Göttliche Gewalt im Buch Jesaja: Untersuchung zur Semantik und literarischen Funktion eines theologisch herausfordernden Aspekts im Gottesbild 9783737002158, 9783847102151, 9783847002154

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Göttliche Gewalt im Buch Jesaja: Untersuchung zur Semantik und literarischen Funktion eines theologisch herausfordernden Aspekts im Gottesbild
 9783737002158, 9783847102151, 9783847002154

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Bonner Biblische Beiträge

Band 170

herausgegeben von Ulrich Berges und Martin Ebner

Bernd Obermayer

Göttliche Gewalt im Buch Jesaja Untersuchung zur Semantik und literarischen Funktion eines theologisch herausfordernden Aspekts im Gottesbild

Mit 6 Abbildungen

V& R unipress Bonn University Press

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-8471-0215-1 ISBN 978-3-8470-0215-4 (E-Book) Veröffentlichungen der Bonn University Press erscheinen im Verlag V& R unipress GmbH. Ó 2014, V& R unipress in Göttingen / www.vr-unipress.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Printed in Germany. Druck und Bindung: a Hubert & Co, Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Thematische Hinführung: Gott und Gewalt – eine theologische Herausforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2. Gewalt im Spiegel der Forschungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Göttliche Gewalt als Forschungsgegenstand der Bibelwissenschaft. 2.2 Göttliche Gewalt in der Prophetie- und Jesajaforschung . . . . . .

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3. Hermeneutik und Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Ein kontextbezogener Zugang zur Gewalt . . . . . . . . . . . . . 3.2 Eine (biblische) Definition von Gewalt und Krieg? . . . . . . . . 3.3 (Kriegerische) Gottesbilder als Sprachbilder . . . . . . . . . . . 3.4 Zur alttestamentlichen Gewaltterminologie und Kriegssemantik 3.4.1 Kriegssemantik als methodischer Ausgangspunkt . . . . . 3.4.2 Gewalt als Reflexionsgegenstand biblischer Autoren . . . . 3.5 Gottheiten und Krieg – Gottheiten im Krieg . . . . . . . . . . .

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4. Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch . . . . . . . . 4.0 Kriegsgewalt im Jesajabuch – ein semantischer Überblick . . . . . 4.1 Jhwh als Kriegsherr, Assurs Gewalt gegen Israel und ihr Ende (Jes 1 – 12) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1 Grundstruktur der Teilkomposition . . . . . . . . . . . . . . 4.1.2 Gottes Recht gegen menschliches Kriegstreiben – Gewalt im Proömium zur Prophetenschrift (Jes 1,2 – 2,5) . . . . . . . . 4.1.3 Gott lässt Assur gegen das Unrecht in Jerusalem aufmarschieren (Jes 5,25 – 30) . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.4 Gewalt in der »Immanuelschrift« . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.5 Gott stachelt die Gegner Israels auf (Jes 9,7 – 11) . . . . . . . 4.1.6 Israels Unterdrücker wird zu Jhwhs Feind (Jes 10,5 – 34) . .

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Inhalt

4.1.7 Wenn sich Gewalt in Recht verwandelt (Jes 11 f.) . . . . . . . 4.2 Gottes Gewalt gegen die Völker und die gesamte Erde (Jes 13 – 27) 4.2.1 Grundstruktur der Teilkomposition . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2 Göttliche Gewalt im ersten Teil der Fremdvölkersprüche (Jes 13 – 20) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2.1 Gottes Feldzug gegen Babel und das universale Strafgericht (Jes 13) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2.2 Der göttliche Feldzug als rettende Gewalt (Jes 14,1 – 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2.3 Das Ende der babylonischen Gewalt wird weltweit bejubelt (Jes 14,4b–7) . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2.4 Jhwhs Ratschluss als Schlüssel zu den Völkerorakeln (Jes 14,24 – 27) . . . . . . . . . . . . . 4.2.2.5 Der göttliche Plan erreicht als erstes die Philister (Jes 14,28 – 32) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2.6 Jhwh verwandelt Moabs Klage zur Anklage (Jes 15 f.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2.7 Vom Sturz der Nachbarn zum Wehe über Feindvölker (Jes 17,1 – 14) . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2.8 Jhwh dezimiert als Winzer die kuschitische Kriegsmacht (Jes 18) . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2.9 Jhwh stürzt Ägypten in Bürgerkrieg und Fremdherrschaft (Jes 19) . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2.10 »Wie können wir gerettet werden?« (Jes 20) . . . . . 4.2.3 Göttliche Gewalt im zweiten Teil der Fremdvölkersprüche (Jes 21 – 23) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3.1 Der Wächter verkündet den Fall Babels und ihrer Götter (Jes 21) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3.2 Jerusalem teilt das Schicksal der Völker (Jes 22) . . 4.2.3.3 Der Sturz von Tyrus vollendet Jhwhs Plan über die Völkerwelt (Jes 23) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.4 Der göttliche Chaoskämpfer vollzieht das universale Strafgericht (Jes 24 – 27) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.4.1 Jhwh, Zerstörer der Welt und König am Zion (Jes 24) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.4.2 Gottes Gewalt und Schutz werden besungen (Jes 25) 4.2.4.3 Der göttliche Krieger im (Chaos)kampf gegen die Frevel (Jes 26,21 – 27,1) . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Der göttliche Krieger vollzieht den Bann in und an Edom (Jes 34). 4.3.1 Grundstruktur des Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

4.3.2 Gottes Gericht in und an Edom und der Rechtsstreit um Zion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Die göttliche Rettung Jerusalems vor der assyrischen Bedrohung (Jes 36 f.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.1 Grundstruktur der Kapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.2 Gegenbilder göttlicher Gewalt aus dem Mund der Feinde (Jes 36,4 – 10) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.3 Jhwh sorgt für die Rettung Jerusalems (Jes 37,36 – 38) . . . . 4.5 Das Exil und sein Ende – göttliche Gewalt in Deuterojesaja (Jes 40 – 55) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.1 Grundstruktur der Teilkomposition . . . . . . . . . . . . . . 4.5.2 Der Rückblick auf das Exil – göttlicher Zorn ergießt sich in Kriegsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.2.1 Das Exil als abgeleisteter Frondienst (Jes 40,2 f.) . . 4.5.2.2 Das Exil als göttliche Strafe anzuerkennen, macht Jakob/Israel bereit zum Zeugenamt (Jes 42,22 – 25) . 4.5.2.3 Jhwhs Bannweihe und Profanierung – das Exil unter kultischen Vorzeichen (Jes 43,26 – 28) . . . . . 4.5.2.4 Frau Zion und Gottes Zornesbecher (Jes 51,17 – 23) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.3 Das Ende des Exils – Kyros unter göttlichem Befehl und der Sturz Babylons . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.3.1 Jhwh erweckt Kyros und nimmt ihn in Dienst (Jes 41,2 f.25; 43,14) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.3.2 Der Sieg des persischen Messias erweist Jhwh als Urheber der ambivalenten Wirklichkeit (Jes 44,24 – 45,7) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.3.3 Der Zusammenbruch der babylonischen Götter und der Niedergang der Tochter Babel . . . . . . . . . . 4.6 Der Krieger Jhwh und seine Knechte – göttliche Gewalt in Tritojesaja (Jes 56 – 66) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6.1 Grundstruktur der Teilkomposition . . . . . . . . . . . . . . 4.6.2 Jhwh rüstet sich mit Gerechtigkeit und Heil zum Kampf (Jes 59,15b–18) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6.3 Der Keltertreter kehrt siegreich aus dem Kampf zurück (Jes 63,1 – 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6.4 Jhwh als Israels Feind – göttliche Gewalt im Volksklagelied (Jes 63,7 – 64,11) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6.5 Jhwh trennt mit Gewalt zwischen Knechten und Abtrünnigen (Jes 65) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

4.6.6 Jhwhs Stimme ertönt zum letzten Gericht (Jes 66,1 – 6) . . . 4.6.7 Jhwhs Weltgericht erzeugt einen bleibenden Erinnerungsort göttlicher Gewalt (Jes 66,14b–24) . . . . . . 5. Göttliche Gewalt im Buch Jesaja – Buchübergreifende Synthese und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Göttliche Gewalt und ihre Semantik . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Göttliche Gewalt und ihre literarische Inszenierung im Jesajabuch 5.3 Gott und Gewalt im Spiegel der Jesajatradition . . . . . . . . . . . 5.4 Kontinuität und Modifikation in der Darstellung göttlicher Gewalt – die Wechselbeziehung von Feind- und Gottesbild im Jesajabuch . 5.5 Göttliche Gewalt und ihre Hermeneutik . . . . . . . . . . . . . . .

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6. Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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7. Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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8. Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Vorwort

Die vorliegende Studie stellt die leicht überarbeitete Fassung meiner Dissertation dar, die von der Katholisch-Theologischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn im Sommersemester 2013 angenommen wurde. Mein erster Dank gilt meinem Doktorvater Prof. Dr. Ulrich Berges, der auf dem SBL International Meeting 2009 in Rom den ersten Anstoß für die Arbeit gab und mir im Entstehungsprozess stets mit Rat und Tat zur Seite gestanden ist. Prof. Dr. Heinz-Josef Fabry danke ich für die Übernahme des Korreferats sowie Prof. Dr. Martin Ebner und Prof. Dr. Ulrich Berges für die Aufnahme der Studie in die Reihe der Bonner Biblischen Beiträge. Ein ganz besonderer Dank geht an meine Eltern und meine Familie, die mich auf vielfältige Weise unterstützt haben und mich mit viel Verständnis, Hingabe und einem großen Herz auf meinem Lebensweg begleiten. »Das Leben gehört dem Lebendigen an, und wer lebt, muss auf Wechsel gefasst sein.« (Johann Wolfgang von Goethe, Wilhelm Meisters Lehrjahre)

1.

Thematische Hinführung: Gott und Gewalt – eine theologische Herausforderung

Die Diskussion um Gewalt und Krieg hat in den vergangenen Jahren spürbar an Fahrt aufgenommen. Was sich am Ausgang des 20. Jahrhunderts etwa vor dem Hintergrund der Balkankriege abzuzeichnen begann, trat spätestens seit dem 11. September 2001 offen zutage: Die Frage nach Gewalt spitzt sich immer stärker auf ihren Bezug zur Religion zu. Dies betrifft in erster Linie den Islam, doch stehen alle Religionsgemeinschaften im Verdacht, eigene Gewaltexzesse göttlich zu legitimieren. Zur Rechtfertigung dienen insbesondere die Heiligen Schriften, genauer jene Teile, in denen Gott zu Gewalt aufruft oder in denen er selbst Gewalt verübt. Die Hebräische Bibel (HB) bzw. das Alte Testament (AT) als erster Teil der christlichen Bibel steht unter dem Verdacht, besonders viele derartige Texte bereitzuhalten. Die gängigen Umgangsstrategien beschränken sich heute meist auf die Marginalisierung oder Ablehnung dieser atl bezeugten Form von Gottes-Rede. Sie zu übergehen, vermag das Problem aber nur zum Schein zu lösen: »Ignoring violence or even only condemning these texts in fact increases the danger. Violence and violent language must be acknowledged as a part of human existence. They can not be ignored. In order to be taken seriously […] we have to recognize the value this language may have in a given context.«1 Mit Blick auf die atl Exegese ist eine solche Auseinandersetzung aber noch nicht in ausreichendem Maße erfolgt. Weiterhin bildet die Frage nach gewalthaltigen Gottesbildern in der Theologie und speziell in der atl Exegese eine Randerscheinung. Immer mehr zeigt sich jedoch, dass der eigentliche Stein des Anstoßes nicht Gewalt per se, sondern die göttliche Gewalt bildet: »[T]hese texts of violence are […] theologically problematic in the Bible, not so much because they are violent, but because this is violence either in the name of or at hands of Yahweh.«2 Die Gewalt ist damit als ein zutiefst theologisches Problem anzusprechen. Dies gilt für die atl Exegese umso mehr, als gerade die Heiligen Schriften Altisraels eine Vielzahl an gewalthaltigen Texten bereithalten. 1 R. D. Haak, Mapping Violence, 29. 2 W. Brueggemann, Divine Presence, 11.

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Thematische Hinführung: Gott und Gewalt – eine theologische Herausforderung

In der biblischen Darstellung wird Gott auf vielfältige Weise schädigend aktiv : Jhwh macht krank,3 züchtigt (z. B. Jes 1,5 – 8), agiert als Brandstifter oder geht mit Kriegsgewalt gegen seine Feinde vor. Er schlägt, vernichtet und gießt seinen Zorn über die ganze Welt aus. Die vorliegende Studie widmet sich der auf Jhwh zurückgeführten Kriegsgewalt im Jesajabuch. Denn diese Prophetenschrift kann auch in Bezug auf die gewalthaltigen Gottesbilder als primus inter pares der atl Schriftprophetie gelten.4 Die Untersuchung erfolgt jedoch im Bewusstsein, dass damit weder das ganze göttliche Gewalthandeln abgedeckt, noch das jesajanische oder gar biblisch bezeugte Gottesbild hinreichend erfasst wird oder werden könnte. Jhwh ist der zornerfüllte Krieger (Jes 34,1 – 8) und der erbarmungslose Richter (Jes 9,16), aber gleichzeitig Israels Tröster (Jes 49,13; 51,12) und Retter (43,3). Die Untersuchung widmet sich somit lediglich einem Teilaspekt des Gottesbildes. Dazu umreißt der erste Teil knapp die biblische Gewaltforschung der letzten Jahre und gibt so einen Überblick über den aktuellen status quaestionis. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Prophetenforschung, die anhand einiger repräsentativer Publikationen beleuchtet wird. Daran schließt eine hermeneutische Grundlegung an, die bei der Untersuchung göttlicher Gewalt von besonderer Dringlichkeit ist. Im exegetischen Hauptteil wird daraufhin das Jesajabuch unter der Perspektive seiner gewalthaltigen Gottesbilder analysiert: Welche Terminologie und welche Motive werden dazu eingesetzt? In welchen Texten tritt Jhwh auf konzentrierte Weise als Gewalttäter in Erscheinung? Und welche literarischen Funktionen besitzt diese drastische Darstellungsweise innerhalb der gesamten Prophetenschrift und ihrer Teilkompositionen?

3 Dazu Z. Kustár, Krankheit und Heilung. 4 Vgl. A. Mello, L’eccesso, 95: »Isaia […] À il profeta che ci offre pi¾ spunti sul nostro tema.«

2.

Gewalt im Spiegel der Forschungsgeschichte

2.1

Göttliche Gewalt als Forschungsgegenstand der Bibelwissenschaft

Alttestamentliche Kriegstexte werden erst seit kurzer Zeit auf ihre theologischen Implikationen hin befragt. So verstand etwa Julius Wellhausen das Kriegslager als den Ursprungsort des Jhwh-Glaubens und sah darin keinen exegetischen Stein des Anstoßes: »Die vornehmste Äußerung des Lebens war damals und auf Jahrhunderte hinaus der Krieg. […] Der Krieg ist es, was die Völker macht; […] Der Krieg, die Wiege der Nation, war auch das älteste Heiligtum; da war Israel und da war Jahwe.«1 Wellhausens Umgang mit gewalthaltigen Aspekten im Gottesbild kann als repräsentativ für seine Zeit gelten.2 Bis weit ins 20. Jh. wurde der Gewaltaspekt biblischer Texte kaum problematisiert.3 Dies zeigt sich in Arbeiten zur biblischen Kriegstheologie aus der ersten Hälfte des Jahrhunderts4 und lässt sich auch noch bei Rudolf Smend5 oder in Gerhard von Rads6 einflussreicher Studie zum »Heiligen Krieg« feststellen. Erst nach und nach setzte sich in der Bibelwissenschaft ein kritisches Bewusstsein für die Implikationen und möglichen Auswirkungen solcher Texte durch. Besonders die traumatischen Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs und der Schoah führten zu einem markanten Wandel in Bewertung von und Umgang mit Gewalt. Die Diskussion umkreiste die Theodizee angesichts des unfassbaren Leids, von dem das jüdische Volk betroffen war. Dabei kam es auch zu kritischen Anfragen an biblische Gottesbilder.7 Marvin Sweeney zeichnet in seinem Buch 1 2 3 4

J. Wellhausen, Geschichte, 26. Vgl. A. Scherer, Kriegskonzepte. Einen Überblick bietet J. Kampmann, Gottesoffenbarung, 769. O. Eißfeldt, Krieg und Bibel; F. Schwally, Kriegsaltertümer ; H. Gunkel, Kriegsfrömmigkeit; R. Kittel, Krieg. Dazu ausführlich R. Schmitt, Krieg. 5 R. Smend, Jahwekrieg. 6 G. v. Rad, Krieg. 7 Pointiert D. R. Blumenthal, Abusing God. Der Reflexionsprozess fand auch im künstleri-

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Gewalt im Spiegel der Forschungsgeschichte

»Reading the Hebrew Bible after the Shoah« die Entwicklungslinien dieses Reflexionsprozesses nach.8 Er merkt zugleich an, dass der Holocaust im christlichen Diskurs eine weitaus geringere Rolle spielte als im Judentum und äußert als Exeget Bedauern darüber, dass dem biblischen Zeugnis kaum Relevanz beigemessen wird, »especially since the Bible is the foundational holy scripture of both Judaism and Christianity«9. In der deutschsprachigen Forschung gab Jürgen Ebach mit seinem Buch »Das Erbe der Gewalt« wichtige Impulse. Die Anfang der 1980er Jahre erschienene Monographie stellte sich erstmals ausführlich den gewalthaltigen Passagen der Bibel und ihrer Rezeption. Er legte damit die exegetischen Grundlagen für zahlreiche Studien zur Rezeption von Gewalttexten der christlichen Bibel.10 Das kulturanthropologische Konzept des Sündenbocks von Ren¦ Girard erwies sich zeitgleich als fruchtbares Erklärungsmodell für das Auftreten von Gewaltakten.11 Es stieß aufgrund von Raymund Schwagers12 systematischer und Norbert Lohfinks13 bibelwissenschaftlicher Adaption auf große Resonanz in der deutschsprachigen Theologie und Exegese.14 Allerdings blieb die Tragfähigkeit des Konzeptes, welches von einer kulturübergreifenden Gewaltdynamik und ihrer ritualisierten Ableitung ausgeht, nicht unhinterfragt: »Wenn etwas gegen die […] Theorie Girards spricht, so ist es der Gestus zeitloser Gültigkeit, mit dem sie das Alte Testament zu entrümpeln verspricht. Sie unterstellt unabänderliche Lebensumstände, die es in der Geschichte nicht gibt, und vergißt daher auch ihren eigenen historischen Index.«15 So erhebe Girard die Gewalt zu einer »Universalie der Kulturen«16, wodurch es zu einer Unterbewertung der kulturspezifischen Aspekte komme: »Was unter Gewalt zu verstehen ist, variiert je nach untersuchter historischer Situation und nach betrachtetem Kulturraum.«17 Die heutige Forschung betont infolgedessen stärker die kulturspezifischen Aspekte, die die Darstellung von Gewalt beeinflussen.

8 9 10 11 12 13 14 15 16 17

schen Bereich auf vielfältige Weise statt; vgl. etwa E. Wiesel, Trial of God; D. Milhaud, Ani Ma’amin. M. Sweeney, Bible; vgl. auch B. Krondorfer, Faith. Zur jüdischen Tradition des Streits um und mit Jhwh siehe A. Laytner, Arguing with God. M. Sweeney, Bible, 17. Vgl. besonders den Ansatz von E. L. Fackenheim, Bible; und kritisch dazu Ch. Boesel, Rupture. Differenzierte Analysen bieten A. Angenendt, Toleranz und Gewalt; K. Schreiner, Makkabäer. R. Girard, Gewalt. Siehe auch die Zusammenfassung von Girards Ansatz bei R. Miggelbrink, Zorn Gottes, 405 – 419. R. Schwager, Sündenbock. N. Lohfink, Fragen. Vgl. die zahlreichen Rekurse im Sammelband von N. Lohfink, Gewalt. W. Dietrich/Chr. Link, Die dunklen Seiten Gottes I, 83. Vgl. bes. B. Janowski, Sühne; U. Rüterswörden, Gewalt. So M. Zimmermann, Gewaltdarstellungen, 24. G. Baumann, Gottesbilder, 28.

Göttliche Gewalt als Forschungsgegenstand der Bibelwissenschaft

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Eine weitere Schlüsselpublikation aus dem exegetischen Bereich stellt Erich Zengers Studie zu den Feind- bzw. Rachepsalmen dar.18 Sie widmet sich einer Form des biblischen Betens, welche im Christentum lange Zeit in Vergessenheit geraten war bzw. weit(er)hin gemieden wird. Zenger kritisiert den eklektizistischen Umgang mit den Psalmen in der Katholischen Kirche,19 sowie das gängige Vorurteil, der »Gott der Rache« des AT stehe dem ntl »Gott der Liebe« diametral gegenüber.20 Daher stieß die Arbeit weit über den exegetischen Bereich hinaus auf große Resonanz. Explizit um göttliche Gewalt geht es in der Studie von Andreas Michel zur Gewalt gegen Kinder im Alten Testament.21 Die Arbeit gibt einen umfassenden Überblick über die Semantik göttlicher Gewalt.22 Nicht nur deshalb sind die Ergebnisse weit über den eigentlichen Untersuchungsgegenstand hinaus relevant:23 Zum einen wird der Nachweis erbracht, dass alle atl Autoren und Redaktoren bei bestimmten Gewaltverben das göttliche Subjekt gezielt vermieden haben.24 Der Grund liegt nur bei wenigen Wurzeln an »ihrer allzu großen Direktheit, Konkretheit oder Drastik«25. Häufig ist die Tatsache ausschlaggebend, dass mit ihnen menschliche Gewaltakte negativ bewertet werden: »YHWH kann nicht selbst als derjenige auftreten, der die wichtigsten […] Grundsätze des mitmenschlichen Ethos verletzt.«26 Zum anderen stellt A. Michel text- und überlieferungsgeschichtliche Abweichungen in der Präsentation göttlicher Gewalt fest.27 Hier kommt er zum Ergebnis, »dass die Gewaltkomponente von den Übersetzern als umso kritischer empfunden wurde, je eher ein göttlicher Akteur hinter den Gewalttaten stand« und dass dies »weniger an der Opfergruppe ›Kind‹ 18 E. Zenger, Gott der Rache. 19 Vgl. ebd., 43 – 55. Scharf kritisiert auch N. Lohfink, »Gewalt« als Thema, 16 die »Beschneidung« dieser Psalmen zum liturgischen Gebrauch in der Katholischen Kirche: »Ob man sich im klaren war, wessen Forderungen man da letztlich entgegenkam, mag offen bleiben. Doch daß das seit Markion virulente Problem der im Alten Testament offen hervortretenden Gewaltthematik auch heute immer noch da ist wie eh und je, das hat diese historisch unerhörte Operation einer kirchlichen Autorität gezeigt.« 20 Für einen Überblick über derartige Positionen im exegetischen Bereich siehe E. Zenger, Gott der Rache, 26 – 41. 21 A. Michel, Gewalt. 22 Siehe ebd., 66 – 114. 23 Ebd., 29 benennt die »Rekonstruktion des Gottesbildes« als wichtige »Zielfrage über allen Texten« und betont die theologischen Bezugspunkte der untersuchten Gewalttexte: »Sie tragen zum alttestamentlichen Verständnis ›Gottes‹ etwas bei, selbst dann, wenn moderne Kritiker diesen Beitrag zur Gottesfrage Gott gegenüber eher für abträglich halten mögen.« 24 Vgl. ebd., 106 – 114. 25 Ebd., 111; dies gilt insbesondere für vjr (»zerschmettern«), [qb (»aufschlitzen«), lgv (»vergewaltigen«) oder @rf (»verbrennen«). 26 Ebd., 112. Er verweist dabei auf Lev 5,21 f.; 19,11 – 14 und Ex 20,13 – 17 par. Dtn 5,17 – 21 sowie Hos 4,2. 27 Ebd., 142 – 160.

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Gewalt im Spiegel der Forschungsgeschichte

[…] gelegen haben wird als am Täterprofil, an ›Gott‹«28. Göttliche Gewalt bildet also bereits innerbiblisch – und nicht erst in jüngster Zeit – ein theologisch hochbrisantes Thema. Trotz der zahlreichen differenzierten Studien zu den theoretischen Grundlagen (göttlicher) Gewalt wurde den theologischen Aspekten bislang kaum Beachtung zuteil. So wird etwa in Biblischen Theologien den »dunklen Seiten Gottes«29 bis heute kein signifikanter Stellenwert beigemessen. Eine Ausnahme bildet das Modell von Walter Brueggemann.30 Er bezieht Jhwhs ambivalenten Charakter im alttestamentlichen Zeugnis als konzeptionellen Bezugspunkt ein und stellt sich der gewalthaltigen Rede von Gott als Teil des von ihm »countertestimony« genannten Aspekts der biblischen Offenbarung:31 »while these texts are commonly disregarded in […] theology they are important data for our understanding of who Yahweh is said to be.«32 Einen umfassenden Entwurf für eine Hermeneutik biblischer Gewalttexte hat jüngst Gerlinde Baumann vorgelegt. Sie konzentriert sich auf die theologischen Aspekte des Themas. Ihr methodisches Konzept, um »Gottesbilder der Gewalt im Alten Testament verstehen« zu können, bemüht sich einerseits um die diachrone Einordnung der Texte, indem sie gewalthaltige Motive u. a. religionshistorisch im altorientalischen Vorstellungshorizont zu verorten versucht.33 Andererseits legt Baumann besonderes Gewicht auf die Suche nach innerbiblischen »Korrekturen oder Relativierungen durch andere Gottesbilder oder Vorstellungen«34. Als Charakteristikum des alttestamentlichen Gewaltdiskurses konstatiert sie, »daß sich in den meisten Texten nicht ein einziges, eindimensionales Gottesbild finden läßt, sondern meist Gottesbilder ›im Plural‹, die zueinander in Spannung stehen«35. Die Gründe hierfür ortet sie im Umgang biblischer Redaktoren und Kompositoren mit den ihnen vorgegebenen Texten: »Die Bearbeitungstechnik ist eher eine solche, die den Wahrheiten der Vergangenheit neue Gedanken und Erkenntnisse an die Seite stellt.«36 Baumanns hermeneutisches Fingerspitzengefühl ist für alle künftigen Arbeiten richtungsweisend. Dies gilt insbesondere für den Anspruch, gewalthaltige Gottesbilder nicht »wie ›Stolpersteine‹ aus dem Weg zu räumen«, sondern sie »einerseits kritisch anzufragen, sie andererseits aber als Potential zu begrei28 29 30 31 32 33

Ebd., 159. So die Terminologie bei W. Dietrich/Chr. Link, Die dunklen Seiten Gottes. W. Brueggemann, Theology. Kritik an diesem hermeneutischen Konzept übt R. Scoralick, Gottes Zorn, 71 f. W. Brueggemann, Theology, 359. Vgl. G. Baumann, Gottesbilder, 79 – 83. Einen ähnlichen Ansatz vertreten W. Dietrich/Chr. Link, Die dunklen Seiten Gottes I, 16. 34 G. Baumann, Gottesbilder, 82. 35 Ebd., 156. 36 Ebd. Vgl. auch W. Brueggemann, Texts, 30 f.

Göttliche Gewalt als Forschungsgegenstand der Bibelwissenschaft

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fen«37. Auf der einen Seite darf den biblisch bezeugten Gewaltbildern von Jhwh nicht aus dem Weg gegangen werden, da sich so die Gefahr einer unreflektierten Adaption eher erhöht als abschwächt. Auf der anderen Seite darf die Auslegung aber nicht mit dem Anspruch auftreten, diese Form biblischer Rede von Gott hinreichend und endgültig erklären zu können. Die biblisch bezeugten Gottesbilder der Gewalt waren, sind und bleiben theologische Anfragen! Als Desiderate zur weiteren Erforschung benennt G. Baumann daher »das Gewaltverständnis im Alten Testament […] noch stärker zu erforschen« und »innerhalb einzelner biblischer Traditionen nach Linien der Gewaltbearbeitung zu suchen«38. Göttliche Gewalt wird in der Forschung vor allem dann zum Thema gemacht, wenn bestimmte Personen(gruppen) als Opfer betroffen sind. Intensiv wurden Texte und Motive bearbeitet, die von Gewaltakten an weiblichen Erzählfiguren zeugen.39 Die Verdienste der biblischen Frauen- und Geschlechterforschung sind besonders hervorzuheben, da es ihrem kritischen Blick auf textinhärente Machtstrukturen zu verdanken ist, dass die Bibelwissenschaft eine Sensibilität gegenüber dem Thema entwickelt hat.40 Zahlreiche Studien widmen sich der Darstellung von Gewalt an Frauen sowie dem Einsatz weiblicher Metaphorik in poetischen Gewaltinszenierungen (z. B. Geburtsmetaphorik zur Beschreibung von extremen Krisensituationen41). Theologisch besonders relevant sind Texte, in denen Jhwh als Ehe-»Herr« (l[b) gegen sein als Ehefrau personifiziertes Volk vorgeht.42 Das Jesajabuch stellt hinsichtlich genderspezifischer Gewalt einen ertragreichen Untersuchungsgegenstand dar (z. B. Jes 13,7.16; 19,16; 26,17 f.; 37,3; 42,13 f.). Es ist auch unter diesem Blickwinkel als ein »Buch weiblicher Metaphern«43 anzusprechen.44 Die Frage nach göttlicher Gewalt trat besonders auch in der Diskussion um

37 G. Baumann, Gottesbilder, 13. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt O. Fuchs, Hermeneutik der Gewalt, 174: »Glatte Antworten sind […] nicht zu finden, sondern allenfalls Spuren für eine konstruktive Hermeneutik mit biblischen Gewalttexten.« 38 G. Baumann, Gottesbilder, 159. 39 Grundlegend P. Trible, Texts of Terror; H. Schüngel-Straumann, Gott; vgl. S. Eder, Macht; C. Rakel, Judith. 40 So auch W. Brueggemann, Voice, 24; D. Carr, Unity, 75 – 78. 41 Dazu C. D. Bergmann, Childbirth. 42 Vgl. u. a. Y. Sherwood, Prostitute; G. Baumann, Liebe und Gewalt; dies., Gottesbilder, 110 – 126; M. Shields, Circumscribing; C. Meyers, Rape or Ramedy. Einen breiten Überblick über den Einsatz weiblicher Metaphorik in der prophetischen Rede vom Krieg gibt B. E. Kelle, Wartime Rhetoric. 43 So I. Fischer, Jesaja. 44 Vgl. besonders H. Løland, Salient Gender ; U. Sals, Biographie, 275 – 330; C. R. Chapman, Gendered Language; D. Carr, Unity, 78 – 85; J. F. A. Sawyer, Daughter of Zion, 99 – 104; J. Schmitt, City ; K. Pfisterer Darr, Warrior ; Dies., No Strength.

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Jan Assmanns These der »Mosaischen Unterscheidung« zutage.45 Die im Monotheismus virulente – und nach Assmann zwingend gewaltstiftende – Dichotomie von wahrer und falscher Religion sei das entscheidende Moment für Gewaltexzesse im Namen Gottes.46 Es geht nicht um die religionshistorische Entwicklung des Monotheismus, sondern die narrative Inszenierung seiner Ursprünge:47 »Der Monotheismus erzählt die Geschichte seiner Durchsetzung als eine Geschichte der Gewalt in einer Serie von Massakern.«48 Diese These löste in der atl Wissenschaft eine lebhaft geführte Diskussion aus.49 So wurde auf das enorme Gewaltpotential polytheistischer Kulturen der Antike verwiesen,50 welches durch literarische Zeugnisse auch erinnerungsgeschichtlich nachweisbar ist.51 Zudem lässt sich »mit dem Aufkommen des selbstreflexiven Monotheismus eine sukzessive Zunahme an gewaltkritischen, ja sogar Gewalt überwinden wollenden Stimmen beobachten, deren Auslöser das monotheistische Wahrheitskonzept selbst ist«, gleichwohl es »auch in der Spätzeit [des Alten Testaments] […] massiv gewaltimprägnierte Texte«52 gibt. Hans Kippenberg kommt in seiner komparativen Studie über religiöse Gewaltdynamiken zum Schluss, dass sich zwischen Monotheismus und Gewalt kein zwingender Zusammenhang nachweisen lässt: »Er ist weder notwendig, noch ist er unmöglich. Er hängt von der Situation ab, in der eine religiöse Gemeinschaft sich befindet«53. Aus Sicht der atl Wissenschaft ist auf weitere Differenzierungen54 zu verweisen: Die Verbindung ist auch vom Kontext abhängig, in der eine religiöse Gemeinschaft ihre Heiligen Schriften schreibt, sie in ihre kanonische Form gießt und zur Deutung aktueller Gewaltphänomene rezipiert. Krieg und militärische Gewalt stellen einen wichtigen Teilaspekt der atl Tradition dar, dem sich die biblische Gewaltforschung seit längerer Zeit widmet.55 Deren Bezüge zum alttestamentlichen Gottesbild wurden vor allem von der anglophonen Exegese kritisch betrachtet. Schon 1978 publiziert Peter C. Craigie eine kleine Studie, in der er Krieg primär als ein »problem of God« ansprach und

45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55

Siehe J. Assmann, Unterscheidung. So auch R. M. Schwartz, Curse. Vgl. J. Assmann, Monotheismus, 18 – 25. Ders., Moses, 49. Siehe z. B. N. Lohfink, Gewalt und Monotheismus; E. Zenger, Gewalt; Ders., Monotheismus; R. Albertz, Monotheism. Gegenargumente aus anderen Disziplinen finden sich zusammengefasst bei H. G. Kippenberg, Gewalt, 17 – 23. Vgl. E. Zenger, Gewalt, 39 f. Für den neuassyrischen Bereich siehe O. Bustenay, War. E. Zenger, Gewalt, 41. Vgl. auch R. Albertz, Monotheism, 385. H. G. Kippenberg, Gewalt, 22. In der Replik auf die Kritik an seiner These hat mittlerweile auch Jan Assmann seine Position differenziert; vgl. J. Assmann, Gewalt. Vgl. T. R. Hobbs, Warfare; sowie jüngst Ch. Trimm, Research.

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somit als ein »theological problem«56 auffasst. Die Reflexion über militärische Gottesbilder wurde kurz darauf von Millard C. Lind mit dem Schwerpunkt auf narrative Texte weitergeführt.57 Die erste und bislang einzige deutschsprachige Einzelstudie, die sich speziell mit dem kriegerischen Gottesbild auseinandergesetzt hat, stammt von H. Fredriksson aus dem Jahre 1945.58 Er liefert eine erste Bestandsaufnahme des relevanten Textmaterials und unterscheidet bereits mehrere Facetten im Gottesbild (Heerführer/Einzelkämpfer; Jhwh als Stammes-, Natur- und Landesgott), selbst wenn diese Differenzierungen auf Prämissen basieren, die nicht mehr dem aktuellen Stand der Forschung entsprechen. Kurz darauf erschien Gerhard von Rads epochemachende Studie zum »Heiligen Krieg im Alten Testament«59. Darin deduzierte er aus den biblischen Kriegstexten das Schema eines »heiligen Krieges«. Dieser Begriff blieb in der atl Exegese jedoch heftig umstritten60, da er keinen atl Sprachgebrauch widerspiegelt und zudem missverständliche Assoziationen hervorruft. Auch dem Konzept an sich, das in der atl Forschung stark rezipiert wurde,61 ist häufig widersprochen worden.62 Denn die durch G. von Rad herausgearbeiteten Elemente bilden nach M. Weippert alles andere als ein specificum israeliticum: »In Wirklichkeit reden wir hier von gemeinaltorientalischer, ja gemeinantiker Kriegspraxis und -ideologie.«63 Infolgedessen ging die neuere Forschung vermehrt dazu über, die atl Kriegstexte vor dem Hintergrund altorientalischer Parallelen zu beleuchten.64 Dies gilt sowohl für ihre historische Einordnung im Kontext der altorientalischen Machtpolitik65 als auch in Bezug auf die literarische Deutung unter religiösen Vorzeichen.66 S. M. Kang war eine der ersten, die kriegerische Gottesbilder aus atl Erzähltexten vor dem Hintergrund des altorientalischen Vorstellungshorizontes untersuchte und die Ursprünge dieser biblischen Tradition in der Königszeit verortete.67 Die neuere atl Kriegsforschung konnte herausarbeiten, dass sich die biblische Rede 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67

P. C. Craigie, Problem of War, 11; vgl. ebd., 94 – 97. M. C. Lind, Yahweh. H. Fredriksson, Jahwe als Krieger. Siehe G. v. Rad, Krieg. Vgl. E. Otto, Krieg, 97. Vgl. Chr. Batsch, Guerre, 23: »On ne trouverait pas dans toute la litt¦rature scientifique contemporaine, depuis la seconde guerre mondiale, d’¦tude ou d’article traitant de la guerre dans l’IsraÚl ancien sans se r¦f¦rer, d’une faÅon ou d’une autre, — la ›guerre sainte‹.« Vgl. etwa ebd., 23 – 39; F. Stolz, Kriege, 9 – 16; S. Niditch War, 40 f.; M. Weippert, Heiliger Krieg; hingegen sprechen I. Finkelstein/N. A. Silberman, David, 174 u. ö. neuerdings wieder von der »Doktrin eines heiligen Krieges« (ebd., 180). M. Weippert, Heiliger Krieg, 291. So etwa E. Otto, Krieg. Dazu ausführlich B. E. Kelle, War. K. L. Younger, Conquest; D. G. Reid/T. Longman III., Warrior. S. M. Kang, War.

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vom Krieg über die gesamte Zeit der Textgenese hinweg weiterentwickelte. Dabei entstand eine große Vielfalt an atl Kriegskonzeptionen. So spricht die HB nicht in all ihren Teilen und Texten und auch nicht auf ein und dieselbe Art und Weise über kriegerische Auseinandersetzungen. Sie hat auch keine einheitliche Kriegsideologie ausgebildet.68 Die Arbeiten von Susan Niditch69 und John A. Wood70 erbrachten den Nachweis, dass die Texte unterschiedliche Kriegskonzeptionen widerspiegeln und dabei einen Einblick in die Verhältnisbestimmung verschiedener soziokultureller Parameter gewähren: »Attitudes towards war are a cultural map of sorts, war being a world in itself in which relationships between life and death, god and human, one’s own group and the other, men and women are put in bold relief.«71 Atl Kriegstexte spiegeln zahlreiche sozial- und kulturgeschichtlich bedeutende Faktoren wider und geben darüber hinaus Aufschluss über den Stellenwert, der Gottheiten im Rahmen militärischer Auseinandersetzungen zugestanden wird. Der Durchgang durch die Forschungsgeschichte zeigt, dass die Impulse zur Erforschung gewalthaltiger und kriegerischer Gottesbilder nicht ausschließlich – und nicht einmal hauptsächlich – von Theologie oder Bibelwissenschaft ausgegangen sind. Durch Anfragen aus nichtkirchlichen Kreisen,72 aber auch aus dem innerkirchlichen Bereich73 ist Gewalt zu einem drängenden, weil lange vernachlässigten Thema geworden. Die exegetische Bearbeitung trägt meist bibeltheologische Züge und findet vorwiegend unter gesamtbiblischem Horizont statt.74 Der hermeneutische und methodische Reflexionsstand wurde dadurch erheblich erhöht. Bezüglich der Textauswahl lassen sich aber deutliche Schwerpunktsetzungen zugunsten narrativer Passagen ausmachen.75 Spitzenreiter sind die Exoduserzählung76 und die Kriegstexte der Landnahme77. Ähn68 69 70 71 72 73

74 75 76 77

Dazu bereits B. Obermayer, Art. Krieg. S. Niditch, War. J. A. Wood, Perspectives. S. Niditch, War, 13. So etwa T. Moser, Gottesvergiftung; F. Buggle, Denn sie wissen nicht. Vgl. O. Fuchs, Hermeneutik der Gewalt, 174: »Dass dieses Problem bereits seine religionspädagogischen und pastoralen Kreise zieht, das erzählen mittlerweile viele Hauptamtliche in Schule und Pastoral.« Das ausgewogene Verhältnis einer Rede vom »lieben« und »bösen« Gott beleuchtet aus religionspädagogischer Sicht F. Schweitzer, Kinder. Vgl. auch S. Krahe, Kinder. So etwa bei R. Miggelbrink, Der zornige Gott; St.-K. Krieger, Gewalt; A. Wénin, Bible. Vgl. die Betonung des bibeltheologischen Aspektes der Fragestellung bei M. Lang, Gott und Gewalt, 16. M. C. Lind, Yahweh; I. Gabriel, Friede; A. Ruffing, Jahwekrieg; A. Siedlecki, Warfare; M. McEntire, Blood, 17 – 126; A. van der Deijl, Protest. Vgl. etwa Th. B. Dozeman, God at War. Zuletzt R. Schmitt, Krieg; W. Brueggemann, Divine Presence; Th. Römer, Violence; L. L. Rowlett, Joshua; J. Cazeaux, Guerre sainte.

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liches gilt für die »Feind- bzw. Rachepsalmen«78 oder Rechtsbestimmungen wie die lex talionis79 (Ex 21,22 – 26; Lev 24,19 – 22; Dtn 19,21) bzw. die dtr Kriegsgesetze80 (Dtn 20; 21,10 – 14; 23,10 – 15). Bezüglich einer differenzierten exegetischen Auseinandersetzung ist für viele biblische Schriften aber dem Urteil von A. Michel beizupflichten: »Dass die Fragestellung […] breite Akzeptanz gefunden hätte, wird man […] nicht konstatieren können.«81 Dies trifft besonders auf die Schriftprophetie zu, die sowohl in der Gewalt- als auch in der Kriegsforschung einen wenig bearbeiteten Kanonteil darstellt.82 Das mag umso mehr erstaunen, als das Corpus propheticum häufig von göttlichen Gewalttaten spricht und diese in verschiedensten Facetten und theologischen Akzentsetzungen zur Darstellung bringt. Das Hauptaugenmerk der Forschung liegt auf Texten, die der prophetischen Sozialkritik zuzuordnen sind (z. B. Jes 1,21 – 26; Mi 3,9 – 12).83 M. Nissinen konstatiert, »dass die neuere Forschung den sozialkritischen Aspekt […] aus ihrem eigenen Gegenwartsinteresse heraus mit solchem Nachdruck hervorgehoben hat, dass dadurch manche anderen Aspekte in den Schatten gestellt worden sind«84. Starkes Interesse zogen auch Texte auf sich, die für eine Überwindung der Gewalt plädieren (z. B. Jes 2,2 – 5; 11,1 – 10; Hos 11,1 – 11; 14,2 – 9).85 Damit kommt es jedoch »zu einer tendenziell einseitigen Darstellung […], denn es wird […] außer Acht gelassen, dass gerade die prophetischen Bücher nicht selten […] unheilbringend von Gott sprechen und dies sowohl im Blick auf Israel als auch im Blick auf die fremden Völker«86.

78 E. Zenger, Gott der Rache; M. Klingbeil, Yahweh; F.-L. Hossfeld, Strafgericht; M. Z. Brettler, Images. 79 Vgl. Chr. Gertz, Regulierung; E. Otto, Talion; L. Schwienhorst-Schönberger, »Auge um Auge«. 80 Vgl. A. Rofé, Laws of Warfare; N. Lohfink, Kriegsorakel; J. L. Wright, Warfare; U. Bechmann, Frau. 81 A. Michel, Gewalt, 2; gegen W. Dietrich/M. Mayordomo, Gewalt, 10. 82 So die kursorische Behandlung prophetischer Passagen bei M. McEntire, Blood, 129 – 159; vgl. auch G. Baumann, Gottesbilder, 84 – 99, die als Beispiel für kriegerische Gewalt die Eroberungskriege der Landnahme heranzieht. 83 Vgl. etwa W. Dietrich/Chr. Link, Die dunklen Seiten Gottes I, 30 – 33; W. J. Houston, Justice, 52 – 98; paradigmatisch hierfür auch die zusammenfassenden Thesen bei R. Miggelbrink, Zorn Gottes, 109 – 111. 84 M. Nissinen, Potential, 31. 85 So bei M. McEntire, Blood, 129 – 159; W. Dietrich/Chr. Link, Die dunklen Seiten Gottes I, 35 f.; T. Kamionkowski, Problem; E. Otto, Krieg, 77 – 86. Zur kriegseindämmenden und -verhindernden Funktion prophetischer Erzählfiguren, die zum Bedauern des Autors in der Forschung »nicht als tragende Elemente der Botschaft und des Wirkens der Propheten« gelten, siehe O. Bächli, Verhinderung (Zitat: ebd., 296). 86 K. Borck, Texte, 48. Vgl. auch Y. Sherwood, Tongue-Lashing, 94.

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2.2

Gewalt im Spiegel der Forschungsgeschichte

Göttliche Gewalt in der Prophetie- und Jesajaforschung

Die Prophetieforschung bringt dem Gewaltaspekt bislang kaum exegetisches Interesse entgegen.87 Dies gilt besonders für deren theologische Implikationen, obwohl »in der […] poetischen Rede zu und mit YHWH anders, deutlicher, schärfer von ›Gott‹ geredet werden kann als in dem YHWHs Handeln beschreibenden und erzählenden Duktus der geschichtlichen Bücher«88. Eine Ausnahme in der Kommentarliteratur bildet der Nahum-Kommentar von Heinz-Josef Fabry, der den Motiven »Gott als Krieger« und »Gott als Vergewaltiger«89 sogar zwei eigene Kapitel widmet. In Studien zu relevanten Abschnitten oder Gattungen, wie zu Visionen vom90hwhy ~wy oder den Fremdvölkersprüchen91 (z. B. Jes 13 – 23; Jer 46 – 51; Ez 25 – 32), stehen derartige Gottesbilder ebenfalls zur Diskussion. Bestimmend sind aber meist andere Leitfragen: Gattungskritik oder redaktionsgeschichtliche Rekonstruktionen lassen theologische Fragestellungen – wie die nach der literarischen Funktion solcher Gewaltschilderungen – in den Hintergrund treten. Aus den Arbeiten zur Schriftprophetie sei auf Gerlinde Baumanns Studie zum Beginn des Nahumbuches verwiesen, in der sie intertextuell und traditionsgeschichtlich nach gewaltrelevanten Bearbeitungsspuren im Gottesbild fragt.92 Martin Lang wählt den Aspekt, um das Verhältnis zwischen göttlicher und menschlicher Pragmatik bei Amos zu bestimmen.93 Ruth Scoralick widmet sich den intertextuellen Bezügen im Zwölfprophetenbuch zur sog. »Gnadenformel«94 (Ex 34,6 f.; z. B. Jorl 2,13; Jona 4,2).95 Andreas Kunz untersucht den Einsatz von Kriegs- und Friedensvisionen in der Spätzeit der Prophetie am Beispiel von Sacharja.96 Der jüngst erschienene Sammelband »Aesthetics of Violence in the Prophets« gibt einen Einblick in die aktuelle anglophone Exegese. Dort reichen die methodischen Zugänge von ikonographischen Vergleichen97, über Anleihen 87 Auf die fehlende Sensibilität im Umgang mit prophetischen Texten und deren Konsequenzen verweist K. Borck, Texte, 48. 88 A. Michel, Gewalt, 157. 89 Vgl. H.-J. Fabry, Nah, 108 – 111. 90 Zum Jhwh-Tag siehe J. Jeremias, Zorn Gottes, 112 – 120; R. Rendtorff, Day ; M. Beck, Tag YHWHs; H.-P. Schwesig, Rolle; M. Beck, Verständnis; D. E. Fleming, Day. 91 Zu den Fremdvölkersprüchen zuletzt C. Fischer, Fremdvölkersprüche; B. M. Zapff, Schriftgelehrte Prophetie; B. Gosse, Isae 13,1 – 14,23; R. Lessing, Interpreting Discontinuity ; M. Høyland Lavik, People. 92 G. Baumann, Gottes Gewalt. Siehe auch Dies., Gottesbilder, 126 – 138. 93 M. Lang, Gott und Gewalt. 94 Diese traditionelle Bezeichnung ist irreführend und sollte sachgemäßer als »Gnaden- und Zornesformel« bezeichnet werden; vgl. hierzu U. Berges, Zorn Gottes. 95 Vgl. R. Scoralick, Gottes Zorn, 131 – 203. 96 A. Kunz, Zions Weg; Ders., Ablehnung des Krieges. 97 C. R. Chapman, Sculptured Warriors.

Göttliche Gewalt in der Prophetie- und Jesajaforschung

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bei der Traumaforschung98 bis hin zur Adaption filmtheoretischer Ansätze.99 Die Beiträge arbeiten überwiegend auf rezeptionsästhetischer Ebene und treffen sich im Bemühen, die ethische Engführung zu überwinden, die in der »simplistic question of ›is prophetic violence good or bad?‹«100 ihren Ausdruck findet. Dabei mag es Zufall sein, dass in diesem Panorama prophetischer Gewaltforschung dem Buch Jesaja kein eigener Beitrag gewidmet ist. Und doch scheint diesem Befund ein durchaus repräsentativer Charakter zuzukommen. Denn die Jesajaforschung hat bislang kaum zu gewalthaltigen oder kriegerischen Gottesbildern gearbeitet. Aus dem Bereich jener neueren Studien, die das Jesajabuch als literarische Einheit in den Blick nehmen, ist Göran Eidevalls Monographie zu Feindbildern hervorzuheben.101 Sie zeigt nicht nur dass, sondern auch auf welche Weise Israels Gegner zu Gottesfeinden stilisiert werden (z. B. durch de-humanisierende Darstellung). Ob Großmächte wie Babylon, kleine Nachbarstaaten wie Edom oder die innerisraelitische Gegnerschaft: alle Widersacher werden letztlich zu Jhwhs Antagonisten stilisiert. Das Feindbild wird dabei aufs Engste mit der Darstellung Gottes verbunden: Der Konnex von Feind- und Gottesbildern entspricht einem theologischen Balanceakt.102 »[I]mages portraying the enemies as powerful agents, capable of challenging YHWH, had to be balanced by a rhetorical strategy that downplayed the autonomy of the adversaries.«103 Der Konnex von Feind- und Gottesbild bleibt für G. Eidevall unter diachroner Perspektive konstant: »According to the authors and editors […], their deity was, first and foremost, a fierce enemy of every enemy who dared to threaten Zion.«104 Es bleibt jedoch weitgehend offen, inwiefern sich in der Inszenierung diachrone Konstanten und Veränderungen ergeben. Denn redaktions- und kompositionsgeschichtliche Aspekte bilden keine heuristischen Leitkategorien der Studie. Eidevalls Beobachtungen sind in diese Richtung weiterzuverfolgen. Mit Krankheit und Heilung rückt Zolt‚n Kust‚r zwei wichtige, aber selten beachtete Facette göttlicher Gewalt in den Mittelpunkt seiner Studie zum Jesajabuch.105 Wie im gesamten Alten Orient wird auch im AT Krankheit als Gewalthandeln Gottes interpretiert und »mit dem Zorn beziehungsweise der Strafe 98 99 100 101

102 103 104 105

K. M. O’Connor, Reclaiming Jeremiah’s Violence. J. M. O’Brien, Violent Pictures. J. M. O’Brien/Chr. Franke, Introduction, x. Vgl. G. Eidevall, Prophecy and Propaganda. In eine ähnliche Richtung geht M. De Jong, Isaiah, 191 – 285, der dazu die ältesten Straten des Jesajabuches mit assyrischen Orakeln aus dem 8./7. Jh. v. Chr. vergleicht. Zur älteren ideologiekritischen Forschung siehe den Überblick bei U. Berges, Buch, 38 – 41. Vgl. analoge Beobachtungen für die sog. Assur-Redaktion bei M. De Jong, Isaiah, 382 f. G. Eidevall, Prophecy and Propaganda, 203. Ebd., 186; zu diesen Veränderungen siehe zusammenfassend auch ebd., 190 – 194. Z. Kustár, Krankheit und Heilung.

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Gewalt im Spiegel der Forschungsgeschichte

der Götter […] in Verbindung«106 gebracht. Kust‚r arbeitet zwar die theologischen Konzepte hinter der Erwähnung von Krankheit und Heilung durch Jhwh auf (v. a. Jes 1,4 – 8*; 6,10b; 38; 52,13 – 53,12), ist jedoch weniger an den Gottesbildern selbst interessiert. Seine Fragestellung zielt auf das redaktionsgeschichtliche Wachstum der Prophetenschrift.107 Eine Schlüsselrolle kommt nach Kust‚r der Aufnahme des Motivs im Jesajaprolog zu (Jes 1,4 – 8*). Auf den Text rekurrierten die Redaktoren »und fanden dabei die Motive ›Krankheit‹ und ›Züchtigung‹ als geeignete Metaphern vor, um das erweiterte Jesaja-Buch mit einer redaktionellen Klammer zu umschließen«108. Die These regt zum Weiterdenken an: In welcher Hinsicht waren gerade diese Metaphern göttlichen Gewalthandelns zur redaktionellen Fortschreibung geeignet? Sind »Krankheit« und »Züchtigung« zwei Aspekte des für die Redaktion eigentlich entscheidenden Gottesbildes »Jhwh als Gewalttäter« anzusehen? Welche theologischen Konsequenzen ergeben sich aus dem »Nach-, Mit- und Fortdenken der früheren Krankheits-Texte«109 für die Rede vom gewalttätigen Gott im Jesajabuch? Eine weitere Sphäre, die im AT in enger Verbindung mit göttlichem Gewalthandeln steht, ist der Bereich von Recht und Gerechtigkeit. Damit setzt sich die lexematisch orientierte Studie von Thomas L. Leclerc auseinander.110 Durch die synchrone wie diachrone Analyse der jpv(m)-Belege weist er im Durchgang durch Jes 1 – 66 den veränderlichen Charakter der Vorstellung nach, denn »justice is not a timeless, transcendent, or immutable concept but is inseparably tied to the social conditions of particular communities in specific circumstances«111. Der Gewaltaspekt kommt in der Studie insofern zum Tragen, als Jhwh seine Gerechtigkeit häufig mit gewaltsamen Mitteln durchsetzt. Die Rechtssphäre bildet jedoch nur einen Horizont göttlicher Gewaltakte.112 Denn nicht an allen Stellen interveniert Jhwh zum Erhalt oder zur Durchsetzung von Gerechtigkeit. In den Fremdvölkersprüchen (Jes 13 – 23) etwa findet sich mit Ausnahme von 16,5 kein jpv-Beleg, obwohl gerade auch dieser Buchteil von gewalthaltigen Gottesbildern geprägt ist. In der Forschung zum Deuterojesajabuch wird die Diskussion um die Gewalt vor allem an zwei Textbereichen festgemacht: Einerseits wird im sog. KyrosOrakel (Jes 44,24 – 45,8) der persische Herrscher als Jhwhs kriegerisches In106 L. Ruppert, Klagelieder, 141. Zur theologischen Deutung von Krankheit im Alten Orient siehe H. Scheyhing, Krankheitstheorie. 107 Vgl. Z. Kustár, Krankheit und Heilung, 27 – 29. 108 Ebd., 226. 109 Ebd., 225. 110 T. L. Leclerc, Justice. 111 Ebd., 178. 112 Vgl. ebd., 166: »central concerns of the book: proper judging (*spt), divine sovereignty (*mlk), and salvation (*ys’).« In allen drei Bereichen spielt göttliches Gewalthandeln eine tragende Rolle.

Göttliche Gewalt in der Prophetie- und Jesajaforschung

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strument porträtiert. Andererseits lässt sich in den Gottesknechtsliedern (GKL) eine Tendenz zur Gewaltüberwindung feststellen.113 Beiden Aspekten widmet Hubert Irsigler eine kleine Studie, in der er Auftrag und Auftreten des Ebed in den ersten beiden GKL (Jes 42,1 – 4; 49,1 – 6) mit der Kyros-Darstellung (bes. in Jes 44,24 – 45,8) vergleicht.114 Im Fall des Perserkönigs bildet Gewalt zwar nicht das Ziel des göttlichen Befehls, aber »sie wird in Kauf genommen, integriert in die Erfüllung seines Auftrages von Jahwe her«115. Beim Gottesknecht verhält es sich gerade umgekehrt: Dessen Auftrag ist von Friedfertigkeit gekennzeichnet (vgl. Jes 42,2 f.), selbst wenn dabei Kriegsmetaphorik zum Einsatz kommt (vgl. 49,2). Diese Differenz erklärt sich für Irsigler entstehungsgeschichtlich: Die GKL werden als sekundäre »Korrektur der deuterojesajanischen Kyros-Begeisterung«116 und als eine alternative, friedliche Komponente gegenüber dem Gewaltaspekt im göttlichen Geschichtsplan verstanden. So ist auf diachroner Ebene der »Gottesknecht als Antitypos zu der in Kyros verkörperten gewaltsamen Welteroberung«117 anzusehen. Die Studie zeigt damit eine diachrone Tendenz zur Abschwächung der dtjes Gewaltimprägnierung auf. Das Gottesbild von Jes 40 – 55 wird dadurch aber nur bedingt seiner gewalthaltigen Züge entkleidet. Denn auf Endtextebene steht Israels Gott uneingeschränkt hinter beiden Protagonisten.118 Die im Untertitel »Gottesknecht kontra Kyros im Deuterojesajabuch« angedeutete Frontstellung des jüngeren, friedlichen (vgl. aber 53,10!) gegen das ältere, gewalthaltige Modell ist unter theologischer Perspektive differenziert zu betrachten: So bleibt zu fragen, ob die Modelle göttlicher Geschichtslenkung auf Endtextebene weniger kontradiktorisch gegenüber, als ergänzend zueinander gestellt sind. Für eine additive Form der literarischen Bearbeitung von Gewalt sprechen auch Beobachtungen von Sven Petry in seiner Arbeit zu Monolatrie, Bilderverbot und Monotheismus, die auch dtjes Texte in den Blick nimmt.119 Dies gilt besonders für Jes 45,7, wo Jhwh sich selbst als Erschaffer von Frieden und Unheil präsentiert ([r arwbw ~wlv hf[). Nach Petry ist die theologische Quintessenz dieser monotheistischen Spitzenformulierung, mit der »die geschichtliche Wirklichkeit in all ihrer Ambivalenz von Heil und Unheil als das Werk Jhwhs

113 114 115 116 117 118

Vgl. etwa R. Miggelbrink, Zorn Gottes, 214 – 218; E. Otto, Krieg, 130 – 143. H. Irsigler, Weg. Ebd. Ebd., 15. Ebd., 29. Vgl. U. Berges, Jesaja, 96: »Sowohl Kyrus als auch der Knecht sind von Jhwh bestellt und ihre Aufgaben sind komplementär : Der Perser sorgt für den Fall Babels und die Befreiung des Gottesvolkes, der Knecht sorgt mit seiner Verkündigung für die richtige Deutung der Epochenwende.« 119 S. Petry, Entgrenzung.

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Gewalt im Spiegel der Forschungsgeschichte

beschrieben [wird], salopp gesagt: Wo gehobelt wird, da fallen Späne«120. Die »saloppe« Deutung wird aber der theologischen Reflexionsleistung kaum gerecht, welche die ambivalente Erfahrung von Wirklichkeit – als Konsequenz des Monotheismus121 – ins Gottesbild einstellt. Dieser knappe Durchgang durch einige repräsentative Studien aus der Prophetie- und Jesajaforschung hat gezeigt, dass das Thema »Göttliche Gewalt« immer wieder berührt und unter vielerlei Perspektiven blitzlichtartig beleuchtet wird. Neben feministisch-theologischen Arbeiten gilt dies besonders für Studien zur Redaktionsgeschichte der Bücher.122 Gewalt wird auch in Untersuchungen zu Textbereichen tangiert, die von göttlichem Gewalthandeln stark geprägt sind (z. B. die Fremdvölkersprüche von Jes 13 – 23). Speziell zu den gewalthaltigen Gottesbildern im Jesajabuch liegt bislang aber noch keine Studie vor, obgleich der Aspekt in lexematisch orientierten Beiträgen (zu jpvm und hqdc) oder gattungsgeschichtlichen Studien (wie zum hwhy ~wy) eine Rolle spielt. Die vorliegende Studie will diese forschungsgeschichtliche Leerstelle unter besonderer Berücksichtigung von Kriegsgewalt schließen.

120 Ebd., 233. 121 Diese Tendenz zeigt sich aber auch in polytheistischen Symbolsystemen, vgl. E. Ortlund, Ambiguity. 122 Vgl. etwa in Bezug auf die Denkschrift die »Unheilstheologische Neuedition des jesajanischen Kerns« aus frühnachexilischer Zeit (= 6,1 – 9; 8,1 – 8a*.16*–17) bei U. Becker, Jesaja, 283.

3.

Hermeneutik und Methodik

Krieg und Gewalt sind und bleiben sensible Themen – egal aus welchem Blickwinkel man sie betrachtet. Gerlinde Baumann verweist mit Nachdruck darauf, dass »gerade bei der Auseinandersetzung mit Gewalt […] die Perspektive der Forschenden eine entscheidende Rolle spielt«1. Ein hohes Maß an Reflexion ist besonders dann aufzubringen, wenn in der Analyse theologische Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind. Das Ziel einer solchen Reflexion kann aber nicht die apologetische »Ehrenrettung« des Alten Testaments sein. Es geht vielmehr darum, hermeneutische Prämissen und methodische Wege aufzuzeigen, die eine theologisch verantwortbare Rede über göttliche Gewalt ermöglichen.

3.1

Ein kontextbezogener Zugang zur Gewalt

Gewalt und Krieg müssen exegetische Steine des Anstoßes bleiben. In der Auseinandersetzung mit atl Kriegstexten besteht die Gefahr, literarisch dargestellte Gewalt als abstraktes Faktum wahrzunehmen und zu übersehen, dass solche Darstellungen häufig literarische Reflexe auf konkrete Kriegserfahrungen sind. Das Jhwh-Volk hat im Laufe seiner Geschichte viele Kriege geführt, aber noch häufiger als unterlegene Kriegspartei die negativen Folgen militärischer Niederlagen erlitten. Dies hatte meist katastrophale Auswirkungen auf die Lebenswirklichkeit der Menschen und löste eine Vielzahl an theologischen Reflexionen aus. Eine wichtige Stellschraube in diesem Aufarbeitungsprozess ist die Verhältnisbestimmung der eigenen Gottheit zum Krieg sowie die Bedeutung, die den Feinden in diesem Geschehen beigemessen wird. Vor diesem Hintergrund fällt es heutigen Leserinnen und Lesern zu recht oft schwer, gegenüber solch schockierenden Darstellungen eine »objektive« Hal1 G. Baumann, Gottesbilder, 36. Ähnlich B. Krondorfer, Faith and Faces, 91: »[T]he problem does not lie with the answers provided but with the questions that are not being asked.«

28

Hermeneutik und Methodik

tung einzunehmen. »[T]hese texts of violence are at least an embarrassment, […] and are theologically problematic in the Bible, not so much because they are violent, but because this is violence either in the name of or at hands of Yahweh.«2 Besonders wenn Gott in das Geschehen involviert ist, wandelt sich Gewalt schnell von einem exegetischen Untersuchungsgegenstand zu einem theologischen Problem: Denn es zeigt sich im ATmitunter deutlich, »that divine violence wasn’t the same problem for the ancient audience. […] The Old Testament Scholar is forced to accept the fact that these images of violence are a treasured part of the biblical record.«3 Die auf Gott zurückgeführten Gewaltakte fordern die Leserschaft unmittelbar heraus und verlangen eine Entscheidung. Die Frage, wie sich Gott zur Gewalt verhält, mündet in eine noch viel existenziellere Frage: Wie verhält sich das lesende und auslegende Individuum zur biblisch dargestellten Gewalt? Wer glaubt, sich einer Entscheidung enthalten zu können, hat sich bereits entschieden! »Any attempt to condone divine violence in the Hebrew Bible cannot help but become part of the system of violence.«4 Umgekehrt liegen der Leserschaft in alttestamentlichen Kriegstexten keine objektiven [sic!] Geschichtsdarstellungen vor. Es handelt sich um literarische Inszenierungen, zu denen das Element der Deutung wesentlich dazugehört. Dieses Charakteristikum teilt das AT mit anderen altorientalischen Darstellungen militärischer Auseinandersetzungen: Die neuassyrische Königspropaganda etwa »did not reflect the thoughts and feelings of the subdued peoples. The victims saw the situation quite differently. The ›liberated‹ peoples condemned the Assyrian behaviour toward the nations as outrageous«5. Bei aller historischen Bedingtheit dieser einseitigen Inszenierung darf man aber nicht übersehen, dass tendenziöse Kriegsdarstellungen kein Phänomen längst vergangener Zeiten sind.6 Die moderne mediale Berichterstattung, die nur allzu oft das Bild eines »sauberen Krieges« zu vermitteln versucht, macht diese Problematik aktueller denn je. Auch aus diesem Grund darf man der Kriegsgewalt in antiken Texten, die zu den Heiligen Schriften heutiger Glaubensgemeinschaften zählen, nicht aus dem Weg gehen. Denn dies würde die Gefahr einer unreflektierten Adaption noch erhöhen. Vielmehr muss man sich – aus Ehrfurcht vor den Texten und aus Respekt vor d(ere)en Opfern – der negativen Konsequenzen bewusst sein, die eine solche Auslegung nach sich ziehen kann. Umgekehrt darf die Exegese aber auch nicht mit dem Anspruch auftreten, diese heute irritierende Form biblischer 2 3 4 5 6

W. Brueggemann, Divine Presence, 11. C. L. Carvalho, Beauty, 134. T. Kamionkowski, Problem, 39. B. Oded, War, 118. Noch H. Gunkel, Kriegsfrömmigkeit, 8 meinte inmitten des Ersten Weltkrieges mit Blick auf Altisrael, »daß seine Kriege wilder, blutiger, haßerfüllter gewesen sind als die der Gegenwart«.

Ein kontextbezogener Zugang zur Gewalt

29

Rede von Gott endgültig auf-lösen zu können. Eine Erklärung könnte dann schnell in eine Verklärung umschlagen. Nimmt man diese hermeneutischen Überlegungen zum Umgang mit atl Gewalttexten ernst, können von der Exegese nur bescheidene Ansprüche erhoben werden: Keine Bibelauslegung kann davon ausgehen, das Phänomen göttlicher Gewalt in biblischen Texten hinreichend und endgültig zu erklären. Das Ziel der Exegese muss es sein, die in den Texten schlummernde Gewalt »neither to condone nor to condemn, but to understand and elucidate.«7 Die Gottesbilder der Gewalt waren, sind und bleiben theologische Anfragen! Vielmehr muss es darum gehen »das Gewaltverständnis im Alten Testament […] noch stärker zu erforschen« und »innerhalb einzelner biblischer Traditionen nach Linien der Gewaltbearbeitung zu suchen«8. Genau dieses Forschungsdesiderat verfolgt die vorliegende Studie mit Blick auf das Jesajabuch und seine jahrhundertelang lebendige Tradition. Gewalt und Krieg werden einer negativen Bewertung unterzogen. Diese Prämisse ist leider alles andere als eine Selbstverständlichkeit, gerade mit Blick auf die christliche (!) Rezeptionsgeschichte.9 Der Forschungsüberblick hat gezeigt, dass frühere Epochen und (Forschungs-)Generationen in göttlicher Gewalt kein theologisches Problem gesehen zu haben scheinen. Dass Westeuropa kriegerische Auseinandersetzungen seit mehr als einem halben Jahrhundert nur an seinen Toren erlebt, traurigerweise aber auch geführt hat, wirkt sich auch auf den exegetischen Umgang mit Gewalt in diesen Breiten aus. Demgegenüber waren längere Friedensphasen in der Menschheitsgeschichte eine absolute Ausnahme. In biblischen Zeiten standen militärische Konflikte gleichsam an der Tagesordnung.10 Diese Ubiquität von Gewalt und Krieg unterscheidet die moderne, westeuropäische Exegese also vom Alten Orient. Sie ist daher bei der Auslegung in Rechnung zu stellen: »[W]e must acknowledge that the problem of divine violence […] is a problem of deeply embedded cultural violence. Power, submission, war, and acts of direct violence were deeply imbued into the societies that produced the Hebrew Bible.«11 So ist die Prämisse, göttliche Gewalt sei ein »hermeneutical problem, not an historical one«12, wahr und falsch zugleich. Der Umgang mit literarisch inszenierter Gewalt ist zwangsläufig einem hermeneutischen Vorverständnis unterworfen, doch verfügt das Phänomen zugleich einen starken historischen Index. Diese Ambivalenz zeigt sich schon beim Versuch, »Gewalt« begrifflich ein- und abzugrenzen. 7 8 9 10 11 12

T. Kamionkowski, Problem, 39. G. Baumann, Gottesbilder, 159. Für eine differenzierte Aufarbeitung siehe A. Angenendt, Toleranz und Gewalt. Vgl. B. E. Kelle, War. T. Kamionkowski, Problem, 46. C. L. Carvalho, Beauty, 134.

30

3.2

Hermeneutik und Methodik

Eine (biblische) Definition von Gewalt und Krieg?

Sowohl im modernen philosophischen Diskurs als auch in der Bibelwissenschaft zeichnet sich kein Konsens darüber ab, wie das Phänomen »Gewalt« exakt zu definieren ist.13 Eine universale Definition wird trotz intensivem Bemühen vermutlich niemals gefunden werden. Denn der Gewaltbegriff ist ein Konstrukt, welches von zahlreichen Faktoren beeinflusst wird und historischen wie soziokulturellen Veränderungen unterliegt. So wurde der Terminus erst im Laufe des 20. Jh. immer stärker negativ konnotiert.14 Zwar weist »Gewalt« im Deutschen mehrere Bedeutungsebenen auf (z. B. Staatsgewalt, juridische Gewalt, gewaltig),15 doch »tendiert der gegenwärtige Sprachgebrauch immer stärker zu einer rein negativen Verwendung im Sinne von ›Zwang‹ und ›Gewalttat‹«16. Andere Sprachen unterscheiden zwischen als legitim anerkannten Formen von Gewalt (*potestas) und ihren illegitimen Auswüchsen (*violentia). Doch auch hier konnte man sich auf keine einheitliche Begriffsfestlegung oder -abgrenzung einigen: »Die Hoffnung auf Eindeutigkeit, […] als feste […] Rückzugsbasis für eine kontingenzarme wissenschaftliche […] Beschäftigung mit Gewalt, ist nicht der Normal-, sondern der Sonderfall.«17 Nach einhelliger Meinung der Bibelwissenschaft bildet das Alte Testament keine solche Ausnahme: »Ein umfassendes altisraelitisches Gewaltverständnis läßt sich nicht rekonstruieren.«18 Der Krieg zählt zwar zu jenen Formen von Gewalt, die in der HB am häufigsten zur Darstellung gebracht werden. Doch auch in diesem Bereich lässt sich keine haarscharfe Abgrenzung im Sinne einer Definition ausmachen.19 Modernes und biblisches Gewaltverständnis können konvergieren, müssen dies jedoch keineswegs. Unter diesem Blickwinkel ist es bei der Untersuchung notwendig, die »gravierenden kulturellen Unterschiede zwischen alttestamentlichem und heutigem Gewaltverständnis zu berücksichtigen«20.

13 Zur Diskussion G. Nummer-Winkler, Gewaltbegriff; S. Eder, Macht, 29 – 52; Dies., Gewalt; W. Dietrich, Legitime Gewalt. 14 Vgl. G. Nummer-Winkler, Gewaltbegriff, 24. Zum Einfluss kontemporärer Tendenzen in der Definition und Bewertung von Gewalt auf die Auslegung biblischer Texte siehe G. Baumann, Gottesbilder, 37 – 72 unter Verweis auf prägnante Beispiele aus der Forschungsgeschichte seit dem Zweiten Weltkrieg. 15 Zu den Bedeutungsnuancen siehe W. Dietrich/M. Mayordomo, Gewalt, 13 f. 16 Ebd., 12. 17 W. Heitmeyer/H.-G. Soeffner, Einleitung, 11. 18 G. Baumann, Gottesbilder, 33. 19 H.-R. Reuter, Art. Krieg, 1765: »K[rieg] ist der mit Waffengewalt ausgetragene Konflikt zw. größeren Gruppen, Völkern und Staaten. Die genauere Definition des Begriffs und seine Abgrenzung […] ist umstritten.« 20 G. Baumann, Gottesbilder, 29.

(Kriegerische) Gottesbilder als Sprachbilder

3.3

31

(Kriegerische) Gottesbilder als Sprachbilder

Die Hebräische Bibel wirft vielfältige Schlaglichter auf ihren Gott. Im Kanon der atl Schriften hat sich kein uniformes Gottesbild durchgesetzt. »Denn die biblische Überlieferung bezeugt Gott nicht ›an sich‹, sondern in schriftlich niedergelegter Form, die sich häufig metaphorischer, also bildlicher Sprache bedient.«21 Der Weg zum Gott Israels kann daher nur über die Untersuchung dieser Darstellungen führen. »Ohne ein intensives Ausleuchten der Bilder […] und auch der Bildsprache – die Sprache arbeitet mit Bildern – können wir nicht zurechtkommen.«22 Jhwh trägt im atl Kanon ambivalente Züge. Die Studie konzentriert sich auf einen Aspekt göttlicher Gewalt, der im Jesajabuch – aber eben nicht nur dort – von großer Bedeutung ist: Jhwh als kriegerische Gottheit. Die Entscheidung für den militärischen Aspekt darf jedoch nicht dahingehend missverstanden werden, als sei dies das tragende Gottesbild des Jesajabuches oder gar des Alten Testaments. Gott ist im Jesajabuch nicht nur der zornerfüllte Krieger (z. B. Jes 34,2 f.), dessen Atem – »einem Sturzbach gleich« (@jwv lxnk) – alles unerbittlich mit sich fortreißt, was sich ihm in den Weg stellt (30,28); Jhwh ist auch eine liebevolle Mutter, die ihre Kinder tröstet (Jes 66,13) und ihnen Frieden (~wlv) »wie einen Sturzbach« (@jwv lxnk) zuleitet (V.12). Indem die Gottheit Altisraels nicht nur gewalttätige Aspekte in sich vereint, sondern ebenso friedfertig und barmherzig in Erscheinung tritt, können Texte, die von göttlicher Gewalt geprägt sind, eine literarische Eingrenzung erfahren. Umgekehrt ist Jhwh aber nicht einfach mit jenem »lieben Gott« gleichzusetzen, auf den die kirchliche Verkündigung der letzten Jahrzehnte mit Nachdruck gesetzt hat. Es ist das metaphorische Geflecht aus theologischen Stimmen und Gegenstimmen, aus Ober- und Untertönen, welches für den facettenreichen und zugleich ambivalenten Charakter des atl Gottesbildes sorgt. Die Studie geht von der Prämisse aus, dass die kriegerischen Gottesbilder in atl Schriften sowohl Konstanten aufweisen, als auch Veränderungen unterworfen sind. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass sich im Laufe ihrer Tradierung die historischen Kontexte und Machtkonstellationen gewandelt haben. Die Gewalttexte in ihrem diachronen Kontext wahrzunehmen, zählt daher zu den wesentlichen Aufgaben einer Beleuchtung kriegerischer Gottesbilder. Diese werden – analog zu Kriegsinszenierungen in der altorientalischen Ikonographie23 – als literarische »Bausteine« verstanden, mit denen die Autoren und 21 Ebd., 15. 22 M. Görg, Der un-heile Gott, 68. 23 Siehe dazu A. Berlejung, Gewalt; sowie den Sammelband M. Zimmermann, Formen von Gewalt.

32

Hermeneutik und Methodik

Redaktoren des Jesajabuches einen Umgang mit der grausamen Realität des Krieges ermöglicht haben bzw. herstellen wollten.

3.4

Zur alttestamentlichen Gewaltterminologie und Kriegssemantik

Gottesbilder setzen sich aus literarischen Einzelelementen zusammen. Gewalt und Krieg sind Teil dieser Grundbausteine des atl Gottesbildes. Sie werden auf semantischer Ebene »in großer sprachlicher Breite und Differenzierung« beschrieben, so dass es »keinen herausgehobenen hebräischen Gewalt-Begriff«24 gibt. Die Wurzel smx entspricht zwar weitgehend unserem modernen Verständnis von Gewalt und wird in deutschsprachigen Übersetzungen häufig mit »Gewalt/Gewalttat« wiedergegeben. Der Begriff umschreibt in der HB jedoch ausschließlich »die von Menschen geübte lebensraubende Brutalität«25 (vgl. Jes 53,9; 59,6; 60,18) und wird nie mit göttlichem Subjekt verwendet. Er scheidet daher als lexikalische Ausgangsbasis für die Untersuchung göttlicher Gewalt aus. Im Unterschied zur abstrakten deutschen Begrifflichkeit wird in der HB »sehr anschaulich und konkret von Gliedmaßen geredet […], die Gewalt üben können, oder von Verhaltensweisen oder Vorgängen oder Fähigkeiten, denen zuweilen ein Gewaltelement innewohnt«26. Die aktuelle Forschung nähert sich daher methodisch meist über die spezifische Gewaltsemantik und bietet so auch eine Alternative zu Girards kulturübergreifendem Ansatz.

3.4.1 Kriegssemantik als methodischer Ausgangspunkt Um die einschlägigen Texte göttlicher Gewalt in den Blick zu bekommen, erhebt die Studie zunächst jenes Wortfeld, das im Jesajabuch zur Darstellung von Kriegsgewalt eingesetzt wird. Der Schwerpunkt liegt dabei insbesondere auf jenen Abschnitten, in denen Gott als Gewalttäter, d. h. als derjenige in Erscheinung tritt, der selbst gewalttätig handelt. Das Profil Jhwhs als Gottheit, die in 24 W. Dietrich/M. Mayordomo, Gewalt, 19. 25 M. Lang, Gott und Gewalt, 72. Die Vermeidung von Jhwh als Subjekt liegt wohl im Umstand begründet, dass die Wurzel smx nach H. J. Stoebe, Art. smx, 584 Handlungen umschreibt, in denen eine »von Gott gesetzte bzw. garantierte Ordnung verletzt« wird; vgl. H. Haag, Art. smx, 1059. Dies bestätigen die Belege im Jesajabuch: Während das 4. GKL bekennt, dass der Knecht Jhwhs keine Gewalttat verübt hat (hf[ smx-al, 53,9), sind in Tritojesaja die Werke der Gewalt in der Hand der Sünder (~ypkb smx l[p, 59,6). Doch Gott verheißt, dass man künftighin niemals mehr von Gewalttat im Land hören werde (smx dw[ [mvy al, 60,18). 26 W. Dietrich/M. Mayordomo, Gewalt, 18.

Zur alttestamentlichen Gewaltterminologie und Kriegssemantik

33

kriegerische Konflikte involviert ist, erweist sich im Durchgang durch die Prophetenschrift aber als sehr komplex: Es kommt häufig vor, dass Gott die Verübung von Kriegsgewalt an andere Protagonisten delegiert oder Zerstörung und Vernichtung »nur« auf ein Gotteswort zurückgeführt wird. Zwar bilden beide Kategorien nicht den primären Fokus, doch sind solche Texte besonders dann in die Untersuchung einzubeziehen, wenn in ihnen das Wortfeld gehäuft auftritt oder besonders grausame Formen von Gewalt dargestellt werden. Als methodischer Ausgangspunkt zur Eingrenzung des relevanten Textbestandes dient der Ansatz von Andreas Michel, der sich hauptsächlich auf das hebräische Verbalsystem stützt.27 Angesichts der komplexen Darstellungsweise muss das Raster zur Erfassung relevanter Texte zunächst jedoch recht weit gezogen werden. Bei der Lokalisierung militärischer Gewalt werden auch relevante Substantive und Adjektive einbezogen (z. B. hmxlm, brx). Zudem finden Verben Berücksichtigung, die per se zwar keine gewalthaltigen Aspekte in sich tragen, aber durch weitere Attribute in den Gewaltkontext gestellt werden (z. B. sn afn).28 Eine knappe Übersicht über das Wortfeld kriegerischer Gewalt hat Peter Riede zusammengestellt: »Zum Kriegszug gehören […] Aufgebot (@sa, q[z), Musterung (dqp), Auszug (acy, $lh, awb, hl[, rb[), Aufzug, Belagerung (bbs, rwc, hnx), Kampf (~xl), Feldschlacht, Sieg/Einnahme (hkn, xql, @gn), Vernichtung (vab, @rf, #tn, ~rx), Tötung (grh, twm), Vertreibung (vry), Flucht (swn), Verfolgung (@dr), Totalität des Sieges (lpn etc.).«29 Diese erste Annäherung an das Wortfeld von Militär und Kriegsführung zeigt, wie umfangreich und vielfältig das in der HB belegte Vokabular ist.30 Daher ist bei der Eingrenzung und Auswahl relevanter Stellen mit Grenzfällen zu rechnen. Einzelfallentscheidungen für oder gegen eine genauere Untersuchung lassen sich nicht immer vermeiden. Denn das Wortfeld überschneidet sich zum Teil mit der Terminologie anderer Aspekte im Gottesbild.31 Nach H. Fredriksson gilt dies besonders für den Bereich von »Macht« und »Heiligkeit«.32 Bei der Lokalisierung geht es daher nicht um einzelne Worte, sondern um charakteristische »Wortkulissen«, vor denen sich das göttliche Handeln vollzieht. »Wenn Texte mit Gott als Gewalttäter betrachtet werden, sollten […] nicht nur einzelne Verse untersucht werden. Der Blick muß […] auf die größeren literarischen Zusammen-

27 Vgl. A. Michel, Gewalt, 66 – 114. 28 Das Bedenken ebd., 70, dass bei einem solchen Vorgehen »keine berechtigte Grenze mehr zu setzen« sei, trifft auf diese Studie daher nicht zu. 29 P. Riede, Feindmetaphorik, 94; vgl. H. D. Preuß, Art. hmxlm, 916; M. Sznycer, Terminologie. 30 Eine Aufstellung der im Jesajabuch belegten Gewaltterminologie findet sich in Kapitel 4.0. 31 So etwa die Hand-Metaphorik, mit der nach altorientalischer Vorstellung das machtvolle – und zuweilen auch gewalttätige – Handeln umschrieben wird. 32 Vgl. H. Fredriksson, Jahwe als Krieger, 116 – 120.

34

Hermeneutik und Methodik

hänge gerichtet werden.«33 Durch die gezielte Verwendung von Termini und Metaphern können bestimmte Facetten des göttlichen Eingreifens betont bzw. verdeckt werden. Derartige Textbeobachtungen helfen bei der Klärung der Frage nach den Strategien in der Inszenierung Jhwhs als kriegerische Gottheit.

3.4.2 Gewalt als Reflexionsgegenstand biblischer Autoren Exegetische Untersuchungen zur Gewaltterminologie haben gezeigt, dass die Reflexion über die Darstellung göttlicher Gewalt kein genuin modernes Anliegen ist. Andreas Michel hat nachgewiesen, dass biblische Autoren und Redaktoren zur Inszenierung gewalthaltiger Gottesbilder bestimmte Verben gezielt einsetzten, andere hingegen bewusst vermieden haben. Dieses selektive Vorgehen lässt erkennen, dass sich bereits die atl Autoren mit der Frage beschäftigten, auf welche Weise über göttliches Gewalthandeln gesprochen wird: »Die Wahl der konkreten Verbwurzeln ist keinesfalls beliebig. Der […] Ausschluss bestimmter Verben […] indiziert stattdessen, dass sich die alttestamentlichen Autoren […] des Zusammenhangs zwischen Gottesbild und Ethos […] auch in semantischer Hinsicht durchaus bewusst gewesen zu sein scheinen.«34 Bereits innerbiblisch zeichnet sich also eine »Ambivalenz der Gewalt«35 ab. Ihr wurde für das Jesajabuch aber bislang kaum nachgegangen. Als hermeneutischer Ausgangspunkt soll hierzu ein wichtiges Ergebnis der antiken Gewaltforschung dienen: »Die mediale Wiedergabe von Gewalt in Bildern und Texten beabsichtigt nie eine bloße Darstellung […], sondern ist immer ein mit weiteren Konnotationen angereichertes Narrativ. Neben der Deutung der Tat finden sich zusätzliche Signale, die den zeitgenössischen Rezipienten zu weiteren Schlussfolgerungen leiten sollen.«36 Wenn Jhwh im Jesajabuch gewaltsam aktiv wird, ist primär davon auszugehen, dass die Texte sowohl von ihrer literarischen Inszenierung37 als auch von ihrer Stellung im kompositionellen Gefüge her bewusst gesetzt sind. In der Analyse ist nach den Gründen zu fragen, die zur Wahl bestimmter Darstellungsformen kriegerischer Gewalt führten. Dafür ist es wichtig, sich den kultur- und ideengeschichtlichen Hintergrund zu vergegenwärtigen, vor dem die Partizipation von Gottheiten in Darstellungen militärischer Auseinandersetzungen zu verstehen ist. Was haben Krieg und Gottheiten im Alten Orient miteinander zu tun? 33 G. Baumann, Gottesbilder, 24. 34 A. Michel, Gewalt, 114. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt E. Zenger, Gewalt, 42 – 45 mit Blick auf das Verhältnis von Ex 32 zu Dtn 9 f. 35 So W. Dietrich, Legitime Gewalt, 307. 36 M. Zimmermann, Gewaltdarstellungen, 40. 37 Vgl. M. McEntire, Blood, 159 mit Blick auf Jes 11.

Gottheiten und Krieg – Gottheiten im Krieg

3.5

35

Gottheiten und Krieg – Gottheiten im Krieg

Das syro-palästinische Gebiet war im 1. Jt. v. Chr. vielfach in kriegerische Auseinandersetzungen verwickelt. »Aufgrund der geographischen Lage Israels sind nationale Sicherheit und damit Kriege und Kriegsgefahr mit die wichtigsten Themen des öffentlichen Diskurses.«38 Die HB spricht zwar polyphon von Krieg und Kriegsgewalt und hat keine uniforme Kriegskonzeption ausgebildet, doch lassen sich Teilmomente erheben, die viele atl Kriegstexten gemeinsam sind, »zumal das Alte Testament einer gemeinorientalischen Kriegspraxis und -ideologie verpflichtet ist«39.

Abb. 1: Assur mit Kriegsbogen

Einer dieser zentralen Ankerpunkte ist der Konnex von Gottheiten zu militärischer Gewalt. Dabei handelt es sich um kein genuin alttestamentliches Phänomen, vielmehr ist Krieg im gesamten Alten Orient von Gottheiten (mit) bestimmt.40 Literarische und ikonographische Darstellungen zeigen, dass der Krieg auch in polytheistischen Symbolsystemen unter den Kompetenzbereich der Gottheiten fällt (z. B. Anat41, Month42) und somit kein rein profanes Geschehen darstellt. Darüber hinaus legen außerbiblische Zeugnisse43, aber auch atl Spuren44 (vgl. Jes 15,2; 16,12) nahe, dass Feldzüge und Schlachten von mantischen Riten und prophetischen Orakeln begleitet wurden. Hinter solchen Ritualhandlungen können natürlich ganz praktische Überlegungen gestanden

38 39 40 41 42 43 44

C. Rakel, Errettung, 169 f. P. Riede, Feindmetaphorik, 94; vgl. M. Weippert, Heiliger Krieg. Vgl. etwa S. W. Holloway, Asˇsˇur ; K. L. Younger, Conquest. Vgl. KTU 1.3 II 2–III 2. Vgl. S. Curto, Art. Krieg, 766. Ebd., 772 f.; M. Elat, Kriegsrituale; L. A. S. Monroe, War-Herem. Chr. Batsch, Guerre.

36

Hermeneutik und Methodik

haben, denn ohne »divine reassurance it was impossible to convince the combatants to risk their lives in battle«45. Doch das Verhältnis von Gottheiten zu Krieg und militärischer Gewalt bleibt nicht auf derartige Instrumentalisierungsstrategien beschränkt. Vielmehr ragt kriegerische Gewalt tief in die theologische Vorstellungswelt des Alten Orients hinein: »No distinction is made between a ›religious‹ war and an ›ordinary‹ one: every military outing is accompanied by religious rituals and the gods are always present in some […] form.«46 Militärisches Engagement und Kriegsgewalt wurden so kulturübergreifend zu prägenden Merkmalen von Gottesbildern: In Ägypten47 schießt etwa der Gott Sachmet Kriegspfeile auf die Feinde48 und auch in Mesopotamien wurde »der Krieg auf Geheiß und mit Unterstützung der Götter geführt«49. Gottheiten sind dort in allen Phasen der Kriegsführung (von der Musterung, über den Feldzug bis zu den Kriegsfolgen) federführend beteiligt.50 In Palästina sind solche Darstellungen militärischer Auseinandersetzungen ebenfalls belegt.51 Vereinzelte atl Spuren zeigen, dass Altisrael zeitweise offenkundig kein theologisches Problem darin sah, die Kompetenz erfolgreicher Kriegsführung auch fremden Gottheiten zuzusprechen, wenn es dabei um die Auseinandersetzungen ihrer eigenen Völker geht.52 So gibt Jiftach dem Ammoniterkönig Sihon zu verstehen: »Ist es nicht so: Wen Kemosch, dein Gott, vertreibt, dessen Besitz nimmst du. Und wen immer Jhwh, unser Gott, vor unseren Augen vertreibt, dessen Besitz nehmen wir« (Ri 11,24). Wenn Sihon den Sieg davonträgt, ist dafür Kemosch verantwortlich. Wenn Israel Kriege gewinnt, ist dies hingegen auf Jhwh zurückzuführen. In der Darstellung des Kampfgeschehens greifen häufig die mythische und politische Dimension ineinander : Der Krieg dient etwa zur Bestrafung von Vertragsverletzungen oder Rebellionen und hält zugleich – mythologisch gewendet – die kosmische Ordnung aufrecht. Die äußeren Feinde des Reiches repräsentieren in der Darstellung daher nicht selten die Chaosmächte.53 »Die 45 46 47 48

49 50 51 52 53

R. Achenbach, Divine Warfare, 2. J. Vermeylen, Sacral War, 6. Zur Kriegskonzeption in Ägypten siehe D. Valbelle, Conception. So etwa in einem Hymnus auf Sesostris III. (19. Jh. v. Chr.), in dem die Kampffertigkeiten des Pharao mit jenen der ägyptischen Gottheit verglichen wird: »Der den Pfeil schießt wie Sachmet, um Tausende zu fällen unter denen, die seine Macht verkennen.« (Z. 13 f.; Übersetzung von J. Assmann, Hymnen und Gebete, 515 f. Text 228). W. Röllig, Assur, 122. Einen breiten Überblick über die verschiedenen altorientalischen Gottheiten, die in militärische Konflikte involviert waren, gibt S. M. Kang, War, 11 – 113. Vgl. I. Cornelius, Iconography. J. Vidal, Ugarit at War (2), 709 – 711; I. Cornelius, Weapons; Ders., Iconography. Dazu bereits B. Obermayer, Art. Krieg. Vgl. E. Otto, Krieg und Religion, 50 – 54; Ders., Krieg, 28 – 37; B. Oded, War, 116 – 124.

Gottheiten und Krieg – Gottheiten im Krieg

37

Abb. 2: Month führt den Bogen des Pharao

altorientalische Gotteskriegsideologie, die die Feinde des Landes als Feinde des jeweiligen Kriegsgottes versteht, hat ihren Horizont in der mythologischen Dimension der Theomachie.«54 Daher ist auch der adäquate Gegenbegriff zum Krieg nach altorientalischer Vorstellung weniger der »Friede« (~wlv)55 als vielmehr das Chaos.56 Auf politischer Ebene kommt dem Amt des Königs die zentrale Rolle in der Kriegsführung zu. Als Repräsentant oder Befehlsempfänger der Gottheiten zieht er in ihrem Namen in die Schlacht.57 Die Schriften des Alten Testaments sind in diesem Kontext entstanden und partizipieren an der vorherrschenden Kriegsideologie58 (vgl. Ps 2,2 – 9; 18,33 – 41): »Zwar ist die biblische Tradition durch die Hände einer monotheistischen Revision gegangen, aber es gibt noch deutliche Hinweise auf ein […] Königtum, das sich in wesentlichen Elementen mit Konzeptionen der Nachbarkulturen […] deckte.«59 Parallelen zeigen sich auch in Bezug auf den Stellenwert der Prophetie: Als Übermittler des göttlichen Willens kommt prophetisch begabten Menschen und ihrem Wort auch im Bereich der altorientalischen Kriegsführung eine zentrale Rolle zu. Die Verwobenheit von Religion und Politik auf militärischer Ebene bedeutet aber nicht, dass Kriege im Alten Orient zur Propagierung des eigenen religiösen 54 E. Otto, Krieg und Religion, 53; vgl. B. Lang, Buch der Kriege, 70 f. 55 Zu alttestamentlichen und altorientalischen Friedenskonzeptionen siehe H. H. Schmid, Frieden; E. Otto, Krieg. 56 Vgl. R. Albertz, Schalom. 57 Vgl. dazu K.-P. Adam, Held, 1 – 26. 58 Vgl. E. Otto, Krieg und Religion, 54 – 58. 59 J. Kügler, Machtwort, 284.

38

Hermeneutik und Methodik

Abb. 3: Die Übergabe des göttlichen Bogens

Bekenntnisses geführt wurden. Religionskriege im heutigen Sinn des Wortes sind ein relativ junges Phänomen, das im Europa der frühen Neuzeit aufkommt.60 In zahlreichen atl Kriegsdarstellungen stellt sich das Verhältnis sogar spiegelbildlich dar : »Israel did not fight for God, but God fought for Israel«61. Gleichwohl lässt sich nach antik-vorderasiatischer Vorstellung am Kriegsausgang die Stärke oder Schwäche von Göttern ablesen: Hinter den Siegern stehen die mächtigeren Gottheiten, während sich jene als unterlegen erwiesen, auf die die Verlierer vertrauten. Angesichts dieser Kausalitätsstruktur der altorientalischen Kriegsdeutung ist es umso bemerkenswerter, dass Israel durch die zahlreichen militärischen Niederlagen hindurch an seiner Gottheit Jhwh und ihrer Geschichtsmächtigkeit festhielt. Von den altorientalischen Kriegskonzepten her hätten sich durchaus andere Schlüsse aufgedrängt. Dies zeigen auch literarische Spuren von alternativen Kriegsdeutungsmustern und kritischen Einsprüchen, die ebenfalls Eingang in den atl Kanon gefunden haben (z. B. 2 Kön 18,35; Jes 49,14). In den biblischen Kriegsdarstellungen mussten zum Teil große Anstrengungen unternommen werden, um Jhwh als im Krieg aktive und siegreiche Gottheit im Verhältnis zu den anderen Kriegsteilnehmern ins »rechte Licht« zu rücken. Einige dieser literarischen Strategien soll der Durchgang durch die Kriegstexte des Jesajabuches sichtbar machen.

60 Dazu ausführlich F. W. Graf, Sakralisierung. 61 R. Ruston, Violent God, 9.

4.

Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

Um sich einen ersten Überblick über kriegerische Gewalt im Jesajabuch zu verschaffen und so die relevanten Texte für die weitere Untersuchung einzugrenzen, werden zunächst die lexikalischen Belege des dazugehörigen Wortfeldes gesammelt. Es kommen jene Stellen in Betracht, in denen eine Beteiligung Jhwhs in der militärischen Auseinandersetzung vom Kontext her angezeigt wird. Der erste Blick auf die Gewaltsemantik gilt dem allgemeinen Oberbegriff für Krieg (~xl bzw. hmxlm). Doch es zeigt sich schnell, dass die Terminologie kriegerischer Gewalt im Jesajabuch eine große Bandbreite aufweist.1 Der zweite Schritt bildet daher eine Erhebung der erweiterten militärischen Begrifflichkeit (Heer, Soldaten und Ausrüstung). Zuletzt folgt eine Zusammenstellung jener Verben, die Handlungen vor Kriegsbeginn, während des Kampfes und nach dem Krieg beschreiben. Die Aufstellung orientiert sich grob am chronologischen Ablauf einer militärischen Auseinandersetzung. So ergibt sich aus dieser synchronen Zusammenschau gewissermaßen ein vollständiger göttlicher Feldzug.

4.0

Kriegsgewalt im Jesajabuch – ein semantischer Überblick

In der folgenden Übersicht über das im Jesajabuch belegte Wortfeld werden zwei Relationsebenen zwischen Gott und Krieg graphisch unterschieden: Von einem direkten Bezug ist auszugehen, wenn ein kriegsrelevanter Begriff auf Jhwh selbst angewandt wird (z. B. Gott als rwbg la bzw. hmxlm vya) oder Gott als expliziter Handlungsträger in Erscheinung tritt (z. B. Jhwh mustert das Kriegsheer, er schlägt, belagert, unterwirft etc.). Bei indirekten Bezügen steht Gott zwar als Urheber der Gewalt im Hintergrund. An der Textoberfläche wird sie jedoch von anderen Protagonisten verübt (z. B. Jhwh lässt Kriegswagen ausziehen; er lässt durch das Schwert fallen). Eine indirekte Bezugnahme ist auch dann gegeben, wenn der Text durch Passivformen den Fokus auf das Gewaltopfer legt, 1 Vgl. P. Riede, Feindmetaphorik, 20 – 149; zu kriegerischen Aktionen Jhwhs ebd., 117 – 122.

40

Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

die Tat jedoch – explizit oder implizit – auf Jhwh zurückführt. Durch die dem Buchverlauf folgende Präsentationsweise und die graphische Unterscheidung von direkter und indirekter Bezugnahme werden im Folgenden die Schwerpunkte göttlicher Kriegsgewalt sichtbar, die anschließend im Durchgang durch die Teilkompositionen näher zu beleuchtet sind.

Krieg 2

hmxlm Krieg 3,25 Deine Männer werden durchs Schwert fallen und deine Helden im Krieg. 27,4 […] fände ich Dornen und Disteln, im Krieg würde ich auf sie losgehen, sie allesamt verbrennen! 30,32 […] jeder Hieb der Zuchtrute, die Jhwh auf es [Assur] niedersausen lässt, [erfolgt] unter Tamburin- und Zitherspiel. Und mit geschwungenem Arm wird er in Kriegen gegen es kämpfen. 42,25 Da hat er die Glut seines Zorns und die Gewalt des Krieges über es [Israel] ausgegossen.

~xl bekriegen 19,2 Und ich will Ägypten gegen Ägypten aufstacheln, dass sie kämpfen werden: […] Stadt gegen Stadt, Königreich gegen Königreich. 30,32 […] jeder Hieb der Zuchtrute, die Jhwh auf es [Assur] niedersausen lässt, [erfolgt] unter Tamburin- und Zitherspiel. Und mit geschwungenem Arm wird er in Kriegen gegen es kämpfen. 63,10 Aber sie [die Israeliten] sind widerspenstig gewesen und haben seinen heiligen Geist betrübt. Da wandelte er sich ihnen zum Feind: Er selbst kämpfte gegen sie.

Das Lexem hmxlm bzw. 3~xl, welches der modernen Begrifflichkeit von »Krieg« bzw. »Krieg führen« am nächsten kommt4, ist im Jesajabuch 21 Mal (in 19 Versen5) belegt.6 Der Begriff besitzt aufgrund der relativ geringen Zahl an Vor2 In Jes 2,4 wird nicht mehr für den Krieg gelernt (hmxlm dw[ wdmly al). Eine historisierende Notiz über den syro-ephraimitischen Krieg findet sich in Jes 7,1. Weitere Stellen von hmxlm ohne erkennbare direkte göttliche Einflussnahme sind Jes 21,15; 22,2; 28,6; 36,5; 41,12. 3 Die Verteilung von ~xl ist nochmals unter der Kategorie »Kriegshandlungen« ! »im Kampf« aufgeführt, da das Verb vor allem konkrete Kampfhandlungen beschreibt. 4 Wie andere altorientalische Sprachen unterscheidet auch das biblische Hebräisch nicht zwischen konkreten Kampfhandlungen und dem Krieg als Abstraktbegriff; vgl. W. Helck, Art. Krieg, 766. 5 Alle statistischen Angaben, die im Rahmen der Studie gemacht werden, erfolgen auf Basis von bibleworks 6.0. 6 Jes 2,4; 3,2.25; 7,1 (2x); 13,4; 19,2; 20,1; 21,15; 22,2; 27,4; 28,6; 30,32 (2x); 36,5; 37,8 f.; 41,12; 42,13.25; 63,10.

Kriegsgewalt im Jesajabuch – ein semantischer Überblick

41

kommen7 für die gesamte Prophetenschrift zwar keinen Leitwortcharakter, er ist aber in allen drei Buchteilen belegt. Mit 17 Belegen liegt der Schwerpunkt eindeutig in Jes 1 – 39. Ein Bezug zu Jhwh lässt sich an 8 Stellen erkennen: In Jes 3,25 verheißt Gott, dass Zions Streitmacht (hrwbg) im Krieg fallen werde. In Jes 13,4 mustert Jhwh Zebaoth sein Kriegsheer (hmxlm abc). In Jes 19,2 ist Gott zwar nicht selbst kriegerisch aktiv, aber er stachelt die Ägypter zum Kampf gegeneinander auf. Im Zentrum des zweiten Weinbergliedes (Jes 27,2 – 6) spricht Jhwh davon, Widerstände wie Dornen und Disteln (vgl. 5,6) bekämpfen zu wollen (27,4), sollte er diese in seinem Volk noch vorfinden. Ohne Scheu, ja euphorisch, wird göttliche Kriegsgewalt im Spruch gegen Assur (Jes 30,27 – 33) zur Darstellung gebracht. Dort kämpft Jhwh gegen Assur (V.32), während Israel das göttliche Treiben mit Pauken- und Zithernklang begleitet (vgl. V.29) und so die Siegesfeier bereits vorwegnimmt (vgl. Ex 15,20; Ri 11,34; 1 Sam 18,6). Trotz der Heilsperspektive, von der Jes 40 – 55 geprägt sind, wird Jhwh auch in Deuterojesaja kriegerisch aktiv.8 Jes 42,13 verheißt für die unmittelbare Zukunft, dass Jhwh »wie ein Kriegsmann« (hmxlm vyak) seinen Eifer erweckt und gewaltsam aktiv wird. V.25 blickt hingegen auf göttliches Gewalthandeln zurück. Der Krieg, auf den das Babylonische Exil folgte, wird als Gottes militärisch vollzogenes Strafgericht gedeutet: Weil Israel nicht auf Jhwhs Wegen gehen wollte, goss er seine Zornesglut und Kriegsgewalt (hmxlm zwz[) auf das Volk aus. Jenes Deutungsschema, nach dem Jhwh Israels Sünden mit militärischer Gewalt bestraft, bildet eine tragende Kriegskonzeption der gesamten Prophetenschrift und liegt auch den Belegen von hmxlm in Jes 56 – 66 zugrunde: Weil die Israeliten Gottes Geist betrübt hatten und widerspenstig waren, wandelte sich Jhwh nach Jes 63,10 zum Feind und kämpfte gegen es. Dabei handelt es sich um die einzige Stelle in Jes 56 – 66, in der das Lexem ~xl belegt ist. Dies heißt jedoch nicht, dass die letzten Kapitel des Großjesajabuches frei von göttlicher Gewalt wären. Denn in der gesamten Prophetenschrift wird ein breites Spektrum an gewalthaltigem Vokabular eingesetzt, um diesen Aspekt im Gottesbild hervorzuheben.

7 Aufgerechnet auf die Gesamtzahl der Verse rangiert das Jesajabuch im innerbiblischen Vergleich im Mittelfeld (Platz 16 mit 1,47 %). Spitzenreiter sind Ri (7,44 %), 1 Sam (5,55 %), Jos (5,32 %) und 2 Sam (5,18 %). Unter den Büchern der Schriftprophetie ist das Lexem am häufigsten in Ob (4,76 %, Platz 6), Jorl (4,11 %, Platz 7) und Sach (3,31 %, Platz 10) belegt. 8 Die Tatsache, dass der Buchteil sehr wohl auf die Darstellung göttlicher Gewalt zurückgreift, wird in der Forschung kaum beachtet.

42

Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

Kriegsgerät und Kriegsmannschaft Soldaten und Truppen 9

abc

13,4 24,21 34,2 10

lyx

Heer Jhwh der Heerscharen mustert ein Kriegsheer. Und an jenem Tag […] wird Jhwh das Heer der Höhe heimsuchen in der Höhe und die Könige der Erde auf der Erde. Denn Jhwh hat Zorn auf alle Nationen, und Grimm auf ihr ganzes Heer.

43,17

Heer [Jhwh,] der ausziehen lässt Wagen und Pferd, Heer und Held.

hmxlm vya 42,13

Soldat (»Kriegsmann«) Jhwh zieht aus wie ein Held, wie ein Kriegsmann weckt er den Eifer.

rwbg hrwbg

63,15

Held und Heldenkraft Ein Überrest wird umkehren, ein Überrest Jakobs, zum heldenhaften Gott. Ich habe […] meine Helden zu meinem Zorn[gericht] gerufen. [Jhwh wird] zur Heldenkraft denen, die den Kampf zurückdrängen ans Tor. Ihr Nahen, erkennt meine Heldenkraft! Jhwh zieht aus wie ein Held […], er beweist sich als Held (rbg hit.) gegen seine Feinde. Wo sind dein Eifer und deine Heldenkraft?

~yvwdqm 13,3

(zum Krieg) »Geheiligte« Ich habe meine Geheiligten entboten.

r[n rwxb 13,18 (31,8)

Junge(r Krieger)11 [Ihre] Bogen werden junge Krieger niederstrecken. Und Assur wird fallen durch das Schwert, [aber] nicht eines Mannes […] und seine jungen Männer werden zur Zwangsarbeit [gezwungen] werden.

10,21 13,3 28,6 33,13 42,13

9 In Jes 40,26; 45,12 wird das Hervortreten des himmlischen »Heeres« (abc) auf Gott zurückgeführt (vgl. 34,4). 10 In Jes 36,2 verfügt der König von Assur über ein »schweres Heer« (dbk lyx), welches er von Lachisch nach Jerusalem sendet. 11 Hier werden nur jene Stellen aufgeführt, in denen eine militärische Konnotation feststellbar ist und nicht der Aspekt des biologischen Alters im Vordergrund steht (so etwa in Jes 7,16; 11,6). Zur Problematik der Abgrenzung siehe A. Michel, Gewalt, 14 – 16.

Kriegsgewalt im Jesajabuch – ein semantischer Überblick

43

Ausrüstung/Bewaffnung:12 brx

Schwert Wenn ihr […] widerspenstig seid, sollt ihr vom Schwert gefressen werden. Denn der Mund Jhwhs hat geredet. Deine Männer werden durch das Schwert fallen und deine Helden im Krieg. Wer irgend ergriffen wird, soll durch das Schwert fallen. Jhwh wird mit seinem harten, großen und starken Schwert den Leviatan heimsuchen […] und wird das Ungeheuer erschlagen. Und Assur wird fallen durch das Schwert, nicht [das] eines Mannes; und das Schwert, nicht Menschen, wird es fressen. Und es wird vor dem Schwert fliehen. Denn trunken ist im Himmel mein Schwert. Siehe, auf Edom fährt es herab. Ein Schwert hat Jhwh, voll von Blut […]. Denn ein Schlachtopfer hält Jhwh in Bosra und ein großes Schlachten im Land Edom. Siehe, ich will ihm [Sanherib] einen Geist eingeben, dass er ein Gerücht hört und in sein Land zurückkehrt. Dann will ich ihn in seinem Land durchs Schwert fällen. [Wer] gibt Nationen vor ihm [Kyros] dahin und stürzt Könige hinab? Sein Schwert macht sie wie Staub. Er hat meinen Mund wie ein scharfes Schwert gemacht, hält mich versteckt im Schatten seiner Hand. Dies beides hat dich getroffen […]: Verwüstung und Zusammenbruch, Hunger und Schwert. Ich habe euch für das Schwert bestimmt, und ihr alle werdet zur Abschlachtung in die Knie brechen, weil ich gerufen habe, ihr aber nicht geantwortet habt. Denn mit Feuer hält Jhwh Gericht, mit seinem Schwert [vollzieht er es] an allem Fleisch.

jbv

(Schlag)stock Wehe, Assur, Stock meines Zorns! Und er wird den Gewalttätigen schlagen mit dem Stock seines Mundes. Zerbrochen hat Jhwh den Stab der Gottlosen, den Herrscherstock. Ja, von Jhwhs Stimme wird Assur zerschlagen, wenn er mit dem Stock dreinschlägt.

1,20 3,25 13,15 27,1 (31,8) 34,5 34,6 37,7 (41,2) 49,2 51,19 65,12 66,16

13

10,5 11,4 14,5 30,31

12 Einen knappen Überblick über Jhwhs Bewaffnung geben auch J. Briend, Krieger ; sowie H. Fredriksson, Jahwe als Krieger, 94 – 101. 13 Als Repräsentationsform für die Gewalt fremder Völker : Jes 9,3; 10,15.24 (Assur); 14,5 (Babylon); 14,29 (Assur).

44

Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch 14

hjm

(Schlag)stab Und der Stab meines Zorns – in ihrer Hand ist er. Und Jhwh der Heerscharen wird schwingen […] seinen Stab über das Meer, und er wird ihn erheben in der Art Ägyptens. Zerbrochen hat Jhwh den Stab der Gottlosen, den Herrscherstock. Jeder Hieb des Zuchtstabes, den Jhwh auf es [Assur] niedersausen lässt, [erfolgt] unter Tamburin- und Zitherspiel.

tvq

Bogen Ihre Pfeile sind geschärft und all ihre Bogen gespannt. [Ihre] Bogen werden junge Männer niederstrecken. [Wer] gibt Nationen vor ihm [Kyros] dahin und stürzt Könige hinab? […] Sein Bogen [macht sie] wie verwehte Strohstoppeln.

15

Pfeil Ihre Pfeile sind geschärft und all ihre Bogen gespannt. Und er hat mich zu einem geschärften Pfeil gemacht.

10,5 10,26 14,5 30,32

5,28 13,18 (41,2)

#x

5,28 49,2

hqyz 50,11

hpva 49,2

Brandpfeil Seht, […] die ihr Feuer anzündet, mit Brandpfeilen euch rüstet: Lauft hinein in die Glut eures Feuers und in die Brandpfeile […]. Von meiner Hand geschieht euch das!

Köcher Er hat mich verborgen in seinem Köcher.

14 Zur Darstellung menschlicher Gewalt: Jes 9,3; 10,15.24 (Assur); 14,5 (Babylon). 15 In Jes 37,33 verheißt Jhwh, der König von Assur werde keinen Pfeil nach Jerusalem schießen.

Kriegsgewalt im Jesajabuch – ein semantischer Überblick 16

45

!gm (Schild)

— !yrv [bwk

Panzer und Helm Er zog Gerechtigkeit an wie einen Panzer und [setzte] den Helm des Heils auf sein Haupt.

dgb ly[m

(Waffen)hemd und (Waffen)mantel Und er zog Rachegewänder an als Kleidung und hüllte sich in Eifer wie in einen Mantel. Wer ist der, der von Edom kommt, von Bosra in grellroten Kleidern […]? Ich bin’s, […] der mächtig ist zu retten. Warum ist Rot an deinem Gewand und sind deine Kleider wie die eines Keltertreters? Ich zertrat sie in meinem Zorn und zerstampfte sie in meiner Erregung. Und ihr Saft spritzte auf meine Kleider, und ich besudelte mein ganzes Gewand.

59,17

59,17 63,1 63,2 63,3

17

vrp (Reiter)

— bkr

(Kriegs)wagen [Jhwh,] der ausziehen lässt Wagen und Pferd, Heer und Held.

sws

(Kriegs)pferd Die Hufe ihrer Pferde sind Kiesel gleich und ihre Räder gleich dem Wirbelwind. [Jhwh,] der ausziehen lässt Wagen und Pferd, Heer und Held.

43,17

5,28 43,17

16 Über diese Abwehrwaffe verfügen nur fremde Völker wie Elam in Jes 22,6. Assur kann damit in Jes 37,33 allerdings nichts gegen Jerusalem ausrichten. 17 Im Jesajabuch bedienen sich nur fremde Heere dieser Spezialkräfte (z. B. die Meder in Jes 21,7.9; 22,6 f.; Elam in 31,1; Ägypten in 36,9).

46

Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch 18

bcm hrwcm 29,3

hnxm 29,3

19

sn

5,26 13,2 18,3

Belagerungswall und Belagerungsgerät Und ich werde […] dich mit einem Wall einschließen und Belagerungswerke gegen dich errichten.

Heerlager Und ich werde mein Lager ringsum gegen dich aufschlagen.

Feldzeichen Und er wird ein Feldzeichen aufrichten für die Nation in der Ferne. Auf kahlem Berg richtet ein Feldzeichen auf! Ihr alle, Bewohner des Festlandes und die ihr auf der Erde ansässig seid, wenn man ein Feldzeichen auf den Bergen aufrichtet, seht hin!

Kriegshandlungen vor Kriegsbeginn: arq

48,15

(be)rufen Ich habe […] meine Helden zu meinem Zorn gerufen. […] der ich den Raubvogel rufe von Osten her, aus fernem Land den Mann meines Ratschlusses. […] ja, ich habe ihn [Kyros] gerufen.

awb hiph. 48,15

kommen/aufmarschieren lassen Ich habe ihn [Kyros] kommen lassen, und sein Weg wird gelingen.

13,3 46,11

qrv 5,26 7,18

herbeipfeifen Er wird sie [die Nation in der Ferne] herbeipfeifen vom Ende der Erde. An jenem Tag wird Jhwh die Fliege am Ende der Ströme Ägyptens und die Biene im Land Assur herbeipfeifen.

18 In Jes 37,33 verheißt Jhwh, der König von Assur werde keinen Belagerungswall (hlls) gegen Zion aufschütten (wörtl. »ausgießen«, $pf). 19 Das Feldzeichen dient Jhwh auch als Sammelpunkt für die »Versprengten Israels« (Jes 11,12; vgl. V.10: die Wurzel Jesse als Feldzeichen für die Völker) und als Zeichen für die Nationen, die die Zionskinder in die Stadt zurückbringen sollen (49,22).

Kriegsgewalt im Jesajabuch – ein semantischer Überblick

ry[ hiph. 13,17 41,2 41,25 42,13 45,13

47

erwecken Siehe, ich erwecke gegen sie [Babylon] die Meder. Wer hat vom [Sonnen]aufgang her den erweckt, dessen Fuß Gerechtigkeit begegnet? Ich habe [Kyros] von Norden her erweckt, und er kam herbei. Jhwh zieht aus wie ein Held, wie ein Kriegsmann weckt er den Eifer. Ich, ich habe ihn [Kyros] erweckt in Gerechtigkeit. [… Er] wird meine Stadt bauen und meine Weggeführten freilassen.

$ws

anstacheln Doch Jhwh wird die Gegner Rezins über es erhöhen und seine Feinde anstacheln. Und ich will Ägypten gegen Ägypten anstacheln, dass sie kämpfen werden.

bgf

erhöhen Doch Jhwh wird die Gegner Rezins über es erhöhen.

Gsa

13,4

sammeln Horch! Getöse von Königreichen, von versammelten Nationen!

dqp pi. 13,4

mustern Jhwh der Heerscharen mustert ein Kriegsheer.

9,10 19,2

9,10

20

rza

gürten/rüsten Gerechtigkeit wird der Gürtel seiner [des königlichen Sprosses] Hüften sein und die Treue der Gürtel seiner Lenden. Ich gürte dich, ohne dass du [Kyros] mich erkannt hast.

vbl

kleiden/rüsten Er zog Gerechtigkeit an wie einen Panzer […] und er zog Rachegewänder an als Kleidung.

11,5 45,5

59,17

21

10,6

hwc

befehlen Gegen das Volk meines Grimmes entbiete ich ihn [Assur].

20 In Jes 50,11 sind es Jhwhs Gegner, die sich mit Brandpfeilen rüsten. Dass sie mit ihrem Tun letztlich ins eigene Verderben laufen, wird auf Gottes Wirkmacht zurückgeführt (~kl taz-htyh ydym). 21 Die Wurzel wird auch sonst hauptsächlich mit göttlichem Subjekt verwendet (Jes 5,6; 34,16).

48

Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

Fortsetzung 21

hwc

befehlen Ich habe meine Geheiligten entboten. Jhwh hat gegen Kanaan aufgetragen, seine Festungen zu zerstören. Ich [war es], [meine] Hände haben die Himmel ausgespannt, und all ihrem Heer habe ich Befehl gegeben.

xlv

aussenden Gegen eine gottlose Nation sende ich ihn [Assur]. Wenn sie [die Ägypter] zu Jhwh schreien werden wegen der Unterdrücker, dann wird er ihnen einen Retter senden; der wird den Streit führen und sie erretten. Um euretwillen habe ich nach Babel gesandt. Und ich stoße herunter all die Riegel. Ich habe ihn [Kyros] erweckt in Gerechtigkeit. […] Er wird meine Weggeführten aussenden/freilassen.

13,3 23,11 45,12

10,6 19,20 43,14 45,13

Gsa pi. 52,12

die Nachhut bilden Jhwh zieht vor euch her, und eure Nachhut ist der Gott Israels.

[wr xrc 42,13

den Schlachtruf erheben Jhwh […] erhebt einen Schlachtruf, ja, ein gellendes Feldgeschrei.

im Krieg 22

acy

26,21 (37,36) (40,26) 42,13 43,17

(zum Krieg) ausziehen Denn siehe, Jhwh zieht aus seiner Stätte aus, um die Schuld der Erdenbewohner an ihnen heimzusuchen. Da zog ein Engel Jhwhs aus und schlug im Lager von Assur 185.000 [Mann]. Wer hat diese [die Sterne] geschaffen? Er, der ihr Heer hervortreten lässt. Jhwh zieht aus wie ein Held, wie ein Kriegsmann weckt er den Eifer. [Jhwh,] der ausziehen lässt Wagen und Pferd, Heer und Held.

Bei der Aufforderung an Hiskija, sein »Haus zu bestellen« ($tybl wc, 38,1; vgl. 2 Sam 17,23), handelt es sich um einen terminus technicus (vgl. Jes 55,4: hwcm »Gebieter«). Damit fällt die Befehlsgewalt (hwc) im Jesajabuch ausschließlich in den göttlichen Kompetenzbereich (vgl. ex negativo Jes 45,11; 48,5). 22 In Jes 37,9 zieht der König von Kusch zum Kampf gegen Assur aus (~xlhl acy).

Kriegsgewalt im Jesajabuch – ein semantischer Überblick 23

l[ ~wq pi. 14,22

24

dyb !tn 36,15 37,10 47,6

sich erheben (gegen) Und ich werde mich gegen sie erheben, spricht Jhwh der Heerscharen, und werde von Babel ausrotten Namen und Überrest […]. in die Hand/Gewalt geben Und Hiskija vertröste nicht […], indem er sagt: Jhwh wird uns gewiss retten; diese Stadt wird nicht in die Hand des Königs von Assur gegeben werden! Dein Gott täusche dich nicht, auf den du vertraust, indem du sagst: Jerusalem wird nicht in die Hand des Königs von Assur gegeben werden! Ich war erzürnt über mein Volk […] und ich gab sie in deine Hand.

25

rwg

angreifen Siehe, wenn man auch angreift, so [geschieht es] nicht von mir aus. Wer dich angreift, wird um deinetwillen fallen.

~xl

bekriegen Und ich will Ägypten gegen Ägypten aufstacheln, dass sie kämpfen werden. Und mit geschwungenem Arm wird er in Kriegen gegen es [Assur] kämpfen. Sie [die Israeliten] sind widerspenstig gewesen […]; da wandelte er sich ihnen zum Feind: Er selbst kämpfte gegen sie.

abc

kämpfen Und wie ein Traum […] wird die Menge all der Nationen sein, die Krieg führen gegen Ariel, und ihre Befestigung zu Felde ziehen und sie bedrängen. Wie der Löwe […], so wird Jhwh der Heerscharen herabsteigen, um auf dem Berg Zion und auf seinem Hügel zu kämpfen.

hkn

schlagen Wohin wollt ihr [das Volk] noch geschlagen werden? Darum ist Jhwhs Zorn entbrannt, er hat seine Hand ausgestreckt gegen ihn [Israel] und ihn geschlagen.

54,15

19,2 30,32 63,10

29,4 31,4

1,5 5,25

49

23 In Jes 31,2 fehlt dem göttlichen Aktivwerden eine kriegsspezifische Konnotation. 24 In Jes 22,21 liegt kein direkter Kriegszusammenhang vor: Jhwh gibt Schebnas Herrschaft (hlvmm) in die Hand/Gewalt von Eljakim. 25 Im Jesajabuch ist die Wurzel kein terminus technicus für kriegerische Angriffe (vgl. Jes 11,6; 16,4; 52,4). Nur in einigen Klagepsalmen trägt die Wurzel diese Bedeutung (Ps 56,7; 59,4), wobei dort weitere Kriegsmotive eingespielt werden (vgl. Ps 56,8; 59,6).

50

Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

Fortsetzung hkn

schlagen Aber das Volk kehrt nicht um zu dem, der es schlägt, und Jhwh der Heerscharen suchen sie nicht. Hat er es geschlagen, wie er die schlug, die es schlugen? Ja, von der Stimme Jhwhs wird Assur zerschlagen, wenn er mit dem Stock dreinschlägt. Da zog ein Engel Jhwhs aus und schlug im Lager von Assur 185.000 [Mann]. Wir aber, wir hielten ihn für geplagt, geschlagen von Gott und erniedrigt. Wegen der Sünde […] zürnte ich und schlug es [das Volk], indem ich mich verbarg und erzürnt war. […] denn in meinem Zorn habe ich dich [Zion] geschlagen, aber in meiner Huld habe ich mich über dich erbarmt.

htx

(zer)schlagen […] noch 65 Jahre, dann ist Ephraim zerschlagen. […] den Stock des Treibers zerschlägst du wie am Tag von Midian! Von Jhwhs Stimme wird Assur zerschlagen sein.

[fp

schreiten/einschreiten Fände ich Dornen und Disteln, im Krieg würde ich auf sie losgehen, sie allesamt verbrennen!

bkr

daherreiten Siehe, Jhwh fährt auf einer schnellen Wolke und kommt nach Ägypten.

9,12 27,7 30,31 (37,36) 53,4 57,17 60,10

7,8 9,3 30,31

27,4

19,1

rwc hnx 29,3

belagern Und ich werde mein Lager ringsum gegen dich aufschlagen und dich mit einem Wall einschließen und Belagerungswerke gegen dich errichten.

dry hiph. 43,14

herunterstoßen So spricht Jhwh, euer Erlöser, der Heilige Israels: Um euretwillen habe ich nach Babel gesandt. Und ich stoße herunter all die Riegel.

~mh

verwirren Denn ein Tag der Bestürzung, der Zertretung und der Verwirrung [ist] für Adonaj.

22,5

Kriegsgewalt im Jesajabuch – ein semantischer Überblick

xbj

(ab)schlachten/Schlachten Er hat an ihnen [allen Nationen] den Bann vollstreckt, sie zur Schlachtung dahingegeben. Denn ein Schlachtopfer hält Jhwh in Bosra und ein großes Schlachten im Land Edom. Ich habe euch [die Frevler] für das Schwert bestimmt, und ihr alle werdet zur Abschlachtung in die Knie brechen.

rqd

durchbohren Wer irgend gefunden wird, soll durchbohrt werden.

bcx

(ab)hauen Bist du es nicht, der Rahab zerhauen hat?

llx

durchbohren Bist du es nicht, der […] das Seeungeheuer durchbohrt hat?

34,2 34,6 65,12

13,15

51,9 26

51,9 brxb lpn 3,25 13,15 31,3 31,8 37,7

27

ddr

41,2 45,1

28

60,12

51

brx

durch das Schwert fallen Deine [Jerusalems] Männer werden durch das Schwert fallen. Wer irgend ergriffen wird, soll durch das Schwert fallen. Und Jhwh streckt seine Hand aus, da stürzt der Helfer, und der, dem geholfen wird, fällt. Und alle miteinander gehen sie zugrunde. Assur wird fallen durch das Schwert, [aber] nicht [das] eines Mannes. Siehe, ich will ihm einen Geist eingeben, dass er […] in sein Land zurückkehren wird. Dann will ich ihn in seinem Land durchs Schwert fällen. unterwerfen [Wer] gibt Nationen vor ihm [Kyros] dahin und stürzt Könige hinab? So spricht Jhwh zu seinem Gesalbten, zu Kyros, den ich bei seiner Rechten ergriffen habe, um Nationen vor ihm zu unterwerfen. verwüsten/in Trümmer legen Denn die Nation und das Königreich, die dir nicht dienen wollen, werden zugrundegehen. Diese Nationen werden verheert werden, ja verheert.

26 Während beim Durchbohren des Gottesknechtes (Jes 53,5) kein Kriegskontext auszumachen ist, handelt es sich bei den übrigen Belegen um Derivate der Wurzel llx I (»entweihen«). 27 Die Wurzel ist außerhalb des Jesajabuches nur mehr in Ps 144,2 belegt. Dort preist David Jhwh als denjenigen, der ihm sein Volk unterwirft (ym[ ddr hiph.). 28 In Jes 37,18 gesteht Hiskija im Gebet den Königen von Assur zwar zu, alle Nationen verheert

52

Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

vjr 13,16 13,18 k: lgv q: bkv 13,16

(Kinder) zerschmettern Ihre Kinder werden vor ihren Augen zerschmettert, ihre Häuser geplündert und ihre Frauen vergewaltigt werden. Bogen werden junge Männer zerschmettern. vergewaltigen Ihre Kinder werden vor ihren Augen zerschmettert […] und ihre Frauen vergewaltigt.

nach dem Krieg 29

~rx

Bannweihe Er hat an ihnen [allen Völkern] den Bann vollstreckt, sie zur Schlachtung dahingegeben. Denn trunken ist im Himmel mein Schwert. Siehe, auf Edom fährt es herab und auf das Volk meines Bannes30 zum Gericht. Und ich gab Jakob dem Bann und Israel den Hohnreden preis.

llv zzb

rauben und erbeuten Denn ehe der Junge zu rufen versteht: »Mein Vater!« […] wird man den Reichtum von Damaskus und das Raubgut von Samaria vor dem König von Assur hertragen. Gegen das Volk meines Grimmes entbiete ich ihn [Assur], Raub zu rauben und Beute zu erbeuten. Miteinander werden sie [Ephraim und Juda] die Söhne des Ostens ausplündern. Wer hat Jakob der Plünderung preisgegeben und Israel den Räubern? Nicht Jhwh, gegen den wir gesündigt haben?

34,2 34,5 43,28 31

8,4 10,6 11,14 42,24

zu haben. Gegen Jhwh wird Sanherib jedoch nichts ausrichten können. In Jes 49,17 wird Zion verheißen, dass ihre Verheerer die Flucht ergriffen haben, während die Erbauer bereits herbeieilen. 29 Dazu liest sich Jes 37,11 als Teil der Rabschakerede wie ein Gegentext, der Assurs Anmaßung unterstreicht: »Siehe, du hast gehört, was die Könige von Assur mit allen Ländern getan haben, indem sie an ihnen den Bann vollstreckten (~rx hiph.). Und du solltest gerettet werden?« 30 Diese Konstruktion hat ein Pendant in Jes 10,6, wo Gott Israel als »Volk meines Grimms« (ytrb[ ~[) bezeichnet. 31 Die Wurzel kann auch als Vergleichspunkt für ausgelassene Freude (Jes 9,2; vgl. 33,23) und als Zeichen der Ehre für den Gottesknecht (53,12) dienen. Das Rauben kann zudem menschliches Fehlverhalten ohne erkennbaren kriegerischen Hintergrund ausdrücken (vgl. 10,2; 33,4; 59,15).

Kriegsgewalt im Jesajabuch – ein semantischer Überblick

hsv sfv 10,13 42,2432

sm abc 31,8 40,2

53

plündern Denn er sagte: »[…] Ich beseitige die Grenzen der Völker und plündere ihre Schätze und stoße die Bewohner hinab wie ein Starker.« Wer hat Jakob der Plünderung preisgegeben und Israel den Räubern? Nicht Jhwh, gegen den wir gesündigt haben?

Zwangsarbeit und Frondienst Und Assur wird fallen durch das Schwert, nicht [das] eines Mannes; […] und seine jungen Krieger werden zur Zwangsarbeit [gezwungen] werden. Redet zum Herzen Jerusalems und ruft ihr zu, dass erfüllt ist ihr Frondienst.

Der Blick auf das erweiterte Wortfeld von Militär und Krieg macht aus der schmalen lexikalischen Ausgangsbasis, die die Analyse von ~xl/hmxlm ergab, einen beachtlichen Fundus an relevanten Stellen göttlicher Kriegsgewalt. Vom ersten bis zum letzten Kapitel der Prophetenschrift wird Jhwh in Beziehung zu Gewalt und/oder deren brutalen Folgen gesetzt. Eine erschöpfende Untersuchung aller Stellen in ihrem jeweiligen literarischen Kontext würde den Rahmen der Arbeit mit Sicherheit sprengen. Durch die Anordnung der Belege nach ihrer synchronen Stellung im Buchganzen wurden jene Schwerpunkte göttlicher Kriegsgewalt sichtbar, die für eine intensivere Betrachtung relevant sind. Sie dienen als paradigmatische Beispiele für die Art und Weise, wie das Jesajabuch Jhwh gewalttätig in Erscheinung treten lässt. Neben dem Proömium (Jes 1,1 – 2,5) und den Schlusskapiteln (Jes 65 f.), die dem Großjesajabuch als theologische Ouvertüre und Schlusskadenz dienen, gehören dazu vor allem die Assurkapitel (Jes 5,2 – 30; 10,5 – 34; 14,24 – 27), die Visionen über den Untergang Babels (Jes 13,1 – 14,23; 21,1 – 10) im größeren Kontext der Fremdvölkerorakel (Jes 13 – 23), sowie die beiden Edomsprüche (Jes 34; 63,1 – 6) und das göttliche Weltgericht in Jes 24 – 27, das besonders in Jes 24,21 – 23; 26,21 – 27,1 unter kriegerische Vorzeichen gestellt wird. Im Durchgang durch die Teilkompositionen, in denen diese theologischen Gewalttexte zu stehen kommen, sind darüber hinaus Schlaglichter auf weitere Orakel aus der lexikalischen Bestandsaufnahme zu werfen. Die Untersuchung folgt strukturell der Duhmschen Unterscheidung von Protojesaja (Jes 1 – 39), Deuterojesaja (Jes 40 – 55) und Tritojesaja (Jes 56 – 66). Diese Unterteilung stellt weiterhin eine tragfähige Grobgliederung für einen Durchgang durch die Prophetenschrift dar,33 obgleich sie unter diachronen 32 Jes 42,22 bezeichnet Israel als beraubtes und ausgeplündertes Volk (vgl. 17,14). 33 Vgl. Chr. B. Hays, Isaiah, 552.

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

Gesichtspunkten zu differenzieren ist.34 Die Forschung hat den Nachweis erbracht, dass das Jesajabuch aus durchkomponierten Teilkompositionen besteht, welche das Produkt einer komplexen Entstehungsgeschichte sind.35 Durch ihre Brückentexte und literarischen Grundpfeiler bildet die Prophetenschrift ein diachron gewachsenes, synchron strukturiertes Ganzes.36 So ist die Dimension der kompositionellen Schwerpunktsetzung bei der Suche nach den literarischen Orten göttlicher Gewalt einzuschließen. John D. Watts verweist zu Recht darauf, dass »the heart and meaning of the vision cannot be caught in a list of terms nor in a survey of images. These provide the bricks for a building.«37 Dies gilt ausdrücklich auch für die gewalthaltigen Gottesbilder innerhalb der Prophetenschrift, selbst wenn aufgrund der Fülle an relevanten Texten nicht alle Belege göttlicher Gewalt en d¦tail beleuchtet werden können. Um Tragweite und Funktion dieser theologischen Bausteine beleuchten zu können, muss deren Stellung im kompositionellen Gefüge der »literarischen Kathedrale«38 ausreichend Berücksichtigung finden. Daher wird in jedem Kapitel zunächst die Grundstruktur der Teilkomposition unter der Perspektive einer »diachron reflektierten Synchronie«39 umrissen, um die militärischen Gottesbilder in ihrem literarischen Makrokontext wahrnehmen zu können.

4.1

JHWH als Kriegsherr, Assurs Gewalt gegen Israel und ihr Ende (Jes 1 – 12)

4.1.1 Grundstruktur der Teilkomposition Die erste Teilkomposition (Jes 1 – 12) lässt sich unter kompositionellen Gesichtspunkten in mehrere Subeinheiten gliedern:1 Das doppelte Proömium (Jes 1,2 – 2,5; 2,6 – 4,1) mündet in eine hymnenartige Interzession (Jes 4,2 – 6), welche zugleich zum Weinberglied (Jes 5,1 – 7) überleitet. Dieses fungiert zusammen mit den Wehesprüchen (V.8 – 24) und der ersten Strophe des Kehrversgedichtes 34 Vgl. M. Sweeney, Recent Research, 78. Für Jes 1 – 39 siehe u. a. U. Becker, Jesaja; M. de Jong, Isaiah; sowie zusammenfassend H. C. P. Kim, Scholarship. Für Jes 40 – 55 siehe u. a. J. Werlitz, Redaktion; J. van Oorschot, Babel; R. G. Kratz, Kyros; sowie zusammenfassend für Jes 56 – 66 u. a. W. Lau, Schriftgelehrte Prophetie; P. Smith, Redaction. 35 Vgl. vor allem U. Berges, Buch. 36 Einen Überblick über die Theorieentwicklung im Laufe der Forschungsgeschichte gibt P. C. Tull, Book. 37 J. D. W. Watts, Characterization, 443. 38 Zum Jesajabuch als »literarische Kathedrale« siehe U. Berges, Jesajabuch. 39 Der Forschungsansatz wird darlegt in Ders., Buch, 535 f. sowie allgemein Ders., Synchronie. 1 Die folgende Einteilung geht zurück auf W. A. M. Beuken, Jes 1 – 12, 30 – 36.

JHWH als Kriegsherr, Assurs Gewalt gegen Israel und ihr Ende (Jes 1 – 12)

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(V.25 – 30) als Vorspann zur jesajanischen Denkschrift (Jes 6 – 8). Die Komposition (Jes 5,1 – 9,6), für die W. Beuken aufgrund der zentralen Verheißung des Herrscherkindes (Jes 7,14; vgl. 8,8.10) den Titel »Immanuelschrift« geprägt hat, stellt einen wichtigen literarischen Grundpfeiler des Buches dar : Einerseits wird synchron die göttliche Prophetensendung im Jerusalemer Heiligtum inszeniert (Jes 6,1 – 13) und durch Stichworte (vdq; dbk; [mv und har) zentrale Leseleitlinien in die Prophetenschrift eröffnet.2 Andererseits stammen einige Textpassagen unter diachroner Perspektive aus der Frühphase der Prophetenschrift. Manche führen möglicherweise bis an deren Ursprünge und gehen in ihrem Kern auf den historischen Propheten oder dessen unmittelbares Umfeld zurück (z. B. 8,16 – 18). Mit dem zweiten Teil des Kehrversgedichtes (9,7 – 20; vgl. 5,25 – 30) und der Wehesprüche (10,1 – 4; vgl. 5,8 – 24) sowie mit der Vision über den Spross aus dem Baumstumpf Isais (Jes 11) ertönen »drei Nachklänge auf die Immanuelschrift«3. Diese Texte stammen aus unterschiedlichen Phasen der Redaktionsgeschichte, legen sich aber auf Endtextebene ringförmig um den Kern von Jes 1 – 12. Das Zion-zentrierte Loblied auf Jhwh und sein Rettungshandeln (Jes 12,1 – 6) beschließt die Teilkomposition.4 Mit dem Aufruf, Gottes »Taten bei den Völkern bekannt zu machen« (V.4; vgl. V.5) weitet der Hymnus zugleich den Blick auf die anschließenden Fremdvölkersprüche (Jes 13 – 23).

4.1.2 Gottes Recht gegen menschliches Kriegstreiben – Gewalt im Proömium zur Prophetenschrift (Jes 1,2 – 2,5) Das Proömium besitzt für die gesamte Prophetenschrift programmatischen Charakter. In der Forschung wird Jes 1 seit langem »als Isaiasbuch in Miniatur«5 verstanden. Im Abschnitt klingen Themen an, die im weiteren Verlauf tragende Elemente bilden werden (z. B. der Rest-Gedanke, Zion/Jerusalem6, Fremdgötterkult). Eingespielt werden ebenfalls Begriffe, die sich wie rote Fäden durch die Prophetenschrift ziehen (z. B. »Recht und Gerechtigkeit« in 1,17.21.277, »Tora« in 2,38). Die Völkerwallfahrt an den Zion (Jes 2,2 – 5) präsentiert als letzte große Leseleitlinie Jhwhs Verhältnis zu den fremden Nationen.9 Daher ist dieser Text 2 3 4 5 6 7 8 9

Vgl. dazu die kompositionskritische Analyse von U. Berges, Buch, 87 – 124. W. A. M. Beuken, Jes 1 – 12, 258. Sie bildet also mit den Worten von P. Ackroyd, Structure, 16 »a unit, though not a unity«. J. Becker, Isaias, 45. Vgl. z. B. auch M. Sweeney, Isaiah, 186. Vgl. U. Berges, Zionstheologie. Vgl. dazu T. L. Leclerc, Justice, 29 – 46. Dazu I. Fischer, Tora, 24 – 36. Vgl. U. Berges, Buch, 54 – 56; W. A. M. Beuken, Jes 1 – 12, 87 – 89; Chr. R. Seitz, Isaiah, 113 f.

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nach U. Berges, W. Beuken u. a. ebenfalls zum Prolog zu zählen10, denn erst so bietet der Abschnitt tatsächlich »a succinct summary of the book’s basic themes which are dealt with in more detail«11. Unter diachroner Perspektive besteht Jes 1,1 – 2,5 aus mehreren Einzelsprüchen, die auf literarisch kunstvolle Weise miteinander verbunden wurden. Einige gehören zum ältesten Textbestand (z. B. 1,21 – 26), doch geht die »theological summary of the entire Isaianic corpus«12 in ihrer jetzigen Gestalt sicher nicht auf den historischen Propheten zurück. Auch der Eingangsvers wurde erst spät als Überschrift an den Buchanfang gestellt.13 Hingegen konnte über die literarhistorischen Hintergründe von V.2 – 9 (besonders V.5 – 8) bislang kein Forschungskonsens erzielt werden.14 Diese Offenheit könnte von den Autoren sogar intendiert gewesen sein: »Die Bucheröffnung wäre dann so offen […] gestaltet, dass sie auf die verschiedenen, im Laufe des Buches auftretenden nationalen Katastrophen gleicherweise anspielt.«15 Während die intratextuellen Bezüge zum Tritojesajabuch16 nahelegen, dass V.10 – 20 nachexilische Probleme widerspiegeln, gehört die Klage über die zur Hure verkommenen Stadt Jerusalem (V.21 – 26) zu den ältesten Texten und könnte gar auf Jesaja ben Amoz zurückgehen. Die Fortschreibungen (V.27 – 31) zeigen, dass der kompositionelle Abschluss von Jes 1 erst im spätnachexilischen Kontext plausibel zu machen ist.17 Von da an bildet das Kapitel zusammen mit der Völkerwallfahrt an den Zionsberg (Jes 2,1 – 5) den ersten Teil des zweigliedrigen Auftakts zum Großjesajabuch. 10 11 12 13 14 15 16

17

Zur Begründung ausführlich W. A. M. Beuken, Emergence. M. Sweeney, Isaiah, 32. B. S. Childs, Introduction, 331. Der sekundäre Charakter von Jes 1,1 gilt als nahezu unwidersprochener Forschungskonsens; vgl. dazu J. Goldingay, Isaiah. Vgl. E. B. Zvi, Isaiah, 95 – 98. Die Vorschläge reichen vom syro-ephraimitischen Krieg über die neuassyrische Krise (etwa bei J. Barton, Jes, 37; O. H. Steck, Friedensvorstellungen, 58 FN 158) bis in die nachexilische Zeit (z. B. U. Berges, Buch, 62 – 64). W. A. M. Beuken, Jes 1 – 12, 69. E. B. Zvi, Isaiah, 111 sieht im Prophetenspruch »a common frame against which more than one historical situation could be interpreted«. Das Feiern von »Sabbat« (tbv, V.13) und »Neumond(fest)« (vdx, V.13.14) wird nur in Jes 56,2.4.6; 58,13; 66,23 thematisiert. Auch den »Hass« (anf, 1,14) als menschliche, vor allem aber als göttliche Emotion, teilt das Proömium mit dem letzten Abschnitt der Prophetenschrift: In 60,15 macht Jhwh aus dem einst verhassten Zion (hawnf) eine »Freude von Generation zu Generation«. Nach 61,8 liebt der Gott Israels das Recht, »hasst« hingegen Raub und Unrecht. Das Lexem charakterisiert auch die innerjudäischen Konflikte, die am Ende der Prophetenschrift aufbrechen: So verheißt Jhwh seinen Knechten, dass die »Brüder, die euch hassen« (~kyanf ~kyxa) zuschanden werden (Jes 66,5); vgl. dazu Kapitel 4.6.6. Nach O. H. Steck, Untersuchungen, 192; sowie Ders., Feinde, 190 geht V.27 f. auf die nachexilische »Umkehrredaktion« zurück; nach U. Berges, Buch, 71 sind V.29 – 31 auf die noch spätere »Knechtstradition« zurückzuführen, welche durch die Einspielung der Gärten (1,29.30; 65,3; 66,17) und das Verbrennen der Abtrünnigen (1,31; 66,16.24) »die buchumfassendste Klammer schufen«. Vgl. dazu H. G. M. Williamson, Isaiah, 127.

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Inhaltlich liegt das Hauptaugenmerk des gesamten Abschnittes auf Zion/ Jerusalem, ihrer Einwohnerschaft und deren Vergehen gegenüber Jhwh. In Form von scharfen Anklagen werden die Konsequenzen des üblen Tuns präsentiert. Während Jes 1,5 f. das auf seine Abtrünnigkeit beharrende Volk als durch Schläge gezüchtigter Körper darstellen, dem Heilung und Linderung versagt bleiben, wechselt V.7 zu topographischen Bildern. Prägend werden nun mit der Präposition k eingeleitete Vergleiche für Zions aussichtslose Situation. Jhwhs Schläge verwandeln das Land in ein verheertes Gebiet (Jes 1,7 – 9) 7

Euer Land – eine Öde, eure Städte – verbrannt [mit] Feuer, euer Ackerland – Fremde verzehren es vor euch, und Öde [ist es] wie eine Umkehrung von Fremden. 8 Übrig gelassen ist die Tochter Zion wie eine Laubhütte im Weinberg, wie eine Nachthütte im Gurkenfeld, wie eine belagerte Stadt. 9 Hätte nicht Jhwh Zebaoth übrig gelassen für uns einen kleinen Rest, wie Sodom wären wir geworden, Gomorra wären wir gleich.

Trotz veränderter Motivik ist der Abschnitt (Jes 1,5 – 8) als Einheit auszulegen.18 Lediglich V.9 gibt sich nicht nur syntaktisch, sondern auch inhaltlich und theologisch als Fortschreibung zu erkennen. Formal deutet sich dies durch den Rednerwechsel (1. Pl.) und die Anbindung an V.8 über den Begriff rty an.19 »Als direkte Schilderung nach dem Bild 1,5 – 6 gehören die Verse 7 und 8 eng zusammen und beschreiben die Verwüstung des Landes ›von der Fußsohle bis zum Kopf‹, von dem Gebiete Judas bis nach Jerusalem, das durch die Zerstörung des Umlandes in das Gericht selbst einbezogen ist.«20 Ohne den Transfer des Bildes vom geschlagenen Körper auf die Sachebene (V.7 f.) bliebe V.5 f. unverständlich. Jes 1,7 präsentiert Juda als ein verödetes Land (hmmv ~kcra), dessen Städte niedergebrannt wurden (va twprf ~kry[). Dabei handelt es sich nach atl Sprachgebrauch um typische Folgen militärischer Auseinandersetzungen (z. B. Lev 26,33; Num 31,10; Jos 6,24; Ri 18,27; 1 Sam 30,3; 1 Kön 9,16; Jer 37,10).21 Wenn im sog. Auditionsbericht (Jes 6,8 – 11) der Prophet fragt, wie lange Gott dem Volk 18 So M. Sweeney, Isaiah, 104; M. De Jong, Isaiah, 158 – 160; sowie U. Berges, Buch, 63 f., der bereits V.8 als redaktionelle Erweiterung wertet, da dieser anders als V.5 – 7 keine Anknüpfung an das Ende des Dtn bietet, sondern über die Erwähnung der »zerfallenen Hütte Davids« (tlpnh dywd tks) seine engste Parallele in Am 9,11 besitzt. 19 M. Sweeney, Jes, 77. 20 Vgl. Z. Kustár, Krankheit und Heilung, 43. 21 J. Blenkinsopp, Jes 1 – 39, 183: »The image presented here describes the result of hostile military action rather than earthquake«.

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seine heilvolle Zuwendung versagen wird, verweist der Angesprochene auf die Zeit, bis der Erdboden »Verwüstung« ist (hmmv, Jes 6,11). Das Volksklagelied (Jes 63,7 – 64,11) blickt auf jene Zeit zurück, als Zion selbst hmmv war (64,9), während in Jes 62,4 der Name des Landes von »Öde« zu »(mit Jhwh) Verheiratete« (hlw[b) wechselt. Mit den verwendeten Bildern werden die Anklagen und Drohungen, die im weiteren Verlauf der Prophetenschrift ertönen werden, bereits zu Beginn als eingetroffene Verheißungen dargestellt. Im B-Kolon von Jes 1,7 erfährt das kriegerische Bedrohungsszenario eine zusätzliche Steigerung: Nun ist auch die Versorgung mit Lebensmitteln gewaltsam unterbrochen. Der hier beschriebenen Situation, dass Fremde das eigene Land22 verzehren, sind Menschen immer dann ausgesetzt, wenn Armeen durch das Gebiet ziehen und die mühsam bestellten Felder zu ihrer Versorgung nutzen (vgl. Dtn 28,33).23 Mit diesem Bild schlägt der Beginn des Jesajabuches eine literarische Brücke zum Schluss des Dtn.24 Die Flüche, die in Dtn 28,15 – 68 über die Vertragsbrüchigen u. a. in Form von Kriegsgewalt hereinbrechen (vgl. V.49 – 57), sind nach Darstellung von Jes 1 schmerzliche Realität geworden. Der Vergleich mit der »Umkehrung durch Fremde« (~yrz tkphmk, V.7bb) deutet in denselben literarischen Kontext (Dtn 29,22 in Verbindung mit hrm[w ~ds, vgl. Jes 1,9; Jer 49,18; 50,40) und weist zugleich intratextuell auf das erste Kapitel der Fremdvölkersprüche voraus. Dort ist Babylon, dem Zerstörer Jerusalems und Jhwhs großem Widersacher, ein ähnliches Schicksal vorherbestimmt (Jes 13,19).25 In V.8 richtet sich der Blick vom offenen Land, das augenscheinlich durch einen militärischen Einfall verheert wurde, auf die Hauptstadt. Auch an ihr ist der Krieg nicht spurlos vorübergegangen. Sie ist wie eine belagerte Stadt (ry[k 26 hrwcn) geworden. Belagerungen waren im Alten Orient eine gängige Art der Kriegsführung (vgl. z. B. Dtn 20,19; 2 Sam 20,15; 2 Kön 24,11; Jer 21,9), während offene Feldschlachten aufgrund des Risikos hoher Verluste eher vermieden wurden. Wer im Fall von Jes 1,8 die Belagerung gegen Zion durchführt, bleibt auf der Textoberfläche allerdings ungesagt. So drängt sich eine Frage umso stärker auf: Welche Rolle spielt Jhwh in diesem militärischen Untergangsszenario? Es besteht kein Zweifel, dass Gott hinter der in Jes 1,7 f. beschriebenen Situation seines Volkes steht. Doch bleibt Jhwh auf der Textebene unsichtbar und damit auch in der Inszenierung militärischer Gewalt im Hintergrund. Statt auf 22 Damit sind die agrarischen Lebensgrundlagen gemeint (vgl. Dtn 28,33.51; Ps 105,35 jeweils mit yrp). 23 Vgl. W. Mayer, Kriegskunst, 431 f. 24 Vgl. L. Perlitt, Deuteronomisten; B. Gosse, Deut¦ronome. 25 Vgl. Kapitel 4.2.2.1. 26 Mit LXX und Tg ist hier hrwcn als nif. von rwc (»belagern«) statt als qal pass. von rcn (»beschützen«) zu lesen. Womöglich spielt der Text aber gerade mit dieser Ambivalenz.

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den göttlichen Kriegshandlungen liegt der Fokus auf deren brutalen Folgen. Diese Art der Präsentation bekräftigt die Botschaft der Eingangsszene, indem die Leserschaft in die Position des störrischen Volkes versetzt wird: »Das Gericht ist durch JHWH selber über das Volk gebracht worden, dieses aber erkennt den Urheber davon nicht, sondern nur, dass es ›geschlagen‹ worden ist.«27 Der eigentliche Täter lässt sich nur aus V.9 erschließen, wo Jhwh erstmals nach V.2 wieder als Protagonist in Erscheinung tritt (vgl. V.4: hwhy-ta wbz[). Dass er sich hier zudem das erste Mal als twabc hwhy (»Herr der Heerscharen«) zu erkennen gibt, verstärkt den militärischen Unterton.28 Paradoxerweise wird aber gerade in diesem Vers die radikale Vernichtung seines Volkes ein stückweit abgemildert, indem Gott einen winzigen Rest übrig lässt (j[mk dyrv rty hiph.). Durch diese sekundäre Fortschreibung kommt es zu einer Entschärfung des gewalthaltigen Gottesbildes. Denn nach V.9 hat er sein Volk nicht derart radikal bestraft wie Sodom und Gomorra. Es teilt damit nicht dasselbe Schicksal, das für Babel erhofft wird (vgl. Jes 13,19). Die biblischen Symbolstädte menschlicher Verkommenheit bilden zugleich die Überleitung zur Anklage kultischer Vergehen in Jes 1,10 – 17. Bei den angesprochenen »Fürsten von Sodom und Gomorra« (V.10) handelt es sich jedoch um jene Mitglieder der Jerusalemer Oberschicht, vor denen Gott die Augen verbirgt und auf deren Gebete er nicht hört (V.15).29 Damit reagiert Jhwh auf ihre bösen Taten (vgl. V.16 f.) in Form von privativer Gewalt. Der anschließende Aufruf zum Rechtstreit mit Gott (Jes 1,18 – 20) sagt den Unterlegenen das Gefressenwerden durch das Schwert voraus (wlkat brx, V.20).30 Diese Formulierung dient häufig zur Beschreibung exzessiver Kriegsgewalt (vgl. 2 Sam 2,26; Jes 31,8; Jer 12,12; Hos 11,6). Mit ihr spielt das Proömium abermals auf das Ende des Dtn an. Der Bezug läuft auf gewalthaltige Züge im Gottesbild des Moseliedes (Dtn 32):31 »Ich mache trunken meine Pfeile durch Blut und mein Schwert frisst Fleisch vom Blut« (V.42). Während der Gott des Moseliedes aktiv mit militärischer Gewalt gegen seine Feinde (bywa) vorgeht, werden die Folgen im Jesajabuch passiv konstruiert (lka pu.), sodass »JHWH als handelndes Subjekt ungenannt

27 K. Schmid, Jes, 49. 28 Unabhängig davon, ob das Epitheton ursprünglich aus dem militärischen Bereich stammt, stellt das AT diesen Zusammenhang her. Zum Gottestitel vgl. zuletzt U. Berges/A. Spans, Jhwh Zebaot; S. Kreuzer, Zebaoth; M. Görg, Gottestitel. 29 Vgl. dazu L. Perlitt, Verborgenheit, 375 – 377. 30 Dass dem Gewinner des Rechtsstreits der Verzehr (der Güter) des Landes zugesagt wird (wlkat #rah bwj, V.19), steht im Kontrast zur Darstellung der Kriegsfolgen in V.7 und ist als Wortspiel mit V.20 ein weiteres Indiz dafür, dass auch hinter dem Bild von V.20 Kriegsgewalt steht. 31 Vgl. O. Kaiser, Jes 1 – 12, 50; L. Perlitt, Deuteronomisten, 145; R. Bergey, Song of Moses.

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bleibt«32. Das Proömium vermeidet die Darstellung von Kriegsgewalt, die von Jhwh direkt verübt oder veranlasst wird. Bei der Beschreibung des göttlichen Gewalthandelns stehen andere Aspekte im Vordergrund: So wird Jhwh zunächst als Erzieher seiner Kinder und als Besitzer eines störrischen Volkes dargestellt (V.2). Daher wird das widerspenstige Volk geschlagen (hkn, 1,5 f.). Das göttliche Gewalthandeln in V.5 erhält vom Aufruf in V.2 her gelesen zwei Deutungsnuancen. Einerseits bekommt das Vorgehen eine pädagogische Dimension. Auf die Widerspenstigkeit, an der die Übeltäter (V.4) weiterhin unbeirrt festhalten (hrs @sy, V.5), reagiert Jhwh andererseits mit strafender Gewalt. Der Schlag führt daraufhin zu Krankheiten, weil Gott den Wunden seine heilvolle Zuwendung versagt.33 Die einzige Stelle im Proömium, an der Gott als direktes Subjekt gewalttätiger Handlungen in Erscheinung tritt, ist das Gerichtswort von Jes 1,21 – 26.34 In der Sequenz reinigt Jhwh den Zion mit gewaltsamen Mitteln von den verbrecherischen Oberhäuptern der Stadt. Das Läuterungsgericht wird aber nicht militärisch, sondern metallurgisch inszeniert. Aus dem göttlichen Schmelzofen geht Zion als »die gerechte Stadt« (qdch ry[, V.26) hervor, während die Verbrecher (~ybng yrbx, V.23) darin ihr Ende finden (vgl. V.25). Im Zentrum der Ringkomposition (V.24) verkündet Gott die Intention seiner Gewaltakte: »Ich will mich an meinen Feinden trösten (yrcm ~xna) und an meinen Gegnern Vergeltung üben (ybywam hmqna).« Gewalt dient Jhwh hier der Bestrafung verbrecherischen Verhaltens und zielt darauf ab, menschlichen Gewaltakten Einhalt zu gebieten. Denn die mit der Führung der Stadt Betrauten sind zu Mördern verkommen (vgl. V.21). Der Umstand, dass Gott hier das zweite Mal im Proömium als »Herr der Heerscharen« (V.24; vgl. V.9) in Erscheinung tritt, verleiht dem göttlichen Läuterungsgericht durchaus eine militärische Nuance. Erst nach Zions Erlösung durch Recht und Gerechtigkeit (V.27 f.), die sekundär götzenpolemisch fortgeschrieben ist (V.29 – 3135), verschiebt sich der Fokus vom Schicksal der Stadt auf jenes der gesamten Völkerwelt. Es kommt zur Völkerwallfahrt nach Jerusalem (Jes 2,1 – 5). Im Gottesbild steht nun der Aspekt juridischer Gewalt im Mittelpunkt, da Jhwhs Wort vom Zion ausgeht (V.3) und der Gott Jakobs dort zwischen den Völkern »richtet« (jpv, V.4). Auch in der Rechtsprechung schwingt der Aspekt von Gewalt mit, doch ist er in der Darstellung von Jes 2,1 – 5 nur schwach ausgeprägt: Der Ausdruck !yb jpv (V.4) meint den Rechtsentscheid zwischen streitenden Parteien (vgl. Gen 16,5; 31,53; Ex 18,16; Num 35,24; Dtn 1,16; Ri 11,27; 1 Sam 24,13.16) und beschreibt primär 32 33 34 35

W. A. M. Beuken, Jes 1 – 12, 80. Zur Krankheitsmetaphorik im Jesajabuch siehe Z. Kustár, Krankheit und Heilung. Vgl. dazu H. G. M. Williamson, Judgment. Vgl. dazu O. H. Steck, Tritojesaja.

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nicht dessen negative Konsequenzen im Sinne einer Bestrafung.36 In der Schriftprophetie ist die Konstruktion !yb jpv (neben der Parallele Mi 4,3) nur noch in Ez 34 belegt. Dort geht es um die Gegenüberstellung zwischen Jhwh und den ungerechten Richtern in Jerusalem (V.17.20.22; vgl. Gen 31,53; Ex 18,16; 1 Sam 24,16). Da die schlechten Hirten, welche eigentlich für Recht sorgen sollten, in ihrem Urteil zwischen fetten und mageren Schafen einen Unterschied machen (Ez 34,18), ist es Jhwh selbst, der als guter Hirte richten wird (V.17.20). Während Jhwh in Ez 34 zwischen Mitgliedern des eigenen Volkes entscheidet (vgl. V.11 – 16), ist seine juridische Kompetenz in Jes 2,2 – 4 auf die gesamte Völkerwelt ausgedehnt. Der Vergleich mit dem Paralleltext im Michabuch macht dies ebenfalls evident: Denn nach Jes 2 ziehen nicht nur viele Völker (~ym[ ~ybr, V.3), sondern alle Nationen (~ywgh-lk, V.237) zum Zion und beugen sich Jhwhs Richterspruch. H. H. Schmid bemerkt zwar zu Recht, dass der »Unterschied zur kriegerischen Unterwerfung, von der etwa Joel 4,9ff unter Verwendung des gleichen Bildmaterials […] spricht, […] bei weitem nicht so groß« ist; doch für die Frage nach göttlicher Gewalt macht es sehr wohl einen Unterschied, ob »dies freiwillig oder gewaltsam geschehen kann bzw. wird«38. Dass sich die Völker auf ihre eigene Initiative hin und gerade nicht unter Androhung oder Anwendung von Gewalt dem Zion zuwenden, kann als »prophetische Innovation von Jes 2,1 – 5«39 gesehen werden. Im universal ausgerichteten Schlussakkord, der die Folgen der göttlichen Rechtssprechung im Streit der Völker beschreibt, tauchen militärisch geprägte Termini und Motive wieder verdichtet auf (vgl. brx, tynx, brx afn). Zudem fällt in Jes 2,4 das erste Mal der Begriff »Krieg« (hmxlm) und zwar ausgerechnet im Rahmen einer Vision, die das Schicksal der gesamten Völkerwelt thematisiert. Das Jesajabuch zeigt damit deutlich, dass sich (altorientalische) Kriege hauptsächlich zwischen Staaten und Völkern ereignen.40 Die erste lexikalische Erwähnung von hmxlm erfolgt zudem in einer Szene, in der Krieg nicht als göttliche Sanktion, sondern als menschliches Handeln dargestellt ist. Das Kriegstreiben der Völker wird durch das Ausgehen der Tora vom Zion, durch das göttliche Wort (hwhy rbd, V.3) und Jhwhs Gerichtsentscheidung ein für alle Mal obsolet.41 Kriegsterminologie wird also aufgenommen, um friedliche Gegenbilder zur Gewalt zwischen den Nationen zu entwerfen. Denn als Folge des göttlichen 36 Analog dazu meint auch -l xky (»entscheiden für«) das Zurechtweisen bzw. das Entscheiden für die eine bzw. gegen eine andere Partei, nicht aber die daraus resultierende Sanktionierung (vgl. Ijob 16,21; Spr 9,7 f.; 15,12; 19,25). 37 Nicht nur »Völker« (~ym[) wie in Mi 4,1. 38 H. H. Schmid, Heiliger Krieg, 109. 39 W. A. M. Beuken, Jes 1 – 12, 48. 40 Siehe dazu B. Obermayer, Art. Krieg. 41 Vgl. I. Fischer, Tora, 33; M. Nissinen, Holy War to Holy Peace, 189 – 194.

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

Rechtspruches wird erwartet, dass die Menschen ihre Waffen zu agrarischen Nutzwerkzeugen umschmieden (V.4). Weil alle Völker Jhwhs richterliche Gewalt anerkennen, wird jegliches militärisches Gewaltpotential auf Zukunft hin überflüssig. Wenn darüber hinaus niemand mehr (für) den Krieg lernt (hmxlm dml, vgl. Ri 3,2; 2 Sam 22,35; 1 Chr 5,18; Ps 18,35; 144,1; Hld 2,8; Mi 4,3), reißt die Traditionskette von Kriegskunst und militärischer Ausbildung endgültig, wird die blutige Spirale der Gewalt zwischen den Völkern unwiderruflich durchbrochen.

4.1.3 Gott lässt Assur gegen das Unrecht in Jerusalem aufmarschieren (Jes 5,25 – 30) Der folgende Teilabschnitt kann das friedfertige Schlussbild des Proömiums nicht einlösen. »Nun kehrt der Blick von der Zukunft in die Gegenwart zurück.«42 Das Haus Jakob wandelt – entgegen der Aufforderung der Völker (vgl. 2,5) – eben nicht im Licht Jhwhs. Vielmehr hat Gott sein Volk verworfen (htvjn bq[y tyb $m[, V.6). Der zweite Teil des Proömiums, der mit Jes 2,6 einsetzt, entspinnt eine lange Reihe von Anklagen gegen das Jhwh-Volk. Der Fokus liegt dabei auf dem Schicksal von Zion/Jerusalem, denn Gott geht neben Jakob (2,6) und Israel (5,7), vor allem mit Juda (3,1.8; 5,3.7) und Jerusalem (3,1.8; 5,3) scharf ins Gericht. Die Anklage lautet auf Hochmut (z. B. 2,6 – 17.1943) und Götzenverehrung (2,18.20 – 22), aber auch Verstöße gegen die soziale Grundordnung (3,14 f.; 5,8 – 24) werden den führenden Kreisen in Jerusalem vorgeworfen.44 Konsequenterweise richtet sich das Gewalthandeln daher in erster Linie gegen das Jhwh-Volk.45 Endet die erste Ouvertüre mit einer weltweiten Friedensvision (Jes 2,1 – 5), in der der göttliche Richterspruch alle Kriegsanstrengungen der Völker überflüssig macht, ist am Schluss des zweiten Proömiums die »sündige Nation« (ajx ywg, vgl. Jes 1,4) das erste Ziel einer göttlichen Kriegsandrohung:

42 K. Schmid, Jes, 66. 43 S. Z. Aster, Image, 257 – 264 hat aufgezeigt, dass in Jes 2,5 – 22 zahlreiche Motive aus neuassyrischen Feldzugsberichten subversiv verarbeitet werden (z. B. der Schrecken Gottes, V.10). Göttliche Kriegeshandlungen werden jedoch nicht zur Darstellung gebracht: »The focal point is not the battle, but the travel itself« (ebd., 269). 44 Zur Sozialkritik im Jesajabuch siehe O. Bäckersten, Political Massage. 45 Nur Jes 3,13 wirft ein kurzes Blitzlicht auf die Völkerwelt, indem Jhwh auch zum »Gericht gegen Völker« (~ym[ !ydl) aufsteht. Die Einspielung der Nationen in der auf die Anführer Jerusalems zentrierten Gerichtsszene (Jes 3,12 – 15) betont die universale, richterliche Kompetenz Jhwhs. Zudem werden keine göttlichen Gewalthandlungen geschildert. Jhwh weist die (anonymen) Völker, gemeinsam mit den »Ältesten seines Volkes« (wm[ ynqz) aufgrund ihrer Übeltaten (vgl. V.12.14 f.) scharf zurecht.

JHWH als Kriegsherr, Assurs Gewalt gegen Israel und ihr Ende (Jes 1 – 12)

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Der Feldherr Jhwh sammelt eine fremde Armee gegen sein Volk (5,25 – 29) 25

Darum ist Jhwhs Zorn entbrannt gegen sein Volk, und er hat ausgestreckt seine Hand und es geschlagen, und es erbebten die Berge, und ihre Leichen waren wie Unrat inmitten der Gassen. Bei all dem hat sich nicht gewandt sein Zorn, und noch [ist] seine Hand ausgestreckt. 26 Und er wird erheben ein Feldzeichen für die Nationen aus der Ferne, und er wird es [das Heer] herbeipfeifen von den Enden der Erde. Und siehe, schnell, rasch wird es kommen. 27 Kein Erschöpfter und kein Stürzender [ist] bei ihm, nicht schlummert, noch schläft es. Und nicht löst sich der Gürtel seiner Lenden, und nicht reißt der Riemen seiner Schuhe. 28 Ihre Pfeile [sind] geschärft, und all ihre Bogen gespannt. Die Hufe ihrer Pferde gleichen Kiesel, und ihre Räder [sind] wie der Wirbelwind. 29 Und ein Gebrüll [ist] ihm wie ein Löwe, er brüllt wie Junglöwen. Und er heult und greift die Beute, und bringt [sie] in Sicherheit und es gibt keinen Retter.

Wie wird in diesem Abschnitt militärische Gewalt inszeniert und wie ist Gott in das Geschehen involviert? Von Jhwh ist nur am Beginn der Einheit (V.25 – 26a) ausdrücklich die Rede, wohingegen V.26b–30a die herbeigerufene Armee in den Mittelpunkt rücken und Gott wie schon in Jes 1,5 – 8 ganz in den Hintergrund tritt. Das Gottesbild ist von drei gewalthaltigen Elementen gekennzeichnet: 1. Zorn (@a, hrx): Jes 5,25 ist die erste Stelle im Jesajabuch, an der Zornesvokabular eingespielt wird.46 In der gesamten Prophetenschrift ist @a eine Eigenschaft, die nur Gott legitimer Weise zukommt.47 Daher stellt das Wort einen theologisch geprägten Gewaltbegriff dar, der im gesamten AT keine rein emotionale Reaktion (etwa als Folge von Kränkungen) umschreibt.48 Der Zorn ist ein Begriff, der Gottes politisches Handeln begleitet und begründet.49 Er entlädt sich in Jes 5,25 sogleich mit voller Wucht, denn nur an wenigen Stellen im Jesajabuch 46 In Jes 2,22; 3,21 meint @a jeweils das menschliche concretum »Nase«. 47 Der Zorn von Rezin und Pekach (Jes 7,4) kann gegen Zion nichts ausrichten. Gegen den Zorn des babylonischen Königs (14,6) geht Jhwh selbst vor (vgl. V.5). 48 So mit Nachdruck C. Westermann, Boten des Zorns, 151: »Es wäre falsch, den Zorn Gottes als Affekt oder Emotion zu verstehen; der Prophet redet nicht von dem Zorn als einer für sich bestehenden Gemütsbewegung Gottes, sondern von dem in einem gegen sein Volk gerichteten Schlag sich auswirkenden und so erfahrbaren Zorn.« 49 Vgl. U. Berges, Zorn Gottes; J. Jeremias, Zorn Gottes, 185 – 196.

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ist das Wortfeld derart gehäuft anzutreffen (@a (2x) + hrx). Mit dem »Auflodern« (hrx) des göttlichen Zorns wird die zerstörerische Dimension der Feuermetaphorik aus V.24a weitergeführt und damit erstmals direkt auf Jhwh übertragen.50 Die Flammen sind also nichts anderes als die sichtbaren Auswirkungen des hwhy @a, der hier wie im Moselied (vgl. Dtn 32,22) das eigene Volk verzehrt.51 Indem Jes 5,25a mit !k-l[ begründend an die Wehesprüche anschließt, ist der göttliche Zorn als Folge menschlichen Fehlverhaltens dargestellt. Das generelle Urteil, es sei »im AT überall noch zu spüren, daß der göttliche Zorn eine im letzten rational nicht erklärbare Reaktion eines als Person geglaubten göttlichen Herrn ist«52, muss angesichts dieser kompositionellen Verknüpfung differenziert betrachtet werden. Der Zorn entlädt sich im Kontext von Jes 5,25 – 30 unter militärischen Vorzeichen und bildet damit den Auftakt zu einer Reihe von Prophetenworten, in denen Gottes Zorn mit Krieg einhergeht (z. B. 13,3; 30,27; 42,13). 2. Schlagen und das Motiv der ausgestreckten Hand (hkn, dy hjn, V.25): Das Metaphernbündel von Hand und Schlagen war zwar bereits im Proömium präsent (vgl. Jes 1,5.25), beschreibt nun aber erstmals explizit das göttliche Handeln.53 Das Schlagen gehört im Alten Orient sowohl zu den typischen Kriegsmotiven54 als auch zum Standardrepertoire kriegerisch gefärbter Gottesbilder, das epigraphisch und ikonographisch breit belegt ist (vgl. Abb. 4).55 Es kennzeichnet auch im Jesajabuch Jhwhs Auftreten im militärischen Kontext (z. B. 9,12; 10,24; 30,31; 37,36). So geht der zornerfüllte Schlag aus V.25 in ein militärisches Bedrohungsszenario über, das von Jhwh heraufbeschworen wird. 3. Krieg: Gott führt Krieg gegen Israel; genauer : der Prophet droht damit, dass Gott ein fremdes Heer gegen sein eigenes Volk zu Felde ziehen lässt. Das Jesajabuch lässt zunächst Jhwh als Kriegsherr auftreten. Zwar marschieren die Truppen auf göttlichen Befehl hin heran, doch von direkten Kriegshandlungen, also von der Verübung militärischer Gewalt, wird nicht berichtet. Der Fokus liegt auf der Schlagfertigkeit der herbeigerufenen Armee (V.26b–29). Sie besteht aus Nah- und Fernkampftruppen sowie berittenen Kontingenten (Kavallerie und Streitwagenverbände). Jhwh bietet buchstäblich alles auf, was ein hochgerüs50 Jes 1,7 spricht von den durch Feuer verzehrten Städten Judas (vab twprf). In Jes 4,5 wird mit dem flammenden Feuerglanz (hbhl va hgn), der von Gott geschaffen ist (arb hapax in Jes 1 – 39!), gerade nicht seine bedrohliche Seite, sondern seine schützende Zuwendung zum Ausdruck gebracht. 51 Den Zusammenhang stellen die Stichworte va, lka und @a her; vgl. R. Bergey, Song of Moses, 43 f. 52 G. Sauer, Art. @a, 224. 53 Zwar ist auch in Jes 5,12 von den Händen Gottes die Rede. Dort sind sie allerdings keine Handlungssubjekte, da es um die »Werke seiner [Jhwhs] Hände« (wydy hf[m) geht. 54 Vgl. I. Cornelius, Weapons. 55 Zu den Funden aus Palästina (SBZ–EZ IIB) siehe A. Berlejung, Theologie, 286 – 288.

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Abb. 4: Schlagende Gottheit

tetes Heer im Alten Orient zu bieten hat.56 Die Inszenierung der Soldaten birgt furchterregende Züge. Niemand will einem solchen Feind in die Hände fallen. In der Beschreibung lassen sich aber keine negativen Untertöne vernehmen. Der Text spricht eher bewundernd57 von dessen Schlagfertigkeit; die Darstellung trägt idealisierte Züge58 : Selbst die besten Soldaten müssen ruhen, und schnell reißt ein Riemen am Soldatenstiefel. Die Beschreibung ist zudem göttlich gefärbt:59 Dass Räder »wie ein Wirbelwind« (hpwsk) heranstürmen, charakterisiert im Jesajabuch nur noch Gottes Kriegswagen (Jes 66,15; vgl. 29,6). Während im Moselied Jhwh sein Schwert gegen die Feinde schärft (!nv, Dtn 32,41), kommen in Jes 5,28 seine Truppen mit geschärften Pfeilen (~ynwnv wycx) daher. Gott ist zudem der einzige, der in der HB »weder schlummert, noch schläft« (alw ~wny al !vyy, Jes 5,27; Ps 121,4).60 Anders als der Wächter Israels (larfy rmwv) im Psalm sorgen die Truppen aber nicht für Schutz, sondern für Israels Bestrafung! In diesem ersten Text, wo Kriegsgewalt direkt ins Gottesbild eingestellt wird, stehen Gottes- und Feindbild also in enger Korrelation. Einerseits wirkt die intensive Beschreibung der Armee auf das Gottesbild zurück: Deren Durchschlagskraft potenziert die Stärke und Souveränität Jhwhs. Andererseits wird 56 Zur Zusammensetzung altorientalischer Kampftruppen siehe W. Mayer, Kriegskunst, 445 – 470. 57 Vgl. G. Eidevall, Prophecy and Propaganda, 26. 58 W. A. M. Beuken, Jes 1 – 12, 155: »wobei eine gewisse Bewunderung den Ton angibt«. Die Übernahme der Kriegsrhetorik aus der assyrischen Königsideologie hat P. Machinist, Assyria detailliert herausgearbeitet. 59 Vgl. Jes 41,2, wo die Grenzen zwischen Kyros und Gott als seinem Erwecker ebenfalls verschwimmen. 60 Vgl. G. Eidevall, Prophecy and Propaganda, 25.

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der Handlungsspielraum des Feindes auf ein Minimum reduziert: Die Armee handelt nicht nach eigenem Gutdünken, sondern dient ausschließlich als Werkzeug in Gottes Hand (vgl. V.25). Die Abfolge von Kehrversgedicht (V.25b) und militärischem Aufmarsch (V.26a) macht aus den Truppen das Medium, mit dem Jhwh seinen Schlag ausführt. Der göttliche Hieb ist so gewaltig, dass die Leichen wie Abfall auf der Straße (#wx) liegen (V.25). Diese stellt einen jener Orte dar, an dem die Schrecken des Krieges im AT deutlich sichtbar sind (z. B. Jer 51,4; Ez 26,11; Nah 2,5; Zef 3,6; Klgl 2,19 – 21). Der öffentliche Raum wird auch im Jesajabuch mehrmals Schauplatz militärischer Gewalt sein (vgl. Jes 10,6; 15,3; 24,11; 51,20.23). Die angedrohte Gewalt richtet sich gegen Jhwhs eigenes Volk. Dies ergibt sich einerseits im Rückschluss aus V.25, wo Gottes Zorn gegen »sein Volk« entbrennt. Andererseits ist der Aufmarsch als Konsequenz des frevelhaften Verhaltens gestaltet. Da im vorangegangenen Abschnitt (Jes 3,1 – 4,1; 5,8 – 23) die Vergehen des Volkes im Mittelpunkt standen, zeigt Jes 5,24 – 30 die Folgen des begangenen Unrechts auf und liest sich wie ein »Kommentar zum Strafgericht«61. Während nach Jes 2,3 f. das Hervorgehen der Tora (hrwt acy) das Ende aller von Menschen geführten Kriege zeitigen wird, ahndet Gott nun die Verwerfung der Tora (hrwt sam, V. 24) durch sein eigenes Volk mit kriegerischer Gewalt. Typologisch wird im göttlichen Gewalthandeln der strafende Aspekt betont. Anders als im ersten Proömium (vgl. 1,21 – 26) wird dafür nun mit dem Kriegsherrnmotiv gezielt auf militärische Begrifflichkeit zurückgegriffen. Der Krieg ist nicht mehr Mittel zur Lösung zwischenmenschlicher Konflikte, welches durch den göttlichen Richterspruch obsolet werden wird (2,3 f.), sondern ein Weg, mit dem Jhwh sein Volk bestraft. Die Beschreibung der unbezwingbaren Armee dient dazu, die Unausweichlichkeit des göttlichen Gerichts zu unterstreichen. Vor dem Feind »gibt es keinen Retter« (lycm !ya, V.29, vgl. 42,22), weil Jhwh selbst, der lycm im Jesajabuch (vgl. Jes 31,5; 38,6; 50,2; in der Schriftprophetie nur mehr in Hos 5,14; Mi 5,7), das Heer aufbietet. Gott tritt in Jes 5,29 quasi ex negativo in Erscheinung, indem die Abwesenheit seiner rettenden Macht betont wird. Dies ließe sich auf den ersten Blick als Schwäche deuten, doch erweist sich darin gerade Gottes Stärke: Denn nach der Inszenierung des Jesajabuches gehört es zu Jhwhs Souveränität, seine Macht und Gewalt auch zurückhalten zu können (z. B. Jes 8,17; 54,8; 57,17; 64,6). So greift er an dieser Stelle der Prophetenschrift nicht als Kämpfer aktiv in den Krieg ein – weder zu Israels Rettung noch zu dessen Vernichtung. Er sorgt aber 61 W. A. M. Beuken, Jes 1 – 12, 154. Ähnlich urteilt auch H. Wildberger, Jes 1 – 12, 208: »In seiner jetzigen Stellung ist 5,25 Abschluß der vorangehenden Weherufe und will offenbar […] betonen, daß das in jenen angedrohte Unheil wirklich eingetroffen ist, ohne doch sein Ziel zu erreichen.«

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als Oberbefehlshaber für den Aufmarsch einer mächtigen Armee fremder Völker. Dazu bedarf es keiner großen Anstrengungen: Das Aufstellen eines Feldzeichens (62sn) und ein Pfiff (63qrv) genügen, um Truppen aus weiter Ferne zu sammeln. Dies ist die einzige Stelle in der gesamten HB, an der Gott selbst das Feldzeichen zur Verübung kriegerischer Gewalt erhebt.64 Die Leichtigkeit, mit der er die Sammlung vollzieht, unterstreicht seine Machtfülle. Jhwh – und nur er alleine – ist ursächlich für das Bedrohungsszenario verantwortlich. Hinter dem anonymen Heer vermuten die meisten Kommentatoren jenes des neuassyrischen Reiches.65 Denn die Löwenmetaphorik (V.29 f.) findet in der assyrischen Königsideologie intensive Verwendung.66 Doch wird die exakte Identität und Herkunft der Heerverbände auf Ebene des Textes bewusst in Schwebe gehalten. Es geht nicht um die Deutung eines einzelnen Kriegsszenarios in der Geschichte Altisraels. Die Konzeption lässt sich vor dem Hintergrund verschiedener historischer Kriegs- und Bedrohungssituationen lesen und verstehen. Mit Blick auf die literarische Funktion fügt sich das machtvolle Gottesbild stimmig in den literarischen Mikrokontext ein.67 Prospektiv weist der Text auf die Denkschrift voraus68, zu der zahlreiche lexikalische Verbindungen bestehen.69 So ist das Prophetenwort von Jes 5,25 – 30 »mit dem indirekten, aber deutlichen Hinweis auf Assur […] hinter die Weherufe gestellt worden, um die historische Szenerie für die Denkschrift, den Aufmarsch Assurs in Palästina, vorzubereiten«70. Weil Gottes Machtbereich in Jes 5,26 bis an die Enden der Erde (#rah hcq) reicht, können die Seraphim im Tempelheiligtum proklamieren, dass twabc hwhy und sein dwbk »die ganze Erde erfüllen« (#rah-lk alm, 6,3). Zudem hat F. Hartenstein nachgewiesen, dass der göttliche Zorn auch in der Beauftragungs62 Jes 11,10.12; 13,2; 18,3; 30,17; 31,9; 33,23; 49,22; 62,10. 63 Mit Ausnahme von Jes 7,18 (siehe Kapitel 4.1.4) dient das Pfeifen (qrv) meist als Zeichen von Spott und Hohn für die Kriegsverlierer (z. B. Jer 19,8; Ez 27,36; Zef 2,15; Klgl 2,15 f.). 64 In Jes 11,12; 49,22 erhebt Gott zwar ebenfalls das Feldzeichen, doch dient das Banner dort zur Sammlung der exilierten Söhne und Töchter Zions und nicht als militärisches Signalinstrument. 65 J. Blenkinsopp, Jes 1 – 39, 221 sieht in der Beschreibung eine »prediction of an imminent Assyrian Blitzkrieg« [Hervorhebung: J. B.]. 66 Vgl. C. R. Chapman, Gendered Language, 73 f.; P. Machinist, Assyria, 728 gibt jedoch zu bedenken, dass die Metaphorik im Alten Orient weit über die neuassyrische Epoche hinaus verwendet wurde. Die Beschreibung der anonymen Fremden verwehrt sich somit einer eindeutigen Zuschreibung; vgl. K. Schmid, Jes, 85. 67 Vgl. M. Sweeney, Jes, 128 f. Für G. Eidevall, Prophecy and Propaganda, 171 zählt diese Passage gar zu den »key passages« des Gewaltdiskurses im Jesajabuch. 68 Vgl. U. Berges, Buch, 90. 69 Vgl. qxr (5,26; 6,12); hcq und qrv (5,26; 7,18); lvk (5,27; 8,15); #x und tvq (5,28; 7,24). 70 U. Berges, Buch, 90; vgl. J. Blenkinsopp, Jes 1 – 39, 221: »it serves as the immediate preface to the core narrative«.

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vision (Jes 6) zwar nicht lexikalisch belegt ist, jedoch durch den Rauch (!v[, V.4) im Tempelheiligtum repräsentiert wird.71 An dieser Stelle des Buches liegen die Aspekte von »Macht« und »Gewalt« im Gottesbild eng beieinander. Wie in einem Brennpunkt werden in Jes 5,24 – 29 die verschiedenen Elemente der literarischen Darstellung göttlicher Gewalt gebündelt. Als hätte Jhwh den Finger bereits am Abzug (vgl. V.28), ist die unter göttlicher Befehlsgewalt stehende Armee aus der Ferne zum Angriff bereit. »Im Vordergrund steht JHWHs Entschlossenheit, das Unrecht zu bekämpfen, wozu er berechtigt und verpflichtet ist.«72 Göttliche Macht schließt hier den Aspekt der strafenden Gewalt unzweifelhaft ein. Der Angriff selbst wird aber nicht geschildert. Bevor die Armee losschlägt, hüllt sich das Schlachtfeld in Finsternis ($vx, V.30) und wird von der Leserschaft in Richtung des Jerusalemer Heiligtums verlassen.73

4.1.4 Gewalt in der »Immanuelschrift« In der Immanuelschrift (Jes 6,1 – 8,18) spielen militärisch gefärbte Gottesbilder zwar eine untergeordnete Rolle, doch sind die kompositorischen und redaktionsgeschichtlichen Kernkapitel der ersten Teilkomposition keineswegs frei von göttlicher Gewalt. Diesbezüglich sticht zunächst die Gottesrede in der Tempelszene hervor (Jes 6,9 – 13*): Als »der König« ($lmh, 6,5; vgl. 24,23; 33,22; 41,21; 52,7) beauftragt Jhwh Zebaoth darin seinen Propheten zur Verkündigung »an dieses Volk« (hzh ~[l, 6,9).74 Die göttliche Botschaft zielt paradoxerweise aber gerade darauf ab, dass das Volk nicht umkehrt und keine Heilung findet (wl aprw bvw […] !p, V.10). So zeigt der göttliche »Verstockungsauftrag« (V.10) »eine theologische Kühnheit, die ihres gleichen sucht«75 und die Theologie zu allen Zeiten weit über die Grenzen der Jesajaforschung herausgefordert hat.76 Die heutige Exegese betont jedoch mit Nachdruck, dass Jes 6,9 f. 71 F. Hartenstein, Unzugänglichkeit Gottes, 161 – 166. 72 W. A. M. Beuken, Jes 1 – 12, 154. 73 Über die Stichworte »Finsternis« (hkvx/$vx) und »Bedrängnis« (rc/hrc) bildet V.30 zusammen mit 8,22 anerkanntermaßen eine sekundäre Rahmung um die gesamte Immanuelschrift, vgl. H. Wildberger, Jes 1 – 12, 223 – 227; U. Berges, Buch, 93 f.; W. A. M. Beuken, Jes 1 – 12, 156; J. Blenkinsopp, Jes 1 – 39, 221. 74 Dazu H. Irsigler, Gott. Zu Gottes »Gerichtspräsenz« in seinem Heiligtum siehe F. Hartenstein, Unzugänglichkeit, 109 – 182. 75 W. A. M. Beuken, Jes 1 – 12, 167; vgl. H. Wildberger, Jes 1 – 12, 256: »Die Härte der Formulierung in [Jes] 6,10 ist allerdings einmalig.« 76 Siehe dazu die systematische Zusammenstellung der Deutungsversuche W. A. M. Beuken, Jes 1 – 12, 164 – 167; zur jüdischen und frühchristlichen Rezeption siehe C. A. Evans, Isaiah; daneben beispielhaft A. F. Klijn, J¦rúme; J. A. Loader, Chrysostomus; D. C. Steinmetz, Calvin.

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»keine allgemeingültigen Aussagen über das Verhältnis von menschlicher Schuld und göttlicher Ursächlichkeit macht«77. Solche Lösungsansätze werden dem Text mit seiner komplexen Kommunikationsstruktur nicht gerecht und führen sowohl unter bibeltheologischer Perspektive als auch mit Blick auf die übrige Prophetenschrift »zu unlösbaren Aporien«78 : Sollte Jesajas Auftreten etwa allein dazu gedient haben, dem Volk im Namen Jhwhs jegliche Hoffnung auf Rettung und Heil zu nehmen?79 Dementsprechend sind V.9 – 11 in erster Linie unter Berücksichtigung ihrer Anknüpfungspunkte innerhalb der Jesajaschrift auszulegen.80 Großen Einfluss hatte die sogenannte »Rückbeziehungsthese«81, wonach Jesaja ben Amoz »mit dem […] vorliegenden Text seiner Anhängerschaft Rechenschaft ablegte über den Misserfolg seiner Verkündigung«82, indem er das eigene Scheitern an der widerspenstigen Hörerschaft als Jhwhs eigentliche Absicht deutete.83 Dieser Lösungsansatz wird von der neueren Jesajaforschung dahingehend modifiziert, dass nicht mehr der psychische Zustand der historischen Prophetengestalt, sondern literarische Anknüpfungspunkte in der Prophetenschrift den entscheidenden Referenzrahmen der Auslegung bilden.84 Dies betrifft zu allererst die Denkschrift selbst (Jes 6,1 – 8,18): An ihrem Ende in Jes 8,17 steht nach O. Kaiser »das Wort einer über diesen Untergang hinaus sich an Jahwe festmachenden Hoffnung«85. Diese Botschaft gewährt der Leserschaft angesichts der zahlreichen Verbindungslinien, die Jes 6 mit Jes 40 – 55 aufweist, auch einen Blick über die harte Gerichtsbotschaft der Tempelszene hinaus in die ausgehende Exilszeit.86 In Bezug auf die Darstellung göttlicher Gewalt ist vor allem das Jhwh-Wort aus Jes 6,11 f. von Bedeutung: Denn darin beantwortet Gott die zur Klage stili77 W. A. M. Beuken, Jes 1 – 12, 165. 78 U. Berges, Buch, 98. 79 Treffend Chr. Hardmeier, Verkündigungsabsicht, 236 f.: »Hat er denn nicht unermüdlich und meisterhaft […] bis um 701 immer wieder das Wort ergriffen, um doch etwas anderes zu erreichen, als was ihm Jahwe in 6,9 f. aufgetragen hat?« 80 So etwa R. Rendtorff, Jesaja, 76 – 81. 81 Vgl. den Überblick der Positionen bei U. Becker, Jesaja, 70 – 74. 82 H. Niehr, Intention, 63. 83 Siehe dazu vor allem F. Hesse, Verstockungsproblem, 84 – 86; vgl. Chr. Hardmaier, Verkündigungsabsicht, 246. 84 Vgl. U. Berges, Buch, 99; O. Kaiser, Jes 1 – 12, 122; U. Becker, Jesaja, 73. Die zeitgeschichtliche Einordnung und redaktionsgeschichtliche Einheitlichkeit von V.9 – 13 ist jedoch wie jene des gesamten Kapitels heftig umstritten (dazu ausführlich U. Becker, Jesaja, 81 – 89): Während etwa W. A. M. Beuken, Jes 1 – 12, 163 f. hinter Jes 6,9 – 13a einen autobiographischen Kernbestand vermutet, beginnen für andere Kommentatoren spätestens mit V.12 eine Kette von sukzessiven Fortschreibungen aus exilisch-nachexilischer Zeit (so u. a. R. Müller, Einsicht, 23 – 25; O. H. Steck, Bemerkungen, 190 f.; O. Kaiser, Jes 1 – 12, 134; H. Wildberger, Jes 1 – 12, 257 f.). 85 O. Kaiser, Jes 1 – 12, 122; vgl. U. Becker, Jesaja, 75. 86 Vgl. u. a. F. Hartenstein, Frondienst, 114 – 119; H. G. M. Williamson, Book, 37 – 56.

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sierte Anfrage des Propheten nach dem Ende der Verstockung (ytm-d[, z. B. Ps 6,4; 80,5; 90,13; Sach 1,12), indem er auf die schweren Folgen verweist, mit denen das Volk für sein frevelhaftes Verhalten zu rechnen hat. »Bis wann, o Herr?« (Jes 6,11b.12) 11b

Und er sagte: »Bis die Städte verwüstet sind – ohne Einwohner, die Häuser – ohne Menschen, und das Ackerland verwüstet ist – eine Einöde. 12 Denn Jhwh wird die Menschen entfernen, und groß wird sein die Verlassenheit mitten im Land.

Nach V.11 f. endet die Unwilligkeit des Volkes in einer großen Katastrophe: Der Blick auf die weiteren Vorkommen von hmmv in der Prophetenschrift zeigt, dass die landesweite Verwüstung und Entvölkerung nur das Resultat einer militärischen Niederlage sein können (Jes 1,7; 17,9; 62,4.9).87 Hier klingt auch der göttliche Schwur aus dem Rahmenteil der Denkschrift (Jes 5,9) nach, demzufolge »viele Häuser« (~ybr ~ytb) »zur Einöde« (hmvl; vgl. 13,9) werden und »ohne Einwohner« (88bvwy !yam) zurückbleiben. Doch während die Gerichtsansage aus dem ersten Weheruf (Jes 5,8 – 10) lediglich einem Teil der Bevölkerung gilt89, ist der Kreis der Opfer in Jes 6,11 auf das gesamte Volk ausgedehnt.90 Denn Städte und Häuser bleiben menschenleer zurück – unabhängig vom politischen Einfluss oder der sozialen Stellung ihrer Besitzer. Wenn neben diesen Kerngebieten menschlicher Zivilisation nun auch das (Kultur)Land (hmda) »verwüstet« wird (hav), liegt der Akzent noch stärker auf dem Aspekt der Totalität.91 Geht man mit der Forschungsmehrheit für Jes 6,9 – 11 von einem (frühnach)exilischen Hintergrund aus92, weist die von Jhwh in Aussicht gestellte, radikale Einöde (hmmv) bereits auf die Restituierung von Zion/Jerusalem voraus, die im zweiten Teil von Dtjes (Jes 49 – 55) über den Wiederaufbau und die Neubesiedelung der »verödeten« Stadt inszeniert wird (~mv, Jes 49,19; 54,1.3; vgl. Jes 61,4). In dieser Motivumkehr zeigt sich nach U. Berges, »daß die Jesajabuch-Tradenten die 87 So auch F. Hartenstein, Unzugänglichkeit, 172. 88 Diese Konstruktion ist im Jesajabuch nur an diesen beiden Stellen belegt, beschreibt aber vor allem im Jeremiabuch (10 von insgesamt 14 atl Belegen!) die Schrecken des Krieges (z. B. Jer 4,7; 33,10). 89 Nämlich diejenigen, die in Besitz der »großen und guten/schönen [Häuser]« (~ybwjw ~yldg) sind (V.9), weil sie Haus an Haus und Feld an Feld reihen (vgl. V.8). 90 Vgl. R. Müller, Einsicht, 86 f. 91 Vgl. W. A. M. Beuken Jes 1 – 12, 178; F. Hartenstein, Unzugänglichkeit, 168, der die Abfolge Städte/Häuser ! Ackerland als Steigerung der Dramatik liest. 92 So etwa U. Becker, Jesaja, 76 – 79; U. Berges, Buch, 101; R. Rendtorff, Jesaja, 76 – 82. Demgegenüber macht R. Müller, Einsicht, 72 – 80 für die Datierung von V.9 – 11 Motivparallelen aus neuassyrischen Vertragstexten stark.

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›Verstockungsverse‹ nicht als Endpunkt, sondern als Durchgang zu Neuem verstanden haben«93. Für die Frage nach göttlicher Gewalt entscheidend ist, dass nach Ansicht des Jesajabuches Jhwh sowohl für die Zerstörung als auch für den Wiederaufbau verantwortlich zeichnet. »Der Leser, der das ›Wie lange?‹ von Jes 6 in Erinnerung behält, erkennt den Zusammenhang.«94 Ergeht das Gerichts- und Vollstreckungsurteil von V.9 – 11 schon in Form einer Gottesrede, so tritt Jhwh in V.12 selbst als Handlungssubjekt in Erscheinung. Aufgrund dieser Unstimmigkeit im Kommunikationsgeschehen wird der Vers von der Mehrheit der Exegeten als Nachtrag aus noch späterer Zeit angesehen.95 Die Notiz setzt den Gedanken der Zerstörung des Landes und Deportation der Bevölkerung fort und schiebt dabei auf literarisch geschickte Weise mehrere Perspektiven übereinander. Unter Aufnahme der Menschenleere aus V.11 (vgl. ~da, V.12a) führt die Notiz die Deportation der Bevölkerung nun auf ein direktes göttliches Eingreifen zurück: Während Jhwh in Jes 5,26 fremde Völker aus der Ferne herbeiholt, um sein Volk mit militärischer Gewalt zu bestrafen, schickt er Israel nun eigenhändig in die Ferne (qxr pi.). Der Intensivstamm der Wurzel, der nur an dieser Stelle für die göttlich vollbrachte Exilierung Verwendung findet, könnte die einzigartige Härte zum Ausdruck bringen, mit der Jhwh gegen sein Volk vorgeht.96 Die Rede von der »Verlassenheit« (hbwz[) des Landes verweist abermals auf ein militärisches Untergangsszenario (vgl. Jes 17,2) und bringt im Kontext des Jesajabuches – analog zu V.11 – Zion/Jerusalem als Opfer ins Spiel. Denn ihre »Verlassenheit« (hbwz[) erklärt Jhwh im hinteren Buchteil mehrfach für beendet (vgl. Jes 54,7; 60,15; 62,4). Die Pragmatik dieser redaktionellen Einfügung ist evident: So legt schon die prophetische Identifikationsfigur Jesaja ben Amoz (literarisch) Zeugnis dafür ab, dass Jhwh – und er alleine – als derjenige anzusprechen ist, der das Babylonische Exil herbeigeführt und vollstreckt, zugleich aber auch gewendet hat: »Erst auf diese Weise ist der Verdacht, Jahwe könnte sich am Ende doch in der Katastrophe seines Volkes als ohnmächtig erwiesen haben, beseitigt und seine Macht über die Geschichte seines Volkes wie in der Vergangenheit so in der Gegenwart über jeden Zweifel erhaben.«97

93 U. Berges, Buch, 102. 94 R. Rendtorff, Jesaja, 79. 95 So etwa H. G. M. Williamson, Book, 35 – 37; O. Kaiser, Jes 1 – 12, 134; J. Blenkinsopp, Jes 1 – 12, 226. H. Wildberger, Jes 1 – 12, 257 sieht den zeitgeschichtlichen Horizont von V.12 hingegen in der Exilierung Samarias 721 v. Chr. Für W. A. M. Beuken, Jes 1 – 12, 163 f. wiederum überwiegt die Kontinuität zu V.11, weshalb er V.12 zum ursprünglichen Bestand des Orakels zählt. 96 Anders als von H. Wildberger, Jes 1 – 12, 257 veranschlagt, liegt hier also keineswegs ein ganz allgemeiner Gebrauch der Wurzel qxr vor. 97 O. Kaiser, Jes 1 – 12, 123.

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

Dieser Gedanke bestimmt auch die letzte redaktionelle Zufügung zur Beauftragungsszene (Jes 6,13b). Mit ihr wird die Verheißung des göttlichen Läuterungsgerichtes aus V.13a gleichsam »auf den Kopf gestellt«98 : Denn der Baumstupf, der beim Fällen (tklv) und Niederbrennen (r[b) übrigbleibt99, behält als »heiliger Same« (vdq [rz) die Potenz, neue Triebe und damit neues Leben hervorzubringen. Das Stichwort [rz (besonders in Verbindung mit vdq; vgl. Esra 9,2) weist die Notiz als Glosse jener nachexilischen Tradenten aus, »die sich im Laufe des Buches als ›Knechte‹, als Gemeinde der Gerechten zu erkennen geben«100 (vgl. Jes 65,9.23; 66,22). Bis zum endgültigen Aufsprießen dieser Gruppe, das Jhwh im Rahmen des weltweiten Endgerichts am Ende der Prophetenschrift herbeiführt (vgl. Jes 66,15 – 24), ist von den Lesern noch ein weiter Weg zurückzulegen, der primär von Jhwhs Konflikten mit zahlreichen fremden Völkern dominiert wird. Dazu legt die weitere Denkschrift den Grundstein: Denn hier betreten diese Völker und Nationen erstmals namentlich die Bühne des Jesajabuches: zum einen Judas Nachbarstaaten Israel und Aram-Damaskus (Jes 7,1 – 9; 8,4), sowie die Großmächte Ägypten und Assur (7,17.18.20; 8,4.7). Der Abschnitt deutet Kriegsereignisse als göttliches Handeln101, indem Gott weiterhin fremde Kriegsparteien als Instrumente dienen, wobei Assur das bevorzugte Gewaltwerkzeug bleibt.102 Insofern weist die Kriegskonzeption dieser Kapitel deutliche Kontinuitäten zu Jes 5,25 – 29 auf.103 Doch zur Beschreibung des göttlichen Agierens wird nicht auf das entsprechende Wortfeld von Krieg und Militär rekurriert.104 In Jes 7,18 lässt Gott abermals Fremde im Land aufmarschieren. Dies erfolgt zwar wie in Jes 5,26 durch »Pfeifen« (qrv), doch wird das Bild nun nicht militärisch, sondern mithilfe von Tiermetaphern105 weitergeführt: Ägypten und 98 W. A. M. Beuken, Jes 1 – 12, 164. 99 Zur Diskussion über die korrekte Deutung und Übersetzung der Begriffe siehe H. G. M. Williamson, Isaiah, 120 – 123. 100 U. Berges, Buch, 103 f. 101 So sieht etwa J. Blenkinsopp, Jes 1 – 39, 234 in Jes 7,18 – 25 »four cameos«, die das Thema »desasters of war« bildhaft einfangen. 102 Mithilfe dieser historisierenden Glossen kommt es zu einer Umdeutung der einzelnen Orakel durch spätere Redaktoren; vgl. W. A. M. Beuken, Jes 1 – 12, 189. 103 Vgl. dazu D. L. Christensen, Transformations, 127 – 129. 104 So schon H. Fredriksson, Jahwe als Krieger, 27 (FN 1) mit Verweis auf Jes 7,18.20; 8,7 sowie Jer 22,24. 105 Daraus ergibt sich eine dehumanisierende Darstellung, wie sie für die Formierung von Feindbildern im gesamten Alten Orient charakteristisch ist; vgl. G. Eidevall, Prophecy and Propaganda, 5: »This means that the status (and value) of an allegedly hostile and dangerous group of human beings, is reduced to a […] sub-human level. The adversaries can be spoken of, or depicted graphically, as if they were dispensable things, or as if they belonged to some despised animal species that ought to be exterminated (rats, snakes, insects, etc., varying from culture to culture).«

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Assur lassen sich wie Bienen und Fliegen im Land nieder.106 In Jes 7,20 verübt Jhwh Gewalt mithilfe eines am Euphrat (!) gemieteten Schermessers.107 In 8,7 lässt Gott den Strom, ein weiteres Bild für die assyrische Macht, bis zum Hals steigen.108 »The strength of the flood metaphor is its ability to capture the sudden and overwhelming nature of Assyria’s military onslaught as well as the environmental devastation and the human loss left in the wake of […] a battle.«109 Krieg (hmxlm) führt aber nur die syro-ephraimitische Koalition gegen Zion (Jes 7,1), nicht der Heilige Israels! Auch der Zorn (@a yrx, 7,4;110@cq, 8,21) ist hier – und nur in diesem Textbereich des Jesajabuches – eine menschliche Emotion und kein göttliches Attribut.111 Auch für das Bild der schlagenden Gottheit (hkn) gibt es in der gesamten Immanuelschrift keine Anhaltspunkte, obgleich das Motiv sonst eine wichtige Komponente darstellt.112

4.1.5 Gott stachelt die Gegner Israels auf (Jes 9,7 – 11) Mit Kriegsgewalt, die auf Jhwhs Initiative hin zum Ausbruch kommt, werden die Leser erst wieder am Ende der Immanuelschrift konfrontiert. Bereits in Jes 9,6 wird das Scheitern des feindlichen Ansturms gegen Jerusalem auf den »Eifer Jhwhs« (hwhy tanq) zurückgeführt, womit sich erstmals ein Umschwung in den Machtkonstellationen andeutet. Doch in der zweiten Strophe des Kehrversgedichtes (Jes 9,7 – 11) richtet sich der nicht umkehrende Gotteszorn noch einmal gegen das eigene Volk (vgl. Jes 5,25 – 29). Dieser wird abermals nicht von Jhwh selbst, sondern von fremden Völkern auf göttlichen Befehl hin ausgeführt.

106 Ähnliche Feindbilder liegen im Völkerspruch gegen Ägypten (Jer 46,13 – 26) vor, wo der Feind aus dem Norden mit Bremsen (#rq, V.20) und Heuschrecken (hbra, V.23) verglichen wird. 107 Das Motiv des Anmietens ist auch auf der Kilamuwa-Inschrift aus dem 8. Jh. v. Chr. belegt; vgl. W. Röllig, Assur, 121. 108 Zu den assyrischen Referenztexten siehe R. Liwak, Großmächte, 215 f. 109 C. R. Chapman, Gendered Language, 75. 110 Dabei handelt es sich im Jesajabuch ebenfalls ausschließlich um eine göttliche Emotion (vgl. Jes 34,2; 47,6; 54,8 f.; 57,16 f.; 60,10; 64,4.8). 111 Denn in Jes 14,6 dient die Rede vom Zorn des babylonischen Königs zur Darstellung seiner Hybris. 112 Lediglich Jes 8,11 verwendet das Motiv der packenden Hand (dyh tqzx), doch geht es hier um die Überwältigung Jesajas durch Jhwh.

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch Jhwh stachelt Israels Nachbarn auf (Jes 9,7 – 11)

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Ein Wort sandte aus der Herr gegen Jakob, und in Israel fiel es nieder. 8 Und das ganze Volk hat es erfahren, Ephraim und die Bewohner Samarias, die in Hochmut und mit überheblichen Herzen sagen: 9 »Ziegelsteine sind gefallen, aber mit Quader bauen wir auf. Sykomorbalken sind abgehauen, aber Zedernholz setzen wir dafür ein.« 10 Aber Jhwh erhöht die Gegner Rezins113 über es, und seine Feinde stachelt er auf. 11 Aram von Osten und die Philister von Westen, und sie fraßen Israel mit vollem Mund. Bei all dem hat sich nicht gewandt sein Zorn, und noch [ist] seine Hand ausgestreckt.

Statt Völker mit einem Feldzeichen zu sammeln (vgl. Jes 5,26), stachelt Jhwh hier eine Gruppe auf, die explizit als »Feind« und »Gegner« (rc, bywa) bezeichnet wird. Die Erwähnung der »Feinde Rezins« (!ycr yrc, V.10) gibt der Szene einen (vermeintlichen) historischen Ankerpunkt, der in die 2. Hälfte des 8. Jh. v. Chr. weist.114 Die Erwähnung von konkreten Völkern (vgl. die Philister und Aramäer in V.11) sorgt zudem für eine geographische Einordnung des Kriegsszenarios, dessen Verortung jedoch mit Schwierigkeiten behaftet ist.115 Aber wie schon in Jes 5,25 – 29, wo anonyme Fremdvölker für die militärische Bedrohung sorgten, liegt der Fokus der Darstellung nicht auf der korrekten Beschreibung eines Feldzuges. Die zweite Strophe des Kehrversgedichtes legt wie die erste (Jes 5,25 – 30) den Hauptakzent vielmehr auf Jhwh als Urheber des Krieges. Mit bgf (wörtl. »hoch sein«, hiph. »hoch machen«) wird dazu eine Wurzel verwendet, die im Jesajabuch ein herausragendes Theologumenon darstellt. Denn einzig Jhwh wird zugestanden, bgf zu sein (z. B. Jes 2,11.17; 12,4 [sein Name]; 33,5). Das Erhöhen von Menschen wird im Jesajabuch hingegen ausschließlich negativ bewertet. Mit allen, die sich für hoch oder erhaben halten, wird hart ins Gericht gegangen (vgl. Jes 2,6 – 22; 26,5 f.). Wenn in Jes 9,10 Gott selbst seine Instrumente der Gewalt 113 Zur Begründung, die Constructusverbindung als Genetivus objectivus zu übersetzen, siehe W. A. M. Beuken, Jes 1 – 12, 260. 114 Ursprünglich richtete sich das Wort also gegen das Nordreich; vgl. H. Wildberger, Jes 1 – 12, 212 – 217; J. Blenkinsopp, Jes 1 – 39, 215 – 219. Diesem wird dasselbe Schicksal verheißen wie Damaskus auf dem ersten assyrischen Straffeldzug (732 v. Chr.). Hingegen ist nach W. A. M. Beuken, Jes 1 – 12, 262 »hier die Datierung ein schwieriges Unterfangen«. 115 Probleme bereitet vor allem die Erwähnung der Philister, da es keine außerbiblischen Zeugnisse über philistäische Angriffe auf das NR gibt. Die Notiz könnte anachronistisch eingetragen worden sein; vgl. W. A. M. Beuken, Jes 1 – 12, 264.

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erhöht, kommt es analog zu Jes 5 zu einer theologischen Ausleuchtung der Feinde und zu einer Überlagerung von Gottes- und Feindbild. Die Erhöhung der Gegner ist Folge des nicht umkehrenden Gotteszorns gegen das eigene Volk (9,11), da dieses in Hochmut und großem Herzen geredet hat (bbl ldgbw hwagb, V.8) und aus der bereits erlittenen militärischen Niederlage die falschen Schlüsse zieht (V.9).116 Das Volk setzt nämlich voll und ganz auf die Erneuerung und Verstärkung der eigenen Verteidigungsanlagen, die offensichtlich durch eine Belagerung zerstört wurden. Der Vorwurf der Überheblichkeit weist bereits auf den assyrischen Untergang in Jes 10 voraus, wo Assur eines »überheblichen Herzens« bezichtigt wird (bbl ldg, V.12; vgl. V.15). Die Gemeinsamkeit liegt im Verkennen, dass Jhwh den eigentlich ausschlaggebenden Faktor im Krieg darstellt. Er steht sowohl hinter Israels Niederlage von Jes 9,9 als auch hinter dem assyrischen Sieg (vgl. 10,12). Der zweite Terminus, der in Jes 9,10 für die göttliche Beauftragung der fremden Völker verwendet wird, ist $ws. Die Wurzel ist im Sinne von »aufstacheln« im gesamten AT nur mehr in Jes 19,2 belegt.117 Das Subjekt ist zwar auch dort Jhwh, doch hetzt er im Kontext dieses Fremdvölkerspruches weder Israel noch ein anderes Volk gegen die Ägypter auf, sondern treibt das Volk in einen blutigen Bürgerkrieg.118 Die Konsequenz des Aufstachelns in Jes 9,10 ist demgegenüber eine »reguläre« militärische Niederlage gegen fremde Völker, die in V.11 durch die Bedrohung aus Ost und West sowie im Bild des »Fressens mit vollem Maul« (hp-lkb lka) als umfassend dargestellt ist. Wie der Löwe aus Jes 5,29, dem keiner die Beute zu entreißen vermag, steht auch hinter diesem Motiv ein wildes Tier, »das über die Beute herfällt«119. Vergleicht man das kriegerische Gottesbild der beiden Strophen, zeigen sich in Bezug auf die Machtkonstellation zahlreiche Gemeinsamkeiten: Sowohl in Jes 5,25 – 30 als auch in Jes 9,7 – 11 ist der mächtige Feind nichts anderes als ein gehorsames Kriegswerkzeug in der Hand der zornerfüllten Gottheit Jhwh.120

116 Bei aller Unterschiedlichkeit im Detail sehen die meisten Kommentatoren eine kriegerische Auseinandersetzung als Ursache für die gefallenen Steine und das abgehauene Holz; vgl. H. Wildberger, Jes 1 – 12, 216; W. A. M. Beuken, Jes 1 – 12, 263. 117 Sonst trägt die Wurzel im hiph. die Bedeutung »verschließen«/»einzäunen« (vgl. Ijob 3,23; 38,8). Das häufiger belegte $ws II meint hingegen »salben« (z. B. Dtn 28,40; 2 Sam 14,2; Ez 16,9). 118 Ein Querverweis geht möglicherweise in das Buch der Klagelieder: Während in Jes 9,10 f. der göttliche Zorn das Aufstacheln fremder Völker bewirkt, beklagt Klgl 3,43, dass Jhwh sich in Zorn gehüllt (@ab $ks), die Bewohnerschaft verfolgt (@dr) und mitleidslos umgebracht habe (grh, lmx al). 119 H. Wildberger, Jes 1 – 12, 213. 120 Der göttliche Zorn wird sich in der vierten Strophe (9,17 – 20) fortsetzen. Weil nach V.17 die Gottlosigkeit wie Feuer brennt, sorgt die twabc hwhy trb[ (V.18) für die (militärische) Zerstörung von Stadt und Land. Der Grimm führt zu zwischenmenschlicher Erbarmungslo-

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Dabei zeichnet sich ein deutliches Gefälle im Machtverhältnis ab. Während Gott zweifellos ursächlich für die Verübung von Kriegsgewalt verantwortlich ist, wird den fremden Völkern kein eigener Handlungsspielraum eingeräumt. »Das Wetteifern politischer Mächte […] ist nichts anderes als ein Instrument in den Händen JHWHs.«121

4.1.6 Israels Unterdrücker wird zu JHWHs Feind (Jes 10,5 – 34) Im Anschluss an das Kehrversgedicht (Jes 9,7 – 10,4) kommt es im Machtverhältnis zwischen Gott, seinem Volk und den fremden Mächten zu einer deutlichen Verschiebung, die mit Jes 10,5 einsetzt.122 Bei dieser Stelle handelt es sich auch in kompositioneller Hinsicht um einen Knotenpunkt des Jesajabuches und eine Zäsur in der ersten Teilkomposition: Der Abschnitt (Jes 10,5 – 34) beschließt die doppelt gerahmte Denkschrift (Jes 5,1 – 10,4) und bildet zugleich den Auftakt zum Diptychon (Jes 10 f.). Auch inhaltlich erfolgt der Perspektivwechsel nicht isoliert, sondern bildet nach U. Becker den theologischen Fluchtpunkt des vorangehenden Abschnittes: »Das Kehrversgedicht […] findet in 10,5ff einen sachgemäßen Abschluss.«123 Dass der Weheruf über Assur (Jes 10,5 – 34) in seiner jetzigen Gestalt ein mehrschichtiges Ganzes darstellt, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass der durch Gottes Eingreifen erwirkte Untergang von Assur in mehreren Angängen beschrieben wird.124 Der Weheruf über Assur (V.5 – 7) geht über in eine direkte Rede (V.8 – 15*125), mit der sich das Weltreich quasi selbst das Urteil spricht. Darauf folgen zwei Szenen (V.16 – 19.24 – 27), die Assurs Vernichtung durch Jhwh beschreiben. An beide Sprüche schließen sich mit awhh ~wyb eingeleitete Zusätze an, die die positiven Konsequenzen für das von der assyrischen Gewalt befreite Volk zeigen (V.20 – 23.27). Mit V.28 – 32 unternimmt Assur einen letzten Feldzug gegen Zion, der jedoch an Gottes Eingreifen jäh scheitert (V.33 f.). Obwohl die Hauptakteure im Assur-Kapitel dieselben bleiben (Jhwh, sein Volk und Assur), haben sich die Vorzeichen im Beziehungsgeflecht grundlegend

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sigkeit (wlmxy al, V.18 f.), die in (bürger)kriegsähnliche Zustände zwischen Ephraim/Menasse und Juda ausufert (vgl. V.20). W. A. M. Beuken, Jes 1 – 12, 264. Bereits Jes 9,1 – 6 verheißt das Ende der militärischen Unterdrückung durch die assyrische Armee, doch wird dies nur durch V.6 explizit auf die hwhy tanq zurückgeführt (vgl. 37,32). Vgl. U. Berges, Buch, 121 – 124; anders U. Becker, Messias, 245 f. Keinesfalls geht es hier aber um »the very abolition of warfare« als »ultimate work of Yahweh«, wie C. Sherlock, God Who Fights, 151 meint. U. Becker, Messias, 244. Zur diachronen Schichtung von Jes 10,5 – 15 siehe E. Haag, Antijahwe. Während bereits der Scharniervers V.12 einen Ausblick auf die bevorstehende Bestrafung gibt, präsentiert V.15 abschließend die Quintessenz aus der Rede Assurs.

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gewandelt. Wurden in Jes 5,26 fremde Truppe zur Vollstreckung des ywh an Israel (vgl. V.8 – 24) herbeigerufen, stehen diese jetzt unter dem prophetischen Weheruf. Der Vollstrecker der Zornesglut gerät nun selbst ins göttliche Kreuzfeuer. Assur, dem zuvor als ein williges Werkzeug (Jes 5,26; vgl. 7,18 – 20; 8,7) keinerlei Eigeninitiative zugestanden wurde, hat offensichtlich doch selbstständig agiert. Weil Assur dabei Jhwhs Befehl übertreten hat, verfällt es nun dem göttlichen Verdikt. Assur, die Rute des göttlichen Zorns, übertritt seine Befugnisse (Jes 10,5 – 7) 5

Wehe Assur – Rute meines Zorns und der Stab in ihrer Hand, mein Zorn [ist] er. 6 Gegen eine gottlose Nationen sende ich ihn, und gegen das Volk meines Grimmes entbiete ich ihn, um Raub zu rauben und Beute zu erbeuten. und es zu machen zu Zertretenem wie Straßenlehm. 7 Er aber meint es nicht so, und sein Herz denkt nicht so, sondern zu vernichten [war] in seinem Herzen, und auszurotten Völker [in] nicht geringer [Zahl].

Das einstige Gerichtswerkzeug ist zu Jhwhs Feind geworden, von dem er sein Volk nun befreit. Das adversative awhw (»er aber«) am Beginn von V.7 nimmt den Gegensatz zwischen Jhwh und der fremden Militärmacht bereits vorweg. Obwohl sich die Machtkonstellationen zwischen Assur und Jhwh grundlegend verschieben, bleiben die gewaltrelevanten Elemente im Gottesbild konstant. Die Darstellung des göttlichen Eingreifens prägt weiterhin das Metaphernbündel von Zorn (hrb[, ~[z, @a) und Hand/Schlagen (~wr, bcx, dy), doch haben sich nun die Vorzeichen verkehrt. Dieser Wandel wird literarisch mit Hilfe der Leitworte »Stock« (jbv) und »Stab« (hjm) vollzogen126, die gerade den instrumentellen Charakter der assyrischen Militärmacht betonen: Assur, der Stab des göttlichen Zorns127 (ypa jbv, V.5), hätte sich nicht über denjenigen erheben sollen, der ihn schwingt (V.15). Daher braucht sich Jerusalem vor Assurs Stockschlägen nicht mehr zu fürchten (V.24): »Nur noch eine kurze Weile, dann wird mein Grimm erfüllt sein (~[z hlk) und mein Zorn [wird sein] gegen ihre Vernichtung« (V.25). Grimm (vgl. V.5) und @a treffen nun zum ersten Mal ein fremdes Volk.128 Das B-Kolon von V.5 spricht davon, dass sich die Rute des göttlichen Zorns in 126 Vgl. M. de Jong, Window, 93 f. 127 Vgl. H. Fredriksson, Jahwe als Krieger, 27: »Die Schläge, die Assur gegen Juda führt, sind […] indirekt die Zornesschläge Jahwes.« 128 Nach M. de Jong, Window, 91 f. beziehen sich der Grimm und dessen Vollendung (hlk) nicht auf das gottlose Volk aus V.6, sondern bereits auf Assur.

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der Hand Assurs befand.129 Die Beauftragung durch Jhwh zur Verübung von Gewalt am »gottlosen« Volk (@nx, V.6; vgl. 9,16; 24,5; 32,6; 33,14) wird damit nochmals hervorgehoben. Der Auftrag umfasste inhaltlich »Verwüstung« (smr, vgl. 5,5; 7,25; 28,18), den »Raub von Raubgut« (zb zbl) und die »Erbeutung von Beute« (llv llvl).130 Diese Begriffe sind untrennbar mit militärischen Auseinandersetzungen verbunden (z. B. Num 31,12; Dtn 20,14; Jos 7,21; Ps 76,6; Jer 50,10).131 Es lässt sich jedoch ein entscheidender Unterschied feststellen, der der Darstellung eine neue Nuance verleiht: Während die göttliche Stimme in V.5a Assur als direktes Vollzugsorgan bezeichnete (ypa jbv), wurde der Stab des göttlichen Zorns nach V.5b in Assurs Hand gegeben. Damit ist der fremden Macht ein deutlich größerer Handlungsspielraum eröffnet. »Die Großmacht Assur […] ist nicht nur Stab in Jahwes Hand, sie führt ihn auch mit eigener Hand. Das ist die dialektisch weiterführende Aussage des zweiten Stichos.«132 Doch prompt wurde der zugestandene Handlungsspielraum von Assur missbraucht. Trug das fremde Heer in Jes 5 idealisierte Züge, die über den Einsatz theologischer Begriffe in der Charakterisierung zustande kamen (vgl. Jes 9,10a), wird dessen Vorgehen nun in negatives Licht gerückt und Assur zum »Antijahwe« stilisiert.133 »Here, for the first time […], decidedly negative characteristics are attributed to the Assyrians.«134 Im Mittelteil des Kapitels (Jes 10,7 – 15) gibt Assur mit seiner Rede Einblick in die Gründe für den göttlichen Stimmungswechsel. Der Hauptvorwurf besteht in Assurs Hochmut, denn die Weltmacht meint, eigenmächtig agiert zu haben. Diese Überheblichkeit der von Jhwh in Dienst genommenen Kriegsmacht wird im Verlauf von Jes 10 immer wieder eingespielt (z. B. ~wr, trapt, V.12; rap hit., V.15).135 Die Rede vom hochmütigen Herzen (bbl ldg, V.12) zeigt, dass das von Gott beauftragte Werkzeug nicht besser war als sein zu bestrafendes Volk (vgl. 9,8). So rühmt sich Assur etwa in 10,13, »die Grenzen zwischen den Völkern aufgehoben und ihre Schätze geplündert zu haben« (vgl. V.9.14). Für »plündern« steht hier die Wurzel hsv, nicht llv oder zzb, wie im göttlichen Auftrag (V.6).136 Sie 129 So ist die sperrige Konstruktion ym[z ~dyb awh-hjmw wohl zu deuten; die Diskussion um die Formulierung ist zusammengefasst bei W. A. M. Beuken, Jes 1 – 12, 274. 130 Zum Plündern als gängige Triebfeder und als typisches Phänomen der altorientalischen Kriegsführung siehe D. Elgavish, Spoils of War. 131 Möglicherweise knüpft V.6 damit an das Geburtsorakel des Maher-schallal-hasch-bas (Jes 8,3) an, das Assurs Sieg gegen Israel und Damaskus verhieß und damit zugleich die Rettung Judas in Aussicht stellte. 132 S. Mittmann, Assur, 115. 133 Vgl. E. Haag, Antijahwe. 134 G. Eidevall, Prophecy and Propaganda, 43. 135 Auch die Baummetaphorik sowie das Wortfeld des Fällens spielen mit dem Gegensatz von »hoch« und »tief«. 136 Vgl. H. Wildberger, Jes 1 – 12, 400: »Aber es kann kein Zufall sein, daß 13bb eine andere Terminologie als 6ba verwendet.«

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ist im Vergleich zu den anderen Begriffen nicht nur der »stärkere Ausdruck«137. Mit hsv werden Plünderungen im Jesajabuch darüber hinaus stets negativ konnotiert und mit Ausnahme von Jes 42,24 (dort in Parallele mit zzb) nicht auf göttlichen Befehl zurückgeführt (vgl. Jes 17,14; 42,22).138 Jes 10,7 wirft Assur vor, im eigenen Herzen (wbblb) Vernichtung (dmv) geplant zu haben. dmv ist neben hkn (»schlagen«139) oder ~rx140 (»Bann«/»bannen«) ein Begriff militärischer Gewalt, der im Jesajabuch Jhwh vorbehalten ist und seiner Befehlsgewalt unterliegt (vgl. Jes 13,9; 14,23; 23,11; 26,14; 48,19).141 Assur plante eigenständig, was auf legitime Weise nur dem Herrn der Heerscharen zusteht. Es glaubt, ein »Mächtiger« (ryba) zu sein und im wahrsten Sinne des Wortes auf eigene Faust (ydy xkb, V.13; vgl. V.10.14) agiert zu haben. Das Jesajabuch sieht jedoch in Jhwh den einzigen ryba (1,24; 49,26; 60,16). Assur fungiert lediglich als Handlager der ausgestreckten göttlichen Hand. Zudem wird Assur der »Ausrottung nicht weniger Völker« bezichtigt (V.7). Nach V.6 war aber Zion das einzige Ziel des göttlichen Auftrags. Dem handelte die fremde Macht zuwider, indem sie Gewalt auf die Völkerwelt ausufern ließ. »Der assyrische Herrschaftsanspruch zielt auf eine totale Bemächtigung und […] Unterdrückung der Welt und ist in doppelter Hinsicht widergöttlich, in seiner Konkurrenz zur universalen Königsherrschaft Jahwes und in seiner chaotischen Auswirkung auf die Völker.«142 Sowohl die Übertretung des göttlichen Auftrages als auch die daraus resultierende Verschiebung der Machtkonstellation zwischen Gott und seinen Gewaltwerkzeugen schlägt sich in der verwendeten Gewaltsemantik deutlich nieder : Assurs Gewalthandeln wird in negatives Licht gerückt, während Gott nun gegen das fremde Volk gewaltsam vorgeht. Die göttliche Bestrafung (dqp qal, vgl. 13,11; 23,17; 24,21; 26,14.16.21; 27,1) der assyrischen Überheblichkeit erfolgt in mehreren Etappen. Zunächst wird das Eingreifen in V.12 für eine noch ausstehende Zeit erwartet (vgl. hyhw), nachdem Gott sein Werk an Zion/Jerusalem vollendet hat.143 In V.16 – 19 mindert 137 P. Mommer, Art. hsv, 347. 138 Dies gilt mit Ausnahme der dtr Stellen Ri 2,14.16; 2 Kön 17,20 sowie Hos 13,15 auch für die übrige HB; vgl. 1 Sam 14,48 (Amalek!); 1 Sam 23,1; Ps 44,11; Jer 50,11. Vgl. D. Elgavish, Spoils of War, 243 f.: »the parallelism in the Bible between the verbs zzb and hsv […] denotes unauthorized taking«. 139 Für W. A. M. Beuken, Jes 1 – 12, 73 ist das Schlagen im Jesajabuch »ein theologischer Begriff«. Siehe dazu auch J. T. Hibbard, Striking. 140 Vgl. Jes 34,2.5; 43,28 (und fälschlicherweise der Rabschake in 37,11!). 141 Dagegen geht das Bedrängen (vgn) gar nicht und das Vernichten (txv) bzw. der »Vernichter« (tyxvm) nur in Jes 54,16 (vgl. 36,10!) direkt auf Jhwh zurück. 142 S. Mittmann, Assur, 126. 143 Über den sekundären Charakter von V.12 herrscht ein breiter Forschungskonsens. Unklar bleibt jedoch der diachrone Kontext der Fortschreibung: E. Haag, Antijahwe, 37 datiert

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er Assurs Macht, indem er dessen Mächtigen (wynmvm wörtl. »seinen Fetten«, vgl. Ps 78,31) die Schwindsucht schickt und sein Dickicht in Feuer und Flamme aufgehen lässt.144 Hier tritt Israels Heiliger (wvdq) als Brandstifter gegen Assur in Erscheinung. Das Jesajabuch zeigt mehrmals, dass der Einsatz von Feuer eine gängige Taktik im Kampf bzw. eine häufige Kriegsfolge war (vgl. 1,7; 9,4; 50,11; 64,10). Auch Jhwh hält an mehreren Stellen mit Feuer und Flamme sein Gericht ab (30,27 – 30; 66,15 f.). Den deutlichsten Bezug zum militärischen Bereich stellt das dritte Untergangsszenario (V.24 – 27) her.145 Hier sticht zunächst die Veränderung der Gattung ins Auge, in der kriegerische Gottesbilder zum Einsatz kommen. An die Stelle von Weheruf (10,5) und Drohwort (5,25 – 30) tritt mit 10,24 – 26 die Heilsankündigung! Dort ist zunächst von der »Vernichtung« (tylbt, V.25) der Assyrer die Rede. Hinter der Verwendung dieses Hapaxlegomenons (hlb »aufreiben«/»zerfallen«, vgl. Jes 50,9; 51,6) steht nach W. Beuken das »Bedürfnis, Gottes Gericht über Assur eine andere Qualität zuzuerkennen als dem an seinem eigenen Volk«146. Zwischen dem assyrischen Gewalthandeln und dem göttlichen Vorgehen wird jeder semantische Konnex unterbunden. Ansonsten stellt der Spruch das göttliche Handeln an Zion und Assur spiegelbildlich dar : Das Orakel sieht den Niedergang in Kürze kommen, wenn sich der Grimm Gottes nicht mehr gegen das eigene Volk richtet (~[z, vgl. V.5), sondern gegen Assur erfüllt ist (hlk) und sein Zorn den Gegner vernichtet. Nun tritt Jhwh wieder als zornerfüllte Gottheit in Erscheinung. Der @a richtet sich aber nicht mehr gegen sein eigenes, sondern zum ersten Mal gegen ein fremdes Volk. Und auch Stab und Stock, die Jhwh am Beginn des Kapitels zum Schlag in Assurs Hand gegeben hat, tauchen in V.24 wieder auf. Doch nun schwingt Gott über Assur die Peitsche (jwv, 10,26). Assur, das Zion einst mit Stockschlägen züchtigte (V.24), wird nun selbst mit der Rute bestraft. Das Gerät ist vor allem als Werkzeug zum Antreiben von Leibeigenen oder Nutztieren gebräuchlich (vgl. Spr 26,3). Dass in der Erwähnung der Peitsche aber auch eine militärische Konnotation mitschwingt, zeigt V.12a als Teil der jüngsten Bearbeitungsschicht in die frühnachexilische Zeit; nach U. Berges, Buch, 126 (unter Rückgriff auf O. Kaiser, Jes 1 – 12, 220) deutet das Thema der »Uneinnehmbarkeit des Zion […] auf Einschreibungen aus Hiskija-Legenden«. 144 M. de Jong, Window, 104 datiert die Einheit in das späte 7. Jh. v. Chr., während H. Wildberger, Jes 1 – 12, 408 sowie J. Vermeylen, Du prophet I, 259 in Jes 10,16 – 19 eine nachexilische Erweiterung sehen; zurückhaltender äußert sich W. A. M. Beuken, Jes 1 – 12, 279 f. in Bezug auf die Möglichkeit einer exakten Datierung. 145 Nach der Analyse von M. de Jong, Window, 94 f. besteht der Spruch aus drei redaktionsgeschichtlichen Straten: Das ursprüngliche Kriegsorakel aus dem 8. Jh. v. Chr., welches das Ende der assyrischen Bedrohung verheißt, wird mit V.26a kommentierend fortgeschrieben (Sprecherwechsel!) und mit V.27, als Assur im späten 7. Jh. v. Chr. endgültig untergeht, um die Perspektive der Befreiung von der assyrischen Last erweitert. 146 W. A. M. Beuken, Jes 1 – 12, 293.

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ein Blick auf Nah 3,2, wo der Peitschenknall zum Antreiben der Kriegspferde – ebenfalls gegen Assur (vgl. V.7.18) – erschallt. Der Verweis auf den Exodus (vgl. Jes 10,24; 11,15) und die Beifügung »wie beim Schlag Midians« (!ydm tkm) macht die militärische Konnotation des göttlichen Rettungshandelns in Jes 10,26 noch deutlicher. Wie Assur den Stab »in der Art/auf dem Weg Ägyptens« ($rdb ~yrcm) erhoben hat, so erhebt nun Jhwh selbst den Stab gegen Assur. Mit der Erwähnung von Midian werden gleich zwei literarische Brücken geschlagen: intertextuell zu dem durch Jhwh geschenkten Sieg Gideons gegen Midian in Ri 7,15 – 25 (vgl. V.9). Intratextuell verweist der Text zusammen mit der Rede von Last und Joch (lbs,147lw[, V.27) auf Jes 9,3 zurück. »Das reale Joch verschmilzt […] mit dem symbolisch-metaphorischen Joch als Ausdruck imperialer Unterdrückung und Herrschaft.«148 Hier wie dort verdeutlicht der Krieg gegen Midian die Befreiung von der assyrischen Unterdrückung. So wird der Schnürstiefel in Jes 9,4 (!was, ein assyrisches Lehnwort149), an dem nach 5,27 nicht einmal ein Riemen reißt,150 ein Fraß des Feuers. Beide Texte weisen wohl in die Joschijanische Zeit, als sich der Niedergang Assurs mehr und mehr abzeichnete.151 »Insofern ist auch für Jes 9,3 denkbar, daß die Joch-Formulierung eine Art prophetische Gegenpropaganda zu einem entscheidenden ›Beziehungsbild‹ assyrischer Herrschaftsideologie darstellt.«152 Bereits in Jes 9,4 ist der »Sieg […] so umfassend, daß nur noch Soldatenstiefel und Soldatenmäntel als einziges Überbleibsel der feindlichen Streitmacht auf dem leergefegten Schlachtfeld zu vernichten sind.«153 Sowohl das Schilfmeerereignis als auch Midian stehen damit paradigmatisch für Gottes rettende Gewalt. »Es besteht kein Zweifel, dass im Gefälle des Textes Gott die Befreiung von der Fremdherrschaft […] und damit die Voraussetzung für die Friedensherrschaft ermöglicht.«154 Mit Jes 10,24 – 27 erhält auch die Gewalt eine neue Zielrichtung: Dass Jhwh sein Volk mit kriegerischen Mitteln vor Gewalt und Unterdrückung rettet, stellt eine Facette im Gewaltdiskurs des Buches dar, die so bisher nicht 147 Das Joch galt im gesamten Alten Orient als Symbol von Herrschaft, Unterdrückung und militärischer Dominanz; vgl. dazu M. Anbar, Yoke. Nach A. Ruwe/U. Weise, Joch, 283 f. ist im Neuassyrischen Reich spätestens seit Sanherib »der Begriff ›Joch‹ […] fester Bestandteil des herrschaftlichen Vokabulars in den Inschriftenzeugnissen«. 148 Ebd., 280 f. 149 So nach HALAT III, 697. Der Schnürstiefel wird spätestens unter Asarhaddon oder Assurbanipal fester Bestandteil der königlichen Gewandung; vgl. N. Stillman/N. Tallis, Armies, 152 – 154 (Abb. 117 f.). 150 Dort wird allerdings das weniger spezifische l[n verwendet, das keine rein militärische Konnotation aufweist (vgl. etwa Hld 7,2), obgleich diese Sandalenart offensichtlich auch zur Ausrüstung von Soldaten gehören konnte (vgl. 1 Kön 2,5). 151 Dazu H. Barth, Jesaja-Worte, 170 – 174. 152 A. Ruwe/U. Weise, Joch, 299. 153 O. H. Steck, Herrschererwartungen, 63 (mit FN 180). 154 R. Liwak, Herrschaft, 68.

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zum Vorschein gekommen war. Denn bislang diente Jhwh der Krieg hauptsächlich zur Bestrafung des eigenen Volkes durch fremde Völker. Von V.28 an entspinnt sich vor den Augen der Lesenden noch einmal das Horrorszenario »eines überwältigenden, feindlichen Blitzkrieges«155. Abermals rauschen fremde Truppen ins Land (vgl. Jes 5,26). Panik und Flucht, typische Folgen von Kriegsbedrohungen (vgl. Jes 13,6 – 8), begleiten den Aufmarsch und prägen das Szenario (vgl. 10,29b–31). Die Spannung, in der die Leserschaft in diesem Abschnitt gehalten wird, findet in V.32 ihren Höhepunkt: Schlagartig schwingt Assur seine (!) Hand (wdy @wn) gegen den Zion. Doch hat bereits V.15 unmissverständlich klar gemacht, dass Assur nur dann etwas gegen den Zion auszurichten vermag, wenn Jhwh selbst den Stock schwingt (jbv @wn). Anders als in Jes 5,26 – 29 steht der Heilige Israels nicht (mehr) hinter dem assyrischen Kriegszug. Vielmehr greift er unvermittelt156 ein, um die Erstürmung Zions zu verhindern.157 Dazu bietet er aber weder ein anderes fremdes, noch sein eigenes Volk auf. Jhwh geht selbst gegen Assur vor, indem er mit Schreckensgewalt (hcr[m, vgl. 8,13!) die Überheblichkeit Assurs abhaut (@[s), wie dies ein Holzfäller bei überschüssigen Trieben tut. Bei beiden Termini handelt es sich – wie schon bei der Vernichtung im Rahmen der vorherigen Untergangsvision (tylbt, V.25) – um Hapaxlegomena, mit der die göttlichen Gewalthandlungen an Assur beschrieben werden. Damit stellt Jes 10,5 – 34 zwischen dem assyrischen Kriegstreiben und dem göttlichen Eingreifen keinerlei semantische Entsprechung her. Gleichzeitig wird der Krieg typologisch um die Facette der befreienden Gewalt bereichert, ohne vom Aspekt der göttlichen Strafe Abstand zu nehmen. Für Jhwh bleibt der Krieg eine adäquate Maßnahme, um das ruchlose Volk in Zion/Jerusalem zur Rechenschaft zu ziehen (V.6.12). Er wird aber auch ein Mittel, um dem assyrischen Kriegstreiben ein Ende zu bereiten. In der nachexilischen Fortschreibung (10,21 – 23) ist so der Weg für Israels Rest frei, zum »heldenhaften Gott« (rwbg la, V.21158) umzukehren, als der er sich durch die Vernichtung inmitten der ganzen Erde erweist (V.23).159 Die Untersuchung der Gewaltsemantik in den Inszenierungen des assyrischen Untergangs (Jes 10) hat ergeben, dass besonders die dritte Sequenz (V.24 – 155 W. A. M. Beuken, Jes 1 – 12, 295. 156 Vgl. den Neueinsatz mit twabc hwhy !wdah hnh in 10,33. 157 Das Ziel der göttlichen Gewalthandlung ist mehrdeutig: Denn unter den göttlichen Hieben fällt nicht nur Assur, sondern durch die intratextuellen Bezüge zu Jes 2,12 – 14 (Libanon und Baummetaphorik; ~wr, hbg) sowie durch die Stichwortverbindung zu Jes 10,4 (lpn) auch die Überheblichkeit in Zion/Jerusalem; vgl. etwa J. Høgenhaven, Gott, 122; D. L. Christensen, Transformations, 149 f. Diese inhaltliche Mehrdeutigkeit von Jes 10,33 f. ist wohl bewusst gesetzt; gegen G. C. I. Wong, Deliverance. 158 In seinem literarischen Nahkontext steht das Epitheton also mit dem Kriegskontext in Beziehung und ist nicht nur »part of the name«, wie S. M. Kang, War, 197 meint. 159 Vgl. U. Berges, Buch, 126 f.

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26) das göttliche Agieren unter kriegerische Vorzeichen stellt. Keine Sequenz lässt einen Zweifel daran aufkommen, dass Jhwh – und er allein – für den Untergang jenes Weltreiches sorgt, das mit seiner Kriegstreiberei den göttlichen Auftrag übertreten hat (vgl. V.7). Er tut dies jedoch nicht, indem er selbst zu militärischen Mitteln greift. Im Falle von Assur bedient er sich auch keiner anderen Weltreiche oder Völker. Er nimmt weder Ägypten oder Babel und schon gar nicht Israel in Dienst. Den Autoren des Jesajabuches war bewusst, dass die Meder und vor allem die Babylonier für den Untergang des Neuassyrischen Reiches verantwortlich waren. Doch der neuen Weltmacht wird die Funktion eines Werkzeuges göttlicher Gewalt verwehrt. Gott selbst sorgt für die Befreiung seines Volkes von der assyrischen Bedrohung. Typologisch fungiert die militärische Gewalt in Jes 10 nicht mehr ausschließlich der Sanktionierung Israels, sondern auch der Bestrafung Assurs. Während sich das Bild des fremden Volkes verfinstert, gewinnt das militärische Gottesbild im Jesajabuch dadurch an Strahlkraft und Stärke: Jhwh kann die Großmacht des antiken Orients nicht nur zur Bestrafung des eigenen Volkes berufen, er kann sie auch in die Schranken weisen und vernichten, sollte sie seinen Befehl übertreten. Doch bleibt Jes 10 nicht bei diesem destruktiven Aspekt stehen, sondern treibt den Kriegsdiskurs um einen Schritt weiter : An alle drei Sequenzen göttlicher Gewalt schließen sich Texte an, die das Gewalthandeln Gottes unter die Perspektive der Rettung des eigenen Volkes stellen. Besonders kunstvoll geschieht dies am Ende des Kapitels: Denn aus dem von Jhwh gerodeten Wald, geht nach Jes 11,1 ein Wurzelspross aus dem Baumstumpf Isais hervor.160 Doch wie verläuft das weitere Schicksal des einst so mächtigen Gottesfeindes? Das eigentliche Ende Assurs wird sich zwar erst in Jes 14,24 – 27 einstellen, doch dort »ist die Erinnerung an Assur deutlich schwächer«161. Schon im weiteren Verlauf von Jes 1 – 12 spielt Assur keine tragende Rolle mehr – weder als Feind Israels noch als Jhwhs Kontrahent (vgl. Jes 11,11.16). Und auch Gott verübt bis zum Ende der Teilkomposition keine Gewalt mehr gegen Menschen. Es ist vielmehr der aufkeimende Spross aus der Wurzel Isais, der das Machtvakuum mit einer alternativen Form von Herrschaft füllt.

4.1.7 Wenn sich Gewalt in Recht verwandelt (Jes 11 f.) Dem Untergang Assurs steht im zweiten Teil des Diptychons (Jes 11) die Erwartung eines neuen Herrschers (V.1 – 5) gegenüber. Seine Darstellung ist in160 Vgl. ebd., 128. 161 W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 28.

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sofern für die Inszenierung des göttlichen Handelns relevant, als auf ihm die xwr hwhy ruht (V.2) und der Abschnitt so zu den »Zeugnisse[n] eindringlicher theologischer Reflexion über das Wesen der Gottesherrschaft«162 gehört. Auf Ebene des Endtextes »bildet der Fall des Unterdrückers (Jes 10,33 – 34) und das Aufkommen des geistbegabten Schösslings (Jes 11,1 – 10) ein einziges, von JHWH initiiertes Geschehen«163. Welche Rolle spielt die Gewalt in dieser visionären Ausleuchtung der von Jhwh übertragenen Macht? Bei der Beschreibung der von Gottesfurcht geprägten Regierung, die unter dem Stichwort des »gerechten Gerichtes« (vgl. V.3) steht, wird Gewaltterminologie aufgenommen: So ist der neue Herrscher wie ein Krieger »gegürtet« (rwza, V.5; vgl. 5,27; 8,9; 45,5). Aber statt Lederrüstung oder Panzerjacke schützen ihn »Gerechtigkeit und Treue« (hnwmaw qdc).164 Den Stock (jbv), mit dem er zuschlägt (hkn), führt er nicht in der Hand. Dieser besteht vielmehr aus seinem Mund, mit dem er den Untergebenen das gerechte Gericht spricht. Auf synchroner Ebene teilt sich der Spross damit die richterliche Gewalt mit Jhwh (hky V.3 f.; vgl. 2,4) und so ist »das Reis ein Werkzeug JHWHs«165, das Assur als militärisches Werkzeug ablöst. Trotz veränderter Darstellungsweise darf der Gewaltaspekt in der Ausübung göttlicher Herrschaft nicht vollkommen vernachlässigt werden. Obwohl die Gewalt in Jes 11 stark metaphorisiert wird, lässt sich auf Basis der verwendeten Semantik nicht behaupten, dass die Macht des göttlichen Wortes166 »dem Herrscher den Verzicht auf physische Gewalt«167 ermögliche. Denn Jes 11,4b spricht eindeutig von Schlägen (hkn) und vom Töten (twm hiph.), selbst wenn die tödliche Gewalt nicht vom Herrscher selbst, sondern auf dessen Geheiß hin (xwrb wytpf) verübt wird.168 Der Text sieht der Tatsache klar ins Auge, dass auch die gerechteste Herrschaft (vgl. V.3) ohne den Aspekt physischer Gewalt gegen jene nicht ankommt, die durch Gewalttat und frevelhaftes Verhalten andere zu Elenden und Armen degradieren (vgl. V.4). Die redaktionellen Fortschreibungen zu Jes 11,1 – 5 führen die Reflexion über den erwarteten Herrscher am Zion weiter. So schließt sich mit V.6 – 9 zunächst die Vision des eschatologischen Tierfriedens an. Sie gibt sich als Folge der neuen 162 U. Becker, Messias, 237 [Hervorhebung: U. B.]. 163 W. A. M. Beuken, Jes 1 – 12, 303: »Der zeitliche Ablauf ist einfach: Zuerst fällt Assur (hnh mit Partizip), dann kommt das Reis Isais (11,1: weqatal).« 164 Schon zuvor wurden Gerechtigkeit und Treue als Herrschaftsideale herausgestellt; vgl. bes. Jes 1,21.26; 7,9. 165 W. A. M. Beuken, Jes 1 – 12, 311. 166 Dazu J. Kügler, Machtwort. 167 Ebd., 287. 168 Vgl. R. Liwak, Herrschaft, 69: »Auch die Hoffnungen auf diesen Herrscher sollten nicht unsachgemäß pazifiziert werden, wenn er den Bedrücker mit dem ›Stock/Stab seines Mundes‹ […] und die Frevler mit dem ›Hauch seiner Lippen‹ […] tötet (11,4). Man kann hier nicht das Wort gegen die Tat ausspielen, die vernichtende Wirkung ist gleich.«

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Herrschaft zu erkennen, indem der Geist der Jhwh-Erkenntnis (hwhy-ta h[d), der auf dem königlichen Wurzelspross (t[d xwr, V.2) ruht, nun das ganze Land erfüllt (V.9). Dadurch endet alles Unrecht auf dem Zion, wie Jhwh abschließend feierlich verkündet: »Man tut nichts Übles mehr ([[r), noch handelt man verderblich (txv) auf dem ganzen Berg meiner Heiligkeit!« (V.9). So gibt es am Ende der ersten Teilkomposition keine Nachkommenschaft von Übeltätern (~y[rm) und Verderbern (~ytyxvm) mehr in Zion, wie dies am Beginn des Buches noch der Fall war (vgl. 1,4). Die Friedensvision zeigt, dass die Folgen einer von Gerechtigkeit durchtränkten Herrschaft tiefer greifen als ein einfaches Schweigen der Waffen. Das unblutige, gewaltlose Miteinander der fleischfressenden Tiere mit ihrer Beute spiegelt das friedvolle Zusammenleben der Menschen wider. Dieses scheint jedoch nur deshalb Wirklichkeit zu werden, weil die Frevler bereits in V.4 (mit dem Stock des Herrschermundes) geschlagen wurden und den Tod fanden (twm hiph.). »Selbst die Vision vom großen Frieden und der umfassenden Gewaltfreiheit kommt ohne die Vernichtung der Schuldigen nicht aus.«169 Nach einem solchen von aller Bosheit befreiten Ort suchen Völker und Nationen ähnlich wie in Jes 2,2 – 5. Der erhoffte Herrscher dient ihnen dazu nach V.10 sogar als Feldzeichen (sn) – nun aber nicht mehr als Aufmarschsignum für militärische Verbündete (vgl. 5,26), sondern als Orientierungspunkt zur friedlichen Sammlung.170 Der Grund für das Kommen der Völker ist ein einfacher, und gleichzeitig ein zutiefst theologischer : »Denn sein Ruheplatz (wtwnm) wird seine Heiligkeit (wvdq) sein!« (V.9; vgl. 65,25). Der Zionsberg fungiert in dieser Vision als ein solcher Ort der Ruhe, nach dem sich auch die Völker sehnen. Denn dort werden selbst die tiefsten Feindschaften überwunden (vgl. V.6 – 8).171 Zugleich zeigt der Text, dass Friede nach dem Verständnis des Jesajabuches weitaus mehr umfasst als die bloße Abwesenheit von Krieg. »Die Welt auf dem ›ganzen heiligen Berg‹ ist eine Welt ohne smx – vermittelt durch den neuen ›königlichen‹ Trieb aus dem Baumstumpf Isaias.«172 Im letzten Teil des Diptychons (V.10 – 16) tritt Jhwh wieder als Handlungsträger in Erscheinung. Der Abschnitt ist somit für die Frage nach Inszenierung göttlicher Gewalt in der ersten Teilkomposition von ähnlich großer Bedeutung wie die erste Strophe des Kehrversgedichtes (Jes 5,25 – 30), zu der zahlreiche Querverweise bestehen. Nach H. Williamson stehen die beiden Texte sogar in 169 J. Kügler, Machtwort, 288. 170 Vgl. C. Sherlock, God Who Fights, 149: »[T]he close connection in Isaianic tradition between twabc-hwhy and the Holy One enabled […] to resist the pressure to distort […] theology into mere national ideology.« Jes 11,13 zeigt jedoch deutlich, dass auch die JesajaTradition von solchen Tendenzen nicht ganz verschont blieb. 171 Dazu E. Zenger, Verheissung. 172 Ebd., 145.

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redaktionsgeschichtlicher Nähe zueinander.173 Die in ihnen dargestellten göttlichen Handlungen verfügen über dieselbe Textpragmatik: »they served as redactional summaries of the general tone and tenor of the two large preceding blocks of material for which they served as conclusions«174. Zugleich verfügt Jes 11,11 – 16 über jene Dynamik, die bereits für die Darstellung des neuen Herrschers kennzeichnend war. Auch hier wird Gewaltterminologie aufgegriffen, aber in die Beschreibung gewaltfreier Handlungen übertragen. Damit kommt es am Ende von Jes 1 – 12 zur Umkehrung zahlreicher Motive: So ist in Jes 11,11 die göttliche Hand zum »zweiten [Mal]« (tynv) aktiv.175 Sie ist nun jedoch nicht mehr ausgestreckt, um Gottes glühenden Zorn an seinem Volk zu vollstrecken (vgl. 5,25 – 30), sondern um dessen übriggebliebenen Rest aus aller Herren Länder zurückzuführen. Jes 11,12 führt das Thema der »Rückkehr« unter Zuhilfenahme eines anderen, bereits bekannten Kriegsmotivs weiter : Gott stellt – dem Wortlaut von Jes 5,26 folgend – ein Feldzeichen für die Nationen auf (~ywgl sn afnw). Doch statt eines militärischen Aufmarsches fremder Truppen »vom Ende der Erde« (#rah hcqm), ist das Ziel nun die Sammlung der einst aus Israel Vertriebenen und der Versprengten Judas aus den vier Windrichtungen. Beide Verse verzichten in ihrer Darstellung der göttlichen Rettung, »auf irgendein Auftreten gegen die unrechtmäßigen Gewaltherrscher Assur (und Ägypten) einzugehen […] Nachdem das Reis Isais Recht und Frieden hergestellt hat (V 1 – 9), bedarf es […] keiner Anwendung von Gewalt mehr«176. Diese Facette im Gottesbild von Jes 1 – 12 ist mit der Vernichtung Assurs in Jes 10 bereits abgehandelt worden; sie findet jedoch in Jes 13 f. eine imposante Fortsetzung. Im Zentrum von Jes 11 steht das Befreiungshandeln für »den Rest seines Volkes, der aus Assur übrig blieb« (rwvam ravy rva wm[ rav-ta, V.11).177 Auf die Sammlung der Versprengten folgt mit V.13 f. eine kurze Notiz, die ebenfalls von militärischer Gewalt geprägt ist. Der Fokus verschiebt sich jedoch von Jhwh und seinem Handeln, auf die zwischenstaatliche Ebene. Nun steht das weitere Schicksal von Ephraim und Juda im Mittelpunkt. Mit der Installation des 173 Auf Basis dieser Notiz datiert H. G. M. Williamson, Redaction, 346 die Redaktion in die exilische Zeit und – mit Vorsicht – in die Nähe Deuterojesajas, mit dem sie Zeit und Perspektive teilt: »There is good reason to believe […] that the transposition of v 25 – 29 (30) to its present position was consciously undertaken by the same redactor who composed xi 11 – 16 […]« (ebd.). 174 Ebd., 353. 175 Aus dem Prophetenspruch geht jedoch nicht explizit hervor, welche Handlung Jhwh durch seine Hand fortführen lässt (@sy hiph.). Für eine textkritische Änderung zu @nx oder afn, wie sie etwa H. Wildberger, Jes 1 – 12, 463 vorschlägt, geben die Textzeugen keinen Anhaltspunkt. 176 W. A. M. Beuken, Jes 1 – 12, 319. 177 Im Laufe der Redaktionsgeschichte wird Assur von einer konkreten historischen Größe immer mehr zu einer Chiffre gottfeindlicher Kräfte. Dieses Schicksal teilt es in späterer Zeit mit Babylon (vgl. Kapitel 4.2.2.1) und Edom (vgl. Kapitel 4.3.2).

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erhofften neuen Herrschers in der Nachfolge Davids gehört die Feindschaft zwischen beiden Brüderstaaten endgültig der Vergangenheit an (hanq hrsw, vgl. Jes 9,6!). Es kommt vielmehr zur Waffenbrüderschaft und zu einem gemeinsamen Kriegszug gegen die Nachbarstaaten in West und Ost (vgl. Jes 9,11 f.), Nord und Süd. Der Einfall (178@w[) in fremde Herrschaftsgebiete dient nicht der Befreiung von einer Besatzungsmacht, sondern der Bereicherung (zzb) und der Durchsetzung von Machtansprüchen, indem sie die besiegten Feinde zu »Hörigen« (~t[mvm) machen (V.14). Krieg wird hier als ein politisches Geschehen wahrgenommen, das sich ähnlich der Kriegskonzeption in der Denkschrift (vgl. Jes 7,1 – 9) im zwischenstaatlichen Bereich vollzieht. Jhwh spielt in der Inszenierung keine tragende Rolle: Denn anders als Assur übernimmt Israel nicht die Funktion eines göttlichen Kriegswerkzeuges. Von einer Beauftragung durch Gott ist ebenso wenig die Rede. Die Restauration mit militärischen Mitteln wird nicht als von Jhwh verfügter Auftrag inszeniert, sondern als Folge des göttlichen Handelns. Das Bild der militärischen Koalition, ist in mehrfacher Hinsicht außergewöhnlich: Es ist die einzige Stelle in der gesamten Schriftprophetie, wo der Eifer (hanq) keine göttliche Eigenschaft, sondern eine menschliche Emotion ist.179 Zudem ist es einer der wenigen Texte im Jesajabuch, wo Israel/Juda als im Krieg aktive Partei dargestellt ist (vgl. Jes 41,15 f.). Dieses »Programm zur politischen Restauration«180, dem kriegerische Mittel zum Durchbruch verhelfen sollen, wird im jetzigen literarischen Kontext durch zwei Gottesbilder gerahmt. Sie spielen ebenfalls militärische Gewalt terminologisch ein, stellen dabei aber den Abschnitt unter das Vorzeichen der von Gott vollbrachten Rettung. Das Aufstellen des Feldzeichens aus Jes 11,12 setzt sich in V.15 f. mit tatsächlichen Gewalthandlungen fort. Nun schwingt Jhwh seine Hand (wdy @nx hiph., vgl. 10,15; 13,2), verhängt den Kriegsbann (181~rx, vgl. 34,2; 43,28) und schlägt zu (hkn). Doch von einem Blutvergießen oder gefallenen Soldaten spricht der Text nicht. Den Bann vollzieht er an der »Meerzunge Ägyptens« (~yrcm-~y !wvl). Mit der Gewalt seines Geistes schwingt er seine Hand gegen den Strom (= Assur) und zerschlägt ihn in sieben kleine Bäche. Die Wassermetaphorik zur Charakterisierung fremder Mächte ist bereits aus der Denkschrift bekannt, wo sie in der 178 Das Bild, dessen Hintergrund der Flug eines Raubvogels (@w[ »fliegen«) bildet, verwendet auch Hab 1,8 zur Beschreibung militärischer Operationen. 179 Um menschliche hanq geht es in den Durchführungsbestimmungen zum Eifersuchtsordal (Num 5,12 – 31) sowie in einigen weisheitlichen Texten (z. B. Ijob 5,2; Ps 69,10; Spr 14,30; Koh 9,4; Hld 8,6). 180 Vgl. W. A. M. Beuken, Jes 1 – 12, 321 f. 181 LXX, Vg, Syr und Tg lesen stattdessen zwar brx (»austrocknen«), wohl um den Bezug zur Exoduserzählung (vgl. Ex 14,21) noch deutlicher zu machen. Doch ist ~rx durch MT, 1 QJesa sowie Th, Aq und Sym gut belegt; zu den außerbiblischen Belegen des ~rx im nordwestsemitischen Sprachraum siehe A. Lemaire, H¦rem.

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Beschreibung Assurs als göttliches Strafwerkzeug zum Einsatz kommt (Jes 8,7 f.; vgl. 5,30). Die Gegnerschaft ist in Jes 11,15 f. ebenfalls stark metaphorisiert dargestellt, da Jhwh nur unlebendige Ziele schädigt. So kann in der Tat »von einem Völkergericht nicht die Rede sein«182. Das braucht es insofern auch nicht, als nach der Bestrafung von Assur in Jes 10 (und dem Tod der Frevler in 11,4) von den Fremdvölkern (vorerst!) keine Bedrohung mehr ausgeht. Hervorgehoben wird aber nochmals die göttliche Dominanz über die Nationen. Der Hauptakzent liegt wie schon in V.12 nicht mehr auf der Vernichtung des Feindes, sondern auf der Befreiung und der Rückkehr des Volkes.183 Denn der göttliche Schlag zur Teilung des Wassers stellt sicher, dass Israel mit Sandalen (hl[n, vgl. Jes 5,27) den Strom durchziehen kann ($rd, vgl. 5,28!). So entsteht für den Überrest des Volkes eine Straße zur Rückkehr aus Assur, wie »in den Tagen seines Hinaufsteigens aus Ägyptens« (~yrcm #ram wtl[ ~wyb, V.16; vgl. Ex 3,8.17; 13,18). Die Aufnahme der Exodusmotivik am Ende des Kapitels zeigt abermals auf subtile Art und Weise, dass die Rettung mit kriegerischen Mitteln einen zentralen Subtext zum Verständnis des Gottesbildes im Jesajabuch darstellt. Strukturell wird am Ende des Diptychons (Jes 10 f.) die Darstellung menschlicher Kriegsgewalt (11,13 f.) durch Gottesbilder gerahmt, die dem politisch geführten Eroberungsfeldzug den Aspekt der befreienden Gewalt gegenüberstellen (V.12.15 f.). Dies ist umso bemerkenswerter, als es sich bei den politischen Akteuren nicht um fremde Völker oder Feinde handelt, sondern um Israel und Juda! Den Schlussakkord der Teilkomposition bildet dadurch auch nicht die Hoffnung auf ein wiedererstarktes Großreich, sondern Jhwh, der mit seinem Gewalthandeln wie in einem neuen – jedoch unblutig inszenierten (!) – Exodus eine Strasse von Assur ausgehen lässt für jene, die dem Gewalthandeln durch (aber auch an?) Assur entgingen (V.15 f.). In Jes 12 ertönt die Antwort auf das göttliche Rettungshandeln in doxologischer Form. Weil Zion/Jerusalem auf Jhwh vertraut hat (xjb, V.2), ist er der Stadt zum Heil geworden. In Bezug auf die Darstellung des göttlichen Handelns setzt sich die Tendenz fort, gewalthaltige Aspekte aufzunehmen, die das Verhältnis zum eigenen Volk in der Teilkomposition bestimmten, und sie in friedfertige Gegenbilder umzuwandeln. Das Danklied (Jes 12184) erinnert noch einmal den göttlichen Zorn auf Zion/Jerusalem (@a, V.1).185 Was das Kehrversgedicht (vgl. 5,25; 9,11.16.20; 10,4) über die gesamte erste Teilkomposition hinweg für unmöglich hielt, ist nun eingetroffen: Der Gotteszorn hat sich gewendet (@a bwv) 182 U. Berges, Buch, 130. 183 Jes 11,10 – 16 sind Teil der sog. Heimkehr-Redaktion; vgl. ebd., 129 f. 184 Zu Jes 12 als redaktioneller Brücke zwischen erster und zweiter Teilkomposition siehe W. A. M. Beuken, Song of Gratitude. 185 Ders., Jes 1 – 12, 333 verweist darauf, dass der Redeauftrag (trmaw) zuvor ausschließlich an Jesaja gerichtet ist (6,9; 7,4).

Gottes Gewalt gegen die Völker und die gesamte Erde (Jes 13 – 27)

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und in Trost (~xn) verwandelt. Der @a ist bereits gegen jenes fremde Volk aufgelodert, das vorher als militärisches Werkzeug zur Vollstreckung des Grimms herangezogen wurde. Das Zürnen gegen das eigene Volk ging demgegenüber offensichtlich zu Ende (~[z hlk; vgl. Jes 10,25). Erst in Jes 66,15, wo die Kriegswagen genauso brausen werden wie die daherstürmende Armee von 5,25 – 30, wird Gott seinen @a abermals umkehren lassen. Dann wird er aber nicht mehr an seinem ganzen Volk Gericht halten, sondern an allem Fleisch (rfb-lk). Das Ziel wird die durch Jhwh vollbrachte innergemeindliche Scheidung sein: Während er den Knechten (~ydb[) den Frieden wie einen Strom zuleitet (Jes 66,12), werden die Erschlagenen unter seinen Feinden (wybya, V.6.14) zahlreich sein (hwhy yllx wbr, V.16). Bis zu diesem göttlichen Gericht am Ende der Prophetenschrift stellen sich dem Heiligen Israels noch zahlreiche Gegner und feindliche Völker in den Weg. Diese Perspektive kündigt sich bereits in Jes 12,4 an: Zion wird aufgefordert, die rettende Macht Jhwhs und seinen erhabenen Namen (bgf, vgl. 2,6 – 22) unter den Völkern zu verkündigen und der ganzen Erde bekanntzumachen. Da der folgende Abschnitt (Jes 13 – 27) das Verhältnis zwischen Jhwh und den fremden Völkern abhandelt, bildet Jes 12 eine literarische Brücke zwischen der auf Zion und Assur konzentrierten ersten Teilkomposition und dem zweiten Zyklus (Jes 13 – 27). Dort plant allen voran Babel, seinen Thron »über den Sternen Gottes« (vgl. 14,13) aufzubauen und tritt damit in deutliche Konkurrenz zu Jhwh. Der große Friede lässt trotz der assyrischen Niederlage ganz offensichtlich auf sich warten.

4.2

Gottes Gewalt gegen die Völker und die gesamte Erde (Jes 13 – 27)

4.2.1 Grundstruktur der Teilkomposition Während Jes 1 – 12 thematisch von der Bestrafung Zions/Jerusalems durch Assur und in Jes 10 von der Auseinandersetzung mit Assur bestimmt waren, liegt der Fokus in Jes 13 – 27 auf dem Verhältnis zwischen Jhwh und der Völkerwelt.1 Die zweite Teilkomposition beginnt mit dem Lastspruch an Babel (Jes 13), endet mit dem Tyrusspruch (Jes 23) und findet in Jes 24 – 27 ihre kosmische Fortsetzung.2 1 Der Perspektivwechsel kommt nicht unvermittelt, da die Völkerthematik sowohl am Beginn als auch am Ende von Jes 1 – 12 präsent ist: Nach der Völkerwallfahrt zum Zion (Jes 2,2 – 5) schließt Jes 12,5 mit der Aufforderung, Jhwhs Taten »auf der ganzen Erde« (#rah-lkb) zu verkünden. Darüber hinaus tritt Gott bereits im Assur-Kapitel (Jes 10,5 – 34) gewaltsam gegen ein fremdes Volk in Erscheinung. Auf weitere Kontinuitäten verweist W. A. M. Beuken, Song of Gratitude. 2 Die sog. »Große Jesaja-Apokalypse« wird in der heutigen Forschung als Einheit mit den

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

Unter synchroner Perspektive gibt sich der erste Abschnitt (Jes 13 – 23) als Sammlung von 10 Orakeln zu erkennen, die gegen mehr oder weniger gut identifizierbare Völker gerichtet sind. Als strukturgebendes Element erweist sich der Begriff afm (»Lastspruch«), welcher einzelnen Sprüchen bzw. Spruchgruppen vorangestellt ist (Jes 13,1; 14,28; 15,1; 17,1; 19,1; 21,1.11.13; 22,1; 23,1; vgl. 22,25; 30,6).3 Ein stichhaltiges, allübergreifendes Ordnungsschema der Sprüche lässt sich allerdings nicht erkennen: Den programmatischen Auftakt bildet der »Doppelspruch« gegen Babel und seinen König (Jes 13,1 – 14,23), an den sich wie ein Epilog die Vernichtung Assurs anschließt (Jes 14,24 – 27). Am Beginn der Orakelsammlung liegt der Fokus stärker auf dem Schicksal von Nachbarstaaten, wie den Philistern (Jes 14,28 – 32), Moab (Jes 15 f.) und Damaskus (Jes 17,1 – 11). Gegen Ende hin verlagert sich der Schwerpunkt auf die altorientalischen Großmächte (Kusch, Jes 18; Ägypten, Jes 19). Die zweite Spruchreihe wird ebenfalls mit einem Spruch gegen Babel (Jes 21,1 – 10) eröffnet. Das kompositorische Zentrum (Jes 20,1 – 6), um das sich jeweils 5 Sprüche gruppieren, bildet eine prophetische Zeichenhandlung. Darin warnt Jesaja vordergründig die Bewohner Aschdods vor ihrem falschen Vertrauen (jbm, V.6) auf Rettung (lcn) aus Kriegsgefahr durch fremde Völker. Doch der eigentliche Adressatenkreis ist Juda: »Ohne sein eigenes Volk explizit zu nennen hält Jesaja ihm im Spiegel […] ›dieses Küstenlandes‹ (V1.6), die beschämende Enttäuschung eines falschen Vertrauens und im Spiegel Ägyptens und Kuschs die entwürdigende Wegführung in die Gefangenschaft vor (V4).«4 Damit bleiben auch die Völkerorakel auf das Schicksal von Zion/Jerusalem hingeordnet.5 Dies gilt umso mehr, als das Jesajabuch als einzige Prophetenschrift auch ein Orakel gegen Jerusalem (Jes 22,1 – 14) in seine Fremdvölkerspruchsammlung eingestellt hat.6 Weder über die literarhistorische Entstehung der Einzelsprüche oder der Spruchsammlung (Jes 13 – 23), noch über das diachrone Verhältnis zu Jes 24 – 27

3

4 5

6

Völkerorakeln gelesen und ausgelegt; vgl. H. G. M. Williamson, Recent Issues, 34; U. Berges, Buch, 72 f. Vgl. B. M. Zapff, Schriftgelehrte Prophetie, 27. Nach I. Willi-Plein, Wort, 436 werden damit Texte überschrieben, »die auf prophetische Autorität zurückgehen, aber […] nicht von der prophetischen Autorität direkt den von der Botschaft Betroffenen gesagt wurden«. Daneben finden sich auch einige Fremdvölkersprüche, die als Weheruf (ywh) eingeleitet werden (17,12; 18,1). W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 208. So mit Nachdruck G. R. Homburg, Reasons for Judgment, 158: »[…] the OAN [Oracles Aginst the Nations; Völkerorakel] form an integral part of Isaiah’s message of judgment on Israel. Any treatment […] which studies them in isolation is therefore deficient. [… I]t is manifestly incorrect to suggest that Isaiah’s OAN function as a form of salvation prophecy for Israel. Nothing could be further from the truth.« Vgl. A. K. Jenkins, Development, 238.

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konnte die Forschung bislang einen tragfähigen Konsens herstellen.7 Im Rahmen dieser Studie können und müssen diese Fragestellungen auch nicht in extenso verfolgt werden. Es hat sich aber gezeigt, dass die einzelnen Sprüche das Produkt komplexer Redaktionsprozesse sind.8 Einige Orakel könnten in ihrem Kern bis in die Zeit des historischen Propheten zurückreichen (z. B. 14,24 – 27*.28 – 32*; 17,1 – 3; 20*; 22*). Erst im Laufe der Redaktionsgeschichte wurden die Sprüche zu einer Sammlung von 10 Orakeln zusammengefügt, ohne dass eine exakte redaktionsgeschichtliche Rekonstruktion immer möglich ist.9 Die diachrone Einordnung der relevanten Passagen findet aber im jeweiligen Abschnitt Berücksichtigung. Das kompositionelle Zentrum (Jes 20,1 – 6) gibt mit der Notiz über Sargons Feldzug gegen Aschdod (V.1) »einen geschichtlichen Haftpunkt, der den chronologischen Faden der Jahre 734 – 732 (Jes 6 – 8) in die Zeit des Aufstands Aschdods von 713 – 711 fortsetzt«10. Dass dazu gerade auf eine militärische Intervention rekurriert wird, ist angesichts der Fülle an Kriegsszenarien in der Prophetenschrift wenig verwunderlich. Die an den Beginn der Spruchgruppen gestellten Babelsprüche (Jes 13; 21) zeigen aber, dass in der formativen Phase der Teilkomposition bereits ein anderer Hauptgegner die Bühne der Weltpolitik betreten hat. Die große Abrechnung mit Babel zieht alle Aufmerksamkeit auf sich:11 Der Spruch gegen Assur (Jes 14,24 – 27), den großen Feind aus Jes 1 – 12, bildet demgegenüber eher einen Anhang. »Folglich kann man den geistigen Horizont der zehn Aussprüche am ehesten als ›das Zeitalter Babels‹ bestimmen, d. h. in die zweite Hälfte des 6. Jh.s datieren.«12 Die weitgehende »Ahistorizität« der Fremdvölkersprüche dürfte von den Autoren und Redaktoren intendiert gewesen sein, denn »it was the religious and theological emphases which were of primary interest to those who sought to apply the texts to later situations«13. Dies erfasst W. Beuken mit dem Begriff der »Teleskopierung«14. Dabei werden unterschiedliche historische Ereignisse in ein gedankliches Kontinuum und damit in einen literarischen Zusammenhang gestellt. Dieser Prozess »hängt […] mit der Theologie der großjesajanischen Redaktion des Prophetenbuches zusammen, der zufolge JHWH als der ›ewig derselbe‹ […] angesehen und erkannt wurde. Für ihn gibt es nur Kontinuität, der

7 Vgl. dazu U. Berges, Buch, 145 – 154. 8 Vgl. A. K. Jenkins, Development; D. L. Christensen, Transformations, 136 f. 9 Ebd., 137: »At times, it is difficult, if not impossible, to separate the original oracle from its subsequent expansion.« 10 U. Berges, Buch, 143. Zu weiteren zeitgeschichtlichen Bezügen von Jes 13 – 27 siehe ebd., 145 – 153. 11 Zur sog. Babylonisierung der Fremdvölkersprüche siehe ebd., 154 – 159. 12 W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 28. 13 A. K. Jenkins, Development, 239. 14 Vgl. W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 26 – 28.

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Wandel der geschichtlichen Ereignisse ist ihm und seinem Plan unterworfen.«15 An diese Beobachtung schließt sich unweigerlich die Frage an, ob und inwiefern die Teleskopierung auch Einfluss auf das gewalthaltige Gottesbild in Jes 13 – 27 genommen hat. Dem soll im Durchgang durch die einzelnen Orakel genauer nachgegangen werden. Nähert man sich den Fremdvölkersprüchen mithilfe der Gewaltsemantik, so taucht diese verstärkt in Gottesreden auf. In Jes 13,3.11 – 13; 14,22 f.24 f.30; 15,9; 19,2 – 4; 22,19 werden schädigende Handlungen von Jhwh selbst verbalisiert.16 Damit kommt es zu einer starken Identifizierung zwischen Tat und Täter. Der Blick auf die Verteilung gewalthaltiger Gottesbilder zeigt hingegen ein deutliches Gefälle: Besonders das erste Kapitel ist voll von militärisch gefärbten Gottesbildern. »Jes 13 zählt wohl zu den Texten, die geeignet sind, das weitverbreitete Vorurteil zu nähren, daß es sich bei dem alttestamentlichen Gottesbild um das Bild eines gewalttätigen, kriegslüsternen und rachesüchtigen Gott handle.«17 Der Schwerpunkt der Untersuchung wird daher auf den beiden Eingangskapiteln liegen. Danach nehmen Gewaltdarstellungen, die explizit auf Jhwh zurückgeführt werden, deutlich ab.18 In einigen Sprüchen wie jenen gegen Kusch (Jes 18), Duma und Arabien (Jes 21) fehlt der Aspekt fast vollständig. Der Blick auf das Zornesvokabular deutet in dieselbe Richtung: Nach Jes 13,13 ist im gesamten Abschnitt vom göttlichen @a keine Rede mehr. Er fehlt auch in Jes 24 – 27 und erwacht erst wieder in Jes 30,27.19 Dass der göttliche Grimm (hmx) ebenfalls abwesend ist, geht aus Jes 27,4 hervor, wo Jhwh selbst verkündet: »Zornesglut (hmx) habe ich nicht!« Diese regt sich ausgerechnet erst wieder im Spruch gegen Edom (Jes 34,2), dem nächsten Spitzentext göttlicher Gewalt.

4.2.2 Göttliche Gewalt im ersten Teil der Fremdvölkersprüche (Jes 13 – 20) 4.2.2.1 Gottes Feldzug gegen Babel und das universale Strafgericht (Jes 13) Der Lastspruch gegen Babel (13,1 – 22) lässt sich in 3 Teile gliedern:20 Die Sammlung des göttlichen Heeres (V.2 – 5) mündet in den universalen Jhwh-Tag

15 16 17 18

Ebd., 27. Zum Vergleich ist dies in Jes 1 – 12 nur in 1,24 – 26; 5,5 f.; 10,6 der Fall. B. M. Zapff, Schriftgelehrte Prophetie, 321. U. Berges, Buch, 139 verweist darauf, dass die »Kapitel 13 – 23 […] nur bedingt als Fremdvölkersprüche anzusehen sind«. Denn neben Sprüchen gegen fremde Völker gibt es auch Orakel über sie. 19 Zwar ist in Jes 26,20 von Gottes »Grimm« (~[z) die Rede, doch fordert Jhwh sein Volk dazu auf, in seine Kammern zu gehen, »bis der Grimm vorüberzieht« (q: ~[z-rb[y-d[). 20 Nach U. Berges, Buch, 155 stammt das ursprüngliche Babel-Orakel (Jes 13,1a.17 – 22) wohl

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(V.6 – 16). Dieser konkretisiert sich mit V.17 – 22 im Untergang Babylons. Darauf folgt Israels Spottlied (lvm) auf den gefallenen König (Jes 14,4 – 21). Schwierig gestaltet sich die diachrone Einordnung der beiden Kapitel und ihrer Teilabschnitte: Neben der Suche nach einem »jesajanischen« Kernbestand im Leichenlied (Jes 14,3 – 2121) oder im angefügten Assurspruch (V.24 – 27) wird vor allem das literargeschichtliche Verhältnis zwischen der Strafaktion gegen Babel (V.17 – 22) und dem kosmischen Gericht am Jhwh-Tag (V.2 – 16) diskutiert. Die jeweilige Entscheidung hat auch Auswirkungen auf die Deutung der gewalthaltigen Gottesbilder : Kommt der Vision über den Jhwh-Tag die literargeschichtliche Priorität zu, verstanden spätere Redaktoren den medischen Feldzug gegen Babylon als dessen Einlösung.22 Umgekehrt wäre das weltweite Strafgericht als spätere Universalisierung des Babelspruches zu deuten.23 Im jetzigen Textbestand sind beide Szenarien untrennbar aufeinander bezogen: Da »beide Perspektiven […] in literarischer und theologischer Hinsicht miteinander verbunden«24 sind, ergibt sich eine spannungsreiche »Gleichzeitigkeit von Lokalität und Universalität«25. Dies spiegelt sich auch auf semantischer Ebene wider, indem das göttliche Gericht am Erdkreis und die vollständige Vernichtung Babylons ineinander übergehen. So ist in der Forschung mittlerweile »die historische Fragestellung nach der absoluten Datierung […] der Frage nach der relativen Chronologie gewichen«26. Die Eingangsszene zum Babelspruch ist stark militärisch konnotiert und zeigt dabei enge semantische und inhaltliche Parallelen zu Jes 5,25 – 29. Abermals kommt es zu einem von Gott veranlassten Heerbann.

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aus der Zeit um 540 v. Chr. Auf Ebene des Endtextes bildet es nun den Rahmen um die Vision über den Jhwh-Tag. So etwa H. Barth, Jesaja-Worte, 103 – 141, der im besungenen babylonischen Herrscher noch den neuassyrischen König Sargon II. durchscheinen sieht. R. E. Clements, Jes, 132 f.; C. T. Begg, Babylon. Vgl. etwa E. Bosshard-Nepustil, Rezeptionen, 71 f.; B. M. Zapff, Schriftgelehrte Prophetie, 236 – 239; J. Jeremias, Tag Jahwes, 132 f.; K. Schmid, Jes 1 – 23, 130 f.; J. Barton, Jes, 85. W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 61. U. Sals, Biographie, 253. W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 60.

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch Jhwh mustert seine Armee und zieht mit ihr zu Felde (Jes 13,2 – 5)

2

Auf kahlem Berg richtet ein Feldzeichen auf! Ruft mit [lauter] Stimme zu ihnen! Schwingt die Hand, dass sie kommen durch die Tore der Edlen! 3 Ich, ich habe entboten meine Geheiligten, auch gerufen meine Helden zu meinem Zorn, die über meine Hoheit frohlocken. 4 Horch! Getümmel auf den Bergen, wie von großem Volk! Horch! Getöse von Königreichen, von versammelten Nationen! Jhwh der Heerscharen mustert ein Kriegsheer, 5 Kommende aus fernem Land, vom Ende des Himmels: Jhwh und die Werkzeuge seines Grimms, um zugrunde zu richten das ganze Land.

Am Beginn der Fremdvölkerorakel übernimmt Jhwh wieder die Rolle eines Kriegsherrn, der fremde Heerverbände aus weiter Ferne einberuft und befehligt. In Jes 5,26 erhob Gott selbst das Feldzeichen (sn afn), während nun dazu aufgefordert wird, das Banner hochzuhalten. Mit dem Befehl, die Stimme zu erheben (lwq ~wr) und die Hand zu schwingen (27dy @wn), kommen neue Elemente in der Inszenierung zum Tragen. Beide verdeutlichen die Dringlichkeit der Heersammlung.28 Das Motiv von Eile und Schnelligkeit, welches schon in Jes 5 das Herankommen der Armee kennzeichnete (vgl. V.26 f.), kehrt hier also in abgewandelter Form wieder. Der letzte Halbvers (13,2bb) zeigt deutlich, dass die Imperative auf das Kommen der Herbeigerufenen zielen (29wabyw). Im Zentrum der militärischen Einberufungsszene steht eine Gottesrede (V.3), mit der das Herbeirufen und Entbieten (arq, hwc) explizit auf Jhwh zurückgeführt werden. Durch die direkte Rede übernimmt Jhwh die Rolle des Kriegsherrn noch deutlicher als zuvor : »Ich (yna), ich habe meine Geheiligten entboten«30 (hwc yvdqml) und »meine Helden gerufen« (yrwbg arq). V.4 spricht davon, dass »Jhwh der Heere« (twabc hwhy) das Kriegsheer (hmxlm abc) mustert (dqp). Durch das im AT singuläre Wortspiel mit der Wurzel abc (vgl. aber Jes 31,4) wird ausdrücklich »Gottes Identität als Kriegsgott hervorgehoben«31. 27 Die Geste ist hier nicht als Drohung zu verstehen wie in Jes 10,32; 11,15; 19,16 (vgl. Ijob 31,21; Sach 2,13); dort allerdings immer mit direktem oder durch l[ (»gegen«) eingeleitetem Objekt. 28 So O. Kaiser, Jesaja 13 – 39, 14. 29 Die we-qatal-Form ist hier final zu verstehen. 30 Der Konnex zwischen Heiligkeit und Krieg, der in der biblischen Schriftprophetie prominent belegt ist, zeigt sich hier in aller Deutlichkeit; vgl. dazu U. Berges, Heiligung des Krieges. 31 U. Sals, Biographie, 241. Zum Epitheton twabc hwhy siehe M. Görg, Gottestitel; S. Kreuzer, Zebaoth; U. Berges/A. Spans, Jhwh Zebaot.

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Durch die Stellung am Beginn der Teilkomposition besitzt der Heerbann für das Gottesbild im gesamten Abschnitt programmatischen Charakter. Dies gilt umso mehr, als am Ende der Fremdvölkerorakel abermals eine göttliche Order zur Verübung von Kriegsgewalt ergeht: In 23,11 erteilt Jhwh den Befehl (hwc), Kanaans »Fluchtburgen zu vernichten« (hynz[m dmvl). Die göttliche Befehlsgewalt und ihre Konsequenzen für die Fremdvölker umschließt die Spruchsammlung wie ein Rahmen. Zudem legt die göttliche Indienstnahme semantische Spuren, die weit über das Gottesbild im Kapitel hinausweisen: Das Befehlen (hwc) fällt im Jesajabuch ausschließlich in den göttlichen Kompetenzbereich (z. B. Jes 5,6; 45,12; vgl. 45,11; 48,5). Der göttliche Auftrag an Assur (Jes 10,6) hatte Jhwhs militärische Befehlsgewalt bereits evident gemacht.32 Das Einberufen (arq) in 13,3b weist hingegen auf die Kriegsinszenierung in Jes 40 – 55 voraus. Nur in dieser Teilkomposition wird die Indienstnahme fremder Völker ebenfalls mit arq zum Ausdruck gebracht (vgl. 41,2.25; 45,3.4):33 In Jes 46,11 ruft Jhwh den Perserkönig wie einen Raubvogel (jy[) herbei. Kyros’ Einmarsch erfolgt dort wie bei den Truppen in 13,5 aus einem fernen Land (qxrm #ram). Zudem ist die Vernichtung Babylons das verbindende Thema der beiden Abschnitte. Der letzte Text, in dem Babels Ende auf Jhwhs Initiative zurückgeführt wird (Jes 48,15), zeigt noch engere Parallelen zur Berufung in Jes 13,3. Denn an beiden Stellen verkündet Jhwh selbst: »Ich habe [ihn] gerufen ([w]ytarq)«. Der göttliche Kampf gegen Babylon scheint im Jesajabuch spezieller semantischer Vorbereitungen zu bedürfen! In Jes 13,4 setzen sich die akustischen Eindrücke, welche schon die Einberufung in V.2 begleiteten, im »Getöse« (!wav) und »Tosen« (!wmh) von Königreichen fort. Einerseits zeigt die Geräuschkulisse, dass dem Aufruf offensichtlich eine gewaltige Menschenmenge (br-~[ twmd) gefolgt ist. Andererseits rückt sie die Kämpfer in die Nähe jener ungehemmten Chaosmächte, denen Jhwh häufig im Motivkreis des Chaoskampfes Einhalt gebietet (vgl. Ps 46,4.7; 65,8).34 Dieses Gottesbild zeigt sich besonders im Wehespruch von Jes 17,12 – 14, der zahlreiche semantische Überschneidungen zur Eingangsszene der Orakelsammlung aufweist: Auch dort ertönt ein »Tosen vieler Völker« (~ybr ~ym[ !wmh, V.12; vgl. 13,4), das dem »Getöse« (!wav, V.13; vgl. 13,4) vieler Wasser gleicht.35 Während die 32 In Verbindung mit der Präposition -l ist das Verb nur mehr im Befehl an König Hiskija belegt, sein »Haus zu bestellen« ($tybl wc, Jes 38,1). 33 Auch die »Berufung« zu anderen Aufgaben findet sich nur in dieser Teilkomposition: In Jes 41,9 beruft Jhwh Jakob/Israel zunächst zu seinem Knecht (vgl. hta-ydb[). Daraufhin erhält dieser mit 42,6 die Berufung, ein Licht für die Völker zu sein. In 49,1 dehnt der Knecht seine göttliche Berufung selbst auf die Zeit vor seiner Geburt aus. 34 Den Aspekt des Chaoskampf-Motivs in atl Kriegstexten betont C. L. Crouch, War and Ethics. 35 Von einer Partizipation dämonischer Kräfte am göttlichen Gewalthandeln, wie sie H. Fredriksson, Jahwe als Krieger, 37 durch das hhlb (V.14) sieht, kann jedoch keine Rede sein.

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Nationen in Jes 17,13 vor Jhwhs Drohen (r[g, vgl. 54,9) in weite Ferne (qxrm, vgl. 13,5) fliehen (swn, vgl. 13,14), nimmt er sie in Jes 13 zur Verübung von Gewalt in Dienst. Der göttliche Heerbann und damit die Darstellung Jhwhs als kriegerische Gottheit bekommen so einen zusätzlichen Akzent: »In Jes 13 zeigt sich Gott als Herr der chaotischen Mächte, der diese zu seinem Werkzeug macht und damit gewaltige Kräfte zu einem Heer bündelt.«36 Nach Aufgebot und Berufung (V.3) vollzieht Jhwh in V.4 (proleptisch, vgl. V.5) auch die Musterung des Heeres (dqp). Für das alttestamentliche Gottesbild ist dies insofern eine singuläre Vorstellung, als nirgendwo sonst Gott selbst die Begutachtung von Soldaten vornimmt.37 Dies könnte sich in der Verbform widerspiegeln, da dqp nur hier im Piel belegt ist.38 Die Einzigartigkeit des Motivs zeigt auch ein Vergleich mit der engsten Parallele zu Jes 13,4, dem Völkerspruch gegen Babel in Jer 51,27 – 40:39 Dort ergeht ein (göttlicher?) Befehl, Kriegsmarschalle zu mustern (rspj […] wdqp, V.27), während dies im jesajanischen Babelspruch eindeutig in den göttlichen Kompetenzbereich fällt. Das Feldherrenmotiv im militärischen Gottesbild von Jes 13 erfährt so eine Zuspitzung. V.5 beschreibt das Eintreffen (awb part.) der Truppen. Die Zusammensetzung des Heeres hat sich im Vergleich zu Jes 5,25 – 30 deutlich verändert – trotz zahlreicher Parallelen in der Beschreibung: Ging es zuvor im wahrsten Sinne des Wortes »geerdet« zu, weil die Verbände »von den Enden der Erde« (#rah hcqm) kamen, rauschen sie nun nicht nur »vom fernen Land« (qxrm #ram, vgl. 5,26), sondern auch »vom Ende der Himmel« (~ymvh hcqm) herbei.40 Durch die Charakterisierung der »Kriegshelden« (~yrwbg) als »Geheiligte« (~yvdqm, V.3) rücken die Soldaten noch stärker als zuvor in unmittelbare Nähe zum larfy vwdq (z. B. 5,24; 12,6; 17,7).41 Die Wendung spiegelt den engen Konnex zwischen Krieg und Heiligkeit wider, wie er in der biblischen Prophetie breit belegt ist (vgl. Jer 6,4; Jorl 4,9; Mi 3,5).42 Darüber hinaus zählt vdq zu den theologischen Leitbegriffen des Jesajabuches (z. B. Jes 5,16; 6,13; 8,13; 29,23; 52,10; 63,10; 66,20).43 Die

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In der Zusammenschau mit V.13 werden vielmehr Jhwhs Feinde mit dem nächtlichen Schrecken verglichen. Deren Flucht vor dem göttlichen Drohen entspricht der noch vor dem Morgengrauen verschwundenen Furcht (wnnya rqb ~rjb). C. Fischer, Fremdvölkersprüche, 82. So geht es in Jes 62,6 um die Einsetzung (dqp) von Wächtern zum Schutz Zions, während Num 27,16 Josuas Bestellung zum Anführer auch in kriegerischen Auseinandersetzungen abhandelt (vgl. Jer 51,27!). Meist trägt der Grundstamm diese Bedeutung (vgl. Jos 8,10; 1 Sam 11,8; 2 Sam 18,1). Der Text teilt mit Jes 13 nicht nur den Adressatenkreis, sondern weist auch zahlreiche lexikalische Überschneidungen auf (z. B. twklmm, vdq, sn afn). Selbst wenn Jes 5,26 und 13,5 der Sache nach dasselbe ausdrücken, ist die Inszenierung in Jes 13 intensiver ausgestaltet; vgl. H. Wildberger, Jes 13 – 27, 514. Vgl. B. M. Zapff, Schriftgelehrte Prophetie, 33; C. Fischer, Fremdvölkersprüche, 76. Dazu U. Berges, Heiligung des Krieges. Vgl. H. G. M. Williamson, Holy One.

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Truppen oszillieren zwischen göttlicher und menschlicher Sphäre und erhalten offensichtlich Anteil an Jhwhs Heiligkeit.44 Deshalb können sie von Gott als jene angesprochen werden, »die über meine Hoheit frohlocken« (ytwag yzyl[). »So decken […] drei Kennzeichen der Krieger in V.3 die theologische (yvdqm), militärische (yrwbg) und königlich-herrschaftliche (ytwag yzyl[) Komponente der angreifenden Menge ab. Genau das sagt aber mehr über Gott […] aus als über diese Krieger.«45 Der Machtbereich, der Jhwh in seiner Funktion als Kriegsherr vom Text zugeordnet wird, erfährt eine zusätzliche Ausweitung: Noch die entferntesten Völker und Königreiche am Ende des Horizonts gehorchen, wenn Jhwh zu den Waffen ruft. »Seine Macht ist vollkommen uneingeschränkt.«46 Die Funktion der herbeigerufenen Armee als göttliche Waffen bleibt im Vergleich zu den bereits behandelten Kriegstexten der Prophetenschrift konstant. Schon in Jes 5,25 – 30 und Jes 10,6 (pace V.7 – 15!) dienten Fremdvölker als militärische Werkzeuge zum Vollzug des göttlichen Zorns. Diese Zuordnung wird nun aber deutlicher hervorgehoben, indem die Truppen von Jhwh selbst »für meinen Zorn« (ypal, V.3) berufen und die Soldaten als »Geräte seines Grimms« (wm[z ylk, V.5) bezeichnet werden.47 Da Gott mit seinen Truppen von den Enden der Himmel kommt (awb), scheint er am Feldzug gegen die ganze Welt (#rah-lk) zu partizipieren. Damit stehen nicht nur die Truppen in enger Verbindung zu Gott. Auch Jhwh rückt in größere Nähe zum eigentlichen Kampfgeschehen. Hier ergeben sich erste Anzeichen dafür, dass sich Jhwh allmählich vom Feldherrn in den mächtigen Krieger und Einzelkämpfer verwandelt. Diese Tendenz wird sich im Gottesbild des zweiten Teils der Komposition (Jes 24 – 27) Bahn brechen. Der unmittelbar auf den Heerbann folgende Jhwh-Tag48 (V.6 – 16) vollzieht sich in zwei Etappen. Während er in V.6 »naht« (brq part.), sein Kommen aber noch aussteht (awb jiqtol), wird das Eintreffen (awb part.) in V.9 verkündet und im Rahmen von V.9 – 13 erzählte Realität. Dabei handelt es sich um den einzigen Teil von Jes 13, in dem Jhwh explizit als Gewalttäter in Erscheinung tritt. Sein Handeln ist zwar kaum militärisch geprägt, doch wird das Strafgericht durch seine Rahmenteile (V.6 – 8.15 f.) in den Kontext einer militärischen Auseinandersetzung gestellt. Das Wissen um die Nähe des Tages setzt mit einem Klageaufruf ein (lly hiph. imp.; vgl. 14,31; 15,2 f.; 23,1), der die absolute Verzweiflung angesichts kriegerischer Bedrohungen zum Ausdruck bringt (z. B. Jer 47,2; Ez 21,17). 44 45 46 47

Vgl. H. Fredriksson, Jahwe als Krieger, 32. U. Sals, Biographie, 246. C. Fischer, Fremdvölkersprüche, 81. Vgl. H. Wildberger, Jes 13 – 27, 514: »Der Plural von ylk oszilliert zwischen ›Werkzeug‹ und ›Waffen‹.« 48 Zur Motivgeschichte siehe B. M. Zapff, Schriftgelehrte Prophetie, 66 – 105.

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Damit werden die Aufmerksamkeitsrufe aus der ersten Szene aufgenommen (waf, wmyrh, wpynh, V.2; lwq, V.4), um »dramatisch zu veranschaulichen, mit welcher Härte das Unglück hereinbrechen wird«49. Die Mutlosigkeit resultiert aus der Erwartung, dass der Tag »wie die Verwüstung des Verwüsters« (ydvm dwvk) hereinbricht. Das Wortspiel zwischen dem Epitheton ydv (»Allmächtiger«) und dwv (»Verwüstung«, Wurzel ddv) geht auf keinen gemeinsamen etymologischen Ursprung50 zurück. Kein anderer atl Text – mit Ausnahme von Jorl 1,15, einem von Jes 13,6 abhängigen Beleg51 – stellt diesen Zusammenhang her. Der singuläre Vergleich führt das Horrorszenario – wie schon in V.4 (abc, twabc hwhy) – mithilfe eines Wortspiels auf Jhwh zurück. Es verdeutlicht nun die immense Wirkung des Gewalthandelns und stellt dabei das Gottesbild unter negative Vorzeichen: Denn im Jesajabuch beschreibt dwv/ddv kriegerische Zerstörungen größten Ausmaßes52 (vgl. Jes 15,1; 16,4; 22,4; 23,1; 51,19). Der Begriff ist meist negativ konnotiert (vgl. 21,2), vor allem wenn er als Parallelbegriff zu smx (»Gewalttat«) dient (vgl. Jer 6,7; Hab 1,3). So verheißt Gott dem wiederaufgebauten Zion, dass man »nichts mehr von Gewalttat (smx) […] und Verwüstung (dwv) in deinem Land hören wird« (Jes 60,18). Beide Begriffe stehen Recht und Gerechtigkeit diametral gegenüber (vgl. Ez 45,9; Am 3,10). Dementsprechend interveniert Jhwh in Jes 33,1, welchen W. Beuken als Spiegeltext – auch zu Jes 13,6 – identifiziert hat, gegen den Verwüster (ddwv) und sein frevelhaftes Treiben (dgb).53 Die Aussage von Jes 13,6 über die vernichtende Macht Jhwhs steht dazu in krassem Gegensatz: »Sagt ein Name etwas über eine Person aus, so bedeutet das in diesem Fall, dass JHWHs verwüstendes Auftreten seinem Charakter voll und ganz entspricht!«54 Es ist daher kein Wunder, dass unter den Menschen (55vwna) Panik ausbricht: »Der Schrecken verdrängt alles andere. Er erfasst alle ohne Unterschied: einen Mann (vya) und seinen Nächsten (wh[r).«56 Die Erwartung des weltweiten Verderbens (lbx pi., V.5) löst bei den Betroffenen Krämpfe aus (lbx, V.8). Sie winden sich wie Frauen, die in Geburtswehen liegen.57 Bei diesen geschlechtsspezifischen Bildern handelt es sich um ein typisches Motiv zur Beschreibung militärischer Bedrohungen (z. B. Jes 49 H. Wildberger, Jes 13 – 27, 514. 50 Die etymologische Herkunft des Epithetons ydv ist weiterhin umstritten; vgl. G. Steins, Art. ydv, 1082. 51 Vgl. H. W. Wolff, Joel, 39 f. 52 Vgl. D. N. Freedman/A. Welch, Art. ddv, 1073. 53 Vgl. W. M. A. Beuken, Spiegeltext. In Jes 33,1 findet sich zugleich der letzte Beleg der Verbform. 54 Ders., Jes 13 – 27, 67. 55 Der Begriff charakterisiert den Menschen vor allem unter dem Aspekt seiner Hinfälligkeit und Sterblichkeit; vgl. C. Westermann, Art. ~da, 44. 56 U. Sals, Biographie, 249 (mit Verweis auf V.8). 57 Dazu C. D. Bergman, Childbirth, 118.

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26,17; Jer 22,23; 49,24; vgl. Jes 37,3). Denn in Geburt wie Kriegsgefahr liegt das eigene Überleben sprichwörtlich auf Messers Schneide.58 Während in V.6 – 8 das Entsetzen der Betroffenen die Frage nach dem Urheber völlig in den Hintergrund treten ließ, rücken V.9 – 13 den Täter und sein Strafhandeln in den Blick: Das Läuterungsgericht am Jhwh-Tag (Jes 13,9 – 13) 9

Siehe, der Tag Jhwhs kommt, grausam mit Grimm und Zornesglut, um die Erde zur Wüste zu machen, und ihre Sünder wird er austilgen von ihr. 10 Ja, die Sterne der Himmel und ihre Sternbilder werden nicht leuchten lassen ihr Licht. Die Sonne wird finster sein bei ihrem Aufgang, und der Mond wird sein Licht nicht scheinen lassen. 11 Und ich werde heimsuchen am Erdkreis die Bosheit und an den Gottlosen ihre Schuld. Ich werde der Anmaßung der Stolzen ein Ende machen, und den Hochmut der Gewalttätigen erniedrigen. 12 Ich will den Sterblichen seltener machen als Feingold und den Menschen als Ofirgold. 13 Darum werde ich die Himmel erzittern lassen, und die Erde wird erbeben von ihrer Stelle, beim Grimm Jhwhs der Heerscharen, und am Tage seiner Zornesglut.

Die mit ynh eingeleitete Vision gibt sich durch lexikalische und thematische Parallelen als kunstvolle Ringkomposition zu erkennen.59 In seiner jetzigen Zusammenstellung erweist sich der Abschnitt als Reflexion über das Ausmaß des göttlichen Feldzuges, zu dem Jhwh in V.2 – 5 gerüstet hat.

Die Rede vom hwhy ~wy sowie die zahlreichen Verweise auf den göttlichen Zorn (@a, !wrh, hbr[), dessen militärische Vollstrecker aus V.3 bekannt sind, eröffnen und beschließen die Sprucheinheit (V.9.13b). Beide Elemente stecken den 58 Vgl. ebd., 119: »It is made abundantly clear that humanity stands on the threshold between life and death as a woman stands at the same threshold when giving birth.« 59 Vgl. W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 56.

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Deutungshorizont für die göttliche Strafaktion ab: Jhwhs Einfall mit den Werkzeugen seines Grimms (awb, V.5) realisiert sich im tatsächlichen Kommen (awb) des Tages, der »grausam« (yrzka) zu werden verheißt. Das Attribut ist in der gesamten Schriftprophetie60 nur mehr im Jeremiabuch belegt und charakterisiert dort ausgerechnet die Erbarmungslosigkeit des babylonischen Heeres, das Jhwh als Feldherr gegen den Zion ziehen lässt: »Siehe, ein Volk kommt (ab) aus dem Land des Nordens, eine große Nation macht sich auf vom äußersten Ende der Erde. Bogen und Krummschwert führen sie, sie sind grausam und ohne Erbarmen (wmxry alw awh yrzka). Ihre Stimme braust wie das Meer, und auf Pferden reiten sie. Sie sind gerüstet gegen dich, Tochter Zion, wie ein Mann zum Krieg.« (Jer 6,22 f.)

Im weiteren Verlauf der Prophetenschrift wendet sich das Blatt, sodass der Spruch in Jer 50,41 f. gleichlautend gegen die »Tochter Babel« ergeht. Jes 13 nimmt das Lexem yrzka aus dem jeremianischen »Doppelspruch« auf und spiegelt so die Grausamkeit im Rahmen des kollektiven Strafgerichts auf Babel zurück.61 Durch den gezielten Einsatz von Gewaltvokabular schillert Babel als programmatischer Gegner Jhwhs auch dort durch, wo es vordergründig um die Verheerung der ganzen Erde (hmvl #rah ~yf) geht. Sie zielt nach V.9 darauf ab, die Sünder (ajx) von ihr zu vertilgen (dmv). Da am Ende von Jes 14 die Vernichtung (dmv) von Babel stehen wird (V.23), bleiben Weltgericht und Babels Untergang über die beiden Kapitel (Jes 13 f.) hinweg semantisch aufeinander bezogen und ineinander verschränkt.62 Der Begriff dmv öffnet darüber hinaus eine Klammer zum Ende der Orakelsammlung: Im Tyrusspruch ergeht ein zweiter göttlicher Befehl zur Vernichtung (dmvl hwc), der sich dort allerdings gegen die kanaanäischen Schutzburgen richtet (23,11). Da sich das göttliche Handeln nach Jes 13,9 gegen »Sünder« (ajx) wendet, wird es typologisch unter die Kategorie der strafenden Gewalt gestellt. So erfährt der göttliche Feldzug gegen eine politisch-militärische Macht (vgl. V.1) eine ethische Ausrichtung. Die Überlagerung beider Perspektiven zählt zu den textinternen Strategien: Der Kriegsherr Jhwh, der fremde Völker gegen Babel aufbietet, ist zugleich der Richter der Erde, der die Frevler zur Rechenschaft zieht.63 Trotz dieser Amalgamierung und der Rahmung durch den göttlichen 60 Die übrigen Belege von yrzka entstammen weisheitlichen Texten (Spr 5,9; 11,17; 12,10; 17,11; vgl. Sir 8,15; 13,12; 35,22). 61 Vgl. B. M. Zapff, Schriftgelehrte Prophetie, 127 f. 62 In Jes 10,7 wurde hingegen Assurs eigenmächtiges Vernichtungshandeln dem göttlichen Auftrag diametral gegenübergestellt. 63 Diese Kategorie göttlicher Gewalt ist auch im Jesajabuch breit belegt (z. B. Jes 1,21 – 28;

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Zorn (V.9.13) verfällt Gott in seinem Strafhandeln keinem blinden Dreinschlagen. Das Ziel der Verwüstung ist nach Jes 13,9 die Entfernung aller Sünder von der ganzen Erde (hnmm!), nicht die komplette Vernichtung der Welt! Damit kommt es zu einer »Begrenzung des Gerichts auf die Sünder der Erde, unabhängig von ihrer ethnisch-nationalen Zugehörigkeit«64. Obgleich es der Überschrift zufolge (lbb afm, Jes 13,1) um ein einzelnes Fremdvolk geht, unterstreichen V.9 sowie die Gottesrede im Zentrum der Sprucheinheit (V.11 f.) den universalen Horizont des Gewalthandelns. Der göttliche Machtbereich und Jhwhs richterliche Gewalt erstrecken sich über die gesamte Erde und sind zugleich auf einen bestimmten Teil ihrer Bevölkerung beschränkt. Erst im zweiten Teil der Komposition, wo die Fähigkeit zum Vernichtungshandeln sogar auf das Totenreich ausgeweitet wird (vgl. Jes 26,14), erfährt das Gottesbild eine ultimative Steigerung. Der zweite Rahmenteil (V.10.13a) deutet die Folgen und Begleiterscheinungen des göttlichen Zorns unter Verwendung kosmologischer Motive: Am JhwhTag erlöschen alle Himmelsgestirne (Sterne, Sonne, Mond), sodass sich absolute Finsternis breitmacht (vgl. 5,30). Das Strafgericht wird derart massiv ausfallen, dass Jhwh die Himmel erzittern lässt (zgr) und es die Erde sprichwörtlich aus den Angeln hebt (v[r). Beide Vorgänge verdeutlichen die göttliche Präsenz im Gerichtshandeln und werden Jhwh gegenüber dem in die Scheol hinabgestürzten König von Babel als den eigentlichen Machthaber ausweisen: Denn zgr und v[r sind im gesamten Jesajabuch nur noch in Jes 14,16 gemeinsam belegt. Die Szenerie sticht aber auch im intertextuellen Vergleich hervor, denn es finden sich »an keiner Stelle Beschreibungen, die nur in etwa an die hier geschilderten kosmischen Veränderungen heranreichen würden«65. Wenn Gott im Alten Testament zum Krieg auszieht oder sein Zorn entbrennt, erschüttert häufig die Erde (vgl. Ri 5,4; Jer 10,10; Hag 2,21 f.).66 Mit der Finsternis ($vx, vgl. Jorl 2,2; 2,10; 3,4; Am 5,18.20; 8,9; Zef 1,15) und dem Beben (z[r) kommen in Jes 13 weitere typische Elemente des Jhwh-Tages hinzu.67 Während in Jes 5,25 die Berge (~yrh, vgl. 13,4) erschüttern und Jhwh in 23,11 die Königreiche (twklmm, vgl. 13,4.19) zum Zittern bringt (zgr hiph.), lässt der göttliche Zorn in Jes 13,13 sogar die Himmel (~ymv) erbeben.

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43,27 f.). Dass Gott Sünder (ajx) vertilgt (dmv), findet sich allerdings nur noch in Am 9,7 – 10. Das Gewaltobjekt ist dort keine fremde Nation, sondern das sündige Königreich (Israel). Auch hier ist Jhwhs Gewalthandeln nicht erruptiv. In Am 9,8 sichert Jhwh dies sogar in Form einer figura etymologica zu: »Wahrlich ich will das Haus Jakob nicht gänzlich vertilgen (dymva dymvh al).« U. Berges, Buch, 172. B. M. Zapff, Schriftgelehrte Prophetie, 136. Dazu kommt es auch in Jer 51,29, weil Jhwhs Pläne gelingen, indem er den babylonischen Herrschaftsbereich zur Wüste macht (lbb #ra-ta ~wfl, vgl. Jes 13,9!). Vgl. H. Wildberger, Jes 13 – 27, 517.

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Im innersten Zentrum der Ringkomposition (V.11 f.) verlagert sich der Blickwinkel vom kosmischen Bereich auf den Erdkreis (lbt).68 Zugleich ergreift Jhwh wieder selbst das Wort und proklamiert, gegen »Bosheit« (69h[r) und »Schuld« (!w[), »Anmaßung« (!wag) und »Hochmut« (hwag) der »Frevler« (~y[vr) und »Frechen« (~ydz) gewaltsam aktiv zu werden. Durch die gehäufte, abqualifizierende Näherbestimmung der Gewaltobjekte verstärkt sich die ethische Stoßrichtung der Gewalthandlung, die bereits V.9 als Leitthema eingeführt hat. In der Ringkomposition präsentiert sich Gott somit als Weltenrichter, der am hwhy ~wy die Erdenbewohner aufgrund ihres ethischen Fehlverhaltens zur Rechenschaft zieht – ungeachtet ihrer ethnischen Herkunft (vgl. vwna, V.7.12; ~da, V.12). Die göttlichen Gewalthandlungen in V.11 f. zeichnen sich hingegen durch ein erstaunlich geringes Gewaltpotential aus. So umschreibt die Wurzel dqp Aufmerksamkeit, die sowohl negativ (»heimsuchen«) als auch positiv (»sich kümmern um«) erfahren werden kann. Die forensische Konnotation der Grundbedeutung (»genau beobachten«70) passt gut zum göttlichen Strafgericht. Bei lpv steht »der Aspekt der Erniedrigung durch Gott im Vordergrund«71. Die Wurzel tbv trägt im Hifil die Grundbedeutung »aufhören lassen, fortschaffen, ein Ende bereiten«72 und weist per se ebenfalls keine gewalthaltige Konnotation auf (vgl. Ex 12,15; 2 Chr 16,5). Im Jesajabuch wird tbv ausschließlich als göttlicher Gewaltterminus verwendet (pace 30,1173), doch kommt es dabei sonst nie zu physischen Schädigungen: In Jes 16,10 macht Jhwh Moabs Jauchzen (ddyh) ein Ende, während er in 21,2 alles Seufzen (hxna-lk) in Elam und Medien beendet. In Jes 13,9 – 14 sind es die gewaltigen, kosmischen Konsequenzen, die die Massivität im göttlichen Handeln unterstreichen. Obwohl die Eröffnungssequenz (V.2 – 5) als Heerbann gestaltet ist und Gott seine Truppen beim Aufmarsch begleitet hat, agiert Jhwh hier aber weder als Feldherr noch als Krieger. Die göttliche Bestrafung wird zwar durch den Zorn (V.9.13b; vgl. Jes 5,25) begleitet, ist aber nicht als Kriegszug gestaltet. Die Gewaltsemantik von V.9 – 13 weist kaum militärische Konnotationen auf. Dies ist umso bemerkenswerter, als die verwendeten Begriffe sonst – auch innerhalb des Jesajabuches – militärische 68 Im Spottlied auf Babel sowie im Edomspruch (Jes 34) wird er abermals eine Rolle spielen (vgl. 14,17.21; 34,1). 69 Die Bosheit (h[r) als Ursache für das göttliche Aktivwerden weist auf Endtextebene in den zweiten Textkomplex, der Babylons Untergang in drastischen Farben inszeniert: Weil die Tochter Babel nach 47,10 auf ihre Bosheit »vertraut hat« (xjb), lässt Jhwh die Bosheit nun auf sie zurückfallen (awb, V.11). 70 G. André, Art. dqp, 709. 71 K. Engelken, Art. lpv, 439. 72 E. Haag, Art. tbv, 1043. 73 Doch auch dort zeigt sich ein deutlicher Bezug zu Jhwh, da das widerspenstige Volk die eigenen Propheten auffordert, sie endlich mit dem Heiligen Israels in Ruhe zu lassen (wtbyvh larfy vwdq-ta wnynpm).

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Gewalt umschreiben (vgl. dqp, Jes 27,1; tbv, 14,4; lpv, 29,4). In Jes 10,12 hat Jhwh bereits Assur heimgesucht (l[ dqp qal), da es den göttlichen Auftrag übertreten und sich damit seinen Plänen in den Weg gestellt hatte.74 Hingegen geht es in Jes 13,9 – 13 nicht mehr »um die Vergeltung an Babel als politisch-militärische Größe, sondern um das Gottesgericht an den Feinden des Gemeinwohls«75. In der Coda zur Ringkomposition (V.12) gibt Jhwh zu verstehen, dass die erdrückende Mehrheit jener Menschen, die in V.8 in Panik gerieten, dem Strafhandeln verfallen wird: »Ich will den Sterblichen seltener machen (rqy hiph.) als gediegenes Gold (zp) und den Menschen (seltener) als Ofirgold (rypa).« Die Erwähnung dieser raren Metalle charakterisiert die Gewalthandlung als Läuterungsgericht (vgl. 1, 25) und verdeutlicht zugleich die Seltenheit und Kostbarkeit der Entkommenen (vgl. Klgl 4,2; Ijob 28,16 f.).76 Jhwh rechnet damit, dass nur wenige ungestraft aus dem Gericht hervorgehen werden. Die Panik der Menschen war offensichtlich berechtigt, denn auch ihr weiteres Schicksal ist wenig hoffnungsvoll. Die Folgen des hwhy ~wy, die zum Strafgericht an Babel (V.17 – 22) überleiten, werden in V.15 f. beschrieben. Die entkommenen Menschen stäuben in aller Herren Länder auseinander. Sie tun dies in Schrecken und führungslos (#bqm !ya, V.14; z. B. Jes 11,12; 34,16; 40,11; 43,5; 66,18), da offensichtlich alle Gewalttätigen/Tyrannen (~ycyr[) der göttlichen Heimsuchung zum Opfer gefallen sind (vgl. V.11). Dabei kommt es zu massiven Ausbrüchen zwischenmenschlicher Gewalt: Schonungslos töten sich auf der Flucht all jene gegenseitig, die der göttlichen Heimsuchung gerade noch entrinnen konnten. Das »Fallen durch das Schwert« (brxb lpn, vgl. Jes 3,25; 31,8; 37,7) gehört ebenso in den Kriegskontext wie das »Durchbohren« (rqd, vgl. Ri 9,54; 1 Sam 31,4; Jer 51,4; Klgl 4,9). Die hässlichste Seite des Krieges, Gräueltaten an der wehrlosen Zivilbevölkerung, führt V.16 vor Augen: Die Meder verüben Gewalt an der babylonischen Zivilbevölkerung (Jes 13,16) Vor ihren Augen werden ihre Kinder zerschmettert, ihre Häuser geplündert, ihre Frauen vergewaltigt.

74 In Jes 10,3 richtet sich der Tag der (göttlichen) Heimsuchung (hdwqp ~wy) noch ausschließlich gegen die Frevler im eigenen Volk. 75 U. Berges, Buch, 173. Vgl. J. Vermeylen, Du prophÀte I, 289. 76 Nach K. H. Singer, Metalle, 39 »erscheinen pa¯z, […] kaetaem und ’ofı¯r […] wohl als die begehrtesten Arten des Goldes«.

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Andreas Michel hat nachgewiesen, dass vjr ein terminus technicus für Gewalt an Kindern im Kriegskontext ist (vgl. Nah 3,10).78 Indem das Zerschmettern vor den Augen der Besiegten (~hyny[l) erfolgt, ist der absolute Tiefpunkt der Grausamkeit erreicht!79 So wird nicht nur das Leben der künftigen Generation zerstört, sondern auch das der gegenwärtigen. Die Beobachtung, dass zur Beschreibung der Plünderungen abermals das negativ konnotierte ssv (eine Nebenform von hsv, vgl. Jes 10,13) verwendet wird, verblasst angesichts der beklemmenden Brutalität zur Randnotiz. In der HB tauchen Kindstötungen meist in Verbindung mit dem Aufschlitzen von Schwangeren auf (vgl. 2 Kön 8,12; Hos 10,14; 14,1). Hier kommt es jedoch wie in Dtn 28,30 zur Vergewaltigung von Frauen.80 Wie der Kindsmord erfolgt auch dies vor den Augen der fliehenden (Männer). Die Fokussierung des Textes (~hyvn, »ihre Frauen«) zeigt deutlich, dass es eher um den Ehrverlust der Männer geht als um das Leid der Frauen.81 Die feministische Exegese entlarvte den männerzentrierten Blickwinkel derartiger Darstellungen: »Wenn Vergewaltigungen im Krieg als ›Frauenraub‹ und als Demütigung des Mannes bezeichnet werden, dann ist dies […] eine androzentrische Umschrift einer Gewalterfahrung von Frauen aus der Besitzperspektive des Mannes […]. Deutlicher kann die Verobjektivierung von Frauen nicht sein. Vergewaltigung wird in Sachbeschädigung umgeschrieben.«82 Schon allein aus diesen Überlegungen heraus ist zur dargestellten Kriegsgewalt in kritische Distanz zu gehen. Doch ist sexualisierte Gewalt kein Phänomen der altorientalischen Welt, sondern bildet eine traurige, beschämende Konstante bis in die heutige Zeit!83 Auch der zweite Text im Jesajabuch, der Babels Untergang ausführlich inszeniert, wird sexualisierte Gewalt gegen Frauen zur Darstellung bringen: Jes 47 besiegelt die Erniedrigung der jungen Tochter Babel mit dem Befehl, die Schleppe hochzuheben, damit ihre Scham gesehen werde ($twr[ lgt $tprx hart ~g, V.3).84 Angesichts der schrecklichen Gewaltakte, die in diesen Versen verübt werden, stellt sich die Frage nach dem Konnex zum Gottesbild in aller Dringlichkeit: Welche Bezüge stellt der Text zu Jhwh als jener Instanz her, die das Schre77 Im MT wird Ketib lgv regelmäßig durch Qere bkv substituiert (vgl. Dtn 28,30; Jes 13,16; Jer 3,2; Sach 14,2). 78 Vgl. A. Michel, Gewalt, 108. 79 Zu Gewalt an Kindern in Jesaja und Klgl siehe U. Berges/B. Obermayer, Gottes Gewalt. 80 Zur Vergewaltigung als Kriegsmetapher siehe P. Gordon, Rape. Zu ihrer Darstellungen in anderen biblischen Kontexten siehe S. Scholz, Sacred Witness. 81 Zu sexualisierter Gewalt an Frauen im Kriegskontext siehe C. Rakel, Judit, 57 – 60. 82 Ebd., 59; vgl. I. Fischer, Jesaja, 250 f. 83 Das Rationale hinter der androzentrischen Darstellung von 13,16 ist nach C. Chapman, Gendered Language, 42 f. das »Failure to protect one’s family«, wofür es zahlreiche altorientalische Parallelen gibt. 84 Vgl. G. Baumann, Gott; sowie Kapitel 4.5.3.3.

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ckensszenario in Gang gesetzt hat? Der Textbefund spricht eine eindeutige Sprache: Während Jhwh in V.5 mit seinem Heer ausgezogen war und in V.9 – 13 direkt eingegriffen hat, ist er nun auffallend abwesend. Konstruiert wird das Panorama kriegerischer Grausamkeiten in passiven Verbformen. »In der Kriegsschilderung V.14 – 18 stehen durch die Passivformen die Angegriffenen als Opfer im Vordergrund.«85 Dazu passt, dass sich die Entronnenen in V.15 gegenseitig töten. Wie W. Beuken zu bedenken gibt, ist es »übertrieben, diese Formen als passivum divinum anzusehen«86. Es scheint eher so, als wolle das Jesajabuch Jhwh mit diesen Gräueltaten nicht direkt in Verbindung bringen. Dieser Verdacht wird durch die Beobachtung erhärtet, dass im unmittelbaren Anschluss Jhwh nicht nur das Wort, sondern auch wieder die Initiative ergreift:87 Jhwh erweckt die erbarmungslosen Meder gegen Babel (Jes 13,17 – 20) 17

Siehe, ich erwecke gegen sie die Meder, die Silber nicht achten und an Gold kein Gefallen haben. 18 Bogen zerschmettern junge Männer, und der Leibesfrucht erbarmen sie sich nicht, und wegen der Kinder trübt sich ihr Auge nicht. 19 Und werden wird Babel, Zierde der Königreiche, die stolze Pracht der Chaldäer, wie Gottes Umkehrung von Sodom und Gomorra. 20 Nie mehr wird es bewohnt sein, und unbesiedelt von Generation zu Generation. Und der Araber wird dort nicht zelten, und Hirten werden dort nicht lagern lassen.

An den Jhwh-Tag schließt sich als dritte Szene der Untergang Babylons an (V.17 – 22). Das militärisch gefärbte Gottesbild, mit dem die Vernichtung Babels eingeleitet wird, ist bereits aus früheren Kriegstexten der Prophetenschrift vertraut. Nach V.2 – 5 übernimmt Jhwh zum zweiten Mal im Kapitel die Funktion des Kriegsherrn. Aus der Tatsache, dass Gott die Meder beruft, und mit Blick auf die zeitgeschichtlichen Hintergründe des Textes wird implizit klar, dass die Babylonier gemeint sind, wenn er das Heer »gegen sie« (88~hl[) erweckt.89 Die 85 U. Sals, Biographie, 249. 86 W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 75. 87 Hier setzt das ursprüngliche Babel-Orakel wieder ein, worauf neben dem Themen- auch der Sprecherwechsel hindeutet. Das einleitende ynh, welches in V.9 ein Pendant hat, sorgt zusätzlich für eine Amalgamierung des universalen Gerichts am Erdkreis mit dem lokalen Gericht an Babel. 88 Für J. Jeremias, Tag Jahwes, 133; Bosshard-Nepustil, Rezeptionen, 72 ist das Fehlen einer unmittelbaren Referenz für das ePP 3. Pl. m. das Kernargument für die redaktionsge-

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Gewaltterminologie gibt weitere Hinweise auf die Identität der Opfer : Wie schon in der ersten Einberufungsszene über das Stichwort arq (vgl. Jes 13,3; 41,2.25; 46,11; 48,15) ergeben sich sowohl terminologische als auch inhaltliche Bezüge zu Jes 40 – 55. Denn abgesehen von Jes 10,26, wo Jhwh die Geißel zur Bestrafung Assurs erhebt (rw[ qal), findet sich rw[ hiph. nur noch in Dtjes und wird mit Ausnahme von 42,13 (hanq) und 50,4 (das Ohr des Gottesknechtes) ausschließlich für die Erweckung der Perser gebraucht (41,2.25; 45,13).90 Jhwh nimmt abermals fremde Mächte zur Verübung von Kriegsgewalt in Dienst. Analog zu Jes 5,25 – 30 und 13,2 – 5 erhält das Gottesbild seine Konturen vor allem über die Beschreibung der Kriegsmaschinerie (V.17b–18), auf der die Emphase in der Inszenierung liegt. Die Charakterisierung ist bestimmt von Grausamkeit und Erbarmungslosigkeit. Das Fehlen jeglicher Emotionalität im Kriegskontext wird mehrfach betont: Die Meder achten weder auf Gold (bvx al), noch haben sie an Silber Gefallen (#px al). Der Angriff ist also kein Raubzug, der einer Vermehrung der eigenen Reichtümer dient. Da die Erbeutung von Edelmetallen nicht den Hauptmotor ihres Feldzuges bildet (vgl. Ps 68,31), laufen alle potentiellen Bestechungsversuche ins Leere. Diese sind aber oft der letzte Ausweg, um das eigene Überleben zu erkaufen – oder wenigstens das Davonkommen der unschuldigen Zivilbevölkerung sicherzustellen. Wie in Jes 13,15 liest man abermals vom erbarmungslosen Zerschmettern (vjr) der Kinder.91 Im Fall der babylonischen »Jünglinge« (~yr[n) schwingt zumindest ein militärischer Unterton mit. Denn der Begriff beschreibt nicht nur junge Menschen, sondern ist im atl Sprachgebrauch (z. B. 2 Sam 2,12 – 17; 18,15; 1 Kön 20,14 f.) sowie außerbiblisch auch als militärischer terminus technicus für Elitetruppen belegt.92 Dennoch wirkt es irritierend, dass im Übergang von der Vision des universalen Jhwh-Tages zum Untergang Babylons gerade das Zerschmettern von Kindern als literarische Brücke dient. Und durch die Vernichtung der »Leibesfrucht« (!jb yrp) zielt die Gewalt nach Jes 13,18 eindeutig auf

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schichtliche Priorität der universalen Dimension des Jhwh-Tages (V.2 – 16) vor der partikulären Applikation auf Babel in V.17 – 22. Erst in V.19 fällt der Name des Feindes explizit. U. Berges, Babylon, 142 f.: »The verb rw[ hiph. ›to stir up; to arouse‹ points forward to the call of Cyrus the Great in Isa. 41.2, 25; 45.13.« Dies erfolgt hier jedoch durch »Kriegsbogen« (twtvq), was bereits die antiken Übersetzungen vor Schwierigkeiten stellte: LXX, Vg und Tg führen die Meder als Subjekt aus V.17 weiter. In der LXX zerschmettern sie die Bogen der Jünglinge (toneulata meamisjym sumtqixousim). In der Vg töten (!) sie die Jungen, allerdings nicht mit dem Bogen, sondern mit Pfeilen (sagittis parvulos interficiant). Tg ändert ebenfalls das Verb und damit die Form der physischen Schädigung, sodass nun »ihre Bogen Jünglinge durchbohren« (![zby !ymylw[ !whttvq); vgl. B. M. Zapff, Schriftgelehrte Prophetie, 172 – 175, der in den unterschiedlichen Emendationsvorschlägen moderner Kommentatoren »eher eine der Not gehorchende Lösung« (ebd., 175) sieht. Intensiv nachgegangen ist dieser Frage U. Berges, Babylon. Vgl. H.-P. Stähli, Knabe, 161.

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Babylons jüngste Nachkommenschaft (vgl. Gen 30,2; Dtn 7,13; 28,53). Während in Jes 13,15 die Kriegsgräuel in einer anarchieartigen Situation, auf der Flucht und in Panik, verübt wurden, betont V.18 gerade die emotionslose Kaltblütigkeit der Soldaten. Erst V.19 bringt nachklappend das Schreckensszenario mit dem erwarteten Schicksal Babylons in Verbindung. Babel, dem Schmuckstück der Chaldäer, wird eine Zerstörung verheißen, die nur mit der »Umkehrung von Sodom und Gomorra durch Gott« (hrm[-taw ~ds-ta ~yhla tkphmk) zu vergleichen ist. Der radikalen Zerstörung beider Städte (vgl. Gen 18 f.) entspricht, dass auch der Krieg gegen Babylon nach Jes 13,17 – 23 keinen gewöhnlichen Eroberungsfeldzug darstellt: Das Ziel besteht nicht in einer Okkupation der »Zierde der Königreiche« (twklmm ybc). Nach der Auslöschung durch die medische Armee werden dort nicht einmal mehr Hirten weiden oder Nomaden ihr Zelt aufschlagen (V.20). Statt neue Machthaber zu installieren, wird das Land für immer und ewig entvölkert bleiben (V.20; vgl. Jer 50,40) und zum Besitz wilder Tiere gemacht (V.21 f.). Der Gegensatz zwischen einstiger Pracht und beschriebenem Untergang könnte kaum größer sein. In Jes 1,9 diente der Vergleich mit der Zerstörung der beiden Symbolstädte menschlichen Frevels als Horrorszenario, dem Juda gerade noch entgehen konnte, weil Jhwh einen winzigen Rest übrig ließ. An Babylon – so die Erwartung von Jes 13,19 – wird es hingegen grausame Realität werden. Und während am Jhwh-Tag ein kleine Menge von Menschen, »so selten wie Feingold« (V.12) entkommen kann, wird Babel »unbesiedelt bleiben von Generation zu Generation« (V.20). Lediglich wilde Tiere, die in der altorientalischen Vorstellungswelt chaotische, bisweilen dämonische Züge tragen93, werden sich in den Prunkbauten94 niederlassen, die nach V.18 verwaist zurückbleiben. Der Schlussvers (V.22) macht deutlich, dass das Horrorszenario in Kürze bevorsteht: Es ist bereits so nahe (brq) wie der Jhwh-Tag in V.6. Wie verhält sich Jhwh zu den beschriebenen Kriegsgräueln? Von V.17a an verschwindet Jhwh abermals von der Textoberfläche, sodass das Marodieren der Soldaten in seiner ganzen Kaltblütigkeit nur indirekt auf Jhwh zurückgeführt wird. Allein V.19 deutet die Zerstörung nochmals explizit unter göttlichen Vorzeichen. Doch es fällt hier keines der im Kapitel bereits verwendeten Epitheta (twabc hwhy oder ydv), sondern der Gattungsbegriff ~yhla.95 Wie schon in V.15 f.

93 C. Fischer, Fremdvölkersprüche, 87 – 90. 94 MTund 1 QJesa lesen wytwnmla, sodass die Chaostiere den babylonischen »Witwen« antworten; aufgrund der Erwähnung von »Lustschlössern« im Parallelismus könnte hier aber eine l/rVerschreibung vorliegen (wytwnmra), was von einigen alten Übersetzungen gestützt wird (vgl. Tg: !whtynrybb; Vg: in aedibus). 95 Abgesehen von den Unvergleichlichkeitsaussagen (z. B. Jes 45,5; 46,9; 58,2; 64,3) ist die indeterminierte Gattungsbezeichnung ~yhla nur mehr im Rahmen des 4. GKL belegt: In Jes

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scheint der Text Jhwh nicht direkt mit dem Geschehen in Verbindung bringen zu wollen: »Die geschilderten Grausamkeiten sind Menschen zuzuschreiben.«96 Gleichzeitig werden den Babyloniern die brutalsten Kriegsfolgen angekündigt. Während das göttlich beauftragte Medien kein Erbarmen zeigt (~xr al, 13,18) und dafür keinerlei Kritik einstecken muss, hält Jhwh genau dies der Tochter Babel in Jes 47,6 als Grund für ihren eigenen Untergang vor Augen: »Denn du hast ihnen kein Erbarmen erwiesen (~ymxr ~yf al), auf den Greis legtest du schwer dein Joch.« Da es aber nach 47,6 Gott selbst war, der seinem Volk zürnte (@cq) und es in Babels Hand gegeben hat ($dyb ~ntaw), drängt sich eine Frage unweigerlich auf: Misst Jhwh an diesen Stellen mit zweierlei Maß oder wird hier Gleiches mit Gleichem vergolten (vgl. Jer 51,35)?97 In der Gegenüberstellung mit Jes 47 kommt erschwerend hinzu, dass Jes 13,17 – 22 keine entsprechenden Gründe für das brutale Vorgehen angeben.98 »Stolz« (!wag) und »Überheblichkeit« (trapt) wird auch anderen Gegnern vorgeworfen, ohne dass daraus deren ausnahmslose Vernichtung folgen würde (vgl. Jes 2,10.19.21; 10,12; 16,6; 20,5; 23,9). Für das Jesajabuch scheint das kriegerische Vorgehen gegen Babylon ein beispielloses Unterfangen zu sein! Das Gottesbild von Jes 13, dem Eröffnungsorakel zu den Fremdvölkersprüchen, wird von zwei Aspekten geprägt: Jhwh erscheint als Feldherrn und zugleich als Weltenrichter. Zielte die Aushebung von Truppen bislang auf die Verheerung des eigenen Volkes (Jes 5,25 – 30; 10,6), sendet Jhwh nun gegen Babylon eine Armee aus, die in unmittelbare Nähe zu ihm selbst rückt. Die Truppen oszillieren zwischen menschlichen Soldaten und transzendenten Kräften, die sogar mit Chaosmächten gleichgesetzt werden. Umgekehrt wird Jhwh in die Nähe des Kriegsgeschehens gerückt: Er übernimmt selbst die Musterung und partizipiert am Feldzug seiner Kriegsmaschinerie (V.5). Durch die Einbindung der Vision über das universale Strafgericht an den Frevlern am Jhwh-Tag (V.6 – 16) wird der Feldzug gegen Babel (V.1.17 – 22) unter weltweite Vorzeichen gestellt und mit einer ethischen Konnotation versehen. Das militärische Gottesbild erfährt damit eine deutliche Ausdehnung. Umgekehrt wird Babel zum Erzfeind und Sünder par excellence. Während Assur das göttliche Kriegswerkzeug war, welches aus Hochmut Jhwhs Befehl übertrat und so dem Untergang anheimfiel (10,5 – 27), wird Babel in Jes 13 zum »epitome of evil«99 stilisiert. Dagegen lässt Jhwh als Feldherr am Beginn und Ende des Orakels militärische Truppen aufmarschieren und die Meder mit unheimlicher Grau-

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53,4, bekennt die Sprechergruppe, dass sie den hwhy db[ für einen »von Gott Geschlagenen« (~yhla hkm) hielt. C. Fischer, Fremdvölkersprüche, 74. Dazu ausführlich U. Berges, Babylon. Vgl. C. Fischer, Fremdvölkersprüche, 92. G. Eidevall, Prophecy and Propaganda, 111.

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samkeit und Erbarmungslosigkeit Kriegsgewalt verüben, die auch vor der unbewaffneten Zivilbevölkerung nicht Halt macht. 4.2.2.2 Der göttliche Feldzug als rettende Gewalt (Jes 14,1 – 3) Im Kontext der Orakelkomposition von Jes 13 f. setzen Jes 14,1 – 3 inhaltlich die Entmachtung Babylons bereits voraus.100 Der knappe Abschnitt fungiert als »connecting link«101 zwischen dem Untergang Babels (Jes 13,17 – 22) und Jakobs Spottlied auf dessen gefallenen König.102 Jhwh tritt nach der Erweckung der Meder (Jes 13,17) erstmals wieder dezidiert in Erscheinung.103 Obwohl die Einheit Termini aus dem vorherigen Kapitel rezipiert, setzt sie in ihrem Gottesbild deutlich andere Akzente: Die Gewalt gegen Babylon wird nun unter der Perspektive der Rettung für Israel beleuchtet. Während Medien mit dem babylonischen Nachwuchs kein Erbarmen hatte (~xr al, 13,18), erweist Jhwh Israel nun sein Erbarmen (~xr, 14,1), indem er das Volk nach all der Erschütterung (zgr ; vgl. 13,13; 14,9) ruhen lässt (xwn, 14,1.3). Die »Ruhe« (xwn) verkörpert im Alten Testament »das Ideal von Israels gesicherter Existenz, frei von feindlicher Bedrohung in dem von JHWH geschenkten Land«104 (z. B. Dtn 12,10; Jos 21,44). Selbst wenn also das Stichwort »Friede« (~wlv) im gesamten Abschnitt nicht fällt (vgl. z. B. 26,12; 54,13; 57,19), bedeutet der militärische Untergang Babylons die Befreiung für Israel. Friedvolle Zeiten brechen nun an. Für das Gottesbild bedeutet dies, dass sich in der Zusammenschau von Jes 13,2 – 5.17 – 22 und 14,1 der göttliche Feldherr gegen Babel als Friedensstifter für Israel erweist. Nur V.2abb sprechen in Bezug auf die Gewaltdarstellung eine andere Sprache.105 Denn hier sorgt nicht Jhwh, sondern das Haus Israel selbst für die Befreiung von Gewalt: Nach V.1 lässt Gott sein Volk auf dem Ackerboden (hmda) ruhen. Nun ergreift es selbst auf Jhwhs Ackerboden Besitz (hwhy tmda l[ lxn hit.). Die Völker sind keine gleichberechtigten Partner, die sich Israel freiwillig an-

100 Dies hat auch Konsequenzen für die literargeschichtliche Einordnung des Abschnittes: Der Text wird allgemein als erklärender Nachtrag zu Jes 13 aus nachexilischer Zeit interpretiert (vgl. J. Blenkinsopp, Jes 1– 39, 281: »editorial comment«; J. B. Geyer, Myth, 21: »the concluding Yahweh passage to the preceeding oracle«). Die genauere zeitliche Eingrenzung gestaltet sich aber als schwierig; vgl. U. Berges, Buch, 161 f.; H. Wildberger, Jes 13 –27, 525. 101 U. Berges, Buch, 161. 102 Vgl. C. Fischer, Fremdvölkersprüche, 101: »Durch die Platzierung zwischen Kapitel 13 und 14 wird diese ›Heilsumkehr‹ Israels mit dem Völkergericht an Babel und dem Sturz des Tyrannen […] verbunden.« 103 Die Zerstörung von Sodom und Gomorra, mit der Babylons Untergang in V.19 verglichen wird, geht zwar auf Gott zurück, doch wird hier statt des Tetragramms der Gattungsbegriff »Gottheit« (~yhla) verwendet. 104 W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 80. 105 Für H. Wildberger, Jes 13 – 27, 524 f. liegt hier eine redaktionelle Glosse vor.

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schließen (hwl, vgl. Jes 56,6). Während sie in V.2aa106 die Rückkehr der Exilierten aktiv unterstützen, werden aus ihnen nun Knechte und Mägde (~ydb[), die es von Israel in Besitz zu nehmen gilt. Dabei kommt es zu eigenmächtigen gewaltsamen Vergeltungshandlungen: Die Geretteten verfolgen (hdr, vgl. V.6) ihrerseits die einstigen Unterdrücker (fgn). Jhwh selbst bleibt in diesem kriegerischen Vergeltungshandeln (hbv, vgl. Dtn 21,10; 1 Sam 30,2 f.; Ps 137,3; Ob 11) aber unerwähnt. Die redaktionelle Einbindung der Szene in die auf Jhwh zentrierten V.1.3 lässt sich kritisch gegenlesen: Das göttliche Befreiungshandeln dient hier als Klammer für die Hoffnung auf eigenmächtige Vergeltung. Damit zeigen sich deutliche Parallelen zu Jes 11,13 f.107, wo Israel und Juda gemeinsam zu den Waffen greifen, um die Nachbarvölker militärisch gehorsam (~y[mvm) zu machen. Beide Male schreibt sich die Sehnsucht nach eigenhändig verübter, vergeltender Gewalt in das göttliche Rettungshandeln ein (V.1.3). 4.2.2.3 Das Ende der babylonischen Gewalt wird weltweit bejubelt (Jes 14,4b–7) Der Chor der Geretteten nimmt in 14,4 das Stichwort der Unterdrückung (vgn) auf und macht schon am Beginn des Spottliedes unmissverständlich klar, dass der König von Babel den Unterdrücker schlechthin darstellt. Der Untergang der Militärmacht wird wie im Assurkapitel (Jes 10,5 – 34) am Beispiel des königlichen Oberbefehlshabers abgehandelt. Die erste Liedstrophe (V.4b–7) leuchtet das Treiben des Herrschers unter militärischem Blickwinkel aus und führt dabei das Untergangsszenario auf den Einsatz göttlicher Gewalt zurück. Jhwh zerbricht den Stab der babylonischen Unterdrückung (Jes 14,4 – 7) 108 4 Da wirst du dieses Spottlied anstimmen über den König von Babel und sagen: Wie hat aufgehört der Unterdrücker, aufgehört das Anstürmen! 5 Zerbrochen hat Jhwh den Stab der Gottlosen, den Herrscherstab, 6 der Völker schlug im Grimm mit Schlägen ohne Unterlass, Nationen im Zorn unterjochte mit Verfolgung ohne Schonung. 7 Es ruht, es rastet die ganze Erde. Man bricht in Jubel aus.

106 Der Versteil ist damit als Fortsetzung von V.1 zu werten; vgl. W. A. M. Beuken, Jes 13– 27, 82. 107 Nach W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 82 ist das Motiv, dass Fremde Israels Rückkehr aus dem Exil aktiv unterstützen (vgl. 14,2aa), »ein Einfluss von 11,12«. Dies legt nahe, dass auch die Fortschreibungen Jes 11,13; 14,2abb, welche die Völkeroffenheit der angrenzenden Abschnitte (vgl. 11,10) mit gewaltsamen Mitteln einschränken, auf derselben redaktionsgeschichtlichen Stufe stehen. 108 Bei hbhdm handelt es sich um ein Hapaxlegomenon einer auch sonst nicht belegten Wurzel bhd,

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Die erste Strophe setzt mit dem Ende (tbv) der Unterdrückung ein (V.4), klärt im Zentrum (V.5 f.) die Gründe und den Verlauf der Befreiung und erfährt durch den Jubel (!nr, V.7) über die weltweite Ruhe109 (jqv) eine universale Ausweitung. Der erleichterte Ausruf, dass der Unterdrücker und sein Ansturm beendet sind, verbindet über das Stichwort tbv das Ende des babylonischen Königs und seines Treibens mit dem Strafgericht aus Jes 13: Denn dort verkündete Jhwh, dem Hochmut (!wag, vgl. 14,11) ein Ende zu bereiten (tbv, 13,11). »Unterdrückung« (fgn) und »Anstürmen« (hbhdm) – ein Hapaxlegomenon, das den eruptiven Charakter des babylonischen Kriegstreibens zum Ausdruck bringt – verweisen auf den gewalthaltigen Aspekt der Herrschaft (110 fgn, vgl. V.4!; 53,7). V.5 bildet die Mitte der Stanze und ist zugleich die einzige Stelle im gesamten lvm, in der Gott als Handlungsträger in Erscheinung tritt. Die Befreiten verkünden, dass Jhwh den »Stock der Frevler« (~y[vr hjm) und den »Stab der Herrscher« (~ylvm jbX) zerbrochen hat. Mit Stock und Stab wird auf Motive der Assurkapitel zurückgegriffen (vgl. 9,3; 10,5.15.24.26; vgl. 30,31 f.), um den von Gott direkt vollbrachten Untergang einer Weltmacht zu visualisieren. Stab und Stock sind gängige Herrschaftssymbole im Alten Orient, da sie sowohl zur Leitung (vgl. Jes 9,3) als auch zur Bestrafung dienen (vgl. Ex 21,20).111 Das Zerbrechen (rbv) dieser Insignien königlicher Macht symbolisiert zugleich die Zerschlagung der militärischen Unterdrückung (vgl. 15,5; 24,10; 45,2; 51,19; 60,18).112 Das »Zerbrechen« (rbv qatal) weist intratextuell auf 14,25 voraus, wo Jhwh per Schwur zusichert, Assur zu zerbrechen (rbv jiqtol). Hinter dem Bild des zerbrochenen Stabes (jbv rbv nif., 14,29) im anschließenden Spruch gegen die Philister (14,28 – 32) steht ursprünglich wohl ebenfalls die gefallene assyrische Weltmacht.113 So verschmelzen in Jes 13 f. mithilfe der Gewaltsemantik Assur und Babel zu einem einzigen vormals mächtigen, nun aber vernichteten Gottesfeind.

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doch könnte hier auch eine r/d-Verschreibung vorliegen. Die Lesung hbhrm »Bedrängung«/ »Ansturm« wird gestützt von 1 QJesa sowie durch Jes 3,5, wo vgn (»bedrängen«/»unterdrücken«) und bhr (»anstürmen«) ebenfalls parallel gebraucht werden. Vgl. W. A. M. Beuken, Jes 13 –27, 49. Hier fällt zwar nicht das Stichwort ~wlv, doch kann jqv – wie z. B. Jes 32,17 zeigt – als synonymer Begriff für den Frieden verwendet werden. Das »Unterdrücken« (fgn) ist eine Form von Gewalt, die im Jesajabuch immer negativ bewertet und nie von Jhwh oder in seinem Auftrag verübt wird (vgl. 3,5.12; 14,2; 53,7; 58,3). In Jes 9,3 geht Jhwh sogar selbst gegen den »Stock des (assyrischen) Unterdrückers« (fgnh jbv) vor. Vgl. H.-J. Zobel, Art. jbv, 967 – 969; sowie die ikonographischen Belege aus Assur und Babylon bei N. Stillman/N. Tallis, Armies, 152 (Abb. 116 f.).174 f. (Abb. 157 f.). Eine enge Parallele findet sich im jeremianischen Fremdvölkerspruch gegen Moab (Jer 48). Dort werden die Nachbarvölker dazu aufgefordert, der untergegangenen Macht mit folgendem Spottspruch Mitleid zu bekunden: »Wie ist zerbrochen das Zepter der Macht, der Knüppel der Pracht« (hrapt lqmz[-hjm rbvn hkya, V.17). Vgl. G. Eidevall, Prophecy and Propaganda, 56 – 59.

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Die erste Sequenz des Spottliedes appliziert neben tbv (V.4) mit den »Frevlern« (~y[vr) in V.5 einen weiteren Kernbegriff aus dem göttlichen Strafgericht auf den babylonischen König (vgl. Jes 13,11). Dem Stab der Frevler, der sich im babylonischen Herrscher inkarniert, ergeht es so wie den Frevlern auf dem Erdkreis am Jhwh-Tag. Mit diesem Bild aus Jes 14 wird (die babylonische) Fremdherrschaft (lvm) mit Gottlosigkeit ([vr) gleichgesetzt und sogleich von Jhwh vernichtet. Die beiden Partizipialsätze in V.6, die sich syntaktisch auf die Machtsymbole in V.5 zurückbeziehen, begründen das göttliche Eingreifen. Sie zeigen die brutalen Auswüchse der babylonischen Herrschaft: Aus Perspektive der Sprechenden war Babels Regierung geprägt von ausufernder Kriegsgewalt an den Völkern und deren andauernder Unterwerfung. Wie schon Assur in Jes 10,7 überzog offensichtlich auch Babel die gesamte Erde mit Krieg. Sowohl das Schlagen (hkn), als auch das Unterwerfen (114hdr) und Verfolgen (115@dr) gehören zum gängigen alttestamentlichen Gewalt- und Kriegsvokabular. Dass Babel dabei in Grimm (hrb[) und Zorn (@a) zuschlug (hkn), unterstreicht die ganze Hybris und Frevelhaftigkeit seines Kriegstreibens, die schon V.5 zur Schau stellte. Denn all diese Gewalttermini reserviert das Jesajabuch sonst ausschließlich für Jhwh.116 Der »Bezwinger der Völker« (~ywg-l[ vlx, vgl. Ex 17,13) machte nach V.17 den Erdkreis (lbt, vgl. 13,11117) zur Wüste und riss dessen Städte ein (wyry[ srh, vgl. 2 Sam 11,25; 2 Kön 3,25; Ez 36,35). Damit trieb es der König von Babel noch schlimmer als Assur, zumal er dies laut Jes 14,6 nicht nur bar jeglicher Beauftragung durch Jhwh, sondern auch ohne Unterlass (hrs ytlb) bzw. Schonung ($fh ytlb) tat und sogar vor den eigenen Untertanen nicht Halt machte: »Du hast dein eigenes Land zugrunde gerichtet (txv), hingemordet (grh) dein eigenes Volk« (14,20). Am Ende der ersten Strophe weitet sich der Fokus von Israel (V.4) auf die gesamte Völkerwelt (V.7): Von der Unterdrückung durch Babylon war offensichtlich nicht nur Israel betroffen, sondern auch andere Völker und Nationen. Daher hat das göttliche Rettungshandeln auch für das Schicksal anderer Völker positive Folgen: Wie Jhwh sein Volk ruhen lässt (xwn hiph., V.1.3), ruht (xwn, V.7) nun die ganze Erde. Weil Babel zuvor die Nationen (~ywg) unterjochte (V.6), bricht nun die gesamte Welt (#rah-lk) in Jubel aus (V.7). Von daher kann man mit U. 114 Vgl. Num 24,19; 1 Kön 5,4; Neh 9,28; Ps 72,8; 110,2; Ez 29,15; 34,4. 115 Z. B. Gen 14,14.15; Ex 14,9; 15,9; Lev 26,7; Dtn 1,44; Jos 7,5; 8,24; 1 Sam 30,8; 1 Kön 20,20; 2 Kön 25,5; Jes 41,3; Am 1,11; Klgl 3,43.66. 116 Vgl. W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 85. 117 Durch diesen Rückverweis auf den Wirkbereich des göttlichen Strafgerichts schreibt sich »ein Tyrann […] jene göttlichen Kompetenzen zu, die allerdings zu seinem Sturz führen. Der Tyrann in Jes 14 erscheint damit als Gegenspieler Jahwes« (B. M. Zapff, Schriftgelehrte Prophetie, 142).

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Berges »nicht ausschließen, daß zum ›Du‹ (14,3), das die Spottklage auf den Tyrannen singt, auch die ~yrg gehören, die sich dem Gottesvolk auf dem Weg in die Freiheit anschließen!«118 Das übrige Spottlied liest sich wie ein Abrechnung mit dem Hochmut des babylonischen Königs (z. B. 14,13 f.): Dabei wird das Kriegstreiben des gefallenen Herrschers über zahlreiche Stichwortverbindungen mit dem göttlichen Strafhandeln in 13,9 – 11 kontrastiert (z. B. v[r/zgr, 13,13; 14,16; lbt, 13,11; 14,17; vgl. hmvl #ra ~wfl, 13,9/rbdmk lbt ~yf, 14,17). Am Beginn der Fremdvölkersprüche tritt mit dem Neubabylonischen Reich eine zweite militärische Großmacht in Konflikt mit Jhwh. Dieser beruft eine Heeresmacht, die zwischen menschlichen Truppen und himmlischen Heerscharen oszilliert. Obwohl Jhwh weiterhin hauptsächlich die Rolle des Kriegsherrn übernimmt, scheint er am Feldzug teilzunehmen (V.5). Am Jhwh-Tag, dessen Inszenierung dem Untergang Babylons vorgeschaltet ist, wird Gott auch selbst gewaltsam aktiv. Er sucht die Frevel am Erdkreis heim (V.11) und bereitet den Sündern ein Ende. Die Kriegsgräuel, die in weiterer Folge die Radikalität der Vernichtung Babylons verdeutlichen sollen (V.15 – 18), werden hingegen nur indirekt auf Jhwh zurückgeführt. Es sind die von ihm erweckten Meder, die erbarmungslos Kinder zerschmettern und Frauen vergewaltigen (V.18). Die Strategie, das Gottesbild von solchen Schilderungen freizuhalten, ist kritisch zu hinterfragen, denn Medien/Persien ist und bleibt ein willkommenes göttliches Kriegsinstrument, mit dem Jhwh für den Untergang Babylons sorgt (vgl. 41,2.25; 45,1 – 3; 46,11; 48,15). Es bleibt offen, ob die Autoren hier auf eine »Entschuldungsstrategie« setzen, indem sie für die Bedrücker zwar die schlimmsten Folgen des Krieges erhoffen, das Gottesbild davon aber so weit wie möglich unberührt lassen. Der Abschnitt lässt nirgendwo Zweifel darüber aufkommen, dass Gott aus der Auseinandersetzung als Sieger hervorgeht. Zugleich wird Babel als Erzfeind Jhwhs ein singuläres Profil verliehen. Dies geschieht durch die kunstvolle Einspielung gewalthaltiger Elemente aus anderen Texten des Jesajabuches. So tritt das Reich in die Nachfolge der assyrischen Kriegsmacht, mit der es angesichts ihrer Überheblichkeit (trapt, 10,12; 13,19) dasselbe Schicksal teilt. Das Spottlied (Jes 14,4b–22) über den babylonischen Herrscher liest sich als Kommentar zur militärischen Vernichtung der Weltmacht (Jes 13,17 – 22), in der sich das göttlichen Strafgericht an den Frevlern des Erdkreises fortsetzt. Während J. Blenkinsopp davon ausgeht, dass in der prophetischen Geschichtsdeutung des Jesajabuches zwischen Babylon und Assur kein Unterschied gemacht wird119, ist 118 U. Berges, Buch, 162. 119 J. Blenkinsopp, Isa 1 – 39, 289: »Babylon replaced Assyria, but from the point of view of the prophetic interpretation of history there is no difference; all imperial pretentions fall under the same judgment.«

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auf zwei markante Differenzen hinzuweisen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Darstellung des ultimativen Gottesfeindes und dessen Konnex zum Gottesbild stehen. Beide haben mit der Art und Weise zu tun, wie Jhwh durch und gegen fremde Militärmächte gewaltsam aktiv wird. 1. die Rolle im göttlichen Plan: Ein Motiv, das sich für das Gottesbild in den Assurkapiteln als zentral erwiesen hat, wird im Fall von Babel nicht übernommen.120 Nach der Geschichtsdeutung in der Endfassung des Buches ist Babel zu keiner Zeit ein Werkzeug göttlicher Gewalt gewesen; weder beim Untergang des Neuassyrischen Reiches am Ende des 7. Jh. v. Chr. (vgl. Jes 10,16 – 18.24 – 27), noch beim Fall Judas 586 v. Chr. Es fungiert daher nicht als Stock oder Stab in Jhwhs Hand (vgl. 10,4). Vielmehr zerbricht Gott den Herrscherstab, weil er sich als ein Instrument der Gottlosigkeit erwiesen hat (vgl. 14,5). Die Gründe für die Abrogation des Werkzeugcharakters liegen wohl in der Zionstheologie121: Nach der Deutung des Jesajabuches kann der Eroberer von Gottesberg und Gotteshaus nicht im Auftrag der dort als König herrschenden (vgl. Jes 6,5) und den Zion schützenden Gottheit (vgl. Jes 31,4; 36 f.) agiert haben. Die Funktion des göttlichen Kriegswerkzeuges übernimmt in der Prophetenschrift das Perserreich gegen Babel (vgl. z. B. 13,17; 44,28 – 45,7).122 Während der babylonische König im Ezechielbuch Gott als Kriegswerkzeug »dient« (db[, Ez 29,20) und das Jeremiabuch123 Gott von Nebukadnezar als »meinem Knecht« sprechen lässt (ydb[, z. B. Jer 25,9), wäre dies für das Jesajabuch ein Tabubruch aller ersten Ranges. Der König, der Jerusalem in Trümmer legen ließ, wird überhaupt keiner Erwähnung gewürdigt. Dagegen ist Kyros, der Eroberer Babylons, »sein Gesalbter« (wxyvm, Jes 45,1). Babel wird hingegen zum Gottesfeind schlechthin stilisiert. Dies erfolgt einerseits durch die Überblendung mit Assur und andererseits durch die eingefügte Vision des hwhy ~wy (13,6 – 16). Das göttliche Strafgericht am lbt konkretisiert sich in der Berufung der Meder. Umgekehrt wird Babylon zur Chiffre aller ~y[vr (vgl. 13,11; 14,5!), die von Jhwh heimgesucht werden (vgl. Jes 48,22; 57,21). 2. das Ende des Feindes: Während Gott bei der Bestrafung Assurs einige wenige entrinnen lässt, die immerhin ein Kind zählen kann (Jes 10,19; vgl. 17,6), ist bei Babel von totaler Vernichtung zu sprechen. Am Ende von Jes 13 wird dem Land verheißen, »auf ewig« (xcnl) unbewohnt und »von Generation zu Generation« (rwdw rwd-d[, V.20) eine Öde zu bleiben. Während schon in 13,21 f. die unheimlichen Wildtiere von sich aus die verlassenen Ruinen der Stadt bewoh120 Vgl. U. Berges, Babylon, 149. 121 Siehe dazu Ders., Zionstheologie. 122 Dass die Gründe in der Zionstheologie liegen, deutet sich indirekt auch über das KyrosOrakel an: Der göttliche Auftrag an den Perserkönig endet nicht mit der Eroberung Babels (45,1 – 3), sondern gipfelt im (Wieder)Aufbau Jerusalems (45,13; vgl. 44,26 als Rahmen). 123 Vgl. dazu K. Schmid, Nebukadnezars Antritt.

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nen, macht am Ende von Jes 14 Jhwh selbst Babel zu ihrem Besitz (vry, V.23). Darüber hinaus wird dazu aufgerufen, die Schlachtbank aufgrund der Sünden des Vaters für seine Söhne aufzurichten, damit diese sich nicht mehr »erheben« (124~wq, 14,21). In V.22 »erhebt sich« hingegen JHWH selbst (125~wq), um Babel mit »Namen« (~v, vgl. 56,5) und »Rest« (rav), »Spross« (!yn) und »Nachkommenschaft« (rkn) zu »vernichten« (trk). Daher kann der Wächter im zweiten Babelspruch verkünden: »Gefallen, gefallen ist Babel!« (21,9; vgl. 13,15; 14,12). Dies verdeutlicht der Bote damit, dass auch die Bilder ihrer Götter nun zerbrochen am Boden liegen (#ral rbv hyhla ylysp-lk 21,9). Zwischen diesen beiden großen Untergangsszenarien deutet der Prophet auch anderen größeren Nationen und kleineren Nachbarvölkern ihr Geschick in Form von Orakelsprüchen. Deren gemeinsamer Fluchtpunkt, welcher zugleich als Prüfstein für Jhwhs Wirkmächtigkeit dient, wird im Epilog zum Babelspruch vorgestellt: Jhwhs Plan (hc[) über die ganze Welt. Er wird der Leserschaft als roter Faden durch die weitere Spruchsammlung dienen. 4.2.2.4 JHWHs Ratschluss als Schlüssel zu den Völkerorakeln (Jes 14,24 – 27) Auf die Vernichtung Babylons (Jes 13,1 – 14,23) folgt mit dem Orakel gegen Assur (14,24 – 27) ein Epilog, in dem Jhwh noch einmal direkt gewaltsam aktiv wird. Der Spruch versetzt »die Leserschaft des Buches in szenischer Hinsicht wieder in die Zeit der assyrischen Vorherrschaft«1. Diese bildet wohl auch den literarhistorischen Hintergrund des Spruches: Die Forschung bringt sowohl die Hiskijanische2 als auch die Joschijanische3 Zeit in Anschlag. Die Gewalthandlungen kommen im Kontext eines Gotteswortes zur Darstellung, in dem der bevorstehende Untergang der assyrischen Militärmacht sogar per Schwur zugesichert wird:

124 Zu ~wq als Vokabel für die Feindbedrohung siehe P. Riede, Feindmetaphorik, 37 – 42.104 – 106. 125 Mit göttlichem Subjekt nur mehr in Jes 28,21; 31,2; 33,10. 1 K. Schmid, Jes 1 – 23, 135. 2 Vgl. R. E. Clements, Central Passage. Dafür spricht die göttliche Vernichtung in Jhwhs eigenem Land und auf seinen eigenen Bergen (V.25). 3 Vgl. H. Barth, Jesaja-Worte, 103 – 119; B. M. Zapff, Schriftgelehrte Prophetie, 291. Dies ergibt sich aus dem sich abzeichnenden Ende des Neuassyrischen Reiches sowie aus der Stichwortverknüpfung von rbv mit dem folgenden Philisterspruch (14,29).

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch Jhwhs Plan über die Welt, an Assur beispielhaft vollzogen (Jes 14,24 – 27)

24

Jhwh der Heerscharen hat geschworen und gesagt: »Fürwahr, wie ich es erwog, so geschieht es, und wie ich es beschlossen habe, so kommt es zustande. 25 Um Assur in meinem Land zu zerbrechen, und [damit] ich es auf meinen Bergen zertrete. Dann weicht von ihnen sein Joch, und seine Last weicht von ihrer Schulter.« 26 Das [ist] der Ratschluss, der über die ganze Erde beschlossen ist, und das [ist] die Hand, die über alle Nationen ausgestreckt ist. 27 Denn Jhwh der Heerscharen hat es beschlossen. Wer wird es ungültig machen? Und seine Hand ist ausgestreckt. Wer wendet sie zurück?

Ein genauerer Blick auf das Gottesbild im Spruch zeigt, dass der Fokus nicht auf den Gewalthandlungen selbst liegt:4 Strafaktionen spiegeln sich lediglich in V.25a, sowie in V.26b über das Bild von Jhwhs ausgestreckter Hand wider. Im Mittelpunkt steht das Eintreffen des göttlichen Planes, welcher die Vernichtung – zunächst von Assur (V.25a), dann aber der ganzen Welt (V.26 f.) – zum Ziel hat. Das Orakel liest sich wie eine Meditation über Jhwhs Geschichtsmächtigkeit: Dieser Aspekt wird durch das Schwören ([bv, vgl. Jes 45,23; 54,9; 62,8) sowie das Leitwort #[y in den Rahmenversen (V.24.26 f.) besonders hervorgehoben. Das verlässliche Eintreten des göttlichen hc[ wird am Untergang der assyrischen Weltmacht exemplifiziert und über die Gewaltterminologie in ein Kontinuum des göttlichen Handelns gestellt: Die Durchsetzung des göttlichen Planes gegen Assur (~wq und hyh, V.24) kontrastiert auf subtile Weise die vereitelten Absichten der syro-ephraimitischen Koalition in der Denkschrift (~wq al und hyh al, Jes 7,7).5 Das Zerbrechen (rbv) tauchte bereits im Spottlied als zentraler Terminus göttlicher Gewalt auf (14,5). Auch vom Zertreten (swb) war dort bereits die Rede: Denn der König von Babel fristet sein Ende fern jeder Grabstätte »wie zertretenes Aas« (sbwm rgpk, 14,19). Durch die Anfügung an das Spottlied (14,4 – 23) sowie die semantischen Überschneidungen mit dem lvm zeigt sich hier – ganz im Sinne der »Teleskopierung« – eine starke Kontinuität im göttlichen Gewalthandeln. Die Abfolge 4 Vgl. C. Fischer, Fremdvölkersprüche, 131: »Auffallend an der Passage 14,24 – 27 ist, daß die Unheilsansage gegen Assur offenbar nicht den Hauptpunkt der Aussage bildet. Inhaltlich dreht es sich um den Schwur und Plan des allmächtigen Jahwes.« 5 Durch die Notiz, dass man »den Reichtum von Damaskus und die Beute von Samaria vor dem König von Assur trägt«, lässt Jes 8,4 aber durchblicken, wer der eigentliche Vollstrecker des göttlichen Planes ist.

Gottes Gewalt gegen die Völker und die gesamte Erde (Jes 13 – 27)

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von elaboriertem Babelspruch (Jes 13,1 – 14,23) und kleinerem Orakel gegen Assur wurde gewählt »to make the point that the destruction of Babylon represents the final fulfillment of the anti-Assyrian prophecies«6. Mit dem Verweis auf die Vernichtung »in meinem Land« (ycrab) und »auf meinen Bergen« (yrh-l[) in V.25a drängt sich zugleich die Frage nach der Relevanz für das dort lebende Volk auf: Das B-Kolon verdeutlicht, dass das Ende von Assur zugleich Judas Befreiung von der Last des fremden Jochs (lwbs) bedeutet.7 Das Motiv von Joch und Last stellt einen Rückbezug zu Jes 10,27 her, wo die Perspektive der Rettung im göttlichen Gewalthandeln ebenfalls betont wird. Diese bestimmt somit auch die inhaltlichen Konturen des »göttliche Plans über die ganze Erde« (14,26). Durch die Gewalttermini sind aber auch weitere Interventionen zur Einlösung des göttlichen Geschichtsplanes »in nuce«8 angelegt. In V.26 weitet sich die Perspektive universal, indem sich der göttliche Ratschluss nun über die ganze Erde (#rah-lk) erstreckt.9 Durch die Wiederholung des Stichwortes hc[ aus V.24 dehnt sich das Gewalthandeln von der Bestrafung eines fremden Volkes im eigenen Land (Assur) auf alle Völker und die ganze Erde aus. Konsequenterweise ist daher in V.26 f. die göttliche Hand »über alle Nationen« (~ywgh-lk l[) ausgestreckt.10 Die Gewaltsemantik betont abermals die Kontinuität im Gottesbild: Dass Gott selbst seine Feinde zertritt (swb), findet sich neben Ps 44,6; 60,14; 108,1411 nur mehr in Jes 63,6: Als Keltertreter zerstampft er dort Völker (~ym[) in seinem Zorn. Zudem wird in Jes 14,26 der Kehrvers über Jhwhs ausgestreckte Hand gegen das eigene Volk aus Jes 1 – 12 (vgl. 5,25; 9,11.16.20; 10,4) auf das Schicksal aller Völker appliziert. Das Motiv bestimmt zugleich die Art des göttlichen Ratschlusses näher. Er besitzt auch für die Völkerwelt einen bedrohlichen Charakter. Die rhetorischen Fragen aus V.27 unterstreichen die einzigartige (Geschichts) Mächtigkeit Jhwhs (vgl. hc[ fig. etym. + rpy in 8,10): Niemand vermag Gottes 6 J. Blenkinsopp, Jes 1 – 39, 289. 7 In V.25b sind mit der Angabe »von ihnen« (~hyl[m) nicht die Assyrer gemeint, die noch in V.25a von Jhwh vernichtet werden, sondern das von dieser Militärmacht befreite JhwhVolk. Hingegen müssen sich die ePP 3. Sg. m. (wl[, wlbs) auf Assur beziehen. Den unvermittelten Objektswechsel werten viele ExegetInnen als Indiz für eine sekundäre Fortschreibung; vgl. H. Wildberger, Jes 13 – 27, 570 f.; C. Fischer, Fremdvölkersprüche, 138 f.; R. E. Clements, Central Passage, 255 f. 8 W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 102 [Hervorhebung: W. B.] denkt an die Befreiung von Babylon. 9 Die elaborierte Vorstellung eines universalen göttlichen Planes hebt das Jesajabuch von den übrigen atl Prophetenschriften ab. Im Jeremiabuch wird Jhwh zwar als »groß an Rat« (hc[h ldg, Jer 32,19) bezeichnet, der einen Plan über Edom (Jer 49,20) und Babel (50,45) beschlossen hat, und auch nach Mi 4,12 besitzt Jhwh einen Plan über die Nationen; zu den Texten vgl. W. Werner, Plan, 149 – 189. Doch kein anderes Prophetenbuch nutzt hc[/#[y derart intensiv als Leitwort und zieht es als Deutungskategorie göttlicher Gewalt heran. 10 In Jes 34,2 wird sich Gottes Zorn (@cq) auf alle Völker richten! 11 Dort allerdings von Gott in der dritten Person.

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

Pläne zunichte zu machen; keiner kann seiner ausgestreckten Hand Einhalt gebieten oder gar entkommen! »Given Yahweh’s supreme lordship, his plan is necessarily firm and will be realized without fail, while any plans to the contrary will inevitably come to grief, along with those who formulate them.«12 Die Fragen geben den Blick frei auf die weiteren Fremdvölkerorakel und haben Signalcharakter für die göttlichen Gewalthandlungen in der Teilkomposition: Auch dort wird die Emphase immer wieder auf der Unverrückbarkeit des göttlichen Planes liegen (#[y/hc[, Jes 16,3; 19,3.11.12.17; 23,8.9), demgemäß Jhwh den Widerstand aller ihm feindlichen Mächte gewaltsam bricht. Dies zeigt sich zunächst bei den Fremdvölkern (Jes 14,28 – 23,14; vgl. ~ywgh-lk, 14,26) sowie im Schicksal des eigenen Volkes (vgl. Jes 22) und schließlich im Geschick der ganzen Erde (vgl. Jes 24 – 27; #rah-lk, 14,26). 4.2.2.5 Der göttliche Plan erreicht als erstes die Philister (Jes 14,28 – 32) Die Philister sind das erste Volk, dem der göttliche Plan eröffnet wird. Durch die Einführung eines neuen afm sowie die Datierungsnotiz (vgl. Jes 6,1; 20,1) setzen sich Jes 14,28 – 32 vom vorherigen Kontext deutlich ab.13 Das Orakel über die Philister eröffnet die Prophetenworte gegen die Nachbarstaaten Judas. Trotz der expliziten Datierung in das Todesjahr von König Ahas (742 – 728 v. Chr.) gestaltet sich die diachrone Einordnung als schwierig.14 »The cryptic language of this oracle lent itself to reinterpretation and adaption within the so-called school of Isaiah.«15 In der jetzigen Abfolge liest sich das Orakel als Weiterführung des göttlichen Planes über die Völker16 :

12 J. Jensen, Yahweh’s Plan, 445. 13 Vgl. B. M. Zapff, Schriftgelehrte Prophetie, 286; U. Berges, Buch, 148. 14 Dazu treffend H. Wildberger, Jesaja 13 – 27, 575: »Auf wenige Abschnitte […] ist in dieser Hinsicht so viel Druckerschwärze aufgewendet worden wie auf diesen, ohne daß ein Konsens erreicht worden wäre.« Nimmt man die Datierung in das Todesjahr von König Ahas (V.28) als historische Notiz ernst, so beleuchtet das Orakel die Folgen des Regentenwechsels auf dem assyrischen Thron von Tiglatpileser III. auf Salmanassar V. (727 v. Chr.). Doch dies setzt voraus, dass man die Abfolge der schlangenartigen Tiere in V.29b als Sukzession auf dem assyrischen Thron versteht, was nicht unwidersprochen geblieben ist; vgl. O. Kaiser, Jes 13 – 39, 45 f.; G. Eidevall, Prophecy and Propaganda, 56; W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 115 f. 15 D. L. Christensen, Transformations, 136. 16 Die Aussicht auf das Zerbrechen Assurs durch Gott (vgl. rwva rbvl, 14,25) findet im zerbrochenen Herrscherstab (jbv rbvn) von V.29 ihre Fortsetzung.

Gottes Gewalt gegen die Völker und die gesamte Erde (Jes 13 – 27)

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Jhwh verkündet den Philistern neues Unheil (Jes 14,29 – 32) 29

Freue dich nicht, ganz Philistäa, dass der Stock zerbrochen ist, der dich schlug! Denn aus der Wurzel der Schlange geht eine Natter hervor, und ihre Frucht [ist] ein geflügelter Drache. 30 Dann weiden die Erstgeborenen der Geringen, und die Armen lagern in Sicherheit. Aber deine Wurzel werde ich in Hunger sterben lassen. Und deinen Überrest wird er töten. 31 Jammere, Tor! Schrei um Hilfe, Stadt! Zittere, ganz Philistäa! Denn von Norden her kommt Rauch, und keiner sondert sich ab von seinen Scharen. 32 Und was wird man den Boten einer Nation antworten? »Ja, Jhwh hat Zion gegründet, und in ihr finden Zuflucht die Elenden seines Volkes.«

Die Philister sind das erste Volk, das die Auswirkungen von Jhwhs ausgestreckter Hand (vgl. 14,26 f.) zu spüren bekommt, indem ihm noch schlimmere Schläge in Aussicht gestellt. Obwohl der (assyrische) Stock (jbv, vgl. 10,5), der offensichtlich auch dieses Volk schlug (hkn, vgl. 10,24), zerbrochen ist (rbv, vgl. 14,25), soll ganz Philistäa nicht in Freude ausbrechen. Die Identität des Feindes wird zwar nicht eindeutig geklärt, doch lässt die Nähe des Gewaltvokabulars zu den Assurkapiteln vermuten, dass die Auseinandersetzung mit den Assyrern den ursprünglichen Hintergrund des Orakels gebildet hat. Das Hervorgehen von Otter und Seraph aus der Wurzel (vrv) der Schlange (V.29) wird zumeist als Ankündigung eines Herrscherwechsels gedeutet.17 »By means of the snakes metaphor, with its demoniac overtones, the dangerousness of the enemy is given further emphasis. The depiction of the snake’s offspring expresses continuity as well as escalation.«18 Entgegen der Erwartung im Philisterland verheißt Jhwh dem Volk also eine noch schlimmere Situation. Nach der Ankündigung eines noch gefährlicheren, gegnerischen Machthabers19 wechseln Sprechrichtung und inhaltliche Ausrichtung: Unvermittelt geht es in V.30a um die »Erstgeborenen der Armen« (~yld yrwkb) und »Schwachen« (~ynwyba).20 Ihnen wird trotz der erneuten Destabilisierung ein Leben in Sicherheit 17 P. Riede, Feindmetaphorik, 231 – 253 zeigt auf, dass inner- wie außerbiblisch Feinde häufig als Schlangen dargestellt werden (vgl. Jer 8,17; Ps 140,4). 18 G. Eidevall, Prophecy and Propaganda, 58. 19 Die Abfolge von vxn, @[c und @rf ist wohl im Sinne einer Steigerung der Gefährlichkeit zu verstehen; vgl. etwa W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 115 f. 20 Daher wird V.30a häufig als Glosse gewertet; vgl. J. Blenkinsopp, Jes 1 – 39, 293; G. Fohrer, Jes 1 – 23, 201.

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

(xjbl), frei von jeglicher Kriegsgefahr verheißen.21 Durch die erstmalige Erwähnung der Schwachen (~ynwyba, vgl. 25,4; 29,19; 32,7; 41,17) sowie die Nennung der Armen (~yld, vgl. 25,4; 26,6), die schon in 10,2; 11,4 unter besonderem göttlichen Schutz standen, wird eine ethische Perspektive in den Abschnitt eingetragen. Jhwh fungiert als Garant, dass die angekündigte Zerstörung nicht uneingeschränkt um sich greift. Er erweist sich in aller Kriegsgefahr als Schutzmacht der Schwachen (vgl. 25,4). In manchen modernen Übersetzungen werden diese mit den »Elenden seines Volkes« (wm[ yyn[) gleichgesetzt, die am Ende des Orakels (V.32) in den Blick kommen.22 In den antiken Versionen wird eine solche Identifikation allerdings nicht vorgenommen. Sie ergibt sich in der Zusammenschau mit V.32, wo die Armen am Zion, dem von Jhwh fest gegründeten Zufluchtsort, Sicherheit und Schutz finden.23 Wenn sich der göttliche Schutz in V.30a über die Armen ohne weitere Einschränkung erstreckt, sichert Jhwh die Existenz der Schwachen unabhängig ihrer ethnischen Herkunft. Die (übrigen) Philister erwartet hingegen ein grausames Schicksal. Parallel zur »Wurzel« der Schlange (vrv, V.29) verheißt Jhwh in V.30b, die philistäische Wurzel (vrv) durch Hunger sterben zu lassen (b[rb twm hiph.) und auch noch ihren Rest (tyrav, vgl. 15,9) umzubringen (grh).24 Beide Verben tödlicher Gewalt werden im Jesajabuch nur selten mit göttlichem Subjekt verwendet (Jes 11,4; 65,15). Sie spielen aber am Ende der Teilkomposition bei der Darstellung göttlicher Gewalt eine wichtige Rolle (vgl. 27,1.7). Der Philisterspruch scheint mit dem göttlichen Tötungshandeln die Auswirkungen eines drohenden Krieges auf Jhwh zurückzuführen: Denn einerseits sind Hungersnöte eine der ersten Folgen von Belagerungen25 (z. B. 2 Kön 7,4; 2 Chr 32,11; Ijob 5,20; Jer 11,22; 15,2; Ez 7,15). Andererseits werden mit tyrav hauptsächlich Personen bezeichnet, die dem Kampfgeschehen (gerade noch) unbeschadet entkommen sind (Jes 15,9; 37,4.32; 46,3; vgl. 2 Kön 21,14; 1 Chr 4,43; 2 Chr 36,20; Jer 11,23; 41,16).26 Dementsprechend werden die Philister in V.31 zu typischen Handlungen

˘

21 Die Vorstellung des Verweilens in Sicherheit (meist mit bvy oder !kv, vgl. Dtn 12,10; 1 Sam 12,11; Ez 34,28; Jer 23,6) steht für ein Leben frei von aller Kriegsgefahr (z. B. Jer 32,37). Wie in den meisten Fällen ist auch hier Jhwh der Garant dieser friedlichen Existenz. 22 So lagern sie in »meiner Wiese« (EÜ) bzw. in »meinen Auen« (Luther). 23 Vgl. U. Berges, Buch, 175 f. 24 Der unerwartete Subjektwechsel zwischen ytmhw (»und ich werde sterben lassen«) und grhy (»er wird töten«) hat bereits in den antiken Texttraditionen für Irritationen gesorgt und zu Angleichungen geführt. Nach 3.Sg. harmonisieren LXX (amekei/amekei) und Tg (lyjqy/tymyw); in die 1. Sg. ändern 1 QJesa (grha/ytymhw) sowie Vg (faciam/interficiam). Da somit beide Emandationstendenzen belegt sind, bietet MT wohl die ursprüngliche Lesart. 25 Vgl. I. Ep hal, City Besieged, 57 – 63: »The primary and most common result of blockade is famine, which is intended to break the spirit of the besieged population and to put an end to their ability to resist.« (ebd., 57). 26 Zum Restgedanken als politischem Begriff im Krieg siehe W. E. Müller/H. D. Preuß, Rest, 26 – 35.

Gottes Gewalt gegen die Völker und die gesamte Erde (Jes 13 – 27)

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angesichts einer drohenden Kriegsgefahr aufgerufen: Sie sollen um Hilfe schreien (q[z, vgl. Ri 3,9; Jer 48,20; Klgl 3,8) und erzittern (gwm, vgl. Ex 15,15; Jer 49,23). Selbst das Stadttor, die schwächste Stelle im Falle einer Belagerung27, soll zu heulen (lly) beginnen. Die (Rauch)Wolke aus dem Norden verdeutlicht, dass das Eintreffen der feindlichen »Scharen« (d[wm, 14,31) unmittelbar bevorsteht. Da sich niemand vom Trupp absondert (ddwb !ya), wird die Kriegsgewalt mit voller Wucht einschlagen. Die Antwort an die Gesandten des (philistäischen?) Volkes (ywg-ykalm) am Ende des Orakels hebt abermals den schützenden Aspekt im Gottesbild hervor : Jhwh ist und bleibt der Garant für die Sicherheit in Kriegsgefahr (hsx, vgl. 30,2), weil er den Zion fest gegründet hat. Nun beschränkt sich die göttliche Verheißung allerdings dezidiert auf die Elenden seines Volkes (wm[ yyn[). So ist das Gottesbild im Philisterspruch nicht ausschließlich von gewalthaltigen Zügen geprägt: Denn einerseits droht Jhwh einem fremden Volk mit Kriegsgefahr durch eine neue (assyrische) Herrschergestalt (vgl. Jes 19,4). Andererseits erweist er sich aber auch als Schutzmacht seines eigenen Volkes sowie der Elenden und Schwachen ohne Ansehen ihrer ethnischen Herkunft.

4.2.2.6 JHWH verwandelt Moabs Klage zur Anklage (Jes 15 f.) Ein ambivalentes Verhältnis zum Schicksal der Fremden kennzeichnet auch das Gottesbild im Spruch über Moab (Jes 15 f.). Das Orakel lässt sich in einen dreistrophigen Hauptteil (15,1b–16,12) und einen Schlusskommentar (16,13 f.) gliedern. Nach der Einleitung als »Lastspruch« (bawm afm, V.1a) beschreibt die erste Strophe (V.1b–9) Moab als zerstörtes Land (V.1b.4b) und klagendes Volk (V.2 – 4a). Der zweite Teil (V.5 – 8) fokussiert auf die Flucht der Bevölkerung. Deren Hilfsgesuch an das benachbarte Juda bildet die knappe zweite Strophe (16,1 – 5). In V.6 spricht das einzige Mal eine nicht näher definierte »WirGruppe«: Sie charakterisiert Moab durchwegs negativ, was den Vers auch inhaltlich vom übrigen Spruch absetzt. Der Schlussteil (V.7 – 11) ist wieder von der Klage von und mit dem fremden Volk geprägt. Jes 15 f. ist also von »conflicting attitudes toward Moab«28 und dessen Kriegsschicksal geprägt. Einerseits beklagt der Spruch die hereingebrochene Katastrophe (bes. 15,5; 16,4.9.11), was ihn von den meisten anderen Völkerorakeln unterscheidet.29 Andererseits wird die Bestrafung durch die Erwähnung von Hochmut, Stolz und Überheblichkeit begründet (z. B. 16,6.14). In diesem emotional pulsierenden Szenario bezieht auch Jhwh Stellung zur 27 Vgl. W. Mayer, Kriegskunst, 471. 28 B. C. Jones, Moab, 104. 29 D. L. Christensen, Transformations, 140.

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

geschilderten Katastrophe. Im Gesamtaufbau ergreift er aber erst spät und jeweils am Ende der beiden Kapitel die Initiative. Zunächst in einer nicht explizit gekennzeichneten Gottesrede (15,9); danach im Epilog (16,13 f.), wo Jhwh das einzige Mal namentlich genannt wird und ein knappes Orakel über die Zukunft Moabs gibt. Obgleich Jhwh nur selten in Erscheinung tritt, sind die Verweise deshalb so bemerkenswert, weil gerade damit das Kriegsschicksal des fremden Volkes jeweils unter einen alternativen Deutungshorizont gestellt wird. Die von Jhwh vorgenommenen Vorzeichenwechsel stehen wohl mit der literarhistorischen Entwicklung des Orakels zusammen,30 deren Verlauf sich aber nicht exakt nachzeichnen lässt.31 Einige Abschnitte wurden innerbiblisch zwar schon früh rezipiert (z. B. 16,6 – 12; Jer 48,29 – 36).32 Aber selbst die ältesten Teile gehen wohl nicht auf den historischen Propheten zurück.33 Viele Anspielungen und Formulierungen sind so offen gestaltet, dass sie sich für eine (Re)Interpretation und Adaption in verschiedene historische Kontexte eigneten. Dies gilt besonders für das Kriegsszenario, welches den Hintergrund für das Orakel bildet.34 Die Identität des Kriegsgegners wird nur andeutungsweise gelüftet: Offensichtlich wurde Moab von äußeren Feinden angegriffen, doch selbst der Verweis auf die »Herren der Völker« (~ywg yl[b) in 16,8 »macht diese Klage auf jede Konfrontation des kleinen Moab mit den Herrschern der […] Weltreiche im Alten Nahen Osten anwendbar«35. Die über das Orakel verteilten Ortsnamen deuten – analog zur Situation im vorangehenden Philisterspruch (vgl. 14,31) – auf eine militärische Invasion aus dem Norden.36 »Die geographischen Angaben lassen darauf schliessen, dass sie eine Fluchtbewegung von Norden nach Süden ausgelöst hat, denn der Feind zieht von Norden heran.«37 Der erste Teil des Orakels (15,1 – 4) ist geprägt von den Klagen der betroffenen Bevölkerung. Von Anfang an ist klar, dass die in V.2 – 4 beschriebenen Trauerriten von einem verlorenen Krieg herrühren: Der doppelte Verweis auf die Vernichtung (ddv, vgl. 16,4) des moabitischen Territoriums (V.1) verdeutlicht, wie umfassend sich die Niederlage darstellt. Auch der Begriff hmd II nif. (»ver30 W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 127. 31 Vgl. B. C. Jones, Moab, 107 – 111; J. Blenkinsopp, Jes 1 – 39, 299: »But our knowledge of the history of Moab is too fragmentary, and the language of the poem is too vague and stereotypical to permit further specification.« 32 So u. a. G. Fischer, Jer 26 – 52, 517; R. Kilian, Jer, 246 f.; R. P. Carroll, Jer, 792. 33 Zur Geschichte Moabs in der Assyrerzeit siehe G. W. Vera Chamza, Rolle Moabs. 34 Für A. K. Jenkins, Development, 241 bleibt hingegen »any allusions to military invasion […] ambiguous or at best indirect«. 35 W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 138; auch C. Fischer, Fremdvölkersprüche, 173 hält die Interpretation von 16,8 »als plötzlichen Angriffskrieg« für möglich, besonders wenn man die Notiz von 15,1.4b her liest. 36 Vgl. W. Rudolph, Jesaja XV – XVI, 138. Siehe die Karte bei C. Fischer, Fremdvölkersprüche, 198. 37 K. Schmid, Jes 1 – 23, 138.

Gottes Gewalt gegen die Völker und die gesamte Erde (Jes 13 – 27)

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tilgen«) umschreibt in der Schriftprophetie die kriegerische Vernichtung von Herrschern (vgl. Hos 10,15) oder deren Territorien (vgl. Jer 47,5; Hos 4,6; Ob 5; Zef 1,11). Dass beides »über Nacht« (lylb) kommt, verstärkt »den plötzlichen, beängstigenden Charakter dieser Not«38. Liest man den Eingangsvers im Gesamtkontext der Fremdvölkersprüche, hat das Volk die »Verwüstung des Verwüsters« (ydvm dwv, 13,6) bereits erfasst, von der Jes 13,2 – 5 unter kriegerischen Vorzeichen sprach. Im engeren literarischen Kontext treibt aber ein fremder Zerstörer (ddwv) sein Unwesen in Moab. Vor dessen Verwüstung (dv) versucht Moab offensichtlich, in Juda Zuflucht zu finden (vgl. 16,4). Aus Jes 15,4 geht hervor, dass die moabitischen Krieger den Angreifern keine adäquate militärische Gegenwehr entgegensetzen konnten: Die »Gegürteten« (bawm yclx) erheben zwar das Kriegsgeschrei ([wr), doch ihre Näpäsch »erzittert« ([ry hapax). Folglich kommt es im zweiten Teil (V.5 – 9) zu ausgedehnten Flüchtlingsströmen. Klagen und Weinen über den militärischen Zusammenbruch (rbv, V.5; vgl. 14,5.25.29!) bleiben ständige Begleiter. Im Zentrum der Strophe wird begründet, warum die Moabiter die eigene Heimat verlassen. Wie häufig nach militärischen Konflikten droht auch dort eine humanitäre Katastrophe: Das Land kann seine Bewohner nicht mehr ausreichend ernähren. Denn die Quellen vertrocknen, das Gras verdorrt und alles Grün verschwindet (vgl. Jes 37,27).39 »[D]as hier Geschilderte ist auf menschliche Einwirkung zurückzuführen (Verwüstung des Landes und Verstopfung der Quellen durch den Feind […]).«40 Darum (!k-l[) machen sich die Flüchtlinge auf den Weg mit allem, was sie an Hab und Gut transportieren können (vgl. V.7). Schon im Alten Orient war Zwangsmigration eine typische Folge militärischer Auseinandersetzungen.41 Der Schrei (hq[z) über den militärischen Zusammenbruch (rbv, V.5) verleiht der Strophe eine beklemmende Rahmung, umso mehr als er in V.8 bereits die moabitischen Grenzen umkreist (bawm lwbg-ta hq[zh hpyqh). Der Nachsatz zur ersten Strophe (15,9) illustriert das Ausmaß des Blutvergießens auf drastische Weise und treibt die Dramatik der Szene auf die Spitze: Während die »Wasser« (~ym) von Nimrim austrocknen (V.6) und das Klagen bis an den »Elim-Brunnen« (~ylya rab) hörbar ist (V.8), sind die »Wasser« (~ym) von Dimon reichlich gefüllt (V.9a). Doch statt lebensspendendem Nass ergießt sich dort das Blut (~d) der zu Tode gekommenen Moabiter. Im gesamten ersten Abschnitt (V.1 – 9a) wird die Zerstörung Moabs nicht auf Jhwhs Initiative zurückgeführt. Er scheint sie weder veranlasst, noch bewirkt zu 38 W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 129. 39 Besonders im Prolog zu Jes 40 – 55 wird das harte Los der Gola, das ebenfalls Folge einer desaströsen militärischen Niederlage war, mit der verdorrenden Vegetation ins Bild gesetzt (vgl. 40,6 – 8). 40 W. Rudolph, Jesaja XV – XVI, 139. 41 Siehe dazu ausführlich B. Oded, Mass Deportation.

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

haben und für das Schicksal des fremden Volkes überhaupt keine Rolle zu spielen. Diesem Befund entspricht, dass die Klagenden zu ihrem Tempel (tybh) und ihren Kulthöhen (twmbh, V.2, vgl. 16,12) ziehen.42 Die Moabiter erwarten und erhoffen die Wende offensichtlich von ihren eigenen Gottheiten, was etwa im Ägypterspruch als nutzloses Unterfangen dargestellt wird (vgl. Jes 19,3), in Jes 15 jedoch keinerlei textinterne Kritik hervorruft. Mit 15,9b kommt es jedoch zu einem unerwarteten Szenenwechsel. Unvermittelt tritt Jhwh als Sprechender in Erscheinung. Dabei dienen gerade die in Dimon43 verübten Grausamkeiten als literarische Überleitung zum weiteren Geschick der entronnenen Moabiter (V.9b). Jhwh schickt Moab einen weiteren Schicksalsschlag (Jes 15,9) Ja, die Wasser von Dimon sind voller Blut. Ja, ich verhänge Weiteres über Dimon, über die Entkommenen Moabs einen Löwen, und über den Rest des Ackerbodens.

Das Ende der Strophe hat sich in der Forschung als eine »alte crux interpretum«44 erwiesen. Diskutiert wird vor allem die Identität des Sprechers: Dieser war zwar schon am Beginn des zweiten Abschnittes durch den Verweis auf »mein Herz« (ybl, V.5; vgl. y[m, 16,11) im Text präsent, doch in V.9b wechselt die Sprechrichtung ohne vorherige Redeeinleitung in die 1. Sg. Da Jes 16,13 den Spruch rückblickend als »Jhwh-Wort« (hwhy rbd) identifiziert, erhebt Gott wohl auch hier schon seine Stimme.45 Wenn er über Dimon »Weiteres« (twpswn) verhängt, verheißt er – analog zum Philisterspruch – jenen Moabitern ein noch härteres Schicksal, die dem gegenwärtigen Zusammenbruch entkommen können. Ungesagt bleibt jedoch, ob Jhwh auch hinter der aktuellen Not steht. Hier richtet sich der Blick von der (erzählten) Gegenwart auf die (erwartete) Zukunft und auf die Rolle, die Jhwh darin zukommt. Durch die »recht abstrakte Umschreibung weiterer Schicksalsschläge«46 mit twpswn wird Jhwh nicht unmittelbar 42 Die Kulthandlungen werden im Text allerdings nicht als Götzendienst gebrandmarkt. Erst die Conclusio zur dritten Strophe stellt klar, dass Moabs Abmühen auf der Kulthöhe (hmhb) und in seinem Tempel (wvdqm) nichts auszurichten vermag (16,12). 43 Hierbei könnte es sich um eine durch das Wortspiel mit ~d evozierte Alternativschreibung für Dibon (V.2) handeln (vgl. T. G. Smothers, Isaiah 15 – 16, 73), zumal der Ortsname in 1 QJesa und Vg belegt ist (1 QJesb aber !wmyd). LXX liest offenbar r statt d und denkt bei (udyq to) Qellym vielleicht an !wmyr !y[ aus Neh 11,29. Eine eingehende Untersuchung zur Lokalisierung bei U. Worschech/E. A. Knauf, Dimon; B. C. Jones, Moab, 192 – 195. 44 O. Kaiser, Jes 13 – 39, 59. 45 Vgl. B. C. Jones, Moab, 189: »here Yahweh speaks for the first time in the poem, as some suppose, suddenly and unexpectedly«. 46 O. Kaiser, Jes 13 – 39, 59.

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als Gewalttäter dargestellt.47 Er sorgt indirekt für das Unheil, indem er einen Löwen unter den Entkommenen erscheinen lässt (hyra bawm tjylpl). Da der Löwe (hyra) im Jesajabuch für die Präsenz von massiver Gewalt (vgl. Jes 11,7; 35,9; 65,25), besonders im Krieg (für Gott: Jes 31,4) stehen kann, lässt sich das Symboltier herrschaftlicher Macht mit einem militärischen Bedrohungsszenario in Verbindung bringen: »der Löwe ist der grimmige Feind«48. Die außergewöhnliche Formulierung eröffnet aber einen großen Interpretationsspielraum. Deren zeitgeschichtlicher Hintergrund »ist aufgrund des heutigen Überlieferungszustandes nicht mehr definitiv auszumachen«49. Dahinter könnte sowohl ein Straffeldzug als auch die Okkupation des Landes stehen, doch lässt die Formulierung keine eindeutige Entscheidung zu. »Bei einem […] so ausgeklügelten Text wie V 9 sind die Fragen nach dem historischen Hintergrund […] zusehends unwichtig.«50 Von Bedeutung ist hingegen das gewalthaltige Gottesbild und dessen Funktion im Gesamtkontext: Im Zentrum steht der Umstand, dass das moabitische Schreckensszenario auf Jhwh und seine Geschichtsmächtigkeit zurückzuführen ist. Durch einen einzigen Halbvers (V.9b) wird das Verhältnis zwischen Jhwh und Moab erstmals vereindeutigt. Während das Leid der Moabiter bisher ausführlich beklagt wurde, steht Gott dem Volk nun negativ gegenüber, da er noch schlimmeres Unheil in Aussicht stellt. Anders als die Entronnenen des JhwhVolkes, für die der Begriff hjylp im Jesajabuch sonst steht (vgl. 4,2; 10,20; 37,31.32; 66,19), »haben die entronnenen […] Moabiter, sollten sie das Desaster überleben, sofort das nächste zu erwarten«51. Zum Gottesbild im vorherigen Orakel zeigen sich dagegen deutliche Parallelen: Wie dem Rest der Philister (tyrv, 14,30) verschlimmert Jhwh auch die Lage für den Rest des moabitischen Ackerbodens (hmda tyrv, 15,9). Die Hungersnöte, welche den westlichen Nachbarn Judas drohen, haben sich im Osten bereits eingestellt (15,6). Wenn das Bild in Jes 15 auch vage bleibt, sieht der Plan Jhwhs für Moab offensichtlich ein ähnliches Bedrohungsszenario vor wie bei den Philistern. Offen bleibt an dieser Stelle jedoch, warum Moab erneut in Bedrängnis geraten soll. Denn bisher war in der Darstellung Moabs kein negativer Unterton auszumachen: Nicht einmal die Verehrung der moabitischen Gottheiten wurde ihnen als Götzenkult angekreidet (vgl. V.2). Radikal und nachhaltig verändert sich die Stimmung erst durch die Androhung kommender Sanktionen.52 Nach 47 48 49 50 51 52

J. Blenkinsopp, Jes 1 – 39, 294 übersetzt V.9b: »yet for Dibon I have worse news in store«. H. Wildberger, Jes 13 – 27, 619; dafür spricht auch die Löwenmetaphorik in Jes 5,29; 30,6. C. Fischer, Fremdvölkersprüche, 183. W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 132. C. Fischer, Fremdvölkersprüche, 183. Eine intensive Diskussion über die unterschiedlichen Interpretationen der Klage (als Ironie, Spott oder zur Untermauerung der Schwere der Not) bietet B. C. Jones, Moab, 113 – 161.

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V.9b kann die Empathie mit den Kriegsflüchtlingen, die in der dritten Strophe eine Gesandtschaft an die Tochter Zion schicken (16,1 – 4a), nicht mehr ungeteilt gelten. Daher braucht Zion – entgegen der Aufforderung durch die moabitische Gesandtschaft (V.3) – keine Entscheidung zu treffen (hc[ yaybh). Denn der Plan Jhwhs über die ganze Erde (#rah-lk-l[ hcw[yh hc[h, 14,26) steht im Kontext der Gesamtkomposition auch mit Blick auf Moab bereits fest. Zudem kann das Volk nur »auf den zweiten Blick«53 eine positive Wende vom Herrscher erwarten, auf dessen Regierung im Zelt Davids Jes 16,5 hofft. Er wird zwar auf dem Zion durch (göttliche) Huld in Recht und Gerechtigkeit regieren, doch für den östlichen Nachbarn dürfte dies die Unterwerfung unter judäische Vorherrschaft bedeuten. Gleich zu Beginn der dritten Strophe (16,6 – 12) sorgt eine nicht näher identifizierte »Wir-Gruppe« für eine weitere negative Charakterisierung von Moab. Hier erteilt aller Wahrscheinlichkeit nach die Zionsgemeinde54 (vgl. V.1: !wyc tb rh-la) der moabitischen Gesandtschaft eine abschlägige Antwort. Denn man hat dort von Moabs »großem Stolz« (dam ag) und dessen »Übermut« (hawg) bereits gehört. Nach V.6 regiert in Moab das »standard ›crime‹ of all enemies in the book of Isaiah«55. Doch gemeinsam sind die beiden Termini nur mehr in der Parallelstelle (Jer 48,29) sowie in der Vision über den Jhwh-Tag am Beginn der Fremdvölkersprüche belegt (Jes 13,11). Dies unterstreicht die Härte der Anklage, mit der Moab hier konfrontiert wird, und zeigt überdies auf, wie eng die Geschicke der einzelnen Völker in der Spruchsammlung lexematisch miteinander verknüpft werden. Jes 16,7 nimmt die Vorwürfe auf und begründet mit ihnen (vgl. !kl) die moabitischen Klagen (lly) und dadurch indirekt auch die Katastrophe, die zu diesem Jammer geführt hat. Die Gewaltinszenierung von Jes 15 f. verändert sich infolgedessen ein weiteres Mal: Während die Gottesrede von 15,9 die kommende Gewaltherrschaft über Moab auf Jhwh zurückführt, rechtfertigt die negative Beschreibung des Volkes nun auch die bereits hereingebrochene Heimsuchung! Sie wird in der letzten Strophe ausführlich in den Blick genommen (V.8 – 11). Dabei findet die prophetische Klage »meines Herzens« aus 15,5 zwar eine Entsprechung im Jammern »meiner Eingeweide« (16,11). Doch von Jes 15,9; 16,6 f. her gelesen, ergibt sich ein verkehrtes Stimmungsbild: Moab hat keinen tragischen Schicksalsschlag erlitten, sondern von Jhwh seine gerechte Strafe erhalten! Die Schlussverse (V.13 f.) führen das moabitische Schicksal noch deutlicher auf eine göttliche Intervention zurück. »It is only here that Yahveh is identified as

53 W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 135. 54 Vgl. U. Berges, Buch, 163 f. 55 G. Eidevall, Prophecy and Propaganda, 159.

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the first mover behind the disaster affecting Moab.«56 Einerseits wird mit V.13 das gesamte Szenario retrospektiv (za) auf eine göttliche Ankündigung zurückgeführt. »Der Verfasser macht noch einmal klar, daß er Mitleid mit Moab, wie es sich noch im ursprünglichen Text zeigt, für absolut fehl am Platz hält.«57 Andererseits wirft Jhwh selbst – und diesmal explizit in Form einer Gottesrede (hwhy rbd ht[w) – einen Blick in Moabs Zukunft: Der Verweis auf die »drei Jahre eines Söldners« (rykv ynv, vgl. Jer 46,21) könnte eine »militärisch-politische Berechnung«58 zum Hintergrund haben. Der Text hat nun aber keine Verhängung von Kriegsgewalt im Blick; das zugehörige Wortfeld ist nicht belegt. Analog zur Klage und Trauer im ersten Teil wird der emotionale Aspekt in den Vordergrund gestellt: Nach Ablauf des angegebenen Zeitraumes wird Moabs Herrlichkeit (dwbk) entehrt sein (hlq nif., vgl. Jes 3,5; Dtn 27,16; 1 Sam 18,23; Spr 12,9). Durch die Nifal-Konstruktion scheint Jhwh auch am künftigen Schicksal nicht direkt aktiv zu sein, doch weist der Abschlussvers zahlreiche Leerstellen auf: »Weshalb sich Moab dieses Gericht zuzieht, ist nicht näher erläutert, auch nicht, wer dieses Gericht vollziehen soll.«59 Gerade aufgrund dieser Leerstellen erweist sich der Moabspruch bis in seinen Endvers hinein als Beispiel dafür, dass Jhwh mithilfe von kurzen Notizen (15,9; 16,13 f.60) verheerende Vernichtungsschläge zugeschrieben werden können, auch wenn das Gottesbild des Textes kaum gewalthaltige Züge trägt. 4.2.2.7 Vom Sturz der Nachbarn zum Wehe über Feindvölker (Jes 17,1 – 14) Der Lastspruch gegen Damaskus/Israel (17,1 – 11) führt Gewalt und Zerstörung in ähnlicher Weise auf Jhwh und seine Wirkmächtigkeit zurück. Die ältesten Teile des Orakels (V.1 – 3*) datieren aller Wahrscheinlichkeit nach aus der Zeit des syro-ephraimitischen Krieges (734 – 732 v. Chr.), da der Spruch zunächst die Eroberung und Zerstörung von Damaskus thematisiert.61 Nicht nur die aramäische Hauptstadt ist zu einem »Trümmerhaufen« verkommen (hlpm, V.1; vgl. 23,13; 25,2), auch weitere Orte liegen verlassen da (V.2). »Wenn in V. 3 vom ›Rest Arams‹ die Rede ist, so trifft das die historische Lage, denn Tiglat-Pileser III. hatte Damaskus 733/32 zwar isoliert, aber noch nicht eingenommen.«62 Mit 56 57 58 59 60

J. Blenkinsopp, Jes 1 – 39, 297. C. Fischer, Fremdvölkersprüche, 183. W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 140. C. Fischer, Fremdvölkersprüche, 183. Beide Abschnitte werden in der Forschung als redaktionsgeschichtliche Zusätze gedeutet; vgl. H. Wildberger, Jes 13 – 27, 618.630; K. Schmid, Jes 1 – 23, 138.141; O. Kaiser, Jes 13 – 39, 51.58; T. G. Smothers, Isaiah 15 – 16, 75. 61 Vgl. W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 150 f.; H. Wildberger, Jes 13 – 27, 641 f.; G. Fohrer, Jes 1 – 23, 212 f. 62 U. Berges, Jesaja, 24.

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dem Verschwinden der Königsherrschaft aus Damaskus, fällt auch das entscheidende Bollwerk für das Nordreich (V.3). Die zweite Strophe (V.4 – 6) macht deutlich, dass Israels Macht (dwbk, vgl. 16,14) dasselbe Schicksal ereilen wird. Die Zerstörung des Nordreiches wird aber nicht militärisch inszeniert, sondern im Bild der Ernte dargestellt (vgl. V.5 f.): »However, the main focus is not placed on the gleaners or their work, but on the result. […] Indeed, it is not even stated explicitly that the coming catastrophe should be regarded as a divine punishment.«63 Allein durch den zweimaligen Ausweis als »Spruch Jhwhs der Heerscharen« (V.3) bzw. »Spruch Jhwhs, der Gottheit Israels« (V.6) wird Jhwh die Zerstörung von Aram-Damaskus und Israel zugeschrieben. Während bislang keine expliziten Gründe für die Gewaltanwendung gegeben wurden, stellt der mit awhh ~wyb eingeleitete Zusatz (V.9 – 11; vgl. V.4.7 f.) das Kriegsgeschick unter religiöse Vorzeichen. Doch liegt hier im Vergleich zur ersten Strophe redaktionsgeschichtlich wohl ein anderer Adressatenkreis vor.64 Es geht nicht mehr um Damaskus bzw. das Nordreich. Im Fokus steht nun das kultische Fehlverhalten Jerusalems, das mit V.10 in 3. Sg. f. direkt angesprochen wird.65 Die Zerstörung wird damit begründet, dass die Stadt »den Gott deiner Rettung, den Felsen deiner Zuflucht« (vgl. Ps 31,3) vergaß. Mit diesen Epitheta, »die JHWHs exklusive Autorität und seinen Schutz anzeigen«66, wird eindeutig auf das Gottesbild der Zionstheologie angespielt (vgl. Ps 18,3.32.47). Der Vorwurf besteht darin, dass Jerusalem nicht auf den rettenden Aspekt seiner Gottheit vertraut, sondern das Heil bei fremden Göttern67 sucht. Diese Notiz hat aber nach H. Wildberger nicht nur mit der Frömmigkeit der Angesprochenen zu tun, denn »›Gottvergessenheit‹ ist […] für Jesaja […] Vertrauen auf politischmilitärische Macht«68. Eine direkte Bestrafung durch Gott kommt an dieser Stelle aber ebenso wenig in den Blick wie ein militärisches Untergangsszenario: Die Betroffenen erwartet Kraftlosigkeit (hlx) und Schmerz (bak). Im Zentrum der Kritik steht die Nutzlosigkeit aller Bemühungen, den Schutz vor (militärischen) Bedrohungen durch das Vertrauen auf andere Mächte als auf Jhwh sicherzustellen (V.11). Im kurzen »Wehe-Orakel« (Jes 17,12 – 14), das sich an den Lastspruch gegen Damaskus/Israel anschließt, tritt das Wortfeld von Krieg und Militär gehäuft auf. Hier steht Jhwh allerdings nicht mit einzelnen, namentlich genannten Nach63 G. Eidevall, Prophecy and Propaganda, 144. 64 Dazu W. A. M. Beuken, Damascus, 69 – 71. 65 Vgl. J. Blenkinsopp, Jes 1 – 39, 305. Zur Adressatenfrage siehe H.-P. Müller, Beobachtungen. 66 W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 157. 67 An welche Gottheiten hier konkret gedacht wurde, hängt hauptsächlich davon ab, in welche Zeit man den Text datiert. 68 H. Wildberger, Jes 13 – 27, 657.

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barstaaten, sondern mit vielen Völkern in Konflikt (~ybr ~ym[, V.11). Deren Geräuschkulisse erinnert semantisch an den Heerbann von Jes 13,2 – 5 (!wmh/!wav, 13,4; 17,12). So findet das Getöse der Völker (vgl. Jer 6,23; 50,42) vom Beginn der Fremdvölkersprüche im Zentrum der Sammlung einen imposanten Widerhall. Die Truppen rauschen hier allerdings nicht herbei, um Gott als Kriegswerkzeuge zu dienen. Der Vergleich mit den Chaoswassern (~ym !wavk/~ymy twmhk, V.12), die die göttliche Ordnung zu zerstören drohen (vgl. Jer 5,22), macht das konfrontative Verhältnis zu Jhwh überdeutlich. Hier bilden Gott und die Völker keine gemeinsame Schlachtreihe, sie stehen sich vielmehr feindlich gegenüber. Das rezipierte Völkerkampfmotiv (z. B. Ps 46,4) spiegelt die Vorstellung wider, »dass ›zahlreiche‹ und ›starke‹, gelegentlich auch ›alle‹ Völker, Königreiche oder deren Repräsentanten (›Könige‹) sich versammeln, gegen Jerusalem stürmen, es belagern und einzunehmen versuchen«69. Bei den fremden Völkern handelt es sich also um die Gegner Zions, die zu Jhwhs Feinden werden, wenn sie wie tosende Wassermassen gegen den Gottesberg heranrauschen.70 »Mitzuhören sind Assoziationen von Schnelligkeit, Unaufhaltsamkeit und umfassender Zerstörungskraft – alles aus der Lebenswelt besonders der Strömekulturen bekannte Tatsachen bei Flutkatastrophen.«71 Die Reaktion der Völker macht jedoch deutlich, dass hinter dem Motiv eine militärische Bedrohung steht. Denn bei deren »Flucht« (swn) und »Verfolgung« (@dr) handelt es sich auch um typische Elemente in (atl) Kriegsschilderungen.72 Gott agiert hier nicht als Feldherr, der seine Kontingente sammelt. Er verkörpert den Chaoskämpfer, der im Streit mit den tobenden Völkern steht.73 Abermals kündigt sich das Kämpfermotiv an, welches das militärische Gottesbild im zweiten Teil der Komposition (Jes 24 – 27) dominieren wird.74 Zu einer direkten Auseinandersetzung kommt es hier allerdings nicht, denn Jhwh braucht keine physische Gewalt aufzuwenden, um den feindlichen Völkern Einhalt zu gebieten. »Er« – Gott wird nicht explizit als Subjekt genannt – braucht nur zu drohen (r[g, vgl. Ps 9,6; 68,31; 106,9; Jes 54,9) und die Völker fliehen in weite Ferne (qxrm). Sie kehren damit an jenen Ort zurück, von wo Jhwh mit seinen Truppen in Jes 13,5 herangerauscht war. Das gewalthaltige Gottesbild beider Texte steht somit zwar unter einem gemeinsamen Nenner : »JHWHs Übermacht ist von 69 70 71 72 73

F. Hartenstein, Tosen, 132. Vgl. H. Wildberger, Jes 13 – 27, 675. F. Hartenstein, Tosen, 137. Vgl. P. Riede, Feindmetaphorik, 94; C. R. Chapman, Gendered Language, 33 – 38. Nach W. A. M. Beuken, Damsacus, 71 ist das Völkerkampfmotiv von Jes 17,12 – 14 vor dem Hintergrund der bisherigen Völkerorakel zu lesen : »The pair […] ›many peoples / nations‹ cannot but refer to the ethnic entities mentioned so far: Babylon, Assyria, Philistia, Moab, Damascus and Jacob / Ephraim (chapters 13 – 17).« 74 Vgl. auch das direkte Zitat von Jes 17,6 in 24,6 (vgl. V.13); und dazu Kapitel 4.2.4.1.

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vornherein unbestritten.«75 Doch herrschen in den beiden Orakeln mit Blick auf die Völkerthematik unterschiedliche Vorzeichen vor : In Jes 13 nimmt Jhwh die Völker in militärischen Dienst, während er sie in Jes 17,12 – 17 in die Schranken weist. Ein knapper Abschlusskommentar (V.14b) setzt das Schicksal der feindlichen Völker in Bezug zu einer nicht namentlich genannten »Wir-Gruppe«, hinter der sich wohl die Zionsgemeinde verbirgt.76 Sie übernimmt die Deutungsmacht über das Szenario, indem sie lapidar das Verschwinden des Feindes konstatiert: »Er ist nicht mehr da« (wnnya). Durch das göttliche Eingreifen haben die Räuber (zzb) und Plünderer (hsv, vgl. Jes 10,13) keine Chance. Jhwh der Chaoskämpfer sorgt allein durch die Gewaltandrohung für die Befreiung seines Volkes. »Das geschilderte Verschwinden der vor Jerusalem erschienen Völkermassen ist Grund zu Zuversicht.«77 4.2.2.8 JHWH dezimiert als Winzer die kuschitische Kriegsmacht (Jes 18) Nach dem fluchtartigen Abzug der Völkerschaften in 17,12 – 14 verlagert sich der Fokus von den benachbarten Kleinstaaten (Jes 14,28 – 17,11) wieder auf die altorientalischen Großmächte. Auf Babylon und Assur in den Auftaktkapiteln folgt im Zentrum der Orakelsammlung (Jes 18 – 20) ein Blick auf Jhwhs Verhältnis zur südwestlichen Machtsphäre (Jes 18: Kusch; Jes 19: Ägypten; Jes 20: Kusch und Ägypten). Auch das Orakel gegen Kusch (Jes 18) ist als Weheruf gestaltet (ywh, V.1; vgl. 17,12). Mit dieser Einleitung »the audience recognizes straight away that the genre of the speech is a word of doom«1. Allerdings lässt sich dem Endtext nur schwer entnehmen, wem das göttliche Strafgericht eigentlich gilt.2 Dies liegt sowohl an dessen rhetorischer Struktur, als auch an der redaktionsgeschichtlichen Komplexität des Orakels3 : Vordergründig steht zwar das fremde Volk unter dem Wehruf (vgl. Jes 10,5), doch sollen die dargestellten göttlichen Gewalthandlungen als Warnung an Juda aufgefasst werden, keine politisch-militärische Allianz mit der Großmacht einzugehen (vgl. Jes 30,1 – 5; 31,1 – 5).4 Denn das Orakel steht auf Endtextebene »bereits unter dem Einfluß 75 W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 162. 76 Vgl. F. Hartenstein, Tosen, 138. 77 H. Wildberger, Jes 13 – 27, 675. 1 M. Høyland Lavik, People, 76; hingegen sieht M. Sweeney, Jes 1 – 39, 257 in dem Aufruf »nothing more than an opening interjection«. 2 Vgl. W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 151. 3 Allgemein wird angenommen, dass die Ursprünge von Jes 18 beim historischen Propheten zu suchen sind (V.1 – 6*). 4 So das Ergebnis von M. Høyland Lavik, People, 235 – 238; vgl. H. Wildberger, Jes 13 – 27, 690; P. M. Cook, Sign, 60: »the primary aim of the oracle is not to address foreigners directly, but to proclaim a message concerning Cush to a Judean audience«.

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der prophetischen Zeichenhandlung in Kapitel 20, die explizit als Warnung l[ vwk l[w ~yrcm verstanden werden soll«5. In der Eingangsszene (V.1 f.) wird Kusch als ein Volk charakterisiert, das über diplomatische Gesandtschaften (~ykalm, ~yryc) an der internationalen Politik partizipiert. Die Beschreibung hebt neben phänotypischen Merkmalen (Körpergröße und Haarlosigkeit) die militärischen Qualitäten des Volkes hervor6 : Kusch ist seit jeher dafür gefürchtet (arwn halhw awh-!m, V.2), dass es seine Macht (7wq -wq) mit militärischen Mitteln durchzusetzen vermag (hswbm, vgl. V.7; 14,25; 22,5; 63,6; Sach 10,5; Ps 44,6; 108,14). Das fremde Volk erntet für sein Kriegshandeln aber keinerlei Kritik. »The text reveals a certain measure of admiration for this exuberant people living at the borders of the world. […] If taken straightforwardly, the portrayal of the Cushites gives the audience reason for going into an alliance with them.«8 Wie wird sich aber Jhwh – und wie soll sich daher Juda – zu einem solchen Kriegsvolk verhalten? In V.3 weitet sich der Blick auf die Bevölkerung des gesamten Erdkreises. Diese soll (hin)hören und (hin)sehen, wenn man »das Feldzeichen auf den Bergen aufrichtet (sn-afnk) und ins Schofar bläst (rpwv [btk)«. Das Feldzeichen lässt an eine weitere Heersammlung denken (vgl. 13,2), während durch das Schofar der Angriff bereits unmittelbar bevorzustehen scheint (z. B. Jos 6,20; Ri 3,27; Neh 4,12). »The signal and trumpet blast in 18:3 are indications of military action, and the address to the whole world, suggests that the passage indicates a battle between mighty nations.«9 Ob Jhwh die Kriegsvorbereitungen eigenhändig vornimmt oder den Einsatz von Banner und Schofar angeordnet hat, geht aus dem Text nicht explizit hervor. Unabhängig davon, ob die Angesprochenen zum Kampf einberufen werden oder dem Kriegsverlauf als Beobachter folgen sollen10, stehen nach Jes 18,3 zwar alle Zeichen auf einer militärischen Ausein-

5 U. Berges, Buch, 148; vgl. dazu P. M. Cook, Sign. 6 Vgl. B. U. Schipper, Israel und Ägypten, 208. 7 Das Wortspiel, das nur noch in 18,7 belegt ist, lässt lexikalisch mehrere Deutungen zu: Infrage kommt eine Ableitung von wq »(Mess)Schnur« (im Kontext von Bestrafungen, z. B. 2 Kön 21,13; Jes 28,17; 34,11.17; Klgl 2,8) sowie von hwq I (»warten/hoffen«, z. B. Jes 8,17; 51,5) oder hwq II (»sammeln«, z. B. Jer 3,17). Zuletzt hat M. Høyland Lavik, People, 54 – 56 eine Übersetzung vorgeschlagen, die sowohl den Bestrafungscharakter zum Ausdruck bringt, als auch den Aspekten von Warten und Sammeln Rechnung trägt. Ihr zufolge handelt es sich bei Kusch um eine Nation »›line upon line‹ in the sense of people lined up in rows« (ebd., 56). Dies würde gut zur nachfolgenden Beschreibung der militärischen Zerstörung passen. 8 M. Høyland Lavik, People, 93. 9 M. De Jong, Isaiah, 149. 10 Da das Kampfgeschehen nicht geschildert wird, sind grundsätzlich beide Varianten möglich, vgl. G. Eidevall, Prophecy and Propaganda, 81 f.

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andersetzung.11 In weiterer Folge wird jedoch von keinem Kampfgeschehen berichtet, vielmehr verschiebt sich die Perspektive auf Jhwh. Statt gegen Kusch militärisch aktiv zu werden, indem er eine ebenso starke Feindesmacht aufbietet, oder selbst als Krieger den Völkern entgegentritt, erscheint Gott in V.4 als stiller Beobachter. Er zeigt sich aber aus der Distanz (ynwkmb) am Geschehen durchaus interessiert: »Ich will mich ruhig verhalten (jqv) und zusehen (jbn) an meiner Stätte« (V.4). Das Ruhen verdeutlicht »eine Haltung, die der […] Unbekümmertheit in Friedenszeiten gleichkommt«12, doch hebt die meteorologische Metaphorik (»wie flimmernde Glut«, »wie Taugewölk in der Ernteglut«, V.4b) den bedrohlichen Aspekt der göttlichen Aufmerksamkeit hervor. Die Spannung aus Passivität und Aktivität lässt das Gottesbild in Jes 18 »in gewisser Weise paradox«13 erscheinen. »These similes function to let YHWH’s quietness and gazing be of a negative kind as they function as threat.«14 Der Begriff »Ernte« (rycq, V.4b.5) dient als semantische Brücke zum Gewalthandeln, das auf die göttliche Bedrohung folgt und in V.5 f. in agrarischen Bildern inszeniert wird. Dabei sorgt der Wechsel von der Gottesrede (V.4) zur Deskription in V.5 f. für eine deutliche Zäsur im Orakel. So bleibt an der Textoberfläche unklar, wer die Beschneidung des Weinstockes tatsächlich vornimmt. Das Subjekt wird nicht eindeutig identifiziert, auch wenn im Kontext klar ist: »Es kann letztlich nur der große ›Er‹, Jahwe, sein.«15 Die Metaphorik zur Beschreibung von Gewalt stammt wie schon in Jes 17,5 f. aus der altorientalischen Agrartechnik.16 In Jes 18 ist Jhwh als Winzer dargestellt, der bereits vor der Weinlese (vgl. rycq ynpl-yk, 18,5a; vgl. z. B. Sach 8,10) die überschüssigen Triebe »mit Winzermessern« (twrmzmb, vgl. Jes 2,4) abschneidet und die überwuchernden Ranken herausreißt. Obgleich Gott hier gewalttätig aktiv wird, geht es also keineswegs um eine vollständige Zerstörung.17 Jes 18 will die Unterlegenheit der stärksten Fremdvölker angesichts der göttlichen Macht verdeutlichen. Die ausnahmslose Vernichtung durch Gott bleibt im Jesajabuch das zweifelhafte Vorrecht Babylons (vgl. 14,21 – 23). Aus Jes 18,5 f. geht allerdings auch nicht explizit hervor, wer mit jenen Reben gemeint ist18, die den Vögeln und Landtieren überlassen werden (19bz[): »By

11 Im Hintergrund könnte ursprünglich eine militärische Konfrontation zwischen Kusch und Assur gestanden haben; vgl. A. Niccacci, Isaiah XVIII – XX, 217. 12 E. Bons, Art. jqv, 453. 13 W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 167. 14 M. Høyland Lavik, People, 143 f. 15 H. Wildberger, Jes 13 – 27, 693; vgl. M. Høyland Lavik, People, 155: »The one unnamed character mentioned in this verse most likely refers to YHWH.« 16 Vgl. M. Sweeney, Jes 1 – 39, 254. 17 Vgl. G. Eidevall, Prophecy and Propaganda, 82. 18 Alle Identifizierungsvorschläge stehen und fallen mit der diachronen Verortung des Textes

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confusing the audience as to who is the actual receiver of this message, the text […] wants to persuade its audience to put their trust [in] YHWH and not in foreign nations.«20 Im Kontext von Jes 18 tritt Jhwh zwar nicht mit kriegerischen Mitteln als Gewalttäter in Erscheinung. Die Eingangssequenz (V.1 – 2) deutet jedoch an, dass militärische Macht ein zentrales Thema im Orakel darstellt. Das Volk, welches unter das prophetische Wehe gerät, ist für seine Kriegskunst weit und breit gefürchtet. Zu dieser Militärmacht geht Jhwh zunächst auf Distanz (V.4), um in V.5 f. selbst gewalttätig aktiv zu werden. Das Gewalthandeln zielt allerdings nicht auf die totale Vernichtung der Gegner : »Diese sollen so geschwächt werden und entsprechend ihre Schrecken verlieren, daß daraus Trost und Hoffnung für Israel erwachsen kann.«21 Dies macht besonders der kommentierende Nachsatz (V.7) deutlich: Er zieht die Konsequenzen aus dem göttlichen Gewalthandeln für den Zion als Ort des Namens Jhwhs (vgl. Dtn 12,11; 14,23; 16,6; 26,2):22 Letztlich wird auch »das Volk, das mit voller Kraft alles zertritt« (vgl. Jes 18,2), Jhwh am Zion Tribute darbringen (yv-lbwy).

4.2.2.9 JHWH stürzt Ägypten in Bürgerkrieg und Fremdherrschaft (Jes 19) Jes 19 setzt mit dem Ägyptenspruch (~yrcm afm, V.1a) den Schlusspunkt der ersten Sammlung von Völkerorakeln. Das Zentrum von Jes 13 – 23 widmet sich nach Babel und Assur (13,1 – 14,27) der dritten altorientalischen Großmacht. Der Spruch gliedert sich in zwei Hauptabschnitte: Im ersten Teil (V.1 – 15), der in poetischen Parallelismen gestaltet ist, verkündet Gott zunächst seine Pläne über Ägypten (V.1 – 4). Der zweite Unterabschnitt (V.5 – 10) beschreibt dessen Folgen für den Nil und die von ihm abhängigen Wirtschaftszweige. Die dritte Einheit (V.11 – 15) bezichtigt die Ratgeber des Pharao der Torheit in Form einer Scheltrede. Im zweiten Hauptteil (V.16 – 25) wechselt der Sprachstil in die Prosa. Es folgen fünf kleine Orakel (V.16 f.18.19 – 22.23.24 f.), die – jeweils mit awhh ~wyb eingeleitet – auf das künftige Schicksal Ägyptens vorausblicken. Jhwh tritt vor allem in der ersten Strophe (V.1 – 4) sowie im zweiten Hauptteil (V.16 – 25) als Handlungsträger in Erscheinung. Dabei gehört Jes 19

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und reichen daher von Kusch, über Ägypten und Assur bis Juda; vgl. die Übersicht bei M. Høyland Lavik, People, 179 – 185. H. Wildberger, Jes 13 – 27, 693 deutet dieses Bild ebenfalls unter kriegerischen Vorzeichen: »Die abgerissenen Ranken der Reben sind die in der Schlacht gefallenen Äthiopier, auf welche sich die Geier stürzen.« M. Høyland Lavik, People, 209. J. Hausmann, Israel, 61. Der redaktionsgeschichtlich sekundäre Charakter des Kommentars ist allgemein anerkannt; vgl. P. M. Cook, Sign, 50. Er zeigt sich etwa in der erstmaligen Erwähnung des hwhy ~v, der in späten Texten häufig Verwendung findet (z. B. Jes 24,15; 26,13; 56,6; 59,19).

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zu jenen Orakeln, in denen sich das Gottesbild besonders stark verändert. Dies gilt insbesondere für sein Verhältnis zum fremden Volk : Während Gott eingangs im Land einen Krieg hervorruft (V.2), schickt er den Ägyptern in V.20 einen »Retter« ([yvwm), der für sie streitet (byr) und sie rettet (lcn hiph.). Den Schlusspunkt bildet der Segen über die Ägypter, die Jhwh nun sogar als »mein Volk« (ym[, MTJes 19,2523) bezeichnet. Dieses ambivalente Gottesbild ist das Produkt einer komplexen Textentwicklung: Die Exegese rechnet mehrheitlich mit einem Grundbestand, der auf den historischen Propheten zurückgehen könnte (V.1 – 4*).24 Den entscheidenden Ankerpunkt für die diachronen Modelle bilden die in Jes 19 beschriebenen politischen Konstellationen: Ägypten werden bürgerkriegsartige Zustände (V.2) und eine repressive Fremdherrschaft (V.4) verheißen. Ein solches Szenario war in der zweiten Hälfte des 8. Jh. v. Chr. gegeben, als Pije (746 – 716 v. Chr.) das Land unter nubische Hegemonie brachte.25 Die Ursprünge könnten aber auch in der ersten Hälfte des 7. Jh. v. Chr. liegen, als die Assyrer ihre Herrschaftsansprüche in Ägypten geltend machten.26 Zum Teil wird der Text aber auch nachexilisch datiert.27 Das Kriegsszenario könnte dann die ägyptischen Aufstände zur Zeit von Kambyses (um 525 v. Chr.) widerspiegeln. Aus der vorliegenden Textgestalt lässt sich der ursprüngliche historische Hintergrund nicht mehr exakt bestimmen. »Die Allgemeinheit der politischen Anspielungen erschwert eine eindeutige zeitliche Ansetzung der Weissagung.«28 Noch schwieriger gestaltet sich die diachrone Einordnung des zweiten Hauptteils, denn die »geschichtliche Realität und die prophetische Perspektive lassen sich bei keinem der Orakel in Einklang bringen«29. Hier wird mit mehreren Redaktionsstufen gerechnet.30 »Wie kaum sonst im Jesajabuch stehen […] älteste und jüngste Texte zusammen.«31 Während das erste Orakel (V.16 f.) noch auf den historischen Propheten zurückgehen könnte, setzen die übrigen Se-

23 LXX schränkt den göttlichen Segen allerdings auf die jüdische Diaspora in Ägypten und Mesopotamien ein: »eukocglemor o kaor lou o em Aicupty jai o em Assuqioir«. 24 Vgl. H. Wildberger, Jes 13 – 27, 705 – 707; U. Berges, Jesaja, 148. Mit Nachdruck gegen eine jesajanische Verfasserschaft spricht sich G. Fohrer, Jes 1 – 23, 226 aus: »Das Wort stammt keinesfalls von Jesaja.« 25 So A. Niccacci, Isaiah XVIII – XX, 217 – 224 mit Verweis auf Parallelen zur Siegesstele des Pije. 26 So nach K. Veenhof, Geschichte, 249 f.259 f.; vgl. U. Berges, Buch, 148 f. 27 Vgl. G. Fohrer, Jes 1 – 23, 226. 28 O. Kaiser, Jes 13 – 39, 81. 29 W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 180. 30 Vgl. etwa H. Wildberger, Jes 13 – 27, 730; J. Hausmann, Israel. Nach A. Niccacci, Isaiah XVIII – XX, 223 f. gehen auch V.16 – 25 auf den historischen Propheten zurück. 31 U. Berges, Buch, 145.

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quenzen wohl bereits das Diasporajudentum in nachexilischer Zeit voraus:32 Den gemeinsamen Nenner der letzten vier Orakel bildet das überwiegend positive Verhältnis zwischen Gott und Ägypten. Damit steht der Schlussteil in scharfem Kontrast zur ersten Strophe, wo Jhwh Ägypten feindlich gegenübersteht. Jhwh erscheint in Ägypten und stürtzt das Land in den Bürgerkrieg (Jes 19,1 – 4)33 1

Ausspruch über Ägypten: Siehe, Jhwh fährt auf einer schnellen Wolke daher, und kommt nach Ägypten. Da werden Ägyptens Götzen beben vor ihm, und Ägyptens Herz wird zerschmelzen in ihrem Inneren. 2 »Und ich werde aufhetzen Ägypten gegen Ägypten, dass sie kämpfen: Bruder gegen Bruder, jeder gegen seinen Nächsten Stadt gegen Stadt, Königreich gegen Königreich. 3 Dann wird Ägyptens Geist in seinem Inneren verstört, und seinen Ratschlag werde ich verwirren. Da werden sie die Götzen und die Totenbeschwörer befragen, und die Gruben- und Wahrsagegeister. 4 Und ich werde Ägypten ausliefern in die Hand eines harten Herrn; und ein starker König wird über sie herrschen.« Spruch des Herrn, Jhwh Zebaoth.

In Jes 19 ist Jhwh von Anfang an präsent und ergreift sofort die Initiative, was die vorangestellte Deixis ynh bekräftigt (vgl. 3,1; 8,7; 10,33; 13,17; 22,17; 24,1; 25,9; 26,21). Hierin unterscheidet sich der Spruch zwar von den vorangehenden Völkerorakeln, wo Jhwh erst spät (vgl. 15,9; 16,13 f.) oder allein über Redeeinleitungs- oder Schlussformeln zu den Gewaltschilderungen in Beziehung gesetzt wurde (vgl. 17,3.6). Es zeigen sich aber Parallelen zur Inszenierung im Babelspruch, wo Gott ebenfalls die Eingangsszene beherrschte (13,2 – 5). Das vorangestellte ynh (»siehe!«) deutet auf eine literarische Inszenierung hin, in der der visuelle Aspekt besonders hervorgehoben ist. Es folgt im wahrsten Sinne des Wortes eine prophetische Vision. In Jes 19,1 – 4 handelt es sich um eine Theophanie, in der Jhwh als Reiter (bkr) erscheint und eine »schnelle Wolke« (lq b[) wie einen Kriegswagen (vgl. bk,r,) benutzt.34 Der göttliche »Wolkenreiter«35 ge32 W. Vogels, Êgypte hat herausgearbeitet, dass Jes 19,16 – 25 in der Endredaktion chiastisch strukturiert wurde. 33 Hier liegt nach O. Kaiser, Jes 13 – 39, 80 (FN 4) ein pluralis excellentiae vor. 34 Vgl. K. Schmid, Jes 1 – 23, 148: »Die Vorstellung besteht offenbar darin, dass die ›Wolke‹ als göttlicher Streitwagen dient.« 35 Vgl. M. Klingbeil, Yahweh, 57 – 74.

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hört zu einem Motivkomplex, der sowohl alttestamentlich (vgl. Ps 18,11 f.; 104,3) als auch außerbiblisch belegt ist.36 Im Alten Testament nähert sich Gott auf diese Weise, um Heil zu wirken (vgl. Ri 5,4; Dtn 33,26; Ps 68,18 f.), aber auch – wie Jes 19,1 – 4 zeigt – um Unheil zu verhängen. Die »schnelle Wolke« (lq b[) als göttliches Fortbewegungsmittel ruft zudem kriegerische Elemente aus dem Spruch gegen Kusch in Erinnerung: Dort leitet der Vergleich mit der »Tauwolke bei der Erntezeit« (rycq ~xb lj b[, 18,4) zu Gottes Gewalthandeln (V.5 f.) über, während in V.2 »schnelle Boten« (~ylq ~ykalm) zum kriegerischen Volk gesandt werden. Das Motiv der Schnelligkeit ist zudem bereits aus anderen Kriegstexten des Jesajabuches vertraut (z. B. Jes 5,26 f.; 13,2.6), wo es die Unausweichlichkeit von Gewalthandlungen unterstreicht. Nach Jes 19,1 ist Ägypten das erklärte Ziel der göttlichen Expedition. Von Beginn an stehen dort alle Zeichen auf Gefahr : Selbst der Verweis darauf, dass Jhwh »kommt« (awb), ist im Kontext der Fremdvölkersprüche als Bedrohung aufzufassen. Denn das letzte Mal war von Jhwhs »Kommen« am Beginn von Jes 13 die Rede, wo er mit den »Waffen seines Grimms« (wm[z ylk, V.5) zum Gericht gegen Babel erscheint.37 So beschreibt die Eingangsnotiz eine machtvolle Theophanie im Feindesland. Da sich Jhwh gemäß Jes 19,1 aber erst dorthin aufmachen muss, wird das Gottesbild nach K. Schmid dominiert von der »Vorstellung […] eines Landesgottes – und nicht […] einer von vornherein und selbstverständlich universal wirksamen Macht«38. Dies weist den Kernbestand von Jes 19 als relativ alten Text aus. Die ägyptischen Gottheiten haben Jhwhs Machtdemonstration nichts Adäquates entgegenzusetzen. In Anbetracht des hostilen Untertons, den die Semantik von V.1b erzeugt, wundert es nicht, dass sie vor seiner Präsenz (wynpm) in Furcht »erbeben« ([wn). Damit zeigen sie sich ebenso bestürzt, wie Jesaja angesichts der Anwesenheit Jhwhs im Jerusalemer Heiligtum (6,4).39 In Jes 7,2 wurde König Ahas dazu ermahnt, vor seinen Kriegsgegnern nicht zu »erbeben« ([wn). Während sich der Konflikt dort aber auf zwischenstaatlicher Ebene abspielt, kommt es in Jes 19 zu einer Gegenüberstellung zwischen Jhwh und fremden Gottheiten, die pejorativ als »Götzen« (~ylyla) bezeichnet werden (V.1.3; vgl. Jes 2,8.18.20; 10,10.11; 31,7). Dass Jhwhs Präsenz primär die fremden Gottheiten bedroht, die gewissermaßen das »Herz der Ägypter« (V.1) bilden, macht Jes 19 zu einem ganz besonderen Text innerhalb des Jesajabuches: Denn die Konfrontation betrifft sonst in erster Linie den gegnerischen Herrscher, der etwa im 36 37 38 39

Vgl. W. Beyerlin, Textbuch, 216 u. ö.; J. Jeremias, Theophanie, 85 f. Vgl. H. Wildberger, Jes 13 – 27, 709: »Es ist ein Kommen zum Gericht (vgl. Ps 96,13; 98,9).« K. Schmid, Jes 1 – 23, 148. Nach der traditionsgeschichtlichen Analyse von F. Hartenstein, Unzugänglichkeit, 127 f. bringt die Wurzel [wn vor allem den Aspekt der Besinnungslosigkeit vor der göttlichen Präsenz zum Ausdruck.

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Fall von Babel und Assur Jhwhs Hauptkontrahenten darstellt (vgl. 10,8 – 14; 14,4 – 21). In Jes 19 spielt das Schicksal des Königs dagegen eine untergeordnete Rolle (vgl. V.11). Von direkter Gewaltanwendung durch Jhwh wird in der Auseinandersetzung allerdings nicht gesprochen. Seine Superiorität und Überlegenheit wird durch die ägyptischen Gottheiten an keiner Stelle herausgefordert oder infrage gestellt. Denn analog zur Furcht der ägyptischen Götter zerfließt (ssm) auch das Herz der Ägypter (~yrcm bbl, Jes 19,1) angesichts der Ankunft Jhwhs im Land.40 Hier zeigt sich eine weitere Überschneidung mit dem Babelspruch: Auch in Jes 13,7 zerfließt jedes Menschenherz (vwna bbl-lk ssm), weil Jhwh mit seinem Kriegsheer auszieht (V.5). Nachdem Jhwh seinen Zielort erreicht hat, gibt er in Jes 19,2 – 4 Auskunft über sein weiteres Vorgehen. Nach V.2 beabsichtigt er, Ägypten gegen Ägypten aufzuhetzen ($ws). Dabei handelt es sich um eine der wenigen Stellen innerhalb der Fremdvölkersprüche, an denen Jhwh explizit eine kriegerische Auseinandersetzung initiiert. Denn der Begriff, der seine einzige Parallele in Jes 9,10 hat, umschreibt das »Aufstacheln« von Feinden. Obwohl das Gottesbild beide Male kriegerisch gefärbt ist, zeigen sich deutliche Unterschiede: Indem Jhwh in Jes 9,10 fremde Mächte zur Bestrafung Israels erhöht (bgf), löst er einen zwischenstaatlichen Krieg aus. In Jes 19,2 hetzt er hingegen die Ägypter gegeneinander auf, so dass es zu einem Bürger»krieg« (~xl) kommt: Beide Male bleibt Jhwh jene Instanz, die Kriege nach ihrem Willen verhängen kann. Das kriegerische Gottesbild von Jes 19 entwickelt dabei aber ein einzigartiges Profil: »It is not […] a matter of Yahweh threatening to send a nation which will defeat Egypt militarily (20,4; cf. 18,2), but the picture is one of internal conflict«41. Jes 19,2 wird ganz und gar von den bürgerkriegsartigen Zuständen beherrscht. Die Spirale der Gewalt zieht immer weitere Kreise: Innerfamiliäre Konflikte (wyxab-vya) weiten sich auf die Gesamtgesellschaft aus (wh[rb vya), bis es zum Krieg zwischen Städten (ry[b ry[) und Königreichen (hklmmb hklmm) kommt. Durch Jhwhs Eingreifen ist das Machtgefüge innerhalb Ägyptens völlig aus den Fugen geraten. In den anarchischen Zuständen erweist sich die ganze Machtlosigkeit Ägyptens. So ist nach dem Herz (V.2) auch der »Geist in seinem Inneren« (wbrqb xwr) »verstört« (qqb wörtl. »verheert«, V.3). Denn Jhwh selbst »verwirrt seinen Plan« (wtc[ [lb). H. Wildberger deutet die hc[ unter Verweis auf Jes 8,10; 29,15; 30,1 als die »politisch-militärischen Ziele«42 der Ägypter. Ver-

40 Das Motiv des zerschmelzenden Herzens umschreibt die Furcht vor übermächtigen Gegnern in (drohenden) militärischen Konflikten. Es ist außerhalb des Jesajabuches in Dtn 1,28; 20,8; Jos 2,11; 5,1; 7,5 belegt. 41 A. K. Jenkins, Development, 244. 42 H. Wildberger, Jes 13 – 27, 711.

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eitelt Jhwh hier also ägyptische Machtansprüche oder kriegerische Ambitionen, indem er das Land in einen Bürgerkrieg stürzt? Im Kontext der Fremdvölkersprüche drängt sich eine alternative Deutung auf: Mit dem Lexem #[y/hc[ fällt jener Terminus, der zu den zentralen Theologumena der Orakelsammlung zählt (vgl. 14,26)43 und den gesamten Ägyptenspruch leitwortartig durchzieht (19,3.11.12.17): Der göttliche Plan steht dabei in krassem Gegensatz zum »dummen Plan« (hr[bn hc[, V.11) der Ratgeber des Pharao (h[rp yc[y). Sie erkennen nicht, was »Jhwh Zebaoth über Ägypten geplant hat« (V.12). Daher fürchtet sich (dxp) Ägypten auch vor »Jhwhs Plan, den er über sie geplant hat« (wyl[ #[wy awh rva hwhy tc[, V.17). Die Wirkmächtigkeit Jhwhs, die ihre Konturen in der Gegenüberstellung zum Plan der ägyptischen Berater (und ihrer Gottheiten) gewinnt, bildet damit das Hauptthema von Jes 19. »Yahweh is to bring to nought the counsel of the Egyptians (v3), just as he does that of Aram Israel, the nations, and Juda (7:5,7; 8:10; 30:1).«44 Unter dieser Perspektive ist auch das im Kapitel dargestellte göttliche Gewalthandeln zu deuten. In V.3 versuchen die Ägypter ihrer turbulenten Lage Herr zu werden, indem sie ihre Gottheiten und alle Arten von übernatürlichen Wesen befragen (vrd). Das Einholen von Orakeln dient im Alten Orient nicht nur dem Informationszuwachs. Es geht »um die Gewinnung der Götter bzw. Totengeister als Helfer im Ringen um die Abwendung der Not«45. Nach V.4 stellen die konsultierten Gottheiten aber keinen adäquaten Plan zu Verfügung. Sie sind unfähig, die Lage ihrer Anhänger zum Besseren zu wenden. Vielmehr stellt Jhwh in Aussicht, ihre Situation noch einmal zu verschlimmern, indem er Ägypten »in die Hand« (dyb) eines harten Herrn ausliefert. Damit wird eine typische Folge von innenpolitischen Unruhen auf göttliche Urheberschaft zurückgeführt: Instabilität und Gewalt im Inneren (V.2) macht selbst Großreiche zu einer leichten Beute für politische Rivalen. Allem Anschein nach fällt Ägypten damit in die Gewalt eines fremden Machthabers.46 So vermag Jhwh im Jesajabuch nicht nur sein eigenes Volk, sondern nach Jes 19 sogar fremde Großmächte mit Fremdherrschaft zu bestrafen, indem er es in deren Hand »gibt«. Während die Auslieferung des eigenen Volkes in die Hand (dyb) fremder Herrscher mit !tn konstruiert wird (vgl. 36,15; 37,10; 47,6), verwendet Jes 19,4 dazu das nur hier belegte Piel von rks.47 Es scheint als unterscheide das Jesajabuch semantisch zwischen der Okkupation Israels und der Zwangsbesetzung fremder Völker. Dass Ägypten dabei in die Gewalt von »harten Herren« (hvq ~ynda) fällt, gibt zugleich einen Vorge43 44 45 46 47

A. K. Jenkins, Development, 244. J. Jensen, Yahweh’s Plan, 449. H. Wildberger, Jes 13 – 27, 712. So etwa G. Fohrer, Jes 13 – 23, 227. Im Nifal trägt rks die Bedeutung »verstopft sein«; vgl. Gen 8,2; Esra 4,5; Ps 63,12.

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schmack auf dessen strenge Herrschaft. Denn in der Teilkomposition äußert sich »Härte« (hvq) stets im Einsatz kriegerischer Mittel, sei es in Form von direkter Waffengewalt (vgl. 21,2; 27,1) oder in grausamen Kriegsfolgen wie Deportation oder Frondienst (14,3; 27,8). Welche historische Persönlichkeit sich hinter dem neuen Machthaber ursprünglich verborgen haben könnte, hängt von der bislang ungelösten Frage nach der Datierung der Sequenz ab.48 Auf Ebene des Endtextes zeigt sich eine starke Identifizierung zwischen Jhwh und der von ihm in Ägypten installierten Herrscherfigur : Der »Herr« (!wda) Jhwh Zebaoth verkündet die anbrechende Herrschaft des harten »Herrn« (!wda). Wie in Jes 13,6 (vgl. ydvm dwv) wird dies durch ein Wortspiel mit einem göttlichen Epitheton zum Ausdruck gebracht. Dass es sich noch dazu um einen »starken König« (z[ $lm) handelt, macht die Überschneidung zu Jhwh auf Endtextebene noch deutlicher. Hier zählen »Stärke« (z[, 12,2; 45,24; 49,5) und Königsherrschaft ($lm, z. B. 6,5; 24,21.23; 33,22; 41,21; 43,15) zu den göttlichen Prärogativen. Die zweite Strophe (V.5 – 10) schließt sich durch die we-jiqtol Formen syntaktisch homogen an die erste an und beschreibt die Konsequenzen der Gewalttaten im Bild des vertrocknenden Nils. In diesem Abschnitt tritt Jhwh nicht explizit in Erscheinung, vielmehr werden die Folgen seines Eingreifens beschrieben.49 Dabei scheint der Text eine klare Kenntnis davon zu besitzen, dass der Strom die Lebensader Ägyptens darstellt. Zur ökologischen Katastrophe (V.5 – 7), die im Verdorren der typischen Ufervegetation ihren Ausdruck findet, gesellt sich eine ökonomische: Die abhängigen Wirtschaftszweige verlieren ihre natürlichen Ressourcen, was in V.8 – 10 intensiv beklagt wird. In der dritten Strophe (V.11 – 15) kehrt »die politische Thematik des ersten Abschnitts« über das Leitwort hc[ »verändert wieder«50. In Form einer Scheltrede wird die Weisheit der ägyptischen Ratgeber in Abrede gestellt und deren Planen als Dummheit (lbn) entlarvt. Der Abschnitt ist semantisch stark weisheitlich geprägt,51 trägt aber keine gewalthaltigen oder militärischen Aspekte ins Gottesbild ein. In V.14 wird Jhwh als derjenige identifiziert, der den Schwindel über Ägypten gebracht ($sm wörtl. »gebraut«, vgl. 5,22) hat, damit es wie ein

48 Als mögliche Kandidaten werden Regenten aus unterschiedlichen Epochen und Herrschaftsgebieten ins Feld geführt. Die Vorschläge reichen von Pije und Sargon II. im 8. Jh. v. Chr. über Kambyses im 5. Jh. v. Chr. bis zu Antiochus III. im 2. Jh. v. Chr. 49 Nach J. Blenkinsopp, Jes 1 – 39, 314 lässt sich auch die in V.10 – 15 beschriebene Naturkatastrophe als Kriegsfolge auffassen, denn »the devastation of the environment in the wake of military disaster is as common a literary topos (e. g. Ezek 32:13 – 15) as it is an experienced reality«. 50 W. Groß, Israel, 151. 51 Vgl. ~ylywa (»Toren«, V.11; z. B. Ijob 5,2; Ps 107,17; Spr 1,7; 12,15), ~kx (»weise«, V.11 f.), lay II (»töricht handeln«, V.13; vgl. Num 12,11; Jer 5,4; 50,36).

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Betrunkener in seinem eigenen Erbrochenen taumelt.52 Mit diesem drastischen Bild führt der Text selbst noch das Unvermögen der Ratgeber (~yc[y, V.11), Jhwhs Plan über Ägypten zu erkennen (~yrcm-l[ twabc hwhy #[y-hm, V.12), auf Gottes Wirkmächtigkeit zurück. Diese Unkenntnis bewirkt die völlige Lähmung der Gesellschaft (vgl. V.15). In der dritten Strophe besteht somit »the main concern […] with the efficacy of Yahweh’s counsel as opposed to that of Egypt, his power over Egyptian gods, and his superior wisdom«53. Damit erweist Jhwh auf weisheitlicher Ebene, was in V.1 – 4 politisch-militärisch durchbuchstabiert wurde. Im zweiten Teil von Jes 19 verändert sich das Verhältnis zwischen Jhwh und den Ägyptern deutlich, wenn auch schrittweise. Das erste Orakel (V.16 f.) steht mit Blick auf das Gottesbild noch in Kontinuität zu V.1 – 15. Denn auch dieser Abschnitt »expresses an univocal negative view on Egypt as well as the Egyptians«54. Der Text übernimmt das aus dem weisheitlichen Bereich stammende Leitwort hc[ (vgl. V.17) und deutet es vor dem Hintergrund göttlicher Gewalt im militärischen Kontext. Ägyptens Soldaten werden zu Frauen, weil Jhwh seine Hand schwingt (Jes 19,16 f.) 16

An jenem Tag wird Ägypten wie Frauen sein. Es wird zittern und erschrecken vor dem Schwingen der Hand Jhwhs Zebaoth, die er gegen es schwingt. 17 Der Boden Judas wird in Ägypten Panik hervorrufen. So oft man den ihm gegenüber erwähnt, wird es erschrecken vor dem Ratschluss Jhwhs Zebaoth, den er über ihn beschlossen hat.

Die Furcht dominiert den gesamten Abschnitt (vgl. drx, V.16; agx, V.17) und fungiert über das Stichwort »Schrecken« (dxp) sogar als Rahmenmotiv. So steht die »vollständige Demoralisierung der Ägypter«55 im Vordergrund. Bei der Notiz, dass die Ägypter »wie Frauen« (~yvnk) werden, handelt es sich um einen literarischen Topos, der die Unterlegenheit der Feinde im Krieg zum Ausdruck bringt (vgl. Jer 50,37; 51,30; Nah 3,13). Es kommt zu einer »Feminisierung« (feminization56) des Feindes, welche auf dem altorientalischen Genderstereotyp 52 53 54 55 56

Dahinter steht das Bild des Rauschtranks, vgl. M. Dubach, Trunkenheit, 162 f. A. K. Jenkins, Development, 244. G. Eidevall, Prophecy and Propaganda, 89. J. Blenkinsopp, Jes 1 – 39, 87. Weitere Textbeispiele zu »Biblical Curses of feminiziation« bietet C. R. Chapman, Gendered Language, 71 – 73.

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der Schwäche und Ängstlichkeit von Frauen basiert.57 Damit spiegelt der Text die genderspezifische Seite des altorientalischen Kriegs- und Gewaltdiskurses wider.58 In Jes 19 liegt der Grund für das Zittern (drx, V.16) und Erschrecken (dxp, V.16 f.) in der göttlichen Gewaltandrohung, denn Jhwh Zebaoth selbst schwingt seine Hand gegen das Volk (wyl[ @ynm). Die Hand steht insbesondere in Jes 1 – 12 als Symbol für die Androhung oder Verübung göttlicher Gewaltakte (z. B. 1,25; 5,25; 8,11; 9,20; 11,15), doch wurde das Motiv bereits in Jes 14,26 f. auf die gesamte Völkerwelt ausgedehnt. In Jes 19,16 wird die Hand allerdings nicht »ausgestreckt« (hjn), sondern gegen Ägypten »geschwungen« (l[ + @wn). Während diese Geste in Jes 13,2 als ermunternde Aufforderung zu interpretieren ist, muss sie hier angesichts der Angstzustände als Drohung verstanden werden (vgl. Jes 10,15.32; 11,15; 30,32). Inhaltlich stehen V.16 f. in Kontinuität zum bisherigen Verlauf des Orakels: »Dieser Drohspruch resümiert in eigentümlicher Sprache das Gericht, wie es in 19,1 – 15 angesagt ist.«59 Doch hat sich Ägyptens Verhältnis zu Jhwh im Vergleich zu V.1 – 4 bereits graduell verändert: Während die Ägypter dort ihre Rettung vor der göttlich initiierten Kriegsgewalt (vergeblich) bei den eigenen Gottheiten suchten (V.3), erkennen sie darin nun den göttlichen Plan, selbst wenn sie dabei von Panik ergriffen sind. Wenn nach V.17 im Volk schon bei der Erinnerung an Juda die Panik (agx) ausbricht, nimmt der göttliche Plan aber geradezu utopische Dimensionen an! Historisch hat sich das mächtige Ägypterreich wohl zu keiner Zeit vor seinem kleinen nordöstlichen Nachbarn in Schrecken versetzen lassen. In den weiteren Sprucheinheiten, die im Laufe der Redaktionsgeschichte an das Ägypten-Orakel angehängt wurden, verbessert sich Jhwhs Beziehung zu den Ägyptern kontinuierlich und nachhaltig. Der ägyptische Schrecken vor Jhwh (V.16) weicht seiner kultischen Verehrung durch Altar und Steinmahl (V.19), sowie durch Opfer und Gelübde (V.21). Die Auseinandersetzung mit fremden Göttern und ihrer (Ohn)Macht (vgl. V.2 – 4) scheint indes keine Rolle mehr zu spielen. Die Frontstellung zwischen Jhwh und den ägyptischen Gottheiten wird von der Jhwh-Verehrung durch die Ägypter abgelöst (vgl. twabc hwhyl [bv nif., V.1860). Gleichzeitig setzen sich im Gottesbild fried- und heilvolle Aspekte durch: So hallt im Schrei der Ägypter zu Jhwh (hwhy-la q[c, V.20) paradoxerweise gerade Israels Hilferuf vor der ägyptischen Streitmacht am 57 Diese Art der Darstellung ist auch aus Asarhaddons Vasallenverträgen bekannt (vgl. TUAT 1/ 2, 175) und lässt sich darüber hinaus ikonographisch nachweisen (vgl. C. R. Chapman, Gendered Language, 48 – 50). 58 Vgl. G. Eidevall, Prophecy and Propaganda, 90. 59 A. Deissler, Gottesbund, 14. J. Blenkinsopp, Jes 1 – 39, 317 wertet den Abschnitt gar als »the original conclusion to 19:1 – 15«. 60 Nach C. A. Keller, Art. [bv, 861 ist hier »›sich für Jahwe verpflichten‹ […] praktisch synonym mit ›sich zu Jahwe bekennen‹«.

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Schilfmeer wider (Ex 14,10.15; 15,25). In scharfem Kontrast zum »harten Herrn« aus Jes 19,4 steht Jhwh nicht mehr hinter Ägyptens Unterdrückern (#xl), die in V.20 ebenfalls spiegelbildlich das rettende Gottesbild des Exodus auf Ägypten übertragen (vgl. Ex 3,9; 22,20; Dtn 26,7; Ps 106,42).61 Wie im Exodus gegen die Ägypter, schickt er (xlv, vgl. Num 20,16) nun für sie Hilfe in Form eines »Retters« (62[yvwm). Dieser wird für das Volk streiten (byr) und es befreien (lcn). Göttliche Gewalt dient nun nicht mehr der Bestrafung der Ägypter, sondern ihrer Rettung und Befreiung! In der nächsten Sequenz (V.21 f.) gibt sich Gott den Ägyptern sogar selbst zu erkennen (d[y nif.): »JHWH wird […] für die Ägypter zum ›Offenbarungsgott‹.«63 Während die Ratgeber nach V.12 nicht einmal den Plan Jhwhs zu erkennen vermochten, traut V.21 dem Volk sogar eine Jhwh-Erkenntnis zu! Das positive Verhältnis gilt allerdings nicht uneingeschränkt: Es steht weiterhin in der Ambivalenz zwischen göttlichem Schlagen (@gn) und Heilen (apr). »Zuwendung JHWHs zu Ägypten kann nach V. 22 nur gedacht werden, wenn eine vorausgehende Strafaktion mit erzieherischer Funktion erfolgt.«64 Die Strafaktion rekurriert semantisch nicht auf das häufig gebrauchte hkn, sondern auf Lexeme der Plagenerzählung bzw. der Vernichtung der Erstgeburten in der Exoduserzählung (vgl. @gn, Ex 12,13.23.27). Zugleich gibt der Text einen heilvollen Ausblick: Sobald sich Ägypten Jhwh zuwendet (bwv), wird er (auch) das fremde Volk heilen (apr).65 Demnach gilt für Ägypten im göttlichen Handeln dieselbe Dynamik wie nach Jes 6,10 für das eigene Volk, wo auf Umkehr (bwv) Heilung (apr) folgen müsste. »Der Vers sieht die beiden Völker auf gleicher Höhe, sowohl in ihrer Schuld als auch in ihrer Heilung durch JHWH und dessen Selbstoffenbarung.«66 In den letzten beiden Versen (Jes 19,23.24 f.) weitet sich die Perspektive auf die Ebene der altorientalischen Weltpolitik. Neben Ägypten geht es nun auch um das Verhältnis zu Assur. Beide Großmächte fungieren in diesem späten Text allerdings als Chiffre für das Verhältnis zu den Großmächten in West (Ptolemäer) und Ost (Seleukiden).67 Die Straße (hlsm) zwischen den Machtblöcken

61 Zu weiteren Stichwortverbindungen mit der Exoduserzählung siehe W. Groß, Israel, 155 (mit FN 9). 62 Die Verweise ins Exodusbuch könnten auf eine zweite Mosegestalt hindeuten; vgl. A. Deissler, Gottesbund, 16. Dieser Titel ist im Jesajabuch sonst ausschließlich für Jhwh reserviert (vgl. 43,11; 45,15). 63 A. Deissler, Gottesbund, 16. 64 J. Hausmann, Israel, 65. 65 Zur Heilungsmetaphorik in der Prophetie siehe Z. Kustár, Krankheit und Heilung, 37 – 41. 66 W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 198. 67 Vgl. A. Deissler, Gottesbund, 16; J. Blenkinsopp, Hezekiah, 120; W. Groß, Israel, 155: »hier sind die Diadochenreiche gemeint«.

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dient im MT68 nicht mehr als Durchmarschroute für Kriegszüge, sondern friedlichen Absichten, wie V.23b (rwva-ta ~yrcm wdb[w) anzudeuten scheint: »Ägypten und Assur begegnen sich […] als Genossen desselben Jahwekultes.«69 Dass Ägypten zusammen mit Assur (Jhwh) dient, macht Jes 19,23 – 25 zu einem der außergewöhnlichsten Texte in der gesamten HB. Die Völkeroffenheit spiegelt sich »in einer […] sonst unerreichten Spitzenformulierung«70 wider. Ausgerechnet an dieser Stelle fällt darüber hinaus das erste Mal im Jesajabuch der Begriff des göttlichen Seg(n)ens ($rb, 51,2; 61,9; 65,16.23; hkrb, vgl. Jes 44,3; 65,8). Wie die Eröffnungsstrophe (V.1 – 4) dominiert Jhwh auch die letzte Szene im Ägypterspruch (V.25). Die Gottesrede bildet darüber hinaus den theologischen Höhepunkt von Jes 19,71 in dem Jhwh seine drei Bundesgenossen segnet. Doch betont V.24 zugleich die Sonderstellung Israels im göttlichen Plan, denn die »Rede vom Segen durch Israel deutet bei aller Gleichwertigkeit der Charakterisierung […] auf eine Vorrangstellung Israels hin. Eine solche positive Funktion für andere Völker wird […] einzig von Israel ausgesagt.«72 Mit diesem heilvollen und segensreichen Gottesbild steht das Ende von Jes 19 in scharfem Kontrast zum Beginn des Ägyptenspruches, wo der göttliche Plan auf kriegerische Weise über das Volk hereinbricht. Machtvoll erscheint Jhwh im Feindesland, um die Bewohner in einen Bürgerkrieg zu stürzen (V.2) und in die Gewalt eines fremden Herrschers zu geben (V.4). Die ägyptischen Gottheiten, die die eigentlichen Kontrahenten Jhwhs darstellen, können gegen den göttlichen Plan (hc[) nichts ausrichten (vgl. V.1.3). Der Wandel im Gottesbild, der sich im zweiten Teil des Spruches abzeichnet, vollzieht sich schrittweise: Zunächst knüpft V.16 f. an das hostile Verhältnis aus dem ersten Teil an. Auf die Gewaltandrohung reagiert Ägypten abermals mit Panik (V.17). Während Jhwh die ägyptischen Hilfeschreie schon in V.20 mit der Sendung einer Rettergestalt beantwortet, ist sein Handeln in V.22 noch von der Ambivalenz zwischen Schlagen und Heilen geprägt. Am Ende steht der göttliche Segen über Ägypten und Assur (V.25 f.). Mit diesem Gottesbild setzt das Orakel einen weltumfassenden und zugleich friedvollen Schlussakkord der gesamten ersten Völkerspruchreihe, ohne dabei die herausragende Stellung zu relativieren, die Israel im göttlichen Plan innehat: Als göttlicher Erbbesitz (ytlxn »mein Erbbesitz«, V.25) bleibt es 68 Hingegen rechnet Tg mit einer militärischen Konfrontation: »und Assur wird kämpfen gegen Ägypten und Ägypten gegen Assur« (yarwtab yarcmw yarcmb yarwta !wxygyw). In LXX kommt es gar zur Unterwerfung der Ägypter unter die assyrische Vorherrschaft (vgl. jai doukeusousim oi Aicuptioi toir Assuqioir). 69 H. Wildberger, Jes 13 – 27, 743. 70 U. Berges, Buch, 144. 71 W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 199. 72 J. Hausmann, Israel, 66 [Hervorhebung: B. O.]; vgl. dazu F. Sedlmeier, Israel.

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Israels genuine Aufgabe, zum Segen inmitten der Erde zu werden (#rah brqb hkrb, V.24 vgl. Jes 24,13). 4.2.2.10 »Wie können wir gerettet werden?« (Jes 20) Das Zentrum der Fremdvölkersprüche (Jes 20) besteht aus einer Zeichenhandlung, die Jhwh zunächst seinem Propheten aufträgt (V.2) und in V.3 – 5 selbst deutet. Sie datiert nach V.1a in das Jahr, als Sargon die Philisterstadt Aschdod bekriegen (~xl) und einnehmen ließ (dkl). So klingt schon in der Überschrift an, dass Kriegsgefahr das Hauptthema des Orakels bildet: Obgleich Jhwh selbst keine Gewalt verübt, bildet er den entscheidenden Faktor für die Kriegsinszenierung von Jes 20, zumal er das Geschehen selbst zur Darstellung bringt und einer Deutung unterzieht. Gemäß der Überschrift datiert das Szenario in das Jahr 711 v. Chr., also in die Zeit des historischen Propheten, auf die der Text in seinem Kernbestand auch zurückgehen könnte.73 Die Zeichenhandlung besteht darin, dass der Prophet nackt (~wr[) und barfuß (@xy) umhergehen soll (V.2). So wird er zum »Zeichen und Wunder« (tpwmw twa, V.3; vgl. Jes 8,18) für die Eroberung von Kusch und Ägypten durch Assur. Ob Jhwh den Assyrerkönig selbst aussendet, geht aus dem Text nicht hervor. Das mag daran liegen, dass diese Kriegsereignisse lediglich den Anlass bilden und als warnendes Beispiel dienen. Statt brutaler Kampfszenen werden in V.4 typische Strafsanktionen beschrieben, die im Alten Orient nach siegreichen Belagerungen zur Anwendung kommen: Der König von Assur führt Deportierungen (twlg) und Vertreibungen (ybv) von Menschen allen Alters durch (ghn).74 Im Jesajabuch ist der Begriff ghn zusammen mit hlg (vgl. 5,13; 49,21) und ybv (vgl. 46,2; 49,24 f.) ein Terminus technicus für Kriegsdeportation (Jes 60,11; vgl. Gen 31,26; Dtn 28,37; 1 Sam 30,2). Er stammt aus dem landwirtschaftlichen Bereich, wo er das Leiten von Vieh beschreibt (Jes 11,6; 49,10; 63,14; vgl. Gen 31,18; Ex 3,1; Ijob 24,3). Auf Kriegsgefangene angewendet, impliziert ghn daher Entwürdigung und Erniedrigung, auf die auch Jes 20,4 abzuzielen scheint: Denn die prophetische Zeichenhandlung (V.2) nahm bereits vorweg, dass die Kriegsgefangenen ihre Heimat nackt (~wr[) und barfuß (@xy) verlassen. Die Entblößung und Zurschaustellung dient einzig und allein ihrer Demütigung (vgl. Nah 2,8; Am 2,16; Mi 1,8).75 Kriegsgewalt äußert sich zwar primär in Form von physischen Schä-

73 Vgl. U. Berges, Buch, 145 f. und zuletzt St. Timm, Yamani. 74 Die Deportation der Feinde brachte den Siegern ökonomische Gewinne und unterband längerfristig das militärische Wiedererstarken der Unterworfenen. 75 Diese Praktiken sind im alten Orient auch ikonographisch belegt, vgl. C. R. Chapman, Gendered Language, 160 – 162; M. Cifarelli, Gesture, 218 – 223.

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digungen, kann aber auch mit psychologischen Mitteln arbeiten76 : Dies zeigt sich hier in zugespitzter Form, indem die Gefangenen – über die Ankündigung der prophetischen Zeichenhandlung hinaus – sogar mit »entblößtem Gesäß« (tv ypwfx) fortziehen müssen.77 Dass die öffentliche Zurschaustellung des Intimbereichs im (Alten) Orient als äußerst erniedrigend empfunden wird, spiegelt sich besonders in 2 Sam 10,4 – 14 wider : In der Kriegsepisode aus den Davidserzählungen zieht der Hauptprotagonist gegen die Ammoniter zu Felde, weil dessen König den judäischen Gesandten die Kleidung »bis zu ihrem Gesäß« (~hytwtv d[, V.4) abschneiden ließ.78 Daher gibt Jes 19,4b nochmals ausdrücklich zu verstehen, dass Ägypten die Deportation zur »Schande« (hwr[) gereicht. Nur der Jungfrau Babel widerfährt im Jesajabuch eine vergleichbare Demütigung. Sie wird in Jes 47,2 dazu aufgefordert, ihre Schenkel zu entblößen (@fx), damit ihre »Scham« (hwr[) offenbar werde (V.3). In beiden Fällen geht es um weit mehr als um die Schmähung einzelner Individuen. Wenn die Ägypter und Kuschiter nicht einmal ihren Intimbereich zu schützen vermögen, offenbart dies auf beschämende Weise ihre politisch-militärische Ohnmacht: »On the metaphorical level, nudity might signify national disgrace. After the Assyrian attack […] the military weakness and impotence would be disclosed, and for everyone to see.«79 Diese kollektive Dimension betont auch Jes 20,5, welcher der entwürdigenden Darstellung aber zugleich eine überraschende Wendung gibt: Während V.5a durch »Schrecken« (ttx) und »Scham« (fwb) den vorhergehenden Vers sowohl inhaltlich als auch grammatikalisch (3.Pl. m.) weiterführt, kommt es im B-Kolon zu einem unvermittelten Subjektwechsel. Erschrocken und beschämt sind nun nicht mehr Kusch und Ägypten, sondern diejenigen, die »ihre (hoffnungsvollen) Blicke« (80~jbm, vgl. 5,12; 22,11) auf die beiden Mächte richteten. Die Rede von »ihrem Stolz« (~trapt), der ganz offensichtlich auf Ägyptens militärischer Stärke beruhte, macht den Kontrast zur Scham noch schärfer. Durch die Gegenüberstellung wird die Schande »related to honor, and honor […] related to reputation«81. Der Text verschweigt aber gezielt, um wen es sich bei den Beschämten tatsächlich handelt, um so die Aufmerksamkeit auf das Wesentliche zu lenken:82 76 Siehe dazu T. M. Lemos, Shame. 77 Vgl. W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 212. 78 In 2 Sam 10,4 kommt es darüber hinaus zur symbolischen Entmännlichung des Gegners, da der Ammoniterkönig den israelitischen Emissären auch den Bart scheren lässt; vgl. S. Niditch, War, 118; T. M. Lemos, Shame, 232 f. 79 G. Eidevall, Prophecy and Propaganda, 94. 80 1 QJesa liest in Jes 20,5 ~xjbm! 81 Vgl. T. M. Lemos, Shame, 228. 82 Diese Prolepse zu V.6 unterstützt eindeutig die Textpragmatik! Hingegen ist V.5 für H. Wildberger, Jes 13 – 27, 750 »eine Randglosse zu [V.] 6 […], die irrtümlicherweise in den Text aufgenommen wurde«.

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das schmähliche Ende all jener, die ihr politisches Kalkül auf die von Assur erniedrigten Großmächte setzen. Die direkte Rede der Küstenlandbewohner am Ende des Orakels (V.6), zu dessen Herrschaftsgebiet das in V.1 eroberte Aschdod gehört, verdeutlicht die Pragmatik der prophetischen Zeichenhandlung: »Siehe, so ist unser Vertrauen, zu dem wir für Hilfe (hrz[l) und Rettung (lcnhl) geflohen sind (swn), vor dem König von Assur.« Die Philister haben ihre Lektion offensichtlich gelernt – wenn auch zu spät: Von der Großmacht aus dem Südwesten ist weder Hilfe, noch Rettung vor der assyrischen Bedrohung zu erwarten! Doch von wem fordern die Küstenbewohner hier Aufmerksamkeit (vgl. hnh)? Wenn man die Worte dem historischen Propheten zuschreibt, musste sich ursprünglich wohl die Führungsriege im Juda des 8. Jh. v. Chr. angesprochen fühlen. »Ohne sein eigenes Volk explizit zu nennen, hält Jesaja ihm im Spiegel […] ›dieses Küstenlandes‹ (V1.6), die beschämende Enttäuschung eines falschen Vertrauens und im Spiegel Ägyptens und Kuschs die entwürdigende Wegführung in die Gefangenschaft vor (V4).«83 Eine solche Deutung legt auch der Blick auf eine weitere zentrale Passagen von Jes 1 – 39 nahe, in der es um ein mögliches Vertrauen auf ägyptische Schützenhilfe geht: Jes 31,1 stellt all jene unter den prophetischen Weheruf, die um Hilfe (hrz[l) nach Ägypten hinabgehen und auf dessen Kriegsmaschinerie (sws, bkr) vertrauen (xjb, vgl. Jes 20,5 nach 1 QJesa). Die eigene Gottheit, den Heiligen Israel, konsultieren sie hingegen nicht (vrd al, vgl. Jes 19,3), obwohl nur Jhwh Zebaoth Jerusalem zu retten vermag (lcn, 31,5). Im Gegensatz dazu schließt Jes 20 mit keiner feierlichen Proklamation des rettenden Charakters im Gottesbild. Das Orakel endet viel subtiler, indem es die entscheidende Frage in den Raum stellt: »Wie werden wir entkommen (jlm nif.)?« Die Gottesrede zeigt auf drastische Weise: Das Vertrauen (xjbm) auf die rettende militärische Hilfe von ägyptischer oder kuschitischer Seite führt bestenfalls zur Schande (vgl. V.4 f.), im schlimmsten Fall zur Deportation. Demgegenüber liest sich Jes 31,5 als adäquate Antwort: Nicht Ägypten und sein militärisches Potential, sondern allein Jhwh ist in der Lage, sein Volk zu befreien (jlm hiph.). In Jes 20,1 – 6 tritt Jhwh zwar nirgendwo explizit als Gewalttäter in Erscheinung, doch bildet Kriegsgewalt den Hintergrund, von dem her die prophetische Zeichenhandlung zu deuten ist. In der Inszenierung wird statt brutaler Kampfszenen der psychologische Aspekt betont: Kriegsdeportation, Demütigung und Scham bringen das Unvermögen der Ägypter und Kuschiter zum Ausdruck, eine verlässliche militärische Hilfe zu sein. Demgegenüber weist der Text auf subtile Weise Jhwh als diejenige Instanz aus, von der allein Rettung angesichts militärischer Bedrohungen zu erwarten ist. 83 W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 208.

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4.2.3 Göttliche Gewalt im zweiten Teil der Fremdvölkersprüche (Jes 21 – 23) Die zweite Sammlung von Völkerorakeln (Jes 21 – 23) unterscheidet sich in mehrfacher Hinsicht von der ersten: Einige Sprüche richten sich gegen fremde Völker, die nur vage identifiziert werden (Jes 21,1: »Wüstenmeer«; 21,11: »Duma«). Die Sammlung beinhaltet darüber hinaus auch ein Orakel gegen Jerusalem (Jes 22,1 – 14) sowie Prophetien über zwei Beamte am judäischen Königshof (V.15 – 2584). Unter formalen Gesichtspunkten sind die Sprüche tendenziell kürzer und aufgrund zahlreicher semantischer und struktureller Inkohärenzen schwerer zu deuten und diachron zu verorten. »Im Übrigen scheint auch der Aufbau des zweiten Teils der Reihe (Jes 21 – 23) weniger planmäßig zu sein als der erste Teil (Jes 13 – 19 […]).«85 Im Hinblick auf die gewalthaltigen Gottesbilder setzt sich die Tendenz fort, dass Jhwh nur selten als aktiver Gewalttäter in Erscheinung tritt. In den meisten Fällen wird (Kriegs)Gewalt durch Notizen oder Kommentare auf Jhwh und sein Wort zurückgeführt (z. B. 21,16). Auf solche Abschnitte wird nur dann genauer eingegangen, wenn sie Aspekte bereithalten, die über das bereits Erarbeitete hinausgehen.

4.2.3.1 Der Wächter verkündet den Fall Babels und ihrer Götter (Jes 21) Der Auftakt zur zweiten Serie an Fremdvölkersprüchen erfolgt in Jes 21,1 – 10 mit einem Lastspruch über die »Wüste des Meeres« (~y-rbdm afm, V.1a). Die enigmatische Formulierung hält die Identität der Adressaten lange Zeit in Schwebe. Erst gegen Ende wird offenbar, dass die zweite Spruchsammlung ebenfalls mit einer Vision über den Untergang Babylons eröffnet (lbb hlpn, V.9). Retrospektiv liest sich die Adressatenangabe in der Orakelüberschrift als »eine Deutung Babylons, wie es sein wird«86. Über die Adressatenfrage hinaus hält der Lastspruch zahlreiche weitere Schwierigkeiten bereit87: »Jes 21,1 – 10 gehört zu den inhaltlich rätselhaftesten Texten des AT«, was daran liegen mag, dass »keinerlei Textkohärenzen die Lektüre steuern«88. Der Spruch changiert stakkatoartig89 zwischen Gottesrede (V.2b.6b–7) und Prophetenwort (V.2a.8 – 10), gibt aber auch Einblicke in die Gefühlsregungen des Propheten (V.3 f.). Da dieser 84 In diesen Orakeln finden sich zwar auch Gewaltdarstellungen (V.17 – 19). Da diese aber eine Einzelfigur betreffen und kein kriegerischer Hintergrund auszumachen ist, wird auf die Sprüche gegen Schebna und Eljakim im Rahmen dieser Studie nicht näher eingegangen. 85 W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 289. 86 U. Sals, Biographie, 288. 87 Vgl. J. Blenkinsopp, Jes 1 – 39, 325. Eine Auswahl an weiteren offenen Fragen bietet H. Wildberger, Jes 13 – 27, 767 f. 88 U. Sals, Biographie, 277. 89 Vgl. W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 220.

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»unbestimmt-geheimnisvolle Stil gewollt ist«90, zeichnet sich bei der diachronen Einordnung kein Forschungskonsens ab. Die Erwähnung der Meder und Elamiter (V.2) bildet »the most important piece of evidence within the text as to its historical background and date«91. Semantische Überlegungen92 und inhaltliche Argumente (der Untergang Babylons als Hauptthema) sprechen gegen eine Abfassung durch den historischen Propheten. Eine genauere Eingrenzung bleibt jedoch spekulativ, denn »Babylon fell many times before becoming, for a while, the center of the world empire of Alexander the Great«.93 A. Macintosh votiert in seiner Studie zu Jes 21 für eine palimpsestartige Adaption des Spruches in assyrischer und babylonischer Zeit.94 Auf intratextueller Ebene lässt sich das Orakel vor dem Hintergrund des ersten Babel-Orakels lesen (Jes 13 f.).95 So kommt der Untergang Babylons in den Fremdvölkersprüchen gleich zwei Mal zur Darstellung.96 In beiden Texten geht es um eine militärische Eroberung, die sich auf göttliche Initiative hin vollzieht. Trotz zahlreicher Kontinuitäten weist das gewalthaltige Gottesbild in beiden Texten aber unterschiedliche Schwerpunktsetzungen auf. Während Jhwh die Eingangsszene von Jes 13 als Feldherr beherrscht, ist seine Präsenz in Jes 21 nur angedeutet. Darüber hinaus ist auch die »Beschreibung des militärischen Eingreifens […] äußerst dürftig«97. Jhwh tritt zwar erst in V.6 explizit als Sprecher in Erscheinung, doch ist er schon in V.2 zumindest indirekt präsent: Denn die vox prophetae berichtet, eine »harte Schauung« (hvq twzx) verkündet bekommen zu haben (dgn hoph.), die wohl von Jhwh selbst stammt: »Der Treulose handelt treulos und der Verwüster verwüstet!« (ddwvhw dgwb dgwbh ddwv). Dabei fällt auf, dass in beiden Babelsprüchen dem Gewalthandeln über ein Wortspiel literarische Repräsentanz verliehen wird. Das zweite Lexem (ddv), welches zweifellos zum Wortfeld des Krieges gehört (vgl. Jes 15,1; 16,4; 23,1.14; 33,1), erinnert sogar semantisch an die »Vernichtung des Vernichters« (ydvm dv), welche die Menschen am Jhwh-Tag in Schrecken versetzt (vgl. 13,6). Zwar wohnt auch der »harten Schauung« ein bedrohlicher Charakter inne, doch beschreibt der Prophet hier nicht die Verübung göttlicher Gewalt.98 Denn die

90 H. Wildberger, Jes 13 – 27, 768. 91 A. A. Macintosh, Isaiah XXI, 14. 92 H. Wildberger, Jes 13 – 27, 771 zeigt auf, dass die Semantik von Jes 21 nur wenige Bezüge zu Texten jesajanischen Ursprungs herstellt. 93 J. Blenkinsopp, Jes 1 – 39, 326. 94 Vgl. A. A. Macintosh, Isaiah XXI, 116 – 130. 95 Siehe U. Sals, Biographie, 281 – 283. 96 Zum Phänomen der Babylonisierung in den Völkersprüchen siehe U. Berges, Buch, 154 – 159. 97 W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 229. 98 Gegen R. Scholl, Gottes Thronrat, 60.

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Wurzel 99dgb wird im Jesajabuch ausschließlich negativ verwendet und sonst nie von Jhwh hervorgerufen.100 In Jes 33,1, wo die Lexeme dgb und ddv ein weiteres Mal gemeinsam belegt sind, ist dem treulosen Verwüster sogar ein eigenes WeheOrakel gewidmet. Jes 21,2 verweist mit diesen beiden Termini wohl auf das exzessive Gewalthandeln Babylons, gegen das Jhwh in weiterer Folge einschreitet, indem er fremde Völker auf den Plan ruft. Folgt man dieser Deutungslinie, kommt es im Verlauf von V.2 zu einem abrupten Subjekts- und Perspektivwechsel. Denn in V.2b fordert nunmehr Jhwh die Elamiter und Meder zur Verübung von Kriegsgewalt auf. Sein erklärtes Ziel besteht darin, »all ihrem Seufzen« (htxna) ein Ende zu bereiten (tbv hiph., vgl. 13,11; 16,10). »Im letzten Satz der Audition […] ist plötzlich von Gott die Rede als demjenigen, der […] die militärische Aktion in Gang setzt«101, auch wenn noch offen bleibt, wessen Seufzen Jhwh beenden will. In der Auslegungsgeschichte ergeben sich dafür nach A. Macintosh mehrere Alternativen: »are they those [last sighs] of Babylon […], or of those who sigh over her or of those who have been made to sigh because of her oppression […]?«102 Während Medien bereits in Jes 13,17 die Funktion als Jhwhs Kriegswerkzeug übernommen hat, ergeht nun auch an Elam der Befehl, hinaufzuziehen (103hl[). Bei diesem Verb handelt es sich um einen atl Kernbegriff für die Kampfaufforderung (z. B. Jer 46,9; 50,21; Jorl 4,9.12).104 Die Alliteration zwischen den Berufenen und dem Befehl (~ly[/yl[) scheint andeuten zu wollen, dass Elam für einen militärischen Angriff prädestiniert ist. Die Meder werden hingegen zur Belagerung (rwc, z. B. 1 Sam 23,8; Ez 4,3; Dan 1,1) abkommandiert, womit Jhwh sogar eine konkrete Kriegstaktik ausgibt. Obwohl der Belagerungskrieg eine der häufigsten Formen der altorientalischen Kriegsführung darstellt, wird er im Jesajabuch nur selten explizit zur Darstellung gebracht: In Jes 22 werden fremde Völker Jerusalem mit Wagen, Kavallerie sowie Fernkampfeinheiten belagern und gegen das Stadttor Stellung beziehen (vgl. 22,5 f.). In Jes 29,3 droht Gott der Stadt mit einer Blockade und gibt dabei Einblick in technische Details der Belagerungstechnik: Die Stadt wird eingeschlossen (rwc), indem sie im Kreis belagert wird (rwdk hnx). Mithilfe von Bollwerken (bcm) und Belagerungsgerät (twrcm) 99 Die Wiedergabe von dgb mit »rauben«, die von den meisten modernen Übersetzungen favorisiert wird, basiert vor allem auf der Lesung des Tg (zzb), während 1 QJesa die MTLesung dgb stützt und die LXX (o amolym amolei) eher für eine Übersetzung mit »treulos handeln« spricht. 100 Vgl. A. A. Macintosh, Isaiah XXI, 11 f. 101 W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 224. 102 A. A. Macintosh, Isaiah XXI, 15. 103 In kriegerischer Absicht ist dies etwa auch der Fall in Jos 8,1; 10,4; 2 Sam 5,19; 1 Kön 22,6; Jer 49,28; 50,21. Ein göttlicher Befehl zum Feldzug gegen Jerusalem ergeht auch in Jes 36,10, dort allerdings aus dem trügerischen Mund des Rabschake. 104 P. Riede, Feindmetaphorik, 94.

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versucht man, sich gewaltsam Zutritt zu verschaffen. Jes 36 f. schildert ausführlich die Belagerung Jerusalems durch die Assyrer und die dazugehörigen Vorgänge innerhalb und außerhalb der Stadt. Einen essentiellen Bestandteil bilden geschickte Verhandlungen (vgl. 36,4 – 10; 37,9b–13), in denen die psychologische Kriegsführung eine zentrale Rolle spielt (vgl. 36,10; 37,11 – 13).105 Während Jes 37 mit der wundersamen Errettung der Stadt durch Jhwh ihren narrativen Höhepunkt erreicht (V.36 f.), werden in Jes 21 keinerlei Kampfhandlungen geschildert. Auch bleibt in V.2 (noch) offen, gegen wen die Völker eigentlich in den Kampf ziehen sollen. Denn V.3 f. konzentrieren sich auf die psychische und physische Erregung, die das Orakel im Propheten auslöst. Allein V.5 lässt sich als Blitzlicht auf die Kriegsvorbereitungen deuten: Noch mit Arrangements zu einem Festmahl beschäftigt (V.5a), werden die Obersten (~yrf, als Heerführer vgl. Jes 3,3; 31,9) zu den Waffen gerufen.106 Die Identität von Sprecher und Adressatenkreis geht aus dem enigmatischen Text zwar nicht explizit hervor. Liest man den Text allerdings von V.9 her, reagieren hier die Babylonier auf den elamitisch-medischen Angriff. Mit ~wq ergeht auch an sie eine Aufforderung zum Kampf (vgl. yrwc, yl[, V.2).107 Dass der Text die Angesprochenen ausgerechnet zum Schild (!gm) greifen lässt, verdeutlicht ihre Ausgangslage: Während Elam und Medien in V.2 angreifen (rwc), steht Babylon in einem Defensivkrieg. Die Aufforderung zur Schildsalbung (wxvm, vgl. 2 Sam 1,21) könnte auf eine Waffenweihe hinweisen.108 Ein solcher Ritus ist allerdings nirgendwo sonst im Alten Testament belegt. Wahrscheinlich steht eher der praktische Nutzen im Vordergrund: Das Öl kommt zum Einsatz, damit entweder »das Lederzeug geschmeidig sei und die Riemen nicht einschneiden«109 oder um »ein Platzen beim Auftreffen einer Wurf-, Stich- oder Schusswaffe zu verhindern«110. Die knappe Notiz gibt aber keine Details über die weiteren Kriegsvorbereitungen preis. Der scharfe Kontrast zwischen Gastmahl (V.5a) und Marschbefehl (V.5b) verdeutlicht möglicherweise das Überraschungsmoment des feindlichen Angriffes. Babylon scheint mit der Attacke nicht gerechnet zu haben. So unvermittelt sich der Blick auf die Kriegsvorbereitungen gerichtet hat, so schnell wird das Feindesland auch wieder verlassen. In V.6 f. tritt Jhwh das erste Mal namentlich in Erscheinung und befiehlt 105 Zum Aspekt der Kriegsrhetorik siehe B. Obermayer, Herrscher und KriegstheologInnen, 99 – 102. 106 Vgl. H. Wildberger, Jes 13 – 27, 778. 107 Auch das »Aufstehen« (~wq) gehört zum Standardvokabular des Krieges; vgl. P. Riede, Feindmetaphorik, 37 – 40; R. Bach, Aufforderung, 63. 108 So die Deutung von G. Fohrer, Jes 1 – 23, 242 mit dem Verweis darauf, dass xvm »durchweg das der Weihung dienende Salben« meint. 109 K. Marti, Jes, 163. 110 O. Kaiser, Jes 13 – 39, 103.

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einem Wächter (hpcm), hinter dem sich wohl die Figur des Propheten verbirgt111, das von ihm Geschaute zu verkünden (dgn, vgl. V.2). Dass vom Wächter besondere Aufmerksamkeit gefordert wird (V.7: 3x bvq), wenn er Kriegswagen und den dazugehörigen Tross aus Eselkarren und Kamelen erblickt, ist verständlich: Es könnte sich um gegnerische Truppen handeln, gegen die es sich zu verteidigen gilt. Nach der Zusicherung, Tag und Nacht auf der Wachposition zuzubringen (V.8), tritt mit V.9 der Ernstfall tatsächlich ein, auf den die Szene zuläuft112 : Ein Kriegszug aus Wagen (bkr), Soldaten (vya) und Pferdegespannen (~yvrp dmc) gerät in Sichtweite. Daraufhin bricht die alles entscheidende Botschaft hervor : Der prophetische Wächter verkündet den Untergang Babylons (Jes 21,9)113 Und siehe da, es ist gekommen, ein Wagenzug von Männern, ein Pferdegespann. Und er stimmte an und sprach: »Gefallen, gefallen ist Babel, und alle Bilder seiner Götter hat man zu Boden geschmettert.«

Die emphatische Proklamation des babylonischen Untergangs114 lüftet das Geheimnis um die Identität des Fremdvolkes, dessen Schicksal in einem harten Gesicht offenbart wurde. Der »treulose Verwüster« aus V.2 war niemand geringerer als Babel, gegen das Elam und Medien in den Krieg zogen und offensichtlich siegreich hervorgegangen sind. Von den Kampfhandlungen selbst wird nichts berichtet, »sicher ist nur Babylons militärische Besiegung«115. Die Emphase liegt ganz und gar auf der Zerstörung des Erzfeindes. Die Vernichtung kommt durch das Lexem lpn »in der Sprache der Totenklage«116 zum Ausdruck, wie sie für die Stadtuntergangsklagen typisch ist (z. B. Am 5,2; Sach 11,2; Klgl 1,7; 2,21). Von einer Klage kann aber in Jes 21,9 keine Rede sein! Das Zerbrechen (rbv) klingt wie ein Echo auf das erste Babel-Orakel, wo Gott den babylonischen Herrscherstab zertrümmerte (14,5). Die Perfektformen in der prophetischen Proklamation (Jes 21,9) verleihen der Botschaft eine besondere Spannung: »Was

111 Vgl. G. Fohrer, Jes 1 – 23, 239 f. 112 Dies unterstreicht die Einleitung mit hz-hnhw! 113 Die unpersönliche Wiedergabe (»man«) kann sich auf die Pluralformen in den übrigen Texttraditionen stützen (vgl. 1 QJesa : wrbv ; LXX: sumetqibgsam; Tg: !wqdqdy ; Vg: contrita sunt). 114 Vgl. R. E. Clements, Isaiah 1 – 39, 179: »The repetition of the verb, which is not followed by the LXX, heightens the dramatic effect.« 115 U. Sals, Biographie, 285. 116 W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 227.

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

der Seher geschaut hat, liegt zwar erst in der Zukunft, steht aber bereits als vollzogene Wirklichkeit fest.«117 Die Darstellung der Zerstörung erhält in Jes 21,9b eine alternative Schwerpunktsetzung, die in der Auseinandersetzung mit Babel bislang nicht zum Vorschein kam. Denn während Jes 13 f. den Niedergang der Babylonier am Beispiel ihres Herrschers abhandelte und über die Involvierung fremder Gottheiten schwieg, zieht Jes 21 die theologischen Konsequenzen aus dem Untergang der Weltmacht: Mit Babel sind auch »ihre Gottheiten« (hyhla) gefallen! Dabei handelt es sich überhaupt um eine der wenigen Notizen im Jesajabuch, in denen der militärische Konflikt mit einem fremden Volk (vgl. 21,2) mit dem Diskurs über die Stärke und Macht fremder Gottheiten verknüpft wird. Der Kriegsausgang zeitigt für die babylonischen Götter gewaltsame Konsequenzen, denn der Fall von Babel geht mit der Zerstörung all ihrer Standbilder (~ylysp-lk) einher. In der Forschung wird zwar zu Recht angemerkt, dass hier die dtjes Götzenthematik anklingt (vgl. Jes 46,1 f.).118 Der Ton, in dem der Götzendiskurs geführt wird, unterscheidet sich jedoch wesentlich: Während Jes 40 – 55 den Akzent auf die Machtlosigkeit und Nichtigkeit (spa, z. B. 41,29; 45,6; 46,9) der fremden Gottheiten legen, ohne dabei auf gewalthaltiges Vokabular zu rekurrieren119, spricht Jes 21,9b explizit von der gewaltsamen Zerstörung der Götterbilder (120rbv)! Wenn der Prophet abschließend das eigene Volk als »mein Zerdroschenes« (ytvdm) und »Sohn meiner Dreschtenne« (ynrg-!b) anspricht, ist »hier […] der Untergang Judas und Jerusalems in babylonischer Zeit vorausgesetzt«121. Demzufolge muss auch Israel in Jes 21 auf eine Geschichte der erlittenen Gewalt zurückblicken.122 Während der Prophetenspruch in Jes 28,24 – 29 zum Schluss kommt, dass das Jhwh-Volk nicht fortwährend vom Drescher gedroschen werden wird (wnvwdy vwda xcnl al), soll offensichtlich auch der Ausblick auf die Zerstörung Babylons in Jes 21,10 dem geschundenen (»gedroschenen«) Volk als Hoffnung dienen. Der knappe afm-Ausspruch gegen Duma (Jes 21,11 f.), der sich über das Wächtermotiv (rmwv) an den zweiten Babelspruch anschließt (vgl. trwmvm, V.8)123, spiegelt weder Gewaltaktionen wider, noch ist von Jhwh oder seinem Handeln 117 118 119 120

H. Wildberger, Jes 13 – 27, 784. Vgl. K. Schmid, Jes 1 – 23, 152; U. Sals, Biographie, 286. Siehe dazu N. MacDonald, Monotheism. R. Martin-Achard, Esae, 97 versteht Jhwh als implizites Subjekt des Satzes. So ist es für ihn »¦vident que c’est Yahv¦ qui conduit les ¦v¦nements« (ebd.). 121 K. Schmid, Jes 1 – 23, 152. 122 Vgl. J. Blenkinsopp, Jes 1 – 39, 327: »The agrarian image is no longer immediately recognizable to most of us, but it is a violent image of crushing, flailing, and pulverizing.« 123 Vgl. W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 231.

Gottes Gewalt gegen die Völker und die gesamte Erde (Jes 13 – 27)

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die Rede. Im Kedar-Orakel (Jes 21,13 – 17) fliehen die Araber vor der »Wucht des Krieges« (hmxlm dbk, vgl. Ri 20,34; 1 Sam 31,3; 1 Chr 10,3), die sich im gezückten Schwert (Nahkampf) und dem gespannten Bogen (Fernkampf) zeigt. Das Geschehen wird nur indirekt auf Jhwh, die Gottheit Israels (larfy-yhla, vgl. 17,6; 21,10; 22,25), und dessen wirkmächtige Rede (vgl. rbd […] hwhy, vgl. 16,13 f.; 20,2) zurückgeführt (vgl. V.17).

4.2.3.2 Jerusalem teilt das Schicksal der Völker (Jes 22) Der Lastspruch in Jes 22 ist der Überschrift nach an ein nicht näher identifiziertes »Tal der Schauung« (!wyzx ayg) adressiert. Dieses wird aber im Textverlauf nach und nach in der unmittelbaren Umgebung von Jerusalem lokalisiert.124 Die jesajanische Sammlung von Fremdvölkersprüchen beinhaltet somit auch ein Orakel, das sich an das eigene Volk richtet. Das Kapitel erscheint dadurch auf den ersten Blick in seinem literarischen Kontext als eine erratische Größe, »doch wird somit die Lesehaltung aufgebrochen, das Unheil gegen die Völker würde ipso facto Heil für Israel bedeuten«125. In Jes 13 – 27 beschränkt sich die göttliche Gewalt eben nicht auf fremde Nationen (allen voran Babylon), sondern erstreckt sich auch auf das eigene Volk. Da auf Jhwh zurückgeführte Kriegsgewalt vor allem im ersten Teil (22,1 – 14) zur Darstellung kommt, ist dieser Abschnitt genauer zu beleuchten. In der zweiten Kapitelhälfte (V.15 – 25) verkündet der Prophet einzelnen Beamten der Jerusalemer Führungsschicht göttliches Unheil (V.17 – 19.25). Jes 22,1 – 14 lässt sich in 3 Strophen gliedern: In V.1b–3 wird die Stadt auf ihre prekäre Situation angesprochen, woraufhin V.5 – 8a die Belagerung durch Elam und Kir schildern und als Jhwh-Tag deuten. Der dritte Teil (V.8b–11) beschreibt die aus Sicht des Propheten unzulänglichen Verteidigungsmaßnahmen, die »an jenem Tag« (awhh ~wyb, V.8b; vgl. V.5) im Inneren der Stadt vorgenommen werden. Zudem pervertiert die Jerusalemer Bevölkerung die von Gott »an jenem Tag« (awhh ~wyb, V.12) angeordneten Trauer- und Klageriten (V.12) in Frohsinn und Freude (V.13). Dies brandmarkt der Prophet abschließend im Namen Jhwhs als Schuld (!w[), die bis zu ihrem Tod nicht gesühnt werden wird. Die Belagerungssituation, die den ursprünglichen Hintergrund des in mehreren Redaktionsstufen entstandenen Orakels bildet, wird von der Forschung unterschiedlich verortet: Zur Diskussion stehen sowohl die Niederschlagung des Aufstandes von Aschdod gegen die Assyrer 713 – 711 v. Chr. (bes. V.1b–3126), die Belagerung 124 Vgl. V.4: »Tochter meines Volkes«; V.8: »Schutz Judas«; V.9: »Stadt Davids«; V.10: »Häuser Jerusalems«. 125 U. Berges, Jesaja, 76. 126 Vgl. Ders., Buch, 148 f.; J. Vermeylen, Du prophÀte I, 333 f.

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Jerusalems durch Assur 701 v. Chr. (bes. für V.1b–4.12 – 14127), sowie durch die Babylonier 586 v. Chr. (bes. V.4.8b–11128). Zu Beginn der ersten Strophe wird ein nicht näher identifiziertes Gegenüber befragt, warum »deine Gesamtheit« auf die Dächer gestiegen sei ($lk tyl[-yk twggl). W. Beuken hat durch einen semantischen Vergleich überzeugend dargelegt, dass hier nicht – wie oftmals angenommen – gegen einen exzessiven Freudenrausch Stellung bezogen wird.129 Denn das Dach (gg) bildet im AT meist den letzten Zufluchtsort in buchstäblich ausweglosen Krisensituationen (z. B. Jos 2,6.8; 1 Sam 9,25 f.; Ps 102,8), weshalb »diese Verse […] die Hilflosigkeit der Stadtbevölkerung schildern«130. Nach V.2 f. muss es sich um jene Bevölkerungsteile der einst »tobenden« und »ausgelassenen« Stadt handeln, die (noch) nicht vom Schwert durchbohrt (llx) oder im Krieg getötet wurden (hmxlm ytm). Damit wird zwar festgehalten, dass die Toten nicht durch direkte, physische Gewalteinwirkung ums Leben kamen, doch steht die Stadt zweifelsohne am Rande einer militärischen Katastrophe. All ihre Anführer sind bereits geflohen (drn, xrb) und alle in der Stadt aufgegriffenen Personen in Kriegsgefangenschaft geraten (rsa). Daher zeigt sich der Prophet in V.4 über die »Verwüstung« (dv, vgl. 13,6; 16,4; 51,19; 60,18) der »Tochter meines Volkes« ähnlich bestürzt und untröstlich, wie Jeremia in Jer 8,21 – 23 oder die Klagelieder über »den Zusammenbruch der Tochter meines Volkes« (ym[-tb rbv, Klgl 2,11; 3,48; 4,10). Damit wird zwar deutlich gemacht, dass Jerusalem unter einer massiven militärischen Auseinandersetzung leidet. Doch geht aus der Darstellung nicht explizit hervor, wer für die Katastrophe verantwortlich ist. Dies ändert sich schlagartig in der zweiten Strophe (V.5 – 8a). Denn nach V.5a ist die zuvor beschriebene Notsituation die unausweichliche Folge eines Tages der »Bestürzung« (hmwhm), »Zertretung« (hswbm) und »Verwirrung« (hkwbm), der von Jhwh Zebaoth über die Stadt verhängt wurde. Die beiden letzten Begriffe werden im AT selten zur Beschreibung von Gewalt (hswbm, Jes 18,2.7) und deren Folgen (hkwbm, Mi 7,4) verwendet. »Sie verleihen dem Tag JHWHs den Charakter eines Geschehens, das kaum in Worte zu fassen ist.«131 Die »Bestürzung« (hmwhm) gehört hingegen zu den Folgen des göttlichen Eingreifens, wie sie in Erzählungen der Jhwh-Kriege mehrfach geschildert werden (z. B. Dtn 7,23; 28,30; 1 Sam 5,9; 14,20). Sach 14,13 übernimmt das Motiv der »Verwirrung durch Jhwh« (hwhy-tmwhm) und steigert das Kriegsszenario dahingehend, dass »an jenem Tag« 127 Vgl. etwa O. Kaiser, Jes 13 – 39, 113 f. 128 Vgl. R. E. Clements, Jes 1 – 39, 182. 129 So die ältere Forschung, z. B. H. Wildberger, Jes 13 – 27, 816; E. Bosshard-Nepustil, Rezeptionen, 45; M. Sweeney, Jes 1 – 39, 290. 130 W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 251. 131 Ebd., 253.

Gottes Gewalt gegen die Völker und die gesamte Erde (Jes 13 – 27)

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(awhh ~wyb) sogar Juda gegen die eigene Hauptstadt kämpfen wird (~xlt hdwhy-~gw ~lvwryb, V.14)! Auch in Jes 22 wird die Einnahme Jerusalems unter göttliche Vorzeichen gestellt, noch bevor die eigentlichen Kriegsereignisse geschildert werden, die zur Eroberung der Stadt führen.132 Analog zu Sach 14 entlädt sich der von Gott über Jerusalem verhängte Tag militärisch, wofür Jhwh in Jes 22 fremde Völker in Dienst nimmt.

Abb. 5: Bogenschützen gehen hinter Schildträgern in Stellung

Wie schon im Spruch gegen Babylon (Jes 21) sind die Elamiter auch bei der Belagerung von Jerusalem federführend beteiligt (V.6). Das Volk erscheint vor den Toren der judäischen Hauptstadt mit erhobenem Köcher, Kriegswagen und Reitern. Mit Kir nimmt ein weiteres altorientalisches Volk am Feldzug gegen Juda teil. Über ein gemeinsames militärisches Engagement der beiden Völker in Juda ist historisch zwar nichts bekannt.133 Sie könnten höchstens bei der Belagerung Jerusalems als Hilfskontingente der Assyrer134 oder der Babylonier135 gedient haben. »Aber vielleicht darf man die historischen Informationen hinter diesem Vers nicht allzu stark gewichten und Elam hat hier nur insofern eine 132 133 134 135

Vgl. H. Wildberger, Jes 13 – 27, 817. Vgl. K. Schmid, Jes 1 – 23, 156. So H. Wildberger, Jes 13 – 27, 818 f. So nach J. Blenkinsopp, Jes 1 – 39, 334 f.

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Funktion, als es für die Bogenschützen seines Heeres berühmt war.«136 Die von Kir enthüllten Schilde137 könnten den elamitischen Bogenschützen als Schutz dienen, wie dies in der altorientalischen Kriegsführung gängige Praxis war (siehe Abb. 5).138 Nach V.7 füllen die feindlichen Kriegswagen bereits die »auserlesensten« (rxbm), d. h. die strategisch wertvollsten Täler und gehen vor dem Stadttor in Position, das den empfindlichsten Punkt von Verteidigungsanlagen darstellt. »Wenn Wagen und Rosse […] am Tor Stellung beziehen, ist kaum noch ein Entrinnen möglich.«139 Die Konsequenz ist nach V.8a, dass der »Schutz Judas« ($sm wörtl. »Decke/Vorhang«; vgl. Ex 26,36; 2 Sam 17,19) entblößt wird (hlg pi.). Zu einer solchen Enthüllung (hlg pi.) wird im Jesajabuch nur mehr die Tochter Babel (vgl. ym[-tb, 22,4) aufgerufen ($tmc ylg, 47,2). In Jes 22,8 vollzieht die Entblößung ein nicht näher identifiziertes Subjekt (3. Sg. m), hinter dem sich Jhwh verbergen könnte (vgl. V.5).140 Doch kommt es zur Eroberung der Stadt, ohne dass konkrete Kampfhandlungen geschildert werden. Mit V.8b kehrt das Orakel zeitlich »an jenen Tag« (awhh ~wyb) zurück, den V.5a als von Jhwh verhängten Schicksalsschlag einführte. Zugleich verschieben sich Perspektive und Sprechrichtung (2. Sg. m., V.8b ! 2. Pl. m., V.9 – 11). Im Zentrum stehen nun jene Vorbereitungen, mit denen sich die belagerte Stadt zu verteidigen sucht: Waffenarsenale werden genau inspiziert (jbn, V.8b), fehlerhafte Stellen ([yqb »Riss/Spalt«141) in den Verteidigungsanlagen gesichtet (V.9) und Häuser in Mauernähe abgerissen, um den Wall unzugänglich zu machen (rcb pi., V.10; vgl. Jer 51,53) und so den feindlichen Vorstoß zu erschweren. Zu den militärischen Vorkehrungen kommen Maßnahmen, die dem Schutz der Zivilbevölkerung dienen: Durch das Zählen der Häuser (~ytb rps, Jes 22,10) ermittelte man möglicherweise die Raumkapazität zur Unterbringung u. a. von Lebensmittelreserven oder Flüchtlingen.142 Da die eingeschlossene Bevölkerung vor allem mit ausreichend Wasser zu versorgen ist, nimmt die Frischwasserspeicherung einen besonderen Stellenwert ein (vgl. V.9). Dazu wird offensichtlich sogar ein neues Reservoir (hwqm) angelegt (vgl. V.11a). Mit all diesen Vorkehrungen beschäftigt, übersehen die Angesprochenen den alles entscheidenden Faktor im Krieg: die eigene Gottheit, Jhwh. Während die Waffen genau inspiziert (jbn) und die zahlreichen Risse in der Davidstadt ge136 W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 254. 137 Sowohl Schilde als auch Köcher wurden im Alten Orient in speziellen Schutzhüllen aufbewahrt und transportiert; siehe dazu R. Borger, Bogenköcher. 138 Vgl. W. Mayer, Kriegskunst, 468. 139 P. Riede, Feindmetaphorik, 46. 140 So J. Blenkinsopp, Jes 1 – 39, 335 und andeutungsweise H. Wildberger, Jes 13 – 27, 807; W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 255. 141 Siehe dazu ausführlich J. A. Emerton, Notes. 142 Vgl. H. Wildberger, Jes 13 – 27, 823.

Gottes Gewalt gegen die Völker und die gesamte Erde (Jes 13 – 27)

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sehen werden (har), blicken (jbn/har) die Bewohner nach V.11b nicht auf denjenigen, der es bewirkt (hyf[) und von Ferne (qwxrm) gebildet (rcy) hat. Damit erweist sich Jhwh als Urheber der kriegerischen Zerstörung und darüber hinaus – obgleich das Leitwort #[y in Jes 22 nicht fällt – »wie auch sonst in der […] Geschichtsdeutung Jesajas – als der Herr des Geschehens«143. Die Anklage lautet auf Missachtung der Tatsache, dass Gott für die beschriebene militärische Bedrohung verantwortlich ist und so auch für die entscheidende Wende im Geschick seines Volkes sorgen kann. 4.2.3.3 Der Sturz von Tyrus vollendet JHWHs Plan über die Völkerwelt (Jes 23) Der Spruch gegen Tyrus (Jes 23) beschließt die Fremdvölkerorakel und knüpft in seinem Gottesbild an zahlreiche gewalthaltige Aspekte an, die in den vorherigen Sprüchen aufgerufen wurden. Unter diesem Blickwinkel erscheint das göttliche Gewalthandeln gegen Tyrus wie ein semantisches Mosaik, das die Teilkomposition – mit zum Teil scharfen Ecken und Kanten – beschließt. Das Orakel gegen das Seefahrervolk, dessen Macht und Größe weniger auf militärischer Stärke als auf dem über den Fernhandel gewonnenen Reichtum basiert, lässt sich in 2 Hauptteile gliedern: Den ersten Abschnitt (V.1 – 14) beherrschen Klage und Jammer über die Vernichtung der phönizischen Städte Tyrus (V.1.5.8.15.17) und Sidon (V.2.4.12), während V.15 – 18 eine künftige Wiederherstellung von Tyrus in den Blick nehmen. Über die Frage, welche zeitgeschichtlichen Ereignisse144 im Hintergrund des Orakels stehen, zeichnet sich kein Forschungskonsens ab.145 Der literarische Befund gibt wie häufig in den Fremdvölkerorakeln nur spärliche Hinweise: »Although it is evident that the oracle […] refers to a recent disaster that had befallen these cities (most likely a siege and/or a military defeat), it has not been possible to determine the historical setting with any certainty. Suggestions range between the 8th and the 3rd century.«146 Nach W. Beuken gehört dies im Sinne der Teleskopie zum theologischen Konzept des Abschlussorakels: »Tyros und Sidon wurden mehrfach durch die aufeinander folgenden Weltmächte Assur, Babel und Persien […] unterworfen, aber in theologischer Hinsicht gehört dies alles zu einem einzigen Geschehen.«147 Dass dahinter einzig und allein Jhwh steht, davon legt besonders

143 F. Hartenstein, Tosen, 152. 144 Dazu ausführlich H.-P. Müller, Phönizien und Juda, 191 – 200. 145 Eine Zusammenstellung der verschiedenen Positionen, die von der neuassyrischen Epoche bis in die hellenistische Zeit reichen, finden sich bei R. E. Clements, Jes 1 – 39, 191 f. 146 Vgl. G. Eidevall, Prophecy and Propaganda, 161. 147 W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 307; vgl. K. Schmid, Jes 1 – 23, 160: »Jes 23 wäre also ein Beispiel mehr unter vielen im Jesajabuch, das die Möglichkeit des Transfers eines pro-

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

das Zentrum des Schlussorakels (V.8 – 14) ein eindrucksvolles Zeugnis ab. Es beschreibt jene göttlichen Gewalthandlungen, die zur Vernichtung von Tyrus und Sidon führten. In der ersten Strophe (V.1 – 7) wird der Untergang der Städte ausführlich beklagt: Das »Heulen« (llx, V.1.6.14) rahmt bzw. strukturiert den Abschnitt und klingt wie ein Echo auf 13,6, wo zur Klage angesichts des nahenden Jhwh-Tages aufgerufen wird. Es hallen aber auch all jene Klagerufe wider, die die übrigen Nachbarvölker angesichts ihres militärischen Untergangs erhoben haben bzw. anstimmen sollten (Philistäa: Jes 14,31; Moab: 15,2 f.; 16,7). Die Rahmenverse zeigen, dass es auch bei den Phöniziern eine massive Niederlage zu betrauern gibt: Die heimkommenden Tarschisch-Schiffe erreicht die grausame Kunde, dass in Tyrus sowohl Zivilgebäude (tyb, V.1) als auch militärische Schutzbauten (zw[m, V.14) verwüstet wurden (ddv pu., V.1.14; vgl. Jes 15,1 sowie 13,6!; 16,4; 21,2; 33,1). Dass sich neben den eigenen Bewohnern und Kaufleuten selbst die Ägypter bei dieser Kunde vom Grauen gepackt winden (llx, V.5; vgl. Jes 13,8), ist »bei der durch alle Zeiten hindurch engen Beziehung mit diesem Lande fast selbstverständlich«148. Die Ägypter könnten schließlich die nächsten potentiellen Opfer sein, die ein solches Schicksal ereilt. Die zweite Strophe (V.8 – 14) gibt Einblick in die Hintergründe der Zerstörung. Sie beginnt mit jener entscheidenden Frage, die in der Beschreibung bisher unbeantwortet blieb: Der göttliche Plan über Tyrus und seine verheerenden Auswirkungen (Jes 23,8 f.11 f.) 8

Wer hat dies beschlossen, über Tyrus, die Kronenspenderin, deren Händler Fürsten, deren Kaufleute die Geehrten der Erde waren? 9 Jhwh Zebaoth hat es beschlossen, um den Hochmut aller Zierde zu entweihen, um über alle Geehrten der Erde Schmach zu bringen. […] 11 Er hat seine Hand über das Meer ausgestreckt, hat Königreiche erzittern lassen. Jhwh hat über Kanaan geboten, seine Festungen zu verheeren. 12 Und er sprach: »Du sollst nicht mehr ausgelassen sein, du misshandelte Jungfrau, Tochter Sidon! Mach dich auf nach den Kittäern, fahre hinüber! Auch dort wirst du keine Ruhe haben!«

phetischen Wortes auf spätere Adressaten und Zeiten zeigt.« Einen Überblick über die bewegte Geschichte von Tyrus bietet Th. Renz, Future, 22 – 28. 148 H. Wildberger, Jes 13 – 27, 872.

Gottes Gewalt gegen die Völker und die gesamte Erde (Jes 13 – 27)

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˘

Über den Begriff »Planen« (#[y) führen V.8 f. Jhwh Zebaoth als denjenigen ein, der den »Beschluss über Tyrus« (rwc-l[ […] #[y) beschlossen hat. Das strikte Frage-Antwort-Schema (taz #[y ym ! hc[y hwhy) betont die Planmäßigkeit des Geschehens. Mit dem Begriff #[y fällt zum letzten Mal das für die gesamte Teilkomposition zentrale Leitwort zur Deutung des göttlichen Gewalthandelns (14,24.26.27; 19,11.12.17; vgl. 16,3; 19,3): »the y s terminology again being used ˙ for Yahweh’s judgment against those he would punish«149. Demnach erfolgt auch die Zerstörung der phönizischen Küstenstädte gemäß des göttlichen Plans, der darauf abzielt, »den Hochmut aller Zierde zu entweihen« (ybc-lk !wag llx pi.; vgl. Jes 43,28; 47,6) und »verächtlich zu machen« (llq hiph.). Der Vorwurf der Überheblichkeit fügt sich insofern harmonisch in den Kontext, als schon in V.8 die phönizischen Händler und Kaufleute (wörtl. »Kanaanäer«150, vgl. Ez 17,4; Hos 12,8; Zef 1,11; Spr 31,24) als »weltweit Geehrte« (#ra-ydbkn) bezeichnet wurden. Im Rahmen der Fremdvölkersprüche war Jhwh schon mehrmals gegen Hochmut (!wag) und Zierde (ybc) vorgegangen (z. B. Jes 13,11; 14,11; 16,6) und auch dem dwbk fremder Völker stand er feindselig gegenüber (vgl. 16,14; 17,4; 21,16). Die Zusammenstellung von ybc und !wag lenkt den Blick aber wiederum vor allem an den Beginn der Spruchsammlung, wo Babylon als »Zierde der Königreiche« (twklmm ybc) und »stolze Pracht der Chaldäer« (!wag trapt ~ydfk) die Zerstörung verheißen wurde (13,19). »Tyre, like Assyria and Babylon, illustrates the pride of humanity that must be judged by Yahweh.«151 Bei genauerer Betrachtung geht Jes 23 aber noch einen Schritt weiter : Indem V.9 die Vernichtung »aller« Zierde und »aller« in der Welt Geehrten (2x lk) verkündet, scheint sich mit dem abschließenden Tyrus-Orakel der göttliche Plan über die Fremdvölker endgültig durchgesetzt zu haben.152 Mit V.11 f. erreicht das Tyrus-Orakel insofern seinen »Höhepunkt, als hier JHWH […] selbst handelnd (V 11) und sprechend (V 12) auftritt«153, um sich als Urheber der Zerstörung zu präsentieren.154 Bei der Inszenierung des göttlichen Gewalthandelns kommt es zu einer signifikanten Bündelung bereits bekannter Elemente : Wenn Jhwh »seine Hand gegen das Meer ausgestreckt hat« (~yh-l[ hjn wdy, V.11), mag dies auf den göttlichen Auftrag an Mose in

149 J. Jensen, Yhaweh’s Plan, 449. 150 Die Form hyn[nk ist zwar Hapaxlegomenon von *~yn[nk, doch liegt hier angesichts der Parallele mit rxs wohl ein Gentilitium vor; vgl. A. van der Kooij, Oracle of Tyre, 26; H. Wildberger, Jes 13 – 27, 857. 151 Th. Renz, Future, 38. 152 In eine ähnliche Richtung geht die Deutung von A. van der Kooij, Oracle of Tyre, 26: »The additional element ›all‹ […] gives the verse a more general meaning.« 153 W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 298. 154 Vgl. M. Sweeney, Jes 1 – 39, 305: Der Text »provides the climax in that it identifies YHWH as the cause of the destruction of Tyre«.

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

der Schilfmeererzählung anspielen (vgl. Ex 14,16.21.26.27)155 und zugleich an Jhwhs »souveräne Schöpfermacht«156 erinnern. Im Tyrus-Orakel geht es allerdings nicht um Gewalt, die Gott zur Befreiung oder zum Schutz der Ordnung gegen das Chaos verübt. Im Kontext des Jesajabuches ist die ausgestreckte Hand vielmehr als Androhung göttlicher Gewalt aufzufassen (5,25; 9,16.20). Jhwh setzt hier strafende Gewalt ein, um seinen Plan zu vollziehen (vgl. V.9). Die Hand richtet sich wohl auch deshalb gegen das Meer, weil es sich bereits in V.4 für das Seefahrervolk als unzuverlässige und machtlose Zufluchtstätte (zw[m, vgl. V.11.14!) erwiesen hat. Mit seiner ausgestreckten Hand tritt Jhwh derart gewaltig in Erscheinung, dass er sogar ganze Königreiche157 in Beben versetzt (twklmm zgr hiph.).158 Dass diese beiden Lexeme in der gesamten HB nur mehr im Spottlied auf den babylonischen König (Jes 14,5 – 22) gemeinsam belegt sind, kann kein Zufall sein. Hier liegt eine subtile Anspielung auf die Auseinandersetzung mit dem Gottesfeind par excellence vor. Sie ist auch für die Deutung des gewalthaltigen Gottesbildes von Jes 23 von Bedeutung: Während der gefallene Herrscher von Babylon die Erde nicht mehr in Beben zu versetzen und Königreiche nicht mehr zu erschüttern vermag (14,16), ist Jhwh als Chaoskämpfer mit seiner ausgestreckten Hand dazu ohne weiteres in der Lage. Die literarischen Verknüpfungen zwischen Anfangs- und Schlussteil der Fremdvölkersprüche gehen aber noch tiefer : Jes 23,8 – 11 liest sich gleichsam als finale Antwort auf die Einleitung zum Hauptteil der Fremdvölkersprüche: Jhwhs Plan und seine Hand (»Gewalt«) rahmen die Fremdvölkersprüche Jes 14,26 f. 23,8a.9a.11a 26 Dies (taz) [ist] der Ratschluss (hc[h), beschlossen (#[y) über die ganze Erde. und dies (tazw) [ist] die Hand (dyh), ausgestreckt (hjn) gegen alle Völker. 27 8a Jhwh Zebaoth hat [es] Wer (ym) hat dies (taz) beschlossen (#[y) über beschlossen (#[y). Tyrus? […] Wer (ym) wird [es] ungültig machen? 9a Jhwh Zebaoth hat es beschlossen (#[y). […]. Und seine Hand (wdy) ist ausgestreckt 11a Seine Hand (wdy) hat er ausgestreckt (hjn) (hjn). über das Meer […]. Wer (ym) wird sie umkehren? 155 156 157 158

So H. Wildberger, Jes 13 – 27, 877. W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 299. G. Fohrer, Jes 1 – 23, 260 denkt dabei an die »phönizischen Besitzungen in Übersee«. Die Wurzel zgr ist eine Standardvokabel von Theophanien, in denen meist die Chaosmächte (mythische Wesen, Wasser, Berge etc.) von der göttlichen Präsenz in Erschütterung versetzt werden (vgl. Ps 18,8; 77,17; Jes 13,13; 28,21). Hier wird das Motiv auf die politische Ebene der Völkerwelt umgelegt (vgl. Ex 15,14; Ps 99,1); vgl. J. Jeremias, Theophanie, 100.

Gottes Gewalt gegen die Völker und die gesamte Erde (Jes 13 – 27)

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Im Tyrus-Orakel tritt Jhwh in V.11b namentlich in Erscheinung, um gegen Kanaan zu befehlen (hwc). So ergeht nach Jes 13,13 erstmals wieder eine göttliche Order, die in beiden Fällen Kriegsgewalt nach sich zieht. Auch der Begriff der Vernichtung (dmv, vgl. Jes 10,7; 26,14; 48,19) findet sich in den Völkersprüchen nur noch im Eröffnungsteil (13,9; 14,23). Die Formulierung hynz[m dmvl lässt zwar nicht genau erkennen, wer die phönizischen Schutzburgen im göttlichen Auftrag vernichtet. Doch präsentiert sich Jhwh sowohl zu Beginn als auch am Ende der Fremdvölkerorakel als mit umfassender Befehlsgewalt ausgestatteter Kriegsherr, der fremde Völker mit militärischer Gewalt bedroht und auf diese Weise seinen Plan (#[y, vgl. 14,26 f.; 23,8 f.) durchsetzt. Die anschließende Gottesrede (V.12) macht mit teils drastischen Bildern klar, dass der Krieg bereits in der Stadt wütet: Aus der »Tochter Sidon« ist eine »misshandelte Jungfrau« (hlwtb hqv[mh) geworden. Die Wurzel qv[, die nur an dieser Stelle im Pual begegnet, impliziert massive, vor allem »wirtschaftliche Ausbeutung«159 (vgl. Lev 5,23; Dtn 24,14; Ps 72,4; Spr 28,17). Sie trifft auch in Kriegszeiten die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft am härtesten (vgl. Dtn 28,33; Jer 50,33). Der Begriff beschreibt zwar »immer negativ bewertete Handlungen«160, weist aber nicht zwingend auf sexuelle Übergriffe hin161, wie sie nach Jes 13,16 beim Untergang Babylons verübt werden. Während qv[ sonst »das Bedauern mit dem Opfer«162 einschließt, sind in der Gottesrede keinerlei Anzeichen für Mitleid oder Anteilnahme festzustellen. Darüber hinaus wirkt es angesichts der bereits erlittenen Repressalien irritierend, dass Jhwh die Stadt dazu auffordert, ihre Ausgelassenheit nicht fortzuführen. Nicht einmal die Flucht über das Meer nach Zypern (~ytk) könnte der Tochter Sidon Ruhe (xwn) verschaffen (V.12). Die Irritation über die Gottesrede von V.12, die bereits die antiken Texttraditionen163 widerzuspiegeln scheinen, hat sich in der Auslegungsgeschichte fortgesetzt: So streichen einige Kommentatoren164 kurzerhand die Redeeinleitung (rmayw), womit in V.12 nicht mehr Jhwh, sondern die vox prophetica das Wort führt. Das Unbehagen gegenüber den Konsequenzen für das 159 E. Gerstenberger, Art. qv[, 444; daher übersetzt A. van der Kooij, Oracle of Tyre, 28 den Terminus mit »oppressed«. 160 E. Gerstenberger, Art. qv[, 442. 161 So zahlreiche Übersetzungen und Kommentatoren wie G. Fohrer, Jes 1 – 23, 260 und W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 300 mit Verweis auf »die ›Vergewaltigung‹ [qv[] Zions nach 52,4; 54,14«, wo sich der Aspekt aber ebenso wenig zwingend aufdrängt: In 52,4 geht es um die Bedrückung des Volkes durch Assur und auch in 54,14 ist keine sexuelle Konnotation im Gewaltvokabular feststellbar. 162 H. Wildberger, Jes 13 – 27, 878. 163 Sowohl LXX als auch Tg und Vg folgen nicht der MT-Vokalisierung von qv[ als Passivform (pu.), sondern lassen Tyrus als aktive Unterdrückerin auftreten (LXX: adijeim; Tg: !wtywhd !ysna; Vg: calumniam sustinens); vgl. A. van der Kooij, Oracle of Tyre, 142. 164 So etwa B. Duhm, Jesaja, 169; O. Kaiser, Jes 13 – 39, 131 (mit FN 17); G. B. Gray, Jes 1 – 27, 392; J. Blenkinsopp, Jes 1 – 39, 342: »metri causa«.

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Gottesbild tritt in der Auslegungsgeschichte teils offen zutage: So ist nach H. Wildberger die Redeeinleitung »nicht nur metrisch überflüssig, sondern auch sachlich [!] falsch«165. Eine Tilgung entbehrt aber jeglicher textkritischer Grundlage.166 Und selbst wenn Jhwh »lediglich« als Sprecher, nicht aber als aktiver Gewalttäter dargestellt ist und qv[ nicht die Verübung sexualisierter Gewalt, sondern »nur« die massive Unterdrückung von gesellschaftlich bereits Benachteiligten impliziert, bleibt »die Gefahr einer missbräuchlichen Auslegung«167 zweifelsohne bestehen. Der folgende V.13 wurde aller Wahrscheinlichkeit nach sekundär ins TyrusOrakel gesetzt.168 Er weist zudem zahlreiche Schwierigkeiten im Textbestand auf, sodass »jeder Interpretationsversuch auf schwankendem Grund«169 steht. In Wortlaut und Verseinteilung dem MT folgend170, verweist das einleitende !h nach der phönizischen Katastrophe auf die Vernichtung der Chaldäer (171~ydfk). Damit kehrt das den Beginn der Orakelsammlung bestimmende Thema ein letztes Mal blitzlichtartig wieder. Die Babylonier sind V.13 zufolge »das Volk, welches nicht war« (hyh al ~[h), denn Assur hat das Land für die »Wildtiere« (172~yyc) gegründet (173hdsy). Diese lagern bereits nach 13,21 in Babylon und werden auch das Gebiet von Edom, dem zweiten Erzfeind des Jesajabuches, bewohnen (vgl. 34,14). Die Zerstörung Babylons erfolgt in Jes 23,13 durch das Aufstellen von Belagerungstürmen (!yxb ~wq) und das Schleifen der Paläste (rr[ twnmra), also dezidiert mit militärischen Mitteln. Der Text berichtet zwar von keiner göttlichen Beauftragung, so dass Assur nicht explizit als göttliches Kriegsinstrument in Szene gesetzt wird. Doch sorgt auch in Jes 23,13 ein fremdes Volk für den Untergang des Erzfeindes, wie dies in Jes 13,17 f. die Meder und in Jes 21,2 Elam und Kir jeweils gegen Babylon vollbrachten, womit die Gewaltinszenierung am Ende der Orakelsammlung eine Brücke zu den beiden Eingangskapiteln schlägt. Der Hauptteil von Jes 13 – 23 führt die Leserschaft durch zahlreiche Prophetensprüche, die u. a. in Bezug auf ihre Länge, Gattung und redaktionsge165 H. Wildberger, Jes 13 – 27, 858; vgl. J. Blenkinsopp, Jes 1 – 39, 342. 166 Vgl. 1 QJesa : rmawyw; Tg: rmaw; selbst LXX, die in V.12 vom MT stark abweicht, spricht mit eqousim für die Beibehaltung des verbum dicendi; vgl. A. van der Kooij, Oracle of Tyre, 141 – 143. 167 W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 300 (mit FN 127). 168 Vgl. etwa U. Berges, Buch, 154. 169 H. Wildberger, Jes 13 – 27, 878. 170 Vgl. M. Sweeney, Jes 1 – 39, 308; W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 300 f. 171 Für die Lesung ~ytk »Zypern« (vgl. V.12), die u. a. H. Wildberger, Jes 13 – 27, 858; O. Kaiser, Jes 13 – 39, 131 (mit FN 19) vorschlagen, fehlen die textkritischen Indikatoren (1 QJesa : ~yydfk; T: yadsk; LXX: Wakdaiym); vgl. A. van der Kooij, Oracle of Tyre, 197. 172 ~yyc ließe sich auch als »Inseln« deuten. 173 Das ePP 3. Sg. f. bezieht sich auf #ra zurück.

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schichtliche Komplexität stark differieren. Die Frequenz göttlicher Gewalt und die Intensität ihrer Darstellung nehmen nach den einleitenden Babel-Orakeln (Jes 13,1 – 14,23; vgl. 21,1 – 10), die Jhwh auf prononcierte Weise als Gewalttäter und Kriegsherrn präsentieren, deutlich ab. In einigen Sprüchen ergreift Gott zwar die unmittelbare Initiative, indem er die Fremdvölker unter fremde Gewaltherrschaft zwingt (vgl. Jes 14,29; 16,5; 19,4), in einen Bürgerkrieg stürzt (19,2) oder unter Rückgriff auf Erntemetaphorik eigenhändig dezimiert (vgl. 17,5; 18,5). Doch häufig erfolgt die Zuschreibung der Untergangsszenarien allein über den Ausweis als Jhwh-Wort (z. B. Jes 16,13; 17,3.6; 21,16 f.). Als Schlüsselbegriff zur Deutung der gewalthaltigen Gottesbilder erweist sich der (göttliche) Ratschluss (hc[/#[y), der die Leserschaft durch die verschiedenen Prophetensprüche begleitet. Im Epilog zum Babylon-Orakel wird der göttliche »Plan über die ganze Erde« (#ra-lk-l[ hcw[yh hc[h, Jes 14,26) dem Hauptteil programmatisch vorgeschaltet, den Völkern drohend vor Augen geführt und am Beispiel von Judas gewaltsamer Befreiung durch Jhwh vom assyrischen Joch festgemacht (vgl. V.25a). Danach taucht das Leitmotiv im Durchgang durch die Orakelsammlung immer wieder auf : In Jes 19 erweist die Unkenntnis des göttlichen Beschlusses über die Ägypter die Hilflosigkeit ihrer Ratgeber und damit zugleich die Machtlosigkeit ihrer Gottheiten (vgl. V.3.11.12.17). Der Tyrus-Spruch am Ende der Orakelsammlung proklamiert die (gewaltsame) Durchsetzung des göttlichen Plans gegenüber allen »Geehrten der Erde« (#ra-ydbkn-lk) und ihrem Hochmut (!wag, Jes 23,9). Die vollständige Vernichtung wird dabei jedoch ausschließlich an Babel, dem Erzfeind von Jes 13 – 23, vollzogen (vgl. 13,20 – 22; 14,21.22 f.; 21,9). In einigen anderen Sprüchen wiederum scheint sich sogar ein gewisses Maß an Anteilnahme gegenüber dem Schicksal der fremden Völker (15,1 – 8; 16,4.9 – 11) bzw. der Elenden unabhängig ihrer ethnischen Zugehörigkeit widerzuspiegeln (vgl. 14,30). Diese Ambivalenz erklärt sich u. a. vor dem Hintergrund der langen und komplexen Formation der Einzelsprüche. In diesem Prozess bildete die Teleskopierung verschiedener historischer Kriegsereignisse in einen literarischen Zusammenhang einen wichtigen Faktor für die Inszenierung göttlicher Gewalt. Mit Hilfe der Teleskopie sowie unter Rückgriff auf den »göttlichen Plan über die ganze Erde« (Jes 14,26), dem sich keine noch so mächtige Nation zu entziehen vermag (vgl. V.27!), wird Jhwhs Geschichtsmacht über das Schicksal seines eigenen Volkes hinaus auf Ebene der Völkerwelt affirmiert. Am Beispiel der fremden Völker soll daher auch das Jhwh-Volk erkennen, dass nur ihre eigene Gottheit die entscheidende Hilfe im Krieg bereitstellen kann. Dies verdeutlicht und konkretisiert die prophetische Zeichenhandlung im Zentrum der Teilkomposition (Jes 20) sowie der Spruch über das vor den Toren Jerusalems gelegene Tal der Offenbarung (Jes 22,1 – 14). Mit Jes 24 – 27 wird die Ebene der Einzelvölker und ihres Schicksals (Jes 13 –

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23) zugunsten einer universalen Perspektive verlassen. Den Schlussteil der zweiten Teilkomposition dominiert ein Gottesbild, das sich bereits in den Fremdvölkersprüchen punktuell ankündigte: Aus Jhwh, der als Kriegsherr fremde Armeen befehligt, wird der göttliche Krieger, der selbst zum Schwert greift, um militärische Gewalt an seiner Gegnerschaft zu verüben.

4.2.4 Der göttliche Chaoskämpfer vollzieht das universale Strafgericht (Jes 24 – 27) Das sich in Jes 24 – 27 entfaltende Szenario wurde lange Zeit unter dem Schlagwort »Große Jesaja Apokalypse« als Vision über das Ende von Welt und Geschichte am Ende der Zeiten gedeutet.1 Die Tragweite einer strikt apokalyptischen Deutung dieser Kapitel ist in der neueren Forschung jedoch stark infrage gestellt worden.2 Denn zahlreiche, für die spätere apokalyptische Literatur typische Elemente fehlen. M. Sweeney nennt: »no indication that the secrets of the cosmos are revealed, nor is there any semidivine guide who leads the reader through a tour of heaven and hell […] no indication of a periodization of history […] the defeat of the earthly kings does not represent a fundamental transformation of the cosmos or the end of the world history as it is known. No pronounced dualism between the forces of good and those of evil is evident.«3 Demnach geht es in den Kapiteln »nicht um die Enthüllung kosmischer Ereignisse, sondern um eine eschatologische Geschichtsschau«4. Die literarhistorische Entwicklung von Jes 24 – 27 bleibt hingegen ein Gegenstand lebendiger Diskussionen.5 Mit Sicherheit lässt sich sagen, dass die Kapitel zu den spätesten Texten der Prophetenschrift zählen und redaktionsgeschichtlich jünger sind als die vorangehenden Fremdvölkersprüche. Die spärlichen Anhaltspunkte im Text führen aber zu einer großen Bandbereite an Datierungsversuchen.6 Allzu gewagten Spätdatierungen (etwa in die Makkabäerzeit7) stehen jedoch die antiken Textzeugen entgegen: »Weder die Qumranfunde noch G [= LXX] verraten etwas davon, daß [Jes] 24 – 27 einmal noch nicht Bestandteil des Buches war, das den Namen Jesajas trägt.«8 Im Hinblick auf die redaktionsgeschichtliche Entstehungssituation zeichnet sich folgende Tendenz 1 2 3 4 5 6 7 8

Einflussreich war vor allem das Urteil von B. Duhm, Jes, 172 – 194. Zu Tendenzen der neueren Forschung siehe H. G. M. Williamson, Recent Issues, 33 – 35. M. Sweeney, Jes 1 – 39, 314. U. Berges, Jesaja, 76. Vgl. R. Scholl, Gottes Thronrat, 16 – 19; U. Berges, Buch, 178 – 180. Einen breiten Forschungsüberblick zu Jes 24 – 27 gibt R. Kleger, Wiederherstellung, 4 – 48. O. Kaiser, Jes 13 – 39, 141 – 145; L. Otto, Stadt. H. Wildberger, Jes 13 – 27, 907.

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ab: »Das Paradigma lautet nicht mehr ›Fremdgut‹, sondern ›Eigengut‹, entwickelt aus Texten des Jesaja-Buches und aus den anderen Prophetenbüchern, gezielt hinter die Völkerspruchsammlung als deren Schlußpunkt platziert.«9 Die Fremdvölkersprüche (Jes 13 – 23) als Auslegungshorizont gewinnen so auch für die Frage nach den gewalthaltigen Gottesbildern in Jes 24 – 27 immer größere Bedeutung. 4.2.4.1 JHWH, Zerstörer der Welt und König am Zion (Jes 24) Das Eröffnungskapitel lässt sich in drei Abschnitte gliedern: Die erste Einheit (V.1 – 13) besteht aus einer Unheilsankündigung über die ganze Erde (V.1 – 3), deren Ursachen und Auswirkungen in V.4 – 13 zur Sprache kommen. Der zweite Abschnitt nimmt das Geschehen in einem komplex gestalteten Dialog über Gottes Hoheit und Ehre (V.14 – 17) und den endgültigen Fall der Erde (V.18 – 20) in den Blick. Im Schlussteil (V.21 – 23) erreichen die Kapitel ihre erste Klimax: Nach der Heimsuchung (dqp) aller himmlischen und irdischen Mächte tritt Jhwh Zebaoth seine Königsherrschaft ($lm) auf dem Zion an. Göttliche Gewalt kommt vor allem im Eingangs- und Schlussteil zur Darstellung. Die Eingangsszene: Jhwh verheert die Erde (Jes 24,1 – 3) 1

Siehe, Jhwh entleert die Erde und verheert sie. Er kehrt ihre Oberfläche um und zerstreut ihre Bewohner. 2 Und wie dem Volk, so ergeht es dem Priester ; wie dem Sklaven, so seinem Herrn; wie der Magd, so ihrer Gebieterin; wie dem Käufer, so dem Verkäufer; wie dem Verleiher, so dem Borger ; wie dem Schuldner, so dem Gläubiger. 3 Völlig ausgeleert wird die Erde und völlig ausgeplündert. Ja, Jhwh hat dieses Wort geredet.

Die erste Strophe (V.1 – 3) geht mit der Vision (vgl. hwhy hnh, V.1a) einer völlig entleerten Erde »gleich in medias res«10. Schon der Eingangsvers macht klar, dass ausschließlich Gott für die weltweite Zerstörung verantwortlich ist: Er selbst agiert als »Entleerer« (qqb part.) der Erde und »ihr Verheerer« (hqlwb), 9 U. Berges, Buch, 179; vgl. M. Sweeney, Citations, 50 – 52. 10 H. Wildberger, Jes 13 – 27, 916; vgl. S. Ö. Steingrímmson, Gottesmahl, 11: »Hier gibt es weder eine Einleitung noch eine Vorbereitung, sondern der Empfänger der Texte wird unmittelbar in die Handlungen YHWHs, welche zur Auflösung der Erde führen, hineingeschleudert.«

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indem er die Erdoberfläche (hynp wörtl. »ihr Angesicht«) »umkehrt« (hw[ pi.) und ihre Bewohner »zerstreut« (#wp). Die Verbtempora (zweifaches futurum instans [part. + hnh] mit anschließenden we-qatal-Formen) verweisen auf ein unmittelbar bevorstehendes Geschehen. Im Hinblick auf ihre Semantik bleiben die Gewalttermini aber »sehr allgemein und geben […] dem Stück 24,1 – 3 den Charakter einer Einführung«11. Sie sind im übrigen Jesajabuch gar nicht (vgl. qlb hapax) oder selten belegt und beschreiben zudem keine (göttlichen) Gewalthandlungen, sondern deren Folgen: Nach Jes 19,3 wird der Geist Ägyptens »verstört« (qqb nif.), weil Jhwh im Feindesland erscheint. Im zweiten Babelspruch »krümmt sich« (hw[ nif.) der Prophet wegen der ihm offenbarten, harten Schauung (Jes 21,3). In Jes 41,16 sorgt der glühendheiße Sturmwind (hr[s) für die »Zerstreuung« (#wp) der vom »Würmlein Jakob« (bq[y t[lwt, V.14) gedroschenen Spreu. Das Gewaltvokabular der Eingangsstrophe ist also nur lose mit den göttlichen Gewalthandlungen der übrigen Prophetenschrift verbunden, was dem Geschehen einen einmaligen Charakter verleiht. Anknüpfungspunkte zur Deutung des göttlichen Handelns liefert hingegen der intertextuelle Vergleich: J. Hibbard hat herausgearbeitet, dass der Eingangsvers an die kriegerische Abrechnung mit Assur im Nahumbuch anschließt:12 In Nah 2 stellt Gott die Hoheit Jakobs/Israels wieder her, weil es »von Plünderern geplündert wurde« (~yqqb ~wqqb, V.3). Im eroberten Ninive kommt es hingegen zur »Verheerung« (hqwbm), vor der die Einwohner das Entsetzen packt (Nah 2,11). Eine Parallele findet sich auch im Jeremiabuch, wo Jhwh den Babyloniern mit Verheerung droht (qqb, Jer 51,2). Dort tritt Jhwh als Feldherr in Erscheinung, indem er »Fremde« (~yrz) (Krieger) nach Babylon aussendet (xlv). Demgegenüber sorgt Gott in Jes 24 selbst für die Verheerung der Erde und die »Vertreibung« (#wp) ihrer Bewohner, die semantisch die Zerstreuung nach dem vereitelten Turmbau zu Babel (!) in Erinnerung ruft (vgl. Gen 11,4.8.9). Jes 24,2 nimmt die betroffenen Erdenbewohner genauer in den Blick und macht mit insgesamt 12 Vergleichspartikeln -k13 mehr als deutlich, dass Gott bei der Vertreibung keinerlei Ausnahme macht. Weder das biologische Geschlecht (Mann – Frau) noch der religiös-sakrale Personenstatus (Volk – Priester) spielen eine Rolle (vgl. Hos 4,9). Ebenso irrelevant sind die soziale Stellung (Knecht/ Herr – Magd/Gebieterin) sowie ökonomische Voraussetzungen (Käufer – Verkäufer ; Leihender – Verleihender).14 Dass der Priesterschaft in dieser Aufzählung die Vorrangstellung eingeräumt wird, eine königliche Herrscherfigur 11 R. Scholl, Gottes Thronrat, 49. 12 Vgl. J. T. Hibbard, Intertextuality, 40 f. 13 Damit ist der Vers im innerbiblischen Vergleich unangefochtener Spitzenreiter. Mit 6 Belegen folgen 1 Kön 22,4; 2 Kön 3,7 und mit 5 Belegen 2 Kön 17,34; Ez 45,25; Dan 10,6; Ester 8,9. 14 J. T. Hibbard, Intertextuality, 38.

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hingegen fehlt, spiegelt die sozialgeschichtlichen Hintergründe des Textes wider. Die hier dargestellte soziale Stratifizierung reflektiert bereits »die Verhältnisse der jüdischen Kommunität in der Perser- oder hellenistischen Zeit«15 (vgl. Jerusalem und wynqz »seine Ältesten« in V.23). Am Ende der Strophe steht die Entleerung (qqb) und Plünderung (zzb) der Erde (V.3), bei der man sich »eine wild über sie ergießende Soldateska vorstellen will«16. Die Wiederaufnahme von qqb schlägt eine Brücke zum Anfangsvers und verleiht der Strophe eine zerstörerische Rahmung. Die beiden etymologischen Figuren der Gewaltverben unterstreichen die verheerende Wirkung, die von Jhwhs wirkmächtigem rbd ausgeht (vgl. 1,20; 16,13.14; 21,17; 22,25; 25,8; 46,11; 48,15; 63,1). Nachdem die erste Strophe die von Jhwh selbst vollbrachte Verheerung der Erde als radikales und unausweichliches Geschehen präsentiert hat und damit »das Motto […] für die ganze anschließende Komposition«17 vorgibt, blickt die zweite Strophe (V.4 – 9) auf die Gründe für die vollständige Verheerung. Diese liegen eindeutig im Verhalten ihrer Einwohnerschaft. Dabei führt der Eröffnungsvers den Stichos V.3a sowohl strukturell (Homoioteleuton + #rah) als auch logisch weiter.18 Wenn man wie H. Wildberger V.3b als Überleitung zur zweiten Strophe versteht19, liegt in V.4 – 9 sogar eine Gottesrede vor. Direkte Bezüge auf Jhwh oder auf sein Eingreifen fehlen jedoch im gesamten Abschnitt. Erst am Beginn des zweiten Teils wird Jhwh kurz als von den Völkern Gepriesener in Erscheinung treten (V.14 f.), bevor er abermals von der Textoberfläche verschwindet. Um die Folgen der göttlichen Intervention zu beschreiben, greift die zweite Strophe auf Vegetationsmetaphorik zurück: Die Erde und der Erdkreis (lbt), der schon in Jes 13,11 dem göttlichen Gericht anheimfiel, sind nun »vertrocknet« (lba) und »verwelkt« (lbn). Auch die »Erhabenen des Erdenvolkes« (#rah-~[ ~wrm) »schmachten« dahin (lma, vgl. Jes 16,8; 19,8; 33,9).20 V.5 gibt Aufschluss darüber, warum das Unheil eingetroffen ist: Wenn die Erde von ihren Bewohner »ent15 16 17 18

R. Scholl, Gottes Thronrat, 46. O. Kaiser, Jes 13 – 39, 147. Ebd. Vgl. G. B. Gray, Jes, 410: »the formula at the end of v.3 […] indicates […] that the prophetic announcement is for the moment concluded and gives place for the description in v.4 – 12«. 19 Vgl. H. Wildberger, Jes 13 – 27, 897 mit dem Argument, dass die Wendung rbd hwhy yk (hier singulär um das Objekt hzh rbd-ta erweitert) zwar Prophetensprüche häufig beschließt (z. B. Jes 22,25; 25,8), aber auch als Redeeinleitungsformel verwendet wird (z. B. Jes 1,2; Jer 13,15). Für die beschließende Funktion plädiert hingegen R. Scholl, Gottes Thronrat, 47 f. 20 In Jes 24,4b zeigt sich eine Inkongruenz zwischen pluralischer Verbform (wllma) und singularischem Subjekt (#ra-~[ ~wrm), die zwar durch Tg (@wqt wps) gestützt wird. 1 QJesa und LXX gleichen das Verb aber an: LXX versteht unter ~wrm menschliche Subjekte und übersetzt unter Weglassung von ~[ mit oi uxgkoi tgr cgr (»die Erhabenen der Erde«). In 1 QJesa ist die Herkunft der »Hohen« aus dem »Volk« ebenfalls unsicher, da ~[ am oberen Rand der Schriftrolle nachgetragen zu sein scheint; vgl. A. van der Kooij, Text-Critical Notes, 13.

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weiht«21 (@nx) wurde, deutet dies im biblischen Zusammenhang auf gewaltsames Blutvergießen (vgl. Num 35,33) und Fremdgötterkult (vgl. Jer 3,1 f.9) oder eine Kombination aus beidem hin (vgl. Ps 106,38).22 In Jes 24,5 entweihten die Bewohner die Erde durch Gesetzesübertretung (twrwt rb[, vgl. Dan 9,11) und die Verletzung der grundlegenden Ordnung (qx). Beides kulminiert im Brechen des »ewigen Bundes« (~lw[ tyrb, vgl. Jes 55,3; 61,8). Im universalen Kontext von Jes 24 – 27 liegt dabei neben einer Verletzung von Sabbatgebot (Ex 31,16; vgl. Jes 56,2 – 6) und des Beschneidungsauftrages (Gen 17,13 f.) vor allem ein Rekurs auf den »ewigen Bund« am Ende der Fluterzählung vor (vgl. Gen 9,16), wo Gott allen Lebewesen die Unwiederholbarkeit der Flutkatastrophe zusichert.23 Die Tatsache, dass nach Jes 24,5 ein ewiger Bund gebrochen werden kann, ist nicht »an sich ein Unsinn«24, sondern deutet in Kombination mit dem »Entweihen« (@nx) der Erde durch Gewalttaten (vgl. Ps 106,38) auf einen kreativen Umgang mit der atl Fluterzählung hin: »The Isaian author appears to have understood the so-called laws of Noah as stated in Gen 9:1 – 7, especially the prohibition of shedding blood, in a different way from the Priestly authors – namely, as stipulations attached to the perpetual covenant, the violation of which cancelled the divine promise not to destroy the earth a second time.«25 Daher (!k-l[) verzehrt ein Fluch (hla) die Erde (V.6), der nun als Sanktionsmacht an Gottes Stelle tritt.26 Die Vorstellung stammt aus dem altorientalischen Vertragswesen, ist aber in zweifacher Weise singulär : Erstens ist der Begriff »Fluch« (hla) im Jesajabuch nur an dieser Stelle belegt.27 Da V.5 bereits auf einen Vertragsbruch verwies, wird die dort geweckte Erwartung erfüllt (vgl. Dtn 29,11.13.18 – 20): »Bundesbruch bringt Fluch.«28 Zweitens tritt hla nur hier als eigenständiger Handlungsträger in Erscheinung. In der HB werden Flüche sonst von Menschen oder von Jhwh »verhängt« (afn, 1 Kön 8,31; 2 Chr 6,22; awb hiph., 2 Chr 34,24). Die angedrohten Flüche können auf den Vertragsbrüchigen »lagern« (#br, Dtn 29,19) oder von Gott auferlegt werden (!tn, Dtn 30,7). Mit Jes 24,6 vergleichbare Vorstellungen finden sich nur in Sach 5,3, wo sich der Fluch 21 22 23 24 25 26

So K. Seybold, Art. @nx, 42 mit Blick auf Jes 24,5. Vgl. U. Berges, Buch, 183. Vgl. J. Blenkinsopp, Jes 1 – 39, 351 f. H. Wildberger, Jes 13 – 27, 922. J. Blenkinsopp, Jes 1 – 39, 351 f.; ähnlich D. C. Polaski, Reflections. Vgl. W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 324: »V6a führt dies in erster Linie nicht auf JHWH zurück […], sondern auf einen eigenständig wirkenden Fluch.« 27 Auch das übrige Fluchvokabular hat im Jesajabuch wenige Vorkommen und wird nie mit göttlichen Subjekt verwendet: In Jes 8,21 verfluchen (llq pi.) die Menschen aus Wut (@cq hit.) ihren König (wklmb) und ihren Gott (wyhlab). Nach Jes 65,20 gelten im Eschaton Menschen, die das hundertste Lebensjahr nicht erreichen, als verflucht (llq pu.). Der Name der Apostaten, mit denen Jhwh davor ins Gericht geht, wird seinen Auserwählten als Fluchwort (h[wbv) dienen (Jes 65,15). 28 H. Wildberger, Jes 13 – 27, 922.

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auf der Erdoberfläche ausbreitet (#rah-lk ynp-l[ tacwyh hlah),29 sowie in Dan 9,11, wo sich die Flüche der Mosetora über ganz Israel ergießen ($tn). Doch dass der Fluch die Erde aktiv auffrisst (kla), ist im atl Zusammenhang ein einzigartiges Bild. Da die Erdenbewohner (bvwy) nach Jes 24,5 ihre Heimat entweiht haben, müssen in erster Linie auch »ihre Bewohner« (hb ybvy) für den entstandenen Schaden büßen (~va, V.6). Den retributiven Charakter, der sich in der wiederholenden Aufnahme von bvy widerspiegelt, unterstreicht die Wurzel ~va, bei der »das Moment des Verpflichtet-Seins«30 im Vordergrund steht. Sie ist im Jesajabuch nur noch im 4. GKL belegt, wo Jhwh das Leben seines Knechts (wvpn »sein Leben«) als ~va für Israels Sünden einsetzt (53,10). Im universalen Endgericht von Jes 24,6 müssen die Verursacher für ihre Taten hingegen selbst einstehen. Die Menschen tun dies, indem sie »dahinschwinden«31, so dass nur mehr wenige Menschen übrigbleiben (rav nif.). In der dritten Strophe (V.10 – 12) wird die globale Szenerie schlagartig verlassen. Es geht nun um eine nicht näher identifizierte »Stadt der Ödnis« (wht-tyrq, V.10) und ihre Zerstörung. Trotz veränderter Kulisse bleiben die Strophen nach D. Polaski inhaltlich insofern aufeinander bezogen, als »the destruction of […] this city is one effect, among others, of the curse which devours the earth (v.6)«32. Dies zeigt sich zum einen in der Weiterführung der Wein- und Trauermotivik in V.11 (vgl. V.8 f.). Zum anderen ist nach V.12 auch in der Stadt etwas »verblieben« (rav, vgl. V.6). Mit überlebenden Menschen (vgl. r[zm vwna, V.6) scheint diese Sequenz aber nicht zu rechnen. Denn in der Stadt bleibt alleine die blanke Verwüstung (hmv) übrig! Damit schließt der Text semantisch an das göttliche Strafgericht im Babelspruch an (hmv, Jes 13,9; vgl. 5,9). Zugleich beschließt er die in den Fremdvölkerorakeln eröffnete Reihe an zerstörten Städten (Ar und Kir in Moab: 15,1; Damaskus: 17,1 – 3; Babel: 21,9; Tyrus: 23,13). Da wht auch »Leere«/ »Nichtigkeit« bedeuten kann (vgl. Gen 1,2; Jes 45,18; Ijob 26,7), macht die Stadt ihrem Namen alle Ehre.33 Auf Endtextebene verweist sie zugleich voraus auf die »Messschnur der Ödnis« (wht-wq), die Jhwh in 34,11 über Edom, dem zweiten göttlichen Erzfeind im Jesajabuch, ausstrecken wird (hjn). In der Stadt von Jes 24 gibt es nicht einmal mehr Menschen, die auf den 29 In diesem frühnachexilischen Text herrscht aber noch keine universale Perspektive vor: #rah-lk meint noch nicht die ganze Welt, sondern »ausschließlich das ganze Land JerusalemJuda« (H. G. Reventlow, Sach, 64). 30 R. Knierim, Art. ~va, 254. 31 Nach MT-Lesung werden die Menschen dezimiert, indem sie »glühen« (rrx qal); auf Basis von 1 QJesa und 4 QJesb (wrwx) wird meist die Ableitung von hrx II (»dahinschwinden«) bevorzugt; vgl. W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 318. 32 D. C. Polaski, End, 109; ähnlich J. Loete, Hymn, 229 f. 33 W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 326.

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Straßen das Klagegeschrei erheben könnten (V.11). Die zertrümmerten Tore (r[v-tky) in V.12 deuten auf eine kriegerische Verwüstung hin (vgl. rbv, V.10). Ihr ging offensichtlich eine Belagerung (awbm tyb-lk rgs) voraus, über deren genauere Umstände der Text aber keine Auskunft gibt. So bleibt insbesondere offen, ob Jhwh die Zerstörung selbst vollbracht oder dazu menschliche Kriegswerkzeuge in Dienst genommen hat. Mit der in Jes 24 – 27 erstmaligen Erwähnung der »Völker« (~ym[) lenkt V.13 abschließend den Blick von der Stadt wieder auf die universale Ebene zurück. Um das Ausmaß der Zerstörung zu präsentieren, wechselt das Wortfeld vom städtisch-kriegerischen in den agrarischen Bereich. Die zitierende Aufnahme von Jes 17,6 bringt dabei auf geschickte Weise zum Ausdruck, dass auch der Abschlussvers mit einem Rest an Überlebenden rechnet, die dem göttlichen Strafgericht entkommen können:

Die modifizierte Rezeption der kurzen Sequenz aus den Völkerorakeln lässt schriftgelehrte Prophetie in ihrer dichtesten Form erkennen34 : V.13 beschreibt die Bestrafung im Bild der Olivenernte (@qn, vgl. 10,34), das mit der entsprechenden Passage aus Jes 17,6 wortwörtlich übereinstimmt.35 D. Johnson bemerkt zwar zu Recht, dass dabei gerade das Lexem rav nicht übernommen wird.36 So bildet tatsächlich »judgment […] the over-riding thematic link between these two verses«37. Es darf jedoch nicht vernachlässigt werden, dass 24,13 auch tllw[ (»Nachlese«) aus dem ursprünglichen Zusammenhang aufnimmt. Mit dieser Rezeption geht der Text einen entscheidenden Schritt weiter : Da in Jes 17,6a die »Nachlese« untrennbar mit dem Restgedanken verbunden ist, entsprechen die 34 Vgl. J. T. Hibbard, Intertextuality, 46 – 49; vorsichtiger M. Sweeney, Citations, 42: »This does not appear […] to be an ad hoc decision on part of this writer.« 35 Das redaktionsgeschichtliche Verhältnis zwischen den beiden Versen ist eindeutig: Da Jes 17,4 – 6 – selbst eine sekundäre Fortschreibung zu V.1 – 3 (so etwa O. Kaiser, Jes 13 – 39, 76 – 78) – vorexilisch zu datieren ist, hat Jes 17,6 den Autoren von Jes 24 bereits vorgelegen. 36 D. G. Johnson, Chaos, 37. 37 J. T. Hibbard, Intertextuality, 49.

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beiden Prophetenworte einander in Bezug auf das göttliche Strafmaß. Da es also auch nach Auffassung von 24,13 zu einer Nachlese (tllw[) kommt, lässt der Text anklingen, dass er sehr wohl mit Überlebenden inmitten der Völker rechnet.38 Darin trifft sich V.13 mit dem Ende der zweiten Strophe (V.6), das durch die Verbform (ravnw) ebenfalls einen engen syntaktischen und thematischen Bezug zu Jes 17,6 aufweist.39 Während die »Stadt der Ödnis« der vollkommenen Vernichtung (ravn hmv […], 24,12) anheimfällt, können bei den Völkern einige wenige Menschen entrinnen. Dieser Deutungsansatz wirft auch ein Licht auf »one of the major problems in Isa 24«40 : Wer sind »jene« (hmh), mit denen V.14 unvermittelt den zweiten Teil des Kapitels (V.14 – 20) einleitet? Von V.13 her gelesen, könnte es sich um jene Menschen aus den Völkern handeln, die dem göttlichen Strafgericht entkommen und jetzt über die »Herrlichkeit Jhwhs« (hwhy !wag) jauchzen (V.14).41 Im Mittelpunkt ihres Gesanges steht der »Name Jhwhs, des Gottes Israels« (V.15). Damit führen sie das zuvor geschilderte Gerichtshandeln explizit auf Jhwh zurück, der in V.4 – 13 nicht in Erscheinung getreten war. Mit ihrem Lobpreis wollen sie andere Fremde in Ost (wörtl. den »Lichtgegenden«) und West (wörtl. »auf den Inseln des Meeres«) zum Einstimmen animieren. Dass sie mit ihrer Aufforderung erfolgreich sind, zeigt der Auftritt der Wir-Gruppe in V.16 (vgl. 25,9; 26,8.13.17 f.). Diese vernimmt jene Lieder, die an den Enden der Erde für »die Pracht des Gerechten« (qydcl ybc) angestimmt werden. Indem Jhwh bereits in den Fremdvölkersprüchen die »stolze Pracht der Chaldäer« (13,19) sowie »die Pracht […] aller Geehrten auf der Erde« (#ra-dbkn-lk […] ybc-lk, 23,9) zerstörte, hat er sich als »der Gerechte« (qydc) erwiesen.42 Der Begriff dient in Jes 45,21 gar als Teil eines göttlichen Epithetons, indem sich Jhwh als der »gerechte Gott« (qydc-la) zu erkennen gibt. Jes 24,16 gibt somit einen ersten Vorgeschmack auf das machtvolle und zugleich gewalthaltige Gottesbild, welches auch Jes 24 beschließen wird. Zuvor erhebt aber noch einmal die vox prophetica unvermittelt ihre Stimme und blickt in V.16 – 20 (an)klagend (yl ywa, V.16; vgl. 6,5) auf das weitere Schicksal der Erde. Dieses trifft ihre Bewohner nicht grundlos, sondern wegen ihres räuberischen Verhaltens (dgb, V.16). Auch diese Darstellung ruft Erinnerungen an Babylon wach: Der »raubende Räuber« (dgwbh dgwb) war im zweiten Babel38 39 40 41

So auch J. Loete, Hymn, 230. Denn ravnw ist nur mehr in Sach 9,7 belegt, allerdings in einem anderen Kontext. J. Loete, Hymn, 232. Vgl. St. A. Nitsche, Text, 81. Nach W. A. M. Beuken, Prophet, 124 repräsentiert das Personalpronomen hingegen »a new actant, a group of people who are left […] without further description beyond the mention of what they are doing«. 42 So etwa R. E. Clements, Jes, 204; J. Loete, Hymn, 233 – 235. Gegen R. Scholl, Gottes Thronrat, 59, für den hier »die Gerechten […] gemeint« sind.

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Orakel (Jes 21,2; vgl. 33,1) Teil der »harten Schauung«, die beim Propheten tiefste Bestürzung auslöste.43 Die fünffache Wiederholung von dgb in Jes 24,16 steigert das räuberische Verhalten ins Unermessliche (vgl. yzr, V.16 hapax). Da dgb – im Gegensatz zu zzb oder llv – stets verwerfliche Handlungen umschreibt, handelt es sich bei den ~ydgb um »diejenigen, die die göttliche Schöpfungsordnung nicht einhalten und so die Welt ins Chaos treiben«44. Damit wird der Gegensatz zum »Gerechten« (qydc), dessen Loblied in V.16a erklang, noch größer.45 Die Bestrafung der Menschen (V.17 – 20) weist insofern eine Parallele zu V.4 – 13 auf, als in beiden Abschnitten Jhwh nicht als Aktant in Erscheinung tritt. Doch nun lassen die »Fenster in den Höhen« (~wrmm twbra), bei deren Öffnen die »Grundfesten der Erde erbeben« (v[r, vgl. 13,13), zumindest Gottes Mitwirkung erahnen (V.18b).46 Zunächst verheißen V.17 – 18a der Erde und ihrer Bevölkerung »Gram, Grauen und Garn« (xpw txpw dxp). Das lautmalerische Wortspiel entstammt einem jeremianischen Drohwort47 gegen Moab (Jer 48,43 f.; vgl. 25,10 – 12). Es wird hier aber universalisiert, um die Unausweichlichkeit der Bestrafung der »Erdenbewohner« (#rah bvwy) zu verdeutlichen. In Bezug auf das gewalthaltige Gottesbild ist ein weiterer Unterschied entscheidend: Während nach Jer 48,44 Jhwh die Bestrafung eigenhändig nach Moab bringt (awb hiph. 1. Sg.), stellt Jes 24,18 den Zusammenhang mit Jhwh nur indirekt her. Die Verstrickung in Grube und Garn erfolgt, wenn die »Fenster der Höhe geöffnet werden« (wxtpn ~wrmm twbra-yk, V.18). Das Fenstermotiv ist beinahe wortwörtlich aus Gen 7,11 übernommen (wxtpn ~ymvh tbraw) und deutet an, dass das göttliche Gericht auch im Eschaton sintflutartig über die Erde hereinbricht. Wenn parallel dazu die Grundfesten der Erde »erbeben« (v[r), rekurriert der Text auf ein typisches Theophaniemotiv, das Gottes zornerfülltes Erscheinen begleitet (z. B. Ri 5,3; 2 Sam 22,8; Ps 60,4). Dies zeigte sich bereits in Jes 13,13, wo bei der Heimsuchung der ~y[vr die »Erde erschütterte« (#ra v[r). »The force of this mythic scenario lies in its power to communicate the overwhelming scale of divine judgment under which humanity lies.«48 Dies geschieht hier jedoch in43 Vgl. M. Sweeney, Citations, 44. In beiden Texten meldet sich zudem die vox prophetica in 1. Sg. zu Wort, vgl. J. T. Hibbard, Intertextuality, 51. 44 U. Berges, Buch, 186. Der negative Unterton von dgb spricht auch gegen den Vorschlag von M. Sweeney, Citations, 45, in den ~ydgb »an attacker destroying and dealing treacherously with the major enemy of God in the world« zu sehen. 45 Vgl. W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 331. 46 Gegen R. Scholl, Gottes Thronrat, 62: »Gottes […] Wirken ist bei dem in diesen Versen zur Sprache gebrachten Verhängnis nicht mehr zu spüren.« Vgl. auch H. Wildberger, Jes 13 – 27, 941: »Das heißt gewiß nicht, daß nicht von einem Gericht Jahwes gesprochen werden soll, aber : die Dinge werden ihren Lauf nehmen; Jahwe braucht nichts mehr zu tun.« 47 Vgl. J. T. Hibbard, Intertextuality, 53 – 55. 48 J. Blenkinsopp, Jes 1 – 39, 356.

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direkt, ohne dass Jhwh an der Textoberfläche explizit in Erscheinung tritt: Schuld und Strafe in der Welt haben auch auf literarischer Ebene »den Blick auf ihn verstellt«49. V.19 f. knüpfen strukturell an den Schlussvers der Eingangsstrophe an (V.3: 2x fig. etym. + #rah50). Die vierfache Wiederholung der etymologischen Figur sowie die Hitpael-Formen betonen den endgültigen Charakter der Zerstörung. Inhaltlich wird das Erdbebenmotiv aus V.18 weiter entfaltet. Das dazu eingesetzte Vokabular begleitet sonst Gottes machtvolles Eingreifen: Die Erde »zerschmettert« ([[r II, vgl. Ijob 34,24; Ps 2,9), »zerbricht« (rwp, vgl. Ps 74,13) und »wankt« (jwm, vgl. 1 Chr 16,30; Ps 60,4; 82,5). Ihr »Taumeln« ([wn, V.20) könnte hingegen eine Reminiszenz an V.9 sein: Dort trinkt man keinen Wein mehr, weil nach V.7 der Weinstock bereits vertrocknet ist. Auch der Rauschtrank (rkv) schmeckt nun bitter. Wenn in V.20 die Erde hingegen »wie ein Betrunkener« (rwkvk) wankt, hat sich das Zuwenig an Wein paradoxerweise in ein Zuviel an Berauschung verwandelt. Der Vergleich mit der »Nachthütte« (hnwlmk) ruft den desolaten Zustand Jerusalems im Proömium der Prophetenschrift in Erinnerung (Jes 1,8). Darüber hinaus könnte sich das »Zerbrechen« (rwp) der Erde (24,19) auf den Vertrags-»Bruch« (tyrb wrph, V.5) ihrer Bewohner zurückbeziehen und anzeigen, dass im göttlichen Gericht Ursache und Wirkung einander entsprechen. Als Grund für die Zerstörung der Erde wird in V.20 mit 51[vp noch einmal ein Begriff angeführt, der gerade in nachexilischer Zeit »die Totalität der Verbrechen einer Epoche, des Volkes […] und die Totalität ihres Bruches mit Jahwe«52 zum Ausdruck bringt (vgl. Jes 1,28). In Jes 24,20 übersteigt der Bruch mit Jhwh aber »selbst eine letzte Dimension des Verbrecherischen und Widergöttlichen«, denn »die von ihm hervorgerufenen Sanktionen gehen über alle Maßen«53 : Gerade weil »ihr Bruch« (h[vp) »schwer« (dbk) auf der Erde lastet, wird ihr Sturz (lpn), der auch mit der Rauschmetaphorik in Zusammenhang stehen könnte (vgl. Jer 25,27), derart massiv ausfallen, dass die Erde nicht wieder aufsteht (~wq @yst-al, vgl. Jer 8,4; Am 5,2; 8,14). So ist am Ende des Abschnittes »der Untergang der Erde […] eine nicht mehr zu ändernde, ja bereits geschehene Tatsache«54. Der Schlussteil (V.21 – 23) wird durch die Einleitung »an jenem Tag«55 sowie 49 W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 334. 50 Vgl. R. Scholl, Gottes Thronrat, 61. 51 Der Begriff [vp bezeichnet nach H. Seebaß, Art. [vp, 794 f. »ursprünglich den Bruch des Rechtsfriedens an einer Person oder Gemeinschaft […] also ein Delikt, das im Prinzip durch einen Prozeß (im Völkerrecht durch Krieg) zu regeln war« (z. B. 1 Kön 12,19; 2 Kön 3,5). 52 R. Knierim, Art. [vp, 493 f. 53 H. Seebaß, Art. [vp, 802 f. 54 H. Wildberger, Jes 13 – 27, 940. 55 Die Formel könnte zudem anzeigen, dass V.21 – 23 redaktionsgeschichtlich jünger sind als

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das vorangestellte hyhw vom übrigen Kapitel abgesetzt.56 Zugleich stellen die Angaben eine zeitliche Parallele zu den zuvor geschilderten Ereignissen her (vgl. hyhw, V.2.18)57: »On the face of things, Isa 24:21 – 23 represent the future that lies beyond […] Isa 24:17 – 20. The latter does not differ from the former in any essential way nor does it take place on a different temporal level.«58 Doch in ihrer Inszenierung des Weltgerichts setzt die Reprise andere Akzente. Sie wird eingeleitet von Jhwhs (Gewalt)taten (hwhy dqpy, V.21) und klingt aus mit der Proklamation seiner Königsherrschaft am Zion (hwhy $lm-yk, V.23). Die Heimsuchung der Könige und Jhwhs Königsherrschaft am Zion (Jes 24,21 – 23) 21

Und es wird geschehen an jenem Tag: Heimsuchen wird Jhwh das Heer der Höhe in der Höhe und die Könige des Erdbodens auf dem Erdboden. 22 Sie werden eingesperrt, wie man Eingesperrte in eine Grube sperrt, und sie werden eingekerkert in einen Kerker, und nach vielen Tagen werden sie heimgesucht. 23 Und schamrot wird der Mond und beschämt die Sonne. Ja, Jhwh Zebaoth wird als König herrschen auf dem Berg Zion und in Jerusalem und vor seinen Ältesten: Herrlichkeit.

Die Rahmenverse (V.21.23) werden von Gottes (strafender) Präsenz dominiert. Der Verweis darauf, dass »Jhwh heimsucht« (hwhy dqpy), wird programmatisch an den Beginn der Einheit gestellt. Das Lexem dqp zählt nicht nur in Jes 24 – 27 »zu den Schlüsselwörtern«59 für das Gottesbild (vgl. V.22; 26,14.16.21; 27,1.3). Die Wurzel stellt im gesamten Jesajabuch einen Kernbegriff für die Beschreibung göttlicher Gewalthandlungen dar : Die Heimsuchung traf zunächst Assur und sein überhebliches Herz (10,23). Von besonderer Bedeutung sind die qal-Belege60 in den Fremdvölkersprüchen: Schon im ersten Babelspruch verheißt Jhwh ein weltweites Strafgericht, indem er das Böse am Erdkreis (lbt) heimsuchen wird (dqp we-qatal, Jes 13,11). Die Ankündigung scheint sich in Jes 24 endgültig zu verwirklichen (vgl. lbt, V.4). Am Ende der Orakelsammlung kam es noch einmal zu einer göttlichen Heimsuchung: Denn wenn Jhwh nach Jes

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der vorherige Abschnitt; vgl. W. A. M. Beuken, Prophet, 139; H. Wildberger, Jes 13 – 27, 898 f. Dies wird z. T. als Indiz für den redaktionellen Charakter von V.21 – 23 gewertet; so liest etwa J. T. Hibbard, Intertextuality, 70 den Text als »prose eschatological addendum«; vgl. J. Blenkinsopp, Jes 1 – 39, 356: »editorial addendum«. Vgl. M. Sweeney, Jes 1 – 39, 329 f. W. A. M. Beuken, Prophet, 139. R. Scholl, Gottes Thronrat, 79; vgl. ebd., 178 f. Vgl. auch Jes 13,4, wo Jhwh sein Kriegsheer »mustert« (dqp pi.).

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23,17 das zur Hure degradierte Tyrus »besucht« (rwc-ta hwhy dqpy), schlägt auch hier die »oft zum Negativen tendierende Bedeutung des Ausdrucks«61 durch. Jes 24,14 greift die Formulierung fast wortwörtlich62 auf, doch der Kreis der Heimgesuchten hat sich kosmologisch geweitet. Im Zentrum steht neben den irdischen Machthabern nun auch das »Heer (in) der Höhe« (~wrm abc). Da V.23 von den im Alten Orient als Gottheiten verehrten Himmelsgestirnen handelt, sieht M. Sweeney in den Jhwh-Feinden eine »reference to the rulers of the earth and their gods«63. Selbst wenn der Text von einem Konflikt mit überirdischen Wesen spricht, präsentiert er keine Kampfhandlungen, die Jhwh gegen das »Heer der Höhe« oder die »Könige auf dem Erdboden« setzt.64 Im Vordergrund steht die Entmachtung jeglicher Herrschaft, ob im Himmel oder auf dem Erdboden.65 Zum Ausdruck gebracht wird sie über das Wortfeld der Scham (rpx, vwb; vgl. Jes 30,5; Jer 15,9; Mi 3,7; Ps 35,4; 71,24).66 So zielt das göttliche Eingreifen nach V.22, wo das Stichwort dqp abermals fällt, primär auf die Inhaftierung (rgs, @sa) der irdischen und überirdischen Feinde. Ob die Heimsuchung in ferner Zukunft (wdqpy ~ymy brm) ihr endgültiges Aus bedeuten wird, gibt der enigmatische Text nicht preis. Am Ende der Teilkomposition (Jes 26,21 – 27,1), auf das der Text vermutlich vorausweist, kommt es abermals zu einer göttlichen Heimsuchung (dqp). Diese geht jedoch zweifellos mit der Verübung tödlicher Gewalt durch Jhwh einher (grh). Die Coda von Jes 24 setzt mit und in ihrem gewalt(tät)igen Gottesbild einen anderen Akzent: Hier mündet die göttliche Bestrafung in die Proklamation der Königsherrschaft Jhwhs auf dem Zion (hwhy $lm-yk hwhy dqpy).67 Dabei ist an kein zeitliches Nacheinander gedacht, »als gelänge JHWH durch den Untergang der Chaosmächte zur Herrschaft (Inthronisation, Proklamation)«68. Da $lm qatal (V.23b) den durativen Aspekt des göttlichen Königtums betont, scheint die Ausübung von Gewalt vielmehr einen integralen Bestandteil seiner Herrschaft !

61 W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 304. 62 Die Formulierung hwhy dqpy findet sich mit Ausnahme von Num 27,16 – dort allerdings in der Bedeutung »einsetzen« mit der Präposition -l – nur mehr in Jes 23,17; 24,21; 27,1 (vgl. noch Sach 10,3). 63 M. Sweeney, Jes 1 – 39, 330. 64 Gegen H. Wildberger, Jes 13 – 27, 943. 65 Ähnlich S. Ö. Steingrímmson, Gottesmahl, 26: »Die Beschreibung seiner ›Heimsuchung‹ [… V.] 22a-c, wird pass[iv] formuliert, ohne Angabe des S[ubjekts]. Dadurch werden die beschriebenen Handlungen als solche und ihre Folgen für die Betroffenen in den Vordergrund gerücket [sic!] und hervorgehoben, der Handelnde aber wird in den Hintergrund gestellt. Dadurch wird hervorgehoben, daß es das Hauptanliegen des Textes ist darzulegen, daß die Mächte, die bis jetzt Himmel und Erde regiert haben, entmächtigt werden, dagegen ist weniger wichtig, wer es durchführt.« 66 Vgl. F. Stolz, Art. vwb, 270. 67 Vgl. M. Sweeney, Jes 1 – 39, 326: »YHWH’s punishment […] leads to YHWH’s rule on Zion«. 68 W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 336.

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

darzustellen (vgl. Ps 24,8). Der Gewaltaspekt wird am Ende von Jes 24 eng mit Jhwhs Herrschaftsantritt als König am Zion verknüpft. So kommt es auch zu einem signifikanten Stimmungsumschwung »from a sense of doom and judgment (Isa. 24:1 – 20) to one of victory and salvation (Isa. 24:21 – 23)«69. Diese Wende leitet über und bereitet den Weg zum Danklied (Jes 25,1 – 5).

4.2.4.2 Gottes Gewalt und Schutz werden besungen (Jes 25) In diesem Hymnus werden Jhwh die von ihm vollbrachten Gewalttaten noch ein Mal vor Augen geführt (V.2 – 5). Im Eröffnungsteil preist die vox prophetica (vgl. 24,16) Gott für die Verwirklichung seiner Wunder (alp) und Pläne (twc[).70 Im Rückblick auf die Fremdvölkersprüche, in denen sich der Ratschluss (hc[, #[y) als theologischer Schlüsselbegriff zur Deutung des göttlichen Gewalthandelns erwiesen hat, ruft Jes 25,1 die Vernichtung von Babel und Assur (14,24.26), Ägypten (19,3.11.12.17) und Tyrus (23,8.9) in Erinnerung.71 Sowohl der abgeschlossene Aspekt der Verbform (hf[ qatal) als auch der Plural twc[ (»Ratschlüsse«) verleihen der Durchsetzung einen endgültigen Charakter. »Das Strafgericht […] fügt sich in den umfassenden Ratschluss JHWHs, der […] die Verwirklichung seiner Souveränität über die ganze Erde meint.«72 Dass Gott seine Pläne »von Ferne« (qwxrm) vollbracht hat, lässt sich einerseits zeitlich verstehen (vgl. Jes 22,11): Was er von langer Hand plante, hat sich nun tatsächlich verwirklicht (vgl. 37,26). Andererseits deutet qwxrm auch eine räumliche Distanz zum Geschehen an (z. B. Dtn 28,49; Ps 139,2; Jer 31,3). Dies könnte auf das Feldherrnmotiv anspielen, demzufolge Jhwh seine Pläne nicht direkt umsetzt, sondern fremde Völker oder überirdische Truppen aus der Ferne berufen hat (qxr, Jes 5,26; 13,5), um auf seinen Befehl hin Gewalt zu verüben. So lässt sich das Danklied als feierlicher Schlussakkord für das Feldherrnmotiv verstehen. Dem entspricht, dass das Epitheton twabc hwhy in Jes 24 – 27 nur in diesem Textbereich belegt ist: Als »Herr der Heerscharen« tritt er seine Königsherrschaft am Zion an (24,23) und bereitet dort (hzh rhb) allen (!) Völkern ein Festmahl (25,6). Jhwh wird zwar auch in den kommenden Passagen Gewalt verüben. In Jes 24 – 27 tritt Gott aber nicht mehr als Feldherr in Erscheinung. Er wird nun auf unmittelbare Weise aktiv, indem er als Krieger selbst in den Kampf zieht. Nach 25,2 machte Jhwh bereits die »befestigte Stadt« (hrwcb hyrq) zu einem Steinhaufen (lg, vgl. 37,26). Von ihrer Zerstörung hatte auch schon Jes 24,10 – 12 69 70 71 72

J. Loete, Hymn, 227. Vgl. dazu J. T. Hibbard, Intertextuality, 97 – 100. Vgl. J. Jensen, Yahweh’s Plan, 450. W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 345.

Gottes Gewalt gegen die Völker und die gesamte Erde (Jes 13 – 27)

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gesprochen (vgl. wht-tyrq, V.10), allerdings ohne einen direkten Bezug zu Jhwh herzustellen. Im Trümmerhaufen (hlpm), zu dem er die fremde Stadt und ihren Palast ( !wmra) laut 25,2 gemacht hat, spiegelt sich die Zerstörung von Damaskus (17,1) und Tyrus (23,13) semantisch wider, denn das Lexem ist im gesamten AT nur an diesen drei Stellen belegt. Im Fall der vermeintlich »uneinnehmbaren« (rwcb) Stadt aus Jes 25,2 ist der Zerstörungsgrad aber ungleich höher : Sie hört nicht nur wie Damaskus auf, eine Stadt zu sein (ry[m, 17,1), sondern teilt darüber hinaus das Schicksal jener Ortschaften, die nach Dtn 13,17 der Bannweihe (~rx) verfallen sollen: »Sie soll auf Ewigkeit nicht mehr aufgebaut werden« (hnby al ~lw[l).73 Trotz der vollständigen Zerstörung ihrer Prachtbauten (!wmra) scheint nach Vorstellung von Jes 25 zumindest ein Teil der ansässigen »fremden« Bevölkerung (74~yrz) zu überleben.75 Denn das einst »starke Volk« (z[-~[) gibt in V.3 »aufgrund« (!k-l[!) der Zerstörung ihrer Stadt Jhwh die Ehre (dbk pi.). Bei der Nation von »Gewalttätern« (~ycyr[) macht sich plötzlich Gottesfurcht breit (ary). Hier werden mit dbk und ary zentrale Theologumena des Jesajabuches verwendet, um das veränderte Verhältnis zwischen Jhwh und seiner unterlegenen Gegnerschaft zu beschreiben. Doch scheinen sich die »Völker von Gewalttätern« (~ycyr[ ~ywg) Jhwh nur zu unterwerfen, weil er sich eben als noch gewalt(tät)iger erwiesen hat als sie selbst. In V.4 ändert sich die Blickrichtung auf Jhwhs Gewalttaten: Im Fokus stehen nicht mehr die Gegner und ihre Vernichtung, sondern diejenigen, zu dessen Gunsten Gott eingegriffen hat. Im gewalttätigen Gottesbild wird nun der schützende und rettende Aspekt hervorgehoben: Als das Schnauben der »Gewalttäter« (~ycyr[, vgl. V.3) die Elenden und Armen »bedrängte« (rc), erwies sich Jhwh als deren Burg (zw[m, vgl. Ps 27,1; 28,8; Jer 16,19; Nah 1,7), indem er die Paläste (!wmra) der fremden Gewaltherrscher zerstörte (vgl. V.2). Damit liest sich Jes 25,3 f. einerseits als Einlösung der göttlichen Verheißung von Jes 13,11, Hochmut und Stolz der Gewalttäter (~ycyr[) zu erniedrigen.76 Andererseits werden mit »Zuflucht« und »Schatten« (lc, hsxm) Motive aus Jes 4,5 f. im Gottesbild eingespielt, mit denen sich Jhwh dem Zion und seiner Bevölkerung

73 Die Stadt wird damit zum Antitypus von Zion, der in Jes 58,12; 61,4 (vgl. Am 9,11) verheißen wird, dass die uralten Trümmer(stätte) (~lw[ twbrx) wiederaufgebaut werden (hnb). 74 Die LXX sieht in der Gegnerschaft hingegen die »Ungläubigen« (asebeir; vgl. 24,8; 25,2); dies hat zuletzt J. Blenkinsopp, Jes 1 – 39, 360 als die ursprüngliche Lesart aufgefasst und für den MT die Emendation zu ~ydz »Übermütige« vorgeschlagen (vgl. Jes 13,11); dem widerspricht zu Recht A. van der Kooij, Text-Critical Notes, 13: »LXX (asebym) does not support the reading ~ydz; it reflects ~yrz (cf. v. 5: ~yrz// asebym)«. 75 Vgl. R. Scholl, Gottes Thronrat, 88 f. 76 J. T. Hibbard, Intertextuality, 100 f.

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

schützend zuwendet.77 Jhwhs Befreiungshandeln gilt nun allerdings den Geringen (ld, vgl. Jes 11,4; 14,30) und Elenden (!wyba, vgl. 14,30; 41,17) – unabhängig ihrer ethnischen Zugehörigkeit.78 Göttliche Gewalt ist nach Jes 24 – 27 auch dort entgrenzt dargestellt, wo die Aspekte von Schutz und Rettung im Vordergrund stehen.79 Während Jhwh das Triumphlied der Gewalttätigen (~ycyr[ rymz) in Jes 25,5 zum Verstummen bringt, erklingt nach dem Dankhymnus (Jes 25,1 – 5) in Jes 26,1 erneut ein Lied (ryv), welches explizit aus dem Land Juda ertönt. Es preist Jhwh als »ewigen Fels« (V.4), da er Mauern und Bollwerke zur Rettung einsetzte (V.1) und Jerusalem so zur »starken Stadt« (z[ ry[) machte.80 All diese Motive betonen abermals den (be)schützenden Aspekt im Gottesbild. Zugleich stellt V.5 Gott als nach außen hin aggressiv handelnd dar : Die »Bewohner der Höhe« (~wrm ybvy, vgl. 24,4.18.21) sowie die »hochragende Stadt« (hbgfn hyrq) ringt er nieder (lpv hiph., vgl. Jes 13,11) und erniedrigt (lpv hiph.) sie »bis zum Staub« (rp[-d[). Sie ist offensichtlich nicht mit der von Jhwh geschützten z[ ry[ aus 26,1 identisch, sondern mit der »Stadt der Ödnis« (wht-tyrq) aus 24,10 (vgl. 25,2 f.) und spielt zugleich auf die Erniedrigung Moabs in Jes 25,10 – 12 an (lpv hiph., V.11 f.)81, die dort in drastischen Bildern beschrieben wird82 : Während Jhwhs Hand auf dem Zion ruht, wird Moab wie Stroh in der Mistlache83 zertrampelt (vwd nif., V.10). Auch die geschicktesten Schwimmbewegungen reichen nicht aus, um die Nation vor dem Ertrinken in der Jauche zu retten. »The grotesque metaphor foregrounds the notion of helplessness.«84 Jes 26,5 übernimmt das zweite, weniger drastische Bild, wonach Gott Moabs Mauern (twmwx, vgl. 26,1) »bis zum Staub« (rp[-d[) niederstürzen lässt (lpv hiph.). Die zweifache Aufnahme der Wurzel lpv in 26,5 betont die radikale, endgültige Erniedrigung der einst erhöhten Stadt (bgf, 25,12; 26,5). Sie wird in V.6 dadurch gesteigert, dass die Füße der Armen und Elenden, zu deren Schutz Jhwh gewaltsam eingriff (vgl. 25,4), die Stadt und ihre Bewohner zertreten (smr). Moab, das einzige namentlich genannte Fremdvolk in Jes 24 – 27, »re77 Auch zur Beschreibung der widrigen Umstände rekurriert Jes 25,4 mit »Hitze« (brxm) und »Wolkenbruch« (~rz) auf dasselbe Vokabular wie Jes 4,6. 78 Vgl. W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 346 f. 79 Vgl. M. Sweeney, Citations, 45 f. 80 Dem Vorschlag von R. Scholl, Gottes Thronrat, 100 f., den Begriff h[wvy hier als »ein Epitheton für Gott« aufzufassen, widerspricht zwar die Verbform (tyv 3. Sg. m); dennoch ist Jhwh als das implizite Subjekt von Jes 26,1bb zu verstehen; vgl. H. Wildberger, Jes 13 – 27, 975. 81 Vgl. R. Scholl, Gottes Thronrat, 98. 82 Vgl. D. C. Polaski, End, 192: »Isa 25:10b – 12 is an especially troubling passage which many scholars choose to exclude as a late addition«; so mit Nachdruck auch J. Blenkinsopp, Jes 1 – 39, 364: »We can only record with dismay the grotesque and offensive image.« 83 Zu diesem Bild siehe B. Becking, Straw. 84 G. Eidevall, Prophecy and Propaganda, 160.

Gottes Gewalt gegen die Völker und die gesamte Erde (Jes 13 – 27)

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präsentiert […] die Völker, die anmaßend auftreten und sich so weiterhin JHWHs Herrschaft widersetzen«85 und steht in dieser Funktion nach Babylon (Jes 13 f.; 21; 45) und Edom (Jes 34; 63) an dritter Stelle (vgl. auch den sog. Moabiter-Paragraphen, Dtn 23,4 – 786). Durch den Gewaltterminus smr wird nicht nur »den gesellschaftlich Wehrlosen eine Herscherrolle«87 zugestanden. Die Elenden sind auch die einzige Gruppe, die in Jes 24 – 27 neben Jhwh Gewalt verübt. Sie treten damit in eine ähnliche Funktion wie der persische Herrscher Kyros, der in Jes 40 – 55 mit der Vernichtung von Babylon betraut ist (vgl. smr, 41,25), während in der letzten Teilkomposition Jhwh alleine die Völker in seiner Kelter tritt (smr, Jes 63,3). 4.2.4.3 Der göttliche Krieger im (Chaos)kampf gegen die Frevel (Jes 26,21 – 27,1) Auch in Jes 26 f. delegiert Jhwh keine Gewalt, sondern verübt sie ausschließlich selbst: In V.11 ist seine Hand erhoben (dy ~wr), wodurch seine Gegner (~yrc) den Eifer für das Volk (~[-tanq) sehen und von Feuer gefressen werden. Er sucht die Toten heim (dqp) und rottet sie aus (dmv), sodass jede Erinnerung an sie verloren geht (V.14). »Gemeint sind mit den nie wieder aufstehenden Verstorbenen die fremden Herrschermächte, die Israel zur Entstehungszeit des Textes unterdrücken, aber in der Zukunft […] von Gott bestraft und endgültig vernichtet werden.«88 Hingegen wird das Volk (»mein Volk«, ym[) in V.20 dazu aufgefordert, sich in den Kammern einzuschließen (rgs), bis der (göttliche) Grimm vorüber gezogen ist (~[z rb[y-d[).89 Wie machtvoll und gewaltig der Zorn ausbricht, zeigen die Übergangsverse90 Jes 26,21 – 27,1:

85 86 87 88 89

W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 355. Dazu V. Haarmann, JHWH-Verehrer, 220 – 222. W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 371. Th. Hieke, Sichtweisen, 50. Nach J. Vermeylen, Du prophÀte I, 373 liegt hier eine kombinierte Anspielung auf Jhwhs Vorüberziehen in der Pessach-Nacht (rb[, Ex 12,23) und das Verschließen der Arche in der Sinfluterzählung vor (rgs, Gen 7,16). 90 Zur Einordnung von Jes 27,1 im strukturellen Aufbau des Kapitels siehe R. Scholl, Gottes Thronrat, 150 f.

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch Der göttliche Krieger zieht zum Kampf aus (Jes 26,21 – 27,1)

26,21

Ja, siehe, Jhwh zieht von seiner Stätte aus, um die Schuld des Erdenbewohners an ihm heimzusuchen. Dann wird die Erde ihr(e) Blut(schuld) enthüllen, und nicht länger ihre Erschlagenen bedecken. 27,1 An jenem Tag wird Jhwh heimsuchen mit seinem harten, großen und starken Schwert den Leviatan, die flüchtige Schlange, und den Leviatan, die gewundene Schlange. Und er wird das Ungeheuer erschlagen, das im Meer ist.

Mit Jes 26,21–27,1 kommt es zu einer weiteren »Heimsuchung« durch Jhwh, die mit der ersten (Jes 24,21–23) sogar syntaktisch parallel läuft (hwhy dqpy awhh ~wyb, 24,21; 27,1).91 Sie trifft nun allgemein die »Erdenbewohner« (#rah-bvy, vgl. 24,1.5 f.17) und wird unter kriegerische Vorzeichen gestellt: Jhwh zieht wie zu einer Schlacht aus (92acy, vgl. 37,36; 42,13), um ihre »Schuld« (!w[) zu bestrafen. Während Jhwh bereits in Jes 26,14 die Toten (~ytm) und Schattengeister (~yapr) heimgesucht (dqp) und vertilgt hat, wird er nun selbst jene (Blut)Schuld ahnden, über die buchstäblich schon Gras gewachsen ist. Hinter dem Bild verbirgt sich die Vorstellung, dass unschuldig vergossenes Blut zu Gott schreit, da er für die Vergeltung Sorge trägt (vgl. Gen 4,10; Ez 24,7 f.; Ijob 16,18; Hebr 12,24).93 Die weltweite Ahndung der Schuld (!w[) wurde am Beginn der Teilkomposition in Aussicht gestellt (13,11) und an Babylon paradigmatisch abgehandelt (14,21). Da Jes 24 – 27 die Ebene der Völkerwelt überschritten hat, wird das Feindbild nicht mehr »babylonisiert«, sondern mythologisch aufgeladen: Die Erdbewohner verkörpern nun das Schlangenmonster Leviatan (vgl. Ijob 3,8; 40,25) bzw. das Meerungeheuer Tanit, dem Jhwh zum Erhalt der Schöpfungsordnung entgegentritt (vgl. Ps 74,12 – 14; Jes 51,9).94 So kommt es zu einer Überblendung von Chaoskampf und göttlichem Strafgericht, das das analoge Geschehen in der Sintfluterzählung sogar noch steigert. »Diesmal wird der Leviatan, das Seemonster, Inbegriff des chaotischen Bösen, nicht mehr […] ungeschoren davonkommen.«95 Wie die Erde bei der Heimsuchung (dqp) der Menschen ihre Erschlagenen (grh) aufdeckt, wird Jhwh »an jenem Tag« (~wyb awhh) das Ungeheuer heimsuchen und erschlagen (dqp und grh). Der kosm(ogon)ische Kampf und glorreiche Sieg der Schöpfergottheit illustriert »the final 91 Vgl. B. W. Anderson, Serpent, 9 f. 92 Vgl. H. Fredriksson, Jahwe als Krieger, 9 f. 93 Vgl. B. Kedar-Kopfstein, Art. ~d, 265: »Das Blut eines Ermordeten, das bisher als umherirrend und nach seinem Rächer schreiend dargestellt wurde, kann jetzt seine Stimme zu JHWH erheben (Gen 4,10; Hi 16,18 f.).« 94 Zu den engen Parallelen von Jes 27,1 in ugaritischen Texten siehe J. Day, Conflict, 142 – 145. 95 U. Berges, Buch, 195.

Gottes Gewalt gegen die Völker und die gesamte Erde (Jes 13 – 27)

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Abb. 6: Marduk als Herrscher über das Seeungeheuer

overcoming of evil as a metahistorical and metaphysical force«96. Wenn Gott hier mit gezückter Waffe auszieht, zeigen sich im Gottesbild deutliche Spuren militärischer Gewalt.97 Hier erscheint Jhwh das erste Mal im Durchgang durch das Jesajabuch als mächtiger Krieger. Er befiehlt nun nicht mehr fremde Soldaten, sondern bekämpft und tötet seine Gegner selbst. »Gerichtsvollstrecker ist Jahwe allein, eines irdischen Werkzeuges bedarf er nicht mehr.«98 Während Jes 27,1 die letzte göttliche »Heimsuchung« (dqp) im Jesajabuch darstellt99, erhebt Gott hier 96 J. Blenkinsopp, Jes 1 – 39, 372. 97 Dass Jhwh aber nicht uneingeschränkt heimsucht, zeigt die Fortsetzung der Kampfszene: Im Umkehrtext zum Weinberglied (Jes 5,1 – 7) verheißt Jhwh dem Weinberg seine umfassende Obhut: »Damit er nicht heimgesucht wird (hl[ dqpy !p), werde ich ihn Tag und Nacht behüten (rcn)« (27,3). 98 H. Wildberger, Jes 13 – 27, 909. 99 In Jes 29 wird die Stadt von Jhwh selbst belagert (V.3) und mit Donner und Erdbeben »heimgesucht« (dqp pu., V.6; vgl. 34,16; 38,10; 62,2).

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

erstmals sein Schwert (wbrx). Die Waffe weist auf Jes 34 voraus, wo im Rahmen einer Gottesrede »mein Schwert« (ybrx) von Blut triefend am Himmel erscheint und zu Bann (~rx) und Gericht an Edom, dem nächsten großen Gottesfeind, niedersaust (vgl. V.5 f.). Im zweiten Abschnitt der Teilkomposition weitet sich das göttliche Gewalthandeln universal aus: Zwischenstaatliche Konflikte scheinen nach den Fremdvölkersprüchen (Jes 13 – 23) keine entscheidende Rolle mehr zu spielen. Moab ist das einzig namentlich genannte Volk, gegen das Jhwh in diesem Abschnitt gewaltsam vorgeht (vgl. 25,10 f.). »Die zahlreichen Völkernamen […] weichen der Anonymität ›der Bewohner der Erde‹.«100 Mit Jes 24 – 27 erhält Jhwhs hc[, der sich in Jes 13 – 23 an den verschiedenen Nationen vollzog, einen universalen Fluchtpunkt (vgl. Jes 25,1): »Das Gericht an den Völkern ist nicht ein Konglomerat einzelner göttlicher Gerichtsschläge, sondern […] Teil eines umfassenden Weltgerichts.«101 Göttliche Gewalt richtet sich in Jes 24 – 27 zum einen gegen die gesamte Erde und ihre Bevölkerung (z. B. 24,1; 26,21), zum anderen gegen eine nicht näher identifizierte102 Stadt (vgl. 24,10 – 12; 25,2; 26,5; 27,10), die durchwegs negativ charakterisiert wird. Sie hat in Jerusalem, das von Jhwh mit Verteidigungsanlagen ausgestattet wurde, ihr positives Gegenbild (vgl. 26,1 – 4). Zwei Koordinaten bestimmen dabei die gewalthaltigen Gottesbilder : Erstens bildet Recht und Gerechtigkeit den entscheidenden Kontext, in dem Jhwh als Gewalttäter in Erscheinung tritt. So erhält die Gewalt eine noch stärkere ethische Akzentuierung. Zum Vergleich: In Jes 13 – 23 waren die Lexeme »Recht« (qdc) und »Gericht« (jpv) mit Ausnahme von 16,5 nirgendwo belegt! Demgegenüber betont etwa Jes 26,9 (vgl. V.10): »Wenn dein Gericht(shandeln) ($yjpvm) zur Erde [niedergeht], lernen die Bewohner der Erde Recht (qdc)«. Dazu ringt Jhwh die in der Höhe Wohnenden bzw. die hochragende Stadt gewaltsam nieder (26,5; vgl. 24,21 f.) und erweist sich so zugleich als Schutz der Armen und Schwachen (25,4). Göttliche Gewalt ist nach Jes 24 – 27 damit auch dort entgrenzt, wo die Aspekte von Schutz und Rettung im Vordergrund stehen. Mit den Kategorien von Frevlern und Armen setzt sich im universalen Schlussteil ein Aspekt durch, der bereits in den Fremdvölkersprüchen über den Gegensatz zwischen den ~ywg und dem eigenen Volk gestellt wurde (vgl. 13,7.12; 14,30). Diese scharfe Dichotomisierung wird auch den Schlussteil der Prophetenschrift (Jes 56 – 66) beherrschen. Die Scheidung vollbringt Jhwh dort ebenfalls unter Einsatz gewaltsamer Mittel (vgl. Jes 59,15b–20; 63,1 – 6; 65,15; 66,6.14b–16). 100 W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 28. 101 K. Schmid, Jes 1 – 23, 129. 102 Für ihre Identifizierung gibt es zahlreiche Vorschläge: Babylon, Ninive, die Hauptstadt von Moab (vgl. Jes 25,10b–12); siehe J. T. Hibbard, Intertextuality, 20 – 26; vgl. A. van der Kooij, Cities; R. Kleger, Wiederherstellung, 52 – 59.

Gottes Gewalt gegen die Völker und die gesamte Erde (Jes 13 – 27)

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Der zweite Horizont, unter dem das gewalthaltige Gottesbild steht, ist Jhwhs universaler Herrschaftsanspruch: Stand am Ende von Jes 1 – 12 die Sehnsucht nach einem neuen, königlichen Spross aus der Wurzel Jesse (Jes 11,1 – 5) und fiel in den Fremdvölkersprüchen der Herrscherstab der göttlichen Gewalt zum Opfer (Jes 14,5), wird am Beginn von Jes 24 – 27 das universale Königtum Jhwhs feierlich proklamiert (Jes 24,23; vgl. 33,17 – 22; 52,7).103 Zusammen mit der Bestrafung aller Frevler (24,21 f.) bildet es »den ausdrücklichen Höhepunkt dieses Buchteils«104. Unter diesem Blickwinkel ist auch das göttliche Gewalthandeln zu beleuchten. Es zielt gegen Ende hin auf die Rückkehr der Vertriebenen und die kollektive Anbetung des Gottkönigs Jhwh auf jenem Berg (27,13), der erstmals nach Jes 11,9 wieder das Prädikat der »Heiligkeit« (vdq) zugesprochen bekommt. In Bezug auf die Inszenierung Gottes als Gewalttäter kommt es in den Schlusskapiteln der Teilkomposition zu einer signifikanten Veränderung: Aus Jhwh dem Kriegsherrn, der fremde Völker als Werkzeuge der Gewalt in Dienst nimmt, wird der aktive Krieger, der selbst für die Bestrafung und Vernichtung seiner Gegner sorgt. Diese Art der Darstellung unterstreicht seine Machtfülle und ergibt sich in synchroner Leseweise aus der Tatsache, dass er nach den Fremdvölkersprüchen keine weltlichen Mächte mehr beauftragen kann. Denn schon in Jes 14,5 hatte Jhwh den »Stab der Herrscher« (~ylvm jbv) zerbrochen, der sich als »Stab der Frevler« (~y[vr hjm) erwies. Mit Babylon war zwar bereits zu Beginn der Teilkomposition der »Prototyp des Tyrannen«105 gefallen, doch kommt es in den anschließenden Fremdvölkersprüchen zu einer Abrechnung mit den feindlichen Kräften in der übrigen Völkerwelt. Diese wird in Jes 24 – 27 zu einem universalen Weltgericht weiterentwickelt, bei dessen Verwirklichung sich Gott aber auch keiner überirdischen Truppen mehr bedient. Statt das Heer der Höhe zum Krieg zu mustern (dqp pi. in 13,4), sucht er es in 24,21 heim (dqp, vgl. V.22). Auch wenn sich die Angriffsziele und Instrumente des göttlichen Handelns immer wieder verändern, lassen sich mithilfe der Gewaltsemantik »blutrote« Fäden durch die Prophetenschrift verfolgen. Dies zeigt sich auch im nächsten Spitzentext gewalthaltiger Terminologie. In ihm wendet sich Jhwh gegen Edom, das im Jesajabuch nach Assur und Babylon seinen dritten »Hauptfeind« bildet.106 Als Motivbrücke dient ausgerechnet das Schwert (brx) des göttlichen Kriegers (vgl. Jes 27,1; 34,5 f.). 103 104 105 106

Dazu R. Scholl, Gottes Thronrat, 104 – 116. W. A. M. Beuken, Jes 13 – 27, 37. Ebd., 106. Auch in Jes 28 – 33 ist Jhwh gewaltsam aktiv, doch beschränkt sich das kriegerische Gottesbild in dieser Teilkomposition auf einige Blitzlichter. Die kurzen Abschnitte stammen aus verschiedenen redaktionsgeschichtlichen Epochen und spiegeln Konflikte mit unterschiedlichen Gegnern wider: In Jes 29,3 tritt Jhwh als Belagerer Jerusalems auf. Jes 30,27 –

184

4.3

Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

Der göttliche Krieger vollzieht den Bann in und an Edom (Jes 34)

4.3.1 Grundstruktur des Kapitels Der nächste Text, der durch seine ausführliche Gewaltdarstellung aus der Prophetenschrift hervorsticht, ist das Edom-Orakel in Jes 34. Das Kapitel nimmt insofern eine Sonderstellung im Buchaufbau ein, als es sich einerseits als Abschluss von Jes 1 – 33 lesen lässt, andererseits aber auch auf die weitere Prophetenschrift vorausblickt.1 Dies gilt besonders in Verbindung mit dem »Zwillingstext« Jes 352, mit dem Jes 34 die sog. »kleine Jesajanische Apokalypse« bildet.3 Hinsichtlich der Darstellung göttlicher Gewalt sind darüber hinaus die Bezüge zu Jes 63,1 – 6 von großer Bedeutung.4 Obwohl Gott in Jes 34 sein Strafgericht überwiegend an einem einzelnen Fremdvolk (Edom) vollzieht und der Text damit eine thematische Nähe zu den Fremdvölkersprüchen aufweist5, ist das Kapitel nicht in die Orakelsammlung von Jes 13 – 23 aufgenommen worden. Dass Jes 34 im Großjesajabuch erst nach Jes 24 – 27 zu stehen kommt, hängt u. a. an dem literarhistorisch jungen Alter des Edom-Orakels6 : Als das Kapitel Eingang in das Jesajabuch fand, stand die Völkerspruchsammlung als Textkomplex bereits fest. Nach U. Berges7 liefern die zahlreichen intratextuellen Bezüge zu Jes 13,17 – 228, die in die Zeit der babylonischen Aufstände gegen Xerxes I. (um 485 v. Chr.) zu datieren sind, einen terminus a quo für die Entstehung von Jes 34,1.5 – 15, also ohne die Einschreibung des Völkergerichts (V.2 – 4). Jes 13 – 27 und Jes 34 ist gemeinsam, dass das göttliche Gewalthandeln nicht nur für eine einzelne Nation, sondern für die gesamte Völkerwelt Folgen hat (vgl. 34,1 – 4). So bildet die weltweite Perspektive auch in Jes 34 analog zu Jes 24 – 27 einen wichtigen Deutungshorizont der Gewaltinszenierung.

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33 lässt ihn als zornerfüllter Krieger gegen Assur vorgehen und in Jes 31,4 kämpft er vom Zion herab für die Befreiung seines Volkes (vgl. V.8). Dazu U. Berges, Buch, 249 – 255; B. Gosse, Isae, 401 – 404. Vgl. dazu O. H. Steck, Bereitete Heimkehr, 49 – 59; B. Gosse, Isae. Vgl. O. Kaiser, Jes 13 – 39, 280. Aber wie schon im Fall von Jes 24 – 27 ist die Bezeichnung nur bedingt zutreffend; vgl. H. Wildberger, Jes 28 – 39, 1330: »Die formalen Merkmale einer Apokalypse fehlen. […] Vom Ende des Kosmos, dem Untergang der alten Welt und dem Herabsteigen einer neuen wird nicht gesprochen.« Siehe dazu Kapitel 4.6.3; sowie B. Gosse, SynthÀse. Vgl. M. Sweeney, Jes, 440 f. Zu den Implikationen der kompositionellen Stellung von Jes 34 auf die Analyse der Gewaltinszenierung siehe bereits U. Berges/B. Obermayer, Großer Friede, 367 f. Vgl. U. Berges, Buch, 253. Vgl. B. M. Zapff, Schriftgelehrte Prophetie, 249 – 254.

Der göttliche Krieger vollzieht den Bann in und an Edom (Jes 34)

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4.3.2 Gottes Gericht in und an Edom und der Rechtsstreit um Zion Das Kapitel setzt mit einem weltweiten Höraufruf ein (V.1) und wird mit einem Appell an die Hörenden/Lesenden beschlossen, das Eintreffen der Prophetenworte gegen Edom im Buch Jhwhs nachzuforschen (V.16 f.).9 Der Hauptteil lässt sich mithilfe des Demonstrativpartikels yk sowie der Bestimmung »für Jhwh« (hwhyl) in vier Stanzen gliedern: Die erste Strophe (V.2 – 4) stellt der Völkerwelt den göttlichen Grimm und dessen Vollstreckung auf der Erde und im Himmel drohend vor Augen. Im Mittelpunkt der zweiten Strophe (V.5 – 6a) steht Jhwhs Schwert, welches nun vom Himmel zum Gericht auf Edom niederfährt. Die dritte Strophe (V.6b–7) deutet das Gerichtshandeln als ein Opferfest, das Jhwh in Edom durchführt. Die vierte, weniger straff durchkomponierte Strophe (V.8 – 15) beleuchtet das Geschehen als »Tag der Rache für Jhwh«, der zugleich ein »Jahr der Vergeltung für den Rechtsstreit um Zion« ist. Diese Notiz bereitet einerseits thematisch auf die Wiederherstellung Zions in Jes 35 vor (vgl. V.10) und schlägt andererseits eine Brücke zum Gericht an Edom in Jes 63,1 – 6, das ebenfalls als »Tag der Rache« charakterisiert wird (vgl. V.4).10 Jhwhs Zorn auf die Völker (Jes 34,1 – 4) 1

Tretet heran, ihr Nationen, um zu hören! Und ihr Völkerschaften, horcht auf! Es höre die Erde und was sie erfüllt, der Erdkreis und alles, was auf ihm entsprosst! 2 Ja, Zorn hat Jhwh auf alle Nationen, und Zornesglut auf ihr ganzes Heer. Er hat an ihnen den Bann vollstreckt, sie zur Schlachtung gegeben. 3 Ihre Erschlagenen werden hingeworfen, der Gestank ihrer Leichen steigt auf, und die Berge zerfließen von ihrem Blut. 4 Alles Heer der Himmel zergeht, eingerollt werden die Himmel wie eine Buchrolle. Ihr gesamtes Heer verwelkt, wie das Laub am Weinstock verwelkt, und wie Welkes am Feigenbaum.

Die in V.1 aufgerufene Völkerwelt wird zunächst mit Jhwhs Zorn konfrontiert. Dass die Völker zum Näherkommen (brq), Hören ([mv) und aufmerksamen Schauen (bvq) aufgefordert werden, deutet an, dass auch sie aus dem Gericht an 9 Diese »Interpretative Guideline« (U. Berges, Buch, 252) ist ein sekundärer Nachtrag, der »das Eintreffen des zuvor geweissagten Edomgerichts konstatiert und als Jahwetat anhand schriftlicher Überlieferung herausstellt« (O. H. Steck, Bereitete Heimkehr, 52). 10 Vgl. W. A. M. Beuken, Lament, 83.

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

Edom lernen11 und ihre Feindschaft gegen Jhwh und Zion aufgeben sollen.12 In Jes 34 schließen Völkerperspektive und Edomgericht einander also keineswegs aus13, sondern sind – nicht zuletzt aufgrund von Überschneidungen in der Gewaltsemantik – aufeinander bezogen. Da sich die Zusammenstellung von #ra und lbt im Jesajabuch ausschließlich im Gerichts- und Gewaltkontext wiederfindet (vgl. 14,21; 18,3; 24,4; 26,9.18)14, wirkt schon das B-Kolon des Einleitungsverses bedrohlich. Nach Jes 34,2 erstreckt sich der göttliche Zorn »über alle Nationen« (~ywgh-lk-l[, vgl. 25,7) und ersetzt so Gottes Hand, die in 14,26 »über alle Nationen« ausgestreckt war. Während in Jes 13 – 27 Jhwhs Zorn das Gewalthandeln an den Fremdvölkern und der gesamten Welt – mit Ausnahme der Babelkapitel (Jes 13 f.) – weder auslöste, noch begleitete, ist er am Beginn von Jes 34 durch @cq und hmx gleich zweifach präsent. Das Strafgericht an Edom erhält damit – analog zu jenem an Babel (vgl. 13,3.5.9.13) – einen emotionsgeladenen Charakter. Die Metapher ist nach biblischer Vorstellung aber weniger als Gefühlsregung zu verstehen, denn als »die zur Realität verdichtete Form der […] explosiven Verhaltensweise JHWHs«15 und als »eine politisch höchst wirksame Macht«16. Auffällig ist auch die Wahl des Zornvokabulars: Der göttliche Grimm wird nicht wie bisher mit @a oder ~[z beschrieben. Erstmals regen sich in Gott @cq (vgl. Jes 8,21) und hmx (vgl. Jes 27,4). Die beiden Begriffe werden die göttliche Gewalt in der weiteren Prophetenschrift begleiten (z. B. 42,25; 47,6; 57,17; 63,3; 64,4.8; 66,15). Das erste Auflodern der »(Zornes)Glut« (hmx) manifestiert sich in massiver Kriegsgewalt an der Schar bzw. am Heer der Völker (~abc, V.2), die in den Vollzug der Bannweihe (~rx hiph.) mündet. Letztere stellt im Jesajabuch zwar keine tragende Inszenierung von Gewalt dar (Substantiv : 34,5; 43,28; Verb: 11,15; 34,2; 37,11)17, ist aber aus vielen anderen atl Kriegstexten vertraut (z. B. Num 21,2 f.; Dtn 2,34; 3,6; Jos 6,17 – 21; 10,28 – 40; Ri 1,17; 1 Sam 15,3 – 21). Die Vorstellung, dass Gott selbst den Bann vollzieht, findet sich jedoch nur an wenigen Stellen der HB. Mit Ausnahme von Jos 11,20 stammen alle Belege aus dem Kanonteil der Schrift11 Dies macht der Aufruf zum »Nähern« (brq) und »Hören« ([mv) deutlich; vgl. Dtn 5,27; Jes 48,16; sowie M. Sweeney, Jes, 438: »the nations are to learn about YHWH’s power to punish from the example of Edom«. 12 W. A. M. Beuken, Jes 28 – 39, 306: »Sie [die Völker] verkörpern diejenigen, die aus der Gerichtsankündigung immer noch lernen können.« 13 So O. H. Steck, Bereitete Heimkehr, 54 f. (mit FN 31), der die Abfolge von Völker- und Edomgericht nicht für ursprünglich hält, sondern V.2 – 4 – analog zu Jes13,2 – 5.17 – 22 – als redaktionelle Erweiterung der Grundschicht 34,5 – 15 deutet; vgl. dazu auch B. M. Zapff, Schriftgelehrte Prophetie, 249 – 257. 14 Vgl. W. A. M. Beuken, Lament, 80. 15 F. Reiterer, Art. @cq, 97. 16 U. Berges, Zorn Gottes, 317. 17 So schon J. Lust, Herem, 277. ˙

Der göttliche Krieger vollzieht den Bann in und an Edom (Jes 34)

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prophetie (Jes 43,28; Jer 25,9; Mal 3,2418). Jes 34 kommt insofern eine besondere Rolle zu, als nur hier Jhwh die Bannweihe an einem fremden Volk vollzieht.19

Exkurs: Der Herem – ein neuralgischer Punkt der atl Rede vom ˙ Krieg Mit der Vorstellung, dass Kriege von der eigenen Gottheit gelenkt und entschieden werden, steht ein religiöses Phänomen in Zusammenhang, das der eigenen Seite den Sieg in der militärischen Auseinandersetzung gewährleisten soll.20 Der Bann, hebr. 21~rx (»Herem«), ist als Gelübde zu verstehen, die her˙ vorragendsten Teile der Beute (z. B. Edelmetalle oder erbeutetes Vieh) oder alle eroberten Güter und Menschen der Gottheit zu weihen, das heißt, sie zu töten. Dieser neuralgische Punkt der atl Rede vom Krieg wirft zunächst eine historische Frage auf: Handelt es sich um ein rein literarisches Stilmittel oder wurden im Krieg tatsächlich Mensch und Tier als Banngut für die eigene Gottheit getötet? Auch wenn die Frage nicht mit Sicherheit beantwortet werden kann, herrscht in der Forschung weitgehender Konsens darüber, dass der Bann »keine Erfindung der Exilszeit«22 oder reines Stilmittel ist. Hinter der literarischen Inszenierung steht eine geschichtliche Realität, die sich u. a. durch Hinweise auf der Mescha-Stele23 für den syro-palästinischen Raum belegen lässt24 : »Diesen Vorstellungskreis und diese Praxis von ›Bannweihe‹ hat es allem Anschein nach in der […] Königszeit Israels gegeben. Wahrscheinlich waren sie nie zentral für das geistige Selbstverständnis und das militärische Handeln Israels […]. In besonders kritischen Momenten aber wurde darauf zurückgegriffen.«25 Die atl Darstellung der Bannvollstreckung weist eine große Bandbreite auf. So gehört der Herem einmal in den Bereich des kultischen Opfers und bezeichnet ˙ dort Gegenstände, die der Gottheit überantwortet werden (vgl. Num 18,14). Lev 18 In den übrigen Stellen, die W. A. M. Beuken, Jes 28 – 39, 314 zur Deutung heranzieht, ruft Jhwh dazu auf, die Bannweihe zu vollziehen, ist selbst aber nicht als Vollstrecker dargestellt. 19 In Jes 11,15, wo Gott die »Meerzunge Ägypten« bannt, ist die Darstellung weit weniger martialisch. Siehe dazu Kapitel 4.1.7. 20 Vgl. G. Braulik, Völkervernichtung. 21 Vgl. B. Schmitz, Untergang; N. Lohfink, Krieg. 22 W. Dietrich, David, 151; vgl. P. Stern, Chaos, 393: »in biblical Israel and in most of the ancient Near East […] the war ban was an exceptional practice, irregularly performed, and only in extreme circumstances«. 23 Zum Text siehe M. Weippert, Textbuch, 244 – 248. Verwandte Texte bei G. Baumann, Gottesbilder, 87 – 92. 24 Vgl. L. A. S. Monroe, War-Herem. Einen Überblick über die Bannpraxis in der israelitischen Königszeit bietet W. Dietrich, David, 150 – 156. 25 Ebd., 155. Vgl. E. Otto, Krieg, 98; F. Stolz, Kriege, 154 f.

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

27,28 f. verbietet in Form einer rechtlichen Sonderbestimmung jeden Handeln und jegliche Auslösung des gebannten Gutes. Der Text lässt keinen Zweifel an der Todeswürdigkeit des Vergehens (tmwy twm, V.29). Hier tritt eine im Vergleich zu modernen Vorstellungen anders gelagerte Anthropologie zutage: Unfreie Menschen werden im alten Orient als Teil des Besitzes gesehen, über den der Besitzer frei verfügen kann. So fallen etwa auch alle Rechtsangelegenheiten solcher unfreien Frauen und Männer nicht unter das Personrecht. »Ihre Rechtsfälle wurden vielmehr unter den Sachrechten ihrer ›Besitzer‹ abgehandelt.«26 Neben dieser kultischen Bannweihe ist der Herem vor allem im militärischen ˙ Kontext beheimatet. Die Mehrheit der Belege findet sich in der Tora bzw. in der Vorderen Prophetie (z. B. Num 21,2 f.; Dtn 3,6; Jos 6,21; 10,28; 1 Sam 15,8 f.; 1 Kön 9,21; 2 Kön 19,11). Der Herem kann nicht nur von Jhwh befohlen (z. B. Dtn ˙ 20,16 – 18; 1 Sam 15,3) oder vollbracht (z. B. Jes 34,2) und von Israel durchgeführt werden (z. B. Jos 6,21). Auch fremde Menschen und Mächte können ihn vollziehen (z. B. 2 Kön 3,2727; Jes 37,11). Der Sach- und Personenkreis, der unter den Bann fällt, divergiert in den einzelnen Erzählungen ebenfalls: Der Herem ˙ kann auf die gesamte Einwohnerschaft (z. B. Jos 8,26; 10,28) oder bestimmte Personengruppen ausgedehnt werden (z. B. Ri 21,11 f.). Er ist auch nicht unbedingt auf fremde Menschen beschränkt, sondern kann auch über Personen verhängt werden, die zu Israel gehören (vgl. Dtn 13,16). Als Banngut im Krieg kommen nicht die minderwertigen Teile der eroberten Beute infrage, die auf diese Weise eben doch noch irgendeine Verwendung finden, sondern ausschließlich deren beste Stücke. Dies betont S. Niditch mit Blick auf eine der von ihr erhobenen Herem-Traditionen und spricht von einer ˙ Eigentümlichkeit, die in der Deutung der grausam anmutenden Vorstellung zutage tritt: »Paradoxically, the ban as sacrifice may be viewed as admitting of more respect for the value of human life […].«28 Eine Episode, die gerade um die besondere Qualität der zu bannenden Beute kreist, ist die Erzählung über die Verwerfung Sauls (2 Sam 15).29 Dort schont Saul die wertvollen Teile der von den Amalekitern eroberten Beute sowie das Leben ihres Königs. Nur am minderwertigen Teil des eroberten Gutes vollzieht er den Bann (V.9). Dies führt zum 26 I. Fischer, Identität, 74. 27 Auch wenn an dieser Stelle von einem Brandopfer (hl[) die Rede ist. 28 S. Niditch, War, 50. Nach P. Stern, Chaos, 392 ist der Kriegsbann hingegen nicht als ein Akt des Opferns zu verstehen: »The situation is totally different […]. Indeed, in the ban there is no sacrifice of an individual’s own property, for the whole essence of it is to render to God what has never been Israel’s but has always been God’s – the lives and property of the enemy.« Stern übersieht jedoch, dass die Einverleibung von Beute in der altorientalischen Kriegsführung zu den legitimen Formen der ökonomischen Bereicherung gehört. 29 Siehe dazu U. Berges, Verwerfung.

Der göttliche Krieger vollzieht den Bann in und an Edom (Jes 34)

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Disput mit Samuel (V.14 – 21) und schließlich zur Verwerfung des ersten israelitischen Königs durch Jhwh (V.22 f.). Angesichts des mit dem Herem in Verbindung stehenden Blutvergießens ˙ ergibt sich auch eine theologische Spannung, die sich folgendermaßen zusammenfassen lässt: »The ban as sacrifice requires a wider view of a God who appreciates human sacrifice.«30 Der Grund für das schonungslos dargestellte Abschlachten aller gegnerischen Menschen könnte im Gedanken liegen, dass die Entscheidungsgewalt über Leben und Tod (im Krieg) als den Menschen entzogen und allein Gott zustehend gedacht wird. Mitunter versuchen auch solche blutrünstig anmutenden Texte, traumatische Kriegsgeschehnisse zu verarbeiten: »The ban as sacrifice deals with the guilt of the killers rather than the grief of the bereaved.«31 Eine zweite Kriegsideologie bedient sich ebenfalls der Institution des Herem, ˙ um ihre Sicht auf bellizistische Auseinandersetzungen zur Darstellung zu bringen. Diese Kriegskonzeption stellt den »ban as God’s justice«32 dar und gibt für dessen Durchführung eine ausführliche Begründung, nämlich die Sündhaftigkeit oder das Vergehen derjenigen, die dem Untergang geweiht werden (z. B. Dtn 7,26). Das Feindbild kann dabei sogar mit Chaosmächten gleichgesetzt werden: »By assigning the enemy (internal or external) the role of chaos, the depersonalization of the enemy was complete, and the slaughter of men, woman, and children could follow […] without the ban even being regarded as an ethical question.«33 Der Bann wird nicht mehr als eine Möglichkeit gesehen, mit der eigenen Gottheit über den Ausgang des Krieges zu verhandeln, und er ist auch kein Gelübde für den Sieg. Der Herem wird vielmehr als Mittel zur Bestrafung für ˙ falsches Verhalten angesehen. In der göttlichen Bannweihe von Jes 34 scheinen sich die verschiedenen biblischen Verwendungsmuster des ~rx zu kreuzen: Der göttliche Zorn, der das Vernichtungshandeln auslöst, deutet einerseits auf ein krasses Fehlverhalten der Völker hin.34 Dass sich der Grimm auch auf »ihr Heer« (~abc) erstreckt, verleiht der Bannvollstreckung zugleich eine kriegerisch-militärische Konnotation. Der Schwerpunkt der Darstellung liegt aber auf dem göttlichen Krieger : »Wer immer auf der Bühne der Weltgeschichte agieren mag, den Verfasser interessiert nur, 30 S. Niditch, War, 50. 31 Ebd. Ein ähnliches Rationale konstatiert B. Oded, War, 19 für vergleichbare Passagen in assyrischen Königsinschriften: »At the same time, by using the phrase kasˇu¯sˇ ila¯ni [»weapon of the gods«, vgl. ebd.] the Assyrian kings seek to justify the brutality that they show in wars and which is well illustrated in the reliefs.« 32 Vgl. S. Niditch, War, 56 – 77. 33 P. Stern, Chaos, 391. 34 Doch über konkrete Vergehen erfährt man auffälligerweise nichts; vgl. O. Kaiser, Jes 13 – 39, 282.

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daß Jahwe selbst Subjekt des Geschehens ist.«35 In Jes 34 ist der »war ban […] a special case of the triumph of the Divine Warrior in battle«36. Andererseits weist der Text gerade auf Ebene der Gewaltsemantik stark kultische Dimensionen auf (vgl. V.5 f.): Da das Heer der Völker in V.2b von Jhwh zur Profanschlachtung (37xbj) hingegeben wird (vgl. Jes 53,7; 65,12), gilt dies zunächst zwar nur in eingeschränkter Weise. Doch der Begriff xbj wird in der dritten Strophe wieder aufgenommen und im Kontext der Vernichtung Edoms in Kombination mit xbz in den kultischen Bereich gestellt (vgl. V.6b).38 In der ersten Strophe kommt durch die Wahl der Gewaltsemantik hingegen »das blutige Niedermetzeln stärker zum Ausdruck«39. Auf die Vernichtung folgt in V.3 sogleich das nächste Schreckensszenario: Dem göttlichen Kriegsbann sind dermaßen viele zum Opfer gefallen, dass die Berge bereits vom Blut der Getöteten zerrinnen (ssm). Dass Berge vom Feindesblut zerfließen, stellt ein für den atl Sprachgebrauch einzigartiges Bild dar. Denn sonst zerfließen sie meist vor der machtvollen Präsenz Jhwhs (vgl. Mi 1,4; Ps 97,5). Da es sich bei den Getöteten um »Durchbohrte« (llx II) handelt, verweist der Text eindeutig auf Kriegsgewalt: Die Wurzel llx II gehört zu den »term. techn. der Kriegssprache; die halalim sind die im Kampf Durchbohrten, ˙ die in den eigenen Reihen oder beim Gegner Getöteten (1 Kön 11,15; 1 Sam 17,52), die Gefallenen, die man ausplündert und anschließend bestattet (1 Sam 31,8)«40. Dagegen wurden die Gefallenen in Jes 34,3 einfach hingeworfen, sodass der Gestank »ihrer Leichen« (~hyrgp) emporsteigt. Der Verwesungsgeruch zeigt an, dass ihnen das Begräbnis verweigert wurde. Damit stehen die Getöteten aus Jes 34 im Rahmen des Jesajabuches aber nicht allein. Wie die anderen toten Erzfeinde fungieren auch ihre Überreste als grausame Mahnmale göttlicher Gewalt: Der Vergleich mit brutal zugerichteten Leichen (rgp) beschreibt das endgültige Schicksal des babylonischen Königs (14,19), der assyrischen Truppen vor Jerusalem (37,36), sowie – im Schlussvers des Jesajabuches – das Ende all jener Menschen, die mit Jhwh gebrochen haben ([vp, 66,24; vgl. Jer 25,33). Einzig das Nahumbuch präsentiert einen vergleichbaren Leichenberg, der sich in der völlig vernichteten assyrischen Hauptstadt Ninive aufstapelt (vgl. llx, rgp; Nah 3,3). »Für den israelitischen Zuhörer war ein solches Schlachtfeld, eine Stadt voller unbestatteter Leichen, Zeichen allerhöchster Schmach und Entehrung.«41 35 36 37 38

H. Wildberger, Jes 28 – 39, 1342. P. Stern, Chaos, 389. V. Hamp, Art. xbj, 303. Die beiden Begriffe verbindet hier also weit mehr als die rein phonetische Assonanz; gegen P. Stern, Chaos, 391. 39 V. Hamp, Art. xbj, 305. 40 W. Dommershausen, Art. llx II, 982. 41 H.-J. Fabry, Nah, 190; vgl. A. Berlejung, Erinnerungen, 336 f.

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Der göttliche Krieger vollzieht den Bann in und an Edom (Jes 34)

Der Verwesungsgestank (vab) in Jes 34,3 deutet ebenfalls auf massive Kriegshandlungen hin (vgl. Jorl 2,20; Am 4,10), bei denen die toten Soldaten unbestattet liegen bleiben (vgl. Jer 16,4; 25,33).42 Wenn in Jes 34,4 nach der Vernichtung der Völker (V.3) auch das Heer (abc) des Himmels dahinschwindet (qqm, vgl. Lev 26,39; Ez 4,17; 24,23; 33,10), steigert sich das göttliche Gewalthandeln in universale Dimensionen. Die zweite Strophe verlässt zwar das Panorama kosmischer Vernichtung, doch bleibt die Szenerie bestimmt von »grotesquely horrific pictures of a great massacre«43. Dazu erhebt eine zunächst nicht näher identifizierte Stimme im Eingangsvers (V.5) unvermittelt das Wort.44 Jhwhs Schwert fährt auf Edom nieder (Jes 34,5 – 6a) 5

»Ja, trunken ist im Himmel mein Schwert. Siehe, auf Edom fährt es herab, und auf das Volk meines Bannes zum Gericht.« 6 Ein Schwert hat Jhwh, voll von Blut, es trieft von Fett, vom Blut der Lämmer und Böcke, vom Nierenfett der Widder.

Die Rede fällt nicht nur aufgrund der Sprechsituation (1. Sg.), sondern auch strukturell aus dem Strophenschema: In V.2a.7a.8a folgt auf das einleitende yk das Kernwort der Einheit sowie die Zuordnung zu Jhwh (hwhyl). In V.5a steht der Zentralbegriff (»Schwert«) hingegen am Ende des Kolons, während die Wendung hwhyl brx – ohne einleitendes yk – erst in V.6 fällt. V.2a: V.5a: V.6a: V.6b: V.8a:

ybrx

~ywgh- lk-l[ ~ymvb hrcbb

hwhyl

@cq

hwhyl hwhyl hwhyl

brx xbz ~qn ~wy

yk htwr-yk yk yk

42 Dies steht im Zusammenhang mit der verunreinigenden Kraft des Blutes, vgl. dazu Chr. Batsch, Guerre, 401 – 407. 43 G. Eidevall, Prophecy and Propaganda, 153. 44 Der Sprecherwechsel in V.5 ist kein Indiz für eine redaktionelle Interpolation, sondern ein rhetorisches Stilmittel, mit dem der Übergang vom allgemeinen Welt- zum paradigmatischen Edomgericht hervorgehoben wird; vgl. J. Blenkinsopp, Jes 1 – 39, 449; W. A. M. Beuken, Jes 28 – 39, 314 zu Jes 34,5: »In diesem Abschnitt verdichtet sich der Sprecher für einen Moment zu JHWH selbst.«

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

Durch den Verweis auf den Himmel (~ymv, vgl. V.4) sowie das trunkene45 (hwr ; vgl. ssm, V.3) Schwert wird in V.5a das Thema der universalen Gewalt aus der ersten Strophe weitergeführt. Das – wie sich in V.6 herausstellen wird – göttliche Schwert, hier als »mein Schwert« (46yrbx) eingeführt, verbindet ferner das göttliche Weltgericht in Jes 34 mit jenem von Jes 24 – 27, wo Jhwh zuletzt mit »seinem Schwert« (wbrx, Jes 27,1) die Erde und ihre Bewohner heimsuchte.47 Beide Texte stellen Jhwh als Krieger dar, der gegen seine Feinde mit Waffengewalt vorgeht. In Jes 34 verübt Gott eigenhändig militärische Gewalt, indem er mit seinem Schwert zunächst an den Völkern den Bann vollzieht48, um in V.5b das Schwert zum Gericht (jpvml) auf Edom niederfahren zu lassen, sodass auch »ihr Land von Blut trunken ist« (~cra htwr, V.7). Es kommt so zu einer Überlagerung der Perspektiven, indem das göttliche Gericht an den Völkern und jenes an Edom aufeinander bezogen werden und ineinander übergehen. Zudem ist dem Gericht am Fremdvolk – analog zum Aufbau von Jes 13 – das Völkergericht vorgeschaltet.49 Der Zorn auf alle Nationen, der sich bislang in der Bannweihe der Völker und der Vernichtung aller himmlischen Heere vollzog, konkretisiert sich nun paradigmatisch im Gericht an Edom.50 Somit verkörpert Edom weit mehr als den kleinen Nachbarstaat im Süden Judas.51 Als »Volk meines Bannes« (ymrx ~[) entspricht es Israel, dem »Volk meines Grimms« (~[ ytrb[) aus Jes 10,652, und fungiert so in der Inszenierung von Jes 34 als »AntiJakob«, der gleichzeitig zur »Chiffre für die Gottes- und Zionsfeinde aller Zeiten«53 stilisiert wird (vgl. ~rx, 34,3). Einen entscheidenden Beitrag zu diesem Transformationsprozess leistet die vox prophetica, die ab V.6 wieder die Sprecherrolle übernimmt. Indem sie die Stimme aus V.5 nachträglich als Gottesrede identifiziert, macht sie explizit, dass 45 So die Lesart des MT, die von LXX gestützt wird (elehushg). Hingegen wird nach 1 QJesa (hart) und Tg (ylgtt) das göttliche Schwert am Himmel »sichtbar«. 46 Mit göttlichem Subjekt nur mehr in Dtn 32,41; Ez 21.8.9.10; 30,24.25; 32,10; Zef 2,12. 47 Dezidiert keine Verbindung zwischen den beiden Vorkommen des göttlichen brx sieht W. A. M. Beuken, Lament, 82, da Gott im ersten Text »a differnt enemy (27:1 – Leviathan)« zum Opfer fällt. Es wird sich jedoch zeigen, dass es in beiden Texten zu einer Perspektivüberlagerung kommt, die im Fall von Jes 27 mythologisch chiffriert ist, während Jes 34 dafür das Motiv »Edom« als »Anti-Jakob« (vgl. Jes 35) verwendet. 48 Vgl. G. Eidevall, Prophecy and Propaganda, 155; O. Kaiser, Jes 13 – 39, 283: »An eine menschliche Vermittlung des Gottesgerichtes ist […] nicht gedacht. Im Hintergrund steht neben der Vorstellung von Jahwe als Krieger […] die seines […] Einschreitens gegen die vor Jerusalem versammelten Völker, vgl. 31,8.« 49 W. A. M. Beuken, Jes 28 – 39, 305. 50 G. Eidevall, Prophecy and Popaganda, 152 versteht die Funktion der ersten Szene hingegen allein darin, »to set the stage for the divine attack on Edom«. 51 Zur Geschichte Edoms in atl Zeit siehe den Abriss bei E. A. Knauf, Umwelt, 142 – 145. 52 J. Lust, Herem, 285 f. betont hingegen die Nähe zu 1 Kön 20,42, wo Jhwh den König von ˙ als »Mann meines Bannes« (ymrx vya) bezeichnet. Damaskus 53 U. Berges, Jesaja, 81.

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Der göttliche Krieger vollzieht den Bann in und an Edom (Jes 34)

Edom von Jhwh selbst zur Rechenschaft gezogen wird. Dass die Bestimmung gerade über die von Gott verwendete Waffe erfolgt (hwhyl brx ybrx), unterstreicht die Bedeutung des Gewaltaspektes für das Gottesbild. Nachdem das im Himmel sichtbare Schwert auf Edom niedergesaust ist, verlässt der Text den kriegerischen Kontext. »Le jour de YHWH est […] d¦peint non seulement en termes militaires mais encore et surtout au moyen d’un vocabulaire renvoyant aux cat¦gorie du culte.«54 Aus dem Schwert als Kriegswerkzeug wird in V.6b das von Blut und Fett triefende Opfergerät. Es leitet über zum Opferfest, das Jhwh in der dritten Strophe (V.6b–7) in (und an!) Bosra und Edom hält. !

Jhwhs Opferfest in Edom (Jes 34,6b–7) 6b

Ja, ein Opferfest hat Jhwh in Bosra, und ein großes Schlachten im Land Edom. 7 Und es werden fallen Wildochsen mit ihnen, und junge Bullen gemeinsam mit starken Stieren, und ihr Land wird trunken von Blut, und ihr Boden trieft von Fett.

»Opferfest« (xbz) und »Schlachtung« (xbj) werden in der HB des Öfteren als Bilder für das massive Blutvergießen im Krieg verwendet (vgl. Ez 39,17.19; Zef 1,7). In Jes 34 geschieht dies jedoch auf einzigartig verdichtete Art und Weise: Geschlachtet werden neben dem Jungbullen (rp, V.7), der zu den gängigen Opfertieren gehört (vgl. Lev 4,3 – 21; 16,3 – 27), auch der Büffel (~ar) und der starke (Stier) (ryba). Diese sind sonst nirgendwo in der HB55 als Opfertiere belegt, sondern verkörpern vor allem Macht und Potenz (vgl. Num 24,8; Ijob 39,10; Ps 22,22). Darüber hinaus bezeichnet ryba nicht nur mächtige Tiere, sondern auch gesellschaftliche Eliten (vgl. Jes 10,13; Ps 22,13; Ijob 34,10) und findet zudem als göttliches Epitheton Verwendung (vgl. Jes 1,24; 49,26; 60,16). Die außergewöhnlichen Opfertiere, die gemeinsam mit den Edomitern geschlachtet werden (vgl. ~m[, V.7a56) oder zumindest deren Macht repräsentieren, weisen deutlich darauf hin, dass das Ziel der Schlachtung die Vernichtung von Stärke und Herrschaft der gottfeindlichen Kräfte bildet. Beim Opferfest in Edom, das – für den atl Sprachgebrauch singulär – als ein »großes Schlachten« (lwdg xbj, V.6b) bezeichnet wird, steht also keinesfalls der venerative Aspekt des 54 A. Sérandour, Remarques, 116. 55 Der Verzehr von Stierfleisch (~yryba rfb lkwah) ist nur noch in Ps 50,13 belegt. Dabei handelt es sich um eine Gerichtsrede, in der Jhwh von Israel den rechten Gottesdienst einfordert. Als Autoren kommen nach H.-J. Kraus, Ps, 533 levitische Tempelsänger infrage: »Offenbar wußten die levitischen Prediger sich bevollmächtigt, für die rechte gottesdienstliche Realisierung des Gott-Volk-Verhältnisses Sorge zu tragen.« 56 Nach J. Lust, Herem, 279 beziehen sich die ePP 3. Pl. m. hingegen nicht auf Edom, sondern auf die Völker ˙und Nationen in V.2 f.

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

Geschehens im Vordergrund. »Naturally, too, nothing is said about the sacrificial meal that was meant to be a joyful occasion.«57 Mit Blick auf die Opfer der Gewalt fällt zudem auf, dass »Schwert« (brx) und »schlachten« (xbj) im Jesajabuch lediglich in 34,6 und 65,12 zusammenstehen.58 Damit werden Edom (vor den Toren Jerusalems) und Jhwhs Gegner (in Jerusalem) gleichermaßen dem Schwert zur Schlachtung zugeführt. Eine direkte Bezugnahme auf das Schicksal von Zion/Jerusalem findet sich auch in der letzten Strophe von Jes 34, die die Ereignisse am göttlichen Rachetag beschreibt: Der Tag der göttlichen Rache für Zion (Jes 34,8 – 10) 8

Ja, ein Tag der Rache hat Jhwh, ein Jahr der Vergeltung für den Rechtsstreit Zions. 9 Und ihre Bäche verwandeln sich zu Pech, und ihr Boden zu Schwefel, und ihr Land wird zu brennendem Pech. 10 Nacht und Tag erlischt es nicht, für immer steigt ihr Rauch empor. Von Generation zu Generation liegt es in Trümmern, in alle Ewigkeit zieht niemand hindurch.

Die Rede vom »Tag der Rache« (~qn ~wy) am Beginn der vierten Strophe speist sich redaktionsgeschichtlich wohl aus Jes 61,2 und 63,4.59 Der Ausdruck bezieht sich nicht auf einen bestimmten Tag, sondern verweist allgemein auf eine Zeit, in der die göttliche Rache über Edom kommen wird. »Accordingly, this terminology does not place the accent so much upon the temporal element but upon the expected action.«60 Parallel zum Rachetag sprechen alle drei Texte von einem »Jahr«, welches »durch ein Nomen determiniert ist, das Gottes Handeln charakterisiert«61. Diese Zeitangabe stellt wiederum jedes Mal einen Bezug zu Zion und ihrer Erlösung durch Jhwh her : In Jes 61,2 soll das »Gnadenjahr für Jhwh« (hwhyl !wcr-tnv), das zugleich ein Tag der Rache ist, als Trostbotschaft (~ylba-lk ~xnl) für die in und um Zion Trauerenden (!wyc ylbal, V.3) verkündet werden. In Jes 63,4 blickt der göttliche Keltertreter auf das EdomGericht als Rachetag und als »Jahr meiner Vergeltung« (ylwag tnv) zurück, womit im Kontext des Jesajabuches die Erlösung Israels aus dem Exil gemeint ist (lag, z. B. 35,9; 43,1; 62,12) und zugleich die Restituierung von Zion/Jerusalem in den Blick gerät (bes. Jes 52,9; 59,20). Analog dazu wird schon in Jes 34,8 der Tag der Rache (an Edom) mit dem »Jahr der Vergeltung für den Rechtsstreit Zions« 57 58 59 60 61

J. Blenkinsopp, Jes 1 – 39, 452. Ansonsten nur noch in Jer 50,27; Ez 21,20.33; Ps 37,14; Klgl 2,21. Vgl. dazu U. Berges, Buch, 254 f.; B. Gosse, Isae, 397 f. H. G. L. Peels, Vengeance, 153. W. A. M. Beuken, Jes 28 – 39, 317: nämlich »Vergeltung«, »Wohlwollen« und »Freikauf«.

Der göttliche Krieger vollzieht den Bann in und an Edom (Jes 34)

195

parallelisiert. Die Zusammenstellung beider Lexeme (~qn; ~lv pi.) verdeutlicht nach J. Jeremias, »dass die göttliche Rache in einem Stadium erfolgt, in dem durch geschehenes Unrecht eine ›Rechnung‹ offen steht, die einen Ausgleich erfordert; der Täter des Unrechts muss also zur Rechenschaft gezogen werden«62. Wenn sich daher in V.9 »ihre Bäche« (hlxn) und »ihr Boden« (hrp[) zu Pech und Schwefel verwandeln ($ph), verweist dies nicht auf ein weiteres Verderben in Zion63, sondern nimmt das Thema der endgültigen Vernichtung Edoms (vgl. V.5 – 7) wieder auf.64 Den szenischen Hintergrund dafür bildet die Zerstörung von Sodom und Gomorra, welche über die Stichworte »umwenden«/»verwandeln« ($ph) sowie Schwefel (tyrpg) auch semantisch eingespielt wird (vgl. Gen 19,21.24.25.29). Im Kontext des Jesajabuches65 ergibt sich damit zugleich eine Überschneidung mit dem Untergang von Babylon, dem ersten Gottesfeind par excellence aus den Reihen der Völker (vgl. 13,19).66 Dass das brennende Pech nach V.10 »bei Nacht und Tag nicht erlischt« (hbkt al ~mwyw hlyl), unterstreicht hingegen die Funktion Edoms als internem Feind, gegen den Jhwh vorgeht (Jes 1,31; 66,24).67 Das weitere Schicksal von Edom in Jes 34 ist aber von der Parallelisierung mit dem zerstörten und entleerten Babel (Jes 13 f.) geprägt.68 Das zeitliche Ausmaß der Bestrafung ist für beide Völker gleich. Da auch in Jes 34 der Aspekt der Ewigkeit betont wird, teilen Edom und Babel das Los der unumkehrbaren Vernichtung: »Beginning with v. 9 the text launches into a full-scale description of the chaos inflicted on Edom through the destruction unleashed […] by God’s ban.«69 In Edom werden die Rauchwolken aus den brennenden Pechströmen genauso »für immer« (~lw[l, 34,10) aufsteigen, wie es in Babel an Nachkommenschaft fehlt (14,20; vgl. auch 25,2). »Von Generation zu Generation« wird sowohl Edom in Trümmer liegen (brx, vgl. Jes 49,17; 60,12; Jer 26,9; Zef 3,6), als auch in Babylon niemand siedeln (!kv, Jes 13,20). Letzteres gilt für Edom sogar in überbietender Weise, denn die Wendung xcnl aus 13,20 wird in 34,10 singulär in 62 63 64 65

66 67 68 69

J. Jeremias, JHWH, 95. So P. Stern, Chaos, 281 f. Vgl. W. A. M. Beuken, Jes 28 – 39, 319. Eine weitere Entsprechung ergibt sich mit dem Jhwh-Volk in Jes 1, dessen Land nach V.7 zwar verödet daliegt wie bei einer »Umkehrung durch Fremde« (~yrz tkphmk), aber dank der Verschonung durch Jhwh Zebaoth das Schicksal von Sodom und Gomorra gerade nicht teilt (V.9). Das Motiv verbindet den Text auch mit dem Edom-Orakel von Jer 49,7 – 22 (V.18); vgl. B. Dicou, Edom, 106 f. Diese Notiz ist nach W. A. M. Beuken, Jes 28 – 39, 319 als redaktionelle Verbindungslinie zum Beginn und Ende des Großjesajabuches aufzufassen, die ebenfalls von dieser internen Auseinandersetzung geprägt sind. Vgl. O. Kaiser, Jes 13 – 39, 284 f. P. Stern, Chaos, 398.

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

~yxcn xcnl gesteigert. Edle oder Oberste, die das Königtum wiederherstellen könnten, gibt es nicht mehr (V.12). Es wird eine durch und durch chaotische Situation präsentiert, »in which no social order exists«70. In Edom wird überhaupt niemand mehr hindurchziehen (rb[, V.10; vgl. 33,8; 60,15), da zwölf, das allumfassende Chaos repräsentierende Tiere das verödete Land in Besitz nehmen (V.11.–15). Dazu gehören mit den Schakalen (~ynt, 13,22; 34,13) und Straussen (hn[y twnb, 13,21; 34,13), dem Igel (rpq, 14,23; 34,11) sowie den Wüstentieren und -hunden (~yyc, ~yya, 13,21 f.; 34,14) auch Lebewesen, die sich im untergegangenen Babylon ansiedeln. Die Einnahme des Landes durch die Kreaturen verwandelt die Szenerie von Jes 34 in ein grausames Paradox: »First human beings are slaughtered as if they were sacrificial animals (vv. 6 – 7), then the human population of Edom is […] replaced by animals!«71 Dazu misst Jhwh den Tieren wie ein Geometer ihr neues Siedlungsgebiet aus (vgl. V.11b). Seine Gerätschaften, die »Messschnur der Wüste« (wht-wq) und das »Senkblei der Leere« (whb-ynba), spielen zweifelsohne an das Tohuwabohu am Beginn der ersten Schöpfungserzählung an (vgl. Gen 1,2).72 Jhwh lässt somit Edom in diesen chaotischen Anfangszustand zurückfallen. Im Appendix zum Edom-Orakel (V.16 f.) wird das »schriftgemäße« Eintreffen des Chaos unterstrichen (hwhy rps-l[m wvrd). In Bezug auf das gewalthaltige Gottesbild zeigen sich in der Schlussszene enge Parallelen zum Hauptteil von Jes 34: Edoms Vernichtung wird nun ausdrücklich auf einen göttlichen Befehl zurückgeführt (hwc awh yp-yk, vgl. Jes 13,3; 23,11). Was V.11 zuvor nur andeutete, wird nun explizit gemacht73 : Jhwh selbst hat das Los geworfen und mit der Messschnur das Land zugeteilt (wqb qlx), so dass die Chaostiere Edom auf ewig (~lw[-d [) in Besitz nehmen (vry). Im Edom-Orakel von Jes 34 wird Jhwh somit nicht nur als Urheber, sondern auch als alleiniger Vollstrecker der Zerstörung präsentiert. Dazu agiert er primär als starker, mit seinem Schwert bewaffneter Krieger, was den Text zu einem der irritierendsten Abschnitte im Jesajabuch macht.74 Die von Zorn begleitete Bannweihe (~rx) vollzieht er an den Völkern und zugleich an Edom. Um aus dem Nachbarvolk einen weiteren paradigmatischen Gottesfeind zu machen, bündelt Jes 34 das Gewaltvokabular aus dem Orakel gegen Babel (und Assur) und 70 71 72 73 74

M. Sweeney, Jes, 440. G. Eidevall, Prophecy and Propaganda, 157. Die Begriffe sind gemeinsam sonst nur noch in Jer 4,23 belegt. Vgl. P. Stern, Chaos, 399. Dazu treffend O. Kaiser, Jes 28 – 39, 281: »Der Soziologe würde das Gedicht heute vielleicht unter die Poesie Unterdrückter einordnen. Unterdrückung treibt oft schöne Blüten, aber ebenso solche, deren Farbe […] allein von der Glut rachsüchtiger Leidenschaft stammt. Daß der Dichter seine Hoffnung dabei auf Gott und nicht auf die Messer seines Volkes richtete, will beachtet sein.«

Die göttliche Rettung Jerusalems vor der assyrischen Bedrohung (Jes 36 f.)

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übernimmt auch die Völkerperspektive von Jes 13 f. Da Edom aber zugleich als Anti-Jakob (vgl. ymrx-~[, 34,5) und Gegenspieler Zions (!wyc byrl, V.8) erscheint, lässt sich das Kapitel als synchroner Vorausblick auf die innergemeindlichen Konflikte lesen, die im letzten Buchteil (Jes 63 – 66) aufbrechen und in Form von literarischer Gewalt ausgetragen werden.

4.4

Die göttliche Rettung Jerusalems vor der assyrischen Bedrohung (Jes 36 f.)

4.4.1 Grundstruktur der Kapitel Die Belagerung Jerusalems durch die Assyrer unter dem militärischen Oberkommando von König Sanherib um 701 v. Chr. stellt ein Kriegsgeschehen dar, dessen Darstellung nicht nur in das Jesajabuch, sondