666 greift also nur ein, wenn darüberhinausgehende Störungen des Pflegeverhältnisses durch die Eltern unterbunden werden müssen“). 384 MüKo-BGB8/Huber, § 1632 Rn. 40 mit 18; vgl. auch Dethloff, FamR32, § 14 Rn. 9, § 13 Rn. 87. 385 Siehe oben, § 8 III 4b) aa) (3). Vgl. zum Umgang mit der Norm in der Praxis Helms, Gutachten F zum 71. Deutschen Juristentag (2016), S. F73 f. (mwN). 386 Vgl. auch Schwab, Gutachten A zum 54. Deutschen Juristentag (1982), S. A112; siehe auch Staudinger/Salgo, BGB (2020), § 1632 Rn. 44 („Entscheidungen in diesem Bereich gehören trotz größerer Sicherheit gegenüber früher gewiss nach wie vor zu den schwierigsten, die ein Richter zu treffen hat“). 387 Siehe ausführlich zu den Auswirkungen auf ein Kind bei Abbruch der Eltern-KindBeziehung sowie zur Bedeutung der Stabilität des Lebensumfelds Staudinger/Salgo, BGB (2020), § 1632 Rn. 86 (mwN); siehe auch bereits Siedhoff, NJW 1994, 616 (617 f.). 382

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sozialen Familie verbundenen Nachteile für die Entwicklung des Kindes maßgeblich zugunsten der faktischen Beziehung zu berücksichtigen.388 Alles in allem handelt es sich um eine äußerst schwierige Interessenabwägung, deren Ausgang nur schwer vorhersehbar ist und von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängt. Wenn die rechtlichen Eltern das Kind nicht zurückhaben wollen, hilft allerdings § 1632 Abs. 4 BGB nur weiter, wenn die faktischen Eltern einverstanden sind (wenn also Konsens besteht), weil anderenfalls der Verbleib zur Abwendung einer Kindeswohlgefährdung nicht geeignet erscheinen dürfte. Das führt zu der Frage, wie mit der Konstellation umzugehen ist, dass ein Verbleib des Kindes in der faktischen Familie weder am Willen des Kindes noch an der Zustimmung der rechtlichen Eltern scheitert, sondern an der Bereitschaft der faktischen Eltern, das Kind zu behalten. Eine Verbleibensanordnung kann dann schwerlich erlassen werden, und auch sonst scheint es ausgeschlossen zu sein, den faktischen Eltern ein ihnen rechtlich nicht zugeordnetes Kind zuzuweisen. Aus Billigkeitsgründen dürfte es aber zumindest geboten sein, die faktischen Eltern an der in der Vergangenheit übernommenen Verantwortung festzuhalten. Das betrifft vor allem die Frage des Unterhaltsregresses, aber auch des zukünftigen Unterhalts, wenn die gesetzlich zum Unterhalt verpflichteten Personen ausfallen sollten. Insoweit wäre wiederum ein unterhaltsrechtlicher Vertrag zugunsten Dritter denkbar; finanzielle Nachteile des Kindes lassen sich aber auch im Wege eines Schadensersatzes gegen diejenigen ausgleichen, die für die Vertauschung die (vertragliche oder deliktische) Verantwortung tragen.389 cc) Bewertung Das geltende Familienrecht hält keine zufriedenstellenden Lösungen für streitige Fälle der Kindesvertauschung bereit. Die für die rechtliche Behandlung in Frage kommenden Normen haben bereits eine andere Stoßrichtung und sind primär für die Rechtfertigung eines Eingriffs in das Elterngrundrecht zur Abwehr einer Kindeswohlgefährdung (bei Elternversagen) geschaffen. Damit ist aber der Fall vertauschter Kinder und jahrelang gutgläubig gelebter faktischer Eltern-Kind-Verhältnisse nicht gleichzusetzen. Unter Umständen kann eine Verbleibensanordnung nach § 1632 Abs. 4 BGB den Aufenthalt des Kindes bei der faktischen Familie sichern, verbunden mit Bestimmungsrechten nach § 1688 BGB. Aber auch das bedeutet keine rechtlich anerkannte Elternschaft, wie sie die Betreffenden angesichts der mit-

388 Siehe Willems, NZFam 2016, 445 (447) (mwN) sowie Staudinger/Salgo, BGB (2020), § 1632 Rn. 91. 389 Siehe zu entsprechenden Schadensersatzansprüchen nur Frank, FamRZ 2015, 1149 (1151 ff.) sowie Geier, ZEuP 2017, 180 (187 ff.) und Neuner, AcP 214 (2014), 459 (499).

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unter langjährig gelebten Realbeziehung erwarten dürften. Insbesondere bleiben der Status der rechtlichen Elternschaft und die damit einhergehenden Rechtsfolgen (Aufenthalt, Umgang, Unterhalt, Sorge) stets und weitgehend vollständig den rechtlichen Eltern vorbehalten. Der Unterhaltsregress gemäß/analog § 1607 BGB390 tut sein Übriges, um die so konstruierte faktische Familie weiter zu entwerten. Zu berücksichtigen ist zwar, dass seit dem 10.6.2021 die Verbleibensanordung gemäß § 1632 Abs. 4 BGB unter bestimmten Voraussetzungen dauerhaft erfolgen kann.391 Doch angemessener wäre unter bestimmten Voraussetzungen die Verrechtlichung der faktischen ElternKind-Zuordnung, also eine Heilung im Status. Dies muss möglichst nach Wahl des Kindes und unter hinreichender Gewährleistung des Kindeswohls erfolgen. Es darf insbesondere kein Wettlauf um die bessere Elternschaft beginnen.392 Womöglich muss die Verrechtlichung der faktischen Realbeziehung auch nicht die Beseitigung der rechtlichen Elternschaft bedeuten (Stichwort: Mehrelternschaft393), was ihrerseits Friktionen mit Art. 6 Abs. 2 GG hervorrufen würde. Insoweit sind Zwischenlösungen denkbar. e) Erbrechtliche Fragestellungen Die Vertauschung von Kindern kann auch erbrechtliche Implikationen zur Folge haben; vor allem, wenn der Erblasser oder die Erblasserin noch vor der Aufdeckung der Vertauschung verstirbt. Insoweit sind unterschiedliche Interessen berührt. Primär ermöglicht das Erbrecht die Verfügung über das eigene Vermögen über den Tod hinaus und dient mithin zuvörderst dem grundrechtlich geschützten Interesse der verstorbenen Person.394 Darüber hinaus bezweckt das Erbrecht aber auch die Absicherung der nahen Verwandten.395 Insoweit sind berechtigte Interessen sowohl des rechtlichen als auch des faktischen Kindes durch die Vertauschung betroffen. Die Suche nach erbrechtlichen 390

Geier, ZEuP 2017, 180 (193). Siehe BeckOK-BGB/Veit (1.5.2022), § 1632 Rn. 104 ff., 131 ff. Siehe zu der Frage nach einer Verstetigung des Pflegeverhältnisses eingehend Helms, Gutachten F zum 71. Deutschen Juristentag (2016), S. F76 ff. 392 Es besteht kein Anspruch auf die besten Eltern, vgl. MüKo-BGB8/Lugani, § 1666 Rn. 200 (mwN); vgl. Helms, Gutachten F zum 71. Deutschen Juristentag (2016), S. F73 ff. 393 Siehe umfassend Sanders, Mehrelternschaft (2018), S. 341 ff. Siehe ferner von Münch/Kunig/Heiderhoff, GG7, Art. 6 Rn. 219 (mwN); von Scheliha, Familiäre Autonomie und autonome Familie (2019), S. 595 f.; Helms, in: Moderne Familienformen (2019), S. 125 ff.; Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts (2018), S. 272 ff., der aber für die Beibehaltung des „Zwei-Eltern“-Prinzips plädiert. 394 Frank/Helms, ErbR7, § 1 Rn. 14; MüKo-BGB9/Leipold, Einl. zum ErbR Rn. 9 f., 18; Röthel, ErbR18, § 1 Rn. 2, § 3 Rn. 1 ff. 395 MüKo-BGB9/Leipold, Einl. zum ErbR Rn. 14; siehe auch Spickhoff, AcP 197 (1997), 398 (408) („Versorgungsfunktion des Erbrechts“); dazu ausführlich Leipold, AcP 180 (1980), 160 (188 ff.); kritischer Frank/Helms, ErbR7, § 1 Rn. 14. 391

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Lösungen hat sich zunächst daran zu orientieren, ob ein Testament errichtet wurde (aa)) oder die gesetzliche Erbfolge (bb)) zum Zuge kommt.396 aa) Gewillkürte Erbfolge Hat die verstorbene Person die Erbfolge testamentarisch geregelt und beispielsweise „seine Kinder“ oder „sein Kind“ als Erben eingesetzt, kann das Testament gemäß § 133 BGB dahingehend ausgelegt397 werden, dass mit dem Begriff des Kindes nicht das (bei einer anderen Familie lebende) Kind im Rechtssinne, dessen Existenz dem faktischen Elternteil unbekannt gewesen ist, sondern das faktische Kind gemeint ist.398 Willems erwägt überdies, im Wege ergänzender Testamentsauslegung könne neben dem faktischen Kind auch das rechtliche Kind bedacht worden sein.399 Das erscheint eine zugleich pragmatische wie interessengerechte Lösung zu sein. Abermals kann mithilfe einer Willensfiktion ein sachgerechtes Ergebnis herbeigeführt werden. Das berechtigte Interesse des rechtlichen Kindes ist betroffen, wenn der Erblasser das faktische Kind namentlich als Erben einsetzt und damit in Unkenntnis der rechtlichen Elternschaft das rechtliche Kind übergeht. Eine Auslegung ist dann wegen des eindeutigen Wortlauts kaum möglich. Eine Korrekturmöglichkeit bietet aber die Anfechtung des Testaments gemäß § 2079 BGB durch das dem Erblasser im Zeitpunkt der Testamentserrichtung unbekannte pflichtteilsberechtigte (§ 2301 BGB) Kind.400 Insofern wird es dann zum Eintritt der gesetzlichen Erbfolge kommen. bb) Gesetzliche Erbfolge Hat die verstorbene Person keine testamentarische Verfügung errichtet, greift die gesetzliche Erbfolge ein.401 Danach sind gemäß § 1924 Abs. 1 BGB die Abkömmlinge gesetzliche Erben und Erbinnen erster Ordnung. Der Begriff des Abkömmlings ist auf streng akzessorische Weise anhand des Abstammungsrechts zu bestimmen. Abkömmlinge sind nur die in gerade Linie Verwandten im Rechtssinne, also lediglich die rechtlichen und nicht auch die faktischen Kinder.402 Damit wird das der verstorbenen Person unbekannte, rechtliche Kind Erbe, während das faktische Kind keine Möglichkeit hat, an der Erbschaft zu partizipieren.

396

So ausführlich und überzeugend Willems, NZFam 2016, 445 (448 f.). Siehe zur Auslegung von Testamenten nur Czubayko, in: Burandt/Rojahn, ErbR4, § 2084 BGB Rn. 2 ff. 398 Willems, NZFam 2016, 445 (448). 399 Ausführlich Willems, NZFam 2016, 445 (448). 400 Willems, NZFam 2016, 445 (448). 401 Siehe Frank/Helms, ErbR7, § 2 Rn. 1; Röthel, ErbR18, § 7 Rn. 1. 402 Siehe MüKo-BGB9/Leipold, § 1924 Rn. 3; Frank/Helms, ErbR7, § 2 Rn. 3 397

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Das ist nicht nur unbillig, sondern bedeutet in der Sache auch den tatsächlichen Verlust der Testierfreiheit, wenn der faktische Vater vor Bekanntwerden der Vertauschung verstirbt und damit versäumt, sein faktisches Kind zumindest testamentarisch als Erbe einzusetzen.403 Problematisch ist dabei, dass der faktische Vater überhaupt keinen Anlass hatte, ein Testament aufzusetzen, wenn er die Regeln der gesetzlichen Erbfolge für angemessen hielt und davon ausgehen konnte, dass auch sein faktisches Kind auf diesem Wege bedacht würde. Die gesetzliche Erbfolge erweist sich mithin als zu unflexibel, um in Fällen der Kindesvertauschung zu einem gerechten Ergebnis zu gelangen.404 An dieser Stelle wir der nächste gedankliche Schritt noch nicht gwwagt.405 Zumindest eine (vertragliche) unterhaltsrechtliche Absicherung des faktischen Kindes aus den Mitteln der Erbschaft könnte hier, parallel zu den Fällen des gefälschten Geburtenregisters, erwogen werden.406 Dafür fehlt es aber wegen der fehlenden Kenntnis von der Vertauschung auf Seiten der verstorbenen Person an einem Anknüpfungspunkt, an dem die Willensfiktion ansetzen könnte. Insbesondere ist schon kein stillschweigend geschlossener Unterhaltsvertrag vorhanden, der entsprechend ausgelegt werden könnte. Darüber hinaus könnte aber die Anerkennung eines faktischen Status Abhilfe schaffen.407 f) Zusammenfassende Bewertung Der Einschätzung, dass sich die familienrechtlichen Probleme bei Kindesvertauschungsfällen mit den bestehenden Regeln lösen lassen,408 ist nur eingeschränkt zuzustimmen. Die positive Bewertung gilt allenfalls für den übereinstimmenden Rücktausch der Kinder, der zwar (unbewusst) der gesetzliche Regelfall zu sein scheint, aber gerade bei einem langen Zeitraum, in dem die faktische Familie gelebt wurde, nicht stets dem Interesse aller Beteiligten entsprechen dürfte. Immerhin steht mit § 1632 Abs. 4 BGB ein dynamisches Vehikel zur Verfügung, mit dem das Kindeswohl berücksichtigt werden kann. Der Umgang mit der Vorschrift ist aber nicht immer klar vorhersehbar; bereits die an die Kindeswohlgefährdung zu stellenden Anforderungen sind umstritten. Ferner stellen sich weitere ungelöste Probleme, vor allem mit Blick auf das Erbrecht und den Unterhaltsregress, der sowohl bei streitigen als auch bei konsensualen Lösungen virulent werden kann. Es stellt sich daher mit Frank die Frage, „ob der Gesetzgeber das Bestehen faktischer Eltern-Kind-Verhältnisse immer und ausnahmslos ignorieren darf“.409 403

Vgl. Frank, FamRZ 2015, 1149 (1153); Willems, NZFam 2016, 445 (449). Willems, NZFam 2016, 445 (449). 405 Willems, NZFam 2016, 445 (449) („hard cases make bad law“). 406 Siehe bereits oben, § 8 III 1e), sowie Spickhoff, AcP 197 (1997), 398 (410). 407 In diese Richtung ausblickend Frank, FamRZ 2015, 1149 (1154). 408 Veit/Hinz, FamRZ 2010, 505 (510). 409 Frank, FamRZ 2015, 1149 (1153). 404

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Als Antwort auf diesen Missstand erscheint die rechtliche Stärkung des faktischen Eltern-Kind-Verhältnisses geboten.410 Das könnte gegebenenfalls auch mit einer quantitativen Erweiterung der Elternstellen einhergehen,411 um dem grundrechtlich verbürgten Elternrecht der rechtlichen Eltern (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) hinreichend Rechnung zu tragen. Als Anschauungsbeispiel dient dabei womöglich die Erwachsenenadoption, bei der die Verdoppelung des Elternverhältnisses sogar der Regelfall ist, vgl. § 1770 Abs. 1 Satz 1 BGB.412 Diese sogenannte Mehrelternschaft ist aber nicht der Lösungsansatz, der in dieser Arbeit primär verfolgt wird. Er ist lediglich ergänzend heranzuziehen, müsste aber als eigenständiges Reformprojekt unabhängig von der hier diskutierten Heilung eingeführt werden.

IV. Kategorisierung der Lösungsansätze Die vorgestellten Lösungsansätze zu den gutgläubig gelebten Eltern-Kind-Verhältnissen lassen sich in statusbezogene und statusunabhängige, sekundäre Lösungen einteilen. Statusbezogen bedeutet in diesem Zusammenhang, dass sich die Lösung auf den Status als solcher bezieht, das faktische Eltern-Kind-Verhältnis also gewissermaßen verrechtlicht wird; insoweit kann auch von Heilung oder Konvaleszenz gesprochen werden. Statusunabhängige Lösungen sind solche, die ein faktisches Eltern-Kind-Verhältnis lediglich durch die Konstruktion materiell-rechtlicher Ansprüche einem rechtlichen Eltern-Kind-Verhältnis punktuell annähern, ohne von statusrechtlicher Relevanz zu sein. Sie setzen, anders gewendet, nicht auf der Primärebene des Status an, sondern greifen das vorgefundene Ergebnis eines lediglich faktischen Eltern-Kind-Verhältnisses auf und versuchen das Abweichen der gelebten von der rechtlichen Realität durch einen (finanziellen) Ausgleich auf einer sekundären Ebene abzumildern. Diese Zweispurigkeit begegnet einem bereits bei der abstrakten Befassung mit dem Phänomen des Vertrauensschutzes.413 1. Statusbezogene Lösungen Eine statusbezogene Lösung durch Heilung fehlerhaft begründeter ElternKind-Verhältnisse sieht das geltende Recht allerdings nur in § 1598 Abs. 2 BGB – unter restriktiven Voraussetzungen – im Falle einer unwirksamen Vaterschaftsanerkennung vor. Ein Analogieschluss ist angesichts des besonderen 410 In diese Richtung auch Willems, NZFam 2016, 445 (449) sowie Geier, ZEuP 2017, 180 (194) jeweils im Anschluss an Frank, FamRZ 2015, 1149 (1153 f.). 411 Willems, NZFam 2016, 445 (450); siehe, wenngleich in einem anderen Kontext, auch Budzikiewicz, in: Family law and culture (2014), S. 151 (164 f.). 412 Staudinger/Helms, BGB (2019), § 1770 Rn. 9. 413 Siehe oben, § 5 IV 2b).

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Regelungszwecks der Vorschrift bereits im Allgemeinen zweifelhaft, scheidet aber auch im Besonderen in den vorstehend untersuchten Konstellationen aus. Ein statusrelevanter Ausweg kann dann die (Neu-)Begründung des Status sein, doch steht diese Option nicht immer zur Verfügung. 2. Rechtsfolgenorientierte Lösungen Lösungen, die rechtsfolgenorientiert durch die ergebnisgeleitete Anwendung des materiellen Rechts und im Wege richterlicher Rechtsfortbildung414 angemessene Ergebnisse zu begründen vermögen, finden sich vor allem im Unterhaltsrecht. Prominentestes Beispiel ist der unterhaltsrechtliche Vertrag zugunsten Dritter. Das ist ein gangbarer Weg, der sich aber im Einzelfall als schwierig und unklar in der Begründung erwiesen hat. Die Dekonstruktion am Beispiel gefälschter Geburtenregister hat spürbare Schwächen offenbart, die sich bei fehlerhaften Ehen der faktischen Eltern in teils verstärkter Form wiederfinden. Die Willensfiktion als argumentatives Fundament wird besonders in Fällen der nicht anerkannten Auslandsadoptionen gut sichtbar und versagt namentlich bei einem Rücktausch von vertauschten Kindern, bei welchem es sogar zu einer zeitlich unbegrenzten monetären Rückabwicklung der gutgläubig gelebten faktischen Statusbeziehung kommt. Das Erbrecht hat sich hingegen als unflexibel bei der Bewerkstelligung der Aufgaben, die ein gutgläubig gelebtes ElternKind-Verhältnis dem geltenden Recht stellt, erwiesen. Das hat sich nicht nur bei den gefälschten Geburtenregistern gezeigt, sondern auch bei vertauschten Kindern.

V. Zusammenfassendes Fazit und Ausblick Insgesamt konnte unter Beweis gestellt werden, dass das geltende Recht faktische Eltern-Kind-Verhältnisse auf vielfältige Weise jedenfalls mittelbar anerkennt. Das erfolgt seltener auf Statusebene als sekundär durch das allgemeine Zivilrecht. Die Rechtslage auf dem Gebiet faktischer Statusverhältnisse erweist sich dabei mitunter als unklar und verworren. Herauszustreichen ist vor allem die Erkenntnis, dass die aufgezeigten Wege methodische Kunstgriffe darstellen, die ergebnisorientiert durch Richterrecht entwickelt wurden und von besonderen Fallkonstellationen geprägt sind. Die Frage nach Grund und Grenze rechtlicher Anerkennung von gutgläubig gelebten Realbeziehungen wird damit in die jeweiligen zivilrechtlichen Regelungsmaterien (§§ 328 Abs. 2, 313, 812 BGB) ausgelagert. 414

Siehe zur Bedeutung des Richterrechts im Familienrecht anschaulich Röthel, in: FS Karsten Schmidt II (2019), S. 273 ff. Siehe zur Methode der Rechtsfortbildung noch unten, § 11 I.

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Hiernach erscheint es geboten, zwei Thesen einer genaueren Betrachtung zu unterziehen: Erstens besteht angesichts der rechtlichen und gesellschaftlichen Bedeutung des Status der Eltern-Kind-Zuordnung ein Regelungsbedürfnis im Statusrecht selbst, um zu nachvollziehbaren und einheitlichen Lösungen zu gelangen. Und zweitens lassen sich die gefundenen sekundären Lösungsansätze auf einige gemeinsame Wertungsentscheidungen zurückführen, sodass sie letztlich einheitliche Voraussetzungen aufweisen. 1. Lösung im Recht der Eltern-Kind-Zuordnung Bei der heterologen Insemination war es vor allem das Verdienst Coester-Waltjens, entgegen mitunter erheblicher Kritik ein sachgerechtes Ergebnis schuldrechtlich konstruiert und abgesichert zu haben. Der methodisch gewagte Schritt war aber nur deshalb erforderlich, weil eine Beschränkung des Anfechtungsrechts abgelehnt415 wurde.416 Die bessere Lösung hätte im statusorientierten Recht respektive im Recht der Eltern-Kind-Zuordnung gelegen, und zwar in dem Sinne, das Anfechtungsrecht zu beschränken. Diejenigen, die sich für eine Versagung des Anfechtungsrechts des konsentierenden Ehemanns aussprachen,417 wiesen also bereits in die richtige Richtung eines schlüssigeren Gesamtkonzepts.418 Auf dieser Linie liegt auch der zwischenzeitlich implementierte Anfechtungsausschluss bei konsentierter heterologer Insemination gemäß § 1600 Abs. 4 BGB. Die Inseminationsfälle dienen den hier diskutierten Konstellationen gutgläubig gelebter Eltern-Kind-Verhältnisse als Blaupause,419 sodass die Wertungen zu übertragen sind. Auch und gerade bei der

415 Siehe bereits oben, § 8 III 1b) bb), sowie etwas vorsichtiger Coester-Waltjen, FamRZ 1984, 230 (232 f.). 416 Vgl. Wanitzek, Rechtliche Elternschaft (2002), S. 301 („Notlösungen“); Helms, Gutachten F zum 71. Deutschen Juristentag (2016), S. F14 („vertraglich konstruierte Notlösungen“). 417 Siehe Spickhoff, AcP 197 (1997), 398 ff. (Ausschluss des Anfechtungsrecht nach § 242 BGB unter den Voraussetzungen einer hinreichenden Aufklärung vor Einwilligung) sowie oben, § 8 III 1b) bb) mit Fn. 95. 418 Wanitzek, Rechtliche Elternschaft (2002), S. 277 f., 279 ff., 301. Ähnlich auch im Hinblick auf das geltende Recht Brudermüller, Referat zum 71. DJT 2016, S. P40 (P51) sowie Helms, Gutachten F zum 71. Deutschen Juristentag (2016), S. F13 f. sowie bereits ders., FuR 1996, 178 (189). 419 Wenngleich ausdrücklich darauf hinzuweisen ist, dass die zum unterhaltsrechtlichen Vertrag zugunsten Dritter ergangenen Urteile BGH FamRZ 1995, 861 ff. (heterologen Insemination) und BGH FamRZ 1995, 995 (gefälschtes Geburtenbuch) aus demselben Jahr (1995) stammen und der Eindruck deshalb irreführend ist, dass eine gewachsene Rechtsprechung zu den Inseminationsfällen auf den Fall des gefälschten Geburtenbuchs (jetzt Geburtenregister, vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 PStG) übertragen worden sei. Vielmehr nahm das Urteil zum gefälschten Geburtenbuch Anleihen an der Entscheidung des Inseminationsfalls, vgl. BGH FamRZ 1995, 995. Die heterologe Insemination erfuhr als häufig auftretendes

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rechtlichen Eltern-Kind-Zuordnung ist es angezeigt, das Statusverhältnis ganzheitlich als vielschichtiges und komplexes Regelungsgefüge zu betrachten, das ein gegenseitiges Geflecht von Rechten und Pflichten statuiert. Hier wie dort ist also eine abstammungsrechtliche Bewältigung vorzugswürdig.420 In allen untersuchten Fällen hat sich gezeigt, dass das Vertrauen der Beteiligten, vor allem der Kinder, mitunter schutzwürdig ist und eine angemessene Lösung erfordert, die über die schlichte Versagung eines rechtlichen Status mit all ihren Folgen hinausgreift. Schutzwürdiges Vertrauen sollte aber auf der Ebene geschützt werden, wo es entsteht, also auf der Ebene des Status.421 Plastisch wurde das Bedürfnis nach einer statusrechtlichen Lösung auch im Fall vertauschter Kinder, bei denen im Einzelfall versucht wird, interessengerechte Ergebnisse unter Rekurs auf Mechanismen zu erreichen, die auf einen anderen konkreten Interessenkonflikt zugeschnitten sind. So haben die §§ 1632 Abs. 4, 1666 BGB den staatlichen Eingriff in das Elterngrundrecht im Blick.422 Die Fälle nicht anerkannter Auslandsadoptionen und die abstammungsrechtlichen Wirkungen unwirksamer Ehen der Eltern haben sich als problematisch erwiesen, wenn eine Neubegründung des Status aus tatsächlichen Gründen (mangelnde genetische Verbindung, verweigerte Zustimmung zur Anerkennung beziehungsweise Adoption) nicht möglich ist. Immerhin können mit den verfügbaren materiell-rechtlichen Lösungen monetäre Interessen (rückwirkend) ausgeglichen werden. Die rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung hat aber wie jeder Status auch eine zentrale Identifikationsfunktion,423 die durch die fehlende Anerkennung der gutgläubig gelebten Realbeziehung auf Statusebene unzureichend Berücksichtigung findet. Eine Lösung auf der Ebene der rechtlichen Eltern-Kind-Zuordnung hat gegenüber rechtsgebietsspezifischen Lösungen, wie beispielsweise der Auflösung des Junktims von Verwandtschaft und Unterhalt,424 den weiteren Vorteil, Phänomen in Literatur und Rechtsprechung schlichtweg mehr gesellschaftliche wie fachliche Aufmerksamkeit als der seltener auftretende Fall eines gefälschten Geburtenregisters, sodass das hierzu verfügbare Diskussionsmaterial deutlich umfangreicher ist. Zu den wertungsmäßigen Parallelen siehe bereits oben, § 8 III 1b) bb). 420 Vgl. Helms, Gutachten F zum 71. Deutschen Juristentag (2016), S. F12 ff., F18 ff. (mwN), der für eine abstammungsrechtliche Lösung der Inseminationsfälle plädiert. Siehe auch Arbeitskreis Abstammungsrecht, Abschlussbericht (2017), S. 59 ff. 421 Ähnlich schon zu einem Inseminationsfall OLG Hamm NJW 1994, 2424 (2425); a.A. aber BGH FamRZ 1995, 1272 ff. (mwN). 422 Siehe oben, § 8 III 4d) bb). 423 Siehe oben, § 4 III 2. 424 Siehe etwa Hilbig-Lugani, Staat, Familie, Individuum (2014), S. 270, 313, 335; kritisch Brudermüller, Referat zum 71. DJT 2016, S. P40 (P48 f.) sowie Klinkhammer, in: LA Pintens I (2012), S. 753 (763 ff.) (deutlich S. 765: „Eine Loslösung der rechtlichen Verwandtschaft von der Unterhaltspflicht als ‚dem einzigen gegenseitigen Rechtsanspruch, der unter gleichzeitig lebenden Verwandten wahrzunehmen ist‘, sollte dabei tunlichst vermieden werden“).

