Im Mittelpunkt der Arbeit steht die Frage: Verfugen artikellose Sprachen uber Determinatorphrasen? Ausgehend von der Art
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German Pages 212 [214] Year 2020
Table of contents :
Danksagung
Inhalt
Verzeichnis der verwendeten Abkürzungen und graphischen Zeichen
1 Einleitung
2 Bisherige theoretische Ansätze zu den Determinatorphrasen im Chinesischen
3 Definitheit, Indefinitheit, Referentialität, Spezifizität, Generizität und Topik
4 Anaphorische Funktion der Determinatoren
5 Individuierende Funktion der Determinatoren
6 Artikellose NPs
7 Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Determinatorphrasen im Deutschen und Chinesischen
DaZ und DaF in der Diskussion Herausgegeben von Jörg Meier, Beatrice Müller und Thorsten Roelcke Begründet von Martin Löschmann unter dem Titel Deutsch als Fremdsprache in der Diskussion
Band 13
Meng-Chen Lee
Determinatorphrasen im Deutschen und Chinesischen
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Umschlagabbildung: © Dr. Meng-Chen Lee
ISSN 2629-4907 ISBN 978-3-631-80112-3 (Print) E-ISBN 978-3-631-81285-3 (E-PDF) E-ISBN 978-3-631-81286-0 (EPUB) E-ISBN 978-3-631-81287-7 (MOBI) DOI 10.3726/b16578 © Peter Lang GmbH Internationaler Verlag der Wissenschaften Berlin 2020 Alle Rechte vorbehalten. Peter Lang – Berlin · Bern · Bruxelles · New York · Oxford · Warszawa · Wien Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Diese Publikation wurde begutachtet. www.peterlang.com
Danksagung Die vorliegende Arbeit wurde im Dezember 2015 als Inauguraldissertation an der Ludwig-Maximilians Universität München eingereicht. An dieser Stelle möchte ich meinen Dank nachstehenden Personen entgegenbringen, ohne deren Mithilfe die Anfertigung dieser Promotionsschrift niemals zustande gekommen wäre: An erster Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei meiner Doktormutter, Frau Prof. Dr. Elisabeth Leiss, für ihre fortwährende Unterstützung und geduldige Betreuung meiner Arbeit bedanken. Sie hat mein Interesse an dem Dissertationsthema geweckt. Die zahlreichen Gespräche mit ihr waren mir Ermutigung und Motivation zugleich. Mein Dank gilt auch Herrn Prof. Dr. Ulrich Schweier und Herrn Prof. Dr. Roderich Ptak für die schnelle und unkomplizierte Übernahme des Zweitgutachtens und der Nebenfachprüfung sowie die kritischen Anmerkungen meiner Disputation und Dissertation. Mein außerordentlicher Dank gilt Herrn Prof. Dr. Werner Abraham, der meine Arbeit mit zahllosen Ideen und Denkanstößen begleitete, für die Auseinandersetzung mit meinen Themenkomplex, für die mühevolle Durchsicht bzw. Korrekturen und für die wertvollen Verbesserungsvorschläge meiner Arbeit. Die bereichernden und konstruktiven Diskussionen mit ihm haben mich auf meinem akademischen Weg ermuntert und bestärkt. Des Weiteren bin ich dankbar Rebecca Ehrenwirth und Florian Braag für das Korrekturlesen der Arbeit. Ohne ihre Hilfe wären wohl viele Fehler unentdeckt geblieben. Darüber hinaus danke ich allen Kommilitonen und Freunden – insbesondere Familie Skoruppa in Jetzendorf, Yu-Hsien Lin, Jiehua Cai, Yan-kai Fu, Mei-chao Gerling-Chu und Yunching Chang für ihre Begleitung. Vor allem aber danke ich meiner lieben Familie (李水煌, 李怡慧, 李明哲, 李琯晨, 林楷鈞). Sie hat mich vom Magisterstudium bis zum Abschluss meiner Promotion ständig motiviert und vorbehaltlos unterstützt. Ihnen ist diese Doktorarbeit gewidmet. München, im August 2019 Meng-Chen Lee
Inhalt Verzeichnis der verwendeten Abkürzungen und graphischen Zeichen .................................................................................................................... 11 1 Einleitung ......................................................................................................... 15 1.1 Ausgangspunkt ............................................................................................. 16 1.1.1 Bestimmung des Phänomenbereichs: Determinatorphrasen und Nominalphrasen ........................................................................... 17 1.1.2 Nominalphrasen-Konfiguration im Chinesischen .......................... 20 1.1.3 Zielsetzung und Fragestellung ............................................................ 26 1.2 Aufbau der Arbeit ........................................................................................ 27
2 Bisherige theoretische Ansätze zu den Determinatorphrasen im Chinesischen ............................................................................................ 29 2.1 Tang (1990a, b, 2005) ................................................................................. 29 2.2 Cheng/Sybesma (1998, 1999, 2005, 2012) .............................................. 32 2.3 Chierchia (1998a, b): Nominal Mapping Parameter ............................ 34 2.4 Bošković (2012): DP- und NP-Sprachen ................................................ 36 2.4.1 Syntaktische Diskontinuität ................................................................ 38 2.4.1.1 Left Branch Extraction (Extraktion der linken Konstituente aus einer NP) ................................................... 38 2.4.1.2 Adjunktextraktion aus einer NP ........................................... 39 2.4.1.3 Long-distance-Scrambling .................................................... 41 2.4.1.4 Superiorität und Linksversetzung von mehrfachen w-Wörtern (Superiority and multiple wh-fronting) .......... 42 2.4.2 Fazit ........................................................................................................ 43 2.5 Zusammenfassung des Kapitels ................................................................. 43
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Inhalt
3 Definitheit, Indefinitheit, Referentialität, Spezifizität, Generizität und Topik ............................................................................... 45 3.1 Begriffliche Bestimmungen: Definitheit, Indefinitheit, Spezifizität, Generizität und Referentialität ........................................... 45 3.2 Begriffliche Bestimmungen: Thema, Rhema, Topik, Kommentar, Fokus und Hintergrund ............................................................................ 54 3.3 Serialisierung und (In-)Definitheit im Chinesischen ........................... 58 3.4 Die bloße Klassifikator-Konstruktion und Definitheit/Indefinitheit . 74 3.5 Schwache Referentialität ........................................................................... 80 3.6 Definitheit/Indefinitheit und Semantik .................................................. 86 3.6.1 Definitheit und Semantik .................................................................. 86 3.6.2 Indefinitheit und Semantik ............................................................... 91 3.7 Zusammenfassung des Kapitels ............................................................... 93
4 Anaphorische Funktion der Determinatoren ................................ 101 4.1 Kohäsionsmittel ......................................................................................... 102 4.2 Pronomina als Kohäsionsmittel ............................................................... 106 4.3 DemPro+Num+KL+NP als Kohäsionsmittel ........................................ 119 4.4 Zusammenfassung des Kapitels ............................................................... 121
5 Individuierende Funktion der Determinatoren ........................... 125 5.1 Ansätze zu den Individualnomina und Mengennomina ...................... 126 5.2 Tests zur Unterscheidung der Individualnomina von den Mengennomina .......................................................................................... 140 5.2.1 Der ge 個-Test ..................................................................................... 140 5.2.2 Der de 的-Test ..................................................................................... 141 5.2.3 Quantoren- und Artikeltest .............................................................. 142 5.2.4 Pronominaltest .................................................................................... 145 5.3 Klassifikatoren: lexikalisch oder funktional? ......................................... 147 5.3.1 Numerusmorphologie im Chinesischen ......................................... 147
Inhalt
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5.3.2 Klassifikatoren-Typen im Chinesischen .......................................... 150 5.3.3 Klassifikatoren: Lexikalische oder funktionale Elemente? ............ 160
5.4 Zusammenfassung des Kapitels ............................................................... 163
6 Artikellose NPs ............................................................................................ 165 6.1 Nullartikel im Deutschen .......................................................................... 166 6.1.1 Eigennamen ......................................................................................... 167 6.1.2 Bloße Plurale ....................................................................................... 168 6.1.3 Mengennomina und Abstrakta ......................................................... 168 6.2 NPs in der prädikativen Position ............................................................. 169 6.2.1 Rollen- und Funktionslesart ............................................................. 171 6.2.2 Aspekt der bloßen prädikativen NPs ............................................... 181 6.2.3 Attributive Adjektive und bloße prädikative NPs .......................... 184 6.3 Zusammenfassung des Kapitels ............................................................... 186
7 Zusammenfassung ...................................................................................... 189 Literaturverzeichnis ........................................................................................ 195
Verzeichnis der verwendeten Abkürzungen und graphischen Zeichen Abkürzungen Adj Adjektiv Adj.V Adjektivisches Verb Adv Adverb Adv.Part Partikel zur Bildung von Adverbien Akk Akkusativ Asp Aspekt Attr.Part Attributive Partikel bN bloßes Nomen bKL-NP bloße-Klassifikator-Konstruktion CONT continuous aspect, kontinuierlicher Aspekt C Complementizer CP Complementizerphrase Dat Dativ Def definit Def(Art) Definiter Artikel Dem, DemPro Demonstrativpronomen DP(s) Determinatorphrase(n) Dur.Part durative Partikel En Eigenname Eixst.m Existenzmarker F Fokus FHG Fokus-Hintergrund-Gliederung F.Part Fokuspartikel Fr.Part Fragepartikel Gen Genitiv HV Hilfsverb Indef indefinit ILP IL-Prädikate, ‚individual-level-predicates’, individuenbezogene Prädikate, Eigenschaftsprädikate IN Individualnomen IT Individualterm(en) K (nach Tang 1990a, b) ‚klassifier’ morpeme = Numerale + Klassifikator
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Verzeichnis der verwendeten Abkürzungen und graphischen Zeichen
KL Klassifikator Kom Kommentar Konj Konjunktion Komp.Part Partikel zur Bildung des Komplements der Art und Weise KV Kopulaverb MN Mengennomen Mögl.Komp Möglichkeitskomplement MP Modalpartikel MT Mengenterm(en) MV Modalverb N Nomen Neg.Part Negationspartikel Nom Nominativer Kasus NP(s) Nominalphrase(n) Num Numerale Obj Objekt OV Objekt-Verb P Präposition Part Partikel PF phonetische Form Pfv.Part Perfektive Partikel PersPro Personalpronomen PL Plural PossPro Possessivpronomen Post.P Postposition Prät Präteritum Pro Pronomen Prog.Part Progressive Partikel Quant Quantor Quantf Quantifikator RED Reduplikation RefPro Reflexivpronomen Res.Komp Resultatkomplement RH Rhema SG Singular SLP SL-Prädikate, ‚stage-level-predicates’ , Geschehensprädikate, Präsentationsprädikate Spez Spezifikator Subj Subjekt
Verzeichnis der verwendeten Abkürzungen und graphischen Zeichen
SVO Subjekt-Verb-Objekt T Topik TH Thema ti Spur ‚trace’ TKG Topik-Kommentar-Gliederung TNP traditionelle Nominalphrase Top Topik-Partikel TRG Thema-Rhema-Gliederung V Verb Vgl.Part Vergleichsparttikel VO Verb-Objekt VP Verbalphrase ZO perfektive Partikel im Kantoneischen Zsv.Part Zustandsveränderungspartikel
Graphische Zeichen # unter besonderer Bedingung richtig * grammatikalisch nicht korrekt *(darin) ohne darin ist grammatikalisch nicht korrekt (*darin) mit darin ist grammatikalisch nicht korrekt ? darin fraglich Ø leeres Element
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1 Einleitung Es wird kontrovers diskutiert, ob es in den artikellosen Sprachen wie dem Chinesischen oder dem Japanischen die Kategorie Determinatorphrase (engl. ‚determiner phrase’, auch Determinier-, Determinans- oder Determinerphrase, im weiteren DP) gibt. Manche Linguisten, etwa Pan (1990), Tang (1990a, b), Y.H. Li (1998, 1999), Simpson (2001, 2005), Simpson/Wu (2002), Z. Wu (2004), Wu/ Bodomo (2009) vertreten die Position, dass es im Chinesischen DP gibt. Für das Japanische nimmt Tateishi (1989) an, dass die Kasuspartikel die morphologische Darstellung des determinierten Kopfes sind. Neben Tateishi (1989) vertritt Watanabe (2006, 2008) die Meinung, dass DP im Japanischen existiert. Im Gegensatz dazu projizieren japanische Nominalphrasen (im Folgenden NP) nach Fukui (1986) nur NP. Sie haben somit keine Determinatoren (D) und sind keine DP. Darüber hinaus zählen das Chinesische und das Japanische nach Bošković (2012), der die Sprachen in DP- und NP-Sprachen unterteilt, zu den NP-Sprachen. Des Weiteren sind chinesische Nomina transnumeral. Somit lassen sich Singular und Plural nicht unterscheiden. D.h. der Plural wird nicht am Nomen markiert. Wenn wir eine DP aus dem Deutschen ins Chinesische übersetzen, ergibt sich eine ungrammatische Konstruktion wie in (1). (1)
drei Bücher →
* sān drei.Num
shū NP
(*三書)
Diese Problematik rührt daher, dass es im Chinesischen ausgeschlossen ist, ein Numerale mit einem Nomen zu verbinden. Stattdessen muss ein Zähleinheitswort zwischen dem Numerale und der NP stehen. Dieses Zähleinheitswort wird nach Zhao (1968) als Maßeinheit („Measure“ = Klassifikator (KL)) oder nach Chen (1996:1) als Numerativ bezeichnet. Der Klassifikator wird gemäß den Eigenschaften des zu zählenden Nomens verwendet, um die exakte Anzahl eines Nomens anzugeben. Für jedes Nomen gibt es eines oder mehrere geeignete Zähleinheitswörter. Z.B. können für den Stuhl bǎ 把 (das Zähleinheitswort für Gegenstände mit festem Griff), zhāng 張 (das Zähleinheitswort für flache Gegenstände), ge 個 (‘Stück’ als allgemeines Zähleinheitswort) usw. als Zähleinheitsmorpheme benutzt werden. Im Gegensatz dazu findet sich diese Art von Klassifikatoren im Deutschen meistens vor Mengennomina wie Stück in drei Stück Vieh, Tasse in eine Tasse Kaffee, Liter in drei Liter Milch usw. Daher sieht
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Einleitung
es so aus, als gäbe es im Chinesischen keine Individualnomina bzw. keine vergleichbare DP. Jedoch plädieren Cheng/Sybesma (1999:518) dafür, dass sich der Klassifikator wie ein Determinator verhält. Diese fordert damit zu einer Diskussion auf, welcher Ansatz richtig ist. In der vorliegenden Arbeit werden deutsche und chinesische DPs vergleichend gegenübergestellt. Objektsprachen dieser Untersuchung sind vorrangig das Deutsche und das Mandarinchinesische, wobei ich mich sowohl auf die gesprochenen als auch auf die geschriebenen Sprachversionen beziehe. Teilweise werden auch Daten aus den chinesischen Dialekten Minnan Sprache und Kantonesisch hinzugezogen. Des Weiteren stammen die Daten, die ich für die Diskussion heranziehe, aus Arbeiten anderer Linguisten und Linguistinnen sowie aus verschiedenen Grammatiken. Zudem verwende ich auch selbst konstruierte Beispiele. Wenn keine Angaben vorliegen, woher die Daten stammen, ist Letzteres der Fall. Für die Untersuchung der DPs aus kontrastiver Perspektive Deutsch-Chinesisch sollen Chomskys (1970, 1995) funktionale Kategorien, die X-bar-Theorie und das auf der X-bar-Theorie basierende Projektionsprinzip sowie Abneys (1987) DP-Hypothese als theoretischer Rahmen dienen.
1.1 Ausgangspunkt Als Grundlage zur Beschreibung der syntaktischen Struktur (Phrasen- oder Konstituentenstruktur), greife ich in dieser Arbeit der DP-Struktur auf die weitgehend akzeptierte X-bar-Theorie, die von Chomsky (1970) entwickelt und von Jackendoff (1977) sowie Chomsky (1995) ausgearbeitet wurde, zurück: (2) XP
ZP
X’
X
YP
(Chomsky 1995:172)
Das X-bar-Schema (2) besagt, dass jede Phrase aus mindestens zwei Ebenen besteht und einen Kopf hat. Der Kopf und ein eventuelles Komplement
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Ausgangspunkt
YP ergeben zusammen die X’-Ebene. Die X’-Ebene ist rekursiv. D.h. weitere Phrasen X’ werden erlaubt. Der Spezifikator befindet sich in ZP und bildet mit X’ zusammen die maximale Projektion. Die Position des Kopfes zu seinen Komplementen (rechts- oder linksperipher) wird sprachspezifisch festgelegt. Je nach theoretischer Ausprägung zählen Subjekte von Sätzen (Haider 1997:90f.) und Determinatoren in NPs (Chomsky 1970:210) zu den Spezifikatoren. Basierend auf dem X-bar-Schema wird im Folgenden zunächst versucht, den Begriff DP zu bestimmen und eine syntaktische Abgrenzung der DP gegenüber der NP zu ziehen. Darauffolgend lassen sich die traditionellen NP-Konfigurationen im Chinesischen beschreiben. Ausgehend von den begrifflichen Bestimmungen werden die Zielsetzungen sowie die Fragestellungen festgelegt. Im Anschluss wird der Aufbau der Arbeit erläutert.
1.1.1 Bestimmung des Phänomenbereichs: Determinatorphrasen und Nominalphrasen Eine DP ist ein Satzteil, der aus einem Determinator (D) als Kopf und aus einer NP, nämlich aus einer erweiterten Projektion des lexikalischen Kopfes, in diesem Fall des Nomens als Komplement des Determinators besteht (Abney 1987, Haider 1988:41). Man vgl. die Darstellung in Form von annotierten Klammern in (3) und die graphische Darstellung in (4). (3)
[DP [D’ D [NP [N’ N]]]]
(Haider 1988:41)
(4) DP
D´
D
NP N´ N
(Abney 1987:20)
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Einleitung
Der Determinator ist Teil der geschlossenen Wortklasse und gehört zu den nicht-lexikalischen, also den funktionalen Kategorien1 (Chomsky 1986:2). Die maximale Projektion des Kopfes ‘Determinator’ ist die DP, die als erweiterte Projektion der NP aufgefasst wird. Dabei wird NP als erweiterte Projektion eines nominalen Kopfs N verstanden. In der DP-Projektion steht D in der Spezifikator-Position. Im Gegensatz zu den anderen Phrasen in verschiedenen Sprachen ist die DP immer rechtsläufig. In der traditionellen Fachliteratur wird jede DP als NP bezeichnet, weil man davon ausgeht, dass das Nomen der Kopf sei, weil das Genus des Nomens das Genus des Artikels bestimmt. Seit Ende der 1980er Jahren wird im Rahmen der Weiterentwicklung der Generativen Grammatik, die von einer zu Grunde liegenden Universalgrammatik ausgeht, wie bei Stowell (1981, 1989) und Abney (1987) der Begriff DP statt NP benutzt. Die Hauptargumentationen dafür sind, dass der Determinator einerseits für sich allein stehen kann und dass andererseits die NP nicht unbedingt realisiert werden muss. Die Hauptvertreter des DPAnsatzes im deutschsprachigen Raum sind z.B. Haider (1988, 1997), Olsen (1991), Vater (1991), Abraham (1997) usw. In der Literatur findet sich eine Reihe von Argumentationen zur Unterstützung der DP-Hypothese. Folgt man Stowell (1989, 1991), Longobardi (1994:628, 2005:24, 27) und Szabolcsi (1987, 1994:181), können DPs Theta-Rollen zugewiesen bekommen. Somit können sie als syntaktisches Argument (wie Agens, Patiens usw.) fungieren. Im Gegensatz dazu sind bloße (blanke; reine)/bare2 Nomina (bare nouns) inhärent prädikativ und können nicht in der referentiellen Argumentposition stehen. Bloße NPs (nämlich artikellose NPs) sind zwar nicht referentiell, aber klassenbildend. Mit anderen Worten, sie ähneln Adjektiven. Referentielle Nomina denotieren bestimmte Entitäten im Diskurs. NPs müssen in der Regel mit einem D zusammen auftreten und in eine D-Projektion gebettet sein. Die Hauptfunktion des Ds ist es, prädikative Nomina und bloße NPs in ein syntaktisches Argument umzusetzen, damit es referenzfähig wird. D.h. D kann 1 In Chomskys X-Bar-Theorie (1986:2) sind zwei syntaktischen Kategorien zu unterscheiden. Die einen sind die lexikalische Kategorien („lexical categories“). Zu dieser gehören Nomen, Verb, Adjektiv und Präposition. Die anderen sind die nicht-lexikalischen Kategorien („nonlexical category“). In dieser Gruppe befinden sich Determinatoren, Komplementierer und INFL(ection). Sie werden auch als funktionale Kategorien bezeichnet. 2 Bare kommt aus dem englischen bare noun. Im Deutschen gibt es keinen entsprechenden Fachterminus für bare noun. Ich verwende in der vorliegenden Arbeit den Begriff bloß.
Ausgangspunkt
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seinem Komplement Referentialität verleihen (vgl. Higginbotham 1985). Die lexikalische Kategorie N wird von einer funktionalen Kategorie D dominiert. Ferner hat D individuierende Funktion (Longobardi 1994:634). D.h. ein D hat die Fähigkeit ein Einzelexemplar auszuwählen, das von NP beschrieben wird. Des Weiteren hat D nach Cheng/Sybesma (1999:513) die Funktion der Vermittlung zwischen der von der NP angebotenen Beschreibung (Prädikation) und der spezifischen Entität, für die diese Beschreibung angewendet wird. Cheng/ Sybesma vermuten, dass die vorerwähnte Funktion eine Diskurs-Funktion ist und bezeichnen sie als deiktische/vorerwähnt-anaphorische3 Funktion des Ds. In eine gleiche Richtung geht die Position von Abraham (2007a). Er hat für das Deutsche bestätigt, dass D ein starkes Diskursmerkmal hat. Üblicherweise werden die semantischen Kategorien Definitheit und Referentialität meisten durch definite Artikel oder Demonstrativpronomina zum Ausdruck gebracht. Jedoch verfügen nicht alle Sprachen Morpheme, die als Artikel (definit/ indefinit) gelten. Demzufolge wird Referentialität nicht immer durch ein overtes D ausgedrückt. Bei grundsätzlich bloßen NPs wie im Lateinischen, Althochdeutschen und Gotischen, wo es keine Artikelformen gibt, kann die referentielle Funktion einer NP durch den morphologischen Kasus des Kopfes der NP bestimmt sein. (Abraham 1997, Leiss 2000, 2007). Latein (5) magister functionem verbi determinat4. Nom Akk Gen ‚(Der/Ein) Lehrer bestimmt (eine/die) Funktion (des) Verbs.’
Zu den deutschen Determinatoren sind zu rechnen Indefinitartikel (ein-), Definitartikel (der), Possessivpronomina (mein, dein, sein), Demonstrativpronomina (dieser) sowie Quantoren (jeder, alle, einige, manche) (Haider 1988:51f.; vgl. auch Vater5 1991:16ff.; Olsen 1991). In der Regel können die deutschen DPn in folgenden Formen auftreten:
3 Cheng/Sybesma (1999:513, 2012:647) bezeichnen diese anaphorische Funktion als deiktische Diskursfunktion (engl. ‚deictic discourse function’). Ich verwende aber hier den Begriff anaphorische Funktion, um die Verwechselung von deiktisch und anaphorisch zu vermeiden. 4 Für das Beispiel danke ich Prof. Werner Abraham. 5 Vater (1982:67; 1984:26–32) zählt den indefiniten Artikel nicht zu den Determinantoren, sondern zu den Quantifikatoren, ebenso wie die Kardinalia und wie unbestimmte Zahl- bzw. Mengenangaben. Ich trenne den indefiniten Artikel in zwei Funktionen: (i)
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Einleitung
(6)
a. [DP [D Definitartikel [NP (+ NP)]]]: das Buch, dem Buch b. [DP [D Indefinitartikel [NP (+ NP)]]]: ein Buch, eines Buches, einem Buch c. [DP [Num Numerale [Q Quantf [NP (+ NP)]]]]: eine Tasse Kaffee d. [DP [NP (NP)]]: Bücher e. [DP Eigenname]: Irene f. [DP Personalpronomen]: er, sie, es g. [DP [D Possessivpronomen [NP (+ NP)]]] (+ NP): mein Buch, meinem Buch h. [DP [D Demonstrativpronomen [NP (+ NP)]]]: dieses Buch, diesem Buch i. [DP [Quant Quantor [NP (+ NP)]]]: alle Bücher j. [DP Possessor [D -s [+NP]]]: Papas Liebling
1.1.2 Nominalphrasen-Konfiguration im Chinesischen Bevor wir auf die Fragestellung eingehen, soll zunächst versucht werden, einen kurzen Überblick über den Aufbau der Grundformen der NPs im Chinesischen zu geben. Meiner Ansicht nach lassen sich NPs in folgenden elf Typen unterteilen: (A) Personalpronomen (B) Eigennamen (C) bloßes Nomen (bare noun) (D) NUM(erale)+KL(assifikator)+NP (E) bloßer KL+NP (F) Dem(onstrativ)Pro(nomen)+NUM+KL+NP (G) DemPro+NP (H) Poss(essiv)Pro(nomen)+NUM+KL+NP (I) NUM+KL+PossPro+NP (J) PossPro+NP (K) Reduplikation (Nomen+Nomen/KL+KL)
Im Folgenden gehe ich näher auf jeden dieser Typen im Einzelnen ein. (A) Personalpronomina: Die chinesischen Personalpronomina im Singular sind wŏ 我 ‚ich’, nĭ 你 ‚du’ und tā 他/她/它/祂/牠 ‚er/sie/es’. Ihre pluralischen Formen werden dadurch gebildet, dass man allen singularischen Formen einen Suffix -men 們 hinzufügt. Wŏmen 我們, nĭmen 你們 und tāmen 他們 stehen dann jeweils für wir, ihr und sie. Bei der dritten Person Singular wird je nach
das betonte Numerale ‚EIN’ und (ii) der indefinite Artikel. Nur der indefinite Artikel gehört zu Determinatoren. (i) Er hat EINE Vase gekauft. (ii) Er hat eine Vase gekauft.
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Ausgangspunkt
semantischen Merkmalen unterschiedlich tā geschrieben. Die Aussprache ist aber gleich. Dem Chinesischen fehlt morphologischer Kasus. Das hat zur Folge, dass man entsprechend dem Deutschen die Personalpronomina im Nominativ als Personalpronominal sowohl im Dativ als auch im Akkusativ bezeichnen kann. Z.B. ist die erste Person Singular im Chinesischen wŏ 我 dem deutschen ich (7a), mir (7b) und mich (7c) gleichzusetzen. Chinesisch (7) a. 我幫了他。 Wŏ bāng le PersPro V Pfv.Part Ich helfen Pfv.Part ‚Ich habe ihm geholfen.’
tā. PersPro ihm
b. 他幫了我。 Tā bāng le PersPro V Pfv.Part er helfen Pfv.Part ‚Er hat mir geholfen.’
wŏ. PersPro mir
c. 他救了我。 Tā jiù le PersPro V Pfv.Part Er retten Pfv.Part ‚Er hat mich gerettet.’
wŏ. PersPro mich
(B) Eigennamen: Im Chinesischen gibt es keine Artikel. Die Schrift besteht aus Zeichen, in denen es keine Unterscheidung zwischen Groß- und Kleinschreibung gibt. Deshalb kann man kein Unterscheidungsmerkmal zwischen den Eigennamen und den baren Nomina erkennen. Die Eigennamen lassen sich nur aus dem allgemeinen Zusammenhang erschließen. Man vgl. (8). Chinesisch (8) 馬丁跟我講述了慕尼黑的歷史。 Mădīng gēn wŏ jiǎngshù En P PersPro V Martin zu mir erzählen
le Pfv.Part Pfv.Part
lìshĭ. N Geschichte ‚Martin hat mir die Geschichte Münchens erzählt.’
mùníhēi En München
de Attr.Part Attr.Part
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Einleitung
(C) bloßes Nomen: Um Abstrakta wie lǐmào 禮貌 ,Höflichkeit’, cōngmíng 聰 明 ,Klugheit’, zìyóu 自由 ,Freiheit’ auszudrücken, wird im Allgemeinen kein KL benutzt, denn man zählt normalerweise das Einzelne solcher Abstrakta nicht (9a). Alle bloßen Nomina (9b), die keine Abstrakta sind, können ebenfalls ohne weiteres als Argument in einem Satz vorkommen. Chinesisch (9) a. 出於禮貌,他以微笑回答。 Chūyú lǐmào , tā yǐ wéixiào P N PersPro P N aus Höflichkeit sie mit Lächeln ‚Aus Höflichkeit antwortet sie mit einem Lächeln.’ b. 看完電影後,他陪她回家。 Kàn wán diànyǐng V Res.Komp N sehen Res.Komp Film
hòu , Konj nachdem
huíyìng. V antworten
tā PersPro er
péi V begleiten
tā PersPro sie
huíjiā. V nach Hause gehen ‚Nach dem Film begleitet er sie nach Hause.’
(D) NUM+KL+NP: Dieser Typ besteht aus einem Numerale, einem Klassifikator und einem Nomen (bzw. einer NP). Das Nomen kann sowohl im Singular (10a) als auch im Plural (10b) ausgedrückt werden. Es wird kein Numerusunterschied denotiert. Ist ein Numerale die eins, bedeutet das Nomen nicht unbedingt irgendeine, sondern kann je nach Kontexten auch genau eins sein. Chinesisch (10) a. 看完一部電影後,他陪她回家。 Kàn wán yí bù V Res.Komp Num KLFilm sehen Res.Komp eins KLFilm
diànyǐng N Film
hòu Konj nachdem
tā PersPro er
péi tā huíjiā. V PersPro V begleiten sie nach Hause gehen ‚Nach EINEM Film begleitet er sie nach Hause.’ nach genau einem Film
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Ausgangspunkt b. 看完三部電影後,他陪她回家。 Kàn wán sān bù V Res.Komp Num KLFilm sehen Res.Komp drei KLFilm
diànyǐng N Film
hòu Konj nachdem
tā PersPro er
péi tā huíjiā. V PersPro V begleiten sie nach Hause gehen ‚Nach drei Filmen begleitet er sie nach Hause.’ c. 我明天介紹一部電影給你們。 Wǒ míngtiān jièshào yí PersPro Adv V Num ich morgen vorstellen eins ‚Ich stelle euch morgen einen Film vor.’
bù KLFilm KLFilm
diànyǐng N Film
gěi P für
nǐmen. PersPro euch
(E) bloßer KL+NP: Diese Form enthält einen Klassifikator und ein Nomen. Das Numerale kommt nicht vor. Chinesisch (11) 我明天介紹部電影給你們。 Wǒ míngtiān jièshào bù PersPro Adv V KLFilm ich morgen vorstellen KLFilm ‚Ich stelle euch morgen einen Film vor.’
diànyǐng N Film
gěi P für
nǐmen. PersPro euch
(F) DemPro+NUM+KL+NP: Die Demonstrativpronomina zhè/zhèi 這 ‚diese/ r/s’ und nà/nèi 那6 ‚jene/r/s’ stehen vor der Numeralklassifikatorphrase. Ist das Numerale eins, kann das Numerale eins weggelassen werden. Chinesisch (12) 我明天介紹這(一)部電影給你們。 Wǒ míngtiān jièshào zhè PersPro Adv V Dem ich morgen vorstellen dieser
(yí) Num eins
bù KLFilm KLFilm
diànyǐng N Film
gěi P für
nǐmen. PersPro euch ‚Ich stelle euch morgen diesen Film vor.’
6 Die Aussprachen zhè 這und zhèi 這 sowie nà 那 und nèi 那 hängen von Dialekten und Regionen ab.
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Einleitung
(G) DemPro+NP: Die Demonstrativpronomina können unmittelbar (nicht mittels eines Klassifikators) an die NP anschließen. Chinesisch (13) 我明天介紹這電影給你們。 Wǒ míngtiān jièshào PersPro Adv V ich morgen vorstellen ‚Ich stelle euch morgen diesen Film vor.’
zhè Dem dieser
diànyǐng N Film
gěi P für
nǐmen. PersPro euch
(H) PossPro+NUM+KL+NP: Im Chinesischen gibt es keine echten Possessivpronomina. Das Zugehörigkeitsverhältnis wird mit dem attributiven Partikel -de 的 gebildet. Das heißt, de 的 wird an die Personalpronomina angehängt. Chinesisch (14) a. 我明天介紹我的一部電影給你們。 Wǒ míngtiān jièshào wŏ-de PerPro Adv V PersPro Attr.Part ich morgen vorstellen mein
yí Num eins
bù KLFilm KLFilm
diànyǐng gěi nǐmen. N P PersPro Film für euch ‚Ich stelle euch morgen einen meiner Filme vor.’ b. 我明天介紹我們的一部電影給你們。 Wǒmen míngtiān jièshào wŏmen-de PerPro Adv V PersPro Attr.Part wir morgen vorstellen unser
yí Num eins
bù KLFilm KLFilm
diànyǐng gěi nǐmen. N P PersPro Film für euch ‚Wir stellen euch morgen einen unserer Filme vor.’
(I) NUM+KL+PossPro+NP: Im Gegensatz zur Phrase unter (H) befindet sich das Possessivpronomen zwischen der Numeralklassifikatorphrase und NP. Zwischen den beiden Formen (H) und (I) bestehen keine semantischen Unterschiede. Man vgl. (14a) und (15).
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Ausgangspunkt Chinesisch (15) 我明天介紹一部我的電影給你們。 Wǒ míngtiān jièshào yí PerPro Adv V Num ich morgen vorstellen eins
bù KLFilm KLFilm
wŏ-de PersPro Attr.Part mein
diànyǐng gěi nǐmen. N P PersPro Film für euch ‚Ich stelle euch morgen einen meiner Filme vor.’
(J) PossPro+NP: Das Possessivpronomen verbindet sich direkt mit einem Nomen (vgl. (16)), wobei der Numerus ohne Kenntnis des Kontextes unklar ist. Chinesisch (16) 我明天介紹我的電影給你們。 Wǒ míngtiān jièshào wŏ-de diànyǐng PerPro Adv V PersPro Attr.Part N Ich morgen vorstellen mein Film ‚Ich stelle euch morgen meinen Film/meine Filme vor.’
gěi P für
nǐmen. PersPro euch
(K) Reduplikation (Nomen+Nomen/KL+KL) Jede(r/s) im Chinesischen wird bei einsilbigen Nomina mit Reduplikation der Nomina ohne Klassifikator kodiert. Dieser Form kommt aus dem klassischen Chinesisch und wird heute meistens bei Idiomen verwendet. Sie ist auch nicht mehr produktiv. Chinesisch (17) 人人 rén rén N N Person Person ‚jede Person‘
Die Klassifikatoren können auch wie Nomina redupliziert werden und drücken die Allquantifizierung aus.
26 Chinesisch (18) (一)条条新闻 (yì) tiáo tiáo Num KLNachricht KLNachricht ein KLNachricht KLNachricht ,jede Nachrichten‘
Einleitung
xīnwén N Nachricht
1.1.3 Zielsetzung und Fragestellung Aus Kapitel 1.1.2 folgt, dass das Chinesische über keinen Artikel verfügt. Deshalb gibt es in der Literatur eine heftige Kontroverse darüber, ob das Chinesische eine DP-Sprache ist und ob der Determinator bzw. DP-Kategorie im Chinesischen überhaupt existieren. Diese Arbeit setzt sich zum Ziel, die Plausibilität eines Modells anhand der DPs im Deutschen und Chinesischen zu untersuchen, dieses gegebenenfalls zu optimieren und darüber hinaus wissenschaftliche Beschreibungen von Konvergenzen und Divergenzen der DPs in beiden Sprachen zu liefern. Dabei sollen insbesondere Daten aus der Interaktion zwischen Serialisierung und der definiten, indefiniten sowie generischen Eigenschaft mitberücksichtigt werden. Durch die Konfrontation einer artikellosen Sprache mit einer Artikelsprache will diese Dissertation schließlich eine neue Perspektive auf die Funktion von DPs eröffnen. Aus dieser Zielsetzung und der obigen Betrachtung ergeben sich folgende konkretisierte Fragestellungen: Sollen DPs für artikellose Sprachen wie das Chinesische überhaupt angesetzt werden? Von welchen Elementen werden Determinatoren im Deutschen und im Chinesischen realisiert? Was macht das Defizit, das das Chinesische gegenüber Artikelsprachen wie dem Deutschen hat, wieder wett? In welchen Kategorien sind die Kompensatoren aufzuspüren? Stellt das Chinesische tatsächlich einen Unterschied zwischen Mengen- und Individualnomina her? Sind Klassifikatoren im Chinesischen syntaktische Kodierungen von Zählbarkeit/Singularität vs. Pluralität? Entspricht der chinesische KL der deutschen Pluralmorphologie? Was im Chinesischen übernimmt die Anaphern-Funktion des Artikelpronomens im Deutschen? Hat der Klassifikator wie der Determinator ein starkes Diskursmerkmal? Sind Klassifikatoren lexikalische oder funktionale Elemente? (Können Klassifikatoren die Artikelfunktion und damit Referentialität ausdrücken?) Wie kann man sie im DP-Strukturbaum unterbringen?
Aufbau der Arbeit
27
Was sind die Restriktionen des Auftretens von artikellosen DPs als Argumente? Was sind die Serialisierungsprinzipien der artikellosen DPs (vor allem Topikalisierung)? Welche Bedingungen gelten für die bloßen NPs, also die artikellosen NPs im Deutschen, und inwieweit werden diese im Chinesischen anders berücksichtigt als durch DP-Kriterien? Sind die artikelosen Nomina im Chinesischen mit den bloßen Nomina im Deutschen vergleichbar? Um diese Fragen differenzierter als bisher beantworten zu können, sollen in meiner Arbeit zunächst alle potentiellen Kandidaten für eine DP ermittelt und untersucht werden. Dazu gehört vor allem der Klassifikator. Die Untersuchung der Unterschiede, vor allem aber auch der Gemeinsamkeiten dieser Phrasen soll eine neue Perspektive auf die Analyse von DP nicht nur für das Chinesische, sondern auch für das Deutsche und andere Sprachen eröffnen.
1.2 Aufbau der Arbeit Die vorliegende Arbeit folgt einer vergleichenden Thematik. Sie gliedert sich entsprechend der Fragestellung in insgesamt sieben Kapitel. Beginnend mit dem an diese Einleitung anschließenden Kapitel 2, das einem Forschungsüberblick der DPs im Chinesischen gewidmet ist, nämlich Ansätzen von Tang (1990a, b, 2007), Cheng/Sybesma (1998, 1999, 2005), Chierchia (1998a, b), Alexiadou et al. (2007) und Bošković (2012). Hier lassen sich drei kontroverse Grundfragen herausschälen: 1) Im Chinesischen gibt es zwar DP-ähnliche Struktur, aber keine D-Kategorie. 2) Das Chinesische verfügt sowohl über DP als auch die D-Kategorie. 3) Das Chinesische hat keine DP. Das dritte Kapitel befasst sich mit dem Zusammenspiel von Serialisierung und Definitheit/Indefinitheit, Referentialität, Spezifizität, Generizität und Topik. Zunächst werden die begrifflichen Bestimmungen mit deutschen Beispielsätzen beleuchtet, wobei die Grundlagen für die weitere Analyse bilden, da in den folgenden Kapiteln immer wieder darauf Bezug genommen wird. Nachfolgend soll eine Analyse von chinesischen Sätzen durchgeführt werden. Diese Analyse zerfällt grundsätzlich in zwei Problembereiche, die bis heute noch nicht genügend berücksichtigt wurden. Auf der einen Seite muss geklärt werden, ob der Klassifikator im Chinesischen als Kodierungsmittel von Definitheit betrachtet werden kann. Auf der anderen Seite ist zu klären, wie starke bzw. schwache nominale Referentialität im Deutschen und Chinesischen zum Ausdruck gebracht werden und ob sie mit der Topik- oder Rhemaposition zusammenhängen.
28
Einleitung
Wie bereits von Abraham (2007) erwähnt, haben Determinatoren starke Diskursmerkmale. Deshalb soll im vierten Kapitel ein Versuch unternommen werden, die anaphorische Funktion der Determinatoren in Anlehnung an Abraham (2007) aufzuzeigen. Bisher gibt es immer noch sehr wenige sprachwissenschaftliche Beiträge zu diesem Thema (doch vgl. Li/Thompson 1981, Fang/McDonald/Cheng 1995). Ziel dieses Kapitels ist es, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Thema- und Rhema-Anaphorik bzw. die Kohäsionsmittel im Deutschen und Chinesischen herauszuarbeiten. Das fünfte Kapitel setzt sich mit der individuierenden Funktion der Determinatoren auseinander. In den Artikelsprachen wird die individuierende Funktion vom Artikel übernommen. Die Aufgabe dieses Kapitels ist es zu untersuchen, was im Chinesischen diese Funktion übernimmt. Zunächst soll die Unterscheidung zwischen Mengen- und Individualnomina im Deutschen und Chinesischen vergleichend in Betracht gezogen werden. Als nächstes werden der Klassifikator und die Numerusmorphologie in den Vordergrund gestellt. Aus semantischer und syntaktischer Perspektive sollen die Funktionen der Klassifikatoren nachgegangen werden. Anschließend sollen die Ergebnisse in den DP-Strukturstammbau integriert werden, um die Relation innerhalb der DP zu veranschaulichen. Im sechsten Kapitel werden artikellose NPs (bloße NPs) im Deutschen und im Chinesischen verglichen. Betroffen sind hier vor allem artikellose NP in prädikativer Position. Dabei soll die Untersuchung über die Bedingungen für artikellose NPs und die Unterscheidung zwischen referentiellen DPs und NPs hinsichtlich DP-Kriterien vorgenommen werden. Das letzte Kapitel, Kapitel 7 beschließt diese Arbeit mit einer Zusammenfassung der in den vorherigen Einzelkapiteln erarbeiteten Ergebnisse.
2 Bisherige theoretische Ansätze zu den Determinatorphrasen im Chinesischen Die DP-Hypothese sind wie in der Einleitung erwähnt intensiv in den artikellosen Sprachen erforscht worden. So gesehen gibt es in diesen Bereichen schon eine reichhaltige Literatur, in denen sich auch einige Erwähnungen der chinesischen Sprache finden. Allerdings wird sehr kontrovers diskutiert, ob die DPHypothese auf die artikellosen Sprachen, vor allem auf die chinesische Sprache übertragen werden kann. Zum einen vertreten manche Linguisten die Meinung, dass das Chinesische eine NP-Sprache ist. Zum anderen verfügt das Chinesische der Ansicht mancher Linguisten nach über DP. Sowohl Anhänger als auch Verteidiger der DP-Theorie haben Argumente vorgebracht. In folgenden Abschnitten werden einige Hauptansätze im Chinesischen nicht nur grob skizziert, sondern auch problematisiert. In 2.1 führe ich ein von Tang (1990a, b, 2007) vorgeschlagenes DP-Modell ein. Anschließend soll in Abschnitt 2.2 eine Numeralphrase von Cheng/Sybesma (1999, 2005) vorgestellt werden. Der Abschnitt 2.3 befasst sich mit den Chierchias (1998b) ‚Nominal Mapping Parametern’. Im Abschnitt 2.4 werden die DP- und NP-Parameter von Bošković (2012) erläutert. Schließlich folgt eine kurze Zusammenfassung verschiedener DP-Ansätze.
2.1 Tang (1990a, b, 2005) Tang (1990a, b) geht davon aus, dass sowohl Demonstrativpronomen als auch Numerale ausschließlich mittels eines Klassifikators mit dem Kopfnomen kombiniert werden können und dass der Klassifikator immer mit einem Demonstrativpronomen oder einem Numerale zusammen vorkommen muss. Zwischen dem Klassifikator und dem Kopfnomen besteht eine kongruenzähnliche Relation wie die Relation zwischen der INFL (Flexion) und dem Verb in einem Satz, weil der Klassifikator je nach dem Kopfnomen variiert und der Klassifikator bzw. das Kopfnomen formal übereinstimmen müssen. So nimmt shū 書 ‚Buch’ z.B. běn 本 ‚Band’ als Klassifikator, während man bei dem Nomen zhuōzi 桌子 ‚Tisch’ zhāng 張 ‚Gegenstände mit flacher Oberfläche’ als Klassifikator verwendet. Somit schlägt Tang (1990a:403, 1990b:339) eine funktionale Kategorie K (K steht nach Tang (1990b:339) für ‚classifier’ morpheme) und setzt eine Zwischenstufe K-Phrase (KP) zwischen DP und NP ein (vgl. auch Huang 1982). Man vgl. (1). Der Kopf K umfasst ein Numerale (Num) und einen Klassifikator (Abkürzung bei Tang: CL) und führt seine eigene Projektion.
30
Bisherige Ansätze zu den DPs im Chinesischen
Als Kopf einer DP nimmt D nicht die maximale Projektion von N, also NP als Komplement, sondern die von K, nämlich KP. Im Gegensatz dazu nimmt der Kopf K NP als Komplement. Der Artikel und das Demonstrativpronomen bleiben – wie Abney (1987) festlegt – im Kopf D. (1) DP
SPEC
D´
D
KP
K´
SPEC
K Num
NP CL
N´
SPEC
XP
N
(Tang 1990b:343, vgl. auch Tang 1990a:403)
Wie oben bereits erwähnt, behauptet Tang (1990a, b), dass sich im Chinesischen Demonstrativpronomen bzw. Numerale nicht direkt mit dem Nomen verbinden können. Deshalb sind unter K sowohl das Numerale als auch der Klassifikator obligatorisch. Sie bilden eine Konstituente und einen dualen Kopf der K-Phrase. Damit ist gemeint, dass das Numerale und der Klassifikator gleichzeitig lexikalisch realisiert werden und in die funktionale Kategorie K fallen müssen. Jedoch gibt es Gegenbeispiele zu dieser Auffassung von Tang (1990a, b). So kann der Klassifikator im Satz alleine vor dem Bezugsnomen vorkommen. Diese wird als bloße Klassifikator-Konstruktion bezeichnet (detailliert in Abschnitt 3.4). Man vgl. (2).
31
Tang (1990a, b, 2005) Chinesisch (2) 他想買本書。 Tā xiǎng PersPro MV Er möchten ‚Er möchte ein Buch kaufen.’
mǎi V kaufen
běn KLBand KLBand
shū. N Buch
Des Weiteren kann der Klassifikator direkt mit einem Demonstrativpronomen kombiniert werden wie in Beispiel (3). Chinesisch (3) 他想買這(一)本書。 Tā xiǎng mǎi zhè PersPro MV V Dem er möchten kaufen diese ‚Er möchte das/das ein/dieses Buch kaufen.’
(yì) Num eins
běn KLBand KLBand
shū. N Buch
Das Numerale in (3) ist fakultativ, wenn das Numerale genau eins ist und in einer unmarkierten Lesart vorkommt. Somit ist DemPro+KL+NP mit DemPro+yi一 +KL+NP gegenseitig frei austauschbar. Nach meiner Auffassung sind Numerale und Klassifikator zwei verschiedene funktionale Köpfe, die eigene Projektionen führen. Ferner sind Demonstrativpronomina und Artikel beide nach der Auffassung von Tang (1990a, b) Determinatoren, die die Numeralphrase dominieren. D.h. die Numeralphrase steht zwischen DP und Klassifikatorphrase (CIP) vor. Jedoch lässt sich anhand des Beispiels (4) belegen, dass das Demonstrativpronomen unmittelbar an das Nomen anschließen kann. Chinesisch (4) 他想買這書。 Tā xiǎng mǎi PersPro MV V Er möchten kaufen ‚Er möchte dieses Buch kaufen.’
zhè Dem diese
shū. N Buch
Aus den obengenannten Beispielen (2), (3) und (4) ziehe ich das Fazit, dass die Köpfe Num und KL zwei verschiedene funktionale Kategorien sind. Sie sollen nicht in den gleichen Kopf fallen, sondern eigene Projektion führen.
32
Bisherige Ansätze zu den DPs im Chinesischen
2.2 Cheng/Sybesma (1998, 1999, 2005, 2012) Das Chinesische hat nach Cheng/Sybesma (1999) weder Artikel noch Numerusmorphologie und erlaubt, dass bloße Nomina als Argument fungieren. Daher verfügt das Chinesische über keine DP-Struktur, sondern eine Numeralklassifikatorphrase (NumeralP) (vgl. (5)). Cheng/Sybesma (1999:517) übernehmen einen Teil des Ansatzes von Tang (1990a, b). Sie argumentieren zwar wie Tang dafür, dass die Klassifikatoren ihre eigene Projektion führen und dass ein bloßes Nomen zumindest eine Klassfikatorphrase (Abkürzung bei Cheng/Sybesma: CLP) ist, aber sie stellen sich dagegen, dass das Demonstrativpronomen ein D ist. Für sie ist das Demonstrativpronomen ein rein lokatives Element wie hier und dort. Im Gegensatz dazu ist der chinesische Klassifikator die Entsprechung des definiten Artikels. Deshalb plädieren Cheng/Sybesma (1999:518) dafür, dass CL0 im Chinesischen manche Funktionen von D0 einschließlich der deiktischen Funktion übernimmt. CL0 verhält sich wie ein D, weil er eine singularische Einheit identifizieren kann und eine einzelne Entität herausgreift, das durch das Nomen denotiert wird. D.h. der Klassifikator verfügt wie ein definiter Artikel über die individuierende/singularisierende Funktion. Er ist zwar nicht identisch mit D, aber äquivalent zu D (Cheng/Sybesma 2005:276ff.). Eine ClP stellt Äquivalenz zur DP dar und dominiert daher die NP. Ferner kann der Klassifikator in manchen Fällen ohne Numerale oder ohne Demonstrativpronomen zusammen mit einem Nomen vorkommen (vgl. (2)). Damit ist gemeint, dass CL0 eine anaphorische Funktion hat, d.h. vorerwähnte Information wiederaufzunehmen hat. (5) NumeralP
Numeral
ClP
Cl
NP N
(Cheng/Sybesma 1999:529)
Longobardi (1994, 2005) unterscheidet zwischen NPs als Argumenten bzw. der Kategorie DP und führt die Verschiebung (‚movement‘) „N-zu-D-Versetzung“ ein. D.h. das Nomen wird in die D-Position verschoben. Die N-zu-D-Versetzung
Cheng/Sybesma (1998, 1999, 2005, 2012)
33
gibt der NP eine objekt-referentielle Funktion. Bloße Nomina mit einem leeren D-Kopf im Singular, die keine Mengennomina sind, sind in eine vollentwickelte DP-Struktur eingebettet. Sie bezeichnen eine definite, spezifische Entität, nämlich einen Eigennamen. Der Eigenname muss von N nach D versetzt werden, um die leere D-Position zu füllen. Bloße Nomina im Plural oder die Mengennomina bezeichnen auf keinen Fall definite spezifische Entitäten. D.h. eine Versetzung bei den Gattungsnamen ist unmöglich. Generische Nomina müssen in N bleiben. Basierend auf dem obengenannten Ansatz von Longobardi (1994) plädieren Cheng/Sybesma (1999:534) dafür, dass die chinesischen bloßen Nomina zwar als syntaktisches Argument fungieren können, aber nicht wirklich „nackt“ (bare) sind. Sie müssen zumindest in eine Projektion eingebettet sein und liefern die deiktische/anaphorische Diskursfunktion, damit sich die von Nomen oder von Nominalphrase dargestellte Beschreibung mit einer spezifischen Entität in der Welt verbinden kann. Eine Nominalphrase ist entweder ClP oder NumeralP (vgl. (6)). Chinesische definite Nomina sind nicht DPs, sondern ClPs. Definite bloße DP und Eigennamen müssen eine koverte N-zu-D-Versetzung durchlaufen. Pronomina sind als Nomina basisgeneriert und werden nach CL versetzt. Diese Festlegung stützt sich darauf, dass Pronomina im Chinesischen mit Eigennamen Ähnlichkeit aufweisen. (6)
a. definit: [ClP Cl0 [NP N0]] b. indefinit: [NumeP Nume0 [ClP Cl0 [NP N0]]]
(Cheng/Sybesma 2012:635)
Indefinite NPs gehen im Allgemeinen mit der Anwesenheit einer NumeralP einher. Der Klassifikator bildet mit einer NP eine ClP. Diese schließt sich mit dem Numerale nach oben zusammen. Das Ganze wird als NumeralP bezeichnet und kann sowohl als indefinit spezifisch als auch indefinit nicht-spezifisch interpretiert werden. Das Numerale entscheidet über Definitheit. Damit ist gemeint, dass ein Buch im Chinesischen wortwörtlich [ein [das Buch]] darstellt (Cheng/ Sybesma 2005:284). Der Kopf der NumeralP kann overt oder kovert sein. Für Cheng/Sybesma (1999:527) ist eine indefinite [KL+N] eigentlich eine NumeralP mit einem leeren Numerale-Kopf, der eine indefinite nicht-spezifische Lesart liefert und beschränkte Distribution hat. Ein indefinites bloßes Nomen kann als eine ClP mit einem leeren CL0 betrachtet werden. Das Modell ist jedoch nicht ganz plausibel, weil Cheng/Sybesma (1990) das Kantonesische als repräsentativ für das Chinesische nehmen und das Modell auf der kantonesischen Basis erstellen. Ich plädiere wie Wu/Bodomo (2009) dafür, dass der Klassifikator nie äquivalent zu einem definiten Artikel ist, weil die Klassifikatoren im Chinesischen nie deiktische Funktion übernehmen können
34
Bisherige Ansätze zu den DPs im Chinesischen
(detalliert in Kapitel 4). Definitheit steht im Chinesischen höher als die Klassifikatorphrase (vgl. auch Wu/Bodomo 2009:500; Gebhardt 2007).
2.3 Chierchia (1998a, b): Nominal Mapping Parameter Chierchia (1998a, b) schlägt vor, dass sich die Sprachen auf der lexikalischen Ebene unterscheiden und Nomina auf zwei binären Merkmalen, nämlich [±pred] ‚prädikativ’ und [±arg] ‚argumentfähig’ basieren. Zählnomina stellen Prädikative dar und müssen unter D eingebettet sein, um argumentfähig zu sein. Im Gegensatz dazu kommen Mengennomina aus dem Lexikon schon mit Pluralität versehen und sind Appellativa (Gattungsnamen) (so auch bei Krifka 1995:399). Als Gattungsnamen können Mengennomina in jeder Argumentposition frei vorkommen. D.h. ob Nomina argumentfähig sind, hängt nicht unbedingt von der Kategorie D ab. Dieser Ansatz wird als Nominal Mapping Parameter bezeichnet. Die semantischen Merkmale [±pred] und [±arg] können in drei Arten kombiniert werden: (7)
a. Nomina [+arg, +pred]: Germanisch, Englisch b. Nomina [–arg, +pred]: Romanisch c. Nomina [+arg, –pred]: Chinesisch und Japanisch
(Chierchia 1998:95)
In den germanischen Sprachen, z.B. im Deutschen und im Englischen, gibt es sowohl Nomina, die argumentfähig sind, als auch Nomina, die prädikativ sind. Argumentfähige Nomina gehört zum semantischen Typ als Individuum, während Prädikativ in den semantischen Typ als Eigenschaft eingegliedert wird. Eine Unterscheidung zwischen Individual- und Mengennomina ist vorhanden. Man vergleiche (8) und (9). Die Pluralmarkierung ist nur mit Individualnomina kompatibel. Die nicht inhärent argumentfähigen Zählnomina im Singular (8a) müssen unter D eingebettet sein. (8) a. Das Haus steht im Wasser. b. Zwei Häuser stehen im Wasser. (9) a. Auch aus Erdbeeren kann man Wein herstellen. b. Ein weiteres Mittel ist Wein.
In den romanischen Sprachen hingegen, z.B. im Französischen, können Nomina den semantischen Typ angeben und Prädikative denotieren. D.h. in diesen Sprachen sind bloße Nomina in der Argumentposition nicht erlaubt. Man vergleiche (10). Sie müssen in eine D-Projektion eingebettet werden. Nomina sind nur als zählbare Nomina darzustellen.
Chierchia (1998a, b): Nominal Mapping Parameter Französisch (10) a. *Enfants Children b. *J’ai I have
sont are mangé eaten
venus come biscuits cookies
chez to dans in
35
nous. us mon my
lait. milk
(Chierchia 1998a:355)
Die Nomina im Chinesischen und Japanischen werden nach Chierchia (1998) zum semantischen Typ vom Individuum gezählt und sind referentiell und argumentfähig, weil ihre Nomina inhärent Mengennomina sind. Mengennomina sind nach Chierchia Gattungsnamen, weil in diesen beiden Sprachen Pluralmarkierung sowie die definiten und indefiniten Artikel fehlen. Da das Numerale sich nicht direkt mit Mengennomina verbinden kann und eine Maßeinheit oder eine KL-Phrase fordern, wird angenommen, dass alle Nomina im Chinesischen und Japanischen Mengennomina sind. Sie könnten ohne D frei in der Argumentposition vorkommen. Daher hält Chierchia (1998) die DPEbene mit einem Null-D0 nicht für nötig. D.h. es ist nicht notwendig D zu projizieren (vgl. auch Alexiadou et al. 2007:219, 225). Die Autoren vertreten die Meinung, dass der Determinator im Chinesischen zwar fehlt, aber die DP tatsächlich existiert. Die artikellosen Sprachen haben eine leere D-Position. Japanisch (11) Watashi wa go dai no Kuruma o araimashita. (Ich, Top fünf, KL., Gen., Auto, AKK. gewaschen-pf.) ‚Ich habe die fünf Autos gewaschen.’ (Kurita 2014:94) Chinesisch (12) 三*(間)房子泡在水裡。 Sān *(jiān) fángzi pào Num KLRaum N V drei KLRaum Haus einweichen ‚Drei von den Häuser stehen im Wasser.’
zài P in
shuǐ N Wasser
lǐ. Post.P innen
Gegen diese Mengennomina-These hat Kurita (2014:4, 22ff.) argumentiert, dass die Nomina des Japanischen trotz der abwesenden Numerusdifferenzierung am Nomen nicht Mengennomina sind, sondern ‚numerusfreie’ Nomina. Die Numerusinformation über die Singular-Plural-Differenzierung wird durch zusätzliche Bestimmungen im Satz zum Ausdruck gebracht. Ein ähnlicher Vorwurf lässt sich gegen die an Chierchia (1998a, b) angelehnten Ansätze erheben. Cheng/Sybesma (1999:519) behaupten, dass die Unterscheidungen zwischen
36
Bisherige Ansätze zu den DPs im Chinesischen
Mengen- und Zählnomina im Chinesischen nicht auf der nominalen Ebene liegt, sondern auf der Klassifikator-Ebene. Folglich gebe es keine Pluralmarkierung. Ich argumentiere dagegen für die Position, dass Nomina in Bezug auf die Charakteristik Mengennomina/Individualnomina ohne weitere Markierung aus dem Lexikon unterspezifiziert kommen. Durch das Klassifikator-System werden Nomina quantifiziert und somit wird die Unterscheidung zwischen Individualund Mengennomina hergestellt. Folglich können chinesische Nomina nicht als inhärente Mengennomina gelten. Auf die Charakteristik Mengen- und Individualnomina wird in Kapitel 5 näher eingegangen.
2.4 Bošković (2012): DP- und NP-Sprachen Das Chinesische hat im Unterschied zum Deutschen kein ausgefeiltes Artikelparadigma. Wie lässt sich dieses Fehlen im Chinesischen mit anderen grammatischen Erscheinungen vergleichen und eventuell begründen? Prüfen wir dazu geeignete Literatur. Bošković (2005a, 2005b, 2008, 2009, 2012) hat eine Reihe DP- und NP-Parameter entworfen (vgl. Abb. 1). Property a. Definite determiner b. Syntactic discontinuity and free word order c. Clitic-doubling d. Two lexical genitives with transitive deverbal noun e. Radical pro-drop f. Obligatory number morphology g. Focus morphology on negative constituents h. Negative-raising i. Negative concord reading with multiple complex negative constituents j. Inverse quantifier scope
NP – ± – – ± ± + – + –
DP + – ± ± – + ± + ± ±
k . l. m. n. o.
– – – ± –
+ + + + +
Subject expletives Subject-object asymmetries Structural NOM Sequence of tense Do-Support, modal/auxiliary verbs
Abb. 1 DP- und NP-Parameter
(nach Lander/Haegeman 2014:281)
Bošković (2012): DP- und NP-Sprachen
37
Lander/Haegeman (2014) haben diese Parameter auf das Altnordische angewendet und sie positiv bestätigt. Das Ziel in diesem Abschnitt ist es, das Deutsche und das Chinesische mithilfe der von Bošković vorgeschlagenen Eigenschaften der DP und NP zu überprüfen. Für die vorliegende Arbeit sind die Merkmale syntaktische Diskontinuität und Numerusmorphologie relevant. Nach Bošković (2012:192ff.) ist Numerusmorphologie in den DP-Sprachen obligatorisch und in den NP-Sprachen wie Japanisch, Koreanisch, Chinesisch usw. fakultativ. Die Existenz der Artikel und die obligatorische Numerusmorphologie hängen eng miteinander zusammen. Wenn eine Sprache ein obligatorisches KlassifikatorSystem fordert, dann braucht diese Sprache keine DP. Klassifikatorphrase und DP seien nicht miteinander kompatibel. In dieser Arbeit möchte ich jedoch zeigen, dass Klassifikator und Singular-Plural-Morphologie Realisierungen ein und derselben grammatischen Funktion sind und dass der Klassifikator die syntaktische Kodierung der Zählbarkeit darstellt (detailliert in Kapitel 5). In diesem Abschnitt wird zunächst nur die syntaktische Umstellung der Satzglieder diskutiert. Oft wird angenommen, dass Sprachen ohne Artikel phonologisch gesehen ein Null-D haben. Vgl. z.B. Stowell (1989, 1991), Longobardi (1994, 2005), Szabolcsi (1987, 1994). D.h. die Differenz zwischen den Artikelsprachen und artikellosen Sprachen basiert auf der phonetischen Form (PF), wobei D in artikellosen Sprachen einfach leer bleibt. In diesem Sinn vergleicht Bošković (2012) das Englische mit dem Serbo-Kroatischen. Betrachten wir zunächst die Beispiele (13) und (14) sowie ihre deutschen und chinesischen Entsprechungen in (15) und (16). (13)
The stone broke the window.
Serbo-Kroatisch (14) Kamen je razbio Stone is broken ‚The stone broke the window.’ (15)
(Bošković 2012:1)
prozor. window
Der Stein zerbrach das Fenster.
Chinesisch (16) 石頭打破了窗戶。 Shítóu dǎpò N V Stein zerbrechen
le Pfv.Part Pfv.Part
chuānghù. N Fenster
(Bošković 2012:1)
38
Bisherige Ansätze zu den DPs im Chinesischen
Bošković (2008, 2012) vertritt die Meinung, dass es einen fundamentalen strukturellen Unterschied in der traditionellen Nominalphrase (TNP) zwischen den Artikelsprachen und den artikellosen Sprachen gibt. Sein Hauptargument dafür ist, dass die Struktur der TNP eine Reihe von syntaktischen und semantischen Verallgemeinerungen betrifft, in denen der Artikel eine entscheidende Rolle spielt. Deshalb sind Sprachen mit Artikeln wie das Englische in (13) und das Deutsche in (15) DP-Sprachen, während Sprachen, in denen Artikel fehlen, z.B. das Serbo-Kroatische (14), das Chinesische (16), NP-Sprachen sind.
2.4.1 Syntaktische Diskontinuität Bošković (2012) ist der Meinung, dass sich Wörter wie Wortgruppen in den NP-Sprachen innerhalb eines Satzes umstellen lassen. Die eigentlich nebeneinander stehenden oder die zusammengehörenden Wörter werden dabei abgetrennt. Diese Umstellung verursacht syntaktische Diskontinuität. Zu dieser gehören Left Branch Extraction (Extraktion der linken Konstituente aus einer NP), Adjunktextraktion aus einer NP, Long-distance-Scrambling (freie Wortstellung innerhalb eines Satzes) bzw. Superiorität und Linksversetzung von mehrfachen w-Wörtern.
2.4.1.1 Left Branch Extraction (Extraktion der linken Konstituente aus einer NP) Ross (1967/1986:127) spricht von einer „Left Branch Condition (LBC)“, die eine Versetzung der linken Konstituente aus einer NP blockiert. Dabei handelt es sich um die Blockierung der Extraktion von Determinatoren, Possessivpronomina und attributiven Adjektiven aus einer DP in den DP-Sprachen, die sog. Left Branch Extraction. Nach Bošković (2005b, 2008, 2009, 2012) haben Sprachen ohne Determinator bei der nominalen Projektion keine DP-Ebene. Daher ist die Extraktion der linken Konstituente aus einer NP zugelassen, wobei es sich hier um eine attributiv-adjektivische Extraktion und eine Extraktion des Demonstrativpronomens handelt. Man vgl. (17) und (18). Serbo-Kroatisch (17) Skupa/Tai je vidio [ti expensive/that is seen ‚Expensive/Those cars, he saw.’
kola]. car
(Bošković 2012:180)
Bošković (2012): DP- und NP-Sprachen (18)
*Expensive/Thosei
he saw [ti
cars]
39 (Bošković 2012:180)
Aus den untengenannten Beispielen (19) und (20) ergibt sich, dass attributive Adjektive sowohl im Deutschen als auch im Chinesischen nicht aus einer NP extrahiert und nicht in die Topik-über-Stellung versetzt werden können. (19)
*Teure/Diesei sah er [ti Autos].
Chinesisch (20) *貴/這i他看到 [ti 車]。 *Guìde/ Zhèi tā Adj Dem PersPro teuer diese er
kàndào V sehen
[ti chē]. N Auto
Dieses Kriterium stellt sich nicht als Bedingung für artikellose Sprachen heraus, denn weder im Deutschen noch im Chinesischen ist Extraktion aus einer NP erlaubt, weil ihre Satzgliedteile nicht ohne weiteres im Satz umgestellt werden können.
2.4.1.2 Adjunktextraktion aus einer NP Nach Bošković (2012:183) ist die Adjunktextraktion aus einer NP nur in den artikellosen Sprachen wie im Serbo-Kroatischen (21) möglich. Serbo-Kroatisch (21) Iz kojeg gradai from which city
je is
Petar Peter
sre met
[djevojke ti] girls
(Bošković 2012:183)
Folgende Beispiele zeigen jedoch, dass eine solche Extraktion im Chinesischen (22) und (25) nicht zulässig ist. Im Deutschen ist eine Extraktion nur mit bestimmter Betonung möglich. Man vgl. (23b). In Beispielen (24b’’) und (24c’’) sind Peters und wessen attributive Adjunkte von ein Buch. Deshalb können sie nicht aus der NP nach Topik-über-Position versetzt werden. Im Gegensatz dazu sind die beiden Begriffe bei Peter und bei wem Satzglieder, also Adjunkte zum Verb. Daher können sie nach Topik-über-Position versetzt werden.
40
Bisherige Ansätze zu den DPs im Chinesischen
Chinesisch (22) a. Peter遇到[從這個城市來的女孩]。 Peter yùdào [cóng zhè ge En V P Dem KLStück Peter treffe aus diese KLStück
chéngshì N Stadt
lái V kommen
de Attr.Part Attr.Part
nǔhái]7. N Mädchen ‚Peter hat Mädchen aus dieser Stadt getroffen’ b. *從哪個城市來的iPeter遇到 [ti 女孩]? *Cóng nǎ ge chéngshì lái dei P w-Pron KLStück N V Attr.Part aus welche KLStück Stadt kommen Attr.Part
Peter En Peter
yùdào V treffen
[ti nǔhái]? N Mädchen c. *從這個城市來的iPeter遇到 [ti 女孩]。 *Cóng zhè ge chéngshì lái P Dem KLStück N V aus diese KLStück Stadt kommen
dei Attr.Part Attr.Part
Peter En Peter
yùdào V treffen
[ti nǔhái]? N Mädchen (23) a. Peter hat [Mädchen aus dieser Stadt] getroffen. b. Aus welcher Stadti hat Peter [Mädchen ti] getroffen? c.?Aus dieser Stadt hat Peter Mädchen getroffen.8 (24) a. Fritz hat [ein Buch von Peter] gekauft. b.?Von Peteri hat Fritz [ein Buch ti] gekauft. c. Bei Peteri hat Fritz [ein Buch ti] gekauft. [c ≠ d] d. *Petersi hat Fritz [ein Buch ti] gekauft.
7 Im Chinesischen gibt es keine dem Deutschen entsprechenden Adjunkte zu den Nomina. Adjunkte zu Nomina lassen sich in Attribute umwandeln und stehen vor dem Nomen. 8 Theoretisch kann dieser Satz benutzt werden, wenn man direkt auf die vorherige Frage antwortet. Die richtige Frage zu Satz (23a) lautet: ‚Aus welcher Stadt kamen die Mädchen, die Peter getroffen hat?’
41
Bošković (2012): DP- und NP-Sprachen e.?Von wemi hat Fritz [ein Buch ti] gekauft? f. Bei wemi hat Fritz [ein Buch ti] gekauft? [f ≠ g] g. *Wesseni hat Fritz [ein Buch ti] gekauft? Chinesisch (25) a. Fritz買了[Peter的一本書] 。 Fritz mǎ le [Peter En V Pfv.Part En Fritz kaufen Pfv.Part Peter
de Attr.Part Attr.Part
b. *Peter 的i Fritz買了[t1一本書] *Peter dei Fritz mai En Attr.Part En V
le Pfv.Part
yì Num ein
[ti
běn shū]. KLBand N KLBand Buch
yì Num
běn KLBand
shū] N
Dieses Kriterium ist sowohl im Deutschen als auch im Chinesischen nicht bestätigt. Aus den obengenannten Beispielen ergibt sich, dass es innerhalb einer NP von den beiden Sprachen keine freie Wortstellung innerhalb eines Satzes gibt. Dies spricht wieder gegen Boškovićs (2012) These, dass ein Adjunkt aus einer NP extrahiert werden kann.
2.4.1.3 Long-distance-Scrambling Unter Scrambling versteht man eine freie Wortstellungsänderung, die innerhalb eines (Teil-)Satzes oder über die Satzgrenzen hinaus vorkommen kann. Im Deutschen kommt das Scrambling nur im Mittelfeld vor (vgl. Bošković 2005a, Grewendorf 2005). Es wird in diesem Fall von Long-distance-Scrambling gesprochen, d.h. eine Konstituente kann sich über die Satzgrenzen hinaus in eine Topik-Stellung versetzen. Nach Bošković (2005a:36) ist Long-distance-Scrambling auf artikellose Sprachen wie z.B. das Japanische (26) beschränkt. Japanisch (26) [sono hon-o]i John-ga Bill-ni Mary-ga [ti motteiru] to itta. that book-Akk John-Nom Bill-Dat Mary-Nom have C said ,That book, John said to Bill that Mary has.’ (Grewendorf/Sabel 1999:11) Sprechsprache des Oberdeutschen (27) Dieses Buchi John hat Bill gesagt, dass Mary ti hat. Chinesisch (28) 這本書i John告訴Bill,Mary有ti。 Zhè běn shūi John Dem KLBand N En diese KLBand Buch John
gàosù V sagen
Bill, En Bill
Mary En Mary
yǒu V haben
ti.
42
Bisherige Ansätze zu den DPs im Chinesischen
Die obengenannten Beispiele (27) und (28) zeigen, dass Long-distance-Scrambling im Deutschen lediglich in der Sprechsprache vorkommen können, im geschriebenen Standard dagegen ausgeschlossen ist. Da das Chinesische eine Topik-Sprache ist, ist eine Versetzung in die Topik-Stellung problemlos, wobei nach dem Topik oft eine Pause vorkommt.
2.4.1.4 Superiorität und Linksversetzung von mehrfachen w-Wörtern (Superiority and multiple wh-fronting) Nach Bošković (2012:186) weisen jene Sprachen, in denen mehrfache w-Wörter nach links versetzt werden können und die über keinen Artikel verfügen, keine Superioritätseffekte auf, weil die mehrfachen w-Wörter wie sie in den Artikelsprachen nicht nach SpezC versetzt werden, sondern in eine Position unterhalb von SpezC. Fehlt DP in einer Sprache, wird die w-Versetzung nach SpezC verhindert. Zur Illustration wählt Bošković wieder das Serbo-Kroatische in (29). Serbo-Kroatisch (29) a. Ko koga who whom
vidi? sees
b. Koga ko vidi? whom who sees ‚Who sees whom?’ (Bošković 2012:186)
Vergleichen wir die deutschen und die chinesischen Entsprechungen in (30) und (31). (30)
a. Wer sieht wen? b. Wen sieht wer? c. *Wer wen sieht?
Chinesisch (31) a. 誰看見誰? Shéi kànjiàn Fr.Part V Wer sehen b. *誰誰看見? *Shéi shéi Fr.Part Fr.Part Wer wen
shéi? Fr.Part wen
kànjiàn? V sehen
Zusammenfassung des Kapitels c. 他買了什麼? Tā mǎi le PersPro V Pfv.Part er kaufen Pfv.Part ‚Was hat er gekauft?’
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shéme? Fr.Part was
Das Deutsche ist eine Verb-zweit-Sprache und ist daher mit der Linksversetzung von mehrfachen w-Fragen unverträglich. Nur eine einzige w-Phrase kann versetzt werden. Der Kasus im Deutschen ist im Gegensatz zum Chinesischen morphologisch markiert. Deshalb enthält das Deutsche keine Superioritätseffekte von w-Wörtern (vgl. (30)). Das Chinesische ist eine w-in-situ-Sprache, d.h. in w-Fragen bleibt das w-Wort obligatorisch in seiner ursprünglichen, seiner Basisposition. Man vgl. (31a, c). Weder das Deutsche noch das Chinesische verfügen über Superioritätseffekte der Linksversetzung von mehrfachen w-Fragen. Dieser Parameter hat sich somit nicht bestätigt.
2.4.2 Fazit Die NP-Sprachen besitzen nach Bošković (2012) das Merkmal syntaktische Diskontinuität. Unsere empirischen Ergebnisse zeigen jedoch, dass dieser Parameter Boškovićs (2012) Erwartung nicht entspricht. Extraktion der linken Konstituente aus einer NP und Adjunktextration aus einer NP sind weder im Deutschen noch im Chinesischen möglich. Obwohl Long-distance-Scrambling im Chinesischen erlaubt ist, hat das Chinesische eine relativ feste Wortstellung. Es wird deshalb einer DP-Sprache nahe stehen.
2.5 Zusammenfassung des Kapitels Im ersten Abschnitt wurde der Ansatz von Tang (1990a, 1990b, 2005) dargestellt. Die Autorin plädiert dafür, dass im Chinesischen eine DP-Projektion vorliegt und dass das Demonstrativpronomen 這zhè und 那nà ein repräsentatives D ist. Meine Kritik an diesem Ansatz ist, dass die Köpfe Num und KL sich von einander trennen müssen, weil sie beide über verschiedene Funktionen verfügen. Darauf folgend wurde die These von Cheng/Sybesma (1998, 1999, 2005, 2012) in Abschnitt 2 angegangen. Basierend auf Tang (1990a, b) und Longobardi (1994, 2005) wurde anstatt einer D-Projektion eine KL-Projektion von Cheng/ Sybesma vorgeschlagen. Der Klassifikator ist für Cheng/Sybesma äquivalent mit dem definiten Artikel und kann anaphorische Funktion übernehmen. Gegen diese Annahme möchte ich mich aussprechen, da der Klassifikator alleine im Mandarinchinesischen nie referentiell ist. Im dritten Abschnitt wurde die These
44
Bisherige Ansätze zu den DPs im Chinesischen
des Nominal Mapping Parameters von Chierchia (1998a, b) vorgestellt, wonach alle chinesischen Nomina Mengennomina sind. Sie sind inhärent argumentfähig, brauchen daher keine D-Projektion. Die Unterscheidung zwischen Individual- und Mengennomina sind zwar nicht overt mittels Numerusmorphologie wie die in den Artikelsprachen identifiziert, aber mit dem Klassifikator-System kann die Unterscheidung dennoch hergestellt werden. Abschließend wurden das Deutsche und das Chinesische anhand der DP- und NP-Parameter von Bošković (2005a, 2005b, 2008, 2009, 2012) analysiert. Die gewonnenen Ergebnisse zeigten jedoch, dass seine Generalisierungen nicht für alle Fälle zutreffend sind.
3 Definitheit, Indefinitheit, Referentialität, Spezifizität, Generizität und Topik In Artikelsprachen kann Definitheit/Indefinitheit im nominalen Bereich durch Determinatoren zum Ausdruck gebracht werden. Auf den ersten Blick erscheint Definitheit/Indefinitheit als großes Problem für artikellose Sprachen wie das Chinesische. Bevor ich auf die Thematik der Definitheit/Indefinitheit im artikellosen Chinesischen zu sprechen komme, sollen zunächst in Abschnitt 3.1 Bestimmungen der Begriffe Definitheit, Indefinitheit, Spezifizität, Generizität, Referentialität vorgenommen werden und an Hand von deutschen Beispielen illustriert werden. Anschließend gibt der Abschnitt 3.2 eine terminologische Bestimmung von Thema, Rhema, Topik, Kommentar, Fokus und Hintergrund bzw. eine Übersicht über die Topik-Konstruktion, weil diese und Definitheit eng miteinander zusammenhängen. Diese Bestimmung soll die Grundlagen für die weiteren Analysen in 3.3–3.5 und in Kapitel 4 bilden. In den Abschnitten 3.3 und 3.4 wird diskutiert, wie das Konzept von Definitheit und Indefinitheit im Chinesischen im Zusammenhang mit Serialisierung realisiert wird und ob der Klassifikator im Chinesischen als Kodierungsmittel von Definitheit betrachtet werden muss. Nachfolgend gehe ich in Abschnitt 3.5 vergleichend auf die Phänomene von schwacher Referentialität im Deutschen und im Chinesischen ein und in Abschnitt 3.6 die Relation zwischen Definitheit/Indefinitheit und deren Semantik. Schließlich endet der Abschnitt 3.7 mit einer Zusammenfassung der Vergleichsergebnisse zwischen den beiden Sprachen.
3.1 Begriffliche Bestimmungen: Definitheit, Indefinitheit, Spezifizität, Generizität und Referentialität Definitheit wurde schon sehr intensiv von unterschiedlichen Ausgangspunkten her untersucht. So wird sie oft mit weiteren Begriffen zusammen betrachtet: etwa mit Referentialität, Spezifizität, Identifizierbarkeit, Generizität u.a. Viele Linguisten arbeiten oft mit einer eigenen Einteilung. Demzufolge ergeben sich sehr uneinheitliche Kategorisierungen9 von Definitheit. Definitheit ist nach Leiss (2000, 2010) eine universale grammatische Kategorie, die entweder als 9 Zu umfassenderen Diskussionen verschiedener Kategorisierungen vgl. Christophersen (1939), Krámsky (1972), Hawkins (1978), Givón (1978), Vater (1979), BisleMüller (1991) und Heim (1991).
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(In-)Definitheit, Spezifizität, Generizität und Topik
nominaler oder verbaler Aspekt realisiert wird. Betrachten wir zuerst die Beispiele in (1) bis (5). (1)
The consumers are against the use of GM technology in food production.
Arabisch (2) al-bustān-u Def Garten Nom ‚der große Garten’
l-kabīr-u Def groß Nom
(Lyons 1999:91)
Russisch (3) [–definit], (imperfektives Verb + Akk.) a. On koloPERS.PRON.3.PS.SG.NOM. Verb. IMPF.AGENS ‚er’ Handlung ‚Er hat Holz gespalten.’
l Prät ‚spalten’
[+definit], (perfektives Verb + Akk.) b. On raskolol PERS.PRON.3.PS.SG.NOM. PF.PRÄFIX- Verb. Prät AGENS ‚er’ Handlung ‚spalten’ ‚Er hat das Holz gespalten.’ Tschechisch (4) [+definit] a. Kniha je na stole. Buch ist auf Tisch ‚Das Buch ist auf dem Tisch.’ [–definit] b. Na stole je kniha. Auf Tisch ist Buch ‚Es ist ein Buch auf dem Tisch.’ (5)
drov-a. Subst.-AKK. PATIENS ‚Holz’ (Leiss 2000:12)
drov-a. Subst.-AKK. PATIENS ‚Holz’ (Leiss 2000:12)
(Krámsky 1972:42; vgl. Leiss 2000:6)
(Krámsky 1972:42; vgl. Leiss 2000:6)
She prefers working behind the camera instead of in front of it.
Die obengenannten Beispiele zeigen, dass Definitheit über Artikelformen (z.B. the im Englischen) (1), über Affixe (z.B. das Präfix al- in arabischen Sprachen) (2), über Aspektdichotomien wie „imperfektiv-perfektiv“ (3), über Serialisierung (4) und über inhärente Definitheit10 (z.B. in Demonstrativ- und 10 Das Merkmal [+demonstrativ] ist in der Regel begleitet vom Merkmal [+definit]. Semantisch gesehen ist das Demonstrativum mit Indefinitheit nicht kompatibel.
(In-)Definitheit, Spezifizität und Referentialität
47
Personalpronomen) (5) kodiert werden kann (vgl. auch Lyons 1999). Im vorliegenden Abschnitt wird nur ein kurzer Überblick über einige wichtige Punkte gegeben, die für den Artikel, den Determinator bzw. deren weitere Analysen relevant sind. Laut Lyons (1999:253) wurde Definitheit, eine der Eigenschaft von DPs, bereits nach den diskurspragmatischen Ansätzen mit dem Merkmal „familiarity-identifiability“ analysiert. Eine der gängigen Definition von Definitheit, von der hier ausgegangen wird, stammt von Christophersen (1939). Er argumentiert, dass die Verwendung von the im Englischen auf einen Referenten verweist, der sowohl dem Hörer als auch dem Sprecher bekannt ist. D.h. die wesentliche Funktion des definiten Artikels liegt im anaphorischen Gebrauch. Diese Definition ist bekannt als Theorie der „Familiarität“ (Karttunen 1976, Kamp 1981 und Heim 1982). Hinsichtlich dieser Theorie liegt der Unterschied zwischen definitem und indefinitem Artikel im Wesentlichen darin, ob sich ein Ausdruck auf einen bereits eingeführten oder bekannten Diskursreferenten bezieht. D.h. eine definite DP drückt u.a. Bestimmtheit der Referenten aus. Im Deutschen wird das Konzept der Definitheit primär durch die bestimmten Artikelformen der, die, das (6) ausgedrückt. Allerdings ist der Artikel nicht die einzige Form, die Definitheit darstellen kann. Eigennamen (7), Personalpronomina (8) und alle DPs, die mit einem Demonstrativpronomen (9), Possessivpronomen (PossPro) (10) oder einem vorangestellten Genitiv (11) anfangen, sind ebenfalls definit. (6) (7) (8) (9) (10) (11)
Das Gesetz tritt heute in Kraft. Anna konzentriert sich auf ihre Arbeit. Er legt großes Augenmerk auf die Forschungsaktivitäten. Dieser Wissenschaftler hat die Idee mit Studenten entwickelt. Seine Karriere ist beendet. Marias Kind ist am Freitag zur Welt gekommen.
Indefinit sind hingegen DPs, wenn ihre Referenten unbestimmt und nicht vorweg gegeben sind. Mit anderen Worten: sie führen in einem nicht prädikativen Gebrauch neue Diskursreferenten ein, auf die im weiteren Texten Bezug genommen werden kann. Um Indefinitheit auszudrücken wird im Englischen der unbestimmte Artikel a(n) verwendet (12). Nach Lyons (1999:12) ist a(n) hinsichtlich der Einmaligkeitseigenschaft (engl. ‚uniqueness’, nach Leiss 2000:264 Unikalität) neutral, während the in dieser Hinsicht bei einem individuellen Referenten verwendet wird. In den arabischen Sprachen werden indefinite DPs mit dem Suffix -n zum Ausdruck gebracht, wie (13).
48
(In-)Definitheit, Spezifizität, Generizität und Topik
(12)
I’m looking for a book.
Arabisch (13) bustān-u-n Garten Nom Indef ‚ein großer Garten’
kabīr-u-n groß Nom Indef
(Lyons 1999:92)
Im Deutschen wird Indefinitheit bei den Individualnomina im Singular durch den unbestimmten Artikel ein- angezeigt (14). Bei den Individualnomina im Plural (15) und Mengennomina (16) können indefinite DPs mit oder ohne Mengenangaben vorkommen. (14) a. Auf der Straße steht ein Mann. b. Ein Mann steht auf der Straße. (15) a. Auf der Straße stehen Männer. b. Männer stehen auf der Straße. c. Auf der Straße stehen drei Männer. (16) a. Wir sollten zwei bis drei Liter Wasser pro Tag trinken. b. Wasser ist unsere Lebensgrundlage.
Die mit der Kategorie Definitheit oft zusammen diskutierten Kategorien sind „Spezifizität“, „Referentialität“ und „Generizität“ usw. Im Folgenden sollen die Begriffe kurz erläutert und ihre Relation zu Definitheit dargestellt werden. Spezifizität Diskutiert man über den (in-)definiten Artikel, kann das Merkmal [±spezifisch] nicht außer Acht gelassen werden. Es dient zur Beschreibung der Identität des Referenten. Spezifizität wird von von Heusinger (1997:13) als „in gewisser Weise bekannt“ bezeichnet. In dieser Hinsicht sind definite DPs typischerweise spezifisch11, während indefinite DPs nicht spezifisch sind. Jedoch vertreten Hellan (1981) und Ioup (1977) die Ansicht, dass eine DP als spezifisch interpretiert wird, wenn der Sprecher ein bestimmtes Individuum als seinen Referenten nennt, während sich eine nichtspezifische Lesart auf irgendein und nicht weiter identifiziertes Individuum bezieht. Zum Beispiel hat im Deutschen ein- zwei Interpretationsmöglichkeiten: „eine von 11 Es gibt jedoch definite NPs, die in einem nicht-spezifischen Sinn gebraucht werden (vgl. das untenstehende Bespiel). (i) Die Studenten, die den Test nicht schreiben möchten, müssen eine Hausarbeit abliefern.
(In-)Definitheit, Spezifizität und Referentialität
49
mehreren“ und „genau eine“. In der spezifischen Lesart (17) bezeichnet eine DP wie z.B. eine Buchhandlung eine bestimmte Buchhandlung, und diese DP wird durch ein Personalpronomen anaphorisch wiederaufgenommen, während die DP in der nicht-spezifischen Lesart (18) als beliebige Buchhandlung interpretiert wird. Man kann daher in dem zweiten Teil des Satzes nur das nicht-anaphorische Indefinitpronomen keine verwenden. Die indefinite nicht-spezifische Lesart gehört nach Aguilar-Guevara/Le Bruyn/Zwart (im Folgenden Aguilar-Guevara et al.) (2014:2) zur Kategorie der schwachen Referentialität, was ich in Abschnitt 3.5 weiter vertiefen werde. Die beiden Sätze (17a) und (18a) sind durch die Paraphrasen (17b) und (18b) angedeutet: spezifische Lesart (17) a. Maria sucht eine Buchhandlung, aber findet sie nicht. b. Maria sucht eine bestimmte Buchhandlung, aber findet sie nicht. nicht-spezifische Lesart (18) a. Maria sucht eine Buchhandlung, aber findet keine. b. Maria sucht eine beliebige/irgendeine Buchhandlung, aber findet keine.
Da (In-)Definitheit neben Spezifizität noch mit Identifizierbarkeit korreliert, so schlagen manche Linguisten wie Chafe (1976), Givón (1978:293) und Hentschel/Weydt (1990:203) eine dreifache Aufteilung bei NPs vor: definit, indefinit spezifisch und indefinit nicht-spezifisch. ‚Definite DPs‘ verweisen darauf, dass der Referent für Sprecher und Hörer identifizierbar ist; ‚indefinite spezifische DPs‘ besagen, dass der Referent von Sprecher identifiziert werden kann, wenn man nach ihm fragt. ‚Indefinite nicht-spezifische DPs‘ drücken aus, dass der Referent sowohl für den Sprecher als auch den Hörer unbekannt ist. Jedoch gibt es definite NPs, die zwar die Existenz der Diskursreferenten präsupponieren, aber dieser Referent muss nicht identifizierbar sein. Solche definiten NPs werden als ‚schwache Definita‘, ‚weak definites’, bezeichnet (Carlson et al. 2006, Bosch 2013, vgl. auch Schwarz 2009: schwacher Artikel), und das Phänomen wird nach Carlson/Sussmann (2005) bzw. Aguilar-Guevara et al. (2014) als ‚schwach referentiell‘ interpretiert. Das Beispiel in (19) zeigt, dass das Referenzobjekt nicht zu identifizieren ist, während die Identifizierbarkeit in (20) unerlässlich ist. Das Präpositionalobjekt im Beispiel (20) liest sich als stark referentiell. Schwach referentielle Lesart (19) A: Ich will zum Supermarkt gehen. B: Zu welchem? A: Keine Ahnung. Ich brauche Papiertaschentücher.
(Klimek-Cieschinger 2014:18)
50
(In-)Definitheit, Spezifizität, Generizität und Topik
Stark referentielle Lesart (20) A: Ich will zu dem Supermarkt gehen. B: Zu welchem? A: *Keine Ahnung.
(Klimek-Cieschinger 2014:18)
Folgende Tabelle illustriert die Relation zwischen Identifikation durch Sprecher bzw. Hörer und (In-)Definitheit: Identifizierbar durch Sprecher Hörer
definit
schwach definit
+ +
– –
indefinit spezifisch + –
indefinit nichtspezifisch – –
Abb 2. (In-)Definitheit und Identifikation (modifiziert nach von Heusinger 1997:13)
Da das Merkmal [+spezifisch] nicht vollständig mit [+definit] gleichzusetzen ist, müssen Spezifizität und Definitheit als zwei unabhängige Kategorien angenommen werden. Referentialität Es ist schon viel untersucht worden, ob indefinite ebenso wie definite DPs referieren. Donnellan (1978), Wilson (1978) und Fodor/Sag (1982) z.B. gehen davon aus, dass die nicht-spezifischen indefiniten NPs nicht referieren, während die spezifischen indefiniten NP referieren. Lyons (1999) nimmt an, dass sowohl ein Definitum als ein Indefinitum potenziell auf etwas referiert. Die definite spezifische DP referiert auf ‚dieses Exemplar’, während die indefinite spezifische DP auf ‚ein solches Exemplar’ referiert. Unter einer referentiellen DP versteht man einen Ausdruck, durch den der Sprecher von einem bestimmten einzigen Individuum redet und es dem Hörer ermöglicht aus einer Menge Gleicher herauszugreifen, welches Individuum gemeint ist. Zudem hat Donnellan (1966) die These aufgestellt, dass bei einem Satz wie (21) zwischen einer referentiellen und einer attributiven Lesart zu differenzieren ist und führt dazu das folgende Bespiel an: (21)
Der Mörder von Schmidt ist wahnsinnig.
In der attributiven Lesart bedeutet der Satz (21), dass diejenige Person, die Schmidt ermordet hat, wahnsinnig ist. Wir wissen jedoch nicht, wer Schmidt auf grausame Weise ermordet hat. Im Gegensatz dazu referiert der Mörder von
(In-)Definitheit, Spezifizität und Referentialität
51
Schmidt in der referentiellen Lesart auf eine ganz bestimmte bekannte Person, die verrückt ist; und die klarste Beschreibung ist, dass diese Person der Mörder von Schmidt ist. D.h. in einer attributiven Lesart benutzt der Sprecher eine Kennzeichnung, um von einem Individuum zu reden, das die in der Kennzeichnung angegebene Eigenschaft erfüllt, wer/was auch immer dieses Individuum sein mag. Dieser Referent ist jedoch von dem Sprecher nicht eindeutig zu identifizieren. Somit ist die DP schwach referentiell. Hingehen ist eine Kennzeichnung referentiell, wenn ein ganz bestimmter Gegenstand hervorgehoben bzw. identifiziert werden, von dem die Rede sein soll. Ferner haben die expletive es-Verwendung wie in Es gibt Haue, das sogenannte Witterung-es (Es regnet) usw. oder das thematische es wie in Es darf gelacht werden ebenso geringe Referenz, da keine Entität der „Realität“ als Referenten vorliegt. Diese Formen bezeichnet man als nicht-referierend (‚non-referential’). NPs in idiomatischer Verwendung werden gleichfalls als nicht-referierend betrachtet. In Es geht um die Wurst referiert der Sprecher überhaupt nicht auf eine Wurst. Neben den definiten und indefiniten DPs, die die deutlichsten Faktoren in Referentialität sind, geben Aguilar-Guevara et al. (2014:1) weitere Faktoren an, die ebenfalls eine große Rolle spielen, wie z.B. sprachliche und außersprachliche Kontexte, die Salienz (also der Grad der Aufmerksamkeit, der einem Referenten zuteil wird), Weltwissen sowie syntaktische Position und Informationsstatus der DP, was aus Platzgründen hier nicht weiter vertieft werden können. Generizität Bei Generizität12 geht es um Klassenbildung. Dabei sind zwei Ansätze zu unterscheiden: 1. Generische NPs referieren nicht oder 2. generische NPs referieren. Die Vertreter des ersten Ansatzes, dass generische NPs nicht referieren, sind z.B. Lyons (1977), Jackendoff (1983) sowie Löbner (1990). Lyons (1977) nimmt zwar nicht-spezifische Referenz an, allerdings keine generische Referenz. Im Gegensatz dazu geht Jackendoff 1983 von einem engen Referenzbegriff aus: Unless there is a linguistic marking to the contrary, all phrases that express [TOKEN] constituents are referential; phrases that express [TYPE] constituents are nonreferential. (Jackendoff 1983:94)
12 Der Begriff Generizität umfasst zwei distinkte Klassen: die habituelle Generizität (auch „echte Generizität“ genannt) und die Kind-Generizität (die Referenz auf Gattungen) (Chur 1993:1). Da die habituellen Sätze wie Peter raucht keine generischen NPs enthalten, wird sie in der vorliegenden Arbeit ausgelassen.
52
(In-)Definitheit, Spezifizität, Generizität und Topik
Nach Jackendoffs These referieren [TYPES] nicht. Als [TYPE] setzt er Prädikativa und generische Phrasen an. D.h. für Jackendoff referieren nicht-spezifische Referenz und generische Phrasen nicht. Hingegen haben einige Linguisten, z.B. Chur (1993), darauf aufmerksam gemacht, dass generische NPs auf Gattungen, Arten, Klassen etc. referieren. Hinsichtlich Referentialität gilt nur das identifizierbare Individuum. Im Hinblick auf diesen Eigenschaft schließe ich mich die Ansicht von Aguilar-Guevara et al. (2014:4) an, dass generische NPs zur schwachen Referenz gehören. Die generische Interpretation kann sowohl durch definite als auch indefinite DP (22) oder ein bloßes Nomen (23) zum Ausdruck gebracht werden. In den folgenden Beispielen (22) sind der definite und indefinite Artikel ohne Funktionsveränderung miteinander austauschbar. (22)
a. Der Löwe ist ein wildes Tier. (Singular definit) b. Die Löwen sind wilde Tiere. (Plural definit) c. Ein Löwe ist ein wildes Tier. (Singular indefinit) d. Löwen sind wilde Tiere. (bare Plural indefinit)
(23)
Gold ist ein wertvolles Metall. (bare Singular)
Der definite Artikel in der generischen Verwendung bezieht sich auf die Gattung als Ganzes, während der indefinite Artikel auf ein einzelnes beliebiges Exemplar der Gattung referiert (vgl. Oomen 1977). Durch die untenstehenden Beispiele wird die Opposition (24a vs. 24b) ersichtlich, wenn man Prädikate verwendet, die nur auf Klassen referieren können, wie ist ausgestorben oder erfinden. Bei solchen Prädikaten sind neben den definiten NPs auch NPs im Plural möglich, vgl. (24c). (24)
a. Der Dinosaurier ist ausgestorben. b. *Ein Dinosaurier ist ausgestorben. c. (Die) Dinosaurier sind ausgestorben.
Die Wahl von Ausdrücken zur nominalen (In-)Definitheit und Generizität ist kategorienübergreifend in Relation zu der Unterscheidung von SL-Prädikaten (Geschehensprädikaten, nach Hallab 2011:150 Stadienprädikaten oder nach Abraham 32013:607 Präsentationsprädikaten‚ ‚stage-level-predicates’) vs. ILPrädikaten (Eigenschaftsprädikaten, nach Hallab (2011:150) Individuenprädikaten oder nach Abraham (32013: 607) individuenbezogenen Prädikaten‚ ‚individual-level-predicates’) zu sehen, vgl. auch Kratzer (1995) (andere Termini sind ebenfalls im Umlauf, etwa bei Jäger (2001)). Diese Unterscheidung
(In-)Definitheit, Spezifizität und Referentialität
53
von SL- und IL-Prädikaten geht auf Carlson (1977) zurück. SL-Prädikate verbinden sich mit der nach Bühlers Origo (1934/1982) bestimmbaren Raum-Zeit-Konfiguration [+hic-et-nunc] und sind individuenunfeste Adjektivprädikationen mit müde sein, betrunken sein und Verben wie schlafen, laufen usw. Sie drücken im Allgemeinen die vorübergehenden, nach Zeit und Ort bestimmbaren Eigenschaften aus, wohingegen IL-Prädikate die dauerhaften und wesentlichen individuellen (nach Raum und Zeit unkonfigurierten) Eigenschaften denotieren. IL-Prädikate verfügen somit über das Merkmal [–hic-et-nunc] und umfassen z.B. die Adjektive intelligent, blond, selbstlos usw. und Verben wie wissen, lieben, heißen (Abraham 2014). Somit werden IL-Prädikate mit einem schwachem Subjekt (auch Nullpluralsubjekt) in den thetischen Sätzen13 nach Carlson (1977) generisch verwendet (25a), während ein Nullpluralsubjekt bei SL-Prädikaten (25b) ambig ist zwischen einer generischen und einer existentiellen/ präsentativen Lesart. Man vgl. (25). (25)
a. Feuerwehrmänner sind selbstlos. (nur generisch) IL-Prädikate b. Feuerwehrmänner sind verfügbar. (generisch oder existenziell) SL-Prädikate
13 Die Termini thetisch und kategorisch stammt ursprünglich von dem deutschen Philosophen Brentano (1874/1924) und wurden von Kuroda (1972) und Sasse (1987) in die moderne Linguistik eingeführt. Kuroda (1972:154) erläutert die beiden Termini folgendermaßen: This theory assumes, unlike either traditional or modern logic, that there are two different fundamental types of judgments, the categorical and the thetic. Of these, only the former conforms to the traditional paradigm of subject-predicate, while the latter represents simply the recognition or rejection of material of a judgment. Moreover, the categorial judgment is assumed to consist of two separate acts, one the act of recognition of that which is to be made the subject, and the other, the act of affirming or denying what is expressed by the predicate about the subject. With this analysis in mind, the thetic and the categorical judgments are also called the simple and the double judgments (“einfaches Urteil und Doppelurteil”).
Unter ‚thetischem Satz’ versteht man im Allgemeinen einen Satz mit einem expletiven, nicht referierenden Subjekt. Dieser Satz enthält ein Einfachurteil und wird als topiklos aufgefasst. Das Einfachurteil ist nach Abraham (2020) eine Propositionsidee, bei der es keinen Diskursstatus gibt. Er stellt eine gute Antwort auf die Fragen wie Was ist los? oder Was ist passiert? dar, vgl. (i). Im Gegensatz dazu enthält der kategorische Satz (ii) ein Doppelurteil. D.h. er kann in Topik und Kommentar gegliedert werden. (i) Das Handy klingelt. (ii) [T Das Handy] [Kom liegt auf dem Tisch.] (T=Thema/Topik, Kom=Kommentar/ Rhema)
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(In-)Definitheit, Spezifizität, Generizität und Topik
3.2 Begriffliche Bestimmungen: Thema, Rhema, Topik, Kommentar, Fokus und Hintergrund Wie zu den Prädikatsausdrücken SL- und IL-Prädikaten lassen sich auch zu den Diskursbegriffen Thema und Rhema bzw. Topik und Kommentar kategorienübergreifende Beziehungen zu nominaler (In)Definitheit herstellen. Über lange Zeit wurden das Subjekt und das Prädikat als grundlegende grammatische Struktur im Satzbau betrachtet. Durch die Entwicklung der funktionalen Satzperspektive14 wurde der Satzbau mit neuen Betrachtungsweisen wie ‚Thema vs. Rhema’ aus der Prager Schule wie Daneš (1970) (Eine ausführliche Diskussion zu Thema vs. Rhema findet sich in Kapitel 4.), ‚Fokus vs. Hintergrund’ von Lambrecht (1994) sowie ‚Topik vs. Kommentar’ (engl. ‚topic’ vs. ‚Comment’, dt. Satzgegenstand und Satzaussage) von dem Vertreter Vallduví (1992) analysiert. Günthner (1993:150) hat festgestellt, dass die Unterscheidung zwischen Topik und Kommentar bei einigen nicht-indoeuropäischen Sprachen viel angemessener als die zwischen Subjekt und Prädikat ist (vgl. etwa Payawang 2015 zum Thai). Das Topik eines Satzes im nominalen Bereich kann nach Junghann/ Zybatow 2009:693) nur durch referentielle Ausdrücke realisiert werden. Dazu zählen definite und indefinite spezifische DPs. Präziser ausgedrückt handelt es sich nur um stark referentielle Ausdrücke (siehe Abschnitt 3.5). Dagegen wurde der Begriff Topik unterschiedlich definiert. Molnár (1993) und Lambrecht (1994) etwa halten die Begriffspaare Thema vs. Rhema und Topik vs. Kommentar auseinander, während Daneš (1970:72), Givón (1983:5), Abraham (32013) und Hoffmann (2000) eine gegensätzliche Meinung vertreten. So sind nach Daneš (1970:72f.) Thema vs. Rhema und die amerikanische Terminologie Topic vs. Comment äquivalent. Thema ist das, worüber etwas mitgeteilt wird, und Rhema ist das, was darüber mitgeteilt wird. Thema/Topik und Rhema/Kommentar werden nicht nur durch die Satzgliedfolge (das Thema geht im Default-Fall dem Rhema voraus) sondern auch durch den (bei Thema) definiten und (bei Rhema) indefiniten Artikel signalisiert15. Man vgl. (26a). In (26b) 14 Das Konzept der funktionalen Satzperspektive wurde von Vilém Mathesius (1929/1971) von der Prager Schule eingeführt. 15 Im Japanischen wird das Topik nach Kuroda (1972) durch die Topik-Partikel wa gekennzeichnet, wie die folgenden Beispiele zeigen: Japanisch (i) Inu-wa hasitte iru. Hund Top rennen Prog.Part ‚Der (erwähnte) Hund rennt. (über den Hund)’
(Kuroda 1972:160)
Thema, Rhema, Topik, Kommentar, Fokus und Hintergrund
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handelt es sich hingegen um zwei indefinite bloße Plurale. Dieser Satz beinhaltet rein rhematischen Ausdruck. D.h. es gibt kein Thema in diesem Satz. (26)
a. [TH Der König] hat [RH einen Sohn]. b. [RH Könige haben Söhne].
Nach Molnár (1993) lässt sich die Informationsstruktur16, die zur Beschreibung der sprachlichen Informationsgewichtung dient, in Thema-Rhema-Gliederung (TRG), Fokus-Hintergrund-Gliederung (FHG) und Topik-Kommentar-Gliederung (TKG) gliedern. TRG bezieht sich auf den Empfänger-Aspekt und hängt vom Kenntnisgrad des Adressaten ab. Thema ist der Gegenstand der Mitteilung und enthält meist für den Hörer alte bzw. bekannte Information. Das dient als Punkt, der die vorgegebene Information anknüpft. Als bekannte Information kann Thema in der mündlichen Sprache oft weggelassen werden. Im Gegensatz dazu ist Rhema die neue Information oder das Informationszentrum der Mittelung ist (vgl. Schmitt 2004 und Popov 1987). Vom Hörer wird nicht erwartet, dass er Vorwissen über die neue Information hat. Beim Bilden einer natürlichen Informationsstruktur soll die bekannte Information (Thema) früher als die neue Information (Rhema) geliefert werden. Nach Chafe (1976:33) bringt das Thema einen niedrigen Grad der kommunikativen Dynamik, während das Rhema einen hohen Grad von der kommunikativen Dynamik bringt. Die alte und bekannte (thematische) Information verbindet sich meistens mit der Definitheit und dient als Hintergrundinformation. Die neue (rhematische) Information trägt meistens den Akzent und ist Vordergrundinformation eines Satzes. Wenn man im Deutschen den Satz Es war einmal ein König gesagt hat, wird ein König in den weiteren Gesprächen durch das Personalpronomen er oder einen Artikelpronomen (+N) der (König) ersetzt. In den SVO-Sprachen stimmt das Thema meistens mit dem Subjekt überein. Obwohl es eine starke Korrelation zwischen dem Subjekt und Definitheit gibt, muss das Subjekt nicht unbedingt definit oder bekannt sein (Chafe 1976:48, vgl. auch Fang/McDonald/Cheng 1995:237). Fragt man Was ist passiert?, kann die Antwort Eine Vase ist gebrochen oder Die Vase ist gebrochen sein. Der Satz Eine Vase ist gebrochen ist ein
(ii) Mary-wa Peter-ni ie-o miseta. (Mary-Top, Peter-Dat-Part, Haus-Akk-Part, gezeigt) ‚Mary hat Peter ihr Haus gezeigt.’
(Kurita 2014:93)
16 Der Terminus Informationsstruktur erschien zum ersten Mal 1967 in einer Arbeit von Michael Halliday.
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(In-)Definitheit, Spezifizität, Generizität und Topik
themaloser Satz und enthält ein indefinites Subjekt bzw. sagt nur neue Information aus. Im Gegensatz dazu ist im Satz Die Vase ist gebrochen das Subjekt definit, obwohl dieser Satz als Reatkion zu Was ist passiert? nur neue Information liefert. Vom Hörer wird erwartet sofort zu verstehen, welche Vase der Sprecher meint. Im Gegensatz dazu konstituiert sich FHG auf die Senderebene. D.h. der Fokus liegt im Deutschen auf dem Teil, den der Sprecher durch Akzentuierung (27a), Fokuspartikel (27b), Topikalisierung (Verschiebung ins Vorfeld) (27c) oder einen Spaltsatz (27d) (engl. ‚cleft sentence’) usw. hervorhebt. Der restliche Teil wird als Hintergrund bezeichnet. Hierbei soll zwischen dem Rhema-Fokus (default) (27e) und dem kontrastiven Fokus (27c) auch noch unterschieden werden. (27)
a. Kai hat [F die VASE] zerbrochen. b. Auch [F Kai] hat eine VASE zerbrochen. c. [F Die VASE] hat Kai zerbrochen, nicht die Kanne. d. Es war [F KAI], der die Vase zerbrochen hat. e. Kai hat [F eine VASE] zerbrochen.
Der TKG liegt die sachbezogene Ebene zu Grunde. Topik ist nach Molnárs (1993) Ansicht Satzgegenstand oder Satzumstand, über den eine Aussage gemacht wird, und Kommentar ist etwa die Satzaussage. Man vgl. (27f) (vgl. dazu auch Hockett 1958:201, s.u.). Vor diesem Hintergrund ist Molnárs (1993) Topik nicht mit Thema oder Hintergrund gleichzusetzen. The most general characteristic of predicative constructions is suggested by the terms ‘topic’ and ‘comment’ for their ICs [immediate constituents]: the speaker announces a topic and then says something about it. (Hockett 1958:201)
(27) f. [T Kai] [Kom hat die VASE zerbrochen]. Lambrecht (1994) definiert das Topik, das sich auf die satzbezogene Ebene17 bezieht, folgendermaßen:
17 Lambrecht (1994:117) unterscheidet zwischen Satztopik und Diskurstopik. Diskurstopik ist das, wovon der betreffende Diskurs (oder Text) handelt und hängt eng mit Textkohäsion zusammen (vgl. dazu auch Reinhart 1981:54). Das folgende Beispiel illustriert, dass das Satztopik im ersten Teil des Satzes Kai ist. Diskurstopik dagegen ist Kais Qualitäten als Student. (i) Kai ist ein fleißiger Student. Seine Studienleistungen sind aber trotzdem nur mittelmäßig.
Thema, Rhema, Topik, Kommentar, Fokus und Hintergrund
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Topic: A referent is interpreted as the topic of a proposition if in a given situation the proposition is constructed as being about this referent, i.e. as expressing information which is relevant to and which increases the addressee’s knowledge of this referent. Topic Expression: A construction is a topic expression if the proposition expressed by the clause with which it is associated is pragmatically constructed as being about the referent if this constituent. (Lambrecht 1994:131)
D.h. er versteht Topik als das, worüber etwas ausgesagt wird. Sein Topik-Begriff hier bezieht sich auf eine Aboutness-Funktion. Er beschreibt das näher, nämlich dass das Subjekt das unmarkierte Topik ist (Lambrecht 1994:131ff., vgl. dazu auch Givón 1976:154). Ausgenommen sind die rein grammatischen Subjekte, z.B. das expletive es, das Witterung-es (Es schneit) usw. oder das thematische es sowie der ereignis-wiedergebende Satz (engl. ‚event-reporting sentence’, vgl. Lambrecht 1994:137) wie in Das Telefon klingelt. Dort ist kein Topik vorhanden, und diese Sätze sind eigentlich topiklose Sätze. Ferner stellt Lambrecht (1994:77ff.) fest, dass dem Topikreferenten die Eigenschaft [+identifizierbar] als Basismerkmal zugesprochen wird. D.h. das Topik muss immer referentiell sein und wird entweder als kontextuell alte Information oder als gemeinsames Wissen verstanden. Nach Reinhart (1981) hat das Konzept Satztopik zwei Interpretationen: Einerseits ist das Topik ein Ausdruck, über den etwas ausgesagt wird, wie in Hocketts (1958) Definition. Dieses satzinterne Topik ist als Topik-über/-about (engl. ‚topic about’, vgl. Lambrecht 1994:117 und aboutness concept of topic in Frey 2004:154) zu bezeichnen. Vertreter dieser Konzeption sind z.B. Molnár (1993), Reinhart (1981, 1995), Li/Thompson (1981) und Frey (2004). Topiks sind andererseits solche Ausdrücke, deren Referenten schon in den Diskurs eingeführt sind und wieder aufgenommen werden. Dies lässt sich als Topik-anaphorisch bezeichnen (vgl. Freys 2000 familiarity concept of topic, das auf Karttunen (1976), Kamp (1981) und Heim (1982) zurückgeht. detailliert in Abschnitt 3.1.). Dieser Interpretation schließen sich z.B. Kuno (1972), Krifka (1992), Haftka (2004) und Jäger (1996, 2001) usw. an. Allerdings plädieren einige Linguisten wie Lambrecht (1994) für die beiden Interpretationen gleichzeitig. Abraham (32013:739) geht von Satzsyntax aus und vertritt eine andere Meinung, (der ich mich anschließe), nämlich dass Topik ein reiner Positionsbegriff ist, nämlich Satzspitze oder erste Argument-DP im Satz in SpezCP/im Vorfeld. Auch Chomsky hat bereits dazu Stellung genommen: […] we might define the Topic-of the Sentence as the leftmost NP immediately dominated by S[sentence] in the surface structure, and the Comment-of the Sentence as the rest of the string. (Chomsky 1965:221)
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(In-)Definitheit, Spezifizität, Generizität und Topik
Das besagt, dass das Topik lediglich zum Kernsatz gehört, der satzstrukturell links beim Satzvorfeld/SpezCP aufhört. Abraham (32013:739) argumentiert ferner, dass FHG Positionen in der linken Satzperipherie besetzt, während TRG unterschiedliche Positionen in der linken Satzperipherie und im Kernsatz/CP – konkret im linken (thematischen) oder rechten (rhematischen) Mittelfeld besetzt. Das Topik-über und das anaphorische Topik stehen im Themenbereich des deutschen Satzfeldes. Im Wesentlichen sind Topik und Thema gleich.
3.3 Serialisierung und (In-)Definitheit im Chinesischen Artikel sind grammatische Elemente. Sie beinhalten keinen lexikalischen Inhalt, können aber Referenten identifizieren. Nun verfügt das Chinesische über kein Artikelsystem, es verwendet vielmehr Serialisierung als Kodierungsmittel zur Beschreibung des Merkmals [±definit]. Im Folgenden wird anhand verschiedener Satzvarianten die Relation zwischen Serialisierung und (In-)Definitheit untersucht, um Faktoren zu definieren, die die Default-Wortstellung und ihre Abweichungen bestimmen. Ausgelassene Teile sind Eigennamen, Personalpronomina und Possessivpronomina, weil diese inhärent definit sind und in der Serialisierung keine große Relevanz besitzen. Seit Greenberg (1963/1978) wird im Allgemeinen angenommen, dass die chinesische Sprache in der Wortstellungstypologie den SVO-Sprachen oder zumindest den VO-Sprachen angehört (vgl. auch Li 1990, Lin 2013). Eigentlich ist das Chinesische eine topik-prominente Sprache. Im Chinesischen existieren sowohl die VO- als auch OV-Stellung. Die VO-Reihung nach dem Topik, also T-V-O gilt als unmarkiert, neutral, default. Das Subjekt mit bloßem, artikellosem Nomen in Topikposition wird nach Li/Thompson (1981:20) und Lyons (1999:88) als definit (28) oder generisch (29) interpretiert und ist in der Regel das Topik-über im Satz. Jedoch lassen sich (28) und (29) auch als ereignis-wiedergebender topikloser, also thetische Sätze lesen, sofern kein gemeinsamer Verständnishintergrund vorhanden ist. Chinesisch (28) 人來了。 Rén lái le18. N.Subj V Zsv.Part Person kommen Zsv.Part ‚Die Person ist gekommen.’ oder: ‚Die Personen sind gekommen.’
18 Die Partikel le 了 verfügen über zwei Funktionen:
(Li/Thompson 1981:20)
Serialisierung und (In-)Definitheit im Chinesischen
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(29)
恐龍絕種了。 Kǒnglóng juézhǒng19 le. N.Subj Adj.V Zsv.Part Dinosaurier aussterben Zsv.Part ‚Der Dinosaurier ist ausgestorben.’ oder: ‚Dinosaurier sind ausgestorben.’
Die oben genannten Beispiele enthalten jeweils eine Satzendepartikel der Zustandsveränderung, die eng mit Definitheit zusammenhängt. Im Gegensatz dazu zeigt das folgende Beispiel (30), dass das bloße Subjekt in einem indikativischen Satz sowohl ohne Zeitangabe einerseits definit sein kann, wenn es sich auf einen bestimmten Mitarbeiter oder eine bestimmte Gruppe von den Mitarbeitern bezieht. Das Subjekt kann andererseits bei generischer Verwendung auch auf alle Mitarbeiter verweisen. Das Subjekt ist gleich dem Topik-über. Das Objekt ist schwach referentiell (Näheres dazu unter Abschnitt 3.5).
Chinesisch (i) Perfektive Partikel (unmittelbar nach einem Verb) 我吃了餅乾。 Wŏ chī le bĭnggān. PersPro V Pfv.Part N ich essen Pfv.Part Keks ‚Ich habe den Keks/die Kekse gegessen.‘ und (ii) Satzendepartikel der Zustandsveränderung 我是大學生了。 Wŏ shì dàxúeshēng le. PerPro KV N Zsv.Part ich sein Student Zsv.Part ‚Ich bin jetzt ein Student.‘ 19 Nach Li/Thompson (1981:141) wird juézhǒng 絕種 ‚aussterben’ hier als adjektivische Verben ‚adjectival verbs’ angesehen. Diese Verben sind intransitiv und verlangen daher nur das Subjekt.
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(In-)Definitheit, Spezifizität, Generizität und Topik
Chinesisch (30) 工作人員戴帽子。 Gōngzuòrényuán dài màozi. N.Subj V N.Obj Mitarbeiter tragen Hut ‚Der Mitarbeiter trägt einen Hut/Hüte.’ oder: ‚(Die) Mitarbeiter tragen einen Hut/Hüte.’
Setzt man in (31a) eine zeitliche oder eine räumliche Angabe (31b) und in (31c) eine Aspektpartikel wie zhe 著20 ein, dann ist das Subjekt raum-zeitlich konfiguriert und kann in einer kategorischen Lesart21 nur definit gebraucht werden, wobei der Numerus des Subjekts nicht festgelegt ist. D.h. Definitheit des Subjekts wird in diesem Fall über den Aspekt kodiert. Das Objekt hier ist wie das in (30) ebenfalls schwach referentiell. Chinesisch (31) a. 工作人員在活動時戴帽子。 Gōngzuòrényuán zài húodòng shí dài N.Subj P N N V Mitarbeiter bei Veranstaltung Zeitpunkt tragen ‚Der Mitarbeiter trägt bei der Veranstaltung einen Hut/Hüte.’ oder: ‚Die Mitarbeiter tragen bei der Veranstaltung einen Hut/Hüte.’ b. 工作人員在學校裡戴帽子。 Gōngzuòrényuán zài xuéxiào lǐ N.Subj P N Post.P Mitarbeiter in Schule innen ‚Der Mitarbeiter trägt in der Schule einen Hut/Hüte.’ oder: ‚Die Mitarbeiter tragen in der Schule einen Hut/Hüte.’ c. 工作人員戴著帽子。 Gōngzuòrényuán dài zhe N.Subj V Dur.Part Mitarbeiter tragen Dur.Part ‚Der Mitarbeiter trägt einen Hut/Hüte.’ oder: ‚Die Mitarbeiter tragen einen Hut/Hüte.’
dài V tragen
màozi. N.Obj Hut
màozi. N.Obj Hut
màozi. N.Obj Hut
2 0 Zhe 著 wird zur Bildung einer andauernden Handlung verwendet. 21 Zu umfassenderen Diskussionen der Referenzstärke und Thetik-Kategorik vgl. Lee (2020).
Serialisierung und (In-)Definitheit im Chinesischen
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Wie oben bereits erwähnt, ist die Topik-Position in der Regel für definites oder generisches bloßes Nomen reserviert. Um eine indefinite DP in der Topik-Position zum Ausdruck zu bringen, muss die existenz-bezeichnende Markierung yǒu 有 vor dem bloßen Nomen (32) oder vor der Klassifikator-Konstruktion (im Folgenden KL-Konstruktion) (33) eingesetzt werden, damit das bloße Nomen oder die KL-Konstruktion nicht direkt in der ersten Stelle besetzt. Dieser Existenzmarker dient auch als Markierung für die Einführung eines neuen Topiks. Der Satz (32) wird als thetischer Satz (präsentativer satz) angesehen, wobei das bloße Nomen als Subjekt indefinit nicht-spezifisch bzw. numerusneutral ist und als schwaches Subjekt ‚weak subject’22 bezeichnet wird. In diesem Satz gibt es keine Subjekt-Prädikatisierung. Er ist vielmehr ereignisorientiert. Der Satz (33a) kann einerseits als kategorischer und anderseits als thetischer Satz23 fungieren. Sein indefinites Subjekt kann als [+spezifisch] in einem kategorischen Satz oder [–spezifisch] in einem thetischen Satz charakterisiert werden. Durch Hinzufügung eines Personalpronomens ist das Topik nur als indefinit spezifisch zu lesen. Man vergleiche (33b). Chinesisch (32) 有工作人員戴著帽子。 Yǒu gōngzuòrényuán dài zhe màozi. Exist.M N.Subj V Dur.Part N.Obj haben Mitarbeiter tragen Dur.Part Hut ‚Es trägt ein Mitarbeiter einen Hut/Hüte.’ oder: ‚Es tragen Mitarbeiter einen Hut/Hüte.’ (numerusneutral, nicht-spezifisch, thetischer Satz) (33)
a. 有一個工作人員戴著帽子。 Yǒu yí ge gōngzuòrényuán dài zhe màozi. Exist.M Num KLStück N.Subj V Dur.Part N.Obj haben ein KLStück Mitarbeiter tragen Dur.Part Hut ‚Es trägt ein Mitarbeiter einen Hut/Hüte.’ (nicth-spezifisch, thetischer Satz) oder: ‚Es gibt EINEN Mitarbeiter, der einen Hut/Hüte trägt.’ (spezifisch, kategorischer Satz)
22 Nach Jäger (2001:86) werden indefinite Subjekte in der existenziellen Lesart als weak subjects bezeichnet. 23 Siehe Fußnote 14 zur Unterscheidung von thetischen und kategorischen Sätzen.
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(In-)Definitheit, Spezifizität, Generizität und Topik
b. 有一個工作人員他戴著帽子。 Yǒu yí ge gōngzuòrényuán tā Exist.M Num KLStück N.Subj PersPro haben ein KLStück Mitarbeiter er ‚Es trägt ein Mitarbeiter einen Hut/Hüte.’ oder: ‚Es gibt EINEN Mitarbeiter, der einen Hut/Hüte trägt.’
dài zhe màozi. V Dur.Part N.Obj tragen Dur.Part Hut (spezifisch, thetischer Satz) (spezifisch, kategorischer Satz)
Das Numerale in (33a) ist aber ohne weiteres weglassbar: So wird in den meisten Arbeiten zum Thema, z.B. Ross/Ma (2006:23), festgestellt, dass das Numerale aus phonologischem Grund weggelassen werden kann, wenn es genau eins bedeutet. Beim Schnellsprechen ist dieses Numerale yī一 ‚eins’ fast nicht hörbar. Diese KL-Konstruktion ohne Numerale, die ich als bloße-Klassifikator-Konstruktion (im Folgenden bKL-NP) bezeichne (detailliert in Abschnitt 3.3), ist ursprünglich indefinit nicht-spezifisch. In der Topik-Position können sie auch als indefinit spezifisch gelesen werden, wenn der Satz als kategorisch gelesen wird, vgl. (34a). Beispiele mit dem Subjekt im Plural liegen in (34c, d) vor. Als Antezedens des Anaphers tā 他 und tāmen 他們 in einem gleichen Satz haben die indefinite DPs in (34b, d) nur spezifische Lesart. Chinesisch (34) a. 有個工作人員戴著帽子。 Yǒu ge gōngzuòrényuán dài Exist.M KLStück N.Subj V haben KLStück Mitarbeiter tragen ‚Es trägt ein Mitarbeiter einen Hut/Hüte.’ oder: ‚Es gibt einen Mitarbeiter, der einen Hut/Hüte trägt.’
zhe màozi. Dur.Part N.Obj Dur.Part Hut (nicht-spezifisch, thetischer Satz) (spezifisch, kategorischer Satz)
b. 有個工作人員他戴著帽子。 Yǒu ge gōngzuòrényuán tā dài zhe màozi. Exist.M KLStück N.Subj PersPro V Dur.Part N.Obj haben KLStück Mitarbeiter er tragen Dur.Part Hut ‚Es gibt einen Mitarbeiter, der einen Hut/Hüte trägt.’ (spezifisch, kategorischer Satz)
Serialisierung und (In-)Definitheit im Chinesischen
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c. 有(一)些工作人員戴著帽子。 Yǒu (yì)-xiē24 gōngzuòrényuán dài zhe màozi. Exist.M Quant N.Subj V Dur.Part N.Obj haben einige Mitarbeiter tragen Dur.Part Hut ‚Es tragen einige Mitarbeiter einen Hut/Hüte.’ (nicht-spezifisch, thetischer Satz) oder: ‚Es gibt einige Mitarbeiter, die einen Hut/Hüte tragen.’ (spezifisch, kategorischer Satz) d. 有(一)些工作人員他們戴著帽子。 Yǒu (yì)-xiē gōngzuòrényuán tāmen dài zhe màozi. Exist.M Quant N.Subj PersPro V Dur.Part N.Obj haben einige Mitarbeiter sie tragen Dur.Part Hut oder: ‚Es gibt einige Mitarbeiter, die einen Hut/Hüte tragen.’ (spezifisch, kategorischer Satz)
Bestimmte Linguisten wie z.B. Chao (1968) und Li/Thompson (1981) haben dazu angemerkt, dass im Allgemeinen eine indefinite NP in der Subjekt- oder Topik-Position nicht erlaubt ist. Das hat generelles Gewicht. Allerdings gibt es durchaus auch Gegenbeispiele zu dieser Auffassung. Die KL-Konstruktion kann unter der Bedingung, dass das Numerale als das Zahlwort und die ganze KLKonstruktion als Quantifikationsphrase verstanden wird, in der Topik-Position vorkommen. Ich schließe mich hier Lis (1998:694) Auffassung an: Die Interpretation der indefiniten Nomina hier betrifft nicht die Existenz des Individuums, sondern Quantität. Im Folgenden führe ich die Beispiele in (35) an: Chinesisch (35) a. 一個工作人員戴著帽子。 Yí ge gōngzuòrényuán dài Num KLStück N.Subj V ein KLStück Mitarbeiter tragen ‚EIN Mitarbeiter trägt einen Hut/Hüte.’
zhe Dur.Part Dur.Part
màozi. N.Obj Hut
24 In der gängigen Literatur, hier z.B. Li/Thompson (1981:112) wird angenommen, dass das Wort yìxiē 一些 aus einem Numerale yì 一 ‚eins’ und einem KL xiē 些, der die Pluralität bzw. unbestimmte Anzahl signalisiert, besteht, xiē 些 befiindet sich in der Position des KLs. Es sieht so aus, als ob xiē 些 einen KL ersetzen könnte. Jedoch kann das Numerale in der KL-Konstruktion neben eins auch eine andere Zahl nehmen. Bei xiē 些 ist nur das Numerale eins zulässig. In der Topikposition kann xiē 些 nicht alleine stehen, ausgenommen wenn es mit dem Existenzmarker zusammen vorkommen. Deshalb betrachte ich yì 一 und xiē 些 gegen die Annahme Li/Thompsons als ganzes Wort, nämlich als Quantor.
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(In-)Definitheit, Spezifizität, Generizität und Topik b. 三個工作人員戴著帽子。 Sān ge gōngzuòrényuán dài Num KLStück N.Subj V ein KLStück Mitarbeiter tragen ‚DREI Mitarbeiter tragen einen Hut/Hüte.’ c. 一些工作人員戴著帽子。 Yí-xiē gōngzuòrényuán dài zhe Quant N.Subj V Dur.Part einige Mitarbeiter tragen Dur.Part ‚EINIGE Mitarbeiter tragen einen Hut/Hüte.’
zhe Dur.Part Dur.Part
màozi. N.Obj Hut
màozi. N.Obj Hut
Neben dem bloßen Nomen haben die Konstruktion DemPro+NUM+KL+NP und die Konstruktion DemPro+NP in der Topikposition auch das Merkmal [+definit]. Die Konstruktion DemPro+ NUM+KL+NP (36a, b, c) kann je nach Kontexten als [+anaphorisch] oder [+direkt deiktisch] (vgl. Consten 2004:121. Vgl. dazu auch Bühler 1934:105 und Tanaka 2011:19 verwenden den Terminus realdeiktisch)25 interpretiert werden (Näheres unter Abschnitt 3.6). Das proximale zhè 這 ‚diese’ (36a) und das distale nà 那 ‚jene’ (36b) beziehen sich nicht nur auf die Distanz zwischen dem Sprecher und der referierten Entität, sondern auch auf die Semantik der Diskursanaphorizität (vgl. Kapitel 3.6 und Lin 2013). Das Numerale eins in Beispielen (36a, b) ist weglassbar, aber dadurch entsteht ein minimaler Bedeutungsunterschied. Die DemPro+KL+NP-Konstruktion mit Numeralia könnte die Lesart x von mehreren implizieren, die in der DemPro+KL+NP-Konstruktion ohne Numerale nicht zu finden ist. Man vergleiche (36d). Ein Beispiel mit DemPro+pluralische NP liegt in (36e) vor. Hingegen lässt sich die Konstruktion DemPro+NP in (36f) nur direkt deiktisch verwenden. Chinesisch (36) a. 這一個工作人員戴著帽子。 Zhè yí ge gōngzuòrényuán dài zhe Dem Num KLStück N.Subj V Dur.Part diese ein KLStück Mitarbeiter tragen Dur.Part ‚Der/Der eine/Dieser EINE/Dieser Mitarbeiter trägt einen Hut/Hüte.’
màozi. N.Obj Hut
25 Der direkt-/realdeiktischem Gebrauch bezieht sich auf Bühlers Origo (1934/1982) [+hic-et-nunc]. Das Bezugsobjekt wird in einer realen Sprechsituation durch eine äußerungsbegleitende Geste gezeigt.
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Serialisierung und (In-)Definitheit im Chinesischen b. 那一個工作人員戴著帽子。 Nà yí ge gōngzuòrényuán dài zhe Dem Num KLStück N.Subj V Dur.Part jene ein KLStück Mitarbeiter tragen Dur.Part ‚Der/Jener eine/Jener EINE/Jener Mitarbeiter trägt einen Hut/Hüte.’
màozi. N.Obj Hut
c. 這三個工作人員戴著帽子。 Zhè sān ge gōngzuòrényuán dài Dem Num KLStück N.Subj V diese drei KLStück Mitarbeiter tragen ‚Der drei/Dieser Drei Mitarbeiter trägt einen Hut/Hüte.’
màozi. N.Obj Hut
d. 這個工作人員戴著帽子。 Zhè ge gōngzuòrényuán dài Dem KLStück N.Subj V diese KLStück Mitarbeiter tragen ‚Der/Dieser Mitarbeiter trägt einen Hut/Hüte.’ e. 這(一)些工作人員戴著帽子。 Zhè (yì)-xiē gōngzuòrényuán dài Dem Quant N.Subj V diese einige Mitarbeiter tragen ‚Die/Diese Mitarbeiter tragen einen Hut/Hüte.’ f. 這工作人員戴著帽子。 Zhè gōngzuòrényuán dài zhe Dem N.Subj V Dur.Part diese Mitarbeiter tragen Dur.Part ‚DIESER Mitarbeiter trägt einen Hut/Hüte.’
zhe Dur.Part Dur.Part
zhe Dur.Part Dur.Part
zhe Dur.Part Dur.Part
màozi. N.obj Hut
màozi. N.Obj Hut
màozi. N.Obj Hut
Betrachten wir jetzt die DP mit KL-Konstruktion als Objekt im Rhema in folgenden Beispielen. Chinesisch (37) a. 工作人員戴著一頂帽子。 Gōngzuòrényuán dài zhe yì N.Subj V Dur.Part Num Mitarbeiter tragen Dur.Part eins ‚Der Mitarbeiter trägt/trug einen Hut.’ oder: ‚Die Mitarbeiter tragen/trugen einen Hut.’
dĭng KLDinge mit Spitze KLDinge mit Spitze
màozi. N.Obj Hut
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(In-)Definitheit, Spezifizität, Generizität und Topik
b. 工作人員戴著頂帽子。 Gōngzuòrényuán dài zhe dĭng N.Subj V Dur.Part KLDinge mit Spitze Mitarbeiter tragen Dur.Part KLDinge mit Spitze ‚Der Mitarbeiter trägt/trug irgendeinen Hut.’ oder: ‚Die Mitarbeiter tragen/trugen irgendeinen Hut.’
màozi. N.Obj Hut
Beispiel (37a) zeigt, dass die DP mit KL-Konstruktion als Objekt im Rhema das Merkmal [–definit] hat, wobei yì一 entweder als Numerale eins oder als Indefinitpronomen, etwa irgendein interpretiert wird. D.h. zwischen einer spezifischen und einer nicht-spezifischen Lesart ist nur ausgehend von den Kontexten zu differenzieren. Lässt man im Gegensatz das Numerale eins weg wie in Beispiel (37b), ergibt sich beim Rhema mit einer bKL-NP nur die indefinite nicht-spezifische Bedeutung (vgl. Abschnitt 3.4 zu bKL-NP). Meineserachtens widerspricht dieses Phänomen der Annahme von Li/Thompson (1981:130): wenn eine NP eine Klassifikatorphrase enthält, ist diese NP referentiell. Übersetzen wir die Beispiele (17) und (18) aus Kapitel 3.1 ins Chinesische, ist noch leichter zu erkennen, dass die spezifischen und nicht-spezifischen Lesarten der chinesischen Sätze von den jeweiligen Kontexten abhängen. Man vergleiche (38). Chinesisch (38) a. Maria在找一間書店,但找不到它。 Maria zài zhǎo yì En.Subj Prog.Part V Num Maria Prog.Part suchen eins
jiān KLRaum KLRaum
shūdiàn, N.Obj Buchhandlung
dàn zhǎo bú dào tā. Konj V Neg.Part Mögl.Komp PersPro Aber suchen nicht erreichen sie ‚Maria sucht eine Buchhandlung, aber findet sie nicht.’ (spezifische Lesart) b. Maria 在找一間書店,但找不到任何一間。 Maria zài zhǎo yì jiān En.Subj Prog.Part V Num KLRaum Maria Prog.Part suchen eins KLRaum
shūdiàn, N.Obj Buchhandlung
dàn zhǎo bú dào rènhé yì jiān. Konj V Neg.Part Mögl.Komp Adj Num KLRaum aber suchen nicht erreichen x-beliebig ein KLRaum ‚Maria sucht eine Buchhandlung, aber findet keine.’ (nicht-spezifische Lesart)
Serialisierung und (In-)Definitheit im Chinesischen
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c. Maria在找一間名叫Müller的書店,但找不到它。 Maria zài zhǎo yì jiān míng jiào Müller de En.Subj Prog.Part V Num KLRaum N V En Attr.Part Maria Prog.Part suchen eins KLRaum Name heißen Müller Attr.Part shūdiàn, dàn zhǎo bú dào tā. N.Obj Konj V Neg.Part Mögl.Komp PersPro Buchhandlung aber suchen nicht erreichen sie ‚Maria sucht eine Buchhandlung namens Müller, aber findet sie nicht.’ (spezifische Lesart) d. Maria在找一間賣雜誌的書店,但找不到它。 Maria zài zhǎo yì jiān En.Subj Prog.Part V Num KLRaum Maria Prog.Part suchen eins KLRaum
mài V verkaufen
zázhì N Zeitschrft
de shūdiàn, dàn zhǎo bú dào tā. Attr.Part N.Obj Konj V Neg.Part Mögl.Komp PersPro Attr.Part Buchhandlung aber suchen nicht erreichen sie ‚Maria sucht eine Buchhandlung, die Zeitschriften verkauft, aber findet sie nicht.’ (spezifische Lesart)
Die Konstruktion NUM+KL+NP in (38a) bezeichnet eine spezifische Lesart, weil sie in dem von dàn 但 ‚aber’ eingeleiteten Satz durch eine Anapher, nämlich das Personalpronomen tā 它,sie‘ ersetzt werden kann. Das gleiche gilt für die Beispiele (38c, d), wobei es keinen Unterschied zwischen den beiden Artikellesarten. Im Gegensatz dazu wird die KL-Konstruktion in der nicht-spezifischen Lesart (38b) durch das Adjektiv rènhé 任何 ‚x-beliebig’ modifiziert. Eine pronominal-anaphorische Wiederaufnahme ist nicht möglich. Steht ein bloßes Nomen als Objekt im Rhema wie (39) und (40a, b), ergibt sich im Chinesischen keine Unterscheidung zwischen Singular und Plural. Ein identifizierbares Individuum liegt nicht unbedingt vor. Chinesisch (39) Maria在找書店。 Maria zài zhǎo shūdiàn. En.Subj Prog.Part V N.Obj Maria Prog.Part suchen Buchhandlung ‚Maria ist am Suchen nach Buchhandlungen.’
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(In-)Definitheit, Spezifizität, Generizität und Topik a. 我在吃餅乾。 Wŏ zài PersPro Prog.Part ich Prog.Part ‚Ich bin am Kekse essen.’
chī V essen
b. 我吃了餅乾。 Wŏ chī le PersPro V Pfv.Part ich essen Pfv.Part ‚Ich habe Keks/Kekse gegessen.’ c. 我喜歡餅乾。 Wŏ xǐhuān PersPro V ich mögen ‚Ich mag Keks/Kekse.’
bĭnggān. N.Obj Keks
bĭnggān. N Keks
bĭnggān. N.Obj Keks
Cheng/Sybesma (1999) halten für das bloße Nomen als Objekt im Rhema drei Lesarten für möglich: eine indefinite, eine definite und eine generische Lesart. Aus meiner Sicht wiederum ist dieses Objekt weder indefinit noch definit, sondern vielmehr schwach referentiell. (Dieses Phänomen werde ich in Abschnitt 3.5 detailliert untersuchen.) Diese zwei Sätze (39) und (40a) fokussieren nicht auf die Menge des Objekts, sondern darauf, was das Agens macht. Beispiel (40b) kann als Antwort auf die Frage Was hast du vorher gegessen? etabliert werden. Im Gegensatz dazu hat das Objekt in (40a) und (40c), das sich auf eine ganze Klasse von Keksen und nicht auf irgendeinen bestimmten Kekse bezieht, eine generische Lesart. Durch eine bestimmte Serialisierung kann ein bloßes Nomen als Objekt mit dem Merkmal [+definit] realisiert werden, indem das Objekt aus seiner Grundstellung (im Allgemeinen im Rhema) in die Position vor dem Verb verschoben wird. Chinesisch (41) a.餅乾我吃了。 Bĭnggān wŏ chī le. N.Obj PersPro V Zsv.Part Keks ich essen Zsv.Part ‚DEN Keks/DIE Kekse habe ich gegessen.’
Serialisierung und (In-)Definitheit im Chinesischen
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b. 我把餅乾吃了。 Wŏ bă bĭnggān chī le. PersPro Part N.Obj V Zsv.Part ich Part Keks essen Zsv.Part ‚Ich habe DEN Keks/DIE Kekse gegessen.’ c. 把餅乾吃了。 Bă bĭnggān chī Part N.Obj V Part Keks essen ‚Esst DEN Keks/DIE Kekse!’
le. Zsv.Part Zsv.Part
Einerseits kann das Objekt an den Satzanfang versetzt werden. Dann fungiert es als fokussiertes Topik-über des ganzen Satzes, wie (41a). Andererseits kann sich das vorgezogene Objekt mit der bă把26-Partikel kennzeichnen lassen, wobei es sich zwischen dem Topik und dem Verb befindet (41b). In diesem Fall steht das Subjekt im Topik-über, wobei das Subjekt und das Objekt als Hintergrundierung fungieren. Die Vordergrundierung liegt dabei, wie das Patiens/das Objekt behandelt wird. In (41c) steht die bă把-Konstruktion als Topik-über. Durch die oben genannten Sätze wird veranschaulicht, dass die Information in einem chinesischen Satz von bekannter bis zu unbekannter Information dargestellt wird (vgl. Li/Thompson 1981, Thompson 1978:21) und dass das Topik nicht unbedingt mit dem Subjekt identisch ist. Li/Thompson (1981:465) argumentieren, dass die durch bă把 eingeleitete Phrase typischerweise mit einer generischen oder definiten Bedeutung verbunden. Man vergleiche (42). Chinesisch (42) 他/她有的時候把鹽當糖吃。 Tā yŏu-de-shíhòu bă yán dāng táng chī. PersPro Adv Part N Part N V er/sie manchmal Part Salz als Zucker essen ‚Er/Sie isst manchmal Salz als Zucker.’ (Li/Thompson 1981:465) (generische Lesart)
Im Gegensatz dazu vertrete ich die Meinung, dass zwischen der bă 把- Konstruktion und deren definiten oder generischen Bedeutungen bei bloßen
26 Die ursprüngliche Bedeutung von bă把 ist ‚nehmen’. Die Literatur über die historische Entwicklung der bă把-Konstruktion findet sich bei Bennett (1981) und Chen (1983).
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(In-)Definitheit, Spezifizität, Generizität und Topik
NPs zwar direkte Relation besteht, aber nicht bei der Konstruktion NUM+KL+NP (vgl. auch Sybesma 1992:177). Die bă把-Konstruktion mit Num+KL+NP hauptsächlich verantwortlich für Telizität und Spezifizität. Ich möchte hier allerdings die generische Lesart nicht völlig ausschließen. Wenn nämlich die bă 把-Partikel mit der Konstruktion NUM+KL+NP zusammen vorkommt (43a), kann diese KL-Phrase nur als indefinit spezifisch, also als einen bestimmten Keks unter allen interpretiert werden27. Des Weiteren ist es im Chinesischen nicht möglich, dass die Konstruktion NUM+KL+NP in die Topikposition verschoben wird. Ein indefinites nicht-spezifisches Objekt kann die Topikfunktion nicht übernehmen (43b). Erst durch Hinzufügung des Existenzmarkers yǒu 有 wird der Satz grammatisch korrekt (43c). Das Objekt trägt die Merkmale [–definit] und [+spezifisch]. Des Weiteren kann ein Adverb zwischen bă 把-Konstruktion und das Prädikat eingesetzt werden, wie die Beispiele (43d, e) belegen, wobei die bă 把-Konstruktion in (43e) als Topik fungiert:
27 Die indefinite bă 把-Phrase kann jedoch nicht bei allen Verben benutzt werden, z.B. nicht beim Verb măi 買 (kaufen). Nach Lu (2001:261) hängt das Phänomen von der Beziehung zwischen dem Verb, der indefiniten Phrase und der Identifizierbarkeit der indefiniten Phrase ab. Im folgenden führe ich die untenstehenden Beispiele (i), (ii) und (iii) an: (i)
*他把一輛車買了。 *Tā bă yí PersPro Part Num Er/Sie Part ein
(ii)
他買了一輛車。 Tā măi le yí PersPro V Pfv.Part Num Er/Sie kaufen Pfv.Part ein ‚Er/Sie hat ein Auto gekauft.’
(iii)
他把一輛車賣了。 Tā bă yí liàng PersPro Part Num KLFahrzeug Er/Sie Part ein KLFahrzeug ‚Er hat das eine Auto verkauft.’
liàng chē măi le. KLFahrzeug N.Obj V Zsv.Part KLFahrzeug Auto kaufen Zsv.Part liàng KLFahrzeug KLFahrzeug
chē N.Obj Auto
chē. N.Obj Auto
mài V verkaufen
le. Zsv.Part Zsv.Part
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Serialisierung und (In-)Definitheit im Chinesischen (43)
a. 我把一塊餅乾吃了。 Wŏ bă yí kuài bĭnggān chī le. PersPro Part Num KLStück N.Obj V Zsv.Part ich Part ein KLStück Keks essen Zsv.Part ‚Ich habe den einen Keks gegessen.’ (indefinite spezifische Lesart) b. *一塊餅乾我吃了。 *Yí kuài Num KLStück ein KLStück
bĭnggān N.Obj Keks
wŏ PersPro ich
chī V essen
le. Zsv.Part Zsv.Part
c. 有一塊餅乾我吃了。 Yǒu yí kuài bĭnggān wŏ chī le. Exist.M Num KLStück N.Obj PersPro V Zsv.Part haben ein KLStück Keks ich essen Zsv.Part ‚DEN EINEN Keks habe ich gegessen.’ (indefinite spezifische Lesart) d. 我想把一封信慢慢地看完。 Wŏ xiǎng bă yì fēng xìn mànmàn-de kàn wán. PersPro MV Part Num KLBrief N.Obj Adv-Adv. V Res.Komp Part ich möchten Part ein KLBrief Brief langsam lesen fertig ‚Ich möchte einen (spezifischen) Brief/den einen Brief langsam zu Ende lesen.’ (indefinite spezifische Lesart) e. 把一封信慢慢地看完。 Bă yì fēng xìn mànmàn-de kàn wán. Part Num KLBrief N.Obj Adv-Adv.Part V Res.Komp Part ein KLBrief Brief langsam lesen fertig ‚Lies einen (spezifischen) Brief/den einen Brief langsam zu Ende!’ (indefinite spezifische Lesart)
Im Chinesischen kann die Konstruktion DemPro+NUM+KL+NP als Objekt in der SVO bzw. im Rhema (44a, b), als SOV- (bă把-Konstruktion) (44c) und als OSV-Serialisierung bzw. im Topik-über (44d) vorkommen, wobei diese alle Definitheit zum Ausdruck bringen. Zudem können sie sich anaphorisch oder direkt deiktisch verwenden werden. Das Numerale ist in allen drei Stellungen weglassbar. Des Weiteren kann die bă把-Konstruktion lediglich zwischen dem Modalverb und dem Prädikat stehen, wenn im Satz ein Modalverb vorhanden ist (44e). Dies alles soll mit den folgenden Beispielen belegt werden:
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(In-)Definitheit, Spezifizität, Generizität und Topik
Chinesisch (44) a. 我看完這一本書了。 Wŏ kàn wán zhè yì bĕn PersPro V Res.Komp Dem Num KLBand ich lesen fertig diese ein KLBand ‚Ich habe dieses EINE/DIESES/DAS Buch zu Ende gelesen.’ b. 我看完那一本書了。 Wŏ kàn wán nà yì bĕn PersPro V Res.Komp Dem Num KLBand ich lesen fertig jene ein KLBand ‚Ich habe jenes EINE/JENES/DAS Buch zu Ende gelesen.’
shū N.Obj Buch
shū N.Obj Buch
le. Zsv.Part Zsv.Part
le. Zsv.Part Zsv.Part
c. 我把這一本書看完了。 Wŏ bă zhè yì bĕn shū kàn wán le. PersPro Part Dem Num KLBand N.Obj V Res.Komp Zsv.Part ich Part diese ein KLBand Buch lesen fertig Zsv.Part ‚Ich habe dieses EINE/DIESES/DAS Buch zu Ende gelesen.’ d. 這一本書我看完了。 Zhè yì bĕn shū wŏ kàn wán Dem Num KLBand N.Obj PersPro V Res.Komp diese ein KLBand Buch ich lesen fertig ‚Dieses EINE/DIESES/DAS Buch habe ich zu Ende gelesen.’ e. 我想把這一本書看完。 Wŏ xiǎng bă zhè yì bĕn shū kàn PersPro MV Part Dem Num KLBand N.Obj V Ich möchten Part diese ein KLBand Buch lesen ‚Ich möchte dieses EINE/DIESES/DAS Buch zu Ende lesen.’
le. Zsv.Part Zsv.Part
wán. Res.Komp fertig
Obwohl die Konstruktion DemPro+bloßes Nomen in der gängigen Literatur, z.B. bei Li/Thompson (1981) und Tang (1990a, b), gar nicht erwähnt wird, kommt diese Konstruktion häufig vor, ohne dass dies von den Sprechern wahrgenommen würde. Anstatt einer DemPro+KL-Konstruktion kann sie (45) definite Bedeutung ausdrücken. In den meisten Fällen wird sie jedoch direkt deiktisch verwendet. Chinesisch (45) a. 我看完這書了。 Wŏ kàn wán zhè PerPro V Res.Komp Dem ich lesen fertig diese ‚Ich habe dieses/das Buch zu Ende gelesen.’
shū N.Obj Buch
le. Zsv.Part Zsv.Part
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Serialisierung und (In-)Definitheit im Chinesischen b. 我把這書看完了。 Wŏ bă zhè shū PerPro Part Dem N.Obj ich Part diese Buch ‚Ich habe DIESES Buch zu Ende gelesen.’ c. 把這書看完。 Bă zhè shū kàn Part Dem N.Obj V Part diese Buch lesen ‚Lies DIESES Buch zu Ende.’
kàn V lesen
wán Res.Komp fertig
le. Zsv.Part Zsv.Part
wán. Res.Komp fertig
d. 這書我看完了。 Zhè shū wŏ kàn Dem N.Obj PersPro V Diese Buch ich lesen ‚Dieses Buch habe ich zu Ende gelesen.’
wán Res.Komp fertig
le. Zsv.Part Zsv.Part
Überdies wird das Objekt bei der generischen Verwendung im Chinesischen nur durch ein bloßes Nomen realisiert: Chinesisch (46) 空氣污染影響健康。 Kōngqìwūrǎn yǐngxiǎng jiànkāng. N.Subj V N.Obj Luftverschmutzung beeinflussen Gesundheit ‚(Die) Luftverschmutzung beeinflusst die Gesundheit.’
In diesem Abschnitt konnte gezeigt werden, dass ein bloßes Nomen im Chinesischen hinsichtlich Definitheit eine unmarkierte Form ist. Seine Lesart muss mittels des Aspekts und vor allem seiner Stellung kodiert sein. Bei genauer Betrachtung lässt sich feststellen, dass diese SVO-Satzgliedstellung nicht unbedingt in jedem Fall gilt. Jedoch tendiert das Subjekt syntaktisch gesehen zur Topikhaftigkeit. Die Konstruktion NUM+KL+NP drückt sowohl in der präverbalen als auch in der postverbalen Position eine indefinite Bedeutung aus, während DemPro+NP und DemPro(+Num)+KL+NP unabhängig von seiner Position definit sind.
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(In-)Definitheit, Spezifizität, Generizität und Topik
3.4 Die bloße Klassifikator-Konstruktion und Definitheit/ Indefinitheit In dem vorangegangenen Abschnitt wurde die Interaktion zwischen Definitheit/Indefinitheit und Serialisierung untersucht. Allerdings ist es noch nicht klar genug, in welcher Beziehung der Klassifikator bzw. die bloße Klassfikator-Konstruktion/bKL-NP zu Definitheit/Indefinitheit stehen. Dieser Frage wird in diesem Kapitel nachgegangen. In Numeral-Klassifikator-Sprachen wie dem Chinesischen kann eine bKL-NP vorkommen. Diese enthält einen Klassifikator und ein Nomen. Das Numerale kommt nicht vor. Nach Simpson/Soh/Nomoto (im Folgenden Simpson et al.) (2011) wird bKL neben dem bloßen Nomen ebenso als definit betrachtet und der Klassifikator wird als Grammatikalisierung eines neu entstandenen definiten Determinators verstanden, die im Kantonesischen, Vietnamesischen, Hmongischen28 und Bengalischen29 vorkommt (vgl. auch Cheng/Sybesma 1999). Im Kantonesischen steht die Verwendung von bKL-NP und bloßem Nomen in komplementärer Verteilung. Dies führt zu der Hypothese von Cheng/Sybesma (2005:279), dass sich der Klassifikator im Kantonesischen zu einer referenzdenotierenden Funktion entwickelt, der in verschiedenen indoeuropäischen Sprachen mit dem definiten Determinator vergleichbar ist. Im Vietnamesischen, Hmongischen und Bengalischen bedeutet die Verwendung dieser bKL-NP jedoch nicht, dass sie die Verwendung des bloßen Nomens verdrängen muss; sie stellt lediglich eine Alternative da. Des Weiteren wird von einigen Linguisten wie z.B. Paris (1981) angenommen, dass NPs ohne Numerale oder ohne Demonstrativum im Chinesischen nicht vorkommen können, so z.B. in bKL-NP. Im Folgenden möchte ich mit einigen Gegenbeispielen belegen, dass die Auffassung Paris (1981) nur zum Teil zutreffend ist. Eine bKL-NP drückt im Vietnamesischen, im Hmong und im Bengalischen definite Bedeutung aus. Vietnamesisch und Hmong sind nach Simpson et al. (2011:192) kopf-initiale SVO-Sprachen. Deshalb steht der Klassifikator vor dem Nomen: KL-NP. Im vietnamesischen Beispiel (47) steht die definite bKL-NP als Subjekt in der Topikposition. Im Hmong kann bKL-NP sowohl als Subjekt in der 28 Die Sprache der Hmong gehört zu den Miao-Mien- oder Miao-Yao-Sprachen, die vor allem in Südchina von der Miao-Minorität, Nordvietnam, Laos und Thailand gesprochen werden. 29 Das Bengalische gehört zu den indogermanischen Sprachen und ist die Amtsprache von Bangladesch. Außerdem wird es auch in Indien verwendet.
Die bloße Klassifikator-Konstruktion und (In-)Definitheit
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Topik- (48a) als auch als Objekt in der Rhemaposition (48b) auftreten. Das Bengalische (49) ist aber eine kopf-finale SOV-Sprache (Simpson et al. 2011:192), wo der Klassifikator nach dem Nomen kommt: NP-KL. Diese bKL-NP kann als Subjekt in der Topikposition oder als Objekt im Rhema vorkommen und verfügt über das Merkmal [+definit] (Simpson et al. 2011). Vietnamesisch (47) Cái máy ảnh rất KL Kamera sehr ‚Die Kamera war sehr teuer.’
đắt tiền. teuer
Hmongisch (48) a. Tus kws hais plaub tub tub KL Anwalt RED ‚Der Anwalt ist sehr faul.’ b.
nkeeg. faul
[Topik = Subj] (Simpson et al. 2011:170)
[Topik = Subj] (Simpson et al. 2011:170)
Lub qhov rai puas tau kaw? [RH = Obj] KL Fenster Fr.Part ASP zumachen ‚Hast du das Fenster zugemacht?’ (Simpson et al. 2011:175)
Bengalisch (49) a. kEmera-Ta khub dami. Kamera-KL sehr teuer ‚Die Kamera war/ist sehr teuer.’
[Topik = Subj] (Simpson et al. 2011:170)
b. Tumi ki alo-Ta jele dite parbe please? [RH = Obj] Du Fr.Part Licht-KL einschalten geben können bitte ‚Kannst du bitte das Licht einschalten?’ (Simpson et al. 2011:188)
Im Kantonesischen allerdings kann diese Konstruktion im Rhema sowohl als definit (50a) als auch indefinit (50b) interpretiert werden30. In der Topikposition (50c) ist diese Form aber definit (Simpson et al. 2011:169, Cheng/Sybesma 1999: 510f.). Im Wu-Dialekt31 ist die bKL-NP im Topik nach Li (2013:243) immer definit und im Rhema indefinit.
3 0 Die Ziffern in den Beispielen bezeichnen die Töne. 31 Für einen Überblick über die bKL-NP als Objekt in der Topikposition im Kantonesischen und Wu-Dialekt sei auf Kapitel 9 in Li (2013) verwiesen.
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(In-)Definitheit, Spezifizität, Generizität und Topik
Kantonesisch (50) a. Keoi5 maai6-zo2 er verkaufen-Pfv.Part ‚Er verkaufte das Auto’
gaa3 KL
b. Ngo5 soeng2 maai5 bun2 ich möchte kaufen KL ‚Ich möchte ein Buch kaufen.’ c.
ce1. Auto
[RH = Obj, definit] (Matthews/Pacioni 1996:23)
syu1. Buch
[RH = Obj, indefinit] (Cheng/Sybesma 1999:511)
Zek3 gau2 gam1jat6 dak6bit6 teng1waa6. [Topik = Subj, definit] KL Hund heute extrem unterwürfig ‚Der Hund ist heute extrem unterwürfig.’ (Cheng/Sybesma 1999:511)
Wu-Dialekt (Fuyang32) (51) a. tsəʔ kiu sɿ-ȵiɔ die. KL Hund sterben Pfv.Part ‚Der Hund ist gestorben.’ b. kɤ biŋku, ŋɤ tɕhiʔ-ȵiɔ KL Apfel ich essen-fertig ‚Den Apfel habe ich gegessen.’
[Topik = Subj, definit] (Li 2013:240) die. Pfv.Part
c. ŋɤ saŋ kɤ yoʔ maʔ ich letzt KL Monat kaufen ‚Ich habe letzten Monat ein Auto gekauft.’
lə Pfv.Part
[Topik = Obj, definit] (Li 2013:241) bu tshotsɿ. KL Auto [RH=Obj, indefinit] (Li 2013:242)
Die bKL-NPs können in allen fünf Sprachen (im Vietnamesischen, Hmong, Bengalischen, Kantonesischen und Wu-Dialekt) in der Topikposition als definite DPs auftreten. Da im Vietnamesischen kaum Beispiele als definites Objekt in der Rhemaposition geliefert wurden, kann man wohl davon ausgehen, dass diese definite bKL-NP im Rhema vielleicht nur im Hmong, Bengalischen und Kantonesischen vorkommt. Folgendes lässt sich anhand meiner Beispiele aus dem Chinesischen und MinDialekt gegen die Beobachtung von Simpson et al. (2011) und Cheng/Sybesma (1999) festhalten. Bereits Cheng/Sybesma (1999:510) haben mit dem Beispiel (52) gezeigt, dass die bKL-NPs alleine im Chinesischen nicht als Subjekt in der Topikposition vorkommen können. Nach meiner Beobachtung gilt dasselbe 32 Fuyang-Dialekt gehört zu einer Untergruppe der Wu-Dialekt: Taihu, der in der SüdJiangsu-Provinz und Nord-Zhejiang-Provinz gesprochen wird.
Die bloße Klassifikator-Konstruktion und (In-)Definitheit
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aber auch für die bKL-NP in der Minnan Sprache (53). Die definite Verwendung in der Subjektposition lässt sich, wie bereits im Abschnitt 3.3 detailliert erläutert, durch das bloße Nomen bzw. die Konstruktionen DemPro+NUM+KL+NP, DemPro+KL+NP und DemPro+NP ausdrücken. Chinesisch (52) *隻狗今天特別聽話。 *Zhī gǒu jīntiān tèbié tīnghuà. KL Hund heute extrem unterwürfig Intended: ‘The dog is especially obedient today.’ (Cheng/Sybesma 1999: 510) Minnan Sprache (53) *隻狗今仔日特別聽話。 *Tsiah káu kin-á-li̍t ti̍k-pia̍t KL Hund heute extrem
thiann-uē. unterwürfig
Als Objekt im Rhema kann die bKL-NP nur zur Bezeichnung der indefiniten Bedeutung dienen, wobei sie eine nicht-spezifische Lesart erhält: z.B. sucht Maria in (54) eine unbestimmte Buchhandlung. Das ausgelassene Numerale eins vor dem Klassifikator geht, wie bereits im Abschnitt 3.3 besprochen, auf phonologische Motivation zurück (Ross/Ma 2006:23). In der Minnan Sprache (55) stellt die bKL-NP auch eine indefinite nicht-spezifische Bedeutung dar. Chinesisch (54) Maria在找間書店,但找不到。 Maria zài zhǎo jiān shūdiàn, En.Subj Prog.Part V KLRaum N.Obj Maria Prog.Part suchen KLRaum Buchhandlung
dàn Konj aber
zhǎo bú V Adv suchen nicht
dào. Mögl.Komp erreichen ‚Maria sucht irgendeine Buchhandlung, aber findet keine.’ [RH = Obj], (nicht-spezifische Lesart) Minnan Sprache (55) Maria佇咧揣間冊店,毋過揣無。 Maria tī-leh tshuē king tsheh-tiàm, m̄-koh tshuē bô. En.Subj Prog.Part V KLRaum N.Obj Konj V Adv Maria Prog.Part suchen KLRaum Buchhandlung aber suchen nicht ‚Maria sucht irgendeine Buchhandlung, aber findet keine.’ [RH = Obj], (nicht-spezifische Lesart)
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(In-)Definitheit, Spezifizität, Generizität und Topik
Allerdings vertreten Cheng/Sybesma (1999:525) eine andere Meinung, nämlich dass die DPs mit bzw. ohne Numerale verschiedene Distributionen haben. Deshalb ist die bKL-NP keineswegs eine Ellipse des Numerales. Dass die bKL-NP in (56b) nicht als Objekt im Rhema vorkommen kann, hängt vom beschränkten Prädikat (‚bounded predicate’) ab, das beim Objekt eine spezifische Lesart erfordert (vgl. auch Sybesma 1992:176–178). Aber es gibt keine Erklärung dafür, warum das Numerale nicht weggelassen werden kann. Die Autoren führen nur die Beispiele (56a, b) an. Weiterhin machen Cheng/Sybesma (1999) darauf aufmerksam, dass die bKL-NP nicht zusammen mit der bă把-Konstruktion vorkommen kann (56c, d) und schließen daraus, dass die bKL-NP nicht aus einer DP mit Numerale-Auslassung stammt. Chinesisch (56) a. 我吃完一塊餅乾了。 Wŏ chī wán yí kuài PersPro V Res.Komp Num KLStück ich essen fertig ein KLStück ‚Ich habe genau EIN Stück Keks aufgegessen.’ b.*我吃完塊餅乾了。 *Wŏ chī wán PersPro V Res.Komp ich essen fertig
c. *我把塊餅乾吃了。 *Wŏ bă kuài PersPro Part KLStück ich Part KLStück
kuài KLStück KLStück
bĭnggān N.Obj Keks
d. *我把塊餅乾吃完了。 Wŏ bă kuài PersPro Part KLStück ich Part KLStück
bĭnggān N.Obj Keks
chī V essen
bĭnggān N.Obj Keks
bĭnggān le. N.Obj Zsv.Part Keks Zsv.Part (Cheng/Sybesma 1999:525)
le. Zsv.Part Zsv.Part (Cheng/Sybesma 1999:526)
le. Zsv.Part Zsv.Part
chī V essen
wán Res.Komp fertig
le. Zsv.Part Zsv.Part
Zu einem gewissen Teil stimme ich der Auffassung von Cheng/Sybesma (1999) zu, dass die Distributionen von DPs mit oder ohne Numerale oft verschieden sind. Doch gleichzeitig möchte ich darauf hinweisen, dass erstens die bKL-NP mit der Ellipse des Numerales im Zusammenhang steht, weil die DP mit Numerale eins, wie bereits in 3.3 erwähnt, über indefinite spezifische und indefinite nicht-spezifische Interpretationen verfügen. Die nicht-spezifische Interpretation ist völlig mit der Bedeutung der bKL-NP identisch. Zweitens benötigt nicht
Die bloße Klassifikator-Konstruktion und (In-)Definitheit
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das Prädikat sondern das telische Resultatkomplement wán完 und die Satzendepartikel der Zustandsveränderung le了 in (56c, d) eine spezifische Lesart bei seinem Objekt. Die bKL-NP kann aber nur die Merkmale [–definit] und [– spezifisch] haben. Das Numerale yí一 in (56a) steht für das Zahlwort eins und ist vor diesem Hintergrund nicht weglassbar. Somit ist bKL-NP nicht mit dem Resultatkomplement oder der perfektiven Partikel kombinierbar. Des Weiteren drückt bă把-Konstruktion eine spezifische Lesart aus. Das Numerale yí一 in (57a) und (57b) bedeutet das Zahlwort eins. Die bKL-Konstruktion ist ebenfalls mit der bă把-Konstruktion nicht kompatibel. Deshalb ist das Numerale in (57) nicht wegzulassen. Dazu führe ich die folgenden Beispiele an: Chinesisch (57) a. 我把一塊餅乾吃了。 Wŏ bă yí kuài bĭnggān PersPro Part Num KLStück N.Obj ich Part ein KLStück Keks ‚Ich habe DEN EINEN Keks gegessen.’ b. 我把一塊餅乾吃完了。 Wŏ bă yí kuài bĭnggān PersPro Part Num KLStück N.Obj ich Part ein KLStück Keks ‚Ich habe DEN EINEN Keks aufgegessen.’
chī V essen
chī V essen
le. Zsv.Part Zsv.Part
wán Res.Komp fertig
le. Zsv.Part Zsv.Part
Im Chinesischen ist es im Unterschied zum Vietnameischen, Hmong, Bengalischen, Kantonesischen und Wu-Dialekt nicht zugelassen, dass die bKL-NP als Objekt alleine in der Topikposition erscheint (58a), weil das in die Topikposition versetzte indefinite Objekt das Merkmal [+spezifisch] hat. Dieses Objekt ist mit der Interpretation der bKL-NP nicht kompatibel. Durch Hinzufügung des Existenzmarkers erhält die bKL-NP eine indefinite spezifische Lesart. Ein Beispiel für diese Verwendung ist (58b). Chinesisch (58) a.*塊餅乾我吃了。 *kuài bĭnggān KLStück N.Obj KLStück Keks
wŏ PersPro ich
chī V essen
b. 有塊餅乾我吃了。 Yǒu kuài bĭnggān wŏ Esxist.M KLStück N.Obj PersPro haben KLStück Keks ich ‚Den EINEN Keks, ich habe den gegessen.’
le. Zsv.Part Zsv.Part
chī V essen
le. Zsv.Part Zsv.Part
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(In-)Definitheit, Spezifizität, Generizität und Topik
Die Untersuchung der Distribution und Gebrauchsweise der bKL-NP im Chinesischen hat ergeben, dass die bKL-NP vollständig regelgeleitet und nur in nicht-spezifischen Umgebungen (außer mit Existenzmarker) erscheint. Ihre Distribution sowie die Gebrauchsweise hängen abgesehen von der generischen Verwendung, eng mit der Spezifizitätslesart zusammen.
3.5 Schwache Referentialität Wie bereits in 3.1 erwähnt, bedeutet der Begriff referentiell auf etwas zu referieren. Sowohl definite DP als auch indefinite DP können auf Objekte referieren. Die Referenzobjekte kommen als Nomen vor – oft in Verbindung mit einem Determinator (z.B. im Engl. a book, the book, this book, my book) oder mit einem Pronomen (im Engl. she, that, something) – und sind eindeutig identifizierbar. Sie erfüllen die Uniqueness-/Einmaligkeits-/Unikalitätsbedingung (Russell 1905, Strawson 1950). Referenzeinmalige lassen sich als stark referentielle DPs bezeichnen. Es gibt jedoch auch NPs, die auf kein bestimmtes Referenzobjekt referieren, die Aguilar-Guevara et al. (2014) als weak referential, also ‚schwach referentiell’ bezeichnen. Darunter verstehen sie definite und indefinite DPs, die davon abweichen, einen individuellen Referenten im Common Ground, im gemeinsamen Verständnishintergrund eines Diskurses direkt einzuführen oder aufzugreifen. Um das Phänomen der schwachen Referentialität zu illustrieren, führen Aguilar-Guevara et al. (2014) die folgenden englischen Beispiele (59) an: (59)
a. I’m looking for a book. b. It is new.
(Aguilar-Guevara et al. 2014:2)
In Beispiel (59a) verfügt die indefinite DP a book – wie bereits im Abschnitt 3.1 angesprochen – über zwei Lesarten. Eine davon ist die starke Lesart, also eine indefinite spezifische Lesart. Die andere ist die schwache Lesart, nämlich eine indefinite nicht-spezifische Lesart. In der starken Lesart verweist a book auf ein bestimmtes Buch, während das in der schwachen Lesart als irgendein Buch einer bestimmten Eigenschaft (Inhalts, Titel usw.) interpretiert wird. Nur in der starken Lesart kann Satz (59a) mit (59b) weitergeführt werden. Das Pronomen it übernimmt dann den spezifischen Referenten des vorangehenden Satzes. Die schwache Lesart der DP wird von Aguilar-Guevara et al. (2014:1f.) als schwach referentiell bezeichnet. Jedoch präsupponiert die DP a book die Existenz eines Buches. Es braucht also ein Buch nicht auf ein partikulares, eindeutig identifizierbares Buch zu referieren.
Schwache Referentialität
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Im Deutschen, wie bereits in 3.1 angesprochen, hat die indefinite DP mit dem Artikel ein- auch dieselben zwei Interpretationen: eine spezifische und eine nicht-spezifische Lesart. Die indefinite nicht-spezifische Lesart lässt sich hinsichtlich der Identifizierbarkeit als schwach referentiell ansehen. Diese wird mit dem folgenden Beispiel (60) illustriert. Die DP ein Buch in der schwach referentiellen Lesart kann im Gegensatz zu der referentiellen indefiniten spezifischen Lesart keine weiterführenden Sätze wie (60b) haben. Pronominales es in (60b) müsste die eindeutige Referenz eines Buches wieder aufnehmen. Eine solche referentielle Eindeutigkeit liegt aber in (60a) nicht vor. (60)
a. Ich suche ein Buch. b. Es ist neu.
Weitere schwach referentielle Beispiele finden sich laut Aguilar-Guevara et al. (2014:2) im bloßen, artikellosen Nomen (61) oder im inkorporierten Nomen (62). Unter inkorporiertem Nomen wird hier ein Argument verstanden, das mit einem Verb zusammen eine feste Einheit bildet und keine selbstständige Referenz darstellt. Solche Nomina können nicht auf ein Individuum referieren. Im Vergleich zu (61a) ist das Nomen verset in (61b) ein bloßes Nomen, bei dem die Unterscheidung zwischen Singular und Plural neutralisiert wird. Das inkorporierte Nomen in (62b) steht mit dem Verb in fester Verbindung. Es referiert im Vergleich zu (62a) nicht auf ein Individuum. Ungarisch (61) a. Mari kell olvasson Mari must read.Subj ‚Mari must read a poem.’
egy a
b. Mari verset kell olvasson. Mari poem must read.Subj ‚Mari must read a poem/poems.’
verset. poem.Akk
(Farkas/De Swart 2004:47)
(Farkas/De Swart 2004:47)
Mikronesisch (62) a. Ngoah kohkoa oaring-kai. I grind coconut-these ‚I am grinding these coconuts.’
(Harrison 1976:159)
b. Ngoah ko oaring. I grind coconut ‚I am coconut-grinding.’
(Harrison 1976:159)
82
(In-)Definitheit, Spezifizität, Generizität und Topik
Im Deutschen sind einige entsprechenden Beispiele mit bloßem, artikellosem Nomen (63) und (64a) bzw. mit bloßem Plural (65a) zu finden. (63) (64) (65)
Ich lese jeden Tag Zeitung. a. Sie geht Wäsche waschen. b. Sie geht die Wäsche waschen. a. Er ist am Schuhe zu schnüren. b. Er schnürt die Schuhe.
In diesen drei Beispielen geht es um NPs, die sich auf ein nicht weiter identifizierendes Individuum beziehen. Bei dem artikellosen Nomen in (63) sowie (64a) handelt es sich um eine feste Verwendung33, wie Tee trinken, Fahrrad fahren, Zigarre rauchen, Geige spielen oder Radio hören usw. Die Unterscheidung zwischen Singular und Plural erscheint hier neutralisiert (Aguilar-Guevara et al. 2014:9). In (65a) handelt es sich um den sog. am-Progressiv, bei dem das Andauern der Handlung in den Vordergrund gestellt wird. Die NP Schuhe kann in diesem Fall keine referentielle Bedeutung ausdrücken. Infolgedessen sind diese drei NPs in (63, 64a und 65a) schwach referentiell. Sie alle verlieren die Fähigkeit, einen Referenten in den Diskurs einzuführen. Im Gegensatz dazu referieren DPs in (64b) und (65b) auf bestimmte Wäsche und bestimmte Schuhe. Sie gelten entsprechend als stark referentiell. In Abschnitt 3.3 und 3.4 wurde schon angesprochen, dass die indefinite nichtspezifische DP im Chinesischen mit der KL-NP und der bKL-NP zum Ausdruck gebracht wird. Betrachten wir nun die Beispiele in (66). Chinesisch (66) a. 我在找一本書。 Wŏ zài zhǎo yì běn shū. PersPro Prog.Part V Num KLBand N.Obj ich Prog.Part suchen ein KLBand Buch ‚Ich bin dabei ein bestimmtes/irgendein Buch zu suchen.’ b. 我在找本書。 Wŏ zài zhǎo běn PersPro Prog.Part V KLBand ich Prog.Part suchen KLBand ‚Ich bin dabei irgendein Buch zu suchen.’
shū. N.Obj Buch
33 Diese artikellosen Singulare in Argumentpositionen werden von Dobrovie-Sorin et al. (2006) als Prädikatsmodifizier analysiert.
Schwache Referentialität c. 我在找書。 Wŏ zài PersPro Prog.Part ich Prog.Part ‚Ich bin am Buch suchen.’
zhǎo V suchen
d. 我找了書。 Wŏ zhǎo le PersPro V Pfv.Part ich suchen Pfv.Part ‚Ich habe Buch/Bücher gesucht.’
83
shū. N Buch
shū. N Bücher
Nur wenn die KL-NP im Beispiel (66a) als nicht-spezifisch interpretiert wird, ist sie schwach referentiell. Das Beispiel (66b) enthält ein indefinites nicht-spezifisches Objekt, das ebenfalls schwach referentiell ist. In (66c) drückt das Progressiv aus, dass eine Handlung jetzt gerade im Verlauf ist. Das bloße Nomen in der Objektposition ist im progressiven Satz weder [+definit] noch [–definit]. Sein Numerus ist nicht erkennbar. Beispiel (66d) drückt eine Handlung aus. Was der Agens macht, steht im Vordergrund. Das bloße Nomen referiert auf kein identifizierbares Individuum. Es gibt keine Unterscheidung zwischen Singular und Plural. Aguilar-Guevara et al. (2014:9) haben dieses Phänomen, nämlich die Neutralisierung der Unterscheidung zwischen Singular und Plural, auch unter schwach referentiell eingeordnet. Die Referentialität einer DP spiegelt sich manchmal in der Differenzierung zwischen der schwachen und starken Form des definiten Artikels nach einer Präposition. Nach Schwarz (2009) ist die mit dem bestimmten Artikel verschmolzene Präposition schwach referentiell (vgl. auch Klimek-Cieschinger 2014). Die Form bringt eine nicht-referentielle Lesart zum Ausdruck. So geht es in (67a) mit zum Haus um ein Individuum, das die Eigenschaft Haus erfüllt und als bestimmtes aus einer Menge von Häuser herausgegriffen wird. Dieses Haus wird nicht vom Sprecher eindeutig identifiziert. Ein solches Definitum freilich verhält sich in diesem Fall wie ein Indefinitum. Es kann wie hier wie ein Indefinitum eine schwach referentielle Lesart ausdrücken. Es wird in so einem Fall als schwaches Definitum identifiziert. Die nicht verschmolzene Form (67b) dagegen, also mit starkem Artikel, wird anaphorisch verwendet, wenn die DP einen einmalig gegebenen Referenten im Diskurs wieder aufnimmt. (67)
a. Hans ging zum Haus. b. Hans ging zu dem Haus.
(Schwarz 2009:7) (Schwarz 2009:7)
84
(In-)Definitheit, Spezifizität, Generizität und Topik
Ein weiteres Beispiel für eine nicht eindeutig identifizierbare NP liegt in (68a) vor. Der Satz kann auch bedeuten: ‚Maria ging zu mehr als einem Supermarkt’. Jedoch verschwindet die schwache referentielle Interpretation bei Hinzufügung einer restriktiven Modifikation34 (Carlson et al. 2006:181; Aguilar-Guevara/ Schulpen 2014:237) wie (68b) dargestellt. a. Maria ging zum Supermarkt. b. Maria ging zum größten Supermarkt.
(68)
(Schwarz 2009:72)
Das Präpositionalobjekt in (69a) wiederum referiert auf den gleichen Briefträger. In (69b) bezieht sich das Präpositionalobjekt auf die Existenz eines Briefträgers. Ob es um einen bestimmten Briefträger oder mehrere individuelle Briefträger geht, bleibt ohne Bedeutung. Es könnten unterschiedliche Briefträgerindividuen sein. a. Die Zeitung wird jeden Morgen von dem Briefträger gebracht. (von Heusinger 1997:15) b. Die Zeitung wird jeden Morgen vom Briefträger gebracht. (von Heusinger 1997:15)
(69)
Den Unterschied in der Artikelkritik des Deutschen gibt das Chinesischen in bloßem Nomen und der Konstruktion DemPro(+NUM)+KL+NP wieder. Man vergleiche (70). Chinesisch (70) a. Maria去了超市。 Maria qù le En.Subj V Pfv.Part Maria gehen Pfv.Part ‚Maria ging zum Supermarkt.’
chāoshì. N.Obj Supermarkt
(schwach referentiell)
34 Nach Aguilar-Guevara/Zwarts (2010) und Aguilar-Guevara/Schulpen (2014:237) können nicht alle Adjektive die schwach referentielle Lesart verhindern, z.B. die meisten ‚kind-level adjectives’ (Arten denotierende Adjektive) sind mit der schwachen referentiellen Lesart kompatibel, wie das folgende Beispiel belegen: (i)
Lola went to the psychiatric hospital/the alternative doctor/the organic store and Alice did too. (Lola and Alice could have gone to different hospitals/doctors/stores.) (Aguilar-Guevara/Schulpen 2014:237)
Schwache Referentialität b. Maria去了這一家超市。 Maria qù (le) zhè En.Subj V Pfv.Part Dem Maria gehen Pfv.Part diese ‚Maria ging zu dem/diesem Supermarkt.’
(yì) Num eins
jiā KLLaden KLLaden
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chāoshì. N.Obj Supermarkt (stark referentiell)
Im Chinesischen wird die schwach referentielle Lesart mit einem bloßen Nomen zum Ausdruck gebracht. Im Gegensatz dazu tritt die stark referentielle Lesart mit der Konstruktion DemPro(+NUM)+KL+NP auf. Dazu gibt es noch einen weiteren Sonderfall in den thetischen (All-Rhema-) Sätzen, die auf noch nicht erwähnte Information verweisen. Das indefinite Subjekt im Plural in der schwachen, präsentativen Lesart wird als schwaches Subjekt (engl. ‚weak subject’; Jäger 2001:96) bezeichnet. Dies referiert ebenfalls nicht, weil keine Voraussetzung für Referenz vorliegt. Schwache Subjekte kommen nicht mit dem IL-Prädikat (71a), sondern nur mit dem SL-Prädikat (71b) vor. Daher ist (71a) ungrammatisch. In der thetischen Position im Englischen ist nur die schwach referentielle NP als Subjekt zugelassen. Man vergleiche (72). (71)
a. *There are firemen altruistic. b. There are firemen available.
(72)
There are (*the) firemen in the garden.
(Abraham 2014:4)
Im Deutschen steht ein schwach referentielles Subjekt im rechten Mittelfeld oder in der VP. Wenn das schwache Subjekt aus seiner ursprünglichen Position in eine andere Position versetzt wird, hat es im Allgemeinen eine kontrastive Prosodie (Abraham 32013:606, 2014:4). Man vergleiche (73). Des Weiteren hat Abraham (32013:606) darauf aufmerksam gemacht, dass das schwache Subjekt in SpezCP stehen kann, nur wenn es prosodisch markiert ist. (73)
a. Es sind momentan (die) Feuerwehrleute im Garten. b. #(Die)35 Feuerleute sind momentan im Garten.
(Abraham 2014:4)
Wie bereits in 3.3 erwähnt, kennzeichnet die existenz-bezeichnende Markierung yǒu 有 vor dem bloßen Nomen die thetischen Sätze. Diese indefinite DP als Subjekt wird als schwach referentiell angesehen, weil sich keine Existenzpräsupposition
35 Die Konstruktion in diesem Satz sollte hier ungrammatisch sein, gesetzt die Annahme, es liegt keine gesonderte Betonung auf dem die.
86
(In-)Definitheit, Spezifizität, Generizität und Topik
annehmen lässt und keine Voraussetzung für Referenz gegeben ist. Man vergleiche (74). Chinesisch (74) a. 有消防員目前在花園裡。 Yǒu xiāofángyúan mùqián zài Exist.M N.Subj Adv P haben Feuerwehrleute momentan in ‚Es sind momentan Feuerwehrleute im Garten.’ b. 目前有消防員在花園裡。 Mùqián yǒu xiāofángyúan zài Adv Exist.M N.Subj P momentan haben Feuerwehrleute in ‚Momentan sind die Feuerwehrleute im Garten.’
huāyúan N Garten
huāyúan N Garten
lǐ. Post.P innen
lǐ. Post.P innen
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass schwach referentielle NPs nicht auf ein eindeutig identifizierbares Individuum referieren. Sie kommen im Deutschen bei den schwachen Subjekten und den bestimmten Objekten bzw. Präpositionalobjekten vor. Sie können mit indefiniten nicht-spezifischen Nomina und den bloßen Nomina im Singular und Plural zum Ausdruck kommen. Im Chinesischen kommen sie je nach ihrer Stellung in Form von ein+KL+NP, bKL-NP und bloßem Nomen vor.
3.6 Definitheit/Indefinitheit und Semantik Nach den Ausführungen der letzten Abschnitte dürfte deutlich geworden sein, dass definite und indefinite NPs nicht nur eine einzige Bedeutung haben, sondern dass sie verschiedene Klassen bilden. Diese sollen in den folgenden Abschnitten beschrieben werden.
3.6.1 Definitheit und Semantik Wie bereits in Abschnitt 3.3 angesprochen, können im Chinesischen die bloßen Nomina und die Konstruktionen DemPro(+NUM)+KL+NP und DemPro+NP Definitheit ausdrücken. In der Folge stellt sich jedoch die Frage, welche Verwendungsbedingungen ausschlaggebend für die jeweiligen Konstruktionen sind und ob diese Konstruktionen in komplementärer Verteilung stehen. Einige Linguisten haben bereits die Unterscheidungskriterien für die Verwendungsweise zum Auftreten der definiten DPs vorgeschlagen, z.B. Hawkins (1978) sowie Lyons (1999) im Englischen, Chen (2004) im Chinesischen und Simpson et al. (2011)
87
Definitheit/Indefinitheit und Semantik
im Kantonesischen, Vietnamesischen, Hmongischen und Bengalischen. Lyons (1999) hat eine Reihe von Sätzen mit definiten DPs im Englischen angeführt und diese mit den Kriterien Identifizierbarkeit, Anaphorizität, Deixis, Sichtbarkeit, Assoziation, Familiarität usw. analysiert. Chen (2004) geht von der Relation zwischen Definitheit und Identifizierbarkeit aus. Simpson et al. (2011) hat die Auffassungen von Lyons (1999) und Chen (2004) zusammengefasst und auf fünf Kategorien reduziert: Sichtbarkeit, Identifizierbarkeit, Assoziation, Kontext, Einmaligkeit. Jedoch sind diese fünf Kategorien für das Chinesische nicht vollständig geeignet. Nach meiner muttersprachlichen Einsicht ins Chinesische lässt sich Definitheit bezüglich der Anaphorizität, Einmaligkeit, Identifizierbarkeit und Deiktizität in folgenden Kategorien unterteilen: (A) Diskurs-anaphorische definite Lesart (B) Einmaligkeitseigenschaft im Weltwissen (C) Eindeutige Identifizierbarkeit für Sprecher und Hörer (D) Direkt deiktische Lesart (E) Assoziativ-anaphorische definite Lesart oder Inferenz. Ich gehe auf jede dieser Klassen im Einzelnen ein. (A) Diskurs-anaphorische definite Lesart: Um auf eine vorangehende DP zu verweisen, werden im Chinesischen neben dem Personalpronomen das bloße Nomen und die Konstruktion DemPro(+NUM)+KL+NP verwendet, wobei zhè這 ‚diese’ oder nà那 ‚jene’ als Demonstrativpronomen fungieren. In dieser Lesart gibt es keinen Unterschied mit oder ohne Numerale. Zhè這 referiert bevorzugt auf ein Referenzobjekt, das gerade in den Diskurs eingeführt wird, während sich nà那 auf einen entfernteren Referenten, der früher im Diskurs vorkommt (vgl. Chen 2004:1152). Betrachten wir zunächst die folgenden Beispiele (75). Chinesisch (75) a. 我昨天上午買了一條魚在家吃。 Wǒ zuótiān shàngwǔ mǎi PersPro Adv Adv V Ich gestern Vormittag kaufen zài P in
jiā N Haus
le yì Pfv.Part Num Pfv.Part eins
tiáo KLFisch KLFisch
yú N.Obj Fisch
chī. V essen
b. 後來就去見一位朋友。 Hòulái jiù qù Adv Adv V danach gleich gehen
jiàn V besuchen
yí Num eins
wèi KLPerson KLPerson
péngyŏu. N.Obj Freund
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(In-)Definitheit, Spezifizität, Generizität und Topik c. 這(一)位朋友問我:那(一)條魚貴嗎。 Zhè (yí) wèi péngyŏu wèn wǒ: nà (yì) tiáo yú Dem Num KLPerson N.Subj V PersPro Dem Num KLFisch N.Subj Diese eins KLPerson Freund fragen mich jene eins KLFisch Fisch gùi ma. Adj.V Fr.Part teuer Fr.Part d. 朋友問我:魚貴嗎。 Péngyŏu wèn wǒ: N.Subj V PersPro Freund fragen mich
yú N.Subj Fisch
gùi Adj.V teuer
ma. Fr.Part Fr.Part
‚Ich habe gestern Vormittag einen Fischi gekauft und ihn zu Hause gegessen. Danach habe ich einen Freundj besucht. Dieserj/DERj (Freund) hat mich gefragt, ob jeneri/deri Fisch teuer war.
In (75c) referiert zhè這 auf das Objekt in (75b), während nà那 in sich auf das Subjekt in (75a) bezieht. Die beiden Numeralia in (75c) können ohne weiteres ausgelassen werden. Man kann aber auch bloße Nomina als Anapher verwenden. Man vergleiche (75d). Im Vergleich zum Chinesischen wird diese anaphorische/rückverweisende Verwendungsweise im Deutschen nach Abraham (2002, 2007a) mit Personalpronomen, Demonstrativpronomen(+NP), betontem Artikelpronomen (ArtPro; nämlich ein Artikel wird als Pronomen verwendet) und definitem Artikel+NP zum Ausdruck gebracht (detailliertes unter Kapitel 4). Man vergleiche die folgenden Beispiele aus Abraham (2007a:22): (76)
a. Nicht alle, nur DER/*der ist ein Gauner. b. DIESER/Dieser hat das auf dem Gewissen. c. ER/Er hat das auf dem Gewissen. d. Der Gauner ist ER.
ArtPro DemPro PersPro Def(initer) Art(ikel)
(B) Einmaligkeitseigenschaft im Weltwissen: Wenn es sich um einen Verweis auf das Einmaligkeitseigenschaft von einer definiten DP im textexternen Weltwissen (77) handelt, wird im Deutschen der definite Artikel+NP verwendet, während das Chinesische das bloße Nomen verlangt, wie die folgenden Beispiele belegen:
Definitheit/Indefinitheit und Semantik
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Chinesisch (77) a. 總統死了。 Zŏngtŏng sĭ le. N.Subj V Zsv.Part Präsident sterben Zsv.Part ‚Der Präsident ist gestorben.’ b. 太陽早上六點升起。 Tàiyáng zăoshàng lìu diăn N Adv Num N Sonne morgen sechs Uhr ‚Die Sonne geht um sechs Uhr morgens auf.’
shēngqĭ. V aufgehen
(C) Eindeutige Identifizierbarkeit für Sprecher und Hörer: Wenn der Sprecher über ein im Weltwissen nicht einmaliges, aber für Hörer eindeutig identifizierbares Referenzobjekt sprechen möchte und das Referenzobjekt nicht in dem laufenden Diskurs schon erwähnt wurde, benutzt man im Chinesischen bevorzugt das bloße (artikellose) Nomen und im Deutschen definiten Artikel+NP. In diesem Fall spielt es keine Rolle, ob das Referenzobjekt zu sehen ist, wie z.B. in (78). Das Auto und der Schlüssel fungieren hier als Topik-über. Chinesisch (78) 車/鑰匙在哪? Chē/Yàoshi zài nă? N N P Fr.Part Auto/Schlüssel in wo ‚(A und B sind in einem Parkplatz. A fragt B:) Wo ist das Auto/der Schlüssel?’
Zusätzlich führe ich die Beispiele (79) an, in dem der Sprecher einen für sich bestimmten und (nach der Ansicht des Sprechers) vom Hörer identifizierbaren Hammer möchte, selbst wenn der Hörer wahrscheinlich nicht in der Lage ist den Hammer zu identifizieren. In diesem Fall wird im Deutschen ebenfalls definiter Artikel+NP und im Chinesischen das bloße Nomen verwendet, wobei das Referenzobjekt im Chinesischen in die Topik-über-Position versetzt wird. Chinesisch (79) 把鐵鎚給我。 Bă tĭechuí gĕi Part N V Part Hammer geben ‚Gib mir den Hammer.’
wŏ. PerPro mir
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(In-)Definitheit, Spezifizität, Generizität und Topik
(D) Direkt deiktische Lesart: Ist die Referenz sichtbar, kann man im Chinesischen bloßes Nomen wie das Beispiel (79) oder die Konstruktionen DemPro(+NUM)+KL+NP bzw. DemPro+NP benutzen. Im Deutschen werden DemPro+NP und definiter Artikel+NP eingesetzt. Diese Verwendungsweise ist die sog. direkt deiktische Lesart. Man vergleiche dazu (80a, b, c). Chinesisch (80) a. 把這/那(一)個鐵鎚給我。 Bă zhè/nà (yí) ge Part Dem/Dem Num KLStück Part diese/jene eins KLStück ‚Gib mir diesen/jenen Hammer.’
tĭechuí N Hammer
b. 給我這/那(一)個鐵鎚。 Gĕi wŏ zhè/nà V PersPro Dem/ Dem geben mir diese/jene ‚Gib mir diesen/jenen Hammer.’
(yí) Num eins
c. 給我這/那鐵鎚。 Gĕi wŏ zhè/nà V PersPro Dem/ Dem geben mir diese/jene ‚Gib mir diesen/jenen Hammer.’
tĭechuí. N Hammer.
ge KLStück KLStück
gĕi V geben
wŏ. PersPro mir
tĭechuí. N Hammer.
(E) Assoziativ-anaphorische definite Lesart oder Inferenz: Wenn die definite Bedeutung der Referenz aus einer Assoziation mit einer anderen Entität resultiert, die schon im Diskurs genannt wurde. Diese Verwendung wird auch als indirekte anaphorische Lesart oder Bridging (dt. Brückenbildung) genannt (vgl. Lyons 1999:272). Hier im Beispiel (81): Es ist eindeutig, von welcher Braut die Rede ist, nämlich die Braut, auf deren Hochzeit wir gestern waren. In diesem Fall sind im Chinesischen die Konstruktion nà那(+NUM)+KL+NP (81b) und bloße Nomina (81c) möglich, während im Deutschen die indirekte Anapher lediglich mit Demonstrativpronomen oder definitem Artikel+NP ausgedrückt werden kann. Chinesisch (81) a. 昨天我們去了一個婚禮, Zúotiān wŏmén qù le Adv PersPro V Pfv.Part Gestern wir gehen Pfv.Part ‚Wir sind gestern zu einer Hochzeit gegangen.’
yí Num ein
ge KLStück KLStück
hūnlĭ. N Hochzeit
Definitheit/Indefinitheit und Semantik b. 那(一)個新娘很漂亮。 Nà (yí) ge xīnniáng hĕn Dem Num KLStück N Adv jene eins KLStück Braut sehr ‚Jene Braut/Die Braut dort war sehr schön.’
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piàoliàng. Adj schön
c. 新娘很漂亮。 Xīnniáng hĕn piàoliàng. N.Subj Adv Adj Braut sehr schön ‚Die Braut war sehr schön.’
Bezüglich des Kriterium Anaphoriztät werden DemPro(+Num)+KL+NP im Chinesischen und DemPro (+NP), ArtPro und definiter Artikel+NP bei der diskurs- und assoziativ-anaphorischen Lesart verwendet. Bei dem Einmaligkeitseigenschaft im Weltwissen und der Identifizierbarkeit lassen sich das bloße Nomen im Chinesischen und definiter Artikel+NP im Deutschen einsetzen. Im Chinesischen sind das bloße Nomen, DemPro(+Num)+KL+NP und DemPro+NP nur in der direkt deiktischen Lesart funktionsidentisch. Im Deutschen kommen DemPro+NP und definiter Artikel+NP in der direkt deiktischen Lesart vor. Sowohl im Deutschen als auch im Chinesischen sind die Verteilungen der jeweiligen definiten Konstruktionen nicht komplementär.
3.6.2 Indefinitheit und Semantik Indefinitheit wird einerseits hinsichtlich der Identifizierbarkeit für Sprecher und bei der neu im Diskurs eingeführten Referenz verwendet. D.h. es ist irrelevant, ob der Hörer Vorwissen zur Verfügung hat. Im Deutschen wird sie mit dem unbestimmten Artikel ein- zum Ausdruck gebracht. Im Chinesischen sind yi一 (eins)+KL+NP oder bKL-Konstruktion die Kodierungsmittel der Indefinitheit. (A) Spezifizität für Sprecher: Wenn das Referenzobjekt ein im Weltwissen nicht einmaliges und aber für Sprecher spezifisches Referenzobjekt ist, benutzt man in Rhema die Konstruktion yi一(eins)+KL+NP (82a). Wird sie ins Topik-über-Position versetzt, muss ein Existenzmarker yǒu有 vor ihr hinzugefügt werden, wobei das Numerale weggelassen werden kann. Man vergleiche (82b).
92
(In-)Definitheit, Spezifizität, Generizität und Topik
Chinesisch (82) a. 住在台灣十年的是一個德國人。 Zhù zài Táiwān shí V P En Num wohnen in Taiwan zehn
nián N Jahre
de Attr.Part Attr.Part
shì KV sein
yí Num eins
ge dégúorén. KLStück N KLStück Deutsche(r) ‚Derjenige, der in Taiwan zehn Jahre gewohnt hat, ist ein Deutscher.’ b. 有(一)個德國人在台灣住了十年了。 Yǒu (yí) ge dégúorén zài Exist.M Num KLStück N P haben ein KLStück Deutsche in
Táiwān En Taiwan
zhù V wohnen
le Pfv.Part Pfv.Part
shí nián le. Num N Zsv. Part zehn Jahr Zsv. Part ‚Ein (bestimmter) Deutscher hat in Taiwan zehn Jahre gewohnt.’
(B) Nicht-Spezifizität für Sprecher (Schwache Referenz, vgl. Abschnitt 3.5): Wenn der Sprecher über ein im Weltwissen nicht einmaliges sondern ein beliebiges Objekt einer Klasse sprechen möchte, könnte entweder yi一 ‚eins’+KL+NP oder bKL-Konstruktion im Rhema als Kodierungsmittel fungieren (83a), wobei sich die bKL-Konstruktion im Chinesischen nicht mit der bă把-Konstruktion, nicht mit dem telischen Resultatkomplement wán 完 und nicht mit der perfektive Partikel le了kombinieren kann (vgl. Abschnitt 3.3 und 3.4). Sobald yi一 ‚eins’+KL+NP mit diesen drei Elementen oder im Topik mit dem Existenzmarker yǒu有 in Kokonstruktion tritt, lässt sie sich nur als indefinit spezifisch lesen (82b). Chinesisch (83) a. Kai想買(一)件襯衫。 Kai xiǎng mǎi (yí) jiàn chènshān. En.Subj MV V Num KLKleidung N.Obj Kai möchten kaufen eins KLKleidung Hemd ‚Kai möchte ein Hemd kaufen.’ (Rhema, nicht-spezifisch)
Zusammenfassung des Kapitels
93
b. 有(一)件襯衫Kai很想買。 Yǒu (yí) jiàn chènshān Kai hěn xiǎng mǎi. Exist.M Num KLKleidung N.Obj En.Subj Adv MV V haben eins KLKleidung Hemd Kai sehr möchten kaufen ‚Ein bestimmtes Hemd möchte Kai sehr gerne kaufen.’ (Topik, spezifisch)
Ein weiterer Fall findet sich in (84), wobei das sog. schwache Subjekt in diesem All-Rhema Satz durch ein bloßes Nomen mit Hinzufügung des Existenzmarkers realisiert wird. Das Subjekt referiert nicht auf ein identifizierbares Individuum sondern weist nur auf die Existenz des Referenzobjekts hin. Chinesisch (84) 有人想買鋼琴。 Yǒu rén xiǎng Exist.M N.Subj MV haben Person möchten ‚Jemand will ein Klavier kaufen.’
mǎi V kaufen
gāngqín. N.Obj Klavier
(numerusneutral, nicht-spezifisch, thetischer Satz)
Die obige Darstellung hat gezeigt, dass Nicht-Spezifizität eines Element einer Klasse im Chinesischen über yi一 (eins)+KL+NP, bKL-Konstruktion und bloßes Nomen als schwaches Subjekt und im Deutschen über den indefinite Artikel im Rhema und das indefinite Subjekt im Plural kodiert wird, während Spezifizität eines Referenzobjekts im Chinesischen nur mit yi一 (eins)+KL+NP und im Deutschen mit ein- zum Ausdruck gebracht. yi一 (eins)+KL+NP, bKL-Konstruktion und bloßes Nomen stehen nicht in komplementärer Verteilung.
3.7 Zusammenfassung des Kapitels In diesem Kapitel ließ sich feststellen, dass der Klassifikator im Chinesischen kein Kodierungsmittel von Definitheit ist, wie Wu/Bodomo (2009:488) behaupten. Somit kann er, wie wir gezeigt haben, keine anaphorische Funktion übernehmen. Der Klassifikator alleine steht nur bei indefiniten nicht-spezifischen NPs, nämlich mit schwacher Nominalreferenz in Zusammenhang. Darüber hinaus sind Definitheit, Spezifizität und Referentialität drei verschiedene Merkmale. NPs müssen über Kreuzklassifikation aus diesen drei Merkmalen analysiert werden. Eine wichtige Einsicht ist dabei, dass definite NPs nicht unbedingt immer vom Sprecher und Hörer identifizierbar sein müssen. Sie können auch nicht-referentiell oder nicht-spezifisch sein. Des Weiteren kann Generizität im Deutschen sowohl mit indefiniten als auch definiten NPs
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(In-)Definitheit, Spezifizität, Generizität und Topik
zum Ausdruck gebracht werden. Im Chinesischen verbindet sie sich jedoch ausschließlich mit dem bloßen Nomen. Das Chinesische ist eine Topiksprache, und entsprechend wird SVO im Allgemeinen als Grundsatzgliedstellung angenommen. Das Subjekt hat die Tendenz zu Topikstatus, aber das Topik muss nicht identisch mit dem Subjekt sein, sondern kann von den anderen Satzgliedern, je nachdem was man als Hintergrundinformation vermitteln will, übernommen werden. Die TRG ist für Serialisierung der Satzglieder im Deutschen und im Chinesischen entscheidender als SVO-Stellung. Im Chinesischen kann ein bloßes Nomen als Subjekt in Topik-über-Position sowohl als definit als auch generisch interpretiert werden. In diesem Fall muss Definitheit des Subjekts mittels des verbalen Aspekts kodiert werden. Im Deutschen kann entweder ein Mengennomen oder ein Nullpluralsubjekt in Form eines bloßen Nomen in dieser Position erscheinen. Dabei kann das bloße Mengennomen hier nur generische Lesart darstellen, während das Nullpluralsubjekt entweder indefinit oder generisch verwendet wird. Die beiden Lesarten müssen mittels des SL- und IL-Prädikats von einander getrennt werden. Als Objekt im Rhema ist die Lesart der bloßen Nomina im Chinesischen schwach referentiell, während bloße Nomina in der präverbalen Stellung (unabhängig davon, ob sie im Topik stehen) definit sind. Im Deutschen kommen bloße Nomina als Objekt im Rhema in der festen Verwendung oder beim am-Progressiv vor und sind ebenfalls schwach referentiell, während sie im Thema auch als schwach referentiell verwendet werden. Chinesische DPs mit NUM+KL+N haben das Merkmal [–definit]. Die chinesische Konstruktion NUM+KL+NP als Subjekt und Objekt kann allerdings immer nur indefinit aufgefasst werden. In der Topik-über-Position muss sie mit dem Existenzmarker vorkommen und kann je nach SLP und ILP indefinit spezifisch oder indefinit nicht-spezifisch sein, während sie als Objekt in der Defaultstellung (unmarkierten Abfolge) [±spezifisch] sein kann. Die chinesische Konstruktion NUM+KL+NP kann auch mit der Partikel bǎ 把 zusammen vorkommen, wobei sie sich indefinit spezifisch liest, während sie ohne bǎ 把 zu beiden Lesarten indefinit spezifisch und indefinite nicht-spezifisch führen könnten.
Zusammenfassung des Kapitels
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Die indefinite nicht-spezifische bKL-NP im Chinesischen kommt als Objekt nur im Rhema vor, weil die OSV-Stellung nur dann möglich ist, wenn das vorangestellte Objekt spezifisch ist. Deshalb muss vor der nicht-spezifischen bKL-NP im Topik-über ein Existenzmarker yǒu 有 eingesetzt werden. Nach Einsetzung eines Existenzmarker yǒu 有 kann die bKL-NP als Objekt das Merkmal [+spezifisch] bekommen. Die Distribution von chinesischer Num+KL+NP- und bKL-Konstruktion erweist sich als nicht komplementär. Tendenziell kodiert bKL-NP indefinite nicht spezifische NPs. Die Num+KL+NP kann aber sowohl indefinit spezifisch als auch indefinit nicht spezifisch darstellen. Die chinesischen Konstruktionen DemPro+NUM+KL+NP, DemPro+KL+NP und DemPro+ NP sind als Subjekt und Objekt immer definit. Chinesische DemPro+NUM+KL+NP und DemPro+KL+NP können sowohl anaphorisch als auch direkt deiktisch verwendet werden. Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Konstruktionen liegt darin, dass DemPro+NUM+KL+NP die Lesart x (= NUM) von mehreren einschließt. Die Konstruktion DemPro+NP bringt nur die direkt deiktische Bedeutung zum Ausdruck. Des Weiteren war zu zeigen, wie schwache Referentialität im Deutschen und im Chinesischen zum Ausdruck gebracht wird. Schwach referentielle DPs präsupponieren die Existenz eines Referenzobjekts, aber sie referieren nicht auf ein identifizierbares Individuum. Somit können sie keinen Diskursreferenten einführen. Eine schwach referentielle Lesart ist nur existent bei Objekten bestimmter Verben und Präpositionen und bei schwach referentiellen Subjekten. Sie kommen in Form von indefiniten nicht-spezifischen Nomina und bei den bloßen Nomina im Singular und Plural vor, wobei bei den bloßen Nomina die Opposition Singular vs. Plural neutralisiert ist. Bei den Präpositionalobjekten verlangt die mit dem Artikel verschmolzene Präposition eine schwache referentielle Lesart. Die nicht-verschmolzene Form dagegen ist stark referentiell. Das indefinite Subjekt im thetischen Satz wird ebenfalls als schwaches Subjekt klassifiziert. Es kommt im Deutschen mit dem SL-Prädikat im rechten Mittelfeld oder in der VP vor. Wird es in SpezCP versetzt wird, dann kommt eine prosodische Markierung immer mit dazu. Die definiten Nomina sind schwach referentiell nur in einer generischen Lesart möglich. Um einen Überblick über die Definitionen der Referenzstärke zu geben, fasse ich alle Faktoren in den folgenden Tabellen Abb.3 noch einmal zusammen.
96
(In-)Definitheit, Spezifizität, Generizität und Topik
Starke Referentialität Schwache Referentialität identifizierbares Individuum: der Gauner kein identifizierbares Individuum (die Existenz eines Referenzobjekts ist präsupponiert): ein Gauner indefinite spezifische DP: ein Gauner aus indefinite nicht-spezifische DP: (irgend)ein Wien Gauner nicht mit dem Artikel verschmolzene mit dem Artikel verschmolzene Präposition: *zu dem (Schließen) Präposition: OKzum (Schließen) – bloße Nomina (die Opposition Sg. vs. Pl. ist neutralsiert): (die/*eine)Ehre ≠*(die) Ehre der Katharina – indefinites positionsinvertiertes Subj. im thetischen Satz): Es ist ein Mann im Garten. Abb. 3 Faktoren starker und schwacher Referentialität
Im Chinesischen wird das postverbale Objekt mit bloßem Nomen meistens als schwach referentiell interpretiert und ist numerusneutral. In der Subjektposition muss das schwach referentielle bloße Nomen mit dem Existenzmarker gekennzeichnet werden. Die Konstruktion ein+KL+NP in einer postverbalen Position kann über die indefinite nicht-spezifische Lesart verfügen. In diesem Fall ist sie schwach referentiell. Die indefinite nicht-spezifische bKL-NP in der postverbalen Position ist ebenfalls schwach referentiell. Die funktionale Abgrenzung zwischen bloßem Nomen und DemPro(+yi一’eins’)+KL+NP besteht darin, dass das bloße Nomen die schwache bzw. generische Referenz und DemPro(+yi一’eins’)+KL+NP starke Referenz zum Ausdruck bringen kann. Starke und schwache Nominalreferenzen im Deutschen und Chinesischen lassen sich hinsichtlich der Topik- oder Rhemaposition in folgender Tabelle (Abb. 4) unter Verweis auf die Beispielsätze übersichtlich darstellen und vergleichen:
97
Zusammenfassung des Kapitels
Deutsch
Starke Referenz
Position Topik
Rhema
Schwache Referenz
Starke Referenz
Topik
Rhema
Schwache Referenz
indefinit Indef(Art)+NP (3-14b)
Def(Art)+NP im PL (3-73a) Verschmolzene PO (3-19, 67a, 69b) DemPro+(yi)+KL+NP (36a, b, 44d) DemPro+NP (36f, 45d) bN (3-31) Bă-Konstruktion (41c) DemPro+(yi)+KL+NP (3-44a, b, 70b) DemPro+NP (45a) Bă-Konstruktion (3-41b)
Indef(Art)+NP (3-14, 17a, 60b) bN im PL (3-15a)
Rhema
Indef(Art)+NP (3-18a, 60b) Indef(Art)+NP im PL (3-73a)
bN+PFV.PART (66d, 70a)
bN im SG bei MN (3-16b, 23, 62,64a) bN im PL (3-22d, 25a, b, 65a, 73b) Def(Art)+NP (3-22a, b, 24) Indef(Art)+NP (3-22c) bN im SG (3-63, 64a) bN im PL (3-65a)
EXIST.M+yi(eins)+ KL+NP (3-33a, b) EXIST.M+bKL (3-34a, b, 58b) Bă-Konstruktion (43e) yi(eins)+KL+NP (3-66a, 56a) Bă-Konstruktion (43d) EXIST.M+bN
Topik
generisch
bN im PL (3-15b)
Topik
Rhema
Chinesisch
definit Def(Art)+NP (3-6) Eigenname (3-7) PersPro (3-8) DemPro+NP (3-9) PossPro+NP (3-10) Genitiv+NP(3-11) Def(Art)+NP (3-64b, 65b) Nicht-verschmolzene PO (3-20, 67b)
(3-32, 74a) yi(eins)+KL+NP (3-66a) bKL+NP (3-66b)
bN (3-29) bN (3-66c) Bă-bN (3-42)
Abb. 4 Starke und schwache Nominalreferenz
Ferner fasse ich die semantischen Kategorien von definiten und indefiniten NPs zusammen, die jeweils in verschiedenen Formen vorkommen:
98
(In-)Definitheit, Spezifizität, Generizität und Topik Semantik Diskurs-anaphorische definite Lesart
Definit
Deutsche Beispiele ArtPro (3–76a) DemPro (3–76b) PerPro (3–76c) Def(Art)+NP (3–76d)
Einmaligkeitseigenschaft Def(Art)+NP (3–77a, b) im Weltwissen Eindeutige Def(Art)+NP (3–78, 79) Identifizierbarkeit für Sprecher und Hörer DemPro+NP Direkt deiktische Lesart (3–80a, b, c) Assoziative anaphorische definite Lesart oder Inferenz Spezifizität für Sprecher
Indefinit Nicht-Spezifizität für Sprecher
DemPro+NP (3–81b) Def(Art)+NP (3–81b) Indef(Art)+NP (3–82a, b) Indef(Art)+NP (3–83a) NP im Plural (3–84)
Chinesische Beispiele DemPro(+Num)+KL+NP (3–75c) bloßes Nomen (3–75d) bloßes Nomen (3–77a, b) bloßes Nomen (3–78, 79) DemPro(+Num)+KL+NP (3–80a, b) DemPro+NP (80c) nà(+Num)+KL+NP (81b) bloßes Nomen (81c) yi(eins)+KL+NP (82a) Exist.M+yi(eins)+KL+NP (82b) yi(eins)+KL+NP (83a) bKL-NP (83a) Exist.M+bloßes Nomen (3–84)
Abb. 5 Semantischen Kategorien von definiten und indefiniten NPs
Um einen abschließenden Überblick darüber zu geben, fasse ich alle möglichen Konstruktionen der NPs im Chinesischen im Bezug auf Serialisierung und ihre Merkmale in den folgenden Tabellen, Abb. 6 und Abb. 7 und unter Verweis auf die exemplarischen Illustrationen in der letzten Spalte noch einmal zusammen. Subjekt = Topik-über bN EXIST.M+bN NUM+KL+NP EXIST.M+ NUM+KL+NP bKL-NP EXIST.M+bKL+NP DemPro+NUM+KL+NP DemPro+KL+NP DemPro+N
Stellung Merkmale SVO [+definit], [–Numerus], [+spezifisch] [+generisch] SVO [–definit], [–Numerus], [–spezifisch], [+schwach referentiell] SVO [-definit], [+Numerus], [–spezifisch] SVO [-definit], [+Numerus], [±spezifisch] SVO Nicht möglich SVO [-definit], [+Numerus], [±spezifisch] SVO [+definit]/[+direkt deiktisch], [+Numerus] SVO [+definit]/[+direkt deiktisch], [+Numerus] SVO [+definit], [+direkt deiktisch], [+Numerus]
Abb. 6 Das Subjekt als Topik in SVO-Stellung
Beispiele (3–28, 30, 31) (3–29) (3–32) (3–35a,b) (3–33a, b) (3–34a, b) (3–36a, b, c) (3–36d) (3–36f)
99
Zusammenfassung des Kapitels Objekt
bN
EXIST.M+bN NUM +KL+NP EXIST.M+ NUM +KL+NP
bKL-NP EXIST.M+ bKL+NP
Stellung
Position
SVO
Rhema
(3-41b)
(3-39, 40, 44)
Rhema
[+definit] [+generisch]
(3-42)
OSV
Topik-über
[+definit], [+spezifisch], [–Numerus]
(3-41a)
OV
Topik-über
[+definit], [+spezifisch], [–Numerus]
(3-41c)
OSV
Topik-über
SVO
Rhema
[–definit], [±spezifisch], [+Numerus], [±schwach referentiell]
(3-37a, 38)
SOV mit BA
Rhema
[–definit], [+spezifisch], [+Numerus]
(3-43d)
OV
Topik-über
[–definit], [+spezifisch], [+Numerus]
(3-43e)
OSV
Topik-über
[–definit], [+Numerus], [+spezifisch]
(3-43c)
SVO
Rhema
[–definit], [+Numerus], [–spezifisch], [+schwach referentiell]
(3-54)
SOV mit BA
Rhema
OSV
Topik-über
OSV
Topik-über
[–definit], [+Numerus], [+spezifisch]
(3-58b)
SVO
Rhema
[+definit]/[±direkt deiktisch], [+Numerus]
(3-44a,b)
SOV mit BA
Rhema
[+definit]/[±direkt deiktisch], [+Numerus]
(3-44c,e)
OSV
Topik-über
[+definit]/[±direkt deiktisch], [+Numerus]
(3-44d)
SVO
Rhema
[+definit], [+direkt deiktisch]
(3-45a)
SOV mit BA
Rhema
[+definit], [+direkt deiktisch]
(3-45b)
OS mit BA
Topik-über
[+definit], [+direkt deiktisch]
(3-45c)
OSV
Topik-über
[+definit], [+direkt deiktisch]
(3-45d)
NP
DemPro+N
Beispiel
Rhema
SOV mit BA
DemPro (+NUM)+KL+
Merkmale [-definit], [-indefinit], [–Numerus], [+schwach referentiell], [+generisch]
Abb. 7 Das Objekt in SVO-, SOV- und O(S)V-Stellung
4 Anaphorische Funktion der Determinatoren Nach Abraham (2007a) hat der Determinator ein starkes Diskursmerkmal, weil er bereits vorhandene definite Referenz kennzeichnen kann. Wie bereits in 3.6.1 erwähnt verfügen im Deutschen Personal-, betonte Artikel-, Demonstrativpronomina und definiter Artikel+NP im Diskurs über eine anaphorische/ rückverweisende Funktion (siehe auch Abraham 2002). Diese rückverweisende Funktion ist anders als die Bindungstheorie der generativen Grammatik geregelt (Chomsky 71993:188, unter Prinzip A der,binding theory‘: „An anaphor is bounded in its governing category.“). Dieser Regelung zufolge befindet sich das Antezedens der Anapher in demselben Satz wie die Anapher selbst und erscheint vor der Anapher. D.h. Anaphern sind im Sinne der Generativen Grammatik im Deutschen jene Reflexiv- und Reziprokpronomina bzw. das Possessivum z.B. sich, mich oder sein, im Englischen die Reflexivpronomina himself, themself usw. oder im Chinesischen zìjǐ 自己 ‚selbst’, die mit dem Subjekt in Koreferenzbeziehung stehen. Man vergleiche (1) und (2). Im vorliegenden Kapitel handelt es sich um die Pronomina unter Zentrierungstheorie (‚Centering-Theorie’)36, die sich mit den satzübergreifenden anaphorischen Beziehungen im Diskurs befasst. Diese Beziehung bezeichnet Bühler (1934/1982:388f.) als syntaktisches Zeigen. (1)
a. Anna entscheidet sich, [pro Kai zu besuchen]. b. Peter redet mit sich selbst. c. Peter talks to himself.
Chinesisch (2) 他跟自己說話。 Tā gēn zìjǐ PersPro P RefPro Er mit sich ,Er redet mit sich selbst.’
shuōhuà. V reden
Im artikellosen Chinesischen muss jedoch die Diskursfunktion der Artikelpronomina von anderen Elementen übernommen werden. Cheng/ Sybesma (1999:518, 2005, 2012) nehmen an, dass der Klassifikator im Chinesischen (sowohl im Mandarinchinesischen als auch im Kantonesischen) die
36 Seit den 90er Jahren wird die Zentrierungstheorie vor allem in der Computerlinguistik angewendet. Zu Zentrierungstheorie siehe Walker/Joshi/Prince 1998.
102
Anaphorische Funktion der Determinatoren
(vorerwähnt-)anaphorische Funktion übernimmt und äquivalent mit einem definiten Artikel ist. In language with articles/determiners, the deictic function in the nominal phrase is taken care of by the article/determiner. However, this should not lead one to conclude that if a language has no articles/determiners, no element performs the deictic function. If the description/referring dichotomy is indeed part of Universal Grammar, then if a language has no articles/determiners, some other element in the language muss perform the deictic function. We suggest that in Chinese Cl0 performs some of the functions performed by D0, including the deictic function. (Cheng/Sybesma 1999:518)
Allerdings habe ich in Kapitel 3 schon gezeigt, dass der Klassifikator alleine nur als schwach referentielle Lesart interpretiert werden kann. D.h. er präsupponiert die Existenz der Diskursreferenten, es liegt aber kein für Sprecher identifizierbares Referenzobjekt vor. Es stellt sich die Frage, was anstatt der Artikelpronomina als Anapher fungieren kann. Im vorliegenden Kapitel soll die Thema-Rhema-Gliederung im Deutschen und Chinesischen untersucht werden. Ziel dieses Kapitels ist es, eine Gegenüberstellung zwischen den beiden Sprachen unter dem Gesichtspunkt der Thema- und Rhema-Anaphorik darzustellen. Hier wird ausschließlich direkte Anaphorik behandelt. Indirekte Anaphorik (auch assoziative Anaphorik, vgl. Kapitel 3.6.1 und Lyons 1999:22) kann aus Relevanzgründen nicht weiter vertieft werden. Bei der Untersuchung der anaphorischen Funktion der Determinatoren wird folgendermaßen vorgegangen: In Abschnitt 4.1 wird zunächst auf die Kohäsionsmittel im Satz eingegangen. Anschließend soll sich der Abschnitt 4.2 mit der Thema- und Rhema-Anaphorik anhand der deutschen Beispiele im Vergleich mit ihren chinesischen Entsprechungen untersucht werden. Dieser Abschnitt lässt sich in zwei Teile gliedern: Pronomina sowie DemPro+Num+KL+NP als Kohäsionsmittel. Hierbei wird von folgenden Fragestellungen ausgegangen: In welchen Beziehungen stehen Thema und Pronomina sowie DemPro+Num+KL+NP zueinander? An welcher Stelle (Thema oder Rhema) kommen Pronomina bzw. DemPro+Num+KL+NP immer vor? Dadurch wird der gesamte Themenkomplex vertieft dargestellt. Schließlich endet die Abhandlung in einer Zusammenfassung, die die Struktur des Themas noch einmal verdeutlichen soll.
4.1 Kohäsionsmittel Spricht man über anaphorische Funktion, müssen zunächst die Begriffe Kohärenz, Kohäsion und Kohäsionsmittel erläutert werden. Ein Text besteht aus Sätzen, die über Kohärenz und Kohäsion miteinander verknüpft sind. Kohärenz bezieht sich auf den inhaltlichen Zusammenhang und hängt eng vom Common
Kohäsionsmittel
103
Ground, vom gemeinsamen Verständnishintergrund des Dialogspartners ab. Im Vergleich dazu bezieht sich Kohäsion auf die formale Ebene des syntaktischen Zusammenhangs von Texten. Heutzutage geht man davon aus, dass Kohäsion zwar eine notwendige Bedingung für Textualität, jedoch keine hinreichende ist. Die hinreichende Bedingung ist Kohärenz (vgl. Adamzik 2004:139). D.h. Sinnhaftigkeit überschreibt Grammatik. Man vergleiche die folgenden Beispiele (3). In (3a) ist keine Kohäsion erkennbar. Trotzdem ist eine thematische Verknüpfung, nämlich Kohärenz erschließbar. In (3b) ist Kohäsion durch eine kausative Konjunktion gewährleistet. (3)
a. Die Vorlesung fällt aus. Der Professor ist krank. b. Die Vorlesung fällt aus, weil der Professor krank ist.
Als Kohäsionsmittel sind solche satzübergreifende Mittel zu bezeichnen, die einzelnen Sätze miteinander in Verbindung bringen. Da der Schwerpunkt in der vorliegenden Untersuchung auf dem nominalen Bereich liegt, werden die wesentlichen Formen der Kohäsionsmittel nur kurz eingeführt. Diese sind z.B. Referenz (nach Halliday/Hasan 1976 engl. ‚reference’, z.B. personal, demonstrative und comparative reference), Rekurrenz, Ellipse, Konjunktion, lexikalische Kohäsion, explizite Textverknüpfung oder Vordergrundierung vs. Hintergrundierung usw. (vgl. Halliday/Hasan 1976; McCutchen 1986; Abraham 2008; Adamzik 2004:140; Linke/Nussbaumer 2000). Referenz: Pronomina, Adverbien, Pronominaladverbien, z.B. es in Vor dem Laden steht mein Auto. Es ist schwarz. Rekurrenz/DP-Wiederholung: Wiederholung eines bereits eingeführten Lexems, z.B. Vor dem Laden steht mein Auto. Die Farbe meines Autos ist schwarz. Konjunktionen wie dass, ob, und, aber, weil usw. Z.B. Er sagte, dass er eine Fernsehmoderatorin gesehen hat. Lexikalische Kohäsion: Die semantische Beziehung zwischen beiden Lexemen wird durch Synonym, Metapher, Hyperonyme und Hyponyme oder Lexemen mit semantischer Beziehung (z.B. Gegensätze) ausgedrückt. Z.B. Ich war noch nie in Stockholm. Ich besuche aber bald diese Stadt. Ellipse: Der Verweis wird nach der Auslassung eines Nomens, eines Verbs oder einer Phrase durch Information aus dem Kontext ergänzt. Z.B. Ich möchte nach Island fahren. Er möchte auch nach Island fahren. Explizite Textverknüpfung/Metakommnuikation: Durch sprachliche Wendungen z.B. siehe oben, zum Beispiel, wie erwähnt usw. werden die Aussagen miteinander verbunden.
104
Anaphorische Funktion der Determinatoren
Vordergrundierung und Hintergrundierung: Nach Abraham (2008:287, 2011a:152) werden Tempus- und Aspektkodierung als Textverketter angesehen. Z.B. im Französischen wird Ereignisfortschritt/Vordergrundierung über das Passé simple, Ereignishintergrund dagegen über das Imparfait zum Ausdruck gebracht. Die Kohäsionsmittel spielen in der TRG eine große Rolle. Mit ihnen kann zwischen Thema-Kontinuität vs. Thema-Einführung (Topik-Kontinuität vs. Topik-Diskontinuität in Payawang 2014)37 unterschieden werden. Unter Thema-Kontinuität (Abraham 2007a: thema continuant und Zifonun/Hoffmann/ Strecker 1997: thematische Fortführung) versteht man, dass ein Referent bereits als Thema fungiert und im darauffolgenden Satz ohne Unterbrechung als Thema wieder aufgenommen wird. Dies entspricht Danešs (1970:76) thematischer Progression38 mit einem durchlaufenden Thema und wird im Default-Fall mittels eines Personalpronomens oder Artikel(+NP) kodiert. 37 Payawang (2014) verwendet die Termini „Topikkontinuität“ und „Topikdiskontinuität“, auf die ich verzichte, weil ich das Topik als die erste Position im Satz auffasse. 38 Nach Daneš (1970) gibt es fünf Typen von thematischen Progressionen (mit schematischen Darstellungen): (a) Einfache lineare Progression (oder die Progression mit einer linearen Thematisierung): T1
R1 T2 (=R1)
R2 T3 (=R2)
R3
(b) Progression mit einem durchlaufenden Thema: (T1
R1) T2 (=R1)
R2
T2 (=R1)
R3
T2 (=R1)
R4
(c) Progression mit abgeleiteten Themen, d.h. mit Themen, die von einem „Hyperthema“ (z.B. eines Absatzes) abgeleitet sind. z.B. Staat und seine Bevölkerung, Fläche: (T) T1
R1 T2
R2
T3
R3
Kohäsionsmittel
105
Thema-Einführung lässt sich hingegen in zwei Arten, nämlich Ersteinführung des Themas und Themawechsel (thema switcher in Abraham (2007a:31), NeuThematisierung in Zifonun/Hoffmann/Strecker (1997:514)) klassifizieren (vgl. Payawang 2014). Bei Ersteinführung des Themas handelt es sich um einen identifizierbaren Referenten, z.B. Eigennamen, Referenten mit dem Merkmal der Unikalität/Einzigartigkeit, um generische Referenten sowie deiktische Referenten wie in (4a). Im Gegensatz dazu versteht man unter Themawechsel, dass ein Referent als Rhema fungiert und im darauffolgenden Satz als Thema wieder aufgenommen ist. Dies wird auch als unter dem Terminus Rhema-Kontinuität geführt. Daneš (1970:75) bezeichnet das jedoch als einfache lineare Progression oder Progression mit linearer Thematisierung. Man vergleiche (4b). Zu Kodierungsmittel der Rhema-Kontinuität zählen nach Abraham (2002, 2007a, b) Demonstrativpronomina und betonte Artikelpronomina. (4)
a. b.
Thomas möchte weiter studieren. Kai möchte aber gleich in den Beruf einsteigen. (Ersteinführung des Themas) Ich habe gestern im Zug eine Frau gesehen. Sie hat schwarze Haare und trug eine weiße Bluse. (Themawechseln)
(d) Entwickeln eines gespalteten Rhemas: Bei mehr als einem Rhema als Ausgangspunkte für mehrere selbstständige Teilprogressionen: T1
T2
T3
R1 (= R1
. . .
1
R2
R3
(e) Thema-Progression mit thematischem Sprung, wo ein Glied der thematischen Kette ausgelassen wird, die leicht aus dem Kontext ergänzt werden kann: T
R1 T2
R2 .....
T4
R4
106
Anaphorische Funktion der Determinatoren
Im Hinblick auf die Kodierungsmittel für satzübergreifende Anaphern darf die Skala der Thema-Kontinuität, die auf Givón (1983:18) zurückgeht und von Abraham (2007a:33) modifiziert wird, nicht außer Acht gelassen werden. In dieser Skala ist abzulesen, welches Element tendenziell die Thema-Kontinuierung und Thema-Diskontinuierung steuern kann. In den folgenden Analysen in Abschnitt 4.2 und 4.3 wird diese Skala mit berücksichtigt. Diese Themasteuerungseigenschaften sind: Most continuous/accesible topics zero anaphora unstressed/bound pronouns or grammatical agreement stressed/independent pronouns Right-discolated Def-NPs Neutral-ordered Def-NPs Left-discolated Def-NPs Y-moved NPs (‚contrastive topicalization’) (= focusing topicalization) cleft/focus construction referential indefinite NPs Most discontinuos/inaccesible Topics (Abraham 2007a:33)
4.2 Pronomina als Kohäsionsmittel In diesem Abschnitt geht es um die Klärung, wo die Pronomina stehen und worauf sie sich beziehen können. Das wird durch die unten eingeführten Beispiele verdeutlicht. Diese lehnen sich an die Beispiele aus dem Aufsatz Discourse binding von Abraham (2007a) an. Ich diskutiere die anaphorische Beziehung aus dem Deutschen im Vergleich mit den Übersetzungen im Chinesischen. Zunächst betrachten wir das folgende Beispiel (5): (5) S1: S2: S3:
Als Peteri auf die Straße herauskam, begegnete eri einem alten Freundj. Eri/*j grüßte ihn*i/j. (Defaultbetonung, TH1 = TH2) ER*i/j grüßte IHNi/*j. (kontrastiver Fokus, RH1 = TH3) (Abraham 2007a:30)
In S1 ist das Thema Peteri und das Rhema ist einem alten Freundj. Das Personalpronomen steht nach Abraham (2007a) als Kodierungsmittel zur ThemaKontinuität. Jedoch kommen in S2 zwei Personalpronomina vor, d.h. das Thema und Rhema sind beide mittels eines Personalpronomens kodiert. In diesem Fall kann das erste Personalpronomen in S2 bei der Defaultbetonung nur Peter und das zweite einem alten Freund sein, während bei der kontrastiven Betonung das
107
Pronomina als Kohäsionsmittel
Antezedens des Themas S3 einem alten Freund in (5) ist. Das Rhema in S3 kann nur mit Peter korrelieren. Betrachten wir nun die chinesische Entsprechung in (6): Chinesisch (6) S4: Peteri 走到街上時,Ø 遇到一個老朋友j。 Peteri zŏudào jiē shàng En.Subj V N Post.P Peter herauskommen Straße auf ge KLStück KLStück S5:
lăo Adj alt
shí, Konj als
Ø Subj
yùdào V begegnen
yí Num ein
péngyŏuj, N.Obj Freund
他i/j跟他i/j打招呼。 Tāi/j gēn tāi/j PersPro.Subj P PersPro.Obj er mit ihm ‚Eri/*j grüßte ihn*i/j.’ oder ‚Der/Dieser*i/j grüßte ihni/*j.’
dăzhāohū. V grüßen
(TH4 = TH5) (RH4 = TH5)
Im zweiten Teil von S4 wird das Personalpronomen als Anapher für das Thema Peter in erstem Teil von S4 ausgelassen. Dies wird Null-Anapher (Günther 1993:161), Zero-Anapher39 (Li/Thompson 1979, 1981:659 im Chinesischen, Givón 1983:30 im Allgemeinen, Payawang 2014:51 im Thailändischen) oder Zero-Pronomen (auch Zero, Tanaka 2011:95 im Japanischen) genannt. Dieser Anapherntyp ist im Text formal nicht sichtbar und wird daher in der vorliegenden Arbeit durch Ø gekennzeichnet. Die Null-Anapher gilt als ein wichtiges Kohäsionsmittel für Thema-Kontinuierung im Chinesischen. Bei mehreren aneinandergereihten Sätzen mit gleichem Thema entsteht eine Topik-Kette (engl. ‚topic chain’). Diese wird im Chinesischen mittels Null-Anapher zum Ausdruck gebracht (Li/Thompson 1981:659).
39 Im Deutschen ist die Verwendung der Nullanapher sehr eingeschränkt. Sie kommt meist bei Syndese mit Ellipse vor, wie Sie singt und tanzt. Bei einem Telegrammstil ist nach Altmann/Hoffmann (2004:37) eine Nullanapher rekonstruierbar, wie in (Ich) Komme am Freitag, den 14. Mai, an. Klein (1993:780) betrachtet zusätzlich noch die sog. Verbkontrolle, „die ein Argument in einem abhängigen Satz betrifft, wie in Hans versprach Maria, ihr zu helfen.“ als eine Art von Nullanapher.
108
Anaphorische Funktion der Determinatoren
Werden das Thema und das Rhema in S5 durch das Personalpronomen ersetzt, ergeben sich zwei Interpretationen. Das erste tā 他 kann sowohl Peter als auch einem alten Freund bedeuten. Das Gleiche gilt ebenfalls für das zweite tā 他. Es ist bei der dritten Person Singular manchmal nicht leicht festzustellen, welches tā 他 hier gemeint ist. Jedoch gilt bevorzugt, dass das erste tā 他 mit Peter korreliert, also dem Subjek/Thema in S1. Selten wird das erste tā 他 auf das Dativobjekt einem alten Freund bezogen. Wenn das erste tā 他 mit Peter aus dem vorangehenden Text referenzidentisch ist und das zweite tā 他 einem alten Freund ist, bleiben die Themata in S4 und S5 gleich. Wenn sich das erste tā 他 hingegen auf einem alten Freund und sich das zweite tā 他 auf Peter bezieht, wird das Rhema in S4 zum Thema in S5. Dies wird von Daneš (1970) als einfache lineare Progression bezeichnet. Um den Kontext klar zu stellen, kann im Chinesischen der Name Peter noch einmal wiederholt werden. In diesem Fall wird der Fokus auf das Thema Peter gelegt. Vgl. S6 in (7). Chinesisch (7) S6: Peteri 跟他*i/j打招呼 Peteri gēn tāj En P PersPro.Obj Peter zu ihn ‚Peteri grüßte ihnj.’
dăzhāohū. V grüßen
(TH4 = TH6)
Ersetzt man in dem deutschen Beispiel (5, S1) einem alten Freund durch einer alten Frau, ist es leicht zu erkennen, wer wen grüßte. Man vergleiche (8). (8) S7: S8: S9:
Als Peteri auf die Straße herauskam, begegnete er einer alten Frauj. Eri grüßte siej. (TH7 = TH8) Diese/SIE/?Siej grüßte ihni. (RH7 = TH9) (Abraham 2007a:30)
Einerseits sind beide Personalpronomina nach Genus zu differenzieren. Anderseits werden Thema- und Rhema-Kontinuierung durch verschiedene Anapherngenera kodiert. Für die Thema-Kontinuierung wird das Personalpronomen verwendet wie S8. Wenn die Antezedens des Themas das Rhema des vorherigen Satzes ist, wird die anaphorische Verbindung mittels eines Demonstrativpronomens oder eines betonten Personalpronomens zum Ausdruck gebracht. Man vergleiche S9. Allerdings gilt das nicht fürs Chinesische. Betrachten wir nun die chinesischen Entsprechung in (9):
109
Pronomina als Kohäsionsmittel Chinesisch (9) S10: Peteri 走到街上時,Ø 遇到一個老太太j。 Peteri zŏudào jiē shàng En.Subj V N Post.P Peter herauskommen Straße auf ge KLStück KLStück S11:
lăo Adj alt
shí, Konj als
Ø Subj
yùdào V begegnen
yí Num ein
tàitài. N Frau
他i跟她j打招呼/她j跟他i打招呼。 Tāi/j gēn tāi/j dăzhāohū. PerPro.Subj P PerPro.Obj V sie/er zu ihm/sie grüßen
(TH10 = TH11 oder RH10 = TH11)
Wird einem Freund in der mündlichen Sprache durch einer alten Frau ersetzt wie in (9), ist es im Chinesischen trotzdem schwer zu unterscheiden, wer wen grüßte. Obwohl die Personalpronomina in der dritten Person Singular nach Geschlecht zu identifizieren sind, kann man in der gesprochenen Sprache das männliche tā 他 nicht vom weiblichen tā 她 unterscheiden, da die Aussprache beider identisch ist. Nur in der Schrift lässt sich der Unterschied erkennen. Wird das erste tā 他 in dem chinesischen Beispiel (10) S12 weggelassen wird, liegt eine Null-Anapher vor. Chinesisch (10) S4: Peteri 走到街上時,Ø 遇到一個老朋友j。 Peteri zŏudào jiē shàng shí, En.Subj V N Post.P Konj Peter herauskommen Straße auf als ge KLStück KLStück S12:
lăo Adj alt
Ø Subj
yùdào V begegnen
yí Num ein
péngyŏuj. N Freund
Ø 跟他*i/j打招呼後,Ø 就趕緊去上班了。 Ø gēn tā*i/j dăzhāohū hòu, Ø jìu gănjǐn qù Subj P PersPro.Obj V Konj Subj Adv Adv V er zu ihm grüßen nachdem dann eilig gehen shàngbān le. V Zsv.Part zur Arbeit Zsv.Part
(TH4 = TH12)
110
Anaphorische Funktion der Determinatoren
Die Null-Anapher im S12 ist ein Mittel zur anaphorischen Kodierung des Themas. D.h. das erste Personalpronomen kann sich nur auf Peter beziehen, während das zweite auf einem alten Freund referiert. Die Themata in S4 und S12 bleiben unverändert, und dort liegt eine Topik-Kette (‚Topik-Chain‘) vor. Beispiel (11) ist die deutsche Übersetzung des chinesischen (10). Aus diesem Beispiel ist zu erkennen, dass die Thema-Kontinuität im Deutschen nicht mit Null-Anapher, sondern wie bereits erwähnt mit dem Personalpronomen kodiert wird. (11) S1: S13:
Als Peter auf die Straße herauskam, begegnete er einem alten Freund. Nachdem *Ø/eri/*j ihn*i/j gegrüßt hat, beeilte *Ø/eri/*j sich in die Arbeit zu kommen. (TH1 = TH13)
Um Missverständnisse zu vermeiden, wird in der gesprochenen chinesischen Sprache oft innerhalb eines Satzes maximal ein Personalpronomen in der dritten Person Singular verwendet. Die anderen Nomina werden nicht durch Pronomina ersetzt – diese Nomina werden einfach wiederholt. In der Schriftsprache kann jedoch mehr als ein Personalpronomen verwendet werden und zwar dann, wenn es möglich ist, alle Personalpronomina voneinander zu unterscheiden. Eigennamen können nur durch Personalpronomina vertreten werden wie in (12) S14, während die indefiniten DPn durch DemPro+Num+KL+NP (S14), das bloße Nomen (S15), das Personalpronomen (S5 in (6), hier als S16 in (12) wiederholt) Bezug auf sich selbst nehmen können. Chinesisch (12) S4: Peteri走到街上時,Ø 遇到一個老朋友j。 Peteri zŏudào jiē shàng En.Subj V N Post.P Peter herauskommen Straße auf
shí, Konj als
Ø Subj
yùdào yí V Num begegnen Num
ge lăo péngyŏuj, KLStück Adj N KLStück alt Freund ‚Als Peter auf die Straße herauskam, begegnete er einem alten Freund.’ S14:
(他i/*j)跟這(一)個*(朋友*i/j)打招呼。 (Tāi/*j) gēn zhè (yí) ge PersPro P Dem Num KLStück er zu diese eins KLStück ‚Eri/*j grüßte diesen Freund*i/j.’
*(péngyŏu*i/j) N Freund
dăzhāohū. V grüßen
(TH4 = TH14)
Pronomina als Kohäsionsmittel S15:
S16:
111
(他i/*j)跟朋友*i/j打招呼。 (Tāi/*j) gēn péngyŏu*i/j DĂZHĀOHŪ. PersPro P N V er Freund grüßen ‚Eri/*j GRÜSSTE den Freund*i/j.’
(TH4 = TH15)
(他i/j)跟他i/j打招呼。 (Tāi/j) gēn tāi/j PersPro.Subj P PersPro.Obj er mit ihm ‚Eri/*j grüßte ihn*i/j.’ oder ‚Der/Dieser*i/j grüßte ihni/*j.’
(TH4 = TH16) (RH4 = TH16)
dăzhāohū. V grüßen
In S14 ist die NP nicht weglassbar, weil die Konstruktion DemPro+NUM+KL (ohne NP) nur für die direkt deiktische Lesart stehen kann (vgl. Abschnitt 4.3). Diese Konstruktion mit NP bildet den Satzfokus. Bei dem Satz mit bloßem Nomen in S15 liegt der Fokus nicht auf dem Präpositionalobjekt, sondern darauf, was das Agens macht, also auf dem Prädikat. Dies ist der sog. VerumFokus, der im Satz durch kleine Blockbuchstaben zum Ausdruck gebracht wird. Zwischen S4 und S14, S15 bzw. S16 muss eine Pause gesetzt werden. Fällt die Pause weg, können S14, S15 und S16 als Ergänzung des Objekts in S4, nämlich die Ergänzung von einem alten Freund verstanden werden. Der Text ist dann nicht kohärent. Im Deutschen wird eine solche Wiederholung einer DP oft vermieden. Jedoch ist sie in der mündlichen Sprache aus Verständigungsgründen notwendig (Tanaka 2011:137). Auch in wissenschaftlichen oder juristischen Texten ist „Wiederbezug mit dem gleichen Wort geradezu notwendig.“ (Polenz 2 1988:142). Des Weiteren werden im Deutschen bei Rhema-Kontinuierung das Demonstrativpronomen oder das betonte Artikelpronomen verwendet. Betrachten wir die Beispielsätze in (13): (13) S1: S17: S18: S19: S20:
Als Peteri auf die Straße herauskam, begegnete er einem alten Freundj. Eri/*j grüßte DEN/diesen*i/j. (TH1 = TH17) DEN grüßte eri/*j. (TH1 = TH18) Der*i/j grüßte den/diesen*i/j. Der*i/j grüßte ihni/*j. (RH1 = TH20) (Abraham 2007a:30)
112
Anaphorische Funktion der Determinatoren
Die Beispiele S1 vs. S17 und S1 vs. S18 in (13) umfassen ein durchlaufendes Thema. Steht jedoch das Rhema im Topik wie S18, muss dieses topikalisierte Rhema Fokusakzent tragen. Überdies können das Demonstrativ- und Artikelpronomina keine Personalpronomina als Antezedens nehmen (Abraham 2007a:30). In S20 kommt ein Themawechsel vor. Das Rhema in S1 wandelt sich zum Thema von S20. Vergleichen wir (13) mit seiner chinesischen Übersetzung in (14). Chinesisch (14) S4: Peteri 走到街上時,遇到一個老朋友j, Peteri zŏudào jiē shàng En.Subj V N Post.P Peter herauskommen Straße auf ge KLStück KLStück S21:
S22:
lăo Adj alt
shí, Konj als
Ø Subj
yùdào yí V Num begegnen eins
péngyŏuj, N Freund
這(一)個朋友*i/j /朋友*i/j跟他i/*j打招呼。 Zhè (yí) ge péngyŏu*i/j/ péngyŏu*i/j gēn tāi/*j Dem Num KLStück N N P PersPro diese eins KLStück Freund Freund zu ihm ‚Als Peteri auf die Straße herauskam, begegnete er einem alten Freundj. Der/Dieser Freund*i/j grüßte ihni/*j.’
dăzhāohū. N grüßen (RH4 = TH21)
他*i/j跟 Peter 打招呼。 Tā*i/j gēn Peter dăzhāohū. PersPro.Subj P En.Obj V Er zu Peter grüßen ‚Als Peteri auf die Straße herauskam, begegnete er einem alten Freundj. Der/dieser*i/j grüßte Peter.’ (RH4 = TH22)
Das Beispiel (14) zeigt, dass im Chinesischen das Rhema in S4 einem alten Freund in S21 und S22 zum Thema wird. In S21 wird die alte Information durch eine DemPro+Num+KL+NP-Konstruktion gekennzeichnet. Als Koreferent für das Thema in S4 wird in S22 das Personalpronomen verwendet. Obwohl das Personalpronomen auch zur bekannten Information gehört, kann es trotzdem in Rhemastellung bleiben. In S22 fungiert das Personalpronomen als Koreferent für das Rhema in S4. Das Rhema in S22 als Koreferent für das Thema in S4 wird mittels der DP-Wiederholung realisiert. Wenn im Deutschen sowohl Thema als auch Rhema im ersten Satz aus Eigennamen bestehen, wird trotzdem für Rhemakontinuierung das
Pronomina als Kohäsionsmittel
113
Demonstrativpronomen verwendet (15). Vergleichen wir die chinesische Übersetzung in (16). (15) S23: S24:
Hansi versprach Albertj zu kommen. Der/Dieserj aber glaubte ihmi nicht.
(RH23 = TH24) (Abraham 2007a:38)
Chinesisch (16) S25: Hansi 答應 Albertj 會來, Hansi dāyìng Albertj hùi En.Subj V En MV Hans versprechen Albert können ‚Hansi versprach Albertj zu kommen.’ S26:
S27:
S28:
lái. V kommen
但他*i/j不相信他i/*j。 Dàn tā*i/j bù xiāngxìn Konj PersPro Neg.Part V aber der nicht glaube ‚Der/Dieser*i/j aber glaubte ihmi/*j nicht.’
tāi/*j. PersPro.Obj ihm
但 Albertj 不相信他i/*j Dàn Albertj bù xiāngxìn Konj En Neg.Part V aber Albert nicht glauben ‚Albertj aber glaubte ihmi/*j nicht.’
tāi/*j. PersPro.Obj ihm
*但他*i/j不相信 Hansi。 *Dàn tā*i/j bù Konj PersPro.Subj Neg.Part aber der nicht ‚Er*i/j aber glaubte Hansi nicht.’
xiāngxìn V glauben
(RH25 = TH26)
(RH25 = TH27)
Hansi/*j. En Hans
In S26 kommen zwar zwei Personalpronomina als Anapher vor, aber man kann aus der Textkohärenz und der Semantik des Verbs40 ablesen, dass das erste Personalpronomen mit Albert und das zweite mit Hans korreliert. Wenn jedoch nur ein Personalpronomen verwendet wird, dann kann sein Antezedens nur Hans 40 Wenn das Verb glauben durch das Verb sitzen lassen ersetzt wird, wird die Interpretation der beiden Personalpronomina umgekehrt. Dann nämlich korreliert das erste Personalpronomen mit Hans das zweite mit Albert.
114
Anaphorische Funktion der Determinatoren
sein. Das bedeutet: Im Vordersatz mit zwei Eigennamen muss die Rhema-Kontinuierung mittels der DP-Wiederholung kodiert werden; und das Thema im Vordersatz darf nicht mittels der DP-Wiederholung, sondern kann nur mit dem Personalpronomen zum Ausdruck gebracht werden; vgl. S28. Das Prinzip ‚DP-Wiederholung für Rhema-Kontinuierung‘ gilt ebenfalls, wenn das Thema im Vordersatz ein Personalpronomen und das Rhema ein Eigenname ist. Man vergleiche das oben diskutierte S27, das hier als S30 wiederholt wird. Im Gegensatz zu Beispiel (16) S27 ist es nicht angemessen, dass das Personalpronomen in (17) S31 als Kodierung für Rhema-Kontinuierung fungiert. Das Personalpronomen fungiert in erster Linie als Kodierungsmittel des Personalpronomens im Thema des Vordersatzes. Chinesisch (17) S29: 他i答應 Albertj 會來。 Tāi dāyìng Albertj PersPro V En Han versprechen Albert ‚Eri versprach Albertj zu kommen.’ S30:
S31:
hùi MV können
但 Albert*i/j 不相信他i/*j。 Dàn Albertj bù xiāngxìn Konj En Neg.Part V aber Albert nicht glauben ‚Albertj aber glaubte ihmi/*j nicht.’
lái. V kommen
tāi/*j. PersPro ihm
(RH29 = TH30)
?
但他*i/j不相信他i/*j。 Dàn tā*i/j bù Konj PersPro Neg.Part aber der nicht ?
xiāngxìn V glauben
tāi/*j. PersPro ihm
Satz S31 geht nur dann problemlos, wenn das Thema im Vordersatz ein Eigenname und das Rhema ein Personalpronomen ist. Man vergleiche (18) S33. Der Satz S28 in (14), der hier als S32 wiederholt wird, lässt sich ebenfalls in (16) problemlos verwenden. Chinesisch (18) S32: Hansi 答應他j會來, Hansi dāyìng tāj En.Subj V PersPro Hans versprechen ihm ‚Hansi versprach ihmj zu kommen.’
hùi MV können
lái. V kommen
115
Pronomina als Kohäsionsmittel S33:
S34:
但他*i/j不相信他i/*j。 Dàn tā*i/j bù Konj PersPro Neg.Part aber er nicht ‚Er*i/j aber glaubte ihmi/*j nicht.’
xiāngxìn V glauben
但他*i/j不相信 Hansi/*j。 Dàn tā*i/j bù xiāngxìn Konj PerPro Neg V aber er nicht glauben ‚Er*i/j aber glaubte Hansi/*j nicht.’
tāi/*j. PersPro ihm
Hansi/*j. PersPro Hans
(RH32 = TH33)
(RH34 = TH33)
Die zwei Eigennamen in (19) S35 lassen sich in S36 durch zwei Personalpronomina koreferieren. Dazu sind zwei Interpretationsmöglichkeiten vorhanden: entweder Thema-Kontinuierung oder Rhema-Kontinuierung. Diese Verwendung von zwei Personalpronomina im gleichen Satz soll wie bereits erwähnt vermieden werden. Es wird bevorzugt, einen Eigennamen im Thema oder im Rhema zu wiederholen. Man vergleiche (19) S37-S40. Chinesisch (19) S35: Peteri 走到街上時,Ø 遇到 Hansj, Peteri zŏudào jiē shàng shí, Ø En.Subj V N Post.P Konj Subj Peter herauskommen Straße auf als ‚Als Peteri auf die Straße herauskam, begegnete er Hansj.’ S36:
他i/j跟他i/j打招呼。 Tāi/j gēn tāi/j PersPro P PersPro er zu ihn ‚Eri/*j grüßte diesen*i/j.’ Oder, Der/Dieser*i/j grüßte ihni/*j.’ S37:
他i/*j跟 Hans*i/j 打招呼。 Tāi/*j gēn Hans*i/j PersPro P En er zu Hans ‚Eri/*j grüßte Hans*i/j.’
dăzhāohū. V grüßen
dăzhāohū. V grüßen
yùdào V begegnen
Hans, En Hans
(TH35 = TH36) (RH35 = TH36)
(TH35 = TH37)
116 S38:
S39:
S40:
Anaphorische Funktion der Determinatoren Peteri/*j 跟他*i/j打招呼。 Peteri/*j gēn tā*i/j En P PersPro Peter zu ihn ‚Peteri/*j grüßte diesen*i/j.’ Hans*i/j 跟他i/*j打招呼。 Hans*i/j gēn tāi/*j En P PersPro Hans zu ihn ‚Hans*i/j grüßte ihni/*j.’
dăzhāohū. V grüßen
dăzhāohū. V grüßen
他*i/j跟 Peteri/*j 打招呼。 Tā*i/j gēn Peteri/*j dăzhāohū. PersPro P En V er zu Peter grüßen ,Der/Dieser*i/j grüßte Peteri/*j.’
(TH35 = TH38)
(RH35 = TH39)
(RH35 = TH40)
Fügt man weitere Sätze hinzu, dann kann das erste tā 他 nur als Koreferent für Peter stehen. Dort entsteht eine Topik-Kette mit identischen Themata. Man vergleiche (20) S41. Chinesisch (20) S33: Peteri 走到街上時,Ø 遇到 Hansj, Peteri zŏudào jiē shàng shí, Ø En.Subj V N Post.P Konj Subj Peter herauskommen Straße darauf als ‚Als Peteri auf die Straße herauskam, begegnete er Hansj.’ S41:
yùdào V begegnen
Hansj, En Hans
他i/*j跟他*i/j打招呼後,Ø 就趕緊去上班了。 Tāi/*j gēn tā*i/j dăzhāohū hòu, Ø jìu gănjǐn qù PersPro P PersPro V Konj Subj Adv Adv V er zu ihn grüßen nachdem dann eilig gehen shàngbān le. V Zsv.Part zur Arbeit Zsv.Part ‚Nachdem eri/*j diesen*i/j gegrüßt hatte, beeilte eri/*j sich in die Arbeit zu gehen.’ (TH35 = TH41)
Pronomina als Kohäsionsmittel S42:
117
Ø 跟他*i/j/Peter 打招呼後,Ø 就趕緊去上班了。 Ø gēn tā*i/j/ Peter dăzhāohū hòu, Ø jìu gănjǐn qù P PersPro En V Konj Subj Adv Adv V zu ihn Peter grüßen nachdem dann eilig gehen shàngbān le. V Zsv.Part zur Arbeit Zsv.Part ‚Nachdem *Ø/eri/*j diesen*i/j gegrüßt hatte, beeilte *Ø/eri/*j sich in die Arbeit zu gehen.’ (TH35 = TH42)
S43:
Hans*i/j 跟他i/*j打招呼後,Ø 就趕緊去上班了。 Hans*i/j gēn tāi/*j dăzhāohū hòu, Ø jìu gănjǐn qù En.Subj P PersPro V Konj Subj Adv Adv V Hans zu ihn grüßen nachdem dann eilig gehen shàngbān le. V Zsv.Part zur Arbeit Zsv.Part ‚Nachdem Hans*i/j ihni/*j gegrüßt hatte, beeilte eri/*j sich in die Arbeit zu gehen.’ (RH35 = TH43)
Bei Weiterführung des gleichen Themas kann aber auch eine Null-Anapher verwendet werden, während das Rhema von S35 Hans wiederholt werden muss, wenn Hans als Thema in S43 wieder aufgegriffen ist. Die von mir leicht veränderten Beispiele (21) aus Abraham (2007:32) zeigen, dass im Deutschen die referentielle Kontinuität wegen des Satzes Es goss. vor allem bei Demonstrativ- und Artikelpronomina (21a) unterbrochen wird. (21) a.
b.
Hansi traf Alfonsj. Es goß. *Derj trug einen Regenmantel. *Erj/*Derj fror trotzdem. Hansi traf Alfonsj. Es goß. ? Eri trug einen Regenmantel. ? Eri/*Deri fror trotzdem.
Allerdings wird eine solche referentielle Kontinuität im Chinesischen nicht unbedingt wegen des Satzes wie Es goss unterbrochen; es kann sich z.B. die Rhema-Kontinuierung trotzdem fortsetzen. Das heißt, das Thema ist immer noch der letztgenannte Eigenname Alfons, vgl. (22) S44.
118
Anaphorische Funktion der Determinatoren
Chinesisch (22) S44: Hansi 遇到 Alfonsj,雨下得很大, Hansi yùdào Alfonsj. Yǔ En V En N Hans begegnen Alfons Regen
xià-de hěn V-Komp.Part Adv fallen-Komp. sehr Part
‚Hansi traf Alfonsj. Es goss.’ S45:
他j穿著一件雨衣, Tāj chuān zhe yí PersPro V Dur.Part Num der tragen Dur.Part eins ‚*Eri/Derj trug einen Regenmantel.’
S46:
Ø臉很蒼白。 Ø Liăn hěn cāngbāi. Topik-über N Adv Adj.V Gesicht sehr bleich ‚*Eri/Derj war bleich im Gesicht.’
jiàn KLkleidung KLKleidung
dà. Adj heftig
yǔyī. N Regenmantel
(RH44 = TH45 = TH46)
Da S46 S45 direkt anschließt und Teil der Thema-Kontinuierung ist, wird das Personalpronomen er in S46 ausgelassen. Dieser ausgelassene Teil in S46 ist das Topik-über (topic about), und Gesicht ist die sog. thematische Progression mit einem abgeleiteten Thema. Bei Thema-Kontinuierung wird die referentielle Kontinuität ebenso wenig wegen des Satzes Es goss unterbrochen. Als Einziges ist anzumerken, dass die Null-Anapher nicht nach dem Satz Es goss eingesetzt werden darf, sondern dass vielmehr das Personalpronomen wiederholt werden muss. Man vergleiche S47. Chinesisch (23) S47: Hansi 走到街上,雨下得很大, Hansi zŏudào jiē shàng. Yǔ xià-de En V N Post.P N V-Komp.Part Hans herauskommen Straße auf Regen fallen-Komp.Part ‚Hansi kam aus der Straße heraus. Es goss.’ S48:
*Ø /他i穿著一件雨衣, *Ø/Tāi chuān zhe PersPro V Dur.Part Er tragen Dur.Part ‚Eri trug einen Regenmantel.’
yí Num eins
jiàn KLkleidung KLKleidung
hěn Adv sehr
yǔyī. N Regenmante
dà. Adj heftig
DemPro+ Num +KL+NP als Kohäsionsmittel S49:
Ø臉很蒼白。 Ø Liăn hěn Topik-über N Adv Gesicht sehr ‚Eri/*Deri war bleich im Gesicht.’
cāngbāi. Adj.V bleich
119
(TH47 = TH48 = TH49)
Zusammenfassend gilt also: Die textanaphorische Referenzstrategie ist im Chinesischen anders als im Deutschen. Die Personalpronomina können im Chinesischen einfach dort stehen, wo sie andere Elemente ersetzen können. Sie übernehmen aber nicht unbedingt wie im Deutschen die Funktion der thematischen Progression mit einem durchlaufenden Thema (vgl. Abraham 2007a:31, 37). Man kann im Chinesischen das Personalpronomen als Koreferent sowohl für das Thema als auch für das Rhema im Vordersatz benutzen, wenn alle anderen Elemente im Folgesatz referentiell eindeutig sind. Wenn das Rhema eine indefinite DP ist, kann diese DP neben dem Personalpronomen mit DemPro+Num +KL+NP oder bloßem Nomen auch anaphorisch die indefinite DP bezeichnen. Bei der Verwendung eines Personalpronomens muss auf die anderen Elemente in demselben Satz deutlich durch Eigennamen oder DP-Wiederholung verwiesen werden. Wenn dies nicht geschieht, geht die Information verloren.
4.3 DemPro+Num+KL+NP als Kohäsionsmittel Im Deutschen haben NPs meistens einen Artikel, der ihnen vorausgeht und als Pronomen im Diskurs verwendet wird. Bekanntermaßen ist das Chinesische nun eine artikellose Sprache. Definitheit und Indefinitheit können neben den bloßen Nomina jeweils durch die Fügungen DemPro+Num+KL+NP und Num+KL+NP dargestellt werden (vgl. Kapitel 3.3). Es stellt sich jedoch die Frage, ob DemPro+Num+KL+NP die gleiche Funktion wie das Artikelpronomen hat. Cheng/Sybesma (1999) nehmen das Kantonesische als repräsentatives Beispiel für das Chinesische. Im Kantonesischen kann die bKL-Konstruktion mit einer anaphorischen Interpretation sowohl in einer Thema- als auch einer Rhemaposition vorkommen. Deshalb stellen Cheng/Sybesma (1999) fest, dass der Klassifikator im Kantonesischen (24) inhärent definit ist. Kantonesisch (24) a. (嗰) 啲車阻住嗰出口。 (Go) di ce zo-zyu that CL car block-CONT ‘The cars are blocking the exit.’
go CL
ceothau. exit
(Matthews/Yip 1994:89)
120 b.
Anaphorische Funktion der Determinatoren
佢賣咗架車。 Keoi maai-zo he sell-ZO ‘He sold the car.’
gaa CL
ce. car
(Cheng/Sybesma 1999:524)
Jedoch beziehen sich die Beispiele nur auf bekannte Definitheit und nicht auf Anaphorizität. Einerseits ist eindeutige Identifizierbarkeit für Sprecher und Hörer nicht mit Anaphorizität gleichzusetzen, andererseits kann sich der Klassifikator alleine bzw. die bKL-Konstruktion im Mandarin wie bereits in Kapitel 3 herausgestellt nicht auf ein spezifisches, eindeutig identifizierbares Individuum beziehen. Vergleichen wir damit die Beispielsätze (25), wird deutlich, dass im Chinesischen DemPro+Num+KL+NP, das bloße Nomen oder das Personalpronomen die anaphorische Funktion für ein Antezedens mit Num+KL+NP übernimmt. Chinesisch (25) S50: 超市前面停著一輛車, Chāoshì qiánmiàn tíng N Post.P V Supermarkt vor parken S51:
zhe yí liàng Dur.Part Num KLAuto Dur.Part eins KLAut
(這/那(一)輛)車/它擋住了出口。 (Zhè/Nà yí liàng) chē/ Tā Dem Dem Num KLAuto N PersPro Diese/jene eins KLAuto Auto es
chē. N Auto
dǎngzhù le V Pfv.Part blockieren Pfv.Part
chūkǒu. N Ausgang S52:
*輛車擋住了出口。 *Liàng chē dǎngzhù le chūkǒu. KLAuto N V Pfv.Part N KLAuto Auto blockieren Pfv.Part Ausgang ‚Vor dem Supermarkt steht ein Auto. Dieses Auto/Dieses/Jenes Auto/Jenes/Das hat den Ausgang blockiert.’
Wenn aber das Antezedens ein bloßes Nomen als schwaches Subjekt ist und im Rhema auftritt, kann lediglich das bloße Nomen als PRO-Bezug für das Diskursrhema dienen, weil das Ergebnis der Blockierung von Autos im Vordergrund steht. Es gibt kein bestimmtes Auto, auf das referiert wird. Deshalb ist die
Zusammenfassung des Kapitels
121
Konstruktion DemPro+Num+KL+NP nicht möglich. Man vergleiche S54 und S55 in (26). Des Weiteren ist die Version mit Null-Anapher ebenfalls möglich, wobei es keinen Unterschied zwischen der Version mit bloßen Nomen und der mit Null-Anapher gibt. Chinesisch (26) S53: 超市前面停著車, Chāoshì qiánmiàn N Post.P Supermarkt vor
tíng V parken
zhe Dur.Part Dur.Part
chē. N Auto
S54:
車 / Ø擋住了出口。 Chē/Ø dǎngzhù le chūkǒu. N Subj V Pfv.Part N Auto blockieren Pfv.Part Ausgang ‚Vor dem Supermarkt stehen Autos. Jene Autos haben den Ausgang blockiert.’
S55:
*這/那(一)輛車擋住了出口。 *Nà/*Zhe (yí) liàng chē dǎngzhù le chūkǒu. Dem Dem Num KLAuto N V Pfv.Part N jene/diese eins KLAuto Auto blockieren Pfv.Part Ausgang
Daraus erschließt sich, dass die Konstruktion DemPro+Num+KL+NP oder das bloße Nomen anstatt der Artikelpronomina als Anapher fungieren können, wobei die NP nicht ausgelassen werden darf. D.h. der DemPro+Num+KL (ohne NP) bzw. der Klassifikator sind hinsichtlich der anaphorischen Strategie nicht mit den Artikel- oder Demonstrativpronomina gleichzusetzen. Die Konstruktion DemPro+Num+KL+NP kann sowohl thematisch als auch rhematisch sein. Dieser Befund steht ganz klar gegen die Aussage von Cheng/Sybesma (1999:518). Unser Befund erweitert den von Cheng/Sybesma nicht nur, sondern er korrigiert ihn in einem wesentlichen Detail, nämlich darin, dass der Klassifikator im Chinesischen keine anaphorische, d.h. referenzwiederaufnehmende Funktion übernimmt.
4.4 Zusammenfassung des Kapitels In diesem Kapitel wurde die Textanaphorizität im Chinesischen in Gegenüberstellung mit dem Deutschen untersucht. Das Deutsche verfügt über bestimmte Mittel für Thema-Kontinuierung, nämlich Personalpronomina und definiten Artikel+NP, und für Rhema-Kontinuierung, nämlich Demonstrativ- und
122
Anaphorische Funktion der Determinatoren
Artikelpronomina, die im Chinesischen nicht zu finden sind. Personalpronomina im Deutschen können als Koreferenz für Eigennamen, definite und indefinite NPs (sowohl für das Thema als auch für das Rhema im Vordersatz, wobei sie für das Rhema nur beim kontrastiven Fokus möglich sind) fungieren. Artikelund Demonstrativpronomina sind zwar als Koreferenz für Eigennamen, definite und indefinite NPs ebenfalls möglich, aber sie fungieren ausschließlich als Anapher für das Rhema im Vordersatz. Im Deutschen wird eine DP-Wiederholung in der Regel vermieden. Dagegen sind die Mittel zur anaphorischen Kodierung im Chinesischen einfache Wiederholung der DP, bloßes Nomen, Personalpronomina, DemPro+Num+KL+NP und die Null-Anapher. Ihre Verteilungen sind aber nicht komplementär und stark von der Textkohärenz abhängig. Die anaphorische Referenztechnik im Chinesischen ist gleichwohl zum Teil ähnlich der im Deutschen. Nur DemPro+NUM+KL+NP und bloße Nomina können nicht als Thema-Kontinuierung fungieren, sondern nur rhematisch verwendet werden. Aus den oben geführten Analysen lässt sich folgende skalare Liste (Abb. 8) für Thema-Kontinuität im Chinesischen erstellen: A
Null-Anapher
ND ZU THEMA-KONTINUIERUNG
Personalpronomina NEUTRAL
DP-Wiederholung DemPro+NUM+KL+NP/
A ND ZU THEMA-DISKONTINUIERUNG
referentielle indefinite NPs
Abb. 8 Thema-Kontinuität und -Diskontinuität im Chinesischen
Zusammenfassung des Kapitels
123
Aus den Beispielen und den dazugehörigen Analysen erschließt sich, dass die Personalpronomina im Chinesischen für Eigennamen oder definite und indefinite DPs an jeder Stelle (im Thema ebenso wie im Rhema) stehen können. Sie übernehmen nicht unbedingt die Funktion der thematischen Progression mit einem durchlaufenden Thema. Wenn die anderen Elemente im Folgesatz referentiell eindeutig sind (siehe Abb. 9 und 10 auf der folgenden Seite), können sie auch als Koreferenz für das Rhema im Vorsatz stehen. Innerhalb eines Satzes bevorzugt man im mündlichen Chinesisch höchstens ein Personalpronomen in der dritten Person Singular, um Missverständnisse zu vermeiden. Bei der Progression mit einem durchlaufenen Thema wird die Anapher meistens weggelassen oder topikalisiert. Das Personalpronomen hat einen weiter auszumessenden Zugriff auf das vorausgehende Thema. Wenn aber Thema und Rhema im ersten Satz beide Eigennamen sind, können Null-Anapher oder Personalpronomen das Thema und das Personalpronomen oder die DP-Wiederholung das Rhema anaphorisch festlegen. Wenn nur das Rhema im ersten Satz ein Eigenname ist und man diesen im zweiten Satz als Thema verwendet, muss der Eigenname wiederholt werden. Nur wenn das Referentobjekt leicht und eindeutig erschließbar ist oder keine anderen Personalpronomina im gleichen Satz vorliegen, kann dieser Eigenname mittels eines Personalpronomens zum Ausdruck gebracht werden. Wenn das Rhema im ersten Satz eine indefinite DP ist, können DemPro+Num+KL+NP, das Personalpronomen oder das bloße Nomen diese DP vertreten. Um dem Hörer genauere Informationen zu liefern wird in einem Satz meistens maximal ein Personalpronomen benutzt. Darüber hinaus sind die DemPro+Num+KL+NP im Chinesischen in Bezug auf die Anapherfunktion nicht völlig identisch mit den Artikelpronomina. Die Konstruktion DemPro+Num+KL+NP kann sowohl thematisch als auch rhematisch verwendet werden. Der Klassifikator im Chinesischen ist kein Äquivalent für den definiten Artikel und kann daher keine anaphorische Funktion übernehmen. Dies steht wiederum in klarem Gegsatz zu Cheng/Sybesma (1999:518). Abschließend lässt sich hinsichtlich der Thema- und Rhema-Anaphorik im Deutschen und Chinesischen in folgenden Tabellen (Abb. 9 und 10) unter Verweis auf die exemplarischen Illustrationen Folgendes abgekürzt zeigen:
124
Anaphorische Funktion der Determinatoren
Thema im Folgesatz im Deutschen ThemaPersPro Anaphorik (5, S2) (8, S8) (11, S13) (13, S16, S17)
RhemaBetontes PersPro Anaphorik (5, S3) DemPro (8, S9), (13, S20)
Thema im Folgesatz im Chinesichen PersPro
Rhema im Folgesatz im Chinesischen PersPro (6, S5), (12, S16) DemPro+Num+KL+NP (12, S14) bloßes N (12, S15)
DP-Wiederholung Null-Anapher
PersPro (7, S6) PersPro (10, S12) DemPro+Num+KL+NP (12, S14, 16) bloßes N (12, S15) PerPro PersPro (6, S5), (9, S11), (12, S16) DP-Wiederholung (14, S22) DP-Wiederholung PersPro (14, S21) DemPro+Num+KL+NP PersPro (14, S20) bloßes N (25, S51) -
Abb. 9 Thema-Rhema-Anaphorik mit Num(+KL)+NP im Vordersatz im Deutschen und Chinesischen
ThemaAnaphorik
RhemaAnaphorik
Thema im Folgesatz im Deutschen PerPro (vgl. Fußnote 40)
DemPro (15, S24) betonte ArtPro (15, S24)
Thema im Folgesatz Rhema im Folgesatz im Chinesischen im Chinesischen PerPro PerPro (19, S36) DP-Wiederholung (19, S37) Null-Anapher PerPro (20, S42) DP-Wiederholung (20, S42) DP-Wiederholung PerPro (19, S38) ? PerPro PerPro (17, S31), (19, S36) DP-Wiederholung (19, S40) DP-Wiederholung PerPro (16, S27), (19, S39)
Abb. 10 Thema-Rhema-Anaphorik mit zwei Eigennamen im Vordersatz im Deutschen und Chinesischen
5 Individuierende Funktion der Determinatoren Neben der anaphorischen Funktion verfügen die Determinatoren laut Longobardi (1994: 634) über die Funktion, das Nomen zu individuieren. Somit können sie die Referentialität eines Referenzobjekts oder einer Menge von Referenzobjekten, nicht jedoch die Referentialität der Klasse ausdrücken. In den Artikelsprachen übernimmt der Artikel die individuierende Funktion. Er kann ein Einzelexemplar einer Klasse herausgreifen, das von NP beschrieben wird. Eine Unterscheidung zwischen Individual- und Mengennomina liegt in diesen Sprachen vor. In den Klassifikatorsprachen (engl. ‚classifier language’; auch transnumerale Sprachen) wie im Japanischen, Chinesischen, Thailändischen etc. wurde hingegen angenommen, dass alle Nomina Mengennomina sind. Chierchia (1998a, b) zufolge sind Nomina im Chinesischen oder Japanischen Gattungsnamen, eine individuierende Funktion ist dagegen nicht vorhanden. Um das Nomen zu individualisieren, muss ein Klassifikator zwischen das Numerale und das Nomen gesetzt werden. Das ist bei jedem Nomen erforderlich. Aus diesem Gebrauch der Klassifikatoren könnte man schließen, dass es im Chinesischen nur Mengennomina gibt. Jedoch vertreten Cheng/Sybesma (1999:517), wie bereits in Abschnitt 2.2 dargelegt, die entgegensetzte Meinung, nämlich: Die Zähl-Klassifikatoren im Chinesischen können eine singularische Einheit identifizieren. Auch Kurita (2014) hat das Argument von Chierchia (1998a, b) für das Japanische bestritten. Sie geht davon aus, dass die Nomina des Japanischen nicht Mengennomina sind, sondern ‚numerusfreie’ Nomina. Vor diesem Hintergrund stellen sich einige Fragen: Kann/Sollte man im Chinesischen tatsächlich eine Trennlinie zwischen Individual- und Mengennomina ziehen? Wie wird Numerusmorphologie im Chinesischen ausgedrückt? Wir werden dazu eigens Stellung nehmen. Ein weiteres Problem tut sich insofern auf, als die verschiedenen Klassifikatoren-Typen, deren Abgrenzbarkeit zum anderen in der Forschung kontrovers diskutiert wird, nicht einheitlich bezeichnet werden. Diese terminologische Varianz spiegelt die unterschiedlichen Standpunkte wider, die in der Klassifikatorforschung vertreten werden. In dem vorliegenden Abschnitt sollen die Termini verglichen, und es soll untersucht werden, inwieweit sie sich überschneiden bzw. ob sie miteinander übereinstimmen. Folgender Hinweis scheint mir nützlich. Auf Deutsch sagt man „Gemüse ist gesund“ und „Früchte sind gesund“, auf Englisch aber genau umgekehrt
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Individuierende Funktion der Determinatoren
„Vegetables are healthy“ und „Fruit is healthy“. Warum gilt das deutsche Nomen Gemüse als Mengennomen, während das englische Nomen vegetable ein Individualnomen ist? Warum kann man im Englischen fruit nicht zählen, Früchte im Deutschen jedoch schon? Das Nomen Haar im Deutschen ist zählbar und im umgekehrten Fall ist das englische Nomen hair nicht zählbar (viele Haare vs. much hair). Verschiedene Sprachen stimmen nicht immer in der Mengenbzw. Zählkategorisierung einzelner Substantive überein. Hierbei entsteht hier die Frage: Nach welchem Kriterium wird die Differenzierung zwischen Mengen- und Individualnomina sprachübergreifend gebildet und inwiefern wird die syntaktische Kodierung von Zählbarkeit im Deutschen und Chinesischen übermittelt? Diese Fragen bilden den Gegenstand der Auseinandersetzung, die in diesem Kapitel geliefert wird. Im Folgenden werden zunächst in Abschnitt 5.1 verschiedene Ansätze in Bezug auf die Individual- und Mengennomina herausgearbeitet. In Abschnitt 5.2 werden die wesentlichen Tests erarbeitet und die Hauptkriterien entwickelt, die zur Differenzierung zwischen Individual- und Mengennomina dienen: der ge 個-Test, der de 的-Test, der Quantoren- und Artikeltest sowie der Pronominatest. Der Abschnitt 5.3 setzt sich mit der Frage auseinander, ob Klassifikator ein funktionales oder lexikalisches Element ist. Zunächst wird in Kapitels 5.3.1 Numerusmorphologie angegangen. Anschließend werden in 5.3.2 die Einteilung und Terminologien verschiedener Autoren zu Klassifikator-Typen angegeben und verdeutlicht, inwieweit und ob die Begriffe einander entsprechen oder nicht. Im Zentrum des Abschnitts 5.3 werden die Funktionen der Klassifikatoren aufgegriffen. In Abschnitt 5.4 werden die Ergebnisse zusammengefasst.
5.1 Ansätze zu den Individualnomina und Mengennomina Seit dem 13. Jahrhundert wird das Problem der Individualnomina versus Mengennomina mit Hilfe der Mereologie41, der Logik der Teil-Ganzes-Relation42 41 Der Terminus Mereologie befasst sich mit der Beziehung zwischen Teil und Ganzem. Aristoteles’ Bestimmungen dieser beiden Begriffe findet man in dem fünften Buch seiner Metaphysik (1904:131 (Kap. 25–26, 1023b)): „(Teil) heißt in einer Weise das, worein das Quantitative irgendwie geteilt werden kann. […] Ferner wird dasjenige Teil genannt, in was die Form geteilt werden kann. […] Ferner worein etwas zerlegt wird, oder woraus ein Ganzes oder die Form oder ihr Träger besteht. […]“ „(Ganzes) heißt etwas, dem erstens keiner von den Teilen fehlt, auf Grund deren es naturgemäß ein Ganzes genannt wird, und das zweitens sein Umfasstes so umfasst, dass es eines ist.“ 42 In der gegenwärtigen sprachlogischen Literatur werden die mereologischen Merkmale Teilbarkeit/ Nichtteilbarkeit sowie Additivität/Nonadditivität als Instrumentarien
Ansätze zu den Individualnomina und Mengennomina
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untersucht. Es wurde geprüft, ob ein Substantiv das Merkmal der Teilbarkeit und das der Additivität aufweisen kann (Leiss 2009:63). Im Allgemeinen bezieht sich ein Substantiv auf Gegenstände, die sich nach Leiss (1992:51) durch Ganzheit und Konturen auszeichnen. Diese beiden Merkmale sind eng miteinander verbunden (vgl. auch Leiss 2000:244 und Whorf 1956 [1941]:140). Der Standpunkt des Betrachters befindet sich außerhalb der denotierten Gegenstände. Holistische Substantive sind Individualnomina (auch Zählnomina oder Individuativa genannt), die die Merkmale Nichtteilbarkeit und Nonadditivität besitzen, z.B. Tisch. Wenn wir einen Teil eines Tisches wie z.B. die Tischbeine absägen, sind weder diese abgesägten Teile noch der verbliebene Teil ein Tisch. Ein Tisch ist nur als Ganzes ein Tisch. Wenn es aber mehr als ein Tischindividuum gibt, heißt das nicht ‚Tisch‘, sondern ‚Tische‘. Man vergleiche auch das Beispiel Glas in (1). (1) nichtadditiv: nichtteilbar:
+
= nicht ‚zwei Glas’, sondern ‚zwei (einzelne) Gläser’ = Wenn das Glas geteilt wird, ist es nicht mehr ein Glas.
Darüber hinaus gibt es nicht-grenzbezogene Gegenstände. Diese sind sog. Mengennomina43, die oft auch als Massennomina, Massen-Terme, Kontinuativa oder Stoffsubstantive (Leiss 1992:51, vgl. auch Krifka 1991:401) bezeichnet werden. Mengennomina wie Wasser und Holz sind teilbar und additiv. Unter ‚teilbar‘ zur Beschreibung der kategorialen Differenzierung oft verwendet (vgl. Leiss 1992:51, 2000:244f., 2009:67f., Abraham 2011:18f.). Geeignet sind diese Merkmale etwa für die Gegenüberstellung Mengennomina und Individualnomina bzw. Singular und Plural. Bach (1981:70) hat die Logik der Teil-Ganzes-Relationen auf das Englische übertragen. Zur Kennzeichnung der Struktur von Verbal- und Nominalkategorien hat er die mereologischen Kriterien der Additivität/Nonadditivität und der Teilbarkeit/Nichtteilbarkeit vorgeschlagen. Leiss (1992) hat die mereologischen Kriterien von Bach übernommen und diese Teil-Ganzes-Relationen auf die Struktur der deutschen und der gotischen Verbalsituationen übertragen (vgl. auch Leiss 1992:47). Die mereologischen Kriterien lassen sich ebenfalls für Determinertheit/Indeterminertheit usw. verwenden (zu umfassenderer Diskussion vgl. Leiss 2009). 43 Unter Mengennomina können zwei Arten unterschieden werden, nämlich Stoffnomina wie Gold und Wein und Kollektivnomina (auch Genuskollektiv (Krifka 1991)) wie Schmuck und Polizei. Bei Stoffnomina handelt es sich um ein Ganzes aus homogenen Teilen, die sich nicht natürlich voneinander abgrenzen können, während Kollektivnomina aus heterogenen Teilen bestehen. Bei Abstrakta können sich Individualnomina wie Tugend von Mengennomina wie Glück differenzieren.
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Individuierende Funktion der Determinatoren
versteht man Folgendes: Wenn man z.B. Wasser teilt, bleibt jeder Teil immer noch Wasser. Da die Mengennomina über das Merkmal [+teilbar] verfügen, kann die Kontur der Mengennomina variieren. Ein Beispiel für ‚additiv‘ wäre Wasser, dem man eine bestimmte Menge Wasser hinzufügt, ohne damit an seinem Charakter etwas zu verändern. Ein Ganzes ist dann mit der Summe seiner Teile identisch. Ist ein Nomen additiv und teilbar, so gibt es davon in der Regel keine Pluralform. Leiss (2000:245) hat die Gegenüberstellung von Individualnomina und Mengennomina mit den mereologischen Merkmalen (Teilbarkeit und Additivität) in folgender Figur veranschaulicht: Haus [ TEILBAR] [ ADDITIV]
II Massennomen, z.B. Gold [+TEILBAR] [+ADDITIV]
Abb. 11 Gegenüberstellung von Individualnomina und Mengennomina
Zu beachten ist jedoch, dass die oben genannte Generalisierung eine ontologische Einteilung ist. Wir wollen in diesem Kapitel daraus eine grammatische Differenzierung ableiten, die einen Unterschied in der Perspektivierung der Welt darstellt. Die Unterscheidung von Individualnomina und Mengennomina ist auf das Buch The Philosophy of Grammar (1924) von Otto Jespersen zurückzuführen. Er hat darauf hingewiesen: „While countables are ‚quantified’ by means of such words as one, two, many, few, mass-words are quantified by means of such words as much, little, less.“ (Jespersen 1924:198) Allein anhand der Zählbarkeit, nämlich ob ein Substantiv einen Plural bilden kann, lassen sich die Nomina in Numerussprachen (Deutsch und Englisch) als Individualnomina und Mengennomina klassifizieren44. In Sprachen des transnumeralen Typs wie dem Chinesischen 44 Nach Werner (2010:159) kann die Unterscheidung von zählbaren oder nicht-zählbaren Substantiven in den germanischen Sprachen funktional in der Kategorie Genus abgebildet werden. Manche Substantive besitzen inhärentes Genus. „Zählbare Substantive (sog. Individuativa, wie etwa dt. der Schrei) stellt vor diesem Hintergrund das Maskulinum bereit. Das Neutrum hingegen liefert nicht-zählbare Massennomina (wie etwa dt. das Schreien). Nur zählbare Substantive können bekanntlich pluralisiert werden (der Schrei – die Schreie), nicht aber Massennomina (das Schreien – *die Schreien).“ (Werner 2010:159f.) Im Gegensatz dazu „dient das Femininum der Bereitstellung von Kollektiva (wie etwa Burschenschaft) und Kollektivabstrakta (wie etwa die Schreierei,einzelne Schreie zusammengenommen’; Schönheit, alle Vorkommnisse von schön zusammengenommen’)“ (Werner 2010:160).
Ansätze zu den Individualnomina und Mengennomina
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sind Nomina dagegen nicht ohne weiteres pluralisierbar bzw. zählbar. In dieser Hinsicht verhalten sich alle chinesischen Nomina vielmehr wie Mengennomina (Allan 1977, Quine 1969:35ff., Krifka 1986, 1991, 1995, Chierchia 1998a, X.P. Li 2013). Denn erst über einen Klassifikator wird ein chinesisches Nomen zählbar. In Numerussprachen sind die DPs in der Regel numerusmarkiert und das Subjekt kongruiert mit dem finiten Verb im Numerus (2). Hierbei wird die Numerusdifferenzierung auf der morphologischen Ebene gekennzeichnet. Man vergleiche (3). (2)
a. Der Tisch steht am Fenster. b. (Die) Tische stehen am Fenster.
(3)
a. Universität (SG)/Universität-en (PL) b. Kind (SG)/Kind-er (PL)
Individualnomina im Singular müssen in den meisten Fällen in Verbindung mit dem Artikel vorkommen, während Mengennomina in Form von bloßen Nomina erscheinen können45 (4). Im Gegensatz zu den Individualnomina sind Mengennomina weder pluralfähig (5a) noch mit dem unbestimmten Artikel ein- kombinierbar (5b und 6b). Sie sind erst mithilfe des Klassifikators quantifizierbar (5c und 6c). Das Nomen Öl in Beispiel (6a) kann lediglich in der Sortenlesart pluralisiert werden. (4)
a. Heute wurde *(der) Kunsthandwerkermarkt eröffnet. b. In Sachsen wurde (*das) Gold gefunden.
45 Eine Ausnahme findet sich im Französischen, in dem bloße Nomina im Plural und bloße Mengennomina in der Argumentposition nicht alleine vorkommen können sondern mit dem indefiniten Artikel du/de la/des (Genitiv: der oder des) zusammen auftreten müssen. Französisch (i) Jean a lu Jean has read ‚Jean has read books.’ (ii)
*(des) (of-the)
livres. books
Jean a mange *(de la) glace. Jean has eaten (of the) ice cream ‚Jean has eaten ice cream.’ (Doetjes 1997:21)
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Individuierende Funktion der Determinatoren
(5)
a.*Gold-e b.*ein Gold c. ein Barren Gold
(6)
a. #Öl-e b. *ein Öl c. eine Flasche Öl
In den transnumeralen Sprachen46 hingegen wird die Singular/Plural-Differenzierung nicht auf morphologischer Ebene angezeigt. Z.B. kann sich im Japanischen ein bloßes Nomen wie kuruma ‚Auto’ sowohl auf ein Auto als auch mehrere Autos beziehen (Kurita 2014:4). Bei dem japanischen Nomen hon ‚Buch’ kann ebenfalls singularisch oder pluralisch verwendet werden. Man vergleiche (7). Das Gleiche gilt im Chinesischen, z.B. das Nomen shū 書 ‚Buch’ referiert je nach Sätzen auf ein Buch oder mehrere Bücher (8). Japanisch (7) a. Hon-ga shinshitsu-ni arimasu. Buch Nom-Part Schlafzimmer Dat-Part sein-unbelebt ‚Ein Buch/Bücher ist/sind im/in (den) Schlafzimmer(n).’
(Kurita 2014:27)
Chinesisch (8) 書在桌上。 Shū zài zhuō shàng. N V N Post.P Buch sich befinden Tisch auf ‚Das Buch befindet sich auf dem Tisch.’ Oder: ‚Die Bücher befinden sich auf dem Tisch.’
Des Weiteren können alle Nomina in den transnumeralen Sprachen ohne Artikel, nämlich als bloße Nomina im Satz erscheinen. Sie alle können mit einem Klassifikator verbunden werden. Somit werden alle Nomina in den transnumeralen Sprachen wegen des Fehlens an Numerusdifferenzierung als Mengennomina betrachtet. Krifka (1986, 1991) etwa setzt die Klassifikatorsprachen und mass language gleich. Er argumentiert, „In sogenannten Klassifikatorsprachen gibt es keine I[ndividual] N[omina]; alle Nomina sind als M[engen] N[omina] anzusehen“ (Krifka 1986:4, 1991:400). Ferner betont er, dass Mengnennomina im Gegensatz zu Individualnomina transnumeral sind, d.h. 46 Der Terminus transnumerale Sprachen wurde gegen die Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts von Greenberg (1974) geprägt.
Ansätze zu den Individualnomina und Mengennomina
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keine Numerusdifferenzierung ermöglichen (vgl. Ring/Ringe vs. Gold/*Golde) (Krifka 1989:4, 1991:399). Neben Krifka ist Chierchia (1998a, b, vgl. auch Abschnitt 2.3) auch der Meinung, dass alle Nomina in transnumeralen Sprachen Mengennomina sind. Syntaktisch gesehen sind sie inhärent Plurale. Diese Annahme erscheint auf den ersten Blick plausibel zu sein, doch bei näherer Betrachtung ergeben sich erhebliche Zweifel: So liegt bei den Nomina im Japanischen sehr wohl Numerusdifferenzierung vor, die allerdings nicht durch die Kriterien der morphologischen Markierungen, sondern durch Demonstrativa vorgenommen wird (Kurita 2014:68). Japanisch (9) a. Kono gakusei Dem N ‚Dieser Student’ b. Korera no Dem Gen.Part ‚Diese Studenten’
(Kurita 2014:68) gakusei N
(Kurita 2014:68)
Cheng/Sybesma (1998, 1999) führen einen entgegensetzten Ansatz ein. Sie vertreten die Position, dass die Unterscheidung zwischen Individual- und Mengennomina auch in den transnumeralen Sprachen existiert. Sie ist zwar nicht am Nomen selbst erkennbar, wird aber über Zählklassifikator/Klassifikator und Maßklassifikator (engl. ‚classifier’ vs. ‚massifier/mass-classifier’, detailliert in Abschnitt 5.3.2) kodiert. Mit anderen Worten: Individualnomina treten entweder alleine oder mit einem Klassifikator auf, während sich Mengennomina, wenn sie nicht alleine stehen, nur mit einem Maßklassifikator verbinden können. Der Zählklassifikator bezeichnet die repräsentative Eigenschaft der Individualnomina, während der Maßklassifikator die Funktion einer Zähleinheit für Mengennomina übernimmt. D.h. die Differenzierung zwischen Individualnomina und Mengennomina zeigt sich nicht am Nomen selbst, sondern wird im Klassifikator-System deutlich. D.h. wenn ein Nomen mit einem Zählklassifikator kombiniert werden kann, ist es ein Individualnomen. Alle anderen sind Mengennomina. In languages like English, the cognitive mass-count distinction is grammatically encoded at the level of the noun (*one water, one woman), in Chinese the distinction seems to be grammatically encoded at the level of the classifier. (Cheng/Sybesma 1998:4)
Ferner stellen Cheng/Sybesma (1999:515, 2005:273) fest, dass Individualnomina eine integrierte semantische Aufteilung (engl. ‚built-in semantic partitioning’)
132
Individuierende Funktion der Determinatoren
haben. D.h. bei Individualnomina liegt eine Begrenzung vor, und ein Individualnomen wird inhärent als Ganzes und als diskretes Individuum aufgefasst. Deshalb kann man sie ohne weiteres zählen. Im Gegensatz dazu fehlt den Mengennomina dieses Merkmal. Durch Hinzufügung der Maßklassifikatoren lassen sich Mengennomina zählen (Cheng/Sybesma 2005:272). Jedoch argumentiert X.P. Li (2013) gegen Cheng/Sybesma (1999), weil deren Unterscheidung auf lexikalischer Differenzierung beruht. Er vertritt aber ebenfalls die Position, dass alle chinesischen Nomina Mengennomina sind. Er trennt syntaktische Zählbarkeit von ontologischer Individuierung. Die mass/count-Unterscheidung sei unabhängig davon, ob das Referentobjekt ein Individuum ist. D.h. für X.P. Li sind shuǐ 水 ‚Wasser’ und lǎoshī 老師 ‚Lehrer’ beide gleichermaßen Mengennomina. Ontologisch weisen diese eine Unterscheidung auf: Nomina, die entweder auf diskrete oder auf homogene Entitäten referieren (X.P. Li 2013:85). Aus meiner Sicht ist Individuierung ein sprachliches Phänomen, das die Voraussetzung für die Zählbarkeit einer Entität schafft. Auch Doetjes (1997:38f.) widerspricht der binären Teilung von Cheng/ Sybesma (1999) und unterteilt Nomina nach dem syntaktischen und lexikalischen Gesichtspunkt in drei universellen Untertypen: count noun singular/ plural, count mass noun (collective aus dem syntaktischen Gesichtspunkt) und mass mass noun (non-collective) (Doetjes 1996:44). Unter count noun versteht sie solche Nomina, die unmittelbar nach einem Numerale vorkommen können. Da alle chinesischen Nomina syntaktisch als nicht zählbar gelten, sind sie alle Mengennomina. Jedoch sind einige davon deswegen semantisch zählbar, weil sie einen minimalen Teil beinhalten. Diese bezeichnet Doetjes (1996:44, 2010:44) als count mass noun (vgl. Barner/Snedeker 2005: object mass nouns und Chierchia 2010: fake mass noun), z.B. das Nomen xiǎohái 小孩 ‚Kind’ im Chinesischen (Doetjes 1997:31) furniture im Englischen oder Schmuck im Deutschen. Wenn man xiǎohái 小孩 ‚Kind/Kinder’ in einem pluralischen Kontext verwendet, bezieht xiǎohái 小孩 sich auf mehrere Kinder als Kollektivum. Im Englischen wird furniture verwendet, um auf eine Menge von Tischen, Sofas, Regalen usw. zu referieren. Das Wort Schmuck bezieht sich nicht auf einen bestimmten Gegenstand, sondern auf eine Gesamtheit mehrerer Schmuckstücke. Dieser Typ entspricht genau den Merkmalen [–Numerabilität] und [+Abgrenzbarkeit]47 von 47 Zhang (2012:1) vertritt ebenfalls die gleiche Meinung, dass der Kontrast zwischen Individual- und Mengennomina nicht völlig gegensätzlich sei und nicht alle Nomina im Klassifikatorensprachen Mengennomina sind. Sie hat demzufolge zwei Merkmale der Nomina vorgeschlagen: Numerabilität ‚numerable’ und Abgrenzbarkeit ‚delimitable’. Numerabilität ist die Fähigkeit eines Nomens, direkt mit einem
Ansätze zu den Individualnomina und Mengennomina
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Zhang (2012). [–Numerabilität] besagt, dass das Nomen nicht unmittelbar an das Numerale anschließen kann48, z.B. (10) und (11), während [+Abgrenzbarkeit] auf den Kontur des Referenzobjekts hinweist.
Numerale kombiniert zu werden. Numerabilität dient zur Differenzierung zwischen Individualnomina und Nicht-Individualnomina. D.h. wenn das Numerale und das Nomen unmittelbar nebeneinander stehen können, ist das Nomen ‚zählbar’. Nicht-Individualnomina, bei denen die Konstruktion Numerale+Nomen nicht erlaubt ist, sind nicht zählbar. Abgrenzbarkeit ist die Fähigkeit eines Nomens, durch einen Größen- und Form-Modifikator (size, shape oder boundary modifier), auch Abgrenzungs-Modifikator ‚delimitive modifer’ genannt, modifiziert zu werden. Diese Fähigkeit dient zur Abgrenzung zwischen Mengennomina und NichtMengennomina. Es gibt aber ein Wort aus dem klassischen Chinesischen, nämlich dàshuǐ 大水 ‚Großwasser’, das Flut oder Überschwemmungen bedeutet. Eine solche Einzelausnahme wird hier allerdings nicht vertieft diskutiert. Mittels dieser beiden Merkmale sollen alle chinesischen Nomina aus einem syntaktischen und einem lexikalischen Gesichtspunkt betrachtet werden. Syntaktisch sind sie nicht zählbar, weil es ausgeschlossen ist, ein Numerale unmittelbar mit einem Nomen zu verbinden. Stattdessen muss ein Klassifikator zwischen dem Numerale und dem Nomen stehen. Man vergleiche (i) und (ii). Chinesisch (i) *小水 *xiǎo klein (ii)
shuǐ Wasser
小桌子 xiǎo zhuōzi klein Tisch ‚kleiner Tisch/kleine Tische’
48 Es gibt jedoch Ausnahmen: Z.B. im juristischen Kontext (i), in den feststehenden Redewendungen (ii) und bei idiomatischen Ausdrücken (iii) wird der Klassifikator nicht verwendet. Die Zusammensetzung yí shì一事 in (i) stammt aus dem klassischen Chinesischen und idiomatisiert ist. Chinesisch (i) 針對罰單一事,他不願意回應。 Zhēndùi fádān yí shì, tā bú yùanyì húiyìn. P N. Obj Num N PerPro Neg.Part MV V In Bezug auf Strafzettel ein Sache er nicht wollen reagieren ‚Auf die Sache mit dem Strafzettel will er nicht reagieren.’
134 (10)
Individuierende Funktion der Determinatoren a. *three furniture b. * drei Schmuck
Chinesisch (11) 三* (個) sān *(ge) drei KLStück ‚drei Kinder’
孩子 háizi Kind
Ferner nennt Doetjes (1997:31) die semantisch nicht zählbaren Nomina mass mass noun, wie die Nomina shuǐ 水 ‚Wasser’, qìtǐ 氣體 ‚Gas’ oder kōngqì 空氣 ‚Luft’ u.ä., die die Merkmale [–Numerabilität] und [–Abgrenzbarkeit] haben (vgl. Zhang 2012). Ob ein Nomen semantisch count mass noun oder mass mass noun ist, kann erst nach der syntaktischen Operation, also der Einfügung eines Klassifikators, entschieden werden (Doetjes 1997:25). D.h. der Zählklassifikator und Numerusmorphologie sind beide syntaktischer Marker der Zählbarkeit. Ich stimme Doetjess syntaktische Operation zu, lehne jedoch ihre lexikalischsemantische Differenzierung ab, da ich [±zählbar] als rein syntaktisches Phänomen betrachte. Eine semantische Unterscheidung findet man auch bei Lyons (1980). Er favorisiert eine lexikalische Differenzierung zwischen Referenz auf Individuen und Referenz auf Klassen: Das Deutsche unterscheidet sich von den so genannten Klassifikatorsprachen darin, daß es wie die indoeuropäischen Sprachen generell und einige andere Sprachfamilien grammatisch in zählbare und nicht-zählbare Substantive trennt. Semantisch beruht die Grammatikalisierung der Zählbarkeit darauf, daß in die Bedeutung der Lexeme, die grammatisch als zählbare Substantive behandelt werden, die Komponente ENTITÄT aufgenommen wurde. (Lyons 1980:89)
(ii)
一日千里 yì rì qiān lǐ Num N Num N ein Tag tausend (chinesische)Meile Wortwörtlich: ‚tausend Meile an einem Tag zurücklegen’ ‚sehr schnell vorwärtskommen’
(iii)
三房兩廳 sān fáng liǎng tīng Num N Num N drei Zimmer zwei großer Raum ‚drei Schlafzimmer, zwei Wohnzimmer/Esszimmer’
Ansätze zu den Individualnomina und Mengennomina
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Borer (2005) geht nicht wie Chierchia (1998a) davon aus, dass sich die Weltsprachen nach der Unterscheidung von numeralen und transnumeralen unterscheiden lassen. Sie geht sondern aus der Auffassung der transnumeralen Sprachen aus und nimmt an, dass alle Nomina sprachübergreifend vor einer weiteren Differenzierung grundsätzlich extensional Mengennomina sind und brauchen aufgeteilt/portioniert zu werden, bevor sie zusammen mit dem Zählsystem aufeinander wirken: Rather, all nouns, in all languages, are mass, and are in need of being portioned out, in some sense before they can interact with the ‚count’ system. This portioning-out function, accomplished in languages like Chinese through the projection of classifiers, is accomplished in languages like English by the plural inflection as well as by the indefinite article. (Borer 2005:93)
Nach Borers Ansicht ist die Differenzierung zwischen Mengen- und Individualnomina nicht lexikalisch kodiert, sondern ein Merkmal der Determinatorphrase. Erst nach Einbettung der Syntax erfolgt die Mengen-Zählbedeutung. D.h. die mass-count-Unterscheidung ist eine Struktureigenschaft und kommt nicht aus dem Lexikoneintrag. Im Chinesischen übernehmen die Klassifikatoren die individuierende Funktion und im Englischen die Pluralflexion und der indefinite Artikel. Alle drei können Mengennomina aufteilen. Sie sind funktionale Köpf DIV, die als offene Werte angesehen werden (Borer 2005:93f.) (siehe Abb. 12). #P ist für die Menge zuständig. Fehlt CLmax einer DP, so entsteht eine Menge-Interpretation. Das Fehlen von #P führt zu einer non-Menge Interpretation, z.B. Wasser ist für Menschen wichtig (Mengennomen) oder Menschen sind sterblich (bloßer Plural).
Abb. 12 DP bei einem Individualnomen von Borer (2005:96)
136
Individuierende Funktion der Determinatoren
Ich gehe ebenfalls davon aus, dass Klassifikator, der indefinite Artikel und Plural-Flexion ein und dieselbe Funktion übernehmen. Jedoch teile ich Borers Auffassung, dass alle Nomina in allen Sprachen Mengennomina sind, nicht. Meine Hypothese basiert auf den Ansätzen von Corbett (1992) und Kurita (2014). Corbett (1992) entwickelt eine eigene Perspektive zum Numerussystem. Es gibt Sprachen, deren Numerusdifferenzierung je nach Bedarf über andere Kodierungsmittel als über die morphologische Markierung zum Ausdruck gebracht wird. Diese bezeichnet Corbett als general number: In English, we are generally forced to chose [sic] between singular and plural whenever we use a noun. However, there are languages for which number appears less dominant, languages in which the meaning of the noun can be expressed without reference to number. We shall call such uses ‘general’, by which we mean that they are outside the number system. (Corbett 1992:7)
Einen ähnlichen Ansatz vertritt Kurita (2014:17). Sie vertritt die Meinung, dass die Numerusdifferenzierung im Japanischen durch Numeruskodierungselemente zur Präzisierung des Informationsgehalts realisiert wird und nur dann vorkommt, wenn eine Notwendigkeit vorliegt. Die Nomina im Japanischen sind im Gegensatz zu den Auffassungen von Chierchia (1998a, b), Krifka (1986, 1991) und Borer (2005) definitiv keine Mengennomina. Ferner hebt Kurita (2014:16) hervor, dass eine Numerusdifferenzierung in den Numerussprachen vielmehr notwendig ist, während eine Numerusbefreiung für die transnumeralen Sprachen möglich ist. Zwischen Individual- und Mengennomina kann ohne Ausdrucksmittel von Anzahl oder Menge nicht differenziert werden. Ich vertrete die Ansicht, dass die Nomina im Chinesischen syntaktisch in Bezug auf die mass/count-Charakteristik ohne weitere Markierung zunächst unterspezifiziert sind. Diese mass/count-Differenzierung ist nicht zwingend. Erst nach Hinzufügung eines Klassifikators oder eines Quantifikationselements wird die Differenzierung zwischen Mengen- und Individualnomina hergestellt (vgl. Kurita 2014, Borer 2005). Der Grund liegt darin, dass die Klassifikatoren es ermöglichen, die Betrachtungsperspektiven der Nomina zu wechseln. Man vergleiche (12). Chinesisch (12) a. 三粒米/沙 sān lì mǐ/shā drei KLKorn Reis/Sand ‚drei Reiskörner/Sandkörner’
Ansätze zu den Individualnomina und Mengennomina
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b. 三把米/沙 sān bǎ mǐ/shā drei KLHandvoll Reis/Sand ‚drei Handvoll Reis(körner)/Sand(körner)’ c. 三袋米/沙 sān dài mǐ/shā drei KLsack Reis/Sand ‚drei Säcke Reis(körner)/Sand(körner)’
Die Nomina mǐ米‚Reis’ und shā 沙‚Sand’ in (12a): sie werden als Reis- und Sandkorn, nämlich als natürliche Einzelelemente von Reis und Sand, bezeichnet. Man kann jedes Reis- oder Sandkorn einzeln abzählen. Als nur quantifizierbare, nicht-zählbare Nomina werden sie in (12b, c) entweder als Stoff Reis und Sand oder als die Gesamtheit (nicht die Vereinzelung) von Reis- und Sandkörnern interpretiert. Die Frage ist, wie groß die Bestandteile eines Stoffes sein müssen, um als ein Individuum angesehen zu werden. Dies ist jedoch nur kulturspezifisch zu beantworten. Bei der Verwendung der bloßen Nomina mǐ 米‚Reis’ und shā 沙‚Sand’ in der Rhemaposition (13a) handelt es sich um die Mengennominaversion, nämlich Stoffnomina. Sie sind indefinite DPs. Das bloße Nomen Sand präsupponiert die Existenz des Nomens und ist daher schwach referentiell. In (13b, c) steht das bloße Nomen Sand in der Topikposition. Im ersten Fall (13b) wird Sand als bestimmte referentielle Menge von Sand, die Sprecher und Hörer identifizierbar ist, interpretiert. Eine andere Möglichkeit besteht darin, Sand als Gattung oder Klasse zu erklären. Chinesisch (13) a. 桌上有沙。 Zhuō shàng yǒu N Post.P V Tisch auf haben ‚Auf dem Tisch gibt es Sand.’
shā. N Sand
b. 沙在桌上。 Shā zài zhuō N V N Sand sich befinden Tisch ‚Der Sand ist auf dem Tisch.’
shàng. Post.P auf
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Individuierende Funktion der Determinatoren c. 沙是一種天然原材料。 Shā shì yì zhǒng N KV Num KLSorte Sand sein ein KLSorte ‚Sand ist ein natürlicher Rohstoff.’
tiānrán Adj natürlich
yuáncáiliào. N Rohstoff
Des Weiteren haben Nomina wie hónglóubō 紅蘿蔔 ‚Karotte’ im Chinesischen zwei Lesarten. Karotte als Individualnomen referiert auf eine ganze Karotte. In (14a) z.B. trägt der Klassifikator gēn 根 die natürliche Eigenschaft der Karotte, nämlich ‚langer dünner Gegenstand’ und fügt zur sachlichen Nominalbedeutung von Karotte nichts hinzu. Deshalb fungiert Karotte hier als Individualnomen. Hingegen ist Karotte in (14b) eine Substanz, nämlich Mengennomen. Chinesisch (14) a. 三根紅蘿蔔 sān gēn drei KLLanger dünner Gegenstand ‚drei Karotten’
hóngluóbō Karotte
b. 三片紅蘿蔔 sān piàn hóngluóbō drei KLScheibe Karotte ‚drei Scheiben Karotte’
Für das Deutsche vertrete ich ebenfalls die Meinung, dass Nomina ohne weitere Markierungen zunächst unterspezifiziert sind. So wird z.B. das Nomen Brot im Allgemeinen als Mengennomen eingeordnet, doch kann es in bestimmten Kontexten auch als Individualnomen (hier als Sortennomen) angesehen werden (15). D.h. das Mengennomen kann als Individualnomen wiederkategorisiert werden. Setzt man das Stoffnomen Brot z.B. in den Plural, kommt es zur Lesart des Sortenplurals Brote ,Sorten von Brot oder Brotsorten’. Das Substantiv Mehl hat zwei Lesarten, nämlich als Menge von Mehl oder Mehlsorte. Betrachten wir ein weiteres Beispiel. Das Nomen Apfel ist normalerweise ein Individualnomen, wenn es sich um einen ganzen Apfel handelt (16a). In (16b) ist Apfel aber ein Mengennomen (vgl. Allan 1980). Diese Ambiguitäten zeigen, dass man viele Nomina lexikalisch nicht eindeutig einer der beiden Klassen zuordnen kann. Jedoch kann der Numerus entscheiden, wie sie interpretiert werden. (15)
a. Ich will Brot. b. Ich will viele Brote.
(Mengennomen) (Sortennomen)
Ansätze zu den Individualnomina und Mengennomina (16)
a. Man braucht viel Mehl um einen Kuchen zu backen. b. Dies ist ein gutes Mehl. eine gute Mehlsorte
(17)
a. Der Salat enthält einen Apfel. b. Der Salat enthält Apfel.
139
(Mengennomen) (Sortennomen) (Individualnomen) (Mengennomen)
Corbett (2000:297) vertritt die Meinung, dass es Sprachen gibt, die den Plural nur dann verwenden, wenn der Sprecher die Aufmerksamkeit auf die Quantität lenken möchte. Aber dies ist nicht obligatorisch, wie z.B. im Japanischen. Sanches/Slobin (1973:4) haben ebenfalls festgestellt, dass das Pluralmorphem eines Nomens nicht obligatorisch ist, wenn eine Sprache ihre Quantifikation durch Numerale und Klassifikatoren ausdrückt. Auch nach T’sou (1976:1216) stehen Klassifikator und Plural-Flexion in einer komplemtären Distribution. Im Chinesischen wird eine Numeralklassifikatorphrase nur dann verwendet, wenn die Quantität im Vordergrund steht (18a, b). Bei der Verwendung des bloßen Nomens in (18c) hingegen wird die Existenz ausgedrückt. Das Nomen Apfel wird nicht als ein Individuum angesehen, sondern als Menge von Apfel. Der Klassifikator kann nachgestellt werden, wenn die Anzahl im Vordergrund steht. Man vergleiche (18d). Chinesisch (18) a. 沙拉裡有一顆蘋果。 Shālā lǐ yǒu N Post.P V Salat innen enthalten ‚Der Salat enthält einen Apfel.’ b. 沙拉裡有三顆蘋果。 Shālā lǐ yǒu N Post.P V Salat innen enthalten ‚Der Salat enthält drei Äpfel.’ c. 沙拉裡有蘋果。 Shālā lǐ yǒu N Post.P V Salat innen enthalten ‚Der Salat enthält Apfel.’
yì Num ein
sān Num drei
kē KLrunder Gegenstand KLrunder Gegenstand
kē KLrunder Gegenstand KLrunder Gegenstand
píngguǒ. N Apfel
píngguǒ. N Apfel
píngguǒ. N Apfel
140
Individuierende Funktion der Determinatoren d. 沙拉裡有蘋果,三顆。 Shālā lǐ yǒu píngguǒ, sān N Post.P V N Num Salat innen enthalten Apfel drei ‚Der Salat enthält Apfel, drei Stück davon.’
kē. KLrunder Gegenstand KLrunder Gegenstand
Aus den obengenannten Belegen ergibt sich, dass die Mengen-/Individualbedeutung eines Nomens im Deutschen und Chinesischen erst nach der Einbettung eines Klassifikators in die DP-Syntax festgelegt wird. D.h. die Unterscheidung zwischen Individual- und Mengennomina ist kein lexikalisches Merkmal. Im folgenden Abschnitt 5.2 versuche ich mit einigen Tests und Argumenten zu zeigen, wie diese Differenzierung im Chinesischen syntaktisch kodiert wird.
5.2 Tests zur Unterscheidung der Individualnomina von den Mengennomina In diesem Abschnitt wird versucht, einige Tests auf die Unterscheidung der Mengen- und Individualnomina anzuwenden, um zu prüfen, ob diese Tests geeignet und plausibel für das Chinesische sind.
5.2.1 Der ge 個-Test Der entsemantisierte Klassifikator ge 個49 ‚Stück’ steht im Allgemeinen nur mit Individualnomina50. Er enthält keine genaue Information darüber, was als Individuum/Einzelelement gezählt wird. Deshalb wird ge個 als general classifier
49 Wenn das Zeichen ge個 als Adjektiv fungiert, bedeutet es ‚individuell’, z.B. gè-rén個人 ‚individuelle Person = Individuum’ oder gè-àn個案 ‚individueller Fall = Einzelfall’. 50 Einige Individualnomina benötigen bestimmte Klassifikatoren. Z.B. shū書‚Buch’ oder yú魚 ‚Fisch’. Chinesisch (i) 三本/*個書 sān Num ‚drei Bücher’ (ii) 三條魚 sān Num ‚drei Fische’
běn/*ge KLBand/KLStück
shū Buch
tiáo KLlanger Gegenstand
yú Fisch
Tests zur Unterscheidung der Individualnomina
141
bezeichnet (Li/Thompson 1981:112). ge個 kann viele spezielle Klassifikatoren ersetzen, z.B. wèi位 (Menschen), bǎ把 (Gegenstand mit Griff) usw. Der Klassifikator ge個 fungiert als ein syntaktischer Marker der Zählbarkeit und ist der Numerusmorphologie sehr ähnlich (so auch Doetjes 1997). Wenn aber ge個 mit einem Mengennomen vorkommt, kann er auch als eine denotierte Portion angesehen werden. Z.B. mit yí ge píjiǔ 一個啤酒 ‚ein Bier’ kann im Restaurant 0,20 oder 0,5 oder 1 Liter gemein sein. Die denotierte Portion existiert ebenfalls im Deutschen wie ein Bier, nämlich der Inhalt eines Gefäßes, der die Flüssigkeit Bier ist. Deshalb ist m.E. die Anwendung vom grammatikalisierten ge個 ein zuverlässiger Test für die Abgrenzung der Mengennomina von den Individualnomina. Man vergleiche (19). Chinesisch (19) a. 三個紅蘿蔔 sān drei ‚drei Karotten’ b. 三個啤酒 # sān drei ‚drei mal Bier’
ge KLStück
hóngluóbo Karotte
ge KLStück
píjiǔ Bier
5.2.2 Der de 的-Test In der Literatur wird die zwischen dem Klassifikator und dem Nomen stehende Attributpartikel de的 oft als diagnostischer Test für Mengennomina dargestellt. Die Einheiten Numerale und Klassifikator werden dadurch als Attribut zum Nomen betrachtet. Nach Henne/Rongen/Hansen (1977:223, 243), Cheng/Sybesma (1998:515; 1999:3) und Gebhardt (2011:128) ist de 的 zwar fakultativ bei Mengennomina, aber ausgeschlossen bei Zählnomina. Jedoch ist de的 m.E. keine gute Diagnostik für Mengennomina, weil de的 keinesfalls immer zwischen dem Klassifikator und Mengennomina eingefügt werden darf, wie Beispiel (20a) zeigt. Bei Zählnomina ist de 的 auch möglich, wie (20b) aufweist. X.P. Li (2011:40) und Zhang (2012: 45, 67) haben einige gute Beispiele gegen die genannten Autoren Cheng/Sybesma (1998, 1999) angeführt (21) und vertreten die Meinung, dass de 的 in allen KlassifikatorenTypen (KL-Typen Detalliert im 5.3.2) vorkommen kann, wenn Quantität im Vordergrund steht.
142
Individuierende Funktion der Determinatoren
Chinesisch (20) a. 一團(*的)空氣 yì tuán ein KLrunde Form/Masse ‚eine Menge Luft’ b. 一小本*(的)書 yì xiǎo běn ein klein KLBand ‚ein kleines Buch’ (21)
(*de) Attr.Part
*(de) Attr.Part
kōngqì Luft
(Mengennomen)
shū Buch
(Individualnomen)
a. Shufen吃了一百個/公斤/包/片/堆/種的蘋果。 Shufen chi-le yi-bai {ge/gongjin/bao/pian/dui/zhong} de pingguo. Shufen eat-PRF one-hundred CL/kilo/bag/slice/pile/kind DE apple ‘Shufen ate 100 apples or 100 {kilos/bags/slices/piles/kinds} of apples.’ (Zähl- und Maßklassifikator) (Zhang 2012:55) b. Shufen吃了三分之一粒的感冒藥。 Shufen chi-le san-fen-zhi-yi li Shufen eat-PRF one-third CL ‘Shufen took one third of a cold pill.’
de DE
ganmao-yao. cold-pill (Zählklassifikator) (X.P. Li 2011:40)
c. 一兩條的毛巾你總買得起吧! Yi liang tiao de maojin ni zong mai-de-qi ba! one two CL DE towel you after.all buy-can Part ‘You should be able to afford to buy one or two towels!’ (Zählklassifikator) (Zhang 2012:55,101)
5.2.3 Quantoren- und Artikeltest Im Englischen können einige Quantoren z.B. every, many etc., der Indefinitartikel a und das indefinite Pronomen each nur mit den Zählnomina zusammen vorkommen. Hingegen kann der Quantor much nur mit den Mengennomina kombiniert werden. Dies sind Tests für eine Unterscheidung zwischen Individualnomina und Mengennomina. (22)
a. a/each/every car b. many/several cars c. much cheese
Im Deutschen ist das Mengennomen mit dem Quantor viel kombinierbar, während der Quantor bei Individualnomina durch viele realisiert wird. Ob die
Tests zur Unterscheidung der Individualnomina
143
Nomina unmittelbar mit einem Numerale in Verbindung stehen können oder mit Numerale und Klassifikatoren zusammen vorkommen müssen, ist für die mass/count-Differenzierung entscheidend. Die im Deutschen mögliche Unterscheidung kann man in der folgenden Tabelle ersehen (Abraham 2011, vgl. auch Krifka 1991:399):
3
Individualnomina/IN/IT Singular Plural der Bock ist … die Böcke sind … ein Bock/Viech Böcke/Viecher ist … sind … ein Bock zwei Böcke
4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14
*viel Bock *etwas Bock jeder Bock *aller Bock *3 Herden Bock *mehr Bock *lauter Bock mancher Bock *einiger Bock ein bestimmter B. ein gewisser Bock
1 2
viele Böcke *etwas Böcke *jede Böcke alle Böcke 3 Herden Böcke mehr Böcke lauter Böcke manche Böcke einige Böcke bestimmte Böcke gewisse Böcke
Massennomina/MN/MT Stoffnomina Kollektivnomina der Schnaps ist … das Vieh ist … Schnaps ist … Vieh/*Viech ist … *ein/*zwei Schnaps/ + zwei Schnäpse ein-/2mal Schnaps viel Schnaps etwas Schnaps jeder Schnaps aller Schnaps 3 Stamperln Schnaps mehr Schnaps lauter Schnaps mancher Schnaps *einiger Schnaps ein bestimmter Schn. *ein gewisser Schn.
*ein/*zwei Vieh/+Viecher
viel Vieh/*Viech etwas Vieh/*Viech jedes Vieh/Viech alles Vieh/*Viech 3 Herden Vieh/*Viech mehr Vieh/*Viech lauter Vieh/*Viech manches Vieh/Viech einiges Vieh/*Viech ein best. Vieh/Viech ein gewisses *Vieh/Viech
Abb. 13 Syntaktische Merkmale für Numerus zur Unterscheidung zwischen Individualund Mengennomina im Deutschen
Ähnliche grammatische Unterschiede gibt es auch in vielen anderen Sprachen. Im Japanischen etwa lassen sich nach Kurita (2014:164f.) Mengen- und Individualnomina jeweils mit den Quantifikationselementen taryô (‚viel/much’ mass-Quantor) und tasû (‚viele/many’ count-Quantor) differenzieren. Man vergleiche (23) Japanisch (23) a. Kai wa taryô-no moselwain-o nomi-mashita. (Kai-Topik, viel (much), Gen-Part, Moselwein-Akk-Part, getrunken-Pfv.Part) ‚Kai hat viel Moselwein getrunken.’ (Kurita 2014:164) b. Kai wa tasû-no ringo-o tabe-mashita. (Kai-Topik, viele (many), Gen-Part, Apfel-Akk-Part, gegessen-Pfv.Part) ‚Kai hat viele Äpfel gegessen.’ (Kurita 2014:165)
144
Individuierende Funktion der Determinatoren
Die Differenzierung zwischen Individual- und Mengennomina wird im Chinesichen nicht am Nomen selbst, sondern wie im Japanischen auch an Quantifikationselementen gezeigt. Der Quantor wenig wird im Chinesischen durch shǎoxǔ 少許 bzw. yìdiǎndiǎn 一點點 ‚wenig/little’ oder shǎoshù 少數51 ‚wenig/ few’ realisiert. Während sich die ersten zwei Ausdrücke nur mit Mengennomina (24) verbinden, kommt der letztere Ausdruck shǎoshù 少數 nur mit Individualnomina (25) vor. Somit kann das Nomen mit Quantoren entweder als Individual- oder als Mengennomen interpretiert werden. Chinesisch (24) a. 少許/一點點糖 shǎoxǔ/yìdiǎndiǎn wenig wenig ‚wenig Zucker’ b. 少許/一點點油 shǎoxǔ/yìdiǎndiǎn wenig wenig ‚wenig Öl’
táng Zucker
(Mengennomen)
yóu Öl
(Mengennomen)
c. *少許/*一點點房間 *shǎoxǔ/yìdiǎndiǎn fángjiān wenig wenig Zimmer (25)
a. 少數學校 shǎoshù xuéxiào wenig Schule ‚wenige Schulen’ b. 少數椅子 shǎoshù yǐzi wenig Stuhl ‚wenige Stühle’ c. 少數油 *shǎoshù wenig
yóu Öl
51 Der Quantor shǎoshù (少數) bedeutet wortwörtlich ‚wenige Zahl’.
(Individualnomen)
(Individualnomen)
(Individualnomen)
(Mengennomen)
145
Tests zur Unterscheidung der Individualnomina (26)
a. 少數蘋果 shǎoshù píngguǒ wenig Apfel ‚wenige Äpfel’ b.少許/一點點蘋果 shǎoxǔ/yīdiǎndiǎn wenig wenig ‚wenig Apfel’
(Individualnomen)
píngguǒ Apfel
(Mengennomen)
5.2.4 Pronominaltest Ob ein Bezugsnomen als Individual- oder Mengennomen auftritt, kann man am Personalpronomen in dem anschließenden Satz ablesen. Ein Mengennomen im Rhema kann nur mit dem Personalpronomen im Singular tā 它‚es’ koreferieren. Man vergleiche (27) und (28a). Wenn das Bezugsnomen vom Personalpronomen im Plural wieder aufgenommen wird, kann sich das Bezugsnomen nur auf die Sortenlesart beziehen. In (28b) z.B. lässt sich das Personalpronomen tāmen 它們 nur als verschiedene Wasserarten interpretieren. Chinesisch (27) 我煮牛肉時,會加(一些)啤酒,它(*們)能讓肉變軟。 Wǒ zhǔ níuròu shí, hùi jiā (yìxiē) píjiǔ, Pro V N Konj HV V Quant N Ich kochen Rindfleisch als werden hinzufügen ein bisschen Bier tā(*men) néng ràng ròu bìan ruǎn. Pro MV HV N V Adj es können lassen Fleisch ändern weich ‚Wenn ich Rindfleisch koche, füge ich ein bisschen Bier hinzu. Es kann das Fleisch weich machen.’ (Mengennomen) (28)
a. 多喝(一些)水,它(*們)能幫助你恢復精神。 Duō hē (yìxiē) shuǐ, tā(*men) néng bāngzhù Adv V Quant N Pro MV V mehr trinken ein bisschen Wasser es können helfen
nǐ PersPro dir
huīfùjīngshén. V sich ermuntern ‚Trink ein bisschen mehr Wasser. Es kann dir helfen sich zu ermunern.’ (Mengennomen)
146
Individuierende Funktion der Determinatoren b. 這是生活中的(一些)水,它*(們)能直接飲用嗎? Zhè shì shēnghuó zhōng de (yìxiē) shuǐ, Dem KV N Post.P Attr.Part Quant N diese sein Allagsleben in Attr.Part ein bisschen Wasser tā*(men) néng zhíjiē yǐnyòng ma? Pro MV Adv V Fr.Part sie können direkt trinken Fr.Part ‚Diese sind ein paar Wässer im Alltagsleben. Kann man sie direkt trinken?’ (Individualnomen)
Das bloße Individualnomen im Rhema des Vorsatzes kann hingegen das Personalpronomen sowohl im Singular als auch im Plural als Koreferent verwenden (29a). Setzt man z.B. einen Quantor yìxiē 一些 ‚einige’ oder hěnduō 很多‚viel’ vor dem Individualnomen shū 書‚Buch’ ein, dann muss das Personalpronomen im Plural tāmen 它們 ‚sie’ als Anapher auftreten. Chinesisch (29) a. 我昨天買了書,它/它們今天被我放在架子上。 Wǒ zuótiān mǎi le shū, tā/tāmen PersPro Adv V Pfv.Part N Pro/Pro ich gestern kaufen Pfv.Part Buch es/sie
jīntiān Adv heute
bèi wǒ fàng zài jiàzi shàng. P PersPro V P N Post.P von mir stellen in Regal auf ‚Ich habe gestern Buch/Bücher gekauft. Es wurde/Sie wurden heute von mir ins Regel gestellt.’ (Indivdualnomen)
b. 我昨天買了一些書,它們今天被我放在架子上。 Wǒ zuótiān mǎi le yìxiē shū, PersPro Adv V Pfv.Part Quant N ich gestern kaufen Pfv.Part einige Buch
tāmen jīntiān Pro ADV sie heute
bèi wǒ fàng zài jiàzi shàng. P PersPro V P N Post.P von mir stellen in Regal auf ‚Ich habe gestern einige Bücher gekauft. Sie wurden heute von mir ins Regel gestellt.’ (Individualnomen)
Im Chinesischen lassen sich die Nomina zwar nicht automatisch in Individual- und Mengennomina einordnen, aber durch den ge個-, den Quantor (wenig)-Test und den Pronominaltest wird der Unterschied zwischen den beiden Typen ersichtlich.
Klassifikatoren: lexikalisch oder funktional?
147
5.3 Klassifikatoren: lexikalisch oder funktional? Dieser Abschnitt befasst sich mit der Frage, ob die Klassifikatoren im Chinesischen funktionale oder lexikalische Elemente sind. Zunächst wird untersucht, ob die Klassifikatoren in der Numerusmorphologie eine Rolle spielen. Anschließend werden verschiedene Klassifikator-Typen vergleichend gegenübergestellt.
5.3.1 Numerusmorphologie im Chinesischen Wie bereits in Abschnitt 5.1 erwähnt wird die Numerusmorphologie im Deutschen auf der morpholgoischen Ebene angezeigt. Im Japanischen gibt es nach Kurita (2014:19) fünf Pluralbezeichnungen: Pluralmorphem wie -ra, -tachi, -domo und -gata (Kurita 2014:86) (30), Demonstrativa (31), Klassifikatoren (32), Quantoren wie tasû (‚viele/many’ count-Quantor), (33) und Reduplikation (eine Doppelung des Wortes) (34). Japanisch (30) kodomo (Kind-SG) vs. kodomo-tachi (Kinder-PL)
(Kurita 2014:86)
(31)
kore (this) vs. kore-ra (these)
(32)
a. san nin-no kodomo drei KL-Gen-Part Kind ‚drei Kinder’
(Kurita 2014:115)
b. san bon-no drei KL-Gen-Part ‚drei Flaschen Wein’
wain Wein
(Kurita 2014:115)
Tasû-no viele (many)-Gen-Part ‚Viele Kinder’
kodomo Kind
(33)
(34)
(Kurita 2014:86)
(Kurita 2014:106)
a. yamayama Berg-Berg ‚Berge’
(Kurita 2014:96)
b. ieie Haus-Haus ‚Häuser’
(Kurita 2014:117)
148
Individuierende Funktion der Determinatoren
Es gibt jedoch Sprachen, die weder Plural noch Klassifikator haben und in denen das Numerale unmittelbar mit einem Nomen verbunden werden kann. Allerdings wird der Numerus in solchen Sprachen nicht am Nomen markiert wie z.B. im Oromo52 (Rijkhoff 2002:29). Oromo (35) gaala lamaani Kamel zwei ‚zwei Kamels’
(Stroomer 1987:59)
Nach Iljic (1994) gibt es im Chinesischen keine echte Pluralmorphologie bzw. keine Pluralmorpheme. Singular und Plural lassen sich bei den Nomina ohne einen Zusatz nicht unterscheiden. D.h. ein bloßes Nomen kann sowohl als Singular als auch als Plural interpretiert werden. Der Numerus lässt sich durch das Zusammenspiel der Kategorien Numerale und Klassifikator (36a, b) oder „neutrale Quantoren“53 wie hěnduō很多 ‚viel’, xǔduō許多 ‚viel’ oder yìxiē一些 ‚ein bisschen/einige’ (36c) usw. realisieren. Chinesisch (36) a. 三個同學 sān ge tóngxué Num KLStück Kommilitone ‚drei Kommilitonen’
5 2 Oromo ist eine afroasiatische Sprache und wird in Äthiopien und Kenia gesprochen. 53 Diese Bezeichnung stammt von Kurita (2014:165). Im Vergleich zu anderen Quantoren können neutrale Quantoren vor dem individuellen (i), dem individuierenden (ii) oder dem Sorten-Klassifikator (iii) vorkommen. Chinesisch (i) 很多本書 hěnduō běn shū viele KLBand Buch ‚viele Bücher’ (ii) 很多瓶油 hěnduō píng yóu viele KLFlasche Öl ‚viele Flaschen Öl’ (iii) 很多種書 hěnduō zhǒng shū viele KLSorten Buch ‚viele Sorten Bücher’
Klassifikatoren: lexikalisch oder funktional?
149
b. 一群同學 yì qún tóngxué Num KLGruppe Kommilitone ‚eine Gruppe Kommilitonen’ c. 很多/許多/一些同學 hěnduō/ xǔduō/ yìxiē Quant Quant Quant viele viele einige ‚viele/viele/einige Kommilitonen’
tóngxué N Kommilitone
Jedoch kann das Suffix -men們 als ein Pluralmarker betrachtet werden. -men們 kann an die Nomina mit dem Merkmal [+menschlich] (37) oder an die singularischen Personalpronomina (38) angehängt werden um eine pluralische Bedeutung zu erhalten. Bei der Vermenschlichung oder Personifizierung des betreffenden tierischen und gegenständlichen Referenten (39) kann -men 們 ebenfalls verwendet werden. Dieses Suffix kann nicht mit der Konstruktion NUM+KL+NP, die die präzise Anzahl vom Bezugsnomen ausdrückt, sondern nur mit NP oder Num+KL+NP in einer unbestimmten Anzahl vom Bezugsnomen kombiniert werden. Man vergleiche (40). Chinesisch (37) 同學們 tóngxué-men Kommilitone-PLMensch ‚die Kommilitonen’ (38)
我們/你們/他們 wǒ-men / nǐ-men / ich-PLMensch du-PLMensch ‚wir/ihr/sie’
(39)
小狗們 xiǎogǒu-men Hündchen-PLMensch ,die Hündchen’
(40)
a. 三個學生(*們) sān ge xuéshēng(*–men) Num KLStück Student-PLMensch ‚drei Studenten’
tā-men er-PLMensch
150
Individuierende Funktion der Determinatoren b. 一些學生(們) yìxiē xuéshēng(–men) Quant Student-PLMensch ‚einige Studenten’ c. 一群學生(們) yì qún xuéshēng(–men) Num KLGruppe Student-PLMensch ‚eine Gruppe Studenten’
(unbestimmte Anzahl)
(unbestimmte Anzahl)
5.3.2 Klassifikatoren-Typen im Chinesischen In der Forschung wird kontrovers diskutiert, wie viele Typen von Klassifikatoren im Chinesischen identifiziert werden können und wie sich alle Typen voneinander abgrenzen. Im Folgenden wird diese terminologische Varianz vergleichend dargestellt und die Abgrenzbarkeit zu anderen Typen abgebildet. Li/Thompson (1981) unterscheiden zwar im Chinesischen zwischen Klassifikatoren ‚classifiers’ und Maßklassifikatoren ‚measure classifiers’, aber nicht zwischen Individual- und Mengennomina. Klassifikatoren sind nach Li/Thompson (1981:104) Wörter, die zusammen mit einem Numerale und/oder einem Demonstrativum oder einem Quantor (wie měi每 ‚jede’ oder zhěng整 ‚ganz’ in (41)) vorkommen müssen. Im Gegensatz zu Klassifikatoren sind Maßklassifikatoren an sich Nomina, die Maß- und Mengenangabe denotieren. Sie brauchen keine Klassifikatoren, weil sie selbst als Klassifikator fungieren (42) und Folgendes denotieren können: Standards für Länge, Gewicht, Fläche und Volumen, die Gesamtmenge ‚aggregate measure’, den Behälter, das Abstraktum oder das Vorkommen eines Ereignisses (Abb. 14) (vgl. auch Chao 1968 Abschnitt 7.9). Chinesisch (41) a. 每隻貓 měi zhī Quant KLTier jede KLTier ‚jede Katze’ b. 整本書 zhěng bĕn Quant KLBand ganz KLBand ‚ganzes Buch’
māo N Katze
shū N Buch
(Quantor + KL)
(Quantor + KL)
151
Klassifikatoren: lexikalisch oder funktional? (42)
a. 三磅 sān bàng drei Pfund ‚drei Pfund’
(Nomen)
b. 三磅肉 sān bàng ròu drei Pfund Fleisch ‚drei Pfund Fleisch’
Kategorien Standards für Länge, Gewicht, Fläche und Volumen Gesamtmenge
(Maßklassifikator)
Maßklassifikatoren bàng磅 ‚Pfund’, lĭ里 ‚Meile’, liăng兩 ‚Unze’, chĭ尺 ‚Fuß’
qún群 ‚Herde’, duī 堆 ‚Stapel’, dă 打‚Dutzend’, duì對 ‚Paar’ Behälter píng 瓶 ‚Flasche’, beī 杯 ‚Tasse/Glas’, xīang 箱 ‚Kiste’ Abstraktum jù 句‚Zählwort für Satz’ das Vorkommen eines Ereignisses chăng 場 ‚Zählwort für Ereignisse’ Abb. 14 Die Kategorien der Maßklassifikatoren nach Li/Thompson (1981:105–112)
Jedoch ist die Unterteilung von Li/Thompson (1981) m.E. nicht angemessen, weil nicht alle Maßklassifikatoren an sich Nomina sind. So kommen die Maßklassifikatoren duī 堆‚Stapel’ oder jù句 ‚Zählwort für Satz’ (43) alleine nie als Nomen vor. Maßklassifikatoren müssen mit anderen Wörtern zusammen erscheinen, um als Nomen interpretiert werden zu können, z.B. cǎoduī 草 堆,Heuhaufen’ oder míngjù 名句‚Zitat’ u.ä. Chinesisch (43) a. 一堆書 yì duī shū ein KLStapel Buch ‚ein Stapel Bücher’ b. 一句話 yí jù ein KLSatz, Zeile ‚ein Satz’
huà Satz
Cheng/Sybesma (1999, 2005, vgl. auch Tai/Wang 1990, Croft 1994) differenzierten ebenfalls zwischen Zählklassifikator/Klassifikator ‚count-classifier’ (in
152
Individuierende Funktion der Determinatoren
Lyons 1977 und Tai 1994 sortal classifier54, in Rijkhoff 2002 auch numeral classifier) und Maßklassifikator ‚massifier’ (in Lyons 1977 und Tai 1994 mensural classifier). Jedoch ist ihre Definition vom Maßklassifikator ein wenig anders als die von Li/Thompson (1981). Der Zählklassifikator bezeichnet nach Cheng/ Sybesma (1999:515, 2005:273) bloß eine Einheit, welche die semantische Repräsentation der Nomina bildet. In sān zhī bǐ 三枝筆‚drei Stifte’ z.B. steht der Klassifikator zhī枝 als Zähleinheitswort für dünne längliche Dinge und beschreibt die Eigenschaft von Stift ‚dünn und lang’. Im Vergleich dazu erstellt der Maßklassifikator für Nomina eine Zähleinheit, die eigentlich nicht zur Eigenschaft der Nomina gehört, wie píng瓶 ‚Flasche’ in sān píng jiǔ三瓶酒‚drei Flaschen Wein’. Der Maßklassifikator kommt nicht nur mit den Mengennomina vor, sondern auch mit den Zählnomina, wie eine Gruppe Schüler oder eine Schachtel Eier. Insgesamt sind die Klassifikatoren bei Li/Thompson (1981) und die Zählklassifikatoren bei Cheng/Sybesma (1999) fast deckungsgleich. Nur in einigen Fällen werden die Zähleinheitswörter anders kategorisiert. Das Wort jù句‚Zählwort für Satz’ z.B. fällt bei Li/Thompson (1981) in die Kategorie Maßklassifikator, während es bei Cheng/ Sybesma (1999) ein Zählklassifikator ist. Jedoch ist die Differenzierung zwischen Zähl- und Maßklassifikatoren von Cheng/Sybesma (2005) ebenso problematisch. Denn es gibt Klassifikatoren, die sowohl an Individualnomina als auch an Mengennomina anschließen können, z.B. der Klassifikator kuài塊 ‚Stück’. Die untengenannten Bespiele (44) zeigen, dass die Nomina Armbanduhren, Tischtücher, Kuchen und Fleisch mit dem Klassifikator kuài塊 quantifiziert werden können. Es ist fraglich, ob Kuchen und Fleisch als Individual- oder Mengennomen interpretiert werden sollen. Ich nehme an, dass der Klassifikator kuài 塊 sowohl individuierende als auch messende Funktion übernehmen kann. Chinesisch (44) a. 三塊手錶 sān kuài shǒubiǎo drei KLStück Armbanduhr ‚drei Armbanduhren’
(Individualnomina)
54 Lyons (1977:463) unterscheidet zwischen „sortal und „mensural classifiers“, also Arten- und Maßklassifikatoren und gibt eine Definition von den beiden Klassifikatoren: „Sortal classifier is a classifier which individuates whatever it refers to in terms of the kind of entity that it is. Mensural classifier is a classifier which individuates in terms of quantity.“
Klassifikatoren: lexikalisch oder funktional? b. 三塊桌布 sān kuài drei KLStück ‚drei Tischtücher’
zhuōbù Tischtuch
c. 三塊蛋糕 sān kuài dàngāo drei KLStück Kuchen ‚drei Stück Kuchen’ d. 三塊肉 sān kuài ròu drei KLStück Fleisch ‚drei Stück Fleisch’
153
(Individualnomina)
(Individual- oder Mengennomina?)
(Individual- oder Mengennomina?)
Überdies teilte Chen (1996) in Anlehnung an Serzisko (1980) Klassifikatoren (bei Chen ‚Numerative’) in Quantifikatoren und Klassifikatoren ein und behauptet, dass die Quantifikatoren sowohl im Deutschen als auch im Chinesischen vorkommen und „miteinander verglichen werden [können], […] Kl[assi] f[ikator]en gibt es im Chinesischen häufig, aber im Deutschen kaum“ (Chen 1996:122). Lexikalisch-semantisch unterscheiden sich Klassifikatoren von Quantifikatoren dadurch, dass die Klassifikatoren eine abhängige oder eine reduzierte lexikalische Bedeutung vom Bezugsreferenten haben und mehr oder weniger entsemantisiert sind (Chen 1996:78), während die lexikalische Bedeutung der Quantifikatoren unabhängig von ihrem Bezugsnomen ist. Chen (1996) teilt die Quantifikatoren unter semantischen Gesichtspunkten in folgende Untergruppe ein: Mensurativa, Behälter-Quantifikatoren, Kollektiva, Partitiva, Singulativa und Sorten-Quantifikatoren. Man vergleiche (45). Chinesisch (45) a. 一克糖 yí kè táng ein KLGramm Zucker ‚ein Gramm Zucker’ b. 一碗飯 yì wǎn fàn ein KLSchale Reis ‚eine Schale Reis’
(Mensurativa)
(Behhälter-Quantifikatoren)
154
Individuierende Funktion der Determinatoren c. 一對手鐲 yí dùi shǒuzhuó ein KLPaar Armband ‚ein Paar Armbänder’ d. 一塊麵團 yí kuài miàntuán ein KLKlumpen Teig ‚ein Klumpen Teig’ e. 一片雪 yí piàn55 xuě ein KLFlocke Schnee ‚eine Schneeflocke’ f. 一種花 yì zhǒng huā ein KLSorte Blume ‚eine Sorte Blumen’
(Kollektiva)
(Partitiva: Teil von Ganzen)
(Singulativa)
(Sorten-Quantifikatoren)
Eine ähnliche Unterteilung findet sich bei Zhang (2012). Aus ihrer Sicht lassen sich Klassifikatoren in sieben Untertypen aufteilen: individuierender Klassifikator ‚individuating classifier’, individueller Klassifikator ‚individual classifier’, Sorten-Klassifikator ‚kind classifier’, Standardmaßeinheit ‚standard measure’, Behältermaßeinheit ‚container measure’, kollektiver Klassifikator ‚collective classifier’ und partitiver Klassifikator ‚partitive classifier’. Der individuelle Klassifikator stimmt mit dem Zähl-Klassifikator von Cheng/Sybesma (1999, 2005) überein und der individuierende Klassifikator stimmt mit ihrem partitiven Klassifikator überein. Der individuelle Klassifikator wird von Croft (1994:163) als echter Klassifikator angesehen und ist mit Gebhardts (2011:127) ‚sortal classifiers’ deckungsgleich. Er ist bei Konkreta eng mit dem Merkmal der Ganzheit von Nomina verbunden. Die mit dieser Gruppe kombinierten Nomina sind Individualnomina. Die restlichen Typen sind jeweils mit den Gruppen bei 55 Das Wort piàn片 kann auch Scheibe (i) bedeuten. In diesem Beispiel ist sie die kleinste natürlich Einheit von Schnee. (i)
一片火腿 yí piàn huǒtuǐ ein KLScheibe Schinken ‚eine Scheibe Schinken’
Klassifikatoren: lexikalisch oder funktional?
155
Chen (1996) deckungsgleich. Wie bereits in Abschnitt 5.1 erwähnt, wurden die Nomina im Chinesischen Zhang (2012) nach dem Kriterium Abgrenzbarkeit ‚delimitable’ in Mengennomina und Nicht-Mengennomina gegliedert. Im Folgenden Stemma (Abb. 15) lassen sich die Verteilung und Kombinationsmöglichkeit der Nomina mit jeweiligem Klassifikator veranschaulichen. Nomina [+Sorten-KL]
Abstrakta
Konkreta
+Individualnomina
+Individualnomina
–Mengennomina [+individueller KL] [+kollektiver KL]
+Mengennomina [+individuierender KL] [+partitiver KL] [+singulartiver KL]
Abb. 15 Kombinierbarkeit der Nomina mit Klassifikator nach Zhang (2012)
Am Stemma kann man ablesen, dass Standardmaßeinheit, Behältermaßeinheit und Sorten-Klassifikator nicht empfindlich für den Kontrast zwischen [+delimitable] und [–delimitable] sind. Die individuellen und die kollektiven Klassifikatoren stehen im Zusammenhang mit solchen Nomina, die eine feste Kontur haben. Eine ganz andere Unterteilung findet man bei Li (2013). Aus seiner Sicht wurden die Klassifikatoren anhand der funktionalen Perspektiven [±Counting] und [±Measure] in vier Subtypen kategorisiert. Typ 1: [+Counting, –Measure] Klassifikatoren: Sie sind so genannte ‚individual classifiers’ und bezeichnen die natürliche Einheit der diskreten Entitäten. Dieser Typ ist mit Lyons’ (1977) „sortal classifier“ nahezu identisch (Li 2013:144f.).
156
Individuierende Funktion der Determinatoren
Chinese (46) a. 一粒米 yí lì ein KLkleiner runder Gegenstand ‚ein Reiskorn’ b. 三隻貓 sān zhī drei KLTier ‚drei Katzen’
mǐ Reis
māo Katze
(Individualnomen)
(Individualnomen)
Typ 2: [–Counting, +Measure] Klassifikatoren: Dieser Typ ist die Standardmaßeinheit, die nicht unbedingt Individuen, die nicht mehr teilbar sind, verlangt. Diese Klassifikatoren geben nur die Größe der Entitäten an (Li 2013:147). Chinesisch (47) a. 一升啤酒 yì shēng ein Liter ‚ein Liter Bier’
píjiǔ Bier
b. 三公斤蘋果/泥土 sān gōngjīn píngguǒ/nítǔ drei Kilogramm Apfel Erde ‚drei Kilogramm Äpfel/Erde’
(Mengennomen)
(Individualnomen/Mengennomen)
Typ 3: [+Counting, +Measure] Klassifikatoren: Dieser Klassifikatorentyp kann je nach Kontexten entweder das Merkmal [+Counting] oder [+Measure] haben. Er beinhaltet Behälter-Klassifikatoren ‚container classifiers’ (48), Gruppen-Klassifikatoren ‚group classifiers’ (49) und partitive Klassifikatoren ‚partition classifiers’ (50). Nach Lis (2013:150) Auffassung könnte z.B. das Wort dī滴 ‚Tropfen’ in (50) als drei getrennte Tropfen oder als Menge von drei Wassertropfen interpretiert werden. Das gleiche gilt für die Gruppen-Klassifikatoren. So z.B. in (49): hier kann sich der Klassifikator pái排 ‚Reihe’ entweder auf drei getrennte Reihen oder auf eine Menge von drei Reihen beziehen. Chinesisch (48) a. 三瓶啤酒 sān píng drei Flasche ‚drei Flaschen Bier’
píjiǔ Bier
(Behälter-Klassifikator, Mengennomen)
157
Klassifikatoren: lexikalisch oder funktional? b. 三箱蘋果 sān xiāng píngguǒ drei KLKiste Apfel ‚drei Kisten Äpfel’ (49)
(50)
三排椅子 sān pái yǐzi drei KLReihe Stuhl ‚drei Reihen Stühle’ 三滴水 sān dī shuǐ drei KLTropfen Wasser ‚drei Tropfen Wasser’
(Behälter-Klassifikator, Individualnomen)
(Gruppen-Klassifikator, Individualnomen)
(partitiver Klassifikator, Mengennomen)
Der Behälter-Klassifikator kann entweder eine konkrete Flasche oder eine abstrakte Maßeinheit bedeuten. In der zählenden Lesart bedeutet der Satz (51) ich trinke Rotwein aus einer spezifischen Flasche. Im Gegensatz dazu versteht man diesen Satz (51) mit píng瓶 ‚Flasche’ als messendem Klassifikator, dass ich die Quantität von einer ganzen Flasche Rotwein, nämlich 750 ml Rotwein trinke. Chinesisch (51) 我喝了一瓶紅酒。 Wǒ hē le yì PerPro V Pfv.Part Num ich trinken Pfv.Part ein ‚Ich habe eine Flasche Rotwein getrunken.’
píng KLFlasche KLFlasche
hóngjiǔ. N Rotwein
(Li 2013:149)
Typ 4: [–Counting, –Measure] Klassifikatoren: Die Sortenklassifikatoren wie zhǒng種 ‚Sorte’ (52a, b) und lèi類 ‚Art’ (52c) gehören zu diesem Typ. Chinesisch (52) a. 三種肉 sān zhǒng ròu drei KLSorte Fleisch ‚drei Sorten Fleisch’ b. 三種魚 sān zhǒng yú drei KLSorte Fisch ‚drei Sorten Fische’
(Mengennomen)
(Individualnnomen)
158
Individuierende Funktion der Determinatoren c. 三類魚 sān lèi yú56 drei KLArt Fisch ‚drei Arten Fische’
(Individualnnomen)
Im Folgenden möchte ich anhand einer tabellarischen Übersicht der verschiedenen Termini zeigen, inwieweit sich diese entsprechen. Man kann anhand dieser Tabelle (Abb. 16) erkennen, dass die Quantoren bei Chen (1996) mit dem Maßklassifikator bei Cheng/Sybesma (1999, 2005) und dem mensural classifier bei Tai (1994) und Gebhardt (2011) identisch sind. In Bezug auf die Subklassifikation der Klassifikatoren entsprechen sich Zähl-Klassifikatoren, Klassifikatoren, individuale Klassifikatoren und sortal classifiers. Bei einigen Stellen ist die Einordnung sehr verschieden. Der Klassifikator dī滴 ‚Tropfen’ z.B. wird bei Chen (1996) als die kleinste natürliche Einheit in Singulativa eingeordnet, während dī滴 ‚Tropfen’ nach Zhang (2012) zum individuierenden Klassifikator gehört, der nur mit Mengenomina oder mit den Nomina ohne Abgrenzbarkeit kombiniert wird und der nicht unbedingt die kleinste Einheit bildet (Zhang 2012:27). Ich ordne ihn aber in die Kategorie partitiver Klassifikator ein, weil er im Gegensatz zu deutschen Tropfen keine feste Kontur hat. Da Überschneidungen bei verschiedenen Termini bestehen, schlage ich folgende Einteilung der Klassifikatorentypen57 (Abb. 17) vor (vgl. auch Kurita 2014:144, 177. Typen der Klassifikatorkonstruktion im Japanischen): direkte und indirekte Quantifikation. Diese bedeutungstragenden Klassifikatoren können je nach ihrer Bedeutung das Nomen direkt und indirekt quantifizieren
5 6 In (52c) geht es um genetische oder biologische Unterschiede. 57 Die KLen im Chinesisch alleine reichen nicht unbedingt immer aus, um die einzelnen Bedeutungen wiederzugeben. Man braucht zusätzlich ein Attribut. Man vergleiche die folgenden Beispiele: (i) drei (*verschiedene) Stück Zucker sān kē táng三顆糖 - zählt nur gleichgültig, wie die Stücke aussehen drei KLStück Zucker (ii) drei (verschiedene) Stücke Zucker - zählt und beschreibt, wie die Stücke aussehen
sān kē bùtóngde táng三顆不同的糖 drei KLStück verschiedene Zucker
(iii) drei (*verschiedene) Zucker sān zhǒng táng三種糖 - zählt nur gleichgültig, wie die Stücke aussehen drei KLSorte Zucker (iv) drei verschiedene Stücke Zucker - zählt und beschreibt, wie die Stücke aussehen
sān kē bùtóngde táng三顆不同的糖 drei KLStück verschiede Zucker
Klassifikatoren: lexikalisch oder funktional?
159
(vgl. Kurita 2014:177). Unter direkter Quantifizierung versteht man, dass das Nomen gezählt wird. Im Gegensatz zu indirekter Quantifizierung wird das Nomen über einen quantifizierten Behälter oder eine andere quantifizierende Maßeinheit gezählt.
Abb. 16 Verschiedene Termini der Klassifikatoren
Typen der KL individuell
Beispiele ge 個:sān ge guōzi 三個鍋子 (drei Töpfe) lì 粒: sān lì mǐ 三粒米 (drei Reiskörner) zhī 隻:sān zhī yáng 三隻羊 (drei Schafe) kē 顆:sān kē shù三棵樹 (drei Bäume) Direkt bǎ 把:sān bǎ yǔsǎn 三把雨傘 (drei Regenschirme) quantifizierend partitiv dī 滴:sān dī shuǐ三滴水 ‚drei Tropfen Wasser’ piàn 片 sān piàn ròu三片肉 ‚drei Scheibe Fleisch’ bǎ 把:sān bǎ nítǔ三把泥土 ‚drei Handvoll Erde’ kollektiv qún 群:sān qún yáng三群羊 (drei Herden Schafe) shuāng 雙:sān shuāng xié三雙鞋 (drei Paare Schuhe) shù 束:sān shù huā三束花 (drei Sträuße Blumen) Sorten zhǒng 種:sān zhǒng dēng三種燈 (drei Arten von Lampen) lèi 類:sān lèi jíbìng三類疾病 (drei Arten Krankheiten) Indirekt quantifizierend Behälter guàn 罐:sān guàn fānqié三罐番茄 (drei Dosen Tomaten) bēi 杯:sān bēi chá三杯茶 (drei Tassen Tee) Maßeinheit gōngshēng 公升:sān gōngshēng niúnǎi三公升牛奶 (drei Liter Milch) gōnglǐ 公里:sān gōnglǐ lù三公里路 (drei Kilometer Straße)
Abb. 17 Typen der Klassifikatorkonstruktion
160
Individuierende Funktion der Determinatoren
5.3.3 Klassifikatoren: Lexikalische oder funktionale Elemente? Bereits in Abschnitt 2.2 wurde dargelegt, dass sich die Zählklassifikatoren im Chinesischen nach Cheng/Sybesma (1999:517) wie ein D(eterminator) verhalten, weil sie eine singularische Einheit identifizieren können, also ein Exemplar herausgreifen, das von Nomina denotiert wird. Die Gegenposition zu dieser These vertreten Wu/Bodomo (2009:488). Ihrer Auffassung nach sind Klassifikatoren nicht mit dem definiten Artikel gleichzusetzen, weil der definite Artikel ein funktionales Morphem, der Klassifikator dagegen ein inhaltsvolles Morphem ist. Der definite Artikel gehört zur geschlossenen Wortklasse (engl. ‚closed word class’), der Klassifikator dagegen zur offenen Wortklasse (engl. ‚open word class’). Zweifellos zeigt der Klassifikator die Formen oder die Beschaffenheit des Nomens, wie shàng扇 (Plattenform), miàn面 (flacher Gegenstand) und guō鍋 (Topf) usw. (vgl. (53) und (54)) und besitzt zusätzlich noch lexikalische Bedeutung. Meiner Ansicht nach ist ein Klassifikator sowohl ein lexikalisches als auch ein funktionales Element. Er gehört zur geschlossenen Wortklasse, weil er nicht mehr erweiterbar ist. Klassifikatoren können, wie bereits in 5.3.2 dargelegt, je nach ihrer Bedeutung das Nomen direkt oder indirekt quantifizieren. Bei direkter Quantifizierung trägt der individuelle Klassifikator mehr zur grammatischen Bedeutung eines Nomens bei als zur lexikalischen Bedeutung. D.h. er fügt zur Nominalextension und -intension nicht viel hinzu (53). Deshalb kann er oft durch einen anderen Klassifikator ersetzt werden. In manchen Fällen führt unterschiedliche Verwendung von verschiedenen Klassifikatoren aber zu unterschiedlichen Interpretationen. D.h. der Klassifikator kann das Nomen inhaltlich spezifizieren. So referiert die NP mit dem Klassifikator zuò座 in (53c) im Vergleich mit der NP mit dem Klassfikator jiān間eher auf eine größere Fabrik. Der Klassifikator miàn面 bringt im Vergleich zu shàn扇 oder kuài塊 eher größere flache Gegenstände (53a, b) zum Ausdruck. So ist auch plausibel, dass es für die individuellen Klassifikatoren in (53) kein deutsches Äquivalent in der Glosse gibt. Hingegen fügt der Behälter-Klassifikator die Raumeinheit der Gesamtbedeutung hinzu (54).
Klassifikatoren: lexikalisch oder funktional? Chinesisch (53) a. 一扇/面窗戶 yí shàn/ Num KLPlattenform ‚ein Fenster’
miàn KLflacher Gegenstand
b. 一面/塊鏡子 yí miàn/ Num KLflacher Gegenstand ‚ein Spiegel’ c. 一座/間工廠 yì zuò/ Num KLgroße Bauwerk ‚eine Fabrik’ (54)
a. 一鍋湯 yì guō Num KLTopf ‚ein Topf Suppe’
tāng N
b. 一盒雞蛋 yì hé Num KLBox ‚ein Karton Eier’
jīdàn N
kuài KLStück
jiān KLRaum
161
chuānghù N
jìngzi N
gōngchǎng N
Funktional gesehen weisen Klassifikatoren alleine keinen Numerus auf. Sie legen zwar Zählbarkeit bzw. Singularität und Pluralität fest, aber sie zählen nicht selbst. Insofern sind Klassifikatoren Voraussetzung für Zählbarkeit, aber nicht selbst gleich Numerale. Im Hinblick auf diese Perspektive schließe ich mich der Ansicht von Borer (2005:93) an, dass Klassifikator und Plural-Flexion verschiedene Instanziierungen des Klassifikator-Systems sind. Basierend auf den DPProjektionen von Abney (1987), Longobardi (1994) und Heycock/ Zamparelli (2005) schlage ich eine modifizierte Projektion für das Deutsche (Abb. 18) und das Chinesische (Abb. 19) vor. Nach dem Strukturbaum in Abb. 18 setzt das Zählwort die Singular-Plural-Morphologie voraus. Der Kopf für Singular-Plural-Morphologie wird im Chinesischen durch den KL-Kopf ersetzt. Man vergleiche Abb. 19.
162
Individuierende Funktion der Determinatoren
Abb. 18 Das DP-Stemma fürs Deutsche
Abb. 19 Das DP-Stemma fürs Chinesische
Zusammenfassung des Kapitels
163
Klassifikator und Singular-Plural-Morphologie sind Realisierungen ein und derselben grammatischen Funktion. Der Klassifikator signalisiert die syntaktische Kodierung der Zählbarkeit.
5.4 Zusammenfassung des Kapitels In Kapitel fünf habe ich die These von Chierchia (1998a, b) und Krifka (1986, 1991, 1995), dass alle chinesischen Nomina Mengennomina sind, zu widerlegen versucht. Die Ergebnisse meiner Analyse verdeutlichen, dass eine Differenzierung zwischen Individual- und Mengennomina im Chinesischen tatsächlich vorliegt und ohne die Ausdrucksmittel von Anzahl oder Menge unsichtbar bleibt. Die Numerusdifferenzierung wird erst durch Hinzufügung eines Klassifikators vorgenommen. D.h. die Nomina sind ohne weitere Markierungen zunächst unterspezifiziert. Für das Deutsche vertrete ich die Auffassung, dass die Unterscheidung zwischen Individual- und Mengennomina erst durch Plural-Flexion markiert wird. Der Klassifikator im Chinesischen übernimmt die individuierende Funktion und entspricht der deutschen Pluralmorphologie. Als Äquivalenz zur Pluralmarkierung im Deutschen stellt der Klassifikator nicht nur syntaktische Zählbarkeit, sondern auch lexikalische Klassifizierung dar. Solange Nomina nicht mit Pluralkodierung oder Klassifikatoren zusammen vorkommen, bleiben sie hinsichtlich der Mengen-Zählinterpretation unmarkiert und der Normalfall (default). Mit dem ge個-Test, dem Quantor-/wenig-Test und dem Pronominaltest lassen sich Indivudal- und Mengennomina voneinander trennen. Zusammenfassend muss festgehalten werden, dass der Klassifikator die Individuierung gewährleisten kann und sowohl funktionales als auch lexikalisches Element ist.
6 Artikellose NPs Die vorangegangenen Kapitel befassten sich mit den Eigenschaften von DPs und den Funktionen der Determinatoren. Es gibt jedoch bestimmte Fälle, in denen man keinen Determinator einschließlich Artikel benutzt. Das vorliegende Kapitel verfolgt das Ziel, die artikellosen NPs darzustellen und ihre Struktur von den artikellosen DPs abzugrenzen. Über die artikellose Form im nominalen Bereich wird schon seit Längerem diskutiert. Das erste bedeutende Werk, das von diesem Thema handelt, ist Jespersens Buch A Modern English Grammar: on Historical Principle (vgl. auch die Besprechung von Berezowski 2009:6). Jespersen (1949) benutzte den Begriff the bare word ‚das bloße Nomen’ für die Wörter ohne definiten und indefiniten Artikel. Jedoch hat Niels Haislund, der Jespersens (1949) Werk A Modern English Grammar: on Historical Principle kompiliert, seine eigenen Begriffe zero bzw. zero article in dem Buch eingeführt. Den Begriff zero article, also Nullartikel sieht Jakobson (1939, 1940:221) aber als echte Artikelform, wobei ein overter Artikel fehlt, aber die Nomenstruktur mit Artikelposition erhalten bleibt. Er führt das Fehlen des indefiniten Artikels im Plural im Deutschen als Beispiel an. Im Gegensatz dazu ist der Begriff zero form für Christopherson (1939:23f.) noch kein Artikel, sondern bloß eine Bezeichnung bei den Substantiven, also bei den Nominalen, wo kein Artikel zulässig ist. Diese Definition stimmt grosso modo mit dem Begriff the bare word von Jespersen und der Anwendung von früheren Grammatikern wie Sweet (1898), Poutsma (1914) bzw. Bloomfield (1933) überein. Ich verwende den Begriff Nullartikel in dieser Arbeit für solche DPs, die ein Nullelement, nämlich einen leeren D-Kopf enthalten. D.h. Nullartikel ist mit den artikellosen DPs Jakobsons gleichzusetzen. Hingegen sind strukturell artikellose NP nicht referentiell aber klassenbildend, und prädikativ. Sie ähneln Adjektiven (Higginbotham 1987:52). In diesem Kapitel wird zunächst der Frage nachgegangen, ob es sich bei den artikellosen Formen wie z.B. Eigennamen, Vokativen/Anreden, Mengennomina, Abstrakta, bloßen Pluralen (indefiniten Pluralen) und artikellosen prädikativen NPs um D-strukturelle Nullartikel oder um NPs ohne DP-Hülle handelt. Danach werden die artikellosen NPs in der prädikativen Position in den Vordergrund gestellt und nach den Kriterien Rollen/Funktion, Aspekt bzw. Kombinierbarkeit mit den adjektivischen Attributen analysiert. Dabei wird auf folgende Fragen besonders abgezielt: Welche Bedingungen gelten für bloße NPn (artikellose Nominalphrasen) im Deutschen und inwieweit werden diese im
166
Artikellose NPs
Chinesischen anders berücksichtigt als durch DP-Kriterien? Schließlich folgt eine kurze Zusammenfassung der Vergleichsergebnisse der Analyse.
6.1 Nullartikel im Deutschen Im Deutschen gehören Eigennamen, Anreden, Mengennomina, Abstrakta, bloße Plurale (indefinite Plurale) und artikellose prädikative NPs zu den artikellosen Formen. Jedoch können lediglich Eigennamen, Abstrakta, Mengennomina und bloße Plurale auf Objekte referieren und sind strukturelle Nullartikel, die, wie bereits erwähnt, eine DP-Struktur haben und damit einen lexikalisch entleerten D-Kopf enthalten. So sehen artikellose DPs und NPs formal-oberflächlich gleich aus. Jedoch sind NPs inhärent prädikativ und können nicht in der referentiellen, klassenbezeichnenden Argumentposition stehen. D.h. DPs sind in erster Linie klassenbildend (sog. Klasseme) und werden zum Referenzobjekt erst in einer Zeit-Raum-Konfiguration, die bei Eingliederung in einen finiten Satz58 erfolgt (Leiss 2009:57, vgl. dazu 282f.). Da artikellose Vokative/die Anredenominative (1) keine Satzglieder sind, werden sie hier nicht in Betracht gezogen. (1)
a. Anna, wie geht es dir? b. Wie geht es dir, Anna? c. Frau Müller, könnten Sie bitte mal kurz vorbeikommen? d. Könnten Sie bitte mal, Frau Müller, kurz vorbeikommen?
In den folgenden Abschnitten wird nur auf die echten Nullartikel im Deutschen eingegangen: nämlich Eigennamen, die bloßen Plurale, die Mengennomina und die Abstrakta.
58 Auf Klassenbegriffe (Appellativa) hat Leiss (2009) explizit hingewiesen: […] Wollen die Menschen nun aber nicht nur über Klassenbegriffe sprechen, brauchen sie zusätzlich einen Lokalisator, der ebenso effizient ist wie der Zeigefinger. Diesen Index stellen die finiten Elemente im Satz dar: Dazu gehören beispielsweise die Tempusmorpheme. Sie lokalisieren den Gegenstand in der Zeit. Finite Elemente kommen interessanterweise nur im Satz vor. Daraus lässt sich ableiten, dass erst der Satz als vollständiges Zeichen gelten kann. (Leiss 2009:57)
D.h. ein Nomen wie Mensch greift nie auf ein Individuum zu, sondern benennt eine Klasse. Referentiell werden DPs erst dann, wenn sie in eine synthetische Prädikation eingebracht werden: Der Mensch arbeitet am Samstag nicht, was ja heißt, dass zu den allgemeinen Eigenschaften des Menschen spezifische Eigenschaften hinzukommen und er anhand dieser zusätzlichen Charakterisierung eine Weltenobjekt anzeigt.
Nullartikel im Deutschen
167
6.1.1 Eigennamen Aus semantischer Sicht denotieren Eigennamen eine Menge, die aus einer einzigen Entität besteht. Kripke (1980:58) bezeichnet sie als starren Bezeichnungsausdruck (engl. ‚rigide designator’). Sie werden zu den prototypisch inhärent definiten und referentiellen Ausdrücken gezählt. Dies macht die Einsetzung des definiten Artikels überflüssig59: Die Einmaligkeitseigenschaft muss nicht mehr extra markiert werden. Somit kommen Eigennamen in (2a) ohne weiteres in der Argumentposition als Nullartikel vor. In (2b) liegt ein expletiver Artikel vor, die hier (jedenfalls fürs Standarddeutsche) als Verletzung mit # gekennzeichnet wird, weil dieser Satz ausschließlich unter besonderer Bedingung (nämlich eine unter mehreren Annas herausindividuierend) richtig ist. Diese Verwendung mit Artikel ist allerdings oft in den meisten Schweizer Dialekten zu finden (Sturm 2005:3), genauso in den bairisch-österreichischen Dialekten sogar notwendig (artikellose Nomina gibt es nicht: d.h. die Individuenreferenz beim Eigennamen wird zusätzlich, aber eben unverzichtbar mit dem definiten Artikel angezeigt: (Das ist) die Anna vs. (Das ist) *Anna). Natürlich müssen die Eigennamen mit Artikel dann vorkommen, wenn sie weiter modifiziert sind, z.B. durch adjektivische Attribute (2c), nachgestellte Genetivattribute (2d), adverbiale Angaben (2e) oder Relativsätze (2f). (2)
a. Da kommt Anna/Professor Müller. b. #Da kommt die Anna. c. Da kommt *(die) kluge Anna. d. Da kommt *(die) Anna unserer Klasse. e. Da kommt *(die) Anna aus München. f. Da kommt *(die) Anna, die mit mir in die Schule ging.
Hartmann/Zimmermann (2003:183) bezeichnen Eigennamen als „referentielle D-Kategorien“ vom Typ , weil die pränominale Genitivposition im Deutschen lediglich durch Eigennamen (3a), nicht durch komplexere Nominalphrasen (3b) besetzt werden kann.
59 Wenn man aber den indefiniten Artikel vor einem Eigennamen einsetzt, wird dieser Eigenname in appellativem Sinn verwendet. D.h. der Referent trägt die Eigenschaften dieses Eigennamens etwa wie bei (Er ist) ein (echter/richtiger) Hans oder ein Novak (wie er im Buche steht). Hiermit liegen keine Individuenreferenten vor, sondern Merkmalseigenschaften, die im Diskurs oft als bekannt vorausgesetzt werden.
168 (3)
Artikellose NPs a. Annas Autos b. *mein Freunds Buch
Russell (1905:487ff., 1918/2010 Kap. 16) geht davon aus, dass Eigennamen referentielle Ausdrücke darstellen und syntaktisch komplex sind. Longobardi (1994) führt hingegen den Ansatz „N-zu-D-Versetzung“ ein. D.h. der Eigenname muss von der N0-Position auf die leere D0-Position verschoben werden, um Argumentstatus und Referentialität zu erhalten. Die N0-Position bleibt hingegen leer. Das heißt, dass der Eigenname keine artikellose NP sondern eine referentielle DP ist. (4)
a. Da kommt [DP Anna [NP t] b. Da kommt [DP die [NP Anna]
… …
Standarddeutsch bairisch-alemannisch mundartlich
6.1.2 Bloße Plurale Im Gegensatz zu den artikellosen Singularen können bloße Plurale im Satz ohne weiteres als Argumente fungieren. Hier muss man zwischen generischen und existentiellen bloßen Pluralen unterscheiden. Nach Jackendoffs (1983:94) These referieren [TYPES] nicht. Generische Phrasen wie Tiere in (5) sind [TYPES]. Somit führt die generische Lesart zu einem Problem. Wie bereits in Kapitel 5 erwähnt weisen pluralische DPs die Kategorie NumP (Numerusphrase) auf. Die NumP befindet sich zwischen DP und NP, und sie bildet einen funktionalen Überbau der NPs. Sie kann die nicht-referentiellen Prädikate zu Argumenten machen (‚typshiften‘; vgl. Ritter 1991, Dobrovie-Sorin et al. 2006). Somit stellen bloße Plurale nach Hallab (2011:25) keine syntaktisch simplexen Prädikate dar. Deshalb sind bloße Plurale keine NPs sondern DPs und werden daher in diesem Kapitel nicht weiter untersucht. Vgl. (5). (5)
a. Tiere können sich Ziele setzen und sie erreichen. b. Hast du Stifte für mich? c. Lehrer sind auch nur Menschen.
6.1.3 Mengennomina und Abstrakta In Kapitel 5 wurde es schon dargestellt, dass es zwei entgegengesezte Betrachtungsweisen zu den Mengennomina gibt: inhärent lexikalisch und syntaktisch. Gegen Chierchias (1998a, b) inhärent lexikalischen Ansatz, den sogenannten Nominal Mapping Parameter habe ich bereits in Kapitel 5 Argumente angeführt. Auch Mengennomina weisen trotz fehlendes Artikels einen funktionalen Überbau des Nomens zur Kodierung der Zählbarkeit auf. Man vergleiche (6).
NPs in der prädikativen Position (6)
169
a. Hier gibt es Wasser, Tee, Kaffee, Bier und Wein. b. Die Kühe produzieren täglich mehr als 10.000 Liter Milch. c. Gold ist wieder teurer geworden.
Heycock/Zamparelli (2005) sind der Meinung, dass es unterhalb von NUMP einen funktionalen Kopf PL0 (einen Pluraloperator) gibt: einen für die MassLesart und einen für die Count-Lesart. Man vergleiche (7). Ähnliches findet sich auch bei Borer (2005). Nach Borer (2005) weisen Mengennomina einen funktionalen Überbau des Nomens zur Kodierung der Zählbarkeit auf (detailliert in Abschnitt 5.1). Das heißt, dass Mengennomina keinesfalls NPs sondern auch DPs sind. (7)
[DP D [NUMP Dindef/cardinal [PIPOP [NP (adj) N (Compl)]]]]
(Hallab 2011:26)
Dieses Prinzip gilt ebenso für Abstrakta, die allgemeine Eigenschaften und Gefühle bezeichnen und oft als bloße Nomina vorkommen, wie Konzentration in (8). Sie sind ebenso von einen funktionalen Kopf PL0 regiert und haben eine erweiterte funktionale Projektion. Demzufolge sind sie artikellose DPs. (8)
a. Als Autofahrer braucht man Konzentration. b. Gesundheit leistet einen grundlegenden Beitrag für ein erfülltes und zufriedenes Leben.
6.2 NPs in der prädikativen Position Nach Hallab (2011:11, 103) können artikellose Nominalphrase wie Berufsbezeichnungen (Koch, Arzt, Ingenieur), Familienrelationen (Mutter, Onkel), Ämter (Bürgermeister, Außenminister), Religionszugehörigkeiten (Buddhist, Katholiker) und Nationalitäten (Schweizer, Italiener) in der prädikativen Position mancher Artikelsprachen vorkommen, z.B. Dänisch, Deutsch, Französisch, Italienisch, Niederländisch, Norwegisch, Portugiesisch, Schwedisch, Spanisch. (9) a. Peter ist [Ø Lehrer]. Italienisch b. Pietro è [Ø insegnante]. Schwedisch c. Peter är [Ø lärare]. Dänisch d. Peter er [Ø lærer]. Norwegisch e. Peter er [Ø lærer].
≠ Peter ist der Lehrer
170
Artikellose NPs
Solche NPs kommen in der Form artikelloser Singulare als Kopulakomplemente in der prädikativen Position vor, in der sich auch prädikative Adjektive befinden (10a, b). Daher wurden artikellose prädikative NPs von einigen Linguisten als Adjektive angesehen. So vertritt Pollock (1983) die Position, dass Adjektive und artikellose prädikative NPs nicht durch appositive (nicht-restriktive) Relativsätze modifiziert werden können (10c, d). Die Auffassung, dass prädikative NPs syntaktisch Adjektive sind, übernehme ich nicht, weil prädikative NPs nicht durch Adverbien zu modifizieren sind, was hingegen für Adjektive typisch ist. Man vergleiche (10e, f). Sobald ein Attribut vor den artikellosen prädikativen NPs hinzugefügt wird, muss der Artikel gesetzt werden (10g). D.h. artikellose prädikative NPs lassen keine Modifikation60 zu. a. Anna ist Ø Studentin. = *sehr (eine) (*sehr) Studentin b. Anna ist fleißig. = eine (sehr) Fleißge c. *Anna ist Studentin, die gerne Klausuren schreibt. d. *Anna ist fleißig, die gerne Klausuren schreibt. e. *Anna ist sehr Studentin. f. Anna ist sehr fleißig. g. Anna ist eine fleißige Studentin. (modifiziert nach Hallab 2011:28)
(10)
Wenn die artikellosen NPs keine Adjektive sind, würde ich gerne von den folgenden Leitfragen ausgehen: Gibt es Unterschiede zwischen artikellosen NPs (nach Hallab (2011) ‚bare predicates‘) und Indefinita in prädikativer Position (vgl. (11))? Im Rahmen dieser Fragestellung werde ich in weiteren Abschnitten auf folgende Punkte eingehen: Rollen- und Funktionslesart, präsentative und evaluative Lesart, Aspekt der bloßen prädikativen NPs und die Relation zwischen bloßen prädikativen NPs und attributiven Adjektiven.
60 Man könnte jedoch Ausnahmen finden, bei denen bestimmte Adjektive wie total, stark, absolut usw. als Gradierungselemente fungieren. Nach (Hallab 2011:175f.) drückt (ia) aus, dass Joost extrem viel raucht, während Josst in (ib) ohne Rücksicht auf die anwesenden Nichtraucher raucht oder ohne Zigaretten ungehalten wird. In (iia) isst Roland nie Fleisch. Im Gegensatz dazu ist Roland in (iib) noch strenger im Umgang mit den Tieren, z.B. trägt er Öko-Klamotten. (i) (ii)
a. Josst ist extremer Raucher. b. Josst ist extrem Raucher! a. Roland ist totaler Vegetarier. b. Roland ist total Vegetarier!
(Hallab 2011:175) (Hallab 2011:176)
NPs in der prädikativen Position (11)
171
a. Milva ist [Ø Produktmanagerin]. artikellose NPs (‚bare predicates‘) b. Milva ist [eine Produktmanagerin]. Indefinita (Hallab 2011:11)
6.2.1 Rollen- und Funktionslesart Hallab (2011:110) nimmt an, dass die artikellosen singularischen NPs im Deutschen die Rollen- und Funktionslesart übernehmen. Unter Rollen- und Funktionslesart versteht man, dass die prädikative Phrase ihren menschlichen Bezugsreferenten eine Charakterisierung einer Art Funktion oder Rolle verleiht. Zur Funktion oder Rollen gehören im Deutschen typischerweise Berufsbezeichnungen, Familienrollen, soziale Zugehörigkeiten (z.B. politisch oder religiös), wirtschaftliche Positionen, Rollen/Funktionen, die eine extensionale Einzigkeit implizieren. Solche artikellosen singularischen NPs behalten ihre ursprüngliche Semantik bei und sind nicht-referentielle NPs. Im Gegensatz dazu lassen Indefinita eine semantische Verschiebung zu. Sie führt folgende Beispiele an: (12)
a. Dieser Zahnarzt ist ein Metzger! b. Dieser Zahnarzt ist Ø Metzger. c. Dieser Zahnarzt ist der Metzger. d. Guido ist ein Gott. e. Guido ist Ø Gott. f. Guido ist der Gott.
(Hallab 2011:110) (Hallab 2011:110) (Hallab 2011:110) (Hallab 2011:110)
Bei Satz (12a) sind potentiell zwei Lesarten möglich: zum einen ‚wie ein Metzger’-Lesart, zum anderen Berufslesart. (12b) kann dagegen bloß die Berufslesart haben. D.h. der Satz (12a) kann ausdrücken, dass der Zahnarzt ziemlich brutal vorgeht. Mit diesem Satz will der Sprecher seine persönliche Meinung über den Subjektreferenten äußern. Diese Verwendung von Indefinita in prädikativer Position wurde von Hallab (2011) als „evaluativ“ bezeichnet. Er kann aber auch ausdrücken, dass der Zahnarzt Metzger von Beruf ist. Man vergleiche (12c). Das Gleiche gilt für das Beispiel (12d), in dem eine Beschreibung dargestellt werden kann, dass Guido die göttlichen Eigenschaften hat, weil er unmenschlich gut ist … usw. Guido kann aber auch Gott sein. Im Gegensatz dazu lassen sich die Beispiele (12b) und (12e) lediglich als reine „Berufs- oder Funktionslesart“ interpretieren. D.h. prädikative artikellose NPs können nur sachliche Funktionszuordnung zum Subjekt zum Ausdruck bringen. Ich schließe mich dieser Interpretation Hallabs an, aber plädiere dagegen, dass das Indefinita in prädikativer Position ein referentielle DP ist. Referentialität wird von Hallab (2011:69) als
172
Artikellose NPs
Denotation auf bekannt oder auch unbekannte Individuen bezeichnet. Diese Definition ist anders als die in den Standardwerken, in den sich eine referentielle DP auf ein identifizierbares Individuum referieren muss (vgl. Kapitel 3.1). Daher halte ich beide Formen prädikative artikellose NP und prädikative Indefinitum für nicht-referentiell. Sie stellen lediglich eine Prädikation dar. D.h. diese beide Formen drücken die Merkmale aus, die dem Subjekt (Individuen oder Sachverhalten) zugeschrieben werden. Referentiell ist hingegen eine definite DP in prädikativer Position. Zur Bestätigung von Hallabs (2011) Annahme der zwei Lesarten führe ich zwei weitere Beispielsätze von mir in (13) an. (13)
a. Dieser Lehrer ist ein Engel (*Gabriel). b. Dieser Lehrer ist Ø Engel *(Gabriel).
(13a) kann man dadurch paraphrasieren, dass dieser Lehrer für den Sprecher sehr hilfsbereit wie ein Engel ist. (13b) ist hingegen nur in der Rollenspiel-Situation akzeptabel. Jedoch hängen diese zwei Lesarten (evaluative Lesart vs. Rollen- und Funktionslesart) nicht von ihrer Syntaxstruktur ab. Auch die lexikalische Bedeutung des prädikativ verwendeten Kopfnomens spielt eine entscheidende Rolle. Mögliche Nomina, die als evaluative Lesart interpretiert werden, sind z.B. Genie, Teufel, Heulsuse, Schatz, Don Juan usw. Wenn Engel in (13) jedoch durch Arzt ersetzt wird, dann ist die evaluative Lesart nicht mehr vorhanden (vgl. 14). (14)
a. Dieser Lehrer ist ein Arzt. b. Dieser Lehrer ist Ø Arzt.
Die prädikative bloße NP im Singular in (14b) wird als Rollen- und Funktionslesart interpretiert. In (14a) handelt es sich hingegen um zwei Lesarten: zum einen eine Berufslesart, zum anderen eine präsentative Lesart, unter der man versteht, dass prädikative Indefinita ein Individuum in den Diskurs einführen und es mit dem Subjekt identifizieren (Hallab 2011:118). D.h. Dieser Lehrer in (14a) ist einer von vielen Ärzten oder ist als Arzt tätig, während dieser Lehrer in (14b) Arzt von Beruf ist. Die zwei Lesarten (präsentative und evaluative Lesart) lassen sich nach Hallab (2011:128, 130) für die äquativen61 Strukturen der From [DP ist ein N] herausstellen. Betrachten wir jetzt die chinesischen Übersetzungen von (12) bis (14) in (15) bis (18). 61 Nach Higgins (1979:264) werden Kopulasätze nach vier verschiedenen Typen klassifiziert:
173
NPs in der prädikativen Position
Typ
Subjekt
Prädikativ
prädikative
referentiell
prädikative
spezifikational
superscriptional
spezifikational
identifikational referentiell
identifikational
äquativ
referentiell (‚identiy’: Gleichsetzungsrelation)
referentiell
Folgende repräsentative Beispiele für das Deutsche von den vier Typen führt Hallab (2011:34) an: (i) a. Pina Bausch war Choreografin. (prädikative) b. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen ist Ban-Kimoon. (Spezifikational) c. Dieser Mann ist Eddie Vedder. (Identifikational) d. Richard Bachman ist Stephan King. (Äquativ) (Identifizierung zweier referentieller NPn) Mikkelsen (2005:50) ist gegen die Unterteilung von Higgins (1979). Da es bei der äquativen und identifizierenden Lesart darum geht, zwei referentielle NPs miteinander zu identifizieren, finden sich bei ihr Kopulasätze auf drei Typen reduziert. NPsubj
Kopula
NPkompl
Äquativ/Ident.
referentiell,
referentiell,
Prädikational
referentiell,
nicht-referentiell,
Spezifikational
nicht-referentiell,
referentiell,
(Mikkelsen 2005:50) Mikkelsen (2005) nimmt weiter an, dass sich spezifikationale und prädikationale Sätze nur darin unterscheiden, dass das Subjekt in den spezifikationalen Sätzen auf ein für Sprecher nicht identifizierbares Individuum referiert. Während spezifikationale Sätze eine feste Topik-Fokus-Struktur haben, sind prädikationale Sätze durch eine freie Topik-Fokus-Struktur ausgezeichnet. Hallab (2011:39) schließt sich hier Mikkelsens Unterteilung an und diskutiert jedoch in ihren Beitrag zwei Typen von Kopulasätzen: Äquativen vs. prädikationalen Sätzen. Nach Hallab findet bei prädikationalen Sätzen eine Identifizierung einer nicht-referentiellen NP und dem Subjekt statt. Bei äquativen Sätzen handelt es sich hingegen um eine Verbindung zweier referentieller DP durch das Kopulaverb (vgl. die folgende Tabelle von Hallab (2011)). (ii)
Äquativ Prädikational
DP1
Kopula
DP2
DP2
Kopula
DP1
DP
Kopula
NP (Hallab 2011:39)
174
Artikellose NPs
Chinesisch (15) a. 這個牙醫是屠夫。 Zhè ge yáyī shì Ø Dem KLStück N KV Diese KLStück Zahnarzt sein ‚Dieser Zahnarzt ist ein Metzger!’ oder: ‚Dieser Zahnarzt ist Metzger.’
túfū. N Metzger
b. 這個牙醫是(一)個屠夫! Zhè ge yáyī shì (yí) Dem KLStück N KV Num diese KLStück Zahnarzt sein eins ‚Dieser Zahnarzt ist ein Metzger!’ oder: ‚Dieser Zahnarzt ist Metzger.’ c. 這個牙醫是(一)位屠夫。 Zhè ge yáyī Dem KLStück N diese KLStück Zahnarzt ,Dieser Zahnarzt ist Ø Metzger.’
(16)
a. Guido是(一)個神。 Guido shì (yí) ge En KV Num KLStück Guido sein eins KLStück ‚Guido ist ein Gott.’ oder: ,Guido ist Gott.’
shì KV sein
ge KLStück KLStück
(yí) Num eins
shén. N Gott
(Evaluative Lesart) (Rollen- und Funktionslesart)
túfū! N Metzger
(Evaluative Lesart) (Rollen- und Funktionslesart)
wèi túfū. KLPerson N KLPerson Metzger (Rollen- und Funktionslesart) (Präsentative Lesart)
(evaluative Lesart) (Rollen- und Funktionslesart)
Jedoch widerlege ich die von Hallab (2011) vorgeschlagene Klassifikation. Der Grund dafür ist, dass ein Indefinitum in prädikativer Position nie referentiell ist. Modifiziert die Klassifikation von Mikkelsen (2005) trenne ich wieder äquative und identifikationale Sätze voneinander. Ich ordne die Struktur [DP ist ein N] ebenso wie Mikkelsen (2005) und Hallab (2011) in den äquativen Typ ein, weil die Struktur mit wie wiedergegeben werden kann. Im Gegensatz dazu ist ein Satz identifikational, wenn das Subjekt und das Gleichsetzungsnomen beide referentiell sind. Z.B. bezieht sich das Beispiel (iii) auf die Referenz auf zwei Entitäten. (iii) Der Olympiaturm ist der Münchner Fernsehturm.
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NPs in der prädikativen Position b. Guido是Ø神。 Guido shì Ø En KV Guido sein ‚Guido ist ein Gott.’ oder: ‚Guido ist Gott.’
shén. N Gott
c. Guido是(一)位神。 Guido shì (yí) wèi En KV Num KLPerson Guido sein eins KLPerson ‚Guido ist Ø Gott.’
(evaluative Lesart) (Rollen- und Funktionslesart)
shén. N Gott
(Rollen- und Funktionslesart) (Präsentative Lesart)
(15a) und (15b) könnten beide zwei Lesarten haben, wobei das Numerale in (15b) ohne Einfluss auf die Semantik ausgelassen werden kann. Einerseits können sie wegen der Semantik des Nomens nur subjektive Evaluation zum Ausdruck bringen. D.h. der Referent dieser Zahnarzt verhält sich wie ein Metzger. Andererseits ist Metzger mit dem allgemeinen Klassifikator ge個 ‚Stück’ als Rolle auch zulässig. Man kann aber die evaluative Lesart ausschließen, indem man den Klassifikator für Personen in einer höflichen Form wèi位 verwendet. Man vergleiche dazu (15c). In diesem Fall könnte dieser Satz auch als präsentative Lesart interpretiert werden. Diese drei Lesarten (1. evaluative Lesart vs. 2. präsentative Lesart vs. 3. Rollen- und Funktionslesart) im Chinesischen sind nicht syntaktisch strukturell bestimmbar, sondern hängen in einer Art von semantischem Zusammenspiel auch von der lexikalischen Bedeutung des Kopfnomens und des Klassifikators ab. Die Beispiele in (16) belegen dies ebenfalls. Mit dem Klassifikator der Höflichkeit kann (16c) entweder auf einen von vielen Göttern oder auf seine Funktion als Gott verweisen. Betrachten wir jetzt die chinesischen Entsprechungen in (17) und (18.) Chinesisch (17) a. 這個老師是(一)個天使。 Zhè ge lǎoshī shì Dem KLStück N KV diese KLStück Lehrer sein ‚Dieser Lehrer ist ein Engel.’ oder: ‚Dieser Lehrer ist Ø Engel.’
(yí) Num eins
ge KLPerson KLPerson
tiānshǐ. N Engel
(evaluative Lesart) (Rollen- und Funktionslesart)
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Artikellose NPs b. 這個老師是天使。 Zhè ge lǎoshī shì Ø Dem KLStück N KV Diese KLStück Lehrer sein ‚Dieser Lehrer ist ein Engel.’ oder: ‚Dieser Lehrer ist Ø Engel.’
(18)
tiānshǐ. N Engel
(evaluative Lesart) (Rollen- und Funktionslesart)
a. 這個老師是(一)個醫生。 Zhè ge lǎoshī shì (yí) ge yīshēng. Dem KLStück N KV Num KLPerson N diese KLStück Lehrer sein eins KLPerson Arzt ‚Dieser Lehrer ist ein Arzt. (präsentative Lesart/Rollen- und Funktionslesart) b. 這個老師是個醫生。 Zhè ge lǎoshī Dem KLStück N diese KLStück Lehrer ‚Dieser Lehrer ist Ø Arzt.’
shì KV sein
Ø
yīshēng. N Arzt
(Rollen- und Funktionslesart)
In (17) bestehen dagegen keine Unterschiede zwischen den beiden Beispielen. Diese können sowohl evaluative Lesart als auch Rollen- und Funktionslesart haben. Ein Lehrer kann kein Engel sein. Es sei denn, dass er eine Rolle als Engel spielt. Deshalb ist eine präsentative Lesart nicht möglich. In (18a) ist hingegen bei dem Indefinitum in prädikativer Position die Rollen- und Funktionslesart oder präsentative Lesart möglich und bei der bloßen NP nur die Rollen- und Funktionslesart, weil das Kopfnomen keine persönliche Bewertung über den Subjektreferenten vermitteln kann. Im Chinesischen scheint die Bedeutung der Kopfnomina viel entscheidend zu sein als im Deutschen. D.h. wenn das Kopfnomen eine evaluative Bedeutung impliziert, dann kann dieses Nomen sowohl in Form einer bloßen NP oder eines Indefinitums vorkommen. Im Deutschen kommt diese Verwendung nur beim Indefinitum vor. Ein weiteres Kriterium für artikellose NPs in prädikativer Position ist Einzigartigkeitspräsupposition/Unikalität (engl. ‚uniqueness’), die auf Zamparelli (2008:124) zurückgeht. Es besagt, dass Nomina, die lexikalisch die Einmaligkeitseigenschaft hat, immer als artikellose NPs in prädikativer Position geeignet sind. Dieses Kriterium ist kein notwendiges Kriterium für artikellose NPs in prädikativer Position, weil nicht alle prädikative bloße NPs diese Einzigartigkeiteigenschaft implizieren müssen. Hallab (2011) hat diese Generalisierung mit den deutschen Beispielen (19) (das einziges Kind seiner Eltern) und (20) (die erste Person, die Mont Blanc besteigt) belegt. In den chinesischen Übersetzungen hingegen spielt die Einzigkeitspräsupposition für die Auswahl von artikellosen
177
NPs in der prädikativen Position
NPs oder Indefinita keine Rolle. Beide Formen sind gleichberechtigt. Man vergleiche (21) und (22). Entscheidend ist, ob es sich bei der NP um eine präsentative Lesart, die ausschließlich mittels Indefinitums auszudrücken ist. (19)
a. *Ole ist Kind. b. Ole ist Einzelkind.
(20)
a. *Felix ist Besteiger des Mont Blancs. b. Felix ist Erstbesteiger des Mont Blancs.
(Hallab 2011:111)
Chinesisch (21) a. Ole是小孩。 Ole shì Ø xiǎohái. En KV N Ole sein Kind ‚Ole ist ein Kind.’ oder: ‚Ole ist wie Kind.’ b. Ole是(一)個小孩。 Ole shì (yí) ge En KV Num KLPerson Ole sein Num KLPerson ,Ole ist ein Kind.’ oder: ‚Ole ist wie Kind.’
(Rollen- und Funktionslesart) (evaluative Lesart)
xiǎohái. N Kind (präsentative Lesart, Rollen- und Funktionslesart) (evaluative Lesart)
c. Ole是(一)個小孩/ Ø獨生子。 Ole shì (yí) ge En KV Num KLPerson Ole sein Num KLPerson ‚Ole ist Einzelkind.’
(22)
a. Felix是(一)個/白朗峰登山者。 Felix shì (yí) ge / En KV Num KLPerson Felix sein Num KLPerson ‚Felix ist ein Besteiger des Mont Blancs.’ b. Felix是(一)個/ Ø首登白朗峰者。 Felix shì (yí) ge / Ø En KV Num KLPerson Felix sein Num KLPerson ‚Felix ist Erstbesteiger des Mont Blancs.’
/
Ø
Ø
dúshēngzǐ. N Einzelkind
báilǎngfēng N Mont Blanc
shǒu Adv erst
dēngshānzhě. N Besteiger
dēng báilǎngfēng zhě. V N N besteigen Mont Blanc Person
178
Artikellose NPs
Bei Mutter und Vater als prädikative Bloßnomina dagegen gilt eine andere Regel. Nach Hallab (2011:114f.) könnten sie entweder Familienrelation (23a, b, c) oder die Rolle bzw. Funktion (23d) („die Aktivität, Mutter/Vater zu sein und die damit verbundenen Tätigkeit“) denotieren. Im Allgemeinen können prädikative Bloßnomina im Chinesischen ebenfalls als Familienrelation (24c) oder Rolle- und Funktionslesart (24a, b) interpretiert werden. In (24d) ist bloße prädikative NP nicht akzeptierbar, weil Mutter in diesem Fall als eine dauerhafte stative Eigenschaft angesehen wird. Der Zustand Mutter zu sein, wird nicht ändern, auch wenn sie einen Job hat. Das Indefinitum in (24e) hingegen drückt die Rollen der Mutter aus. Die Nomina, die sich gleich verhalten, sind alle Verwandtschaftsbezeichnungen wie Schwester, Bruder, Großmutter usw. Bei der Familienrelation kommen bloße singularische NPs nach der attributiven Partikel de的 vor. (23)
a. Klara ist Mutter. (Hallab 2011:113) b. Daniel ist Vater. (Hallab 2011:113) c. Klara ist *(die) Mutter von Emil. (Hallab 2011:115) d. Klara hat ihren Job an der Schule gekündigt. Sie ist jetzt nur noch Mutter. (Hallab 2011:115)
Chinesisch (24) a. Klara是媽媽。 Klara shì māmā. En KV N Klara sein Mutter ‚Klara ist Mutter.’ b. Daniel是爸爸。 Daniel shì bàba. En KV N Daniel sein Vater Daniel ist Vater.’ c. Klara是Peter的媽媽。 Klara shì Peter de En KV En Attr.Part Klara sein Peter Attr.Part ‚Klara ist *(die) Mutter von Peter.’
māmā. N Mutter
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NPs in der prädikativen Position d. Klara 辭掉工作了。*現在她只是媽媽。 Klara cídiào gōngzùo le. En V N Zsv.Part Klara kündigen Job Zsv.Part shì KV sein
*Xiànzài ADV jetzt
tā PerPro sein
zhǐ MP nur
māmā. N Mutter
e. Klara 辭掉工作了。現在她只是(一)個媽媽。 Klara cídiào gōngzùo le. Xiànzài En V N Zsv.Part ADV Klara kündigen Job Zsv.Part jetzt
tā PerPro sein
zhǐ MP nur
shì (yí) ge māmā. KV Num KLStück N sein eins KLStück Mutter ‚Klara hat ihren Job gekündigt. Sie ist jetzt nur noch Mutter.’
Des Weiteren geht Hallab (2011:116f.) davon aus, dass artikellose prädikative NPs im Deutschen eine bestimmte Teileigenschaft der Eigenschaft des Subjekts enthalten können. Diese Eigenschaften sind supplementive Informationen, die neue Information sein muss und das Subjekt spezifiziert, z.B. das Hobby, die Nationalität, die Religionszugehörigkeit, der Beruf usw. Sie dürfen nicht aus der Subjekt-DP abzulesen sein (Hallab 2011:117ff.). Man vergleiche dazu (25a). Außerdem führt sie das Beispiel (25b) an und erklärt, dass Rugbyspieler als Eigenschaft eine echte Teilmenge der Eigenschaften von Jürgen ist. Diese Annahme bestätigt sich aber nicht für das Chinesische, wie (26) zeigt. (25)
a. *Jürgen ist Mann. b. Jürgen ist Rugbyspieler.
Chinesisch (26) a. Jürgen 是(一個)男人。 Jürgen shì (yí ge) En KV Num KLStück Jürgen sein eins KLStück ‚Jürgen ist ein Mann.’
(Hallab 2011:117)
nánrén. N Mann
180
Artikellose NPs b. Jürgen 是(一位)橄欖球員。 Jürgen shì (yí wèi) gǎnlǎnqiúyuán. En KV Num KLPerson N Jürgen sein eins KLPerson Rugbyspieler ‚Jürgen ist Rugbyspieler. / Jürgen ist ein Rugbyspieler.
Im Chinesischen sind bloße prädikative NPs und Indefinita ((yi 一)+KL+NP) beide als Teilmenge der Eigenschaften von Subjekt bzw. als Einführung eines Individuum möglich. Der Unterschied zwischen den beiden Formen liegt darin, dass Indefinita eher beim Geschichtenerzählen verwendet werden, während bloße prädikative NPs eher ausdrücken könnten, dass der Sprecher dem Referenten vertraut ist, wenn das Subjekt ein Eigenname ist. Hallab (2011:119) nimmt weiter Folgendes an: „während als einen suppletiven Aspekt des Subjekts hervorhebt, worüber dann prädiziert werden kann, leitet wie eine äquative Vergleichskonstruktion ein, bei der die Subjekt-Entität als Ganzes als Vergleichsobjekt dient.“ D.h. bei der als-Konstruktion wie bezeichnen als, erachten als, auffassen als usw.) wird [Ø NP] verwendet, bei der wie-/für-Konstruktion dagegen [ein NP] (z.B. halten für). (27)
a. Ich habe das für eine Pflicht gehalten. b. Er hat Pflege der Kunst als Ø Pflicht erachtet.
In (27a) sind zwei abweichende Individuen gleichzusetzen. Im Gegensatz dazu zielt (27b) auf eine Rollen- und Funktionslesart ab und stellt eine Prädikation dar. Hierbei wird vor allem hervorgehoben, dass die bloße prädikative NP eine bestimmte Eigenschaft beschreibt, die dem Subjekt zugeschrieben wird. D.h. die Prädikation selegiert ein nicht-referentielle bloße NP und die Äquation ein Indefinitum, die wieder aufgegriffen werden kann. In (28a) hat Joost nicht viel zu lachen, und ein Raucher hat auch nicht viel zu lachen. Aber er ist kein Raucher. (28)
a. Josst hat – wie ein Raucher – nicht viel zu lachen. b. Josst hat – als Ø Raucher – nicht viel zu lachen.
(Hallab 2011:119)
In (28b) hat Joost hinsichtlich seiner Gesundheit und seiner schlechten Angewohnheit nicht viel zu lachen (Hallab 2011:119). (29)
a. Anna arbeitet in der Schule als (*eine) Mathelehrerin. b. Anna arbeitet in der Schule wie eine Mathelehrerin.
181
NPs in der prädikativen Position
In (29a) ist Anna tatsächlich Mathelehrerin, während Anna in (29b) beim Arbeiten die Eigenschaften hat, die man einer Mathelehrerin zuschreibt. Das Chinesische erweist sich hier wiederum als nicht parallel. Im Chinesischen haben das Indefinitum und bloße prädikative NP die Möglichkeit sowohl als Vergleichsobjekt als auch als Rollenfunktion zu verwenden. Man vergleiche (30). Chinesisch (30) a. Josst – 像(一個)吸煙者 – 沒什麼能讓他笑。 Josst – xiàng (yí ge) xīyānzhě – méishénme En Vgl.Part Num KLStück N Pron Joost wie ein KLStück Raucher nichts
néng ràng MV HV können lassen
tā xiào. PersPro V ihn lachen ‚Josst hat – wie ein Raucher – nicht viel zu lachen.’ b. Josst – 身為(一個)吸煙者 – 沒什麼能讓他笑。 Josst – shēnwéi (yí ge) xīyānzhě – méishénme En Vgl.Part Num KLStück N Pron Joost als ein KLStück Raucher nichts
néng MV können
ràng HV lassen
tā xiào. PersPro V ihn lachen ‚Josst hat – als Ø Raucher – nicht viel zu lachen.’
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Kopulasätze mit bloßen prädikativen NPs und die als-Konstruktionen im Deutschen eine Rollen- und Funktionslesart eröffnen und oft in Zusammenhang mit Einzigkeitspräsupposition stehen. Im Gegensatz dazu können Indefinita zwei äquative Lesarten auslösen: präsentative und evaluative Lesart. Diese zwei Lesarten hängen von der lexikalischen Bedeutung des Kopfnomens im Prädikat ab. Im Chinesischen spielen die beiden Formen bloße NP und indefinite NP insgesamt keine wichtige Rolle für die drei verschiedenen Lesarten (Rollen- und Funktionslesart, präsentative und evaluative Lesart). Jedoch kann durch die Bedeutung des Klassifikators zwischen der evaluativen Lesart und Rollen- und Funktonlesarten unterschieden werden.
6.2.2 Aspekt der bloßen prädikativen NPs Nach Hallab (2011:121) verbinden sich bloße prädikative NPs im Deutschen sowohl mit perfektiven als auch mit imperfektiven Ereignissen, keinesfalls aber
182
Artikellose NPs
mit punktuellen Vorgängen, während Indefinita von aspektuellen Lesarten unabhängig sind und die Eigenschaft von Individuen denotieren. (31)
a. Leila ist *(eine) Gewinnerin. b. Hans ist *(ein) Mörder. c. Leila ist Grammy-Gewinnerin. d. Hans ist Massenmörder.
(modifiziert nach Hallab 2011:124) (Hallab 2011:125)
In (31) z.B. sind Gewinner und Mörder keine durativen Aktivitäten, sondern punktuelle Ereignisse. Daher ist die bloße prädikative NP nicht zulässig, es sei denn, dass Gewinner und Mörder spezifiziert und als dauerhafte Eigenschaften verwendet werden. Man vergleiche (31c, d). Bei den episodischen Aktivitäten wird die bloße prädikative NP bevorzugt (Hallab 2011:125). Im Gegensatz dazu kann sich das Indefinitum nicht mit dem perfektiven Aspekt verbinden, sondern nur mit dem imperfektiven Aspekt. Es zielt auf die Einführung eines Individuums ab. Die Unterscheidung zwischen bloßen prädikativen NPs und Indefinita ist nach Hallab (2011:151) teilweise vergleichbar mit der Unterscheidung zwischen den Prädikaten des Stage Levels/SL-Typs und den des Individuals/IL-Typs (detailliert in Abschnitt 3.1). Die bloßen prädikativen NPs verhalten sich wie die SL-Prädikate, die bei bestimmbarer Raum-Zeit-Konfiguration vorkommen. Sie drücken wie die SL-Prädikate die vorübergehenden und zufälligen (je nach Zeit und Ort bestimmbaren) episodischen Ereigniseigenschaften aus. Die ILPrädikate denotieren dagegen die dauerhaften und wesentlichen individuellen (raum-zeit-unkonfigurierten) Eigenschaften. In diesem Fall wird das Indefinitum verwendet, es denotiert das Individuum. Man vergleiche (32, 33). (32)
a. Robert Redford war Ø Schauspieler und jetzt ist er Regisseur. b. Robert Redford war ein Schauspieler und jetzt ist er tot.
(Hallab 2011:127)
(33)
a. Peter ist tagsüber Fotograf. b. #Peter ist tagsüber ein Fotograf.
(Hallab 2011:151)
In (32a) arbeitete der Referent für einen bestimmten Zeitraum als Schauspieler, während der Referent in (32b) lebenslang Schauspieler war und das Indefinitum ein Schauspieler als dauerhafte stative Eigenschaft von Robert Redford angesehen wird. Das Gleiche gibt für das Beispiel (33), in dem Peter nur in bestimmter Zeit Fotograf ist.
183
NPs in der prädikativen Position
Im Chinesischen unterliegt die Wahl zwischen bloßen singularischen NPs oder Indefinita in prädikativer Position keinen Einflüssen auf telische, atelische oder episodische Aktivitäten. Sie hat ebensowenig einen Zusammenhang mit SL- und IL-Prädikaten. Austauschbarkeit von den beiden Formen ist möglich. Man vergleiche (34, 35). Chinesisch (34) a. Leila 是(一)個/Ø 得獎人。 Leila shì (yí) ge En KV Num KLStück Leila sein ein KLStück ‚Leila ist ein Gewinner.’
/
b. Hans 是(一)個/Ø 殺人犯。 Hans shì (yí) ge / En KV Num KLStück Hans sein ein KLStück ‚Hans ist ein Mörder.’
Ø
Ø
c. Leila 是(一)個/Ø 葛萊美得獎人。 Leila shì (yí) ge / Ø En KV Num KLStück Leila sein ein KLStück ,Leila ist Grammy-Gewinner.’ d. Hans 是(一)個/Ø 大屠殺者。 Hans shì (yí) ge / En KV Num KLStück Hans sein ein KLStück ‚Hans ist Massenmörder.’ (35)
déjiǎngrén. N Gewinner
shārénfàn. N Mörder
gěláiměi N Grammy
Ø
déjiǎngrén. N Gewinner
dàtúshāzhě. N Massenmörder
a. 他以前是(一)個/Ø 演員,現在是(一)個/Ø 導演。 Tā yǐqián shì (yí) ge / Ø yǎnyuán, xiànzài shì PersPro Adv KV Num KLStück N Adv KV er früher sein ein KLStück Schauspieler jetzt sein (yí) ge / Ø dǎoyǎn. Num KLStück N eins KLStück Regisseur ‚Er war Schauspieler und jetzt ist er Regisseur.’
184
Artikellose NPs b. 他以前是(一)個/Ø 演員,現在死了。 Tā yǐqián shì (yí) ge / PersPro Adv KV Num KLStück Er früher sein eins KLStück
Ø
yǎnyuán, N Schauspieler
xiànzài Adv jetzt
sǐ le. Adj Zsv.Part tot Zsv.Part ‚Er war ein Schauspieler und jetzt ist er tot.’
In (34) können Gewinner und Mörder mit punktueller Eigenschaft bzw. Grammy-Gewinner und Massenmörder mit dauerhafter Eigenschaft als bloße NP oder Indefinitum vorkommen. Es gibt keine Interpretationsunterschiede. Die bloße NP und das Indefinitum (mit oder ohne Numerale eins) können auch bei dauerhaften oder punktuellen Aktivitäten vorkommen.
6.2.3 Attributive Adjektive und bloße prädikative NPs Dieser Abschnitt widmet sich der Relation zwischen attributiven Adjektiven und bloßen prädikativen NPs. Wir betrachten zunächst folgende Beispiele (36). (36)
a. Ehe ist Tugend. b. Ehe ist *(eine) große Tugend. c. Volker ist blutiger Anfänger. d. *Volker ist motivierter Anfänger.
(Hallab 2011:195) (Hallab 2011:195)
In (36a) mit einer bloßen NP liegt eine Prädikation vor. Wenn ein Attribut hinzugefügt wird, muss der unbestimmte Artikel (36b) aber gesetzt werden. Hier wird Ehe als eine von vielen großen Tugenden verstanden. In (36c) kann jedoch der unbestimmte Artikel weggelassen werden, während der unbestimmte Artikel in (36d) obligatorisch ist. Der Grund dafür ist, dass der Ausdruck blutiger Anfänger eine idiomatische Verwendung ist. Der Ausdruck motivierter hingegen gehört nicht idiomatisch zum Kopfnomen Anfänger (Hallab 2011:195f.). Im Gegensatz dazu können alle Beispielsätze in (37) einen fakultativen indefiniten Artikel enthalten, weil der Gesamtausdruck Adjektiv+NP wie ordentlicher Professor, niedergelassener Orthopäde usw. eine feststehende Einheit ist und die Funktion als Berufsbezeichnung übernimmt. Daher wird kein overter Artikel erforderlich. (37)
a. Joost ist (ein) ordentlicher Professor. b. Peter ist (ein) niedergelassener Orthopäde. c. Anna ist (eine) selbständige Übersetzer. d. Maria ist (eine) prima Ballerina.
185
NPs in der prädikativen Position e. Maria ist (eine) erste Solistin. f. Hans ist (ein) freiberuflicher Journalist.
Wenn ein unbestimmter Artikel vor der feststehenden Einheit Adjektiv+NP (38a) vorkommt, verbindet das Kopulaverb zwei Entitäten: Anna und alleinerziehende Mutter. Die Einheit ohne Artikel in (38b) hingegen übernimmt wie eine bloße prädikative NP die Rollenfunktion. (38)
a. Anna ist eine alleinerziehende Mutter, die zu Hause arbeitet. b. Anna ist alleinerziehende Mutter, die zu Hause arbeitet.
Im Chinesischen können beide Formen mit oder ohne Num+KL in der prädikativen Position auftreten. Sie lassen sich – unabhängig davon, ob sie als Berufsbezeichnung oder feste Verwendung angesehen werden – immer gleich interpretieren. Chinesisch (39) a. 婚姻是偉大的美德。 Hūnyīn shì wěidà N KV Adj Ehe sein groß ‚Ehe ist eine große Tugend.’ b. 婚姻是(一)個偉大的美德。 Hūnyīn shì (yí) ge N KV Num KLStück Ehe sein ein KLStück ‚Ehe ist eine große Tugend.’ (40)
de Attr.Part Attr.Part
wěidà Adj groß
měidé. N Tugend
de Attr.Part Attr.Part
a. Joost 是(一個)正教授。 Joost shì (yí ge) zhèngjiàoshòu. En KV Num KLStück N Joost sein eins KLStück ordentlicher Professor ‚Joost ist (ein) ordentlicher Professor.’ b. Hans 是(一個)自由記者。 Hans shì (yí ge) zìyóujìzhě. En KV Num KLStück N Hans sein ein KLStück freiberuflicher Journalist ‚Hans ist (ein) freiberuflicher Journalist.’
měidé. N Tugend
186
Artikellose NPs
6.3 Zusammenfassung des Kapitels In Abschnitt 6.1 wurde eine Abgrenzung zwischen artikellosen NPs und artikellosen DPs (Eigennamen, bloße Plurale, Mengennomina und Abstrakta) im Deutschen gezogen. In Abschnitt 6.2 waren zwei Formen der Kopulakomplemente artikellose NPs vs. Indefinita im Deutschen und im Chinesischen miteinander zu vergleichen. Prädikative NPs im Deutschen übernehmen die Rollen- und Funktionslesart und denotieren die supplementiven Eigenschaften, die nicht am Subjekt zu erkennen sind. Im Gegensatz dazu fungieren Indefinita in prädikativer Position als im Diskurs eingeführte Individuen, die mit den Subjekten zu identifizieren sind. Dies ist die sog. präsentative Lesart. Hierbei lassen Indefinita eine semantische Verschiebung zu. Dies wird als evaluative Lesart bezeichnet. Die präsentative, die evaluative, die Rollen- und Funktionslesart sind nicht von der Syntax abhängig, sondern von den lexikalischen Bedeutungen der Kopfnomina. Damit zieht man das Fazit, dass es im Deutschen keine Trichotomie zwischen drei Lesarten (1. evaluative Lesart vs. 2. präsentative Lesart vs. 3. Rollen- und Funktionslesart) gibt. Des Weiteren spielen die Kriterien Einzigartigkeitspräsupposition und supplementive Eigenschaft für die Entscheidung der bloßen NPs eine wichtige, jedoch nicht alleinige Rolle. Im Deutschen wird die als+bloß-NP als Prädikation angesehen und übernimmt eine Rollen- und Funktionslesart. Hingegen wird das Indefinitum bei der wie-/für-Konstruktion verwendet. Ferner hängt das Vorkommen von bloßen prädikativen NPs bzw. von Indefinita im Deutschen mit Aspekt zusammen. Die bloßen prädikativen NPs denotieren die raum-zeit-konfiguierten Eigenschaften, während die Indefinita die raum-zeit-unkonfiguierten Eigenschaften darstellen. Wenn ein attributives Adjektiv vor der bloßen prädikativen NP auftritt, muss man einen unbestimmten Artikel vor dem Adjektiv einsetzen, es sei denn, wenn der Ausdruck in prädikativer Position eine idiomatische Verwendung oder eine feststehende Einheit als Berufsbezeichnung ist. In der folgenden Tabelle (Abb. 20) lassen sich bloße prädikative NPs und Indefinita vergleichend unter Verweis auf die Beispielsätze darstellen. Auf der Grundlage der vorangegangenen Analyse lässt sich noch festhalten, dass die evaluative, die präsentative und Rollen- und Funktionslesart im Chinesischen von den lexikalischen Bedeutungen des Nomens sowie auch von denen der Klassifikatoren abhängen. Sowohl bloße NPs als auch Num+KL+NP (Indefinita) können zur Bildung dieser drei Lesarten beitragen. Die Kriterien Einzigartigkeitspräsupposition und Aspekt spielen dabei keine Rolle. Der einzige Unterschied zwischen bloßer prädikativer NP und Num+KL+NP im
Zusammenfassung des Kapitels
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Chinesischen liegt darin, dass bloße prädikative NP bei Vertrautheit zwischen dem Sprecher und dem Referenten verwendet wird, wenn das Subjekt ein Eigenname ist, während sich Indefinita eher beim Geschichtenerzählen einstellen. Somit ist zu folgern, dass die bloßen Nomina im Chinesischen weder inhärent klassenbildend noch inhärent referentiell sind.
Kopulasatztyp Lesart
Artikellose NPs in der Prädikation (BPred) Prädikational
Rollen- oder Funktionslesart ursprüngliche Semantik Beispiel (11a), (12b), (13b), (14b)
Indefinita Äquativ
Aktivität
supplementiver Aspekt
als/wie/für
Einzigkeit Adjektive vor den NPs
perfektive Ereignisse imperfektive/dauerhafte Ereignisse (GrammyGewinnerin in (31c), Massenmörder in (31d)) Eigenschaften von Individuen hinsichtlich einer Situation (raum-zeit-konfiguierte Eigenschaften) (32a), (33a) supplementive Eigenschaften, die nicht von Subjekt-DPs ablesbar sind (25b) als+BPred supplementiver Aspekt (27a), (28b), (29b) auf Abweichung abzielend [+Einzigkeitspräsupposition] Beispiel: (12d), (19b), (20b) idiomatische Verwendung (36c) Gesamtausdruck als Berufsbezeichnung oder Rollenfunktion (37)
evaluative Lesart Bedeutungsverschiebung Beispiel (12a), (12c), (13a) präsentative Lesart: Einführung eines Individuums vollständige Identifizierung mit dem Subjekt Beispiel (11b), (14a) imperfektive Ereignisse Eigenschaften von Individuen (raumzeit-unkonfiguierte Eigenschaften) (32b) punktuelle Ereignisse (Gewinnerin in (31a), Mörder in (31b))
wie+Indefinita äquative Lesart (28a), (29a) für+Indefinita (27b) auf Identität abzielend
(36b)
Abb. 20 Artikellose NPs in der Prädikation sowie Indefinita im Deutschen
7 Zusammenfassung Seit Längerem haben das Problem des DP-Ansatzes in den artikellosen Sprachen viele beschäftigt. Jedoch hat man sich noch nicht geeinigt, ob die Einsetzung eines DP-Ansatzes sinnvoll ist. DPs zwischen dem Deutschen und Chinesischen zu vergleichen grieft an den Kern des Unterschieds zwischen den Sprachen: das Deutschen ist eine numerale (zählende) Sprache, das Chinesische eine transnumerale (zählübergreifende). Das heißt Folgendes: Das Deutsche zählt über ein eigenes morphologisches Pluralparadigma bei den verschiedenen Nominalklassen. Das Deutsche sagt also: (1) (2)
Ich nehme drei Kuchen. Ich nehme drei Stückchen (vom) Zucker.
Das Chinesische dagegen kann nur ausdrücken: (3)
Ich nehme drei *(Exemplar) Kuchen. 我拿三塊蛋糕。 Wǒ ná sān kuài dàngāo. PersPro V Num KLStück N ich nehmen drei KLStück Kuchen
(4)
Ich nehme drei Stückchen Zucker. 我拿三小塊糖。 Wǒ ná sān xiăo kuài táng PersPro V Num Adj. KLStück N ich nehmen drei klein KLStück Zucker
Man nennt die im Chinesischen unverzichtbare strukturelle Stelle von Exemplare Klassifikator. Der Klassifikator ermöglicht erst Zählbarkeit im Chinesischen (vgl. (3) und (5)): (5)
*Ich nehme drei Kuchen. *我拿三蛋糕。 *Wǒ ná sān dàngāo. PersPro V Num N ich nehmen drei Kuchen
Andererseits lässt sich im Deutschen nicht ohne weiteres sagen, sofern nicht jeweils Stück/Glas/Päckchen hinzugefügt werden.
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Zusammenfassung *Ich nehme drei Zucker/Wasser/Mehl. *我拿三糖/水/麵粉。 Wǒ ná sān táng/ shuǐ/ miànfěn. PersPro V Num N N N ich nehmen drei zucker Wasser Mehl
D.h. das Deutsche macht z.T. dasselbe wie das Chinesischen, wenn es um Nomina der Art von Zucker/Wasser/Mehl geht. Man nennt diese Nomina nach ihrer Zählweise Mengennomina. Und es wurde angenommen, dass Mengennomina keinen Plural haben. Um sie überhaupt zählbar zu machen, muss ihre Zählbarkeit zuerst klassifiziert werden: als Stück/Glas/Päckchen (kuài塊/píng瓶/ bāo包). Dazu gibt es Alternativen: Würfel/Liter/Kilo (xiǎokuài小塊/gōngshēng公 升/gōngjīn公斤) usw. Das Chinesische zählt ausschließlich mit Klassifikatoren. Es gibt deren viele je nach Art des zu klassifizierenden Nomens, darunter allerdings mindestens eines, das für fast jede Art eines Nomens verwendet werden kann: ge個. Nun folgt aus der skizzierten bisher recht einfachen Numeralsystematik des Chinesischen Wesentliches. Mit der Transnumeralitätstypik verfällt auch die Artikelform. Das Chinesische unterscheidet nicht oberflächennahe (ausdruckshaft, auch overt) zwischen dem Mehl – ein Mehl – Mehl (miànfěn麵粉). Zu beachten ist dabei, dass selbst die Artikelformen im Deutschen mehrdeutig sind: (7)
Für ein Brief (yì fēng xìn一封信) lässt sich verstehen:
ein Exemplar der Sorte Brief (einen bestimmten Brief unter allen heraussuchen ein einziges Stück der Sorte Brief (nur eines, nicht mehr) die Sorte Brief als solche (irgendein Stück der Sorte Brief suchen) (8)
Für der Brief (xìn信 oder zhè yì fēng xìn這(一)封信) lässt sich verstehen:
ein bestimmter Brief, den wir kennen ein Brief, über den gerade gesprochen wurde die Sorte Brief, mit der man Mitteilungen verschickt. Unter allen Artikelformen, auch Determinatoren/D unterscheidet man: referentiell starke D: der, dieser (zhè這+KL), jeder (měi 每+KL), alle (suǒ yǒu所有) usw. referentiell schwache D: ein (yi一+KL), manch- (yǒuxiē有些), einige (yìxiē一 些), viele (hěnduō 很多), artikellose („bloße“) NP usw.
Zusammenfassung
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Das partielle Fehlen solcher referentieller Determinatoren alleine lässt sich zu dem Schluss auswerten, dass das Chinesische keine DP-Stelle im Satz vorsieht. Dies ist in der vorliegenden Literatur mit verschiedener Akzentsetzung auch behauptet worden (u.a. Krifka, Chierchia, Sybesma/Cheng, Borer). Meine Arbeit hat ein davon abweichendes Ergebnis, weist also verschiedene Aspekte der genannten Arbeiten zurück und argumentiert vor allem aus muttersprachlich-empirischer Sicht. Im Rahmen dieser Arbeit wurde vorgeschlagen, dass die Kategorie D als universale Kategorie betrachtet werden soll. Daher lässt sich meine Aufmerksamkeit nicht allein auf den Ausdruck des Artikels beschränken, sondern muss auf Serialisierung und den Klassifikator erweitert werden. Im Folgenden sollen die Vergleichsergebnisse zwischen den beiden Sprachen noch einmal in ihren wesentlichen Punkten zusammengefasst werden. (A) DP und D-Kategorie sind im Chinesischen vorhanden. Das Ziel dieser Arbeit war zu zeigen, dass das Chinesische sowohl über DP als auch einen Determinator verfügt. Ich widerspreche damit: Krifkas Position, das Nomen sei im Chinesischen ausschließlich ein Mengennomen. Chierchias Position, es gelte unter den Weltsprachen bloß die Unterscheidung zwischen Zählnomen und Mengennomen Cheng/Sybesma: es gebe keine DP. Borers Position: alle Sprachen seien transnumeral (auch die sog. Pluralsprachen wie Deutsch oder Englisch) Die Funktion der D-Kategorie wird in vielen Sprachen primär durch den Artikel realisiert, z.B. im Deutschen und im Englischen. Sie können allerdings auch über andere Mittel, wie etwa den Klassifikator, kodiert werden, z.B. im Vietnamesischen und Hmongischen. Im Chinesischen übernimmt nicht der Klassifiator diese Funktion, sondern oft das Demonstrativpronomen, das starke Nominalreferenz auslöst. Auch Aspekt und Serialisierung gelten als Ausdrucksmittel für Definitheitseffekte bzw. Referentialiät. D.h. die Topik-über-Position mit bloßem Nomen ist im Allgemeinen für generische und definite Lesart reserviert. Mittels des verbalen Aspekts kann die Definitheit eines bloßen Nomens als Subjekt kodiert werden. Dies hat die These von Leiss (2000:276) wieder bestätigt: „Artikel und Aspekt sind nicht bloße funktional vergleichbar. Sie stellen vielmehr grammatische Synonyme dar.“ Serialisierung ist stark von Thema-Rhema Gliederung geprägt. Thema liefert alte, bekannte Information und verbindet sich meistens mit Definitheit im
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Ausdruck. Typischerweise bringt im Chinesischen die Voranstellung eines bloßen Nomens als Objekt vor dem Verb (mit oder ohne bǎ把-Partikel) definite referentielle Lesart zum Ausdruck, weil ein bloßes Nomen im Chinesischen hinsichtlich Definitheit und Referentialität eine unmarkierte Form ist. Es muss in der referentiellen Lesart von N0 nach D0 versetzt werden, nämlich eine DP ohne D-Hülle. Die bǎ把-Partikel mit der Konstruktion NUM+KL+NP hat aber nichts mit Definitheit und Indefinitheit zu tun, sondern ausschließlich mit Telizität und Spezifizität. Das Chinesische hat DP; sie kann (fast) jede Determinatorfunktion des Ds entsprechend desambiguierend wiedergeben; Das Deutsche und das Chinesische sind DP-strukturell unterschiedlich nur insofern, als das Chinesische in den entsprechenden Nominalkonstruktionen (erheblich) häufiger und mehr verschiedene Klassifikatoren verwendet als das Deutsche. Die Unterscheidung zwischen numeralen und transnumeralen Sprachen ist nicht streng dichotomisch diskreter Natur, sondern gradueller. Und es spricht alles dafür, dass DP universalgrammatischen Status hat, d.h. in jeder Sprache vorkommt, sogar in den transnumeralen Sprachen, in denen grammatische Elemente wie Determinatoren fehlen. Die Kategorien der Kompensatoren für das Defizit, das das Chinesische gegenüber Artikel-/Determinatorsprachen wie dem Deutschen hat, sind Folgendes:
Bekanntheit/Anaphorik
Unbekanntheit/Textneues Individual-Typus Quanifikation
Deutsch Nullanapher PersPro definite Artikel+N DemPro+N ArtPro indefinite Artikel+N Definiter und Indefiniter Artikel Plural-Flexion
Chinesisch Nullanapher PersPro DP-Wiederholung DemPro+Num+KL+N bloßes N Num+KL+N KL, jeweils Typus kennzeichnend Num+KL
Abb 21. Die Kategorie der Kompensatoren für das Defizit im Chinesischen
(B) Die starke Nominalreferenz besitzt den Status einer DP. Referentialität bezieht sich nicht auf Definitheit und Indefinitheit. Vielmehr hat sie einen Zusammenhang damit, ob ein Individuum von dem Sprecher eindeutig identifizierbar ist. Präziser gesagt unterscheiden sich starke und schwache
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Referenzen nur hinsichtlich des Merkmals der Identifizierbarkeit. In diesem Sinn gehören generische und indefinite nicht-spezifische NPs sowie schwache Definita und schwache Subjekte zur schwachen Referenz, die die Existenz der Diskursreferenten präsupponiert, aber satzübergreifend nicht anaphorisch wiederaufgreifbar ist. Daher lässt sich nur starke Nominalreferenz als DP einordnen. (C) Der Klassifikator im Chinesischen ist kein Determinator und hat kein starkes Diskursmerkmal. Der Klassifikator im Chinesischen übernimmt zwar eine individuierende Funktion, aber kann alleine nie referentielle Bedeutung ausdrücken. Er steht alleine (d.h. in einer bKL-Konstruktion) nur in indefiniten nicht-spezifischen Umgebungen (außer mit existenziellem Marker yǒu有). D.h. er lässt sich in einen engen Zusammenhang mit schwacher Nominalreferenz bringen. Hinsichtlich der anaphorischen Strategie ist der Klassifikator nicht mit den Artikel- oder Demonstrativpronomina gleichzusetzen. Dieser Befund widerlegt die Annahme von Cheng/ Sybesma (1999:518, 2005:276ff.), dass der Klassifikator im Chinesischen die Entsprechung des definiten Artikels und äquivalent zu D ist. (D) Der Unterschied zwischen Individual- und Mengennomina wird erst nach der Einbettung eines Klassifikators in die DP-Syntax festgelegt. Singular-Plural-Morphologie und Klassifikator-System sind Realisierungen ein und derselben Funktion. Das Chinesische weist einen Unterschied zwischen Mengen- und Individualnomina auf. Dies suggeriert durch andere Literatur etwa Krifka (1986, 1991, 1995), Chierchia (1998a, b) Borer (2005) und Bošković (2012) einen Widerspruch. Dieser Unterschied lässt sich nicht mit Hilfe der Plural-Flexion beschreiben, sondern wird erst nach der syntaktischen Operation, also der Einfügung eines Klassifikators entschieden. Der Klassifikator ist die Voraussetzung für Zählbarkeit, aber Klassifikatoren zählen nicht selbst. D.h. die Differenzierung zwischen Mengen- und Individualnomina ist nicht lexikalisch, sondern syntaktisch kodiert. Nomina (im Deutschen ebenso wie im Chinesischen) kommen aus dem Lexikoneintrag zunächst ohne weitere Markierungen in unterspezifizierter Form. Im Deutschen wird diese Unterscheidung durch die Plural-Flexion markiert. Der Klassifikator kann die Betrachtungsperspektiven für Nomina ändern. Zur Präzisierung der Numerusinformation kann der Klassifikator overt realisiert werden, aber er ist nicht obligatorisch. Der typische Klassifikator für Zählnomina ist ge個. Er ist nicht ohne weiteres mit einem Mengen-KL auszutauschen. Neben der syntaktischen Funktion stellt der Klassifikator die lexikalische
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Klassifizierung des Referenzobjekts dar. Daher ist der Klassifikator sowohl ein funktionales als auch ein lexikalisches Element. (E) Artikellose NPs (Bare Nouns) sind nicht inhärent klassenbildend. Kopulasätze mit bloßen prädikativen NPs im Singular und die als-Konstruktionen im Deutschen eröffnen eine Rollen- und Funktionslesart und die supplementiven Eigenschaften denotieren, die nicht am Subjekt erkennbar sind. Oft stehen sie in Zusammenhang mit der Einzigkeitspräsupposition/Unikalität. Des Weiteren lassen sie sich durch das Merkmal [+raum-zeit-konfiguriert] charakterisieren. Im Gegensatz dazu sind Indefinita [–raum-zeit-konfiguriert]. Überdies können sie auf zwei Lesarten hinweisen: die präsentative und die evaluative Lesart. Diese Lesarten sind nicht von der Syntax abhängig, sondern vielmehr von der lexikalischen Bedeutung der Kopfnomina. Im Chinesischen hängen alle drei Lesarten, die evaluative, die präsentative und die Rollen- und Funktionslesart stark von den lexikalischen Bedeutungen der Nomina und von denen der Klassifikatoren ab. Es wurde nachgewiesen, dass artikellose Nomina im Chinesischen weder inhärent klassendbildend, inhärent referentiell noch inhärent argumentfähig sind. Dieser Befund steht ganz klar gegen die These Nominal mapping Parameter von Chierchia (1998a, b). (F) Die artikelosen Nomina im Chinesischen sind nicht mit den Bare nouns im Deutschen vergleichbar. Bare nouns im Deutschen sind sehr spezifische Nomina, die keinen Plural kennen (Mehl, Tee, Tugend, Ehre), es sei denn sie werden umtypisiert (pluralisierbar etwa wie „0+Wasser/die (Ge)/Rasierwässer“) oder individuiert (wie „Vieh“/ „Viecher“). Im Chinesischen dagegen sind alle Nomina dieser Art, und sie werden erst durch die Sitzung eines Klassifikators zählbar pluralfähig. Letzteres gilt für die typischen deutschen Bare Nouns nicht: sie lassen sich nie pluralisieren es sei denn, sie wechseln vom Bare Nouns zum Zählnomen.
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Meng-Chen Lee: Determinatorphrasen im Deutschen und Chinesischen. 2020.
www.peterlang.com