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ohne Strukturbrüche auszukommen und die akzessorische Anknüpfung von Unterhalts- und Erbrecht an die familienrechtliche Eltern-Kind-Zuordnung unberührt lassen zu können. 2. Voraussetzungen für den Schutz faktischer Eltern-Kind-Verhältnisse Die vorangegangene Untersuchung hat offengelegt, von welchen Voraussetzungen die Bereitschaft zur Konstruktion (vertraglicher) Ausgleichsansprüche abhängt und welche Wertungskriterien als maßgeblich angesehen werden. a) Verursachungsbeitrag Eine erste gemeinsame Voraussetzung lässt sich mit dem Begriff Verursachungsbeitrag beschreiben. Während bei den Inseminationsfällen ausdrücklich mit der Zustimmung des Mannes für die Zeugung des Kindes argumentiert und insoweit auf die Vergleichbarkeit mit der Verantwortlichkeit bei natürlicher Zeugung abgehoben wurde, ist der Rekurs auf den Verursachungsbeitrag der faktischen Eltern bei dem gefälschten Geburtenregister etwas subtiler. Der schwierig festzustellende Rechtsbindungswille für den Abschluss eines unterhaltsrechtlichen Vertrags zugunsten des Kindes wird aus dem Entschluss der faktischen Eltern, das Kind an sich zu nehmen, abgeleitet.425 Die Erforderlichkeit eines Verursachungsbeitrags hat sich auch bei den Fällen unwirksamer Ehen gezeigt. Bei vorgetäuschter Identität der faktischen Ehefrau akzeptiert der faktische Ehemann das Kind als ihm rechtlich zugeordnet. Indem er auf eine Beseitigung der (etwa in Geburtsurkunde und Geburtenregister eingetragenen) Vaterschaft durch Aufklärung der wahren Umstände verzichtet, setzt er einen erheblichen Kausalbeitrag zur Entstehung des faktischen Eltern-KindVerhältnisses.426 Wird eine Auslandsadoption im Inland nicht anerkannt, wird ebenfalls über einen unterhaltsrechtlichen Vertrag zugunsten des Kindes diskutiert, wobei Anknüpfungspunkt für den Vertragsschluss die Zustimmung der faktischen Eltern zur Adoption ist.427 Insgesamt kann insofern von dem einheitlichen Erfordernis eines Verursachungsbeitrags gesprochen werden, der, wie die Fälle der Kindesvertauschung zeigen, aber nicht schuldhaft erfolgen muss; mit den Worten des Vertrauensschutzgedankens geht es um das Hervorrufen einer objektiven Vertrauensgrundlage.

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Siehe oben, § 8 III 1b) bb) (2). Vgl. insbesondere § 8 III 2d) aa) (1). 427 Siehe oben, § 8 III 3d). 426

§ 8 Rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung

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b) Schutzwürdigkeit Eine weitere Voraussetzung, die für alle Lösungsansätze grundlegend ist, besteht in der Schutzwürdigkeit der betreffenden Person. Das Vertrauen des Kindes besitzt durchgehend eine wichtige Bedeutung.428 Der Vertragsschluss beim Vertrag zugunsten des Kindes lässt sich beispielsweise mit der Schutzwürdigkeit des Kindes untermauern.429 Bei den insoweit diskutierten Einzelfragen ging es stets um eine Interessenabwägung und um Elemente des Vertrauensschutzgedankens. Hinter der Diskussion über die Möglichkeit und die Voraussetzungen eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB (etwa im Falle des Scheiterns der faktischen Beziehung) steht beispielsweise eine Risikoallokation, die sich neben den Verursachungsbeiträgen an der Schutzbedürftigkeit des Kindes orientiert.430 Für die Auslegung der Bindungswirkung i.S. des § 328 Abs. 2 BGB soll ebenfalls der wirksame Schutz des Kindes entscheidend sein.431 Dass es nicht nur auf die Schutzwürdigkeit des Kindes, sondern auch auf die der faktischen Eltern ankommen sollte, hat die Diskussion eines vertraglichen Unterhaltsanspruchs der faktischen Eltern gegen das Kind für den Fall gezeigt, dass sich das volljährige Kind nach Aufklärung der tatsächlichen Umstände zunächst für die faktische Familienbeziehung entschieden hatte, weiter Unterhalt bezog, sich aber später von den faktischen Eltern abwendete.432 c) Zeitelement Das zeitliche Element, also die Frage nach der erforderlichen Dauer eines gutgläubig gelebten faktischen Eltern-Kind-Verhältnisses, entfaltet spürbaren Einfluss im Zusammenhang mit der Frage der Schutzwürdigkeit. Dementsprechend haben zeitliche Überlegungen, auf eigentlich unzulässige Weise, in die Argumentation des Oberlandesgerichts Bremen (gefälschtes Geburtenbuch, aber zerstrittene Elternteile) für das Vorliegen eines übereinstimmenden Rechtsbindungswillens Einzug erhalten.433 Der Senat bejahte den Anspruch des Kindes gemäß § 328 BGB unter Annahme eines konkludenten Vertragsschlusses und begründete dies damit, dass das Kind schutzwürdig sei, was sich auch aus der langen Zeit des Zusammenlebens als Familie (fünfeinhalb Jahre) ergebe.434 Die Dauer der faktischen Beziehung besitzt insbesondere auch bei 428 Vgl. zu den Inseminationsfällen Mansees, Das Erbrecht des Kindes (1991), S. 96 ff., der das Interesse des Kindes am Erhalt seines Status nicht für gewichtig genug hält, um eine Beschränkung des Anfechtungsrechts zu begründen. 429 Siehe oben, § 8 III 1b) bb) (2). 430 Siehe oben, § 8 III 1b) bb) (5). 431 Siehe oben, § 8 III 1b) bb) (6). 432 Siehe oben, § 8 III 1e). 433 Siehe oben, § 8 III 1b) bb) (2). 434 OLG Bremen FamRZ 1995, 1291 (1292); siehe bereits oben, § 8 III 1b) bb) (2).

316

Dritter Teil: Vertrauensschutz und statusorientiertes Recht

der Neubegründung der Eltern-Kind-Zuordnung in Fällen unwirksamer Ehe Bedeutung. Geschützt ist die faktische Familie vor einem Eingriff von außen nämlich vor allem bei Bestehen einer sozial-familiären Beziehung (§ 1600 Abs. 2 und 3 BGB), bei deren Konkretisierung die Chronologie entscheidend sein kann.435 d) Gegenläufige Interessen Besondere Aufmerksamkeit im Umgang mit faktischen Eltern-Kind-Verhältnissen verdienen aber die mitunter gegenläufigen Rechtspositionen der rechtlichen Eltern (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG). Auch dies lässt sich anhand des gefälschten Geburtenregisters veranschaulichen.436 Bei der Insemination betrifft das den Samenspender, der regelmäßig aufgeklärt wurde und bewusst auf etwaige Elternrechte verzichtet. Die (mangelnde) Schutzwürdigkeit der rechtlichen Eltern erscheint immer dann entsprechend unproblematisch zu sein, wenn sie an der Entstehung der faktischen Familienverhältnisse mitgewirkt haben, wobei durchaus fraglich sein kann, ob die rechtlichen Eltern nach Aufklärung und aus freier Überzeugung gehandelt haben oder gar ein hoher gesellschaftlicher oder privater Druck zur Weggabe des Kindes bestand. Das ist eine Frage der Interessenabwägung; denn auch bei unfreiwilliger Weggabe des Kindes muss das Interesse des im Ausland aufgewachsenen Kindes hinreichend gewürdigt werden. Hierfür bietet sich das Merkmal der Schutzwürdigkeit an. Es ermöglicht die gebotene Abwägung im Einzelfall zwischen „dem Schutz der gelebten Familie (Art. 6 Abs. 1 GG), [dem] Wohl des Kindes und [der] Elternrechte von [genetischen] und rechtliche[n] [Eltern]“.437 Der mit der Heilung zwangsläufig verbundene Entzug der bestehenden rechtlichen Elternschaft ist aber auch bei Konsens aller Beteiligten und unabhängig von dem Ausgang der Interessenabwägung ein de lege lata nicht zu lösendes Problem.438 Womöglich ist die Pluralisierung der Elternstellen ein interessengerechter Ausweg,439 diese ist aber ein ganz eigenes, komplexes Reformvorhaben und müsste unabhängig von einem (ungeschriebenen) Heilungsansatz eingeführt werden. Die Mehrelternschaft wird in der vorliegenden Arbeit deshalb nicht weiter vertieft.

435

Siehe oben, § 8 III 2d) aa) (2). Siehe zum Interesse der rechtlichen Mutter nach Falschbeurkundung der Mutterschaft in der Geburtsurkunde OLG Koblenz FamRZ 2010, 481. 437 Vgl. allgemein zum Erfordernis dieser Abwägung MüKo-BGB8/Wellenhofer, vor § 1591 Rn. 24. 438 Siehe dazu und zu einem Vorschlag de lege ferenda oben, § 11 II 1c) sowie § 11 II 2c) bb) und § 11 III 2. 439 Siehe zu der Idee einer Pluralisierung von Elternschaft oben, § 8 III 4d) cc) mit Fn. 394. 436

§ 9 Übergreifende Betrachtung Die für die ausgewählten Status jeweils separat vorgenommenen Untersuchungen von Einfluss und Reichweite des Vertrauensschutzgedankens bei unwirksam begründetem Status haben markante Unterschiede, aber – bei genauerer Betrachtung – auch Gemeinsamkeiten offengelegt.

I. Gesetzliche Heilungstatbestände Gemeinsam ist allen Statusverhältnissen die gering ausgeprägte Kodifizierung von Vertrauensschutzgesichtspunkten bei unwirksamer Begründung des Status. Die Heilung im Status als Vertrauensentsprechung1 ist im statusorientierten Recht von Ehe und Eltern-Kind-Zuordnung die Ausnahme. Auf den ersten Blick könnte der Eindruck entstehen, dass im Eheschließungsrecht dieses Instrument eine größere Bedeutung besitzen könnte. Immerhin steht mit § 1310 Abs. 3 BGB eine scheinbar umfassende Heilungsmöglichkeit für Nichtehen zur Verfügung. Bei genauerem Hinsehen hat sich indes die weitgehende Bedeutungslosigkeit der Vorschrift gezeigt. Ganz im Gegenteil zur ersten Annahme ist die Berücksichtigung von Vertrauensschutzgesichtspunkten im Eheschließungsrecht gerade wegen der (unzureichenden) Kodifizierung vor hohe argumentative Hürden gestellt und wird in der Rechtspraxis, jedenfalls in Gestalt einer ungeschriebenen Heilung von Nichtehen, überwiegend abgelehnt. Im Namensrecht, wo die ungeschriebene Heilung im Übrigen an einen kürzeren Zeitablauf geknüpft ist, als ihn § 1310 Abs. 3 BGB für Nichtehen vorsieht, ist die Kodifizierung einer Namensersitzung derzeit Gegenstand rechtspolitischer Diskussion und ein auch vom Gesetzgeber konkret ins Auge gefasstes Regelungsanliegen. Bislang wurden Merkmale des Vertrauensschutzgedankens aber nur im Rahmen des Art. 48 EGBGB gesetzlich verankert, wenngleich die Vorschrift – insoweit deckt sie sich mit § 1310 Abs. 3 BGB, aber auch mit § 1315 Abs. 2 Nr. 2 BGB und § 1598 Abs. 2 BGB – keine Gutgläubigkeit voraussetzt.2 Im Recht der Eltern-Kind-Zuordnung ist eine gesetzliche Heilung unwirksamer Abstammungsverhältnisse nur im Zusammenhang mit der unwirksamen 1 2

Siehe zur Zweispurigkeit der Rechtsfolgen von Vertrauensschutz oben, § 7 IV 2b). Sturm/Sturm, in: FS Brudermüller (2014), S. 801 (808 f.).

318

Dritter Teil: Vertrauensschutz und statusorientiertes Recht

Vaterschaftsanerkennung gemäß § 1598 Abs. 2 BGB vorgesehen. Auch diese einfachrechtliche Kodifizierung von Vertrauensschutz knüpft wie § 1310 Abs. 3 BGB an eine Registrierung der faktischen Rechtslage an und setzt die Eintragung in ein deutsches Register voraus. Die Registrierung wird in diesem Zusammenhang als ausreichender Anhaltspunkt angesehen, um das Vertrauen in die Richtigkeit der eingetragenen Rechtslage objektiv als schutzwürdig zu bewerten.3 Hervorzuheben ist ferner, dass alle gesetzlich geregelten Heilungsmechanismen auf ein Grundanliegen statusorientierten Rechts gestützt werden können: die Statusbeständigkeit.4

II. Sekundäre Korrekturmechanismen Im Recht der Eheschließung und im Recht der Eltern-Kind-Zuordnung konnten Bestrebungen festgestellt werden, die Härten, welche aus der Abwesenheit gesetzlicher Heilungsmöglichkeiten resultieren, im Einzelfall durch Gesetzesanalogien (§§ 1598 Abs. 2, 1355 Abs. 5, 1318 Abs. 1 und 2 BGB) und schuldrechtliche Konstruktionen abzumildern. Derartige „argumentative Krücken“ des Schuldrechts – wie beispielsweise konkludente Unterhaltsverträge, schuldrechtliche Verträge zugunsten Dritter, Ausgleichsansprüche infolge einer gestörten Geschäftsgrundlage – beruhen überwiegend auf der Bereitschaft zur schöpferischen Rechtsanwendung und Willensfiktion. Sie können zwar zu angemessenen Ergebnissen im Einzelfall führen, sehen sich aber Bedenken mit Blick auf Rechtssicherheit, Verlässlichkeit und Rechtseinheit ausgesetzt. Die dabei als Leitlinien konstatierten Wertungskriterien sind stets Merkmale, die zur DNA des Vertrauensschutzgedankens gehören: Vertrauensgrundlage, gutgläubige Vertrauensbetätigung sowie Interessenabwägung.5 Im Namensrecht begegnet man schuldrechtlichen Korrekturmechanismen derweil nicht, was auf den Umstand zurückzuführen ist, dass ein Name keine unterhalts- oder erbrechtlichen Ansprüche zu begründen vermag. Schon hier zeigt sich ein Grund für die disparate Ausprägung des Vertrauensschutzgedankens im Umgang mit den unterschiedlichen Status: Sie unterscheiden sich in ihren Rechtsfolgen mitunter erheblich.

3

Siehe oben, § 8 III 2b) aa). Kriewald, Statusrelevante Erklärungen (2009), S. 215; siehe auch oben, § 2 II 2c). 5 Siehe zum Namensrecht § 6 IV 1d), zur Ehe § 7 V a.E., zum Recht der Eltern-KindZuordnung § 8 V 2a)–d). 4

§ 9 Übergreifende Betrachtung

319

III. Ungeschriebene Heilung Während vor allem im Recht der Eltern-Kind-Zuordnung sekundäre Lösungsmechanismen eine zentrale Rolle spielen, steht das Namensrecht ganz im Zeichen der ungeschriebenen Heilung. Nach der Singh-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts tritt Heilung einer unwirksamen Namensführung ein, wenn ein faktischer Name über einen gewissen Zeitraum hinweg gutgläubig auf Grundlage eines Rechtsscheins geführt wurde. Das lässt sich bei nichtigen Ehen nicht beobachten; hier wird eine ungeschriebene Heilung sogar für grundsätzlich unzulässig gehalten, während im Recht der Eltern-Kind-Zuordnung eine ungeschriebene Heilung bislang nicht ernsthaft diskutiert worden ist. Bei Nichtehen beruht die ablehnende Haltung vor allem auf den gegenläufigen privaten Interessen der faktischen Eheleute. Diese begegneten sich nicht im Über-Unterordnungsverhältnis, sodass Bestandsinteressen der einen Person nicht das gegenläufige Interesse der anderen überwiegen könnten. Sind die faktischen Eheleute indes nicht zerstritten, sondern handeln einvernehmlich, wird die Ablehnung einer statusrechtlichen Heilung namentlich mit staatlichen Interessen und Missbrauchsgefahren begründet (ausländerrechtliche Rechtsfolgen, strafprozessuale Privilegien, steuerrechtliche Besserstellung). Bei der rechtlichen Eltern-Kind-Zuordnung dient das Interesse des wahren genetischen Vaters mitunter als Argument gegen eine statusrechtliche Heilung. Es sind also vor allem potenziell tangierte Drittinteressen, die einer unterschiedlich intensiv ausgeprägten Heilungsmöglichkeit der verschiedenen Status zugrunde liegen. Beachtlich ist mithin, dass die Heilung eines asymmetrisch wirkenden Status mitunter auch zuungunsten einer Person wirken kann. Das ist ein entscheidender Unterschied zwischen Namen einerseits und ElternKind-Zuordnung sowie Ehe andererseits. Es stellt sich daher die Frage, ob auch bei Letzteren eine Interessenabwägung zulässig ist, mit dem Ergebnis, dass ein faktischer Status zulasten einer dritten Person in Rechtswirksamkeit erwachsen kann. Die relativ großzügige Konvaleszenzmöglichkeit im Namensrecht lässt sich überdies auf das reduzierte öffentliche Interesse an einer richtigen Namensführung zurückführen: Zur eindeutigen Identifikation eines Menschen stehen dem Staat nämlich mindestens gleichwertige Alternativen zur Verfügung (Steuernummer, Fingerabdrücke usw.).6

6 Siehe oben, § 6 III 2, sowie Dutta/Frank/Freitag/Helms/Krömer/Pintens, StAZ 2014, 33 (41).

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Dritter Teil: Vertrauensschutz und statusorientiertes Recht

IV. Ausblick Der Vertrauensschutzgedanke ist also grundsätzlich im statusorientierten Recht anerkannt und hat sich als belastbarer Leitgedanke erwiesen, wenngleich er oftmals auf eher mittelbarem Wege Einzug in die Rechtsanwendung erhält und durch einzelfallorientierte Judikate zum Ausdruck kommt. Neben den verfügbaren sekundären Abhilfemöglichkeiten haben sich bei allen untersuchten Teilrechtsgebieten auch Lösungen de lege ferenda gezeigt, die im Rahmen der vorliegenden Untersuchung allerdings nur angedeutet werden können: Im Namensrecht ist neben der Kodifizierung der Namensersitzung die Implementierung einer freien Namenswahl Gegenstand rechtspolitischer Diskussion. Im Recht der Eltern-Kind-Zuordnung sind Bestrebungen zu mehr Privatautonomie bei der Begründung des Statusverhältnisses zu beobachten sowie die Überlegung einer Pluralisierung von Elternschaft anzutreffen. Ganz generell könnte die teilweise befürwortete Zurückdrängung der Statusorientierung bei der Ausgestaltung von Rechtsfolgen, die an eine Eltern-Kind-Zuordnung anknüpfen, eine Auflösung der Spannungen herbeiführen, die bei gutgläubig gelebten Eltern-Kind-Verhältnissen festgestellt worden sind.7 Eine gesetzgeberische Lösung für einen Teil der gutgläubig gelebten Ehen bestünde im Einebnen von Nichtehe und aufhebbarer Ehe; würden die vorstehend untersuchten Nichtehen wie aufhebbare Ehen behandelt, könnte Vertrauensschutz nämlich hinreichend berücksichtigt werden.8 Daneben gibt es einzelne Reformvorschläge in Bezug auf konkrete Regelungen wie § 1599 Abs. 2 BGB9 oder Art. 13 EGBGB.10 Alles dies sind spannende Reformüberlegungen, von denen die einen früher, die anderen später und die übrigen gar nicht legislatorische Wirklichkeit werden. Bis zu einem umfassenden Tätigwerden des Gesetzgebers, das alles andere als gesichert sein dürfte, braucht es aber eine Lösung für den Umgang mit gutgläubig gelebten Statusverhältnissen, die den Anliegen des statusorientierten Rechts (vor allem der Statusklarheit und Statusbeständigkeit) einerseits sowie zugleich den Vertrauensschutzinteressen der Betreffenden andererseits hinreichend gerecht wird. In Anbetracht der als wiederkehrend identifizierten Wer-

7 Siehe umfassend Röthel, in: Regelungsaufgabe Vaterstellung (2014), S. 89 (106) (mwN). Angesprochen ist damit beispielsweise die Lösung des Sorgerechts vom rechtlichen Abstammungsverhältnis. Ähnlich auch von Scheliha, Familiäre Autonomie und autonome Familie (2019), S. 595 ff. 8 Siehe zur Möglichkeit, Vertrauensschutz im Recht der Eheaufhebung zu berücksichtigen, § 7 II. 9 Vgl. z.B. Coester-Waltjen, ZfPW 2021, 129 (146); Arbeitskreis Abstammungsrecht, Abschlussbericht (2017), S. 45. 10 Vgl. nur Coester-Waltjen, StAZ 2013, 10 ff. sowie Henrich, in: FS Spellenberg (2010), S. 195 (201) (jeweils allgemein); Antomo, ZRP 2017, 79 (81) (zu Frühehen).

§ 9 Übergreifende Betrachtung

321

tungskriterien des allgemeinen Vertrauensschutzgedankens drängt sich die Annahme eines einheitlichen, von Zeitablauf und Gutgläubigkeit geprägten Heilungsansatzes geradezu auf. Es soll mithin abschließend eine erste, vorsichtige Annäherung an eine ungeschriebene Lehre vom faktischen Status unternommen werden. Ausgangspunkt ist dabei die Überlegung, dass das Namensrecht mit seinem bereits stark ausgeprägten Vertrauensschutzsystem Blaupause für anderes statusorientiertes Recht sein könnte.11

11 Ähnlich im Zusammenhang mit dem unionsrechtlichen Anerkennungsprinzip Mankowski, IPRax 2020, 323 (323 f.); Wall, StAZ 2019, 225 (232 ff.).

Vierter Teil: Eine Lehre vom faktischen Status

Einleitung Im Hauptteil der Arbeit ist wiederholt das Petitum angeklungen, eine Lösung für die Fälle des gutgläubig gelebten Statusverhältnisses im statusorientierten Recht zu finden, anstatt Einzelfallgerechtigkeit schuldrechtlich oder unter Zuhilfenahme „argumentativer Krücken“1 herbeizuführen. Abschließend soll eine erste Annäherung an eine solche übergreifende Lösung unternommen und ein Heilungsansatz in seinen Grundzügen zur Diskussion gestellt werden. Dabei erscheint eine verstärkte Orientierung am Vertrauensschutzgedanken geeignet zu sein, um zu überzeugenden und konsistenten Ergebnissen zu gelangen, weil das in § 5 herausgearbeitete Argumentationssystem des Vertrauensschutzes sich beim Studium des statusorientierten Rechts (§§ 6–9) durchweg als wegweisend erwiesen hat und schutzwürdiges Vertrauen damit als grundlegendes Wertungskriterium anzuerkennen ist. Ausgehend von der Zweispurigkeit des Vertrauensschutzes ist es zunächst angezeigt, die Rechtsfolge des Lösungsansatzes zu bestimmen (§ 10). Unter Rekurs auf die in den §§ 6 ff. konstatierten Ergebnisse ist sodann herauszuarbeiten, wie der Heilungsansatz im Einzelnen ausgestaltet und umgesetzt werden kann (§ 11). Schließlich erfolgt im Abschlussteil, nach einem zusammenfassenden Resümee (§ 12), die Probe aufs Exempel, wenn die eingangs geschilderten Beispielsfälle unter Anwendung der vorgeschlagenen Heilungsansätze durchexerziert werden (§ 13).

1

Siehe zu diesem Ausdruck bereits einleitend, § 3 Fn. 2.

§ 10 Besser Heilung im Status als Ausgleich im Statusverhältnis Schutz von gelebtem Vertrauen kann ganz im Sinne der Zweispurigkeit des Vertrauensschutzes1 auf zwei unterschiedliche Arten gewährt werden. Die vorliegend zur Diskussion zu stellende Lösung besteht in einem Heilungsansatz im Sinne der Vertrauensentsprechung. Bei gutgläubig gelebten Statusverhältnissen ist dies nämlich eine angemessene und zugleich systemkonforme Reaktion des Rechts auf die gelebte soziale Realität, was nachfolgend unter Beweis zu stellen ist.

I. Verfassungs- und konventionsrechtlicher Ausgangspunkt Verfassungs- und Konventionsrecht geben selten einmal klare Ergebnisse zwingend vor, sondern zeigen vielmehr grundlegende Wertungen auf und können einen gewissen Mindestschutz begründen. In Bezug auf die untersuchten Status ergibt sich dabei kein ganzheitliches Bild. 1. Verfassungsrecht Der verfassungsrechtliche Schutz eines faktischen Status ist hinsichtlich des Namens bereits hinreichend klar geworden. Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V. mit Art. 1 Abs. 1 GG verlangt, den tatsächlich geführten faktischen Namen unter Umständen zu schützen, und zwar durch die Möglichkeit, die Namensführung fortzusetzen.2 Insoweit gebietet das Verfassungsrecht sogar die Heilung im Status. Diese Rechtsfolge verwundert beim Namen angesichts seiner beschränkten Wirkung auf sekundärer Ebene und damit einhergehenden Ermangelung an kompensatorischen Alternativlösungen3 auch nicht. Zu der Frage nach einer statusrechtlichen Heilung gutgläubig gelebter Nichtehen hat das Bundesverfassungsgericht bislang nicht explizit Stellung genommen. Die Witwenrentenentscheidung ist so speziell einerseits auf hinkende 1

Siehe oben, § 5 IV 2b). Siehe oben, § 6 III 3b) bb) sowie § 4 IV, passim. 3 Vgl. oben, § 9 II sowie bereits § 4 III 3. 2

§ 10 Besser Heilung im Status als Ausgleich im Statusverhältnis

327

Ehen und andererseits auf eine Lösung im deutschen Sozialrecht zugeschnitten,4 dass es schwerfällt, aus ihr ein allgemeines verfassungsrechtliches Petitum in Bezug auf den rechtlichen Schutz gutgläubig gelebter Nichtehen abzuleiten. Die Problemlösung wird mithin anders als im Namensrecht auf der Ebene des Verfassungsrechts nur im Ergebnis vorgezeichnet („Ob“ des Gutglaubensschutzes).5 Das Grundgesetz erfordert, das lässt sich mit Coester immerhin konstatieren,6 jedenfalls das Auslösen eherechtlicher Folgen (des Sozialrechts)7 auch dann, wenn eine Ehe nach maßgeblichem8 deutschen Recht nichtig ist. Dafür sind nach der Witwenrentenentscheidung zwei Voraussetzungen von zentraler Bedeutung: Ehekonsens und erkennbare beziehungsweise nachweisbare9 Manifestation desselben nach außen. Mitunter wird ergänzend noch auf ein jahrzehntelanges Zusammenleben als Eheleute abgestellt,10 doch findet dies in den Entscheidungsgründen keinen Anhalt. Fest steht jedenfalls,11 dass eine faktisch geführte Nichtehe von der (bewussten) nichtehelichen Lebensgemeinschaft verfassungsrechtlich unterschieden werden muss und anhand des nachweisbaren Ehekonsenses auch unterschieden werden kann.12 Darüber hinaus hat der Senat aber weder eine statusrechtliche Heilung solcher Nichtehen gefordert noch ausgeschlossen. Auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1993 über eine nach Sinti-Recht geschlossene Ehe verhält sich nicht allgemein zu dieser Frage. Der Zweite Senat hat zwar die Heilung der formunwirksamen Ehe abgelehnt, aber nicht aus generellen Erwägungen, sondern unter Verweis darauf, dass ein Abweichen vom Grundsatz der obligatorischen Zivilehe nur in Betracht komme, wenn die Form

4

Vgl. BVerfGE 62, 323 (331); kritisch in Bezug auf die besondere Betonung, dass eine hinkende Ehe vorliege, von Bar, NJW 1983, 1929 (1931 f.). 5 So auch Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 179; vgl. auch von Bar, NJW 1983, 1929 (1932); Frank, in: LA Pintens I (2012), S. 607 (621). 6 Coester, StAZ 1988, 122 (128 f.); ders., in: FS Heldrich (2005), S. 537 (545); siehe auch von Bar, NJW 1983, 1929 (1931). 7 Das hebt besonders Müller-Freienfels, JZ 1983, 230 (234) hervor. 8 Siehe zu kollisionsrechtlichen Lösungen oben, § 2 I sowie im Zusammenhang mit der Witwenrentenentscheidung von Bar, NJW 1983, 1929 (1931); Behn, NJW 1984, 1014 (1018 f.); Müller-Freienfels, JZ 1983, 230 (235 f.); ders., Sozialversicherungsrecht und das BVerfG (1984), S. 50 ff. (Umqualifizierung der Hauptfrage) und S. 33 ff. (Statutenwechsel). Siehe aber auch Winkler von Mohrenfels, RabelsZ 51 (1987), 20 (24), wonach eine unselbständige Vorfragenanknüpfung auch nicht geholfen habe, so wohl auch Staudinger/Mankowski, BGB (2010), Art. 13 EGBGB Rn. 535. 9 Siehe insoweit die kritischen Anmerkungen von Behn, NJW 1984, 1014 (1015). 10 Coester, StAZ 1988, 122 (128 f.). 11 Siehe zu den allgemeinen Heilungsvoraussetzungen sogleich, § 11 II. 12 Siehe Coester, StAZ 1988, 122 (129 mit Fn. 93); a.A. offenbar Müller-Freienfels, JZ 1983, 230 (231); ders., Sozialversicherungsrecht und das BVerfG (1984), S. 99.

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Vierter Teil: Eine Lehre vom faktischen Status

zum Selbstzweck werde.13 Letzteres vermochte der Senat im konkreten Einzelfall nicht festzustellen. Mithin ist festzuhalten, dass das Bundesverfassungsgericht allenfalls die Voraussetzungen einer möglichen Heilung (geäußerter und nachweisbarer Ehekonsens, Verkommen der Form zum Selbstzweck) andeutet, ohne grundsätzlich zu einer Heilung im Status Stellung zu nehmen. Das Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 GG gebietet also nicht eine statusrechtliche Heilung einer Nichtehe,14 schließt sie aber auch nicht aus. Grundsätzlich schützt Art. 6 Abs. 1 GG ein Rechtsinstitut und keine faktische Beziehung.15 Dass es davon Ausnahmen geben kann und Art. 6 Abs. 1 GG damit auch unzweifelhaft eine materielle Dimension aufweist,16 hat die Witwenrentenentscheidung anschaulich belegt. Hinkende Ehen sind dafür nur ein prominentes Beispiel und keine abschließende Fallgruppe. Mithin erweist sich das in Art. 6 Abs. 1 GG niedergelegte Grundrecht als neutral gegenüber einer ungeschriebenen Heilung im Status der Ehe. Die statusrechtliche Heilung einer Eltern-Kind-Zuordnung war bislang noch nicht explizit Gegenstand verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung. Nähert man sich entsprechenden verfassungsrechtlichen Vorgaben, ist es angezeigt, zwischen dem Elterngrundrecht gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG und dem Schutz der Familie i.S. des Art. 6 Abs. 1 GG zu differenzieren. Das Elterngrundrecht orientiert sich an der rechtlichen Elternschaft17 und weist somit grundsätzlich normengeprägten Charakter auf, was prima vista gegen eine Berücksichtigung rein faktischer Nähebeziehungen spricht. Das gilt indes einerseits nicht ausnahmslos, wie der verfassungsrechtliche Schutz des Mannes, der nicht rechtlicher, aber genetischer Vater ist, verdeutlicht. Auch dieser kann sich wegen seines Interesses, rechtlicher Vater zu werden, nämlich auf Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG berufen, wenn zwischen ihm und dem Kind eine sozial-familiäre

13

BVerfG FamRZ 1993, 781 (781). Nicht überzeugend, weil zu allgemein, ist daher die Deutung bei BeckOK-GG/Uhle (15.5.2022), Art. 6 Rn. 11. 14 Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 220 ff. 15 Henrich, in: FS Lerche (1993), S. 239 (247); BVerfG FamRZ 1993, 781 (781); vgl. auch MKS-GG/Robbers, Art. 6 Rn. 39. 16 Henrich, in: FS Lerche (1993), S. 239 (248). Siehe im Zusammenhang mit der Anerkennung von im Ausland wirksam geschlossenen Ehen Coester-Waltjen, in: FS Henrich (2000), S. 91 (91 f.) (Die Strukturprinzipien des deutschen Rechts sind keine absolut gesetzten Eingrenzungskriterien). 17 Siehe BVerfGE 108, 82 (103) [C I 2b]; von Münch/Kunig/Heiderhoff, GG7, Art. 6 Rn. 113; Jarass/Pieroth/Jarass, GG17, Art. 6 Rn. 46. A.A. aber Jestaedt, in: Moderne Familienformen (2019), S. 13 (22 ff.) („zweispurige[r] Elternbegriff“, S. 28); vgl. auch zum „terminologische[n] Variantenreichtum“ ders., in: Moderne Familienformen (2019), S. 13 (16).

§ 10 Besser Heilung im Status als Ausgleich im Statusverhältnis

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Bindung besteht.18 Das Elterngrundrecht nimmt also durchaus faktische Familienbeziehungen außerhalb des statusorientierten Rechts in den Blick.19 Andererseits knüpft Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG an das zivilrechtliche Ergebnis an, und es lässt sich ihm damit nichts über die Zulässigkeit einer materiell-rechtlichen Heilung entnehmen, wenn man nicht einem Zirkelschluss unterliegen will. Der Aspekt des verfassungsrechtlichen Elterngrundrechts wird aber problematisch, wenn die Heilung in einer Fallkonstellation eingreifen soll, in der bereits eine andere rechtliche Elternschaft besteht. Ausgehend von der Exklusivität des Elterngrundrechts20 bedeutet die Konvaleszenz der Elternschaft nämlich einen Verlust des anderen Elterngrundrechts, was einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedürfte. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG schützt selbstverständlich das Interesse des rechtlichen Elternteils auf Fortbestand seines Elterngrundrechts, wenn der Bestand der rechtlichen Zuordnung eines Kindes zu ihm von Dritten in Frage gestellt wird.21 Sogar bei fehlender sozial-familiärer Beziehung zum Kind kann sich beispielsweise der rechtliche Vater grundsätzlich auf sein Elternrecht berufen.22 Das Elterngrundrecht ist aber nicht schrankenlos. Umfang und Intensität des Schutzes sind entscheidend davon abhängig, ob die rechtliche Vaterschaft auch tatsächlich gelebt wird.23 Die Ersetzung der Einwilligung in eine Adoption gemäß § 1748 BGB ist wegen der streng gefassten Voraussetzungen beispielsweise ein verfassungskonformer Entzug des Elterngrundrechts.24 Vor diesem Hintergrund ist eine Abwägung mit anderen grundrechtlichen Interessen wie demjenigen des Kindes, des genetischen, aber nicht rechtlichen Vaters, oder aber der faktischen Eltern (über Art. 6 Abs. 1 GG, dazu sogleich) möglich und angesichts des staatlichen Wächteramts womöglich sogar geboten. Auch insoweit ist eine statusrechtliche Heilung auf Verfassungsebene also nicht a limine ausgeschlossen. Deutlich wird hier aber das Erfordernis, die Voraussetzungen einer statusrelevanten Heilung entsprechend streng zu fassen. 18

Grundlegend BVerfGE 108, 82 (104 f.) [C I 3]; BeckOK-GG/Uhle (15.5.2022), Art. 6 Rn. 58c. 19 Siehe zu den unterschiedlichen Regelungsstrukturen von bürgerlicher Statuslösung einerseits und „Modul-Lösung“ andererseits Jestaedt, in: Moderne Familienformen (2019), S. 13 (29 ff.). 20 Siehe hier nur von Münch/Kunig/Heiderhoff, GG7, Art. 6 Rn. 114 auch mit Hinweisen auf die aktuelle Diskussion zur Pluralisierung von Elternschaft in Rn. 219; Britz, NZFam 2018, 289 (293 ff.); BVerfGE 108, 82 (101 f.) [C I 2a aa–cc]; zum Ein-Vater-Prinzip etwa MüKo-BGB8/Wellenhofer, § 1592 Rn. 2. 21 BVerfG NJW 2009, 425 (425 f.) [II 1]; BeckOK-GG/Uhle (15.5.2022), Art. 6 Rn. 58d. 22 BVerfG FamRZ 2014, 449 (457) (mAnm Helms) = BVerfGE 135, 48 ff. 23 BVerfG FamRZ 2014, 449 (457) (mAnm Helms) = BVerfGE 135, 48 ff. 24 Siehe ausführlich dazu Staudinger/Helms, BGB (2019), § 1748 Rn. 11 (mwN); vgl. ferner MüKo-BGB8/Maurer, vor § 1741 Rn. 39 ff.; BeckOGK-BGB/Löhnig (1.4.2022), § 1748 Rn. 4. Grundlegend zum früheren § 1747 Abs. 3 BGB a.F. BVerfGE 24, 119 (144 ff.) [C III 2–3].

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Vierter Teil: Eine Lehre vom faktischen Status

Der verfassungsrechtliche Schutz der Familie gemäß Art. 6 Abs. 1 GG ist ebenso für die Heilung einer Eltern-Kind-Zuordnung offen, ohne eine solche indes unter klar bestimmten Voraussetzungen einzufordern. Der Familienbegriff ist weit zu verstehen und umfasst jede sozial-familiäre Beziehung, unabhängig vom Bestehen einer rechtlichen Elternschaft.25 Diese Beziehung verdient den Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG, der allerdings nicht unbedingt im Wege der statusrechtlichen Heilung erfolgen muss, sondern beispielsweise auch durch Umgangsrechte gewährt werden kann.26 Summa summarum hält die Verfassung keine konkreten Voraussetzungen für die Heilung eines unwirksamen Status bereit. Weder fordert sie für alle Status die Möglichkeit der Heilung infolge eines gutgläubigen Vollzugs noch schließt das Grundgesetz eine solche aus. Die kurze verfassungsrechtliche Betrachtung hat aber dafür sensibilisiert, den Schutz etwaiger Drittinteressen hinreichend zu berücksichtigen. 2. Europäische Menschenrechtskonvention Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) unterstreicht schon seit längerer Zeit die Bedeutung der faktisch gelebten Realbeziehung für den Schutzgehalt des Art. 8 Abs. 1 EMRK.27 Für den danach zu gewährleistenden Schutz des Privat- und Familienlebens kommt es nach ständiger Rechtsprechung sowohl bei der Ehe28 als auch bei der ElternKind-Zuordnung29 weniger auf die rechtlichen als auf die tatsächlichen Verhältnisse an.30 Der EGMR anerkennt ausdrücklich einen de facto status und stellt ihn unter den Schutz von Art. 8 Abs. 1 EMRK,31 wenn eine umfassende 25 BeckOK-GG/Uhle (15.5.2022), Art. 6 Rn. 14 (mwN); von Münch/Kunig/Heiderhoff, GG7, Art. 6 Rn. 67 ff.; BVerfGE 108, 82 (112 f.) [C II 1 a–c]; 133, 59 (82) {60 ff.}; siehe auch Britz, NZFam 2018, 289 (291) mit dem Hinweis, dass das BVerfG Art. 6 Abs. 1 GG auf Konstellationen, in denen zwischen allen Beteiligten nur soziale, also weder genetische noch rechtliche Beziehungen bestehen, noch nicht angewendet hat, vgl. (292). 26 BVerfGE 108, 82 (113 f.) [C II 1d]. 27 Vgl. zur mit diesem Gedanken durchgesetzten Gleichbehandlung von ehelichen und nichtehelichen Kindern die grundlegende Entscheidung des EGMR, Urt. vom 13.6.1979, NJW 1979, 2449 ff. (Marckx/Belgien). 28 EGMR, Urt. vom 8.12.2009 – 49151/07, BeckRS 2010, 6571 (Muñoz Días/Spanien); Urt. vom 24.1.2017 – 25358/12, NJW 2017, 941 (942) {140} (mwN) (Paradiso u. Campanelli/Italien). Siehe aber auch Urt. vom 20.1.2009 – 3976/05, DÖV 2010, 40 (Yigit/Türkei). 29 EGMR, Urt. vom 26.6.2014 – 65192/11, NJW 2015, 3211 (3212) (Mennesson/Frankreich); Urt. vom 15.9.2011 – 17080/07, NJW 2012, 2781 (2783 f.) {79 ff.} (Schneider/Deutschland). Zur Adoption: FamRZ 2007, 1529 (1529) (mAnm Henrich). 30 Frowein, in: Frowein/Peukert, EMRK3, Art. 8 Rn. 17 ff. (mwN); Hk-EMRK4/MeyerLadewig/Nettesheim, Art. 8 Rn. 54 f. 31 Zur de-facto-Familie siehe hier nur EGMR, Urt. 28.6.2007 – 76240/01, FamRZ 2007, 1529 (1529) (mAnm Henrich) (Wagner und J.M.W.L./Luxemburg); Urt. vom 26.6.2014 – 65192/11, NJW 2015, 3211 (3212) (Mennesson/Frankreich).

§ 10 Besser Heilung im Status als Ausgleich im Statusverhältnis

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Abwägung32 bestimmter Umstände (wie die tatsächliche Verantwortungsübernahme oder das Zusammenleben als Familie)33 und ein gewisser Zeitablauf34 dies gebieten. Bei der faktischen Namensführung verfährt der EGMR ähnlich wie das Bundesverfassungsgericht zum Allgemeinen Persönlichkeitsrecht und begründet den konventionsrechtlichen Schutz des Faktischen mit dem Selbstbestimmungsrecht der namensführenden Person gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK (Privatleben).35 Allerdings können die Gewährleistungen der EMRK nicht stets die bevorzugte Heilung im Status gegenüber sekundären Abhilfen erzwingen, sondern nur jeweils überhaupt einen angemessenen rechtlichen Schutz einfordern.36 Es ist aber nicht ersichtlich, dass die in ständiger Rechtsprechung gewährte menschenrechtliche Anerkennung faktischer Statusverhältnisse nur für (die jeweils betreffenden) Teilbereiche gelten soll. Insgesamt ist zu konstatieren, dass die EMRK stärker auf die faktische Lebensbeziehung als auf den isolierten rechtlichen Status abhebt und rein faktische Familienverhältnisse „rechtlich auf[wertet]“.37 Eine Heilung im Status erscheint demnach, also von einer konventionsrechtlichen Warte aus betrachtet, die gegenüber sekundären Abhilfemechanismen zu priorisierende Reaktion zu sein. Jedenfalls stehen die konventionsrechtlichen Wertungen einer Heilung im Status nicht entgegen. 3. Zwischenergebnis Weder das Grundgesetz noch die EMRK fordern die Priorisierung der Heilung im Status gegenüber der Abhilfe im Statusverhältnis ein, sondern verlangen bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen lediglich einen Mindestschutz faktisch gelebter Beziehungen. Andererseits stehen sie aber einer statusrelevanten Heilung, welche zumindest bündiger in das konventionsrechtliche Korsett zu passen scheint, keinesfalls entgegen. 32 Siehe nur EGMR, Urt. vom 24.1.2017 – 25358/12, NJW 2017, 941 (943) {151 ff.} (Paradiso u. Campanelli/Italien). 33 EGMR, Urt. vom 26.6.2014 – 65192/11, NJW 2015, 3211 (3212) (Mennesson/Frankreich); Urteil vom 15.9.2011 – 17080/07, NJW 2012, 2781 (2784) {80} (Schneider/Deutschland). Mitunter wird auch Gutgläubigkeit verlangt, vgl. Urteil vom 8.12.2009 – 49151/07, BeckRS 2010, 6571 (Muñoz Días/Spanien) („good faith“). 34 EGMR, Urt. vom 28.6.2007 – 76240/01, FamRZ 2007, 1529 (1529) (mAnm Henrich) (Wagner und J.M.W.L./Luxemburg); Urteil vom 24.1.2017 – 25358/12, NJW 2017, 941 (943) {150 ff.} (Paradiso u. Campanelli/Italien), gefordert wird aber keine Mindestdauer. 35 Siehe ausführlich Repasi, Wirkungsweise (2018), S. 440 ff. 36 Beispielsweise wird in EGMR, Urt. vom 8.12.2009 – 49151/07, BeckRS 2010, 6571 (Muñoz Días/Spanien) die Versagung der Witwenrente („survivor’s pension“) als Verletzung von Art. 14 EMRK (sic!) bewertet, die Ehe aber nicht automatisch als wirksam anerkannt. In letztere Richtung aber Frank, StAZ 2011, 236 (241). 37 Frank, StAZ 2011, 236 (241). Siehe auch Hk-EMRK4/Meyer-Ladewig/Nettesheim, Art. 8 Rn. 54: „Der EMRK liegt das „Konzept einer durch soziale Verbindungen begründeten Familie zugrunde;[…]“.

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Vierter Teil: Eine Lehre vom faktischen Status

II. Unzureichende Alternativen zur Heilung Im Hauptteil der Untersuchung hat sich eine Vielzahl von Lösungen, die nicht am Status selbst ansetzen, als nützlich erwiesen, um im Einzelfall auf methodisch zulässige Weise zu gerechten Ergebnissen zu gelangen. Abhilfe auf einer solchen allgemeinen zivilrechtlichen Ebene erscheint reizvoll zu sein, weil damit die große Streitfrage der statusrechtlichen Heilung ausgespart werden kann. Allerdings sind die Lösungsmöglichkeiten jeweils sachlich eng begrenzt und mitunter nur um den Preis methodisch grenzwertiger Kunstgriffe zu erhalten. Die insoweit bestehenden dogmatischen Bedenken wurden bei der Untersuchung hinreichend klar. Davon abgesehen bedeuten sie aber eine „permanent[e] Flucht in den Einzelfall“, die bereits Anlass für die Herausarbeitung einer einheitlichen Vertrauenslehre war.38 Deshalb liegt es nicht fern, eine allgemeingültige Lösung im Sinne der Vertrauensentsprechung zu suchen. Zu berücksichtigen sind dabei aber die Eigenarten des Status als Regelungssystem. Es drängen sich prima vista Zweifel auf, ob eine Heilung im Status mit Grundanliegen statusorientierten Rechts vereinbar ist.

III. Vereinbarkeit der Heilung mit dem „Regelungssystem Status“ Führt man sich die Formstrenge des statusorientierten Rechts sowie dessen statischen und auf Rechtssicherheit abzielenden Charakter vor Augen, ruft die Idee einer umfassenden Heilungsmöglichkeit unwirksamer Status Bedenken hervor. Unter Hinweis auf die Statusfunktionen, insbesondere die Rechtssicherheit und die Statuserkennbarkeit, könnte eine statusrelevante Heilungsmöglichkeit abzulehnen sein. Das Gegenteil ist aber der Fall. Bereits bei den frühen Inseminationsfällen hat sich gezeigt, dass die Heilung im Status der vorzugswürdigere Weg gewesen wäre.39 Sie hätte nicht nur einen dogmatisch gewagten Rückgriff auf einen konkludent geschlossenen unterhaltsrechtlichen Vertrag zugunsten des Kindes obsolet gemacht, sondern darüber hinaus, wie Wanitzek betonte,40 dem Eltern-Kind-Verhältnis als multilaterales Statusverhältnis hinreichend Rechnung getragen. Diese bereits in § 8 der Arbeit gewonnenen Erkenntnisse aus dem Recht der Eltern-Kind-Zuordnung lassen sich auf den gesamten Bereich des statusorientierten Rechts übertragen.

38 Vgl. Lenz, Das Vertrauensschutz-Prinzip (1968), S. 3 (zur früheren Kasuistik des BVerwG zur Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte). 39 Siehe ausführlich oben, § 8 V 1 (mwN). 40 Wanitzek, Rechtliche Elternschaft (2002), S. 279, 298.

§ 10 Besser Heilung im Status als Ausgleich im Statusverhältnis

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Solange am Statussystem41 festgehalten wird,42 sollte es verteidigt und konsequent durchgehalten werden. Dazu ist es erforderlich, Verwässerungen des Gesamtsystems „Status“ abzuwenden. Diese drohen indes durch die Ergebniskorrektur auf sekundärer Ebene, weil jene nur Einzelaspekte herausgreifen und auflösen können. Es besteht dann die Gefahr, dass entgegen der Statustotalität43 nur einzelne Rechtsfolgen eintreten und dafür jeweils noch das konkrete Lebensverhältnis ausgeleuchtet werden muss, was mit der Statusintentionalität44 unvereinbar ist und dem Statussystem einen entscheidenden Vorzug nimmt. Ein Status ist mehr als nur eine „leere Hülle“45 und bietet mit seinem „System von Ansprüchen und Regressen“ einen angemessenen Ansatz für die rechtliche Behandlung besonderer Familienbeziehungen.46 Ferner streitet auch die Ausstrahlungswirkung eines Status in diverse Rechtsbereiche für eine generelle Lösung auf Statusebene; anderenfalls müssen die Folgeprobleme jeweils isoliert gelöst werden, was nicht nur widersprüchliche Ergebnisse provoziert, sondern lediglich punktuelle Lösungen ermöglicht. Diese Erosion des Statussystems wird in einer Entscheidung sichtbar, die jüngst vom Oberlandesgericht Nürnberg47 getroffen wurde. Ausgehend von der Annahme, die nichtige Ehe der Eltern nicht heilen zu können, musste der Senat Lösungen im Namensrecht suchen. Das namensrechtliche Problem konnte zwar gelöst werden. Damit ist aber für die weiteren Folgefragen, die aus der Nichtigkeit der Ehe resultieren, noch nichts gesagt. In Bezug auf etwaige, in casu indes nicht streitbefangene Unterhalts- oder Versorgungsansprüche sowie für das Erbrecht oder die ElternKind-Zuordnung müssten andere Lösungsmechanismen gefunden werden. Diese ließen sich, wie gesehen, zumindest teilweise zwar konstruieren. Es ist aber gerade die Idee des Statussystems, eine so zentrale Weichenstellung wie die Wirksamkeit einer Ehe einheitlich und auf vorhersehbare Weise zu beurteilen. Mit anderen Worten: Die Heilung im Status tritt an die Stelle sekundärer Hilfskonstruktionen und verhindert damit einen systemfremden „Halbstatus“.48 Durch die Heilung im Status wird ferner eine Besserstellung, die durch Vertrauensgewährung gerade nicht entstehen soll,49 vermieden. Statusverhältnisse sind nämlich vielseitig ausgestaltet, und die gegenseitigen Rechte und Pflichten folgen dem Status. Die Heilung einer Eltern-Kind-Zuordnung führt bei-

41

Siehe oben, § 4 II. Vgl. oben, § 4 V sowie § 9 IV. 43 Siehe oben, § 4 I 2a). 44 Siehe oben, § 4 I 2a). 45 Coester-Waltjen, Gutachten B zum 56. Deutschen Juristentag (1986), S. B54; dezidiert dagegen Giesen, JZ 1983, 552 (553). 46 Vgl. Giesen, JZ 1983, 552 (553). 47 Siehe oben, § 1 I sowie § 6 II 2 sowie § 7 III 1d) und § 7 IV 3b) bb) (4). 48 Kriewald, Statusrelevante Erklärungen (2009), S. 32. 49 Siehe oben, § 5 IV 2b). 42

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Vierter Teil: Eine Lehre vom faktischen Status

spielsweise nicht nur zu Vorteilen des Kindes, sondern auch zu eigenen Verpflichtungen. Letzteres ist auf schuldrechtlichem Wege kaum zu konstruieren, wie die Untersuchung der Fälle des gefälschten Geburtenregisters exemplarisch offengelegt hat.50 Das Gleiche gilt für die Ehe, aufgrund derer nicht nur gegenseitiger Unterhalt geschuldet wird, sondern die über die gegenseitige finanzielle Unterstützung hinaus Grundlage mannigfaltiger Rechte und Pflichten ist. Hier zeigt sich quasi die statusrechtliche Parallele zu der Einsicht von Canaris, wonach bei der zivilrechtlichen Vertrauenshaftung Gegenrechte nicht abgeschnitten werden dürfen.51 Auch die Statuserkennbarkeit streitet für eine Heilung einer nach außen erkennbar gelebten sozialen Realität. Bei den untersuchten Fällen war es vor allem die Unwirksamkeit des Status, die die Beteiligten und Außenstehende überraschen musste. Die Verlässlichkeit des langjährig gelebten Status wird durch eine Versagung der Heilung in einem Maße erschüttert, das durch sekundäre Ausgleichsmechanismen kaum kompensiert werden kann. Gerade die Stabilität ist ein zentrales Wesensmerkmal eines Status,52 weshalb dessen Heilung eine Stärkung des Statusgedankens bedeutet und nicht etwa eine Bedrohung statusorientierten Rechts darstellt; das tatsächlich Gewachsene und von den Beteiligten als wirksam Betrachtete wird damit schließlich aufrechterhalten. Einzig die sogenannte Statuswahrheit könnte gegen eine statusrechtliche Heilung ins Feld geführt werden, weil ein Status nicht nur eine formelle Hülle darstellt, sondern auch einen materiellen Kern haben muss.53 Deshalb darf die Heilung nicht nur an der Form ansetzen und ist an materielle Vorbedingungen zu knüpfen, die es normativ erlauben, Statuswahrheit hinter die Beständigkeit des Faktischen und das insoweit bestehende Vertrauen zurücktreten zu lassen.54 Das wird insbesondere dann der Fall sein, wenn der Zweck der strengen Formalisierung des statusorientierten Rechts anderweitig erfüllt ist; eine entscheidende Rolle werden also die Warnfunktion, der Übereilungsschutz, die Erkennbarkeit und die Beweisfunktion spielen.55 Es ist mithin zu konstatieren, dass die Heilung im Status dem Anliegen des statusorientierten Rechts viel mehr entspricht als eine einzelfallorientierte Abhilfe im Statusverhältnis. Auf diesem Wege findet darüber hinaus auch dasjenige hinreichende Berücksichtigung, was in § 4 der Arbeit als sozial-gesellschaftliche Bedeutung des Status herausgestellt worden ist: Neben der Gewähr-

50

Siehe oben, § 8 III 1c). Canaris, Vertrauenshaftung (1971), S. 520. 52 Siehe oben, § 4 I 2c). 53 Vgl. oben, § 4 I 2b). 54 Vgl. oben, § 4 I 2b). 55 Siehe zu den Formzwecken bereits oben, § 4 II 2. 51

§ 10 Besser Heilung im Status als Ausgleich im Statusverhältnis

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leistung eines einheitlichen und konsistenten Rechtsrahmens hat statusorientiertes Recht die Aufgabe, die gelebte soziale Realität der Menschen möglichst lebensnah abzubilden.56

IV. Schutz faktischer Beziehung als Entwicklungstrend Die Heilung im Status bedeutete größtmöglichen Schutz der faktisch gelebten Beziehung und entspräche damit einem Entwicklungstrend, der vermehrt im statusorientierten Recht zu beobachten ist: Die gelebte Realbeziehung gewinnt zunehmend an Bedeutung. Für den Namen ist dies spätestens seit der SinghRechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts offenkundig, während im Recht der Eltern-Kind-Zuordnung und im Eherecht eine subtilere Betrachtung erforderlich ist. Das geltende Recht der Eltern-Kind-Zuordnung ist im Ausgangspunkt nach wie vor auf ein Zusammenführen von rechtlicher und genetischer Vaterschaft gerichtet.57 Darauf gründet auch die Möglichkeit, eine bestehende Vaterschaft anzufechten, was bekanntlich nur bei fehlender genetischer Verbindung des rechtlichen Vaters zum Kind möglich ist. Das Anfechtungsrecht ist aber nicht grenzenlos, sondern unterliegt personellen, zeitlichen und sachlichen Beschränkungen,58 von denen das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung zwischen rechtlichem Vater und Kind (§ 1600 Abs. 2 und 3 BGB) im vorliegenden Kontext von besonderem Interesse ist. Dabei handelt es sich nämlich um die wohl prominenteste Ausprägung des Gebots der Statusbeständigkeit im Recht der Vaterschaftsanfechtung. Das gelebte Vater-Kind-Verhältnis wurde zwar schon im Zuge der Kindschaftsrechtsreform von 1998 für die Begrenzung des Anfechtungsrechts der Mutter diskutiert,59 konnte sich zu jenem Zeitpunkt aber noch nicht als gesetzliches Tatbestandsmerkmal etablieren. Im Jahr 2004 schlug dann (endlich) die Stunde der sozial-familiären Beziehung als Rechtsbegriff: Er wurde zum zentralen Kriterium der ersten gesetzlichen Regelung, die einer real gelebten Eltern-Kind-Beziehung ausdrücklich Rechnung trägt60 sowie der rechtlichen Abstammung Vorrang gegenüber der genetischen Verbindung einräumt.61 Die Vorschrift verkörpert den Gedanken, dass die genetische Wahrheit (Statuswahrheit) an Bedeutung verliert, wenn die „rechtlich feh-

56 Siehe hier nur Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts (2018), S. 137 sowie ausführlich oben, § 4 IV. 57 Siehe Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts (2018), S. 137 ff. mwN und Beispielen. 58 Siehe bereits oben, § 4 III 2. 59 Siehe nur Gaul, FamRZ 1997, 1441 (1457). 60 Frank, in: FS Schwab (2005), S. 1127 (1131). 61 Hager, in: FS Schwab (2005), S. 773 (773).

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Vierter Teil: Eine Lehre vom faktischen Status

lerhafte Zuordnung eines Kindes mit der gelebten Vater-Kind-Beziehung faktisch übereinstimmt“.62 Es geht also um den „Schutz gelebter Sozialbeziehungen“.63 An dieser Stelle ist ein enger Zusammenhang mit dem Vertrauensschutzgedanken bei gutgläubig gelebter Eltern-Kind-Zuordnung unverkennbar.64 Ferner ist es geradezu typisch für den Vertrauensschutzgedanken, dass die rechtlichen Eltern und das Kind grundsätzlich weiterhin anfechten und damit über den Schutz ihrer faktischen Beziehung disponieren können; auf Vertrauensschutz kann man schließlich meistens auch verzichten.65 Eine weitere Stärkung des gelebten Vater-Kind-Verhältnisses bewirkt die zeitliche Beschränkung des Anfechtungsrechts, weil damit faktische Familienbeziehungen, die nicht auf einer genetischen Verbindung beruhen, nach Ablauf einer bestimmten Zeit gegen eine Aufhebung immunisiert werden. Der Umstand, dass gelebte Realbeziehungen nach geltendem Recht für besonders schutzwürdig gehalten werden, zeigt sich ferner im Hinblick auf die neuerdings diskutierten Versuche, die strikte Rückabwicklung einer erfolgreich angefochtenen Vater-Kind-Zuordnung abzumildern. Die tatsächlich gelebte Familienbeziehung wird hier mitunter als Rechtsgrund für das Behaltendürfen empfangener Unterhaltsleistungen angesehen und unter Anlehnung an die Lehre vom faktischen Arbeitsverhältnis nur mit Wirkung ex nunc für vernichtbar gehalten.66 An die Wertung, dass eine faktische Beziehung und die insoweit gelebte Solidarität nicht mit einem Federstrich negiert werden sollte, knüpfen auch Heiderhoff und Schekahn mit ihrem Vorschlag an, wonach eine fristungebundene Aufhebung der Vaterschaft mit ex nunc-Wirkung neben die bisherige (weiterhin fristgebundene) Anfechtung der Vaterschaft treten könnte.67 Der Schutz eines gelebten Eltern-Kind-Verhältnisses ist mithin kein Fremdkörper im statusorientierten Recht der Eltern-Kind-Zuordnung, sondern hat als Ausdruck der Solidarität ganz im Gegenteil eine gewichtige Bedeutung erlangt,68 was unterstreicht, dass sich der Gedanke einer statusrelevanten Heilung ohne normative Brüche in das geltende Recht einfügen lässt. 62

Frank, in: FS Schwab (2005), S. 1127 (1130). Helms, FamRZ 2010, 1 (4); BVerfG FamRZ 2003, 816 (821) (mAnm C. Huber). 64 Vgl. ähnlich von Scheliha, Familiäre Autonomie und autonome Familie (2019), S. 147; vgl. auch BeckOGK-BGB/Reuß (1.8.2022), § 1600 Rn. 83. 65 Siehe bereits oben, § 5 IV 2a) und zum Namen § 6 IV 2. 66 Fröschle, NZFam 2017, 884 (888 f.); siehe ferner Wellenhofer, FamRZ 2016, 1717 (1722); vgl. auch Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Scheinvaterregresses […] vom 16.11.2016, BT-Drs. 18/10343, S. 14, 20 f. (mwN aus der Rechtsprechung zur zeitlichen Begrenzung des unterhaltsrechtlichen Regressanspruchs). 67 Siehe ausführlicher Heiderhoff/Schekahn, FPR 2011, 360 (365 f.) sowie Heiderhoff, FamRZ 2010, 8 (14). 68 Siehe auch Heiderhoff, FamRZ 2010, 8 (11); vgl. auch Büttner, in: FS Schwab (2005), S. 735 (740) („In der sozialen Wirklichkeit kommt dem Schutz der gelebten sozial-familiären Beziehungen höhere Bedeutung zu als der wirklichen biologischen Abstammung“). 63

§ 10 Besser Heilung im Status als Ausgleich im Statusverhältnis

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Auch im Recht der bürgerlichen Ehe ist eine Entwicklung zu konstatieren, die ebenfalls ein Argument dafür bietet, über eine weitergehende Heilung im Status nachzudenken. Zu beobachten ist nämlich in den letzten Jahrzehnten eine deutliche Liberalisierung des Scheidungsrechts, die gleichsam einen großzügigeren Umgang mit Begründungsfehlern ermöglicht.69 Je einfacher die eingegangene Verbindung wieder aufgelöst werden kann, und je weniger intensiv die Nachwirkungen des aufgelösten Status ausgebildet sind (Stichwort: Begrenzung des nachehelichen Unterhalts70), desto geringer können die Formanforderungen sein, wenn man den Zweck der Warnfunktion bedenkt. Das liegt ganz auf der gedanklichen Linie einer Lehre vom faktischen Statusverhältnis, die eine über § 1310 Abs. 3 BGB hinausgreifende Heilungsmöglichkeit von Nichtehen ermöglicht, wenn die Formzwecke anderweitig erfüllt sind. Nicht zuletzt das Regelungssystem der Eheaufhebung unterstreicht die Offenheit des geltenden Eherechts gegenüber einem weitgehenden, jedenfalls rückwirkenden Schutz der tatsächlich gelebten ehelichen Verbindung.71

V. Zwischensumme Die Heilung im Status ist ein sach- und interessengerechtes sowie systemkonformes Ergebnis, das mit verfassungs- und konventionsrechtlichen Maßstäben vereinbar ist und dem Gebot der Rechtssicherheit am ehesten gerecht wird. Eine statusrechtliche Heilung ist mithin verfassungsrechtlichem Mindestschutz vorzuziehen, soweit die Heilungsvoraussetzungen hinreichend streng gefasst sind,72 was wiederum im folgenden § 11 zu konkretisieren ist. Der mit der Heilung einhergehende Schutz der Realbeziehung entspricht ferner dem Trend eines zeitgemäßen Ehe- und Abstammungsrechts, die faktische Beziehung stärker zu schützen.

Siehe auch mit Blick auf die Statuswahrheit und gewandelte Eltern- und Kindschaftskonstellationen Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts (2018), S. 181 f. Vgl. ferner Frank, StAZ 2004, 330 (332). 69 Vgl. nur Frank, in: LA Pintens I (2012), S. 607 (608); Gernhuber/Coester-Waltjen, FamR7, § 13 Rn. 1; Coester-Waltjen, in: FS Rolland (1999), S. 67 (73). 70 Siehe BeckOGK-BGB/Schlecht (1.8.2022), § 1578b Rn. 2. Siehe auch die Forderung von Koch, ZRP 2017, 162 (165). 71 Siehe oben, § 7 II. 72 Pfeiffer, LMK 2003, 128 (129); ähnlich auch Sturm/Sturm, in: FS W. Lorenz (2001), S. 423 (429); Hepting/Dutta, Familie und Personenstand3, Rn. III-210; von Bar, NJW 1983, 1929 (1932).

§ 11 Konkretisierung des Heilungsansatzes Nach dieser rechtspolitischen Einsicht stellt sich nunmehr die Frage nach konkreten Umsetzungsmöglichkeiten einer statusrelevanten Heilung. Hierbei ist es durchgehend erforderlich, streng zwischen der geltenden Rechtslage und derjenigen de lege ferenda zu unterscheiden. Um zusammenhängende Wertungsgesichtspunkte nicht auseinanderzureißen und Redundanzen zu vermeiden, untereilt sich die Darstellung aber nicht in zwei entsprechende Blöcke. Angesichts der besonderen Anforderungen an ungeschriebene Lösungen de lege lata ist es vorab geboten, methodische Grundlagen offenzulegen (I.). Anschließend sollen die Heilungsvoraussetzungen konkretisiert (II.), die Umsetzung eruiert (III.) und weitere Überlegungen skizziert (IV.) werden.

I. Methodischer Ausgangspunkt Wer einen ungeschriebenen Heilungsansatz postuliert, begibt sich methodisch auf das zerbrechliche Eis der Rechtsfortbildung. Dabei handelt es sich um eine grundsätzlich anerkannte und zulässige Methode der Rechtswissenschaft,1 die allerdings Grenzen kennt und einer besonderen Rechtfertigung bedarf.2 Jedenfalls der schlichte Rekurs auf den Gedanken des Vertrauensschutzes ist ungenügend; insoweit ist anerkannt, dass dieser selbst in der (umstrittenen) Gestalt eines allgemeinen Rechtsprinzips3 nicht unmittelbar angewendet werden kann.4 Die Voraussetzungen einer verfassungskonformen Rechtsfortbildung lassen sich mit Möllers fünf Stufen-System anschaulich zusammenfassen und

1 Larenz/Canaris, Methodenlehre3, S. 187; Möllers, Juristische Methodenlehre4, § 11 Rn. 65; Wiedemann, NJW 2014, 2407 (2408); Meier/Jocham, JuS 2016, 392 (392). Siehe auch Merz, AcP 163 (1964), 305 (308). Siehe besonders zum hier einschlägigen Familienrecht Röthel, in: FS Karsten Schmidt II (2019), S. 273 (274 f.) mit dem späteren Hinweis auf die Zurückhaltung der familiengerichtlichen Rechtsprechung zur Rechtsfortbildung der familienrechtlichen Statusverhältnisse, vgl. (280). 2 Larenz/Canaris, Methodenlehre3, S. 245 ff. 3 Siehe bereits oben, § 5 II a.E. 4 Larenz/Canaris, Methodenlehre3, S. 240; Canaris, Systemdenken und Systembegriff2, S. 53 ff.

§ 11 Konkretisierung des Heilungsansatzes

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als Abwägungsprozess begreifen.5 Zunächst besteht ein Vorrang der klassischen Auslegungsmethoden, und es darf kein Eingriff in ein geschlossenes gesetzliches System erfolgen.6 Rechtsfortbildung hat sich ferner so weit wie möglich an dem Zweck der bestehenden Regelung zu orientieren7 und ist je eher zulässig, desto gewichtiger die Härten sind, die mit der ungeschriebenen Lösung abgewendet werden sollen.8 Äußerste Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung stellen der gesetzgeberische Wille9 (Rechtsfortbildung als Kompetenzproblem), höherrangiges Recht10 sowie schwere Grundrechtseingriffe zulasten Dritter dar.11 Bei den nachfolgenden Überlegungen werden diese Anforderungen und Grenzen immer dann zu berücksichtigen sein, wenn es um die Herausarbeitung der Voraussetzungen einer ungeschriebenen Heilung de lege lata geht. Bereits an dieser Stelle lassen sich aber vor dem Hintergrund der in dieser Untersuchung bereits vorgenommenen Detailanalysen schon die gewichtigsten Bedenken ohne weiteren argumentativen Aufwand entkräften. Das betrifft zum einen die Grenze, die das höherrangige Recht setzt: Es wurde schon aufgezeigt, dass Verfassungsrecht einer Heilung im Status nicht entgegensteht.12 Zum anderen hat die Untersuchung aller betrachteten Statusrechte offenbart, dass es keine methodisch einwandfreie Alternative zur ungeschriebenen Heilung gibt, die restlos zu überzeugen vermag und ihrerseits ohne Systembrüche auskommt. Im Namensrecht ist Vertrauensschutz unzureichend im einfachen Recht verankert, was sich nicht immer mit den herkömmlichen Auslegungsmethoden korrigieren lässt. Im Recht der Ehe und der Eltern-Kind-Zuordnung werden diverse Lösungsmöglichkeiten (Auslegung des einfachen Rechts, Gesetzesanalogien,

5

Siehe Möllers, Juristische Methodenlehre4, § 13 Rn. 129 ff. Larenz/Canaris, Methodenlehre3, S. 245; Möllers, Juristische Methodenlehre4, § 13 Rn. 27 ff. Dabei sind die Grenzen zwischen (gesetzesimmanenter) Auslegung und (gesetzesübersteigender) Rechtsfortbildung fließend, vgl. Westermann, in: FS Larenz (1983), S. 723 (732). 7 Vgl. Wiedemann, NJW 2014, 2407 (2409); Rieger, NVwZ 2003, 17 (20). Siehe auch Westermann, in: FS Larenz (1983), S. 723 (734) (System der Gesamtrechtsordnung und zu ergänzende Institution als „Quelle[n] der Wertfindung“). Vgl. besonders zur Form eines Rechtsgeschäfts Merz, AcP 163 (1964), 305 (322 f., 331). 8 Möllers, Juristische Methodenlehre4, § 13 Rn. 48 ff. 9 Larenz/Canaris, Methodenlehre3, S. 246; Möllers, Juristische Methodenlehre4, § 13 Rn. 82 ff.; Rieger, NVwZ 2003, 17 (21 f.); vgl. auch Westermann, in: FS Larenz (1983), S. 723 (723). 10 Möllers, Juristische Methodenlehre4, § 13 Rn. 66 ff. 11 Möllers, Juristische Methodenlehre4, § 13 Rn. 67 ff. 12 Siehe oben, § 10 I 1. 6

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Vierter Teil: Eine Lehre vom faktischen Status

schuldrechtliche Ersatzkonstruktionen, die ihrerseits Rechtsfortbildung bedeuten13) diskutiert, von denen aber keine methodisch restlos überzeugt. Der entscheidende Vorteil einer ungeschriebenen Heilung ist ihre Einheitlichkeit und Übersichtlichkeit. Damit fügt sie sich sogar besser in das gesetzliche Regelungssystem Status ein und wird dem gesetzlichen Regelungszweck gerecht.14

II. Konkretisierung der Heilungsvoraussetzungen Rechtspflichten an eine soziale Realität anzuknüpfen, führt allein für sich genommen noch nicht zu widerspruchsfreien und in sich stimmigen Ergebnissen,15 weshalb weitere konkrete Tatbestandsvoraussetzungen (2.) unerlässlich sind. Dafür müssen zunächst die in den ersten Teilen der Arbeit angedeuteten Prämissen des materiellen Rechts betrachtet werden (1.). Ausgehend von der Erkenntnis, dass die Heilung infolge Vertrauensschutzes im Namensrecht weitgehend anerkannt ist, und in Fortführung der bereits angestellten Überlegung, dass das Namensrecht als Blaupause für anderes statusorientiertes Recht dienen könnte, steht die Frage der Übertragbarkeit namensrechtlicher Heilungsvoraussetzungen im Vordergrund. Dies macht es erforderlich, zunächst zwingende materiell-rechtliche Implikationen des Rechts der Ehe und der ElternKind-Zuordnung herauszuarbeiten, um sie in einem zweiten Schritt mit den konkreten Heilungsvoraussetzungen abzugleichen. 1. Materiell-rechtliche Implikationen a) Privatautonomie und Statusintentionalität Der Grundsatz der Privatautonomie wird namentlich von Canaris als zentrale Schranke des Vertrauensschutzgedankens angeführt.16 Richtig ist dabei, und das hat auch die Untersuchung der einzelnen Status ergeben, dass im Wege einer auf Vertrauen gestützten Heilung niemandem Rechtswirkungen aufgedrängt werden dürfen, welche die Person weder wollte noch in zurechenbarer Weise verursachte. Das ergibt sich zwanglos auch aus dem in § 10 argumentativ in Bezug genommenen Statussystem: Die Rechtsfolgen eines Status sind überwiegend von dem Willen zur Begründung des Status abhängig und treten ein, weil ein Wille zur Verrechtlichung vorliegt (Statusintentionalität17). 13

Siehe beispielsweise den unterhaltsrechtlichen Vertrag zugunsten des Kindes, siehe oben, § 8 III 1b) bb), vor allem unter (9). 14 Siehe oben, § 10 III. 15 Vgl. Klinkhammer, in: LA Pintens I (2012), S. 753 (764) sowie von Scheliha, Familiäre Autonomie und autonome Familie (2019), S. 149 16 Canaris, Vertrauenshaftung (1971), S. 433 ff. 17 Siehe oben, § 4 I 2a). Anders ist dies im Recht der Eltern-Kind-Zuordnung, wo der Wille zur Vaterschaft noch eine untergeordnete Rolle spielt.

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Bei der Eltern-Kind-Zuordnung, bei der das voluntative Element zumindest auf einer zweiten Ebene eine Rolle spielt (Vaterschaftsanerkennung, Adoption, sogenannte Dreiererklärung gemäß § 1599 Abs. 2 BGB), wurde dieser Gesichtspunkt bereits mit dem Erfordernis eines Verursachungsbeitrags umschrieben.18 Erforderlich ist, dass die Bereitschaft zur Übernahme der rechtlichen Elternschaft unzweifelhaft zum Ausdruck kommt. Im Eherecht dient der gegenseitige und übereinstimmende Eheschließungswille vor allem zur Abgrenzung von Paarbeziehungen, die bewusst ohne eine besondere Verrechtlichung gelebt werden. Eine Eheschließung ist der Abschluss eines personenrechtlichen Vertrags,19 und die freie Willensübereinstimmung ist das Wesensmerkmal der Ehe, anhand dessen sie sich von bewusst nichtehelichen Lebensgemeinschaften abgrenzen lässt, womit wiederum im Sinne der grundrechtlichen Eheschließungsfreiheit aufgedrängte Eheschließungen vermieden werden können (consensus facit nuptias).20 Eine Ehe zeichnet sich mithin ganz besonders durch die gegenseitige Solidarität und die privatautonome Entscheidung für die gegenseitige rechtliche Verbindlichkeit aus.21 Der Eheschließungswille muss also wie bei der geschriebenen Konvaleszenz gemäß § 1310 Abs. 3 BGB22 zentrale Wirksamkeitsvoraussetzung sein, um den insbesondere von Erbarth befürchteten Verstoß gegen die Privatautonomie23 auszuschließen. Bei nichtigen Frühehen kommt es darauf an, dass zumindest im Zeitpunkt, in dem ihre Wirksamkeit erstmalig angezweifelt wird, ein wirksamer Ehekonsens vorliegt.24 Dieser (ursprünglich oder später) bestehende Ehekonsens bedarf im Zweifel eines Nachweises. Die Nachweisbarkeit kann indes mitunter Probleme aufwerfen, wobei dieser verfahrensrechtliche Problembereich vom hier interessierenden materiellen Tatbestand des Heilungsansatzes zu unterscheiden ist.25 Festzuhalten bleibt an dieser Stelle als erste zentrale Heilungsprämisse: Der ernstliche Ehekonsens muss positiv festgestellt werden können, wofür eine bloße Vermutung durch Zeitablauf nicht genügt.26 18

Siehe ausführlich bereits oben, § 8 V 2a). Siehe oben, § 7 I sowie § 4 III 1. 20 BVerfGE 62, 323 (332); von Münch/Kunig/Heiderhoff, GG7, Art. 6 Rn. 55; MKSGG/Robbers, Art. 6 Rn. 43 f.; Mäsch, IPRax 2004, 421 (424); siehe auch Coester-Waltjen, in: FS Rolland (1999), S. 67 (74); Henrich, in: FS Lerche (1993), S. 239 (242); Thomas, Formlose Ehen (1973), S. 138 f.; vgl. auch Schwenzer, Vom Status zur Realbeziehung (1987), S. 223. 21 Klinkhammer, in: FS Koch (2019), S. 199 (208). 22 Vgl. Hepting/Dutta, Familie und Personenstand3, Rn. III-207. 23 Erbarth, NZFam 2021, 9 (16). 24 Mit ausführlicher Begründung Gausing/Wittebol, DÖV 2018, 41 (49). 25 Siehe zu Verfahrensfragen noch unten, § 11 IV. 26 Thomas, Formlose Ehen (1973), S. 140; so auch Coester, StAZ 1988, 122 (128); Hepting, IPRax 1994, 355 (360). 19

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Insgesamt ergibt sich aus Vorstehendem für die Zulässigkeit einer Heilung im Status von Ehe und Eltern-Kind-Zuordnung das Erfordernis einer zurechenbaren, objektiven Vertrauensgrundlage (dazu § 11 II 2a)). b) Wahrung der Formzwecke, insbesondere des § 1310 Abs. 1 BGB Die bekannte, auf Jhering27 zurückgehende Redewendung von der Form als geschworener Feindin der Willkür beschreibt die Formzwecke des statusorientierten Rechts sehr anschaulich. Wie in § 4 der Arbeit herausgearbeitet, rechtfertigt sich die Formstrenge des statusorientierten Rechts aus den Funktionen, die ein Statussystem verfolgt. Insoweit wurden Warnfunktion, Übereilungsschutz, Erkennbarkeit und Beweisfunktion herausgestellt.28 Ein ungeschriebener Heilungsansatz muss dies hinreichend berücksichtigen und gewährleisten, dass die vorgenannten Zwecke erfüllt sind und Willkür in einem so relevanten Rechtsbereich wie dem eines Status ausgeschlossen wird. Damit ist die Frage nach den Voraussetzungen aufgeworfen, welche es erlauben, die jeweiligen Formzwecke als erfüllt anzusehen. Im Recht der Eltern-Kind-Zuordnung spielen Formzwecke eine geringe Rolle. Allenfalls im Zusammenhang mit der Anerkennungserklärung tritt die gemäß § 1597 Abs. 1 BGB erforderliche Form in Erscheinung, was sogleich durch die in § 1598 Abs. 1 BGB implementierte Unwirksamkeitsregelung sowie die weitgehende Heilungsmöglichkeit des § 1598 Abs. 2 BGB spürbar relativiert wird. Die Heilung endet aber an der Anerkennungssperre des § 1594 Abs. 2 BGB, an der sich ein weiterer Gesichtspunkt offenbart, der bei der Eltern-Kind-Zuordnung noch kritischer auszuleuchten sein wird als die Form; angesprochen ist die Exklusivität eines Status. Das ist aber zunächst noch zurückzustellen.29 Bei der Diskussion über gutgläubig geführte Nichtehen spielt das Argument, die von § 1310 Abs. 1 BGB mit seinem Grundsatz der obligatorischen Zivileheschließung verfolgten Zwecke seien durch Zeitablauf und erkennbaren Vollzug der ehelichen Verbindung erreicht worden, eine zentrale Rolle. Hier zeigt sich eine deutliche Parallele zum Namensrecht, weil die Heilung einer faktischen Namensführung auch darauf gestützt wird, dass sich die Zwecke des gesetzlichen Namens mit der Zeit verflüchtigt haben: Das staatliche Ordnungsinteresse darf nicht zum Selbstzweck werden.30 Maßgeblich gestützt hat sich auf dieses Argument im Eherecht das Oberlandesgericht Hamburg im Jahr 1980: Das Festhalten am Gebot der obligatorischen Zivileheschließung ist verfehlt, wenn die mit der Form verfolgten Zwecke bereits erfüllt sind und das

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von Jhering, Geist des römischen Rechts 2/II (1858), § 45, S. 497. Siehe oben, § 4 II 1. 29 Siehe sogleich, § 11 II 1c). 30 Siehe oben, § 6 IV 1c) bb) (3) und (7). 28

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Formerfordernis anderenfalls zum Selbstzweck würde.31 An die Formzwecke knüpfte in der Folge, wie bereits deutlich wurde,32 auch das Bundesverfassungsgericht an. Somit verdienen die konkret mit der formellen Eheschließung verfolgten Zwecke eine eingehende Betrachtung, um die Voraussetzungen der Heilung zu konkretisieren. Die formelle Eheschließung dient zunächst Beweiszwecken und der Einhaltung der Schutzbestimmungen, die das Eheschließungsrecht aufstellt (Prüfung von Ehehindernissen und den zwingenden Eheschließungsvoraussetzungen).33 Schutzsubjekte sind damit auch und gerade die Eheschließenden selbst. Ein Blick in die Entwurfsgeschichte bestätigt, dass die obligatorische Zivileheschließung nicht so sehr als staatliche Zustimmung, sondern als Bestandteil der Form gedacht war und vor allem dem Zweck einer leichteren Feststellung von Ort und Zeit einer wirksamen Eheschließung dienen sollte.34 Diese Beweiszwecke sind aber erfüllt, wenn eine zwischenmenschliche Beziehung nach außen erkennbar, insbesondere gegenüber Behörden, als eheliche Verbindung gelebt worden ist. Erforderlich sind hier also Nachweis von Zeit und Umstand des Ehekonsenses sowie Ablauf eines nicht unerheblichen Zeitraums. Ein Einwand verdient an dieser Stelle Berücksichtigung, weil er Müller dazu dient, ihren eigentlich recht liberalen Lösungsansatz für gutgläubig gelebte Nichtehen auf hinkende Auslandsehen zu begrenzen. Der mit § 1310 Abs. 1 BGB verfolgte Formzweck sei wegen der besonderen Beweisfunktion nur im Falle einer hinkenden Ehe erfüllt, weil die Wirksamkeit der Eheschließung nach ausländischem Recht Gewähr dafür biete, dass eine geeignete Stelle die Eheschließungsvoraussetzungen geprüft habe.35 Lediglich in diesem Fall sei das Vorliegen eines Ehekonsenses sicher feststellbar36 und eine Ausnahme vom standesamtlichen Prüfungsmonopol gerechtfertigt. Das überzeugt nicht. Müller selbst hält es für ausreichend, wenn die der Ehe zugrundeliegenden Strukturprinzipien erfüllt sind.37 Dafür kommt es aber nur darauf an, ob die übereinstimmende Äußerung des Eheschließungswillens tatsächlich bewiesen werden kann. Die befürchtete Rechtsunsicherheit ist nicht zu bestreiten, findet

31 OLG Hamburg FamRZ 1981, 356 (358) (mAnm Bosch). Siehe ferner oben, § 7 IV 3a) aa) (2). 32 Siehe oben, § 7 IV 2b) aa) (1). 33 Coester-Waltjen, in: FS Rolland (1999), S. 67 (73); BeckOK-BGB/Hahn (1.5.2022), § 1310 Rn. 2; MüKo-BGB9/Wellenhofer, § 1310 Rn. 1; Erman/Roth, BGB16, § 1310 Rn. 2. 34 HKK-BGB/Thier, §§ 1303–1312, 1588 Rn. 32, S. 290. Siehe im Übrigen auch Motive IV-4988, zitiert nach Mugdan IV, S. 693, wonach die besondere Form der Eheschließung gewährleisten soll, dass die erforderlichen materiellen Voraussetzungen tatsächlich vorliegen. 35 Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 221 f. 36 Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 222. 37 Siehe Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 210.

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ihren Grund aber in der jedem Verfahren immanenten Gefahr, entscheidungserhebliche Tatsachen nicht zweifelsfrei aufklären zu können. Das ist kein Argument, die ungeschriebene Heilungsmöglichkeit pauschal auszuschließen. Es leuchtete denjenigen, die die Abgabe ihres übereinstimmenden Ehewillens tatsächlich nachweisen können, zu Recht nicht ein, die Heilung im Status deshalb versagt zu bekommen, weil generell nicht gewährleistet sei, dass in allen denkbaren Fällen eine hinreichende Beweislage besteht. Alles andere bedeutete eine unnötige Perpetuierung überkommenen Kulturkampfdenkens.38 Rechtssicherheit wäre demgegenüber auf abstrakter Rechtsebene auch bei unklarer Sachlage gewonnen, wenn eine statusrechtliche Heilung ermöglicht würde, weil dann nicht in jedem betreffenden Rechtsgebiet nach Lösungen gesucht werden müsste, was in concreto wiederum zu Beweisschwierigkeiten führen wird, die sich dann schlechterdings in unterschiedlichen Verfahren mit möglicherweise abweichenden Entscheidungen offenbaren. Gerade hier tritt der Vorteil des Statussystems in aller Deutlichkeit hervor. Bei der hinkenden Auslandsehe kann also eine nach ausländischem Recht wirksam geschlossene Ehe zwar ein Beleg für die Ernsthaftigkeit des gegenseitigen Eheschließungswillens sein, sodass in diesen Fällen der Nachweis des Ehekonsenses regelmäßig gelingen und damit eine Heilung ermöglichen wird, sie ist indes keine unverzichtbare Heilungsvoraussetzung.39 Die Warnfunktion, die § 1310 Abs. 1 BGB zudem verfolgt,40 kann bei langem Zeitablauf als anderweitig erfüllt angesehen werden. Ursprünglich vorgesehener Übereilungsschutz zugunsten der Eheschließenden vermag schwerlich der Wirksamkeit der Ehe entgegenzustehen, wenn die Beteiligten die Ehe trotz formunwirksamer Begründung viele Jahre gelebt haben.41 Darüber hinaus hat die Warnfunktion an Bedeutsamkeit auch deshalb verloren, weil die Auflösung der Ehe liberalisiert wurde und heutzutage ohne unüberwindbare Hürden erfolgen kann.42 Mit der Abnahme des Endgültigkeitsgedankens eines Rechtsgeschäfts schwindet der Bedarf an Übereilungsschutz. Die obligatorische Zivileheschließung ist ferner Ausdruck des Kulturkampfs, unter dessen Eindruck das Bürgerliche Eherecht entstanden ist.43 Mit

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Siehe noch sogleich den übernächsten Absatz. So auch Coester, StAZ 1988, 122 (128 f. mit Fn. 92). 40 BeckOK-BGB/Hahn (1.5.2022), § 1310 Rn. 2; MüKo-BGB9/Wellenhofer, § 1310 Rn. 1. 41 Thomas, Formlose Ehen (1973), S. 136 f. 42 Coester-Waltjen, in: FS Rolland (1999), S. 67 (73); Sturm, in: FS Rolland (1999), S. 373 (378) („[…] es in Deutschland relativ einfach ist, sich aus der Ehe davonzustehlen oder den Partner kurzerhand zu verstoßen […]“); siehe auch Henrich, in: FS Lerche (1993), S. 239 (244). 43 Vgl. HKK-BGB/Thier, §§ 1303–1312, 1588 Rn. 32, S. 289; Erman/Roth, BGB16, Vorbemerkung vor § 1310 Rn. 1. 39

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ihr sollte der Bereich der Eheschließung eindeutig und in Abgrenzung zu religiösen Eheschließungszeremonien dem staatlichen Bereich zugeordnet werden.44 Insoweit ist die auch im Rahmen des § 1310 Abs. 3 BGB zu konstatierende Zurückhaltung gegenüber einer statusrechtlichen Heilung nicht standesamtlich geschlossener Ehen als Relikt alten Kulturkampfdenkens zu betrachten und als solches heutzutage überwindbar.45 Die obligatorische Zivilehe muss nicht mehr absolut und ausnahmslos durchgesetzt werden, um den staatlichen Kompetenzbereich gegenüber kirchlichen Einflüssen zu wahren. Von der Abnahme des staatlichen Interesses an der Bewährung seiner Zuständigkeit zeugt auch die Abschaffung des Verbots der kirchlichen Voraustrauung.46 Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob es haltbar ist, „ein Paar, das öffentlich seinen Ehewillen bekundet hat, in jeder Hinsicht als ‚unverheiratet‘ zu behandeln“.47 Demgegenüber ist aber auch eine Tendenz zu beobachten, das staatliche Eheschließungsmonopol vehementer zu verteidigen, wie beispielsweise die legislative Reaktion auf das Phänomen der sogenannten Frühehen belegt.48 Um das staatliche Eheschließungsmonopol angemessen49 zu wahren, genügt es aber, jedenfalls Vorkehrungen zu treffen, um lediglich rein religiösen Eheschließungen im Inland nicht zur rechtlichen Wirksamkeit zu verhelfen. Eine Heilung muss also nicht kategorisch ausgeschlossen werden. Das Ergebnis ist damit vorgezeichnet: Eine nur nach religiösem Ritus vorgenommene Trauung im Inland, die auch nicht zu einer hinkenden Ehe führt, hat allein keine Rechtswirkungen.50 Der Weg zu diesem Ergebnis ist die Gutgläubigkeit der Eheschließenden, weil allgemein bekannt ist beziehungsweise bekannt sein muss (grob fahrlässige Unkenntnis), dass eine Eheschließung grundsätzlich nur unter staatlicher Beteiligung möglich ist. Die faktischen Eheleute müssen die vorgenommene Trauungszeremonie jedenfalls für wirksam halten dürfen,51 was bei rein religiöser Eheschließung, die erkennbar ohne jede Aussicht auf eine Privilegierung nach Art. 13 Abs. 4 Satz 2 EGBGB vorgenommen wird, nicht der Fall ist.

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BeckOGK-BGB/Kriewald (1.7.2022), § 1310 Rn. 4. Vgl. auch Hepting, IPRax 1994, 355 (358 f.); Coester, in: FS Heldrich (2005), S. 537 (539). 46 Siehe hier nur BeckOGK-BGB/Otto (1.7.2022), § 1588 Rn. 13. Das Verbot wurde für die Eheschließung Minderjähriger wieder eingeführt, siehe § 11 Abs. 2 Satz 1 PStG sowie Antomo, ZRP 2017, 79 (82) 47 Schwab, in: FS Koch (2019), S. 139 (151). 48 Schwab, in: FS Koch (2019), S. 139 (151 f.); siehe vor allem § 11 Abs. 2 PStG. 49 Siehe insofern überzeugend Erman/Roth, BGB16, § 1310 Rn. 6. 50 Überzeugend OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. vom 20.5.2014 – OVG 3 M 7.14, juris, Rn. 8 ff.; OVG Lüneburg NJW 2005, 1739 (1740). 51 Coester, StAZ 1988, 122 (128). 45

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Reine Unzumutbarkeit der Durchsetzung einer vom Partner versprochenen standesamtlichen Eheschließung, sei es auch kulturell und gesellschaftlich nachvollziehbar, reicht für eine Heilung nicht aus. Insoweit trägt auch ein Vergleich mit den Eheschließungen, die infolge der Nachkriegswirren formwidrig geschlossen wurden, nicht.52 Diese Ehen konnten mitunter sogar gesetzlich geheilt werden, wobei aber strenge Voraussetzungen zu beachten waren.53 Die Heilung solcher Ehen geht ferner auf ganz besondere Umstände des staatlichen Zerfalls zurück und ist auf eine Zeit zugeschnitten, in der eine Eheschließung vor dem zuständigen Standesbeamten rein tatsächlich schlichtweg nicht möglich war. Das ist erkennbar grundsätzlich verschieden von einem bewussten Verzicht auf eine zur Verfügung stehende standesamtliche Eheschließung. Insoweit besteht ein normativer Unterschied zwischen dem oben erwähnten Fall des Oberlandesgerichts Hamburg54 und demjenigen des High Court of England and Wales.55 Alles andere bedeutete eine sehr weitgehende Aufgabe des Eheschließungsrechts und die umfassende Abschaffung der obligatorischen Zivileheschließung.56 Eine Entscheidung von derartiger Tragweite sollte dem Gesetzgeber überlassen bleiben, aber nicht einem ungeschriebenen Heilungsansatz, der den eingangs umrissenen Voraussetzungen und Grenzen der Rechtsfortbildung unterliegt. Insgesamt ist mit der von Thomas gewählten und gern zitierten Formulierung festzuhalten, „daß sich der Nutzen einer förmlichen Eheschließung im gleichen Maße verflüchtigt, wie sich die Verbindung der Partner praktisch bewährt“ hat.57 Nach alledem sind Zeitablauf (siehe § 11 II 2c) aa)) und Gutgläubigkeit (siehe § 11 II 2b)) erforderlich, aber auch ausreichend, um die Formzwecke der obligatorischen Zivileheschließung zu erfüllen. Sie sind damit wesentliche Heilungsvoraussetzungen. Eine Grenze der Heilung ist mithin der gezielte Verzicht auf eine standesamtliche Trauung im Bewusstsein, damit die Unwirksamkeit der Eheschließung zu provozieren.

52 Siehe zu den Besonderheiten der Eheschließung in Zeiten der Nachkriegswirren sowie zu deren Heilungsmöglichkeiten Thomas, Formlose Ehen (1973), S. 131 ff.; Ann, FamRZ 1994, 135 ff. Siehe auch OLG Hamburg FamRZ 1981, 356 (359 f.) (mAnm Bosch). 53 Siehe zusammenfassend Ann, FamRZ 1994, 135 (137). 54 OLG Hamburg FamRZ 1981, 356 ff. (mAnm Bosch). 55 Siehe oben, § 1 II, § 7 III 2a) sowie Kaesling, StAZ 2019, 102 ff. 56 So auch bereits in § 7 V angedeutet. 57 Thomas, Formlose Ehen (1973), S. 138; siehe auch von Bar, NJW 1983, 1929 (1932); OLG Hamburg FamRZ 1981, 356 (358) (mAnm Bosch); Neuhaus, in: FS Schwind (1978), S. 223 (235).

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c) Exklusivität des Status Die Exklusivität eines Statusverhältnisses58 bereitet sowohl bei der ElternKind-Zuordnung als auch bei der Ehe in Bezug auf eine statusrechtliche Heilung womöglich immer dann Probleme, wenn der zu heilende Status in Konkurrenz zu einem anderen bestehenden Status tritt. Im Recht der Eltern-Kind-Zuordnung gilt bekanntermaßen das sogenannte Zwei-Eltern-Prinzip.59 Abgesehen von etwaigen Vorschlägen zur Pluralisierung von Elternschaft, die hier nicht betrachtet werden sollen,60 muss also die Frage beantwortet werden, welche Auswirkung es auf eine bereits bestehende rechtliche Elternschaft hat, wenn eine faktische Eltern-Kind-Zuordnung geheilt wird. Ganz plastisch stellt sich das Problem bei den gefälschten Geburtenregistern, weil dort ja nach deutschem Recht die Frau Mutter bleibt, die das Kind geboren hat (§ 1591 BGB). Rechtlicher Vater des Kindes ist gegebenenfalls ihr Ehemann (§ 1592 Nr. 1 BGB). Auch bei den Fällen vertauschter Kinder liegt eine abweichende rechtliche Elternschaft vor, die einer Verrechtlichung der faktisch gelebten Eltern-Kind-Zuordnung entgegensteht. Diese rechtliche Elternschaft kann nach deutschem Recht nur über den Weg der Adoption geändert werden, die in den problematischen Konstellationen gerade nicht durchgeführt wurde und auch mit Wirkung für die Zukunft nur bei Zustimmung insbesondere der rechtlichen Eltern (§ 1747 Abs. 1 BGB)61 und der faktischen Eltern (§§ 1752 Abs. 1, 1768 Abs. 2 BGB) möglich ist. Der Heilung steht hier also eine bereits bestehende rechtliche Elternschaft entgegen, sodass sich die Frage stellt, ob die Heilung ausnahmsweise auch entziehend wirken und die rechtliche Elternschaft beseitigen kann. Eine erste Orientierung bietet die Heilungsvorschrift des § 1598 Abs. 2 BGB, deren mangelnde Analogiefähigkeit indes bereits herausgearbeitet worden ist.62 Darüber hinaus endet die Heilungswirkung ohnehin an der Anerkennungssperre des § 1594 Abs. 2 BGB. Nach zu Recht unbestrittener Ansicht ist die Heilung des § 1598 Abs. 2 BGB nur begünstigend ausgestaltet und findet keine Anwendung auf das Bestehen einer entgegenstehenden Vaterschaft eines anderen Mannes; das gilt sogar dann, wenn die andere Vaterschaft zeitlich zwar nach der formunwirksamen Anerkennung, aber noch vor dem Ablauf der Heilungsfrist etabliert wird.63 58

Siehe oben, § 4 I 2b) sowie § 4 III 2. Siehe nur Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts (2018), S. 160 ff. 60 Siehe oben, § 8 III 4d) cc) mit Fn. 394. 61 Bei der Annahme Volljähriger ist die Zustimmung der rechtlichen Eltern zwar nicht erforderlich, sie verlieren aber auch ihren Elternstatus dadurch nicht, vgl. § 1770 BGB. 62 Siehe oben, § 8 III 2b) bb). 63 Siehe zur restriktiven Auslegung bereits oben, § 8 III 2b) aa) (mwN). Siehe ferner zum vergleichbaren Vorrang einer auf die Ehe gestützten Vaterschaft gegenüber einer späteren gerichtlichen Feststellung einer anderen Vaterschaft OLG München FamRZ 2012, 1503 (1504). 59

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Eine weitere Anleihe aus dem geschriebenen Recht könnte dem Adoptionsrecht entnommen werden. Die Vorschrift des § 1748 BGB ermöglicht nämlich in verfassungskonformer Weise64 die Ersetzung der Einwilligung eines Elternteils, wenn dieser seine Pflichten gegenüber dem Kind gröblich verletzt oder durch sein Verhalten dem Kind gegenüber Gleichgültigkeit gezeigt hat. Insoweit bestehen indes erstens sehr hohe sachliche Hürden für den Entzug des Elternrechts. Zum zweiten wird mit der gröblichen Pflichtverletzung auf einen vorwerfbaren Sorgfaltsverstoß abgehoben,65 der bei den hier problematischen Fällen allenfalls die Mutter treffen kann, die ihr Kind unter Umgehung einer förmlichen Adoption einer anderen Person endgültig übergibt. Gleichgültigkeit reicht, wie § 1748 Abs. 2 BGB zeigt, nur dann aus, wenn zusätzliche verfahrensrechtliche Voraussetzungen erfüllt sind (Belehrung sowie Beratung durch das Jugendamt und Zeitablauf). Es ließe sich noch unter Berücksichtigung des Kindeswohls argumentieren, dass es keinen Unterschied machen kann, aus welchem Grund die rechtlichen Eltern keine Verantwortung für das Kind übernommen haben, wenn sie ihr Kind nicht einmal kennen oder gar von dessen Existenz wissen. Auch ist der Eingriff gegenüber den rechtlichen Eltern weniger intensiv, wenn die Elternschaft noch nie gelebt worden ist. Vor diesem Hintergrund ist es de lege ferenda vorzugswürdig, in bestimmten Ausnahmekonstellationen und unter eng begrenzten Voraussetzungen eine Heilung mit auflösender Wirkung zulasten bestehender rechtlicher Elternschaft zuzulassen. Allerdings kann das schwerlich im Wege eines ungeschriebenen Heilungsansatzes, also methodisch im Wege der Rechtsfortbildung, und ohne ein bestimmtes gerichtliches Verfahren, wie es das Gesetz sonst vorsieht (§§ 1748, 1599 Abs. 1 BGB), erfolgen. Die Entziehung der rechtlichen Elternschaft ohne Zustimmung der rechtlichen Eltern ist ein schwerer Grundrechtseingriff, den der Gesetzgeber nur vereinzelt und unter strengen Voraussetzungen zugelassen hat und der die äußerste Grenze der methodisch zulässigen Rechtsfortbildung ist.66 Eine Lösungsalternative könnte die bereits wiederholt angedeutete Pluralisierung der Elternschaft unter Orientierung an der sogenannten schwachen Erwachsenenadoption sein.67 Die faktische Eltern-Kind-Zuordnung würde zwar verrechtlicht, träte aber nicht an die Stelle der rechtlichen Elternschaft und führte damit keine Verdrängung der rechtlichen Eltern herbei. Die Wirkung gliche dann derjenigen einer Erwachsenenadoption (vgl. § 1770 Abs. 1 Satz 1 BGB), die ebenfalls zum Fortbestand der existierenden rechtlichen Familienbeziehungen führt, soweit ihr nicht ausnahmsweise die Wirkung einer Minder-

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Siehe bereits oben, § 10 I 1 (mwN). Siehe bereits oben, § 8 III 4d) bb) (mwN). 66 Siehe oben, § 11 I. 67 Siehe oben, § 8 IV 4f) sowie § 8 V 2d). 65

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jährigenadoption (vgl. § 1772 BGB) beigemessen wird. Das bedeutete aber einen Bruch mit dem Zwei-Eltern-Prinzip und bedürfte einer eigenständigen Gesetzesreform,68 die unabhängig von dem hier diskutierten Heilungsansatz umgesetzt werden müsste. Erfolgt die Einführung einer Mehrelternschaft, könnte die Heilung einer Eltern-Kind-Zuordnung natürlich daran anknüpfen. De lege lata ist also eine bereits bestehende rechtliche Elternschaft Grenze für die statusrelevante Heilungsmöglichkeit. Das gilt nach geltendem Recht mangels entsprechender Autonomie bei der rechtlichen Eltern-Kind-Zuordnung auch dann, wenn die rechtlichen Eltern ihre Einwilligung in die Heilung erklären.69 Das gefundene Ergebnis wird bestätigt, wenn man betrachtet, wie das Eherecht das Problem konkurrierender Eheschließungen löst. Dieses gibt nämlich der ersten Ehe grundsätzlich den Vorzug, und eine gleichwohl geschlossene Zweitehe ist aufzuheben; eine Heilung der Aufhebbarkeit tritt gemäß § 1315 Abs. 2 Nr. 1 BGB dabei nur ein, wenn die Aufhebung oder Scheidung der Erstehe bereits vor Schließung der zweiten Ehe ausgesprochen worden ist.70 Im Eherecht besteht im Ergebnis aber der Vorteil, dass das Gesetz insoweit nicht die Nichtigkeit, sondern die Aufhebbarkeit (ggf. mit Scheidungsfolgen gemäß § 1318 BGB) anordnet. Damit kann die dennoch gelebte Realbeziehung statusrechtliche Berücksichtigung finden.71 Ferner ist deshalb eine anderweitig bestehende Ehe nur insoweit ein Heilungshindernis, als dass die Heilung der Nichtehe zu einer aufhebbaren Zweitehe führt. Einer Heilung im Status einer Ehe steht sie nicht entgegen. Die Exklusivität des Status wirft bei den Ehen aber die quasi umgekehrte Frage auf. Mit der Heilung einer Nichtehe entsteht eine wirksame Ehe, die dann der Möglichkeit der Ehegatten, eine weitere Ehe zu schließen, entgegensteht. Insoweit wirkt die Heilung zulasten jedenfalls desjenigen Teils, der eine andere Ehe schließen will. Angesicht der im Scheidungsrecht verbreiteten Privatautonomie besteht aber immer die Möglichkeit, sich im Wege der Scheidung von der geheilten Ehe wieder zu lösen. Unter Berücksichtigung der sonst eng gefassten Heilungsvoraussetzungen (Ehekonsens, Gutgläubigkeit, Interessenabwägung) erscheint es hinnehmbar, dass eine statusrechtliche Heilung die weitere Eheschließungsfreiheit temporär beschränkt. Heilungshindernisse ergeben sich aus dem Exklusivitätscharakter eines Status somit de lege lata für das Recht der Eltern-Kind-Zuordnung, nicht aber für die Heilung von Nichtehen. Diese Einschränkung ist tatbestandlich im Rahmen 68

Vgl. dazu Flindt, StAZ 2022, 66 (68). Insoweit gelten die Ausführungen zu den Möglichkeiten eines konsensualen Rücktauschs des Kindes, siehe oben, § 8 III 4c) bb). 70 Siehe zu den eng umgrenzten Fallkonstellationen hier nur MüKo-BGB9/Wellenhofer, § 1315 Rn. 22. 71 Siehe zum Vertrauensschutz im System der Eheaufhebung oben, § 7 II. 69

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der Interessenabwägung (entgegenstehende Drittinteressen) zu berücksichtigen (siehe § 11 II 2c bb)). De lege ferenda erscheint es demgegenüber denkbar, den Entzug einer entgegenstehenden rechtlichen Elternschaft unter den Voraussetzungen gesetzlich zuzulassen, dass die Eltern mangels Kenntnis niemals die Elternverantwortung tatsächlich ausgefüllt haben und die Verrechtlichung der Eltern-Kind-Zuordnung dem Kindeswohl am besten entspricht. Dafür könnte die Heilung grundsätzlich unter die Bedingung einer Einwilligung der rechtlichen Eltern gestellt werden, welche aber bei Vorliegen bestimmter Kriterien – wie sie etwa in § 1748 BGB Ausdruck gefunden haben – gerichtlich ersetzt werden könnte. Dem müsste noch eine tiefergehende verfassungsrechtliche Überprüfung vorausgehen.72 d) Verhältnis zur gesetzlichen Rechtslage und Statuserkennbarkeit Die namensrechtliche Untersuchung hat ergeben, dass ein faktischer Name der namensführenden Person nicht gegen ihren Willen aufgedrängt werden darf; es besteht mithin ein Wahlrecht.73 Fraglich ist, ob ein solches Wahlrecht auch bei den Status von Ehe und Eltern-Kind-Zuordnung bestehen kann oder ob es mit dem Statussystem, das ja nach Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit strebt, unvereinbar ist. Eine Eheschließung wirkt vor allem zwischen den Eheleuten, hat aber auch Berührungspunkte mit staatlichen Interessen74 und dem Rechtsverkehr, der auf das Bestehen einer Ehe vertraut (z.B. §§ 1362, 1365, 1369, 1306 BGB). Insoweit muss erga omnes verlässlich feststehen, ob eine Ehe wirksam ist oder nur eine Nichtehe vorliegt. Darüber können die Beteiligten auch sonst nicht disponieren; es steht ihnen zwar frei, eine Ehe zu schließen oder sie im Wege der Scheidung wieder aufzulösen. Sie können aber nicht ohne jegliches Verfahren entscheiden, ob sie die Ehe gegen oder für sich gelten lassen wollen.75 Es wäre bei einem Wahlrecht auch nicht klar, wer von den Eheleuten es ausüben dürfte und wer nicht. Insgesamt scheidet damit ein Wahlrecht aus, und die Heilung sollte unabhängig von dem Willen der faktischen Eheleute eingreifen. Das entspricht nicht nur den bereits kodifizierten Heilungstatbeständen des § 1310

72 Im Rahmen dieses Abschlusskapitels kann es nur um die erste Entwicklung von übergreifenden Lösungsansätzen gehen. Anliegen der Untersuchung war es nicht, insoweit einen vollständigen und umfassend geprüften Lösungsvorschlag zu unterbreiten, sondern die Vertrauensschutzproblematik überhaupt einmal statusübergreifend darzustellen und Wertungsparallelen aufzuzeigen. An dieser Stelle muss ein Hinweis auf bestehenden Vertiefungsbedarf genügen. 73 Siehe oben, § 6 IV 2. 74 Siehe bereits oben, § 4 II 1. 75 Vgl. auch die eingeschränkte Dispositionsmaxime in Ehesachen gemäß § 113 Abs. 4 Nr. 1, 5, 6 FamFG. Siehe nur Helms, in: Prütting/Helms, FamFG5, § 113 Rn. 33 ff.

§ 11 Konkretisierung des Heilungsansatzes

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Abs. 2 und 3 BGB und lässt sich mit vergleichbaren zivilrechtlichen Wertungen (kein Wahlrecht bei den sachenrechtlichen Erwerbstatbeständen76) vereinbaren, sondern ruft auch keine durchgreifenden Bedenken hervor. Immerhin ist die Auflösungsmöglichkeit der geheilten Ehe niedrigschwellig (Liberalisierung des Scheidungsrechts), und die Heilung ist den faktischen Eheleuten auch zuzurechnen (Stichwort: Ehekonsens). Mithin ist es wertungsmäßig sogar geboten, sie an der Heilung, die zudem an den Ablauf einer bestimmten Zeit gebunden ist, festzuhalten. Sollte die statusrechtliche Heilung aber doch einmal Nachteile hervorrufen, die das zumutbare Maß spürbar überschreiten und zu unbilligen Härten führen, die nur einen Teil einseitig belasten, und deren Eintritt nicht auf die gelebte Solidargemeinschaft zurückzuführen ist (beispielsweise der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit infolge geheilter Eheschließung,77 nicht aber die Belastung mit hohen Unterhaltszahlungen78), vermag die Aufnahme einer Härtefallregelung Abhilfe zu schaffen. Im Recht der Eltern-Kind-Zuordnung würde ein Wahlrecht gleich mehrere Probleme aufwerfen. Zunächst muss hier zwischen Mutter- und Vaterschaft unterschieden werden. Die rechtliche Mutterschaft kennt nach geltendem Recht, mit Ausnahme der Adoption, überhaupt gar keine Abänderungsmöglichkeit, und die Mutter steht im Sinne des mater semper certa est immer fest (§ 1591 BGB).79 Die Frage nach dem Wahlrecht stellt sich de lege lata also gar nicht erst, weil stets eine entgegenstehende rechtliche Elternschaft existiert und die Heilung, wie gesehen, ausschließt. Dasselbe gilt für die Vaterschaft kraft Ehe (§ 1592 Nr. 1 BGB). Besteht hingegen keine anderweitige rechtliche Vaterschaft, kann statusrelevante Heilung grundsätzlich eintreten und es stellt sich die Frage, ob beispielsweise das Kind zwischen gutgläubig gelebter Rechtslage und wahrer Rechtslage wählen darf. Gegen ein solches Wahlrecht spricht auf den ersten Blick der damit verbundene Schwebezustand, der vor allem den faktischen Vater belastet, der sich einerseits darauf einstellen muss, rechtlicher Vater zu werden, und andererseits von diesem (mitunter ja gewünschten) Ergebnis nicht mit Gewissheit ausgehen kann. Das ist allerdings kein Grund für die Versagung eines Wahlrechts. Immerhin duldet das derzeitige Recht bereits solche Schwebezustände, wenn das Gesetz etwa die Anfechtung des Kindes im Falle genetisch unwahrer Vaterschaftsanerkennung oder sogar nach konsentierter heterologer Insemination (vgl. § 1600 Abs. 4 BGB) zulässt und die Anfechtungsfrist gemäß § 1600b BGB frühestens mit Volljäh-

76

Siehe oben, § 5 IV 2a), sowie Wilhelm, SachenR7, Rn. 728. Siehe zu so einem seltenen Fall beispielsweise Sturm, StAZ 1999, 289 (295). 78 So im Fall von BGH FamRZ 2003, 838 ff. (mAnm Borgmann). 79 BeckOGK-BGB/Reuß (1.8.2022), § 1591 Rn. 36. 77

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rigkeit beginnt. Unabhängig von einer rechtspolitischen Bewertung dieser gesetzlichen Regelungen80 zeigt sich, dass dem Kind durchaus eine weitergehende Entscheidungsfreiheit überlassen werden kann und sich dies im Wege der Rechtsfortbildung bündig in das Gesamtsystem einfügen lässt. Ferner ist die Eltern-Kind-Zuordnung für das Kind von spürbar höherer Bedeutung als für die Eltern; immerhin kann das Kind nur zwei Eltern, die Eltern können aber eine beliebige Anzahl von Kindern haben, und auch der Unterhaltsanspruch der Eltern hat einen anderen existentiellen Stellenwert. Vor diesem Hintergrund ist ein Wahlrecht zugunsten des Kindes anzunehmen, das aber ähnlich wie im Falle der Anfechtung zeitlich begrenzt werden sollte. Insoweit liegt es nahe, erneut auf die oben bereits angedachte Härtefallregelung zurückzugreifen. Die ohnehin erforderliche Umsetzung des Wahlrechts könnte durch das Erfordernis verwirklicht werden, dass sich das Kind auf Vertrauensschutz berufen muss, was sich dahingehend ergänzen ließe, dass die Berufung des Kindes auf die faktische Eltern-Kind-Zuordnung nicht unzumutbar sein darf. De lege ferenda erscheint es wegen des Vorstehenden ebenfalls angezeigt, ein entsprechendes Wahlrecht vorzusehen. Dies bedeutete hinsichtlich der Mutterstelle einen Angriff auf das nicht unumstrittene Dogma des mater semper certa est. Ein rechtlicher Vater muss mit dem Schwebezustand bereits nach geltendem Recht beispielsweise bei der wissentlich falschen Vaterschaftsanerkennung leben, selbst wenn er die Anfechtungsfrist hat verstreichen lassen;81 diese Konstellation ist normativ nicht weit entfernt von der Fälschung eines Geburtenregisters. Auch hier sollte der rechtliche Vater nach Ablauf einer bestimmten Zeit gebunden sein, das Kind indes ein Wahlrecht haben. e) Weitere Missbrauchsgefahren Statusorientiertem Recht ist allgemein eine ständige Missbrauchsgefahr immanent, weil im Wege der Begründung eines einzigen Status mannigfaltige Rechtsfolgen und Vorteile erlangt werden können. Das fasst Müller für die Ehe mit „den Staat belastende[n]“82 Rechtsfolgen zusammen. Aber auch im Recht der Eltern-Kind-Zuordnung ist es ohne Weiteres denkbar, unter dem Deckmantel einer Etablierung rechtlicher Vaterschaft in den Genuss damit verbundener Rechte (Staatsangehörigkeit, Aufenthaltsrecht) zu kommen. Das Institut der 80 Siehe zu Recht kritisch Arbeitskreis Abstammungsrecht, Abschlussbericht (2017), S. 49 (Thesen 24, 25 zum Anfechtungsrecht bei wissentlich wahrheitswidriger Anerkennung) sowie differenziert zum Anfechtungsrecht des Kindes nach Zeugung im Wege konsentierter heterologer Insemination S. 63 (These 45). 81 Siehe aber kritisch zum Anfechtungsrecht des bewusst wahrheitswidrig anerkennenden Mannes Löhnig, ZRP 2017, 205 (206); Arbeitskreis Abstammungsrecht, Abschlussbericht (2017), S. 49 (Thesen 24, 25); Frank, in: FS Coester-Waltjen (2015), S. 53 (60) (zweijähriges „Reuerecht“). 82 Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 222.

§ 11 Konkretisierung des Heilungsansatzes

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Heilung ist hingegen bereits wegen der unerlässlichen Gutgläubigkeit, aber vor allem angesichts des erforderlichen nicht unerheblichen Zeitablaufs gegen eine missbräuchliche Instrumentalisierung immunisiert. Die für missbräuchlich gehaltene Versorgerehe soll beispielsweise gesetzlich bereits durch eine Wartezeit von einem Jahr ausgeschlossen sein (vgl. § 46 Abs. 2a SGB VI); eine Zeit, die für die Annahme einer Heilung gar nicht ausreicht. Die bereits festgestellten Kriterien, die einer statusrechtlichen Heilung, aber auch einer sekundären Abhilfe zugrunde gelegt werden, gewährleisten, dass die Beteiligten ihr faktisch gelebtes Statusverhältnis auch wirklich wollten. Die ungeschriebene Heilung sieht sich also keinem besonders gesteigerten Missbrauchsrisiko ausgesetzt. f) Zusammenfassung: Übertragbarkeit der namensrechtlichen Heilungsvoraussetzungen de lege lata und de lege ferenda Die Zulässigkeit einer ungeschriebenen Heilung im Namensrecht lässt sich mithin weitgehend auf das Eherecht übertragen. Dabei muss aber de lege lata eine unzulässige Umgehung der gesetzlich bereits in § 1310 BGB niedergelegten Wertungen vermieden werden. Das wird erreicht, indem mit der Gutgläubigkeit tatbestandlich eine Voraussetzung erfüllt sein muss, die in § 1310 Abs. 2 und 3 BGB nach hier vertretener Ansicht83 nicht enthalten ist. Ferner dürfte der kodifizierte Zeitrahmen von zehn Jahren nicht unterschritten werden. De lege ferenda ist es ohne Weiteres denkbar, die Heilungsvoraussetzungen mit Blick auf das Zeitelement weiter zu fassen und damit denen des faktischen Namens anzugleichen. Nur ein Wahlrecht scheidet bei einer Ehe stets aus. Das Recht der Eltern-Kind-Zuordnung erweist sich hingegen de lege lata als weniger empfänglich für eine ungeschriebene Heilung mit Statusfolge. Sie scheitert jedenfalls an einer bestehenden und konkurrierenden rechtlichen Elternschaft. Deshalb kann hier nach geltendem Recht keine neue Lösung für vertauschte Kinder oder die Fälle des gefälschten Geburtenregisters angeboten werden. Im Übrigen ist aber eine Heilung möglich, und auch das vom Namen bekannte Wahlrecht erscheint nicht ausgeschlossen zu sein. De lege ferenda ist eine statusrechtliche Heilung auch insoweit angezeigt, als dass dadurch (nicht gelebte) rechtliche Elternschaft ersetzt wird. Zumindest de lege ferenda liegt es mithin nicht fern, über einen übergreifenden Heilungsansatz nachzudenken (siehe sogleich § 11 II 2 und III 2). 2. Konkrete Voraussetzungen Aus den vorgenannten Leitlinien ergeben sich konkrete Heilungsvoraussetzungen, die nachfolgend mit vergleichendem Blick auf die entsprechenden namensrechtlichen Heilungsvoraussetzungen zusammenzufassen sind. Dabei ist 83

Siehe oben, § 7 IV 1d).

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Vierter Teil: Eine Lehre vom faktischen Status

an gegebener Stelle zwischen der Rechtslage de lege lata und derjenigen de lege ferenda zu unterscheiden, weil sich insoweit, wie gesehen, durchaus markante Unterschiede ergeben können. a) Objektive Vertrauensgrundlage Erforderlich für eine statusrelevante Heilung ist stets eine objektive Vertrauensgrundlage. Insoweit ist der namensrechtliche Ansatz (Umstandsmoment) auf die Ehe und die Eltern-Kind-Zuordnung übertragbar. Im Namensrecht wurde dabei auf ein zwingendes Registrierungserfordernis verzichtet. Eine Heilung ohne behördlichen Bezug der faktischen Namensführung ist zwar kaum vorstellbar, das aber ist auf die fehlende Gutgläubigkeit oder das Ergebnis der Interessenabwägung zurückzuführen.84 Das Gleiche kann für die Ehe gelten85 und stimmt erst recht für die Eltern-Kind-Zuordnung, bei der eine Registrierung keine so große Rolle spielt. Eine behördliche Registrierung begründet also eine besondere Qualität des Rechtsscheins, die im Einzelnen im Rahmen der Interessenabwägung oder bei der Frage der grobfahrlässigen Unkenntnis eine Rolle spielt. Für die objektive Vertrauensgrundlage sind eine feststellbare Namensführung, ein nach außen erkennbarer Ehevollzug oder ein tatsächlich gelebtes Eltern-Kind-Verhältnis ausreichend. Zudem ist ein ernsthafter Eheschließungswille oder die zweifelsfreie Bereitschaft zur Übernahme der Elternverantwortung festzustellen. Eine Registrierung im Ausland ist ebenfalls als denkbare Vertrauensgrundlage in Betracht zu ziehen. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass regelmäßig nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine Registrierung im Ausland verlässliche Auskunft über die Wirksamkeit im Inland bietet. Immerhin erfolgt die ausländische Registrierung auf der Grundlage einer anderen Rechtsordnung. Im Regelfall genügt eine ausländische Registrierung also per se nicht. In besonderen Ausnahmefällen, in denen die inländische und die ausländische Registrierung funktional vergleichbar sind, kann letztere aber Vertrauensgrundlage sein.86 Damit ist etwa in dem Fall von Coester,87 der im Zusammenhang mit § 1310 Abs. 3 BGB diskutiert wurde (unwirksame Eheschließung in der Türkei und Registrierung in einem Schweizer Personenstandsregister), eine Heilung nach dem hier vorgeschlagenen Ansatz denkbar.

84

Vgl. oben, § 6 IV 1a) cc) (3) sowie 1c) aa) (2) und 1d). Vgl. auch Coester, StAZ 1988, 122 (128 f.); Hepting, IPRax 1994, 355 (360). 86 Siehe zum Fall oben, § 7 IV 1b) cc) (2). 87 Coester, in: FS Heldrich (2005), S. 537 (540). 85

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b) Gutgläubigkeit Die ungeschriebene Heilung setzt bei allen faktischen Status in erster Linie Gutgläubigkeit in Bezug auf die Wirksamkeit des gelebten Status voraus, wofür der Maßstab kodifizierten Regelungen entnommen werden kann (§ 932 Abs. 2 BGB, § 48 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG). Entscheidend ist also, ob die Betreffenden hätten erkennen müssen, dass die Statusbegründung unwirksam war, oder ob sie auf die Wirksamkeit vertrauen durften. Die Betreffenden im vorstehenden Sinne sind im Namensrecht die namensführende Person und im Eherecht die Ehegatten. Im Recht der Eltern-Kind-Zuordnung könnte ebenfalls auf alle Beteiligten abgestellt werden. Das würde bedeuten, dass sowohl die Eltern als auch das Kind gutgläubig sein müssten. In den meisten Fällen waren es aber die Eltern, die entweder vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig die Unwirksamkeit der Eltern-Kind-Zuordnung bewirkten beziehungsweise nicht verhinderten. Bereits die Ausführungen zum Wahlrecht haben zudem gezeigt, dass die statusrechtliche Heilung vor allem für das Kind bedeutsam ist. Dieses ersitzt quasi den Status. Deshalb erscheint es angemessen, allein auf die Gutgläubigkeit des Kindes abzustellen. Das gilt sowohl für die ohnehin eng begrenzte Heilungsmöglichkeit de lege lata als auch für eine denkbare Kodifizierung der Statusersitzung. c) Interessenabwägung Am Ende setzt eine Heilung voraus, dass die gutgläubige Vertrauensbetätigung schutzwürdig ist. Erforderlich ist mithin, ganz im Sinne des allgemeinen Vertrauensschutzgedankens, stets eine umfassende Interessenabwägung, bei der verschiedenste Abwägungsbelange Berücksichtigung finden können. aa) Zeitablauf Heilung setzt immer den Ablauf einer gewissen Zeit voraus. Insoweit ist das Zeitelement unerlässliche Heilungsvoraussetzung und Abwägungsbelang zugleich. Für das Namensrecht wurde eine feste Mindestgrenze de lege lata nicht festgestellt und de lege ferenda abgelehnt. Vielmehr bietet sich ein dynamisches System an: keine zeitliche Mindestgrenze und widerlegliche Vermutung des Überwiegens der schutzwürdigen Vertrauensbetätigung ab fünf Jahren.88 Das lässt sich nach geltendem Recht aber nicht auf die Ehe übertragen. Hier muss der Zeitablauf unter Respektierung der gesetzlichen Wertung des § 1310 Abs. 3 BGB mindestens zehn Jahre betragen. Für das Eltern-Kind-Verhältnis bieten sowohl der in § 1598 Abs. 2 BGB genannte Zeitraum von fünf Jahren

88 Vgl. oben, § 6 V 1. Die Vermutung ist ferner auch an eine gewisse Qualität der objektiven Vertrauensgrundlage zu knüpfen.

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Vierter Teil: Eine Lehre vom faktischen Status

als auch die von § 3 Abs. 2 StAG geforderten zwölf Jahre eine gesetzliche Orientierung an, wobei § 1598 Abs. 2 BGB für eine statusrechtliche Heilung im Eltern-Kind-Verhältnis die sachnähere Vorschrift ist. Einheitlichkeit ist jedenfalls nur de lege ferenda herzustellen. Insoweit könnte das zum Namensrecht vorgeschlagene System Modell für alle anderen Statusersitzungen stehen. Feste Zeitgrenzen geben zwar verlässliche Orientierung für die Rechtsanwendung und schaffen damit Rechtssicherheit, erweisen sich aber mitunter als Hindernis auf dem Weg zu einer einzelfallgerechten Lösung. Zum einen sind feste Zeitgrenzen immer Ausdruck gesetzgeberischer Beliebigkeit, und zum anderen ist eine normative Gesamtschau von Zeitablauf, Gutgläubigkeit, Qualität der Vertrauensgrundlage sowie Gewicht der widerstreitenden Interessen unerlässlich, um das Erreichen der Formzwecke zu konstatieren sowie missbräuchliches Verhalten auszuschließen.89 Damit sind bereits weitere denkbare Abwägungsbelange angesprochen. bb) Weitere Abwägungsbelange In die Abwägung einzustellen sind ferner neben der bereits angesprochenen Qualität der Vertrauensgrundlage auch etwaige Drittinteressen. Bei der ElternKind-Zuordnung ist ein solches beispielsweise eine andere rechtliche Elternschaft, die nach geltendem Recht einer Heilung entgegensteht. De lege ferenda kann das Bestehen einer anderen rechtlichen Elternschaft in die Interessenabwägung eingestellt werden. Unter Berücksichtigung des Kindeswohls, des Zeitablaufs und der Umstände, die zu dem faktischen Eltern-Kind-Verhältnis geführt haben (Stichwort Vertrauensgrundlage), ist dann zu entscheiden, ob ein Austausch der rechtlichen Elternschaft im Wege der statusrechtlichen Heilung angemessen ist. Insoweit ist an die Implementierung einer mit § 1748 BGB vergleichbaren Regelung für das Ersetzen der grundsätzlich erforderlichen Einwilligung der rechtlichen Eltern zu denken.90 Bei Ehen kann es in seltenen Ausnahmefällen, wie soeben (§ 11 II 1d)) angedeutet, infolge der Heilung zu unbilligen Härten kommen. Dieses Interesse einer beteiligten Person ist indes über eine gesonderte Härtefallklausel zu berücksichtigen. Im Übrigen wird bei den Ehen genau zu prüfen sein, ob die Formzwecke im Einzelfall tatsächlich die Annahme einer Nichtehe rechtfertigen. Etwaigen Unsicherheiten, die einem offenen Abwägungssystem wie dem hier skizzierten immanent sind, kann möglicherweise auf verfahrensrechtliche Weise begegnet werden, die es ermöglicht, die Heilung mit Wirkung erga omnes festzustellen.91

89

Siehe ausführlich zum Namen oben, § 6 IV 1b) cc). Siehe den Regulierungsvorschlag unter § 11 III 2. 91 Siehe noch die weiterführenden Gedanken unter § 11 IV. 90

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d) Wahlrecht Jedenfalls für die Heilung eines faktischen Namens und einer faktischen Eltern-Kind-Zuordnung ist ein Wahlrecht zu beachten. Das gilt indes nicht für die Ehe. Diesbezüglich lässt sich weder de lege lata noch de lege ferenda ein einheitlicher Ansatz bilden. e) Härtefallklausel Um außergewöhnliche und nicht antizipierte Nachteile zu vermeiden, ist anders als bei der namensrechtlichen Heilung für die Konvaleszenz von anderen Status eine Härtefallklausel anzuerkennen, wonach die Heilung ausnahmsweise dann nicht eintritt, wenn sie zu schweren Belastungen führt, die der am Status unmittelbar beteiligten Person auch unter Berücksichtigung der objektiven Vertrauensgrundlage nicht zuzumuten sind.

III. Methodische Zulässigkeit und Regulierungsvorschlag 1. Methodische Zulässigkeit und Grenzen nach geltendem Recht Die methodische Zulässigkeit der hier vorgeschlagenen ungeschriebenen Heilung mit Statusfolge ergibt sich für alle betrachteten Status aus der oben92 beschriebenen Rechtsfortbildung, die bei den Ehen im Hinblick auf die Existenz einer allgemeinen Heilungsvorschrift auf eine verfassungskonforme Erweiterung speziell des § 1310 Abs. 3 BGB hinausläuft.93 Durch die jeweils besonders begründeten und eng gefassten Voraussetzungen ist gewährleistet, dass der jeweilige Normzweck gewahrt bleibt, der kodifizierte gesetzgeberische Wille beachtet wird und keine ungerechtfertigten Eingriffe in Grundrechte Dritter erfolgt. Solange die aufgezeigten Ungerechtigkeiten nicht anders aufgelöst werden können, als es die im zweiten Teil der Arbeit untersuchten Einzelfalllösungen ermöglichen, stellt eine ungeschriebene Heilung auf Statusebene die vorzugswürdige, weil sachnähere Alternative dar. 92

Siehe oben, § 11 I. So auch Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln (2008), S. 208 ff., 215, die die ungeschriebene Heilungsmöglichkeit aber an dem Vorliegen einer hinkenden Auslandsehe enden lässt, siehe bereits oben, § 11 II 1b). Vgl. auch Coester, in: FS Heldrich (2005), S. 537 (545) (aber verfassungskonforme Auslegung des § 1310 Abs. 3 BGB, dazu mit Recht kritisch Müller, Heilung von formellen Eheschließungsmängeln [2008], S. 199 ff.). Methodisch anders, aber mit vergleichbarer Wertung und zu einer Zeit vor der Kodifizierung des § 1310 Abs. 3 BGB Hepting, IPRax 1994, 355 (360) (verfassungskonform-teleologische Reduktion des § 11 Abs. 1 EheG a.F.). Siehe zu der überholten Idee von Henrich, § 17 Abs. 2 EheG a.F. analog anzuwenden, bereits oben, § 7 IV 3a) bb) sowie 3b) cc) (2). Für eine verfassungskonforme Auslegung des Art. 13 Abs. 4 Satz 2 EGBGB im speziellen Fall der sogenannten Wiedertürken Frank, StAZ 2011, 236 (240). 93

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2. Vision: Ersitzung eines Personenstands de lege ferenda Richterliche Rechtsfortbildung hat im Familienrecht schon oft „ihren Weg in das Gesetz“ gefunden.94 Auch bei der statusrelevanten Heilung bietet sich eine Kodifizierung an. Sie ist sogar unter Beachtung der Befriedungsfunktion des Familienrechts äußerst wünschenswert.95 Eine geschriebene Regelung könnte, wie gesehen, weiterreichen als eine ungeschriebene Lösung und womöglich – vorbehaltlich einer eingehenden Analyse – auf alle in § 1 PStG genannten Merkmale einer Person erweitert werden. Am Ende stünde die allgemeingültige Ersitzung eines Personenstands, deren Regelungsstandort aber etwas unklar wäre. Es existiert nämlich zum einen kein allgemeiner Teil des materiellen Personenstandsrechts. Zum anderen wäre die materielle Heilungsvorschrift im formellen Personenstandsgesetz ein Fremdkörper.96 Unbesehen der vorstehenden Einzelheiten und unter Verweis auf die nachstehenden Klarstellungen, könnte der Heilungsansatz wie folgt formuliert werden: (1) Einen Personenstand ersitzt, wer diesen über einen nicht unerheblichen Zeitraum tatsächlich gelebt hat, sofern das Vertrauen in die Wirksamkeit seines Erwerbs schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Personenstand seit fünf Jahren gutgläubig gelebt wurde und eine deutsche Behörde Anlass gegeben hat, auf die Wirksamkeit zu vertrauen. (2) Die Ersitzung eines Namens tritt nur ein, wenn und soweit die namensführende Person sich auf die tatsächliche Namensführung beruft. Das Gleiche gilt für die Eltern-Kind-Zuordnung, wenn das Kind sich darauf beruft. (3) Eine Ersitzung der Eltern-Kind-Zuordnung tritt nur ein, wenn im Falle bestehender rechtlicher Elternschaft die rechtlichen Eltern in die Ersitzung einwilligen. Das Familiengericht hat auf Antrag des Kindes die Einwilligung zu ersetzen, wenn zwischen rechtlichen Eltern und Kind keine sozial-familiäre Beziehung besteht, die rechtlichen Eltern ihre Elternverantwortung nicht wahrgenommen haben und die Ersetzung dem Wohle des Kindes am besten entspricht. (4) Die Ersitzung tritt nicht ein, wenn sie zu einem schweren Nachteil führt, der für eine an dem fehlerhaften Personenstand unmittelbar beteiligte Person eine unzumutbare Härte bedeuten würde.

94

Röthel, in: FS Karsten Schmidt II (2019), S. 273 (277). Zutreffend Röthel, in: FS Karsten Schmidt II (2019), S. 273 (283) (der Gesetzgeber könne die Befriedungsbedürfnisse schneller und nachhaltiger erfüllen als die Rechtsprechung). 96 Siehe beispielsweise die eklatanten Regelungslücken, die bei einer Lösung eines materiellen Problems allein auf der Ebene des Personenstandsgesetzes verbleiben, Gössl/Dannecker/Schulz, NZFam 2020, 145 (147 ff.) (zum „dritten Geschlecht“ und dem neuen § 45b PStG). 95

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Die in Satz 2 des ersten Absatzes niedergelegte Regelvermutung dient der einfachen Handhabung und gibt Leitlinien für den Einzelfall vor. Zudem unterstreicht sie, dass dem Rechtsschein einer deutschen Behörde besondere Bedeutung zukommt und schließt eine ausländische Registrierung als Rechtsschein regelmäßig aus, ohne aber ihre Geeignetheit als Vertrauensgrundlage a limine auszuschließen. Das im dritten Absatz ermöglichte Ersetzungsverfahren bedarf noch weiterer gesetzlicher Ausgestaltung, die aus Gründen der Übersichtlichkeit einer gesonderten Regelung vorbehalten bleiben sollte. Die sachliche Begrenzung der Härtefallklausel auf multilaterale Statusverhältnisse ergibt sich bereits durch ihren inhaltlichen Zuschnitt (Nachteil für unmittelbar am Personenstand Beteiligte erforderlich) und bedarf deshalb keiner expliziten Begrenzung.

IV. Weiterführende Überlegungen Bei einer statusrechtlichen Heilung stellt sich immer auch die Frage nach der verfahrensrechtlichen Umsetzung und dem Umgang im standesamtlichen Alltag. Im Namensrecht stehen dafür potenziell unterschiedliche Wege zur Verfügung, wie beispielsweise die Folgebeurkundung,97 die gerichtliche Namensberichtigung98 oder das Namensänderungs- oder Namensfeststellungsverfahren.99 Eine rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung und das Bestehen einer Ehe können nach geltendem Recht im Wege eines Abstammungsfeststellungsverfahrens gemäß § 169 Nr. 1 FamFG beziehungsweise in einem Ehefeststellungsverfahren100 gemäß § 121 Nr. 3 FamFG festgestellt werden. De lege ferenda ist die Implementierung eines allgemeinen gerichtlichen Statusfeststellungsverfahrens überlegenswert. Für dieses könnten eingeschränkte Amtsermittlung (vgl. §§ 127, 177 FamFG) sowie begrenzte Dispositionsmöglichkeit der Verfahrensbeteiligten (vgl. § 113 Abs. 4 FamFG) vorgesehen werden. Unter Orientierung an der Vorschrift des § 184 Abs. 2 FamFG, die ganz ausnahmsweise die materielle Rechtskrafterstreckung auf Dritte anordnet, ist es ferner denkbar, das Verfahren in einer Weise auszugestalten, die eine einheitliche Feststellung des Bestehens eines Status ermöglicht und damit die nötige Rechtssicherheit und Statuserkennbarkeit gewährleistet.

97

Vgl. Fachausschuss/Krömer, StAZ 2012, 151 (153). MüKo-BGB8/von Sachsen Gessaphe, Anh. § 1618 Rn. 8. 99 Siehe Sturm/Sturm, in: FS Brudermüller (2014), S. 801 (803 ff.) sowie eingehend Hepting, StAZ 2013, 34 (41 ff.). 100 Ein solches sieht auch Frank, StAZ 2011, 236 (241) als einzigen verfahrensrechtlichen Ausweg im Fall der sogenannten Wiedertürken. 98

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Die Heilungsvoraussetzungen würden grundsätzlich von Amts wegen ermittelt,101 und die konkrete Interessenabwägung wäre als genuin richterliche Tätigkeit102 auch in richterliche Hände gelegt. Bei dennoch offen gebliebenen und streitigen Tatsachen könnte nach allgemeinen Beweisregeln verfahren werden. Wenn also beispielsweise Streit über das Vorliegen eines übereinstimmenden Eheschließungswillens besteht, trägt die Person die Beweislast, die eine wirksame Ehe geltend macht.103 Dabei kann von der Abgabe von Eheschließungserklärungen durchaus auf den subjektiven Eheschließungswillen geschlossen werden.104 In diesem Zusammenhang ist der bereits mehrfach angesprochene Beschluss des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1978105 bemerkenswert: Der Mann bestreitet die Abgabe der Erklärung in der Sache nicht, sondern erklärt sein Verhalten mit dem Schutz der gemeinsamen Kinder. Der Bundesgerichtshof deutet an, seinem Vortrag nicht zu folgen, und gelangt im Ergebnis sogar zu einer Heilung der Ehe, wenngleich er dafür auf eine recht ungewöhnliche Konstruktion (Bestätigung der formunwirksamen Eheschließung durch Antrag auf Registrierung) ausweicht.106 Probleme können auch entstehen, wenn die faktischen Eheleute übereinstimmend wahrheitswidrig vortragen, Ehekonsens erklärt zu haben.107 Verfahrensrechtlich ist der Beteiligtenautonomie dann, wie bisher, dadurch eine Grenze zu setzen, dass die Vorschriften der Zivilprozessordnung über Anerkenntnis, Geständnis und Geständnisfiktion in Ehesachen keine Anwendung finden (vgl. § 113 Abs. 4 Nr. 1, 5 und 6 FamFG). Weil für die Eltern-KindZuordnung ein Wahlrecht des Kindes anzuerkennen ist, könnte insoweit – wie auch für den Namen – das Feststellungsverfahren von einem Antrag des Kindes oder der namensführenden Person abhängig gemacht werden. Gegebenenfalls könnte gar das Eingreifen der Heilung an die Durchführung eines solchen Verfahrens gebunden werden. Im Recht der Eltern-Kind-Zuordnung träte die-

101

Vgl. zum Tatbestandsmerkmal des tatsächlichen Vollzugs der Ehe im Zusammenhang mit der Heilung von unwirksamen Eheschließungen während der Nachkriegszeit Ann, FamRZ 1994, 135 (139). 102 Vgl. zum Namensrecht Fachausschuss/Wall, StAZ 2019, 154 (158); Fachausschuss/Wall, StAZ 2014, 151 (154); siehe auch bereits Wall, StAZ 2010, 225 (231). 103 Vgl. nur MüKo-FamFG3/Lugani, § 127 Rn. 9. 104 Siehe zum Beweis innerer Tatsachen durch äußere Umstände nur Kopp, NJOZ 2017, 330 (330); NK-ErbR6/Hölscher/Kornexl, § 2281 Rn. 34 sowie zum Indizienbeweis bei inneren Tatsachen Baumgärtel/Laumen/Prütting, Handbuch der Beweislast I4, Rn. 8.5 ff. Siehe im Zusammenhang mit der inneren Identifikation mit dem faktisch geführten Namen oben, § 6 IV 1a) dd) (1). 105 BGH FamRZ 1983, 450 ff. 106 Siehe bereits oben, § 7 IV 3a) aa) (4). 107 Insoweit wäre dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet und der Heilungsansatz, der einen nachweisbaren Ehekonsens voraussetzt, verlöre seine erforderliche tatbestandliche Begrenzung.

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ses konstitutiv wirkende Verfahren neben das gerichtliche Vaterschaftsfeststellungsverfahren i.S. des § 1592 Nr. 3 BGB. Ein zu bedenkender Nachteil all dieser Feststellungsverfahren liegt aber in dem mit ihnen verbundenen Aufwand an Zeit und Geld.108 Auch insoweit müsste noch eine interessengerechte Lösung gefunden werden. Bei Fällen mit Auslandsbezug, in denen das Kollisionsrecht zur Anwendbarkeit ausländischen Sachrechts führt, stellt sich ferner die Frage nach der kollisionsrechtlichen Anknüpfung des Heilungsansatzes; mit anderen Worten: Kann die hier befürwortete Heilung auf der Ebene des deutschen Sachrechts auch zum Tragen kommen, wenn deutsches Sachrecht eigentlich gar nicht gilt? Das Problem betrifft vor allem Ehen, während man beim Namen und der Eltern-Kind-Zuordnung aufgrund ihrer relativ flexibel ausgestalteten Anknüpfungsnormen (Rechtswahl gemäß Art. 10 Abs. 2 und 3 EGBGB und Alternativanknüpfung gemäß Art. 19 Abs. 1 EGBGB) kollisionsrechtlich bereits häufig zum deutschen Sachrecht gelangen kann. Für eine Anwendung des sachrechtlichen Heilungsansatzes bei ausländischem Rechtstatut könnte der Gedanke einer positiven Funktion des ordre public109 oder einer positiven Eingriffsnorm110 aufgegriffen werden. Das ist eine charmante wie weitreichende Überlegung, die an dieser Stelle aber angesichts des erforderlichen argumentativen Aufwands111 nicht weiter vertieft werden kann. Jedenfalls bei einer Verursachung oder Verstärkung der objektiven Vertrauensgrundlage durch eine deutsche Behörde scheint es angezeigt zu sein, Heilungsregelungen des deutschen Sachrechts eingreifen zu lassen, weil diese – wie beispielsweise § 1310 Abs. 3 BGB112 – gerade darauf zurückzuführen sind, dass der deutsche Staat Verantwortung für seine Funktionsträger und Funktionsträgerinnen übernimmt. Insgesamt besteht damit noch weiterer Vertiefungsbedarf, der befriedigt werden will, wenn die Idee eines faktischen Status tatsächlich auf Zustimmung stößt und zu einer Lehre vom faktischen Status heranwächst. Erste Fingerzeige liegen mit dieser Arbeit jedenfalls vor.

108

So Frank, StAZ 2011, 236 (241). Vgl. etwa die Überlegung von Coester, in: FS Heldrich (2005), S. 537 (546); siehe zum positiven ordre public ferner Erman/Hemler, BGB16, Art. 6 EGBGB Rn. 4. 110 Siehe oben, § 7 IV 1b) bb). 111 Siehe zur Unschärfe des Begriffs vom positiven ordre public nur BeckOGKBGB/Stürner (1.8.2022), Art. 6 EGBGB Rn. 177 f. sowie MüKo-GmbHG4/Weller, Einl. Rn. 472 ff. (jeweils mwN und Hinweisen auf andere kollisionsrechtliche Lösungswege außerhalb von Art. 6 EGBGB). 112 Siehe Coester, in: FS Heldrich (2005), S. 537 (546), der § 1310 Abs. 3 BGB als „selbstbegrenzte Sachnorm“ einordnet. 109

Fünfter Teil: Schluss

§ 12 Zusammenfassendes Resümee Die Untersuchung hat einerseits sehr klare Erkenntnisse benennen und eindeutige Ergebnisse finden können, konnte andererseits aber auch manche Problemstellungen nur andeuten und musste sich mitunter mit offenen Punkten zufriedengeben. § 4 der Arbeit untersuchte Wesen und Begriff des Status. Ausgehend von einem relationalem Begriffsverständnis wurde Status als personale Standortbestimmung und umfassendes Regelungssystem erkannt, das nach Ruhe, Klarheit und Verlässlichkeit strebt und den am Status beteiligten Personen neben einem feingestrickten Netz an gegenseitigen Rechten und Pflichten gesellschaftliche Orientierung sowie individuelle Identifikation bietet. Das Statussystem dient zugleich dem Schutz der persönlichen Binnenbeziehung und bedeutet insoweit eine Zurückhaltung des Rechts. Als Status wurden die Ehe und die ElternKind-Zuordnung herausgearbeitet. Darüber hinaus wurde gezeigt, dass auch der Name, obwohl er keine Rechtsfolgen nach sich zieht, auf statustypische Weise wirkt und entsprechend ausgestaltet ist. Deshalb ist er als Status in einem weiteren Sinne zu begreifen. Maßgebliche Grundsätze eines allgemeinen statusorientierten Rechts sind die der Totalität, der Intentionalität, der Absolutheit (die wiederum Erkennbarkeit verlangt) und der Beständigkeit. Sie erfordern und rechtfertigen eine besondere Formstrenge mit ihrer Beweis- und Warnfunktion. Es konnte darüber hinaus aufgezeigt werden, dass die soziale Lebenswirklichkeit von besonderer Bedeutung ist und auch vom statusorientierten Recht vermehrt beachtet wird. So bedeutet Statuswahrheit nicht unbedingt genetische Wahrheit, und der Status der Ehe orientiert sich nicht selten an der gesellschaftlichen Realität. Status ist nicht bloß eine formelle Hülle, sondern der für alle erkennbare Ausdruck eines materiellen Kerns persönlicher Beziehungen. Jede statusrechtliche Problembehandlung muss sich im Ergebnis an den Forderungen des statusorientierten Rechts messen lassen: Vorhersehbarkeit, Verlässlichkeit und Widerspruchsfreiheit. Als weitere Erkenntnis der Arbeit kann die in § 5 gewonnene Einsicht hervorgehoben werden, dass der Gedanke des Vertrauensschutzes nicht nur ein ubiquitäres Phänomen des menschlichen Miteinanders darstellt, sondern auch im Recht als allgemein anerkannter und wichtiger Bewertungsmaßstab fungiert. Mit ihm kann indes keine konkrete Falllösung gelingen, er muss vielmehr im Wege zulässiger Methodik und Dogmatik seinen Einzug in das Recht finden. Das gilt unabhängig von der (deshalb) offen gebliebenen Einordnung als

366

Fünfter Teil: Schluss

übergreifendes Rechtsprinzip. Bei der rechtsgebietsübergreifenden Untersuchung, die nur kursorisch erfolgen konnte, wurde ein allgemeines Grundgerüst sichtbar. Als wiederkehrende Voraussetzungen des Vertrauensschutzes können die objektive Vertrauensgrundlage, die gutgläubige Vertrauensbetätigung sowie die umfassende Interessenabwägung gelten. Auf Rechtsfolgenseite begegnen einem mit der Zweispurigkeit des Vertrauensschutzes schließlich zwei alternative Reaktionsmöglichkeiten, die bei der sich anschließenden Untersuchung der ausgewählten Status immer wieder auftauchten: Soll Vertrauensschutz auf primärer Ebene im Sinne der Vertrauensentsprechung oder auf sekundärer Ebene im Sinne des Vertrauensschadensersatzes gewährt werden? Die Untersuchung hat für das statusorientierte Recht eine Priorisierung der Vertrauensentsprechung umfassend und unter Berücksichtigung der Eigenarten des Statussystems begründet (§ 10). Im Hauptteil der Arbeit konnten zuvor in allen untersuchten Status jeweils Fallgruppen gebildet und damit die Fehlerursachen systematisch betrachtet werden. Mit dieser Systematisierungsarbeit waren zwar noch keine konkreteren Lösungen verbunden, sie diente aber der induktiven Herausarbeitung eines statusübergreifenden Lösungsansatzes. Der namensrechtlichen Untersuchung (§ 6) wurde zunächst eine eindeutige und relativ wertneutrale Begrifflichkeit zugrunde gelegt, die sich in der Untersuchung der anderen Status fortsetzte. Der faktische Name lässt sich vom gesetzlichen Namen unterscheiden, und auf die Begriffe wahr und falsch wurde damit bewusst verzichtet. Eine durchgehende Unterscheidung von Vor- und Familiennamen war angesichts der weitgehend identischen Wertungen, die an geeigneter Stelle hervorgehoben wurden, nicht angezeigt. Die kurze historische Umschau ergab, dass der Name ursprünglich vor allem Unterscheidungsmerkmal gewesen ist und ihm im Laufe der Zeit darüber hinaus diverse weitere Funktionen zugeteilt wurden (Identitätsfunktion, Identifizierungsfunktion, Zuordnungsfunktion, Ordnungsfunktion). Die Untersuchung verdeutlichte den eigentlichen Konflikt, der sich bei gutgläubig geführten Namen heutzutage stellt: Die Ordnungsfunktion streitet mit dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht um vorrangige Berücksichtigung. Während am Beginn des 20. Jahrhunderts die Ordnungsfunktion höheres Gewicht hatte, entwickelte sich die Identitätsfunktion auf der Grundlage des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V. mit Art. 1 Abs. 1 GG zum wohl vorrangigen Leitgedanken. Im Jahr 2001 erstreckte das Bundesverfassungsgericht in einer Kammerentscheidung schließlich den Grundsatz der Namenskontinuität auch auf den gutgläubig geführten faktischen Namen (Singh-Entscheidung). Daran knüpfte die Rechtsprechungspraxis wiederholt an und erarbeitete kleinschrittig und tröpfchenweise konkrete Voraussetzungen für die verfassungsrechtlich vorgezeichnete Möglichkeit der Heilung eines faktischen Namens. Das hat die Untersuchung zusammengetragen und, abgesehen von Einzelheiten im Detail, eine klare Kontur destillieren können: Der faktische Name verdient den Schutz im

§ 12 Zusammenfassendes Resümee

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Sinne einer (statusrelevanten) Heilung, wenn er über einen nicht unerheblichen Zeitraum gutgläubig geführt worden ist und das Interesse der namensführenden Person an faktischer Namenskontinuität das staatliche Ordnungsinteresse überwiegt. Die zwingende Forderung nach einem behördlich gesetzten Rechtsschein war ebenso abzulehnen wie eine zeitliche Mindestgrenze. Vielmehr erwies sich eine umfassende Interessenabwägung als sachgerechter. Abschließend wurde unter Berücksichtigung der herausgearbeiteten Entscheidungen und der Erkenntnis, dass staatliches Ordnungshandeln heutzutage ganz überwiegend auf andere Werkzeuge und weniger auf die Namensführung zurückgreift, eine Regelvermutung für ein Überwiegen der Schutzwürdigkeit vorgeschlagen, die eingreift, wenn Gutgläubigkeit und ein besonderer behördlicher Bezug gegeben sind. Insgesamt ist eine ungeschriebene Heilung des gutgläubig geführten Namens allgemein anerkannt und bereitet keine größeren Probleme. Aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit ist aber eine Kodifizierung der Namensersitzung dringend erforderlich. Hierfür wurde ein Regulierungsvorschlag unterbreitet. Die im Namensrecht konstatierte weitgehende Gewährung von Vertrauensschutz hat sich im Eherecht (§ 7) nicht in gleicher Ausprägung gezeigt, obwohl das Eheschließungsrecht kodifizierte Heilungsmöglichkeiten kennt, die sich aber als zu eng erwiesen haben. Insoweit war es angezeigt, sekundäre Abhilfemechanismen zu betrachten, von denen nur die vom Bundesverfassungsgericht in seiner bekannten Witwenrentenentscheidung entwickelte Auslegung des sozialrechtlichen Witwenbegriffs überzeugen konnte. Diese methodische Finesse lässt sich aber nicht auf das Zivilrecht übertragen, womit eine statusrelevante Heilung weiter erforderlich ist. Sie kann nach hier vertretener Ansicht auf ungeschriebene Weise erfolgen; insoweit stellt § 1310 Abs. 3 BGB entgegen der wohl herrschenden, vor allem in der Rechtsprechung vertretenen Ansicht keine abschließende Regelung dar. Die Systematisierung des Fallmaterials zu faktisch gelebten Eltern-KindVerhältnissen (§ 8) bestätigte die eingangs angestellte Vermutung, dass auch bei diesem Status das Problem des gutgläubig gelebten Statusverhältnisses keine bloße Randerscheinung darstellt. Hier waren die Lösungswege aber für eine übergreifende Untersuchung zu uneinheitlich und zu speziell auf den Einzelfall gemünzt. Aus der Einzelfallprüfung haben sich dennoch die vom allgemeinen Vertrauensschutzgedanken bekannten und im Namens- und Eherecht ausfindig gemachten Voraussetzungen gezeigt: Rechtsschein in Form eines Verursachungsbeitrags, gutgläubige Vertrauensbetätigung, Zeitablauf und Interessenabwägung. Eine Vertrauensentsprechung ist im Eltern-Kind-Verhältnis hingegen die seltener anzutreffende Lösung im Vergleich zu sekundären Abhilfemechanismen. Letztere stellen jedoch, wie unter Beweis gestellt werden konnte, methodische Kunstgriffe dar, und nicht immer war eine zufriedenstellende Lösung überhaupt zu finden.

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Fünfter Teil: Schluss

Übergreifend betrachtet ergab sich, dass in allen untersuchten Status Regelungsbedarf besteht, und es wurde in Erwägung gezogen, die im Namensrecht gefundenen Ergebnisse auf die Ehe und die Eltern-Kind-Zuordnung zu übertragen. Diese Überlegung konnte in den §§ 10 f. vertieft, aber nicht bis in jede einzelne Verästelung zu Ende entwickelt werden. Die Heilung im Status wurde als die vorzugswürdigere Lösung gegenüber einzelfallbezogenen Lösungen auf sekundärer Ebene identifiziert und statusübergreifend konkretisiert, wobei die Möglichkeiten sowohl de lege lata als auch de lege ferenda ausgelotet wurden. Dabei konnte teilweise ein klares Ergebnis nach geltendem Recht formuliert und teilweise ein erster Vorschlag für das zukünftig zu reformierende Recht unterbreitet werden. Mit dem Vertrauensschutzgedanken können der gutgläubig geführte Name und die gutgläubig gelebten Statusverhältnisse bereits de lege lata interessengerecht bewältigt werden, wobei diesem Ansatz allerdings im Recht der Ehe und vor allem im Recht der Eltern-Kind-Zuordnung Grenzen gesetzt sind. De lege ferenda könnte eine auf das Vertrauensschutzargument gestützte und statusübergreifende Lösung im Sinne einer Ersitzung entwickelt werden. Insoweit sind aber auch noch ungelöste Fragen offengeblieben, und der Vorschlag bedürfte, soweit er in der Diskussion Anklang findet, weiterer Ausarbeitung. Besonderes Augenmerk müsste darauf gerichtet werden, und auch das gehört zu einem ehrlichen Resümee dazu, einer Konturenlosigkeit des Vertrauensschutzgedankens entgegenzuwirken. Die angebotene Lösung ist aber dennoch eine gute Alternative zur bisherigen Rechtslage, wie die abschließende Exemplifizierung sogleich verdeutlichen wird. Daneben bleibt die gesetzgeberische Entwicklung abzuwarten und auch zu erwägen, ob vielleicht mit spezifischen Reformen im Recht der einzelnen Statusverhältnisse auf anderen Wegen interessengerechte Ergebnisse ermöglicht werden können (freie Namenswahl, Mehrelternschaft, weitergehende Privatautonomie im Abstammungsrecht, Auflösung des strengen Statussystems, Einebnen von Nichtehe und aufhebbarer Ehe).

§ 13 Lösung der einleitenden Beispielsfälle Die eingangs zur Exemplifizierung des Untersuchungsgegenstands1 geschilderten Fallbeispiele können zum Abschluss der Untersuchung erneut herangezogen werden; diesmal, um die unterschiedlichen Lösungen für die aufgeworfenen Fragen zu veranschaulichen. Der Sachverhalt der Witwenrentenentscheidung des Bundesverfassungsgerichts kann unter die Heilungsvorschrift des geltenden § 1310 Abs. 3 BGB subsumiert werden, womit die unwirksame Eheschließung geheilt ist. Die Eheschließung vor dem griechisch-orthodoxen Geistlichen, die gegen Art. 13 Abs. 4 Satz 2 EGBGB verstößt und über deren Wirksamkeit der Bundesgerichtshof im Jahr 2003 zu entscheiden hatte, wird indes mangels zwischenzeitlicher Registrierung i.S. des § 1310 Abs. 3 BGB nicht von der kodifizierten Heilungsmöglichkeit erfasst. Der Mangel ist nach wohl herrschender Meinung einer Heilung nicht zugänglich. Nach hier vertretener Ansicht greift indes eine ungeschriebene Heilung de lege lata ein, weil Eheschließungskonsens nachweisbar vorliegt und die Ehe nach außen erkennbar über einen Zeitraum von 26 Jahren gelebt wurde, und zwar in der Überzeugung der Eheleute, wirksam verheiratet zu sein. Die Eheschließung der sogenannten Wiedertürken kann nur dann mit Hilfe der Vorschrift des § 1310 Abs. 3 BGB geheilt werden, wenn sie zwischenzeitlich registriert wurde, wie es beispielsweise im Zusammenhang mit der Geburt des gemeinsamen Kindes denkbar erscheint. Ansonsten ist auch diese Ehe nach herrschender Meinung unheilbar unwirksam, und auch die hier entwickelte ungeschriebene Heilungsmöglichkeit vermag nicht zu helfen, weil die erforderliche Mindestzeit von zehn Jahren nicht erreicht worden ist. Dieses Ergebnis kann nicht überzeugen, und es bleibt unter Berücksichtigung des erheblichen behördlichen Verursachungsbeitrags nur der von Frank2 vorgeschlagene Weg über eine extensive Auslegung des Art. 13 Abs. 4 Satz 2 EGBGB. Angesichts dessen erscheint eine Kodifizierung der Ersitzung, wie sie die vorliegende Arbeit herausgearbeitet hat, dringend erforderlich. Das Paar, das sich bewusst gegen eine zivilrechtliche Eheschließung entschieden hatte, kann sich nicht auf Heilung berufen. Das würde mangels Gut-

1 2

Siehe zu den Fallbeispielen oben, § 1 II. Siehe oben, § 11 Fn. 93.

370

Fünfter Teil: Schluss

gläubigkeit auch nach der Kodifizierung des diskutierten Heilungsansatzes gelten, und das offensichtliche Gerechtigkeitsbedürfnis müsste weiterhin mit den Mitteln des Schuldrechts befriedigt werden. Alles andere bedeutete die vollständige Aufgabe des Eheschließungsrechts und fügte sich nicht bündig in das bestehende System ein. Vertrauensschutz und Heilung sind also keinesfalls grenzenlose Billigkeitserwägungen. Im Fall der vertauschten Kinder können sich grundsätzlich beide Kinder auf den faktisch geführten Namen berufen, der damit geheilt wird. Sie haben den Namen angesichts zehnjähriger, gutgläubiger Namensführung und in Ermangelung erkennbar entgegenstehender Interessen ersessen. Das gilt bereits nach geltendem Recht. Schwieriger ist die Lösung in Bezug auf die Eltern-KindZuordnung. De lege lata kann eine Heilung nicht eintreten, weil bereits eine jeweils wirksame rechtliche Elternschaft entgegensteht. Dies kann auch nicht bei Konsens aller Beteiligten überwunden werden. Lediglich de lege ferenda könnte eine auf Vertrauensschutz zurückzuführende Ersitzung eingreifen. Dabei ist zunächst möglichst Konsens herzustellen, weil die rechtlichen Eltern in die Ersitzung einwilligen müssten. In streitigen Konstellationen könnte die Ersitzung eingreifen, wenn das Gericht die Zustimmung der rechtlichen Eltern ersetzt. Interessen der faktischen Eltern, die womöglich entgegen ihrem Willen als rechtliche Eltern festgestellt werden sollen, finden im Rahmen der vorgeschlagenen Härtefallregelung Berücksichtigung (wenn beispielsweise beide Kinder das eine Elternpaar auswählen und diese die damit verbundene Mehrbelastung ablehnen). Insgesamt ist aber zuzugeben, dass die Fälle vertauschter Kinder auch nach der hier vorgeschlagenen Lösung weiterhin Probleme bereiten werden. Insoweit könnte die Implementierung einer Mehrelternschaft sinnvoller sein. Das Kind, dessen Geburtenregister gefälscht worden ist, beruft sich ebenfalls erfolglos auf eine statusrelevante Heilung, solange eine Kodifizierung der Ersitzung nicht erfolgt, die eine Ersetzung der rechtlichen Elternschaft ermöglichen und den Fall angemessen lösen würde. Hier ist wertungsmäßig das Verhalten der rechtlichen Mutter und der faktischen Eltern sowie die Nichtexistenz oder zumindest Nichtermittelbarkeit des rechtlichen Vaters in die Betrachtung einzustellen. Die vorgetäuschte Identität der Geburtsmutter des Kindes K änderte zwar an der rechtlichen Mutterschaft nichts, hinderte aber die Vater-Kind-Zuordnung zwischen K und V und zog damit auch die von V abgeleitete Namensführung des K in Zweifel. Namensrechtlich ist der Fall klar: K verdient Vertrauensschutz und hat den Namen, den er gutgläubig und bis ins Erwachsenenalter führte, ersessen. Das Verhalten seiner (faktischen) Eltern ist ihm nicht zuzurechnen. Die Eltern-Kind-Zuordnung kann nach herkömmlicher Rechtsanwendung nur im Wege der Anerkennung oder der gerichtlichen Feststellung gerettet werden, was eine genetische Verbindung voraussetzt und gegebenenfalls

§ 13 Lösung der einleitenden Beispielsfälle

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eine Exhumierung des verstorbenen Mannes erforderlich macht. Nach hier vertretener Ansicht kann K sich indes auf eine Ersitzung der Vater-Kind-Zuordnung berufen, weil der faktische Vater erkennbar seine Bereitschaft zum Ausdruck gebracht hat, die Elternverantwortung als Elternteil zu übernehmen, das Eltern-Kind-Verhältnis langjährig gelebt worden ist, K gutgläubig war und keine entgegenstehende rechtliche Vaterschaft besteht.

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Sachverzeichnis

Abkömmling 308 Abstammung 25, 48, 229, 236, 283, 298, 335 − Verfahren zur Klärung 48 abstraktes Schuldversprechen 242 Adoption 19 f., 48, 235, 261, 266 ff., 347, 351 − Verfahren 302 − Adoptionsvertrag 244 − Aufhebung 29 − Auslandsadoption 18 ff., 237, 239, 277, 294 ff., 311 ff. − Einwilligung 305, 329, 348 − Erwachsenenadoption 310, 348 − faktische Adoption 243, 272 − internationale Adoption 229, 236 − Nachadoption 19 f., 295 alteri stipulari nemo potest 249 ff. Amtsermittlungsgrundsatz 181, 359 Anerkennung der Vaterschaft Siehe Vaterschaftsanerkennung Anerkennung von Rechtslagen Siehe unionsrechtliches Anerkennungsprinzip Anfechtung der Vaterschaft Siehe Vaterschaftsanfechtung Anfechtung des Testaments Siehe Testamentsanfechtung Annäherungsgrundsatz 83, 199, 221 ärztliche Aufklärungspflichten 260 asymmetrischer Status Siehe Status Aufenthaltsbestimmungsrecht 304 aufhebbare Ehe Siehe Eheaufhebung außervertragliche Vertrauenshaftung 62 Beseitigungsaufwand 137 bewegliches System 67 Beweis innerer Tatsachen 360

Beweisregel 360 Bösgläubigkeit 65, 128 f. child of the family 30 common law Ehe 30 consensus facit nuptias 181, 212, 341 de facto status 330 Deckungsverhältnis 251 ff. Doppelehe Siehe Zweitehe Dreiererklärung 303, 341 Ehe − als Status 45, 206, 287 − durch Bestätigung 212, 217, 227 − für alle 46 − i.S. des Strafprozessrechts 198 − Strukturprinzipien 195, 341, 343 Eheaufhebung 83, 151 f., 156, 167, 190, 320, 337 − Heilung 153 − Rechtsfolge 156 Ehekonsens Siehe Eheschließungserklärungen Ehename 89, 94, 123 − Entwicklung unter dem BGB 95 f. − Namensführung nach Aufhebung der Ehe 83 f., 107, 109, 145 Eheschließung − vor einer ausländischen Trauperson 8, 10, 82, 144, 157, 369 − Ferntrauung 166 − in den Nachkriegswirren 165, 346 − vor einem Militärgeistlichen 160 Eheschließungserklärungen 179 f., 210 ff., 220, 327, 341, 343, 351 − Beweis 181, 212, 341 − fingierte ~ 212

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Sachverzeichnis

Eheschließungsfreiheit 341, 349 Eheschließungsrecht 150 Eheschließungsstatut 168 Eheschließungswille Siehe Eheschließungserklärungen eingetragene Lebenspartnerschaft 46 Eingriffsnorm 178, 361 einvernehmliche Vaterschaftszuordnung Siehe Dreiererklärung Elternbegriff 230 f. Elterngrundrecht 299, 313, 328 − Exklusivität 329 Eltern-Kind-Zuordnung als Status 43, 47 f., 230 Elternschaft − biologische 231 − faktische 231 − genetische 231 − soziale 231 equitable adoption 30 Erbfolge, gesetzliche 43, 308 f. Erbrecht 277, 307 − gesetzliches ~ 282 − Statusakzessorietät 43, 275, 308, 314 − Typenzwang 276, 278 − Versorgungsfunktion 280 Erbvertrag 275 ergänzende Testamentsauslegung 308 Ersetzung der Einwilligung 305, 329, 348 Ersitzung 123 − eines Namens Siehe Namensersitzung − eines Personenstands Siehe Statusersitzung europarechtliches Anerkennungsprinzip Siehe unionsrechtliches Anerkennungsprinzip Exhumierung 291, 371 Exklusivität des Status 40, 342, 347, 349 faktische Ehe 150, 210, 220 faktische Eltern-Kind-Zuordnung 18, 28 f., 238, 279, 284, 348 faktischer Name 78, 80, 99, 112, 127, 141, 319

falsche Identität 12 f., 79, 131, 235, 282, 287, 314, 370 Fälschung des Geburtenregisters Siehe gefälschtes Geburtenregister Familie − verfassungsrechtlicher Begriff 330 familienrechtliches Dauerschuldverhältnis 271 fingierte Willenserklärungen 203, 227, 256, 258, 293, 296 Foreign Marriage Act von 1892 160 Formzwecke 197, 200, 209 ff., 342 f., 346, 356 freie Namenswahl 147 f., 320 from status to contract 52 Frühehe 25 f., 153, 166, 169, 220, 238, 283, 341, 345 − analoge Anwendung des Eheaufhebungsrechts 201 − Heilung 187 ff. Gebot der obligatorischen Zivileheschließung Siehe obligatorische Zivilehe Gedanke des Vertrauensschutzes Siehe Vertrauensschutzgedanke gefälschtes Geburtenregister 12, 144, 238, 243, 254, 261, 263, 272, 277, 347, 353, 370 geläuterte Rechtsprechung 79, 81, 99, 100, 105, 107 Gesetzesanalogie 286 gesetzliche Heilungsmöglichkeit Siehe Heilung/geschriebene gesetzlicher Unterhaltsanspruch 240, 280 Gleichberechtigungsgesetz von 1957 96 Griechenehe 162, 215, 227 grob fahrlässige Unkenntnis 109, 127, 128, 133, 345 grobe Fahrlässigkeit 129 Grundsatz der Namenskontinuität 101 f., 107 Grundsatz der obligatorischen Zivileheschließung Siehe obligatorische Zivilehe Grundsatz des Vertrauensschutzes Siehe Gedanke des Vertrauensschutzes

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Grundsatz von Treu und Glauben 269 gutgläubig beendete Ehe 205 gutgläubig geführter Name Siehe faktischer Name Gutgläubigkeit 64, 112, 126, 133, 137, 153, 167, 185, 190, 201, 209, 235, 287, 346, 353, 355 − anderslautende Registrierung 130, 144 − Zurechnung 131 ff.

Kindschaftsrechtsreform 335 kirchliche Voraustrauung 345 Kodifizierung der Namensersitzung Siehe Namensersitzung kollisionsrechtliche Anknüpfung 16, 80, 99, 178, 241, 361 Kolonialismus 90 konkludenter Vertragsschluss 206, 246, 254, 256, 274, 293, 296, 315, 332 Kulturkampf 45, 150, 183, 187, 344

Haager Unterhaltsprotokoll 241 Härtefallklausel 351 f., 357 Heilung − geschriebene ~ 161, 174 f., 188, 232, 284, 310, 317, 342, 344, 369 − statusrelevante ~ 190, 328, 332, 349, 351, 354 − ungeschriebene ~ 207, 210, 212, 215, 222 f., 319 Heilung durch Statutenwechsel 15 f., 219 Herausgabe des Kindes 297 heterologe Insemination Siehe Insemination hinkende Ehe 8, 10, 149, 161 ff., 169, 175, 196, 211, 216, 221, 283, 327 f., 344 − hinkende Zweitehe 171 hinkende Eltern-Kind-Zuordnung 237, 294 hinkendes Rechtsverhältnis Siehe hinkendes Statusverhältnis hinkendes Statusverhältnis 7, 11, 17, 22

Lehre vom faktischen Arbeitsverhältnis 336 Lehre vom faktischen Status 321, 325, 337 Leibrentenversprechen 242, 260 Liberalisierung des Scheidungsrechts 337, 351

Identitätsbildung 114, 121, 140 − bei Kindern 115 ff., 136 Inlandsehe gleich Inlandsform 150 Insemination 229, 241 ff., 255 ff., 260 ff., 272, 276 f., 312, 316, 332, 351 Interessenabwägung 26, 49, 64 ff., 110 ff., 122 ff., 133 ff., 139 f., 144, 265, 306, 315 f., 355 Kindesvertauschung Siehe vertauschte Kinder Kindeswohlgefährdung 299, 305

mater semper certa est 351 matrimonium non existens Siehe Nichtehe Mehrelternschaft 307, 310, 316, 320, 347 f., 370 multilaterales Statusverhältnis 332, 359 Name − als Status 44, 49 − gesellschaftliche Bedeutung 122 − identitätsstiftende Wirkung 111 − Kodifizierung des Namensrechts 94 − Namenszusatz 103 − Verrechtlichung 86, 92 f. Namensänderung 147 − nachträgliche Vornamensänderung 117 − öffentlich-rechtliche ~ 137 − von Kindern 116 f. Namensberichtigungsverfahren 142 Namensersitzung 367 − Kodifizierung 146, 320 Namensfunktionen 86, 97 f., 134, 147, 366 − Identifikationsfunktion 87, 97 f., 102, 313, 319 − Identitätsfunktion 87, 89, 366 − Individualisierungsfunktion Siehe Identitätsfunktion

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− Machtfunktion 91 − Ordnungsfunktion 91, 98, 136, 366 − Zuordnungsfunktion 88 f., 98, 114, 137 Namensgebung − als Machtausübung 90 − von Geschwistern 90, 140, 136 namensrechtlicher Vertrauensschutz 100 f. Namenszusätze 89 Nichtehe 151, 165, 175, 179, 187, 190, 199, 201 ff., 213 ff., 222 ff., 317 ff., 327, 337, 349 f. nichteheliche Lebensgemeinschaft 151, 205, 327, 341 nichtige Ehe 151, 175, 224, 333 obligatorische Zivilehe 10, 150, 158, 164, 168, 172, 223, 327, 342 ff. ordnungsgemäße Ermächtigung 158 ff., 383, 386 pacta sunt servanda 261 Personenstand 37 Personenstandsgesetz 93, 358 Personenstandsregister 5, 38, 40, 77, 93, 106, 161, 183, 284, 286 − beschreibende Eintragung 220 − deklaratorische Wirkung 239 − Nachweis der Unrichtigkeit 77, 239 Pflegeeltern 302 Pflegekind 279 Pflichtteilsanspruch 276 Pluralisierung der Elternschaft Siehe Mehrelternschaft positiver ordre public 219, 361 possession d’état 30 Prinzip der Vertragstreue 56 Privatautonomie 179 ff., 340, 341, 349 protestatio facto contraria 245 Putativehe 30, 174 Putativeltern 231, 302 Putativfamilie 300 rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung 229 Rechtsausübungssperre 288 Rechtsfortbildung 258, 270, 278, 311, 338 f., 346, 348, 352, 357 f.

− fünf Stufen-System 338 Rechtsschein 109, 112 ff., 118, 128, 133, 135, 146, 182 f., 391 − behördlicher ~ 136, 146 Rechtsscheintatbestand 182, 190, 210, 216 Reformbedarf im Abstammungsrecht 229 Regelvermutung 122, 135, 146, 355, 359, 367 Registrierung im Ausland 184, 354 Registrierungserfordernis 219, 354 Regressanspruch Siehe Rückabwicklung rein religiöse Eheschließung 164 f., 175, 198, 203 f., 345, 369 richterliche Rechtsfortbildung Siehe Rechtsfortbildung Rückabwicklung 63, 152, 199, 202, 205, 234, 300, 302, 311, 336 Rückwirkung der Namenswahl 143 scheidungsakzessorischer Statuswechsel 303 Scheidungsfolgen 10, 42, 63, 163, 165, 170, 199, 201 Scheinmutterregress 234, 301 Scheinstandesbeamter 166, 172, 180, 185 Scheinstatus 41 Scheinvaterregress 234, 301 Schutzwürdigkeit 61, 109, 113, 122, 126, 135, 156, 177, 190, 229, 231, 255, 258, 267, 272, 285, 315 f., 367 Selbstkontrahierungsverbot 241 Singh 77, 88, 99, 102 ff., 112, 114, 120, 123, 135, 193, 319, 335, 366 sozial-familiäre Beziehung 290, 297, 316, 335 sozial-gesellschaftliche Bedeutung des Status 334 sozialrechtlicher Witwenbegriff 195, 197 Staatsangehörigkeit 8 ff., 16, 43, 81, 83, 120, 144, 157 ff., 176, 191 f., 227, 281 Staatsangehörigkeitsprinzip 163 Status − Absolutheit 40

Sachverzeichnis − − − − −

asymmetrischer ~ 49, 238, 319 Begriff 35 f., 38 Feststellungsverfahren 40 Formzwecke 44 sozial-gesellschaftliche Bedeutung 51 − strenge Formalisierung 44 Status als Regelungssystem 42 f., 52, 332 f., 344, 365 Statusbeständigkeit 41 f., 300, 318, 320, 335 Statuserkennbarkeit 334 Statusersitzung 368, 370 Statusfeststellungsverfahren 233, 359 Statusfunktionen 39, 52, 192, 332 Statusintentionalität 39, 45, 48, 333, 340 Statusklarheit 40, 47, 216, 284, 287, 320 Statusrecht 281 Statustotalität 39, 287, 333 Statusverhältnis 230 Statuswahrheit 41, 45, 47 f., 334, 335, 365 Sterbebuchfälle 211, 220 f., 226 Sterberegister − Beweiswirkung 221 Stiefkindfälle 293 Störung der Geschäftsgrundlage 205, 261 f., 318 Substitution 182 ff.

Testamentsanfechtung 308 Testierfreiheit 235, 278, 309 Typenzwang 40, 276, 278 Übereilungsschutz 44, 260 f., 334, 344 übereinstimmende Vertragsaufhebung 267 Umgangsrecht 298, 300, 304 Umstandsmoment 106 f., 114, 118 f., 122, 129, 135, 354 ungeklärte Namensführung 83, 145 unionsrechtliches Anerkennungsprinzip 23 ff., 27, 50, 154, 190 unselbständige Vorfragenanknüpfung Siehe Vorfragenanknüpfung Unterhalt aus Anlass der Geburt 203 Unterhaltsanspruch 292

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− Ausschluss 268 Unterhaltspflicht des Kindes 272 Unterhaltsregress 306 Unterhaltsvertrag 203, 241 f., 278, 318 Valutaverhältnis 252 f., 258, 260, 269, 278 Vaterschaft − gerichtliche Feststellung 233, 283, 288 ff., 361 − kraft Ehe 232, 238, 263, 282, 290, 293, 351 Vaterschaftsanerkennung 183, 232 f., 239, 286, 288 − Anerkennungssperre 285, 342, 347 − bewusst wahrheitswidrige ~ 267, 270, 289, 352 − Formerfordernis 290 − Heilung 186, 284 − konkurrierende Erklärungen 234 − Zeitpunkt der Anerkennungserklärung 234 − Zustimmungserklärungen 289 Vaterschaftsanfechtung 28 f., 47, 274, 335 − Anfechtungsausschluss 246 ff., 290, 312 − Anfechtungsrecht 263, 312, 335 − rechtsgeschäftlicher Verzicht 247 − sozial familiäre Beziehung 28 Verbleibensanordnung 298, 300, 305 f. verfahrensrechtliche Anerkennung 18, 21 ff. Verfallsklausel 268 Verjährung 123 ff. Vermutungsregel Siehe Regelvermutung Versorgungsausgleich 206 vertauschte Kinder 11, 85, 113, 136, 138, 140, 145, 233, 235, 296, 303, 306, 311, 313, 347, 353, 370 Vertrag zugunsten Dritter 244, 248, 249, 259, 278, 280, 292, 295, 311, 318 − auf den Todesfall 276 Vertrag zulasten Dritter 273 Vertragsaufhebungsfreiheit 265 Vertrauen − als Rechtsbegriff 55 f.

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Sachverzeichnis

− als ubiquitäres Phänomen 54 Vertrauensbetätigung 61, 64, 114, 116, 134, 318 Vertrauensdisposition Siehe Vertrauensbetätigung Vertrauensentsprechung 67 f., 142, 191, 317, 326, 332, 366 f. Vertrauensschutz 366 − abstrakter ~ 173, 185 − als Rechtsprinzip 57 − im Familienrecht 63 − im Privatrecht 61 f. − im Verfassungsrecht 58 f. − im Verwaltungsrecht 59 ff. − objektive Vertrauensgrundlage 64, 110 ff., 314, 342, 354 − Rechtsfolge 67 f., 310, 325 f., 366 − Subsidiarität 69 Vertrauensschutzgedanke 53, 57, 71, 108 f., 142, 156, 165, 191, 258, 286, 338, 365 Vertrauensschutzprinzip Siehe Vertrauensschutzgedanke Vertretung des Kindes 241 Vertretungsmacht 242 Verwirkung 125 Vollzugsverhältnis 252 Vorfragenanknüpfung 15 − unselbständige ~ 5, 15 f., 222, 283 vorgetäuschte Identität Siehe falsche Identität

Wahlmöglichkeit 67, 139, 142 f., 146, 281, 336, 350, 351, 353, 357 Waisenrente 279 Warnfunktion 260, 290, 344 Wartefrist 184 Wegfall der Geschäftsgrundlage Siehe Störung der Geschäftsgrundlage Wiederholungsadoption Siehe Nachadoption Wiedertürken 161, 283, 357, 359, 369 Willensfiktion 266, 269 f., 275, 280, 296, 308 f., 311, 318 Wissenszurechnung 131 f. Witwe − Begriff des Sozialrechts Siehe sozialrechtlicher Witwenbegriff Witwenrente 7, 160, 175, 186, 193, 200, 326, 369 Zahlvater 262 zeitliche Untergrenze 120 ff., 146, 355, 367 Zeitmoment 119, 122, 133 f., 146, 209, 255, 258, 273, 315, 321, 346, 355 Zessionstheorie 250 Zwei-Eltern-Prinzip 347, 349 Zweispurigkeit des Vertrauensschutzes Siehe Vertrauensschutz/Rechtsfolge Zweitehe 154 f., 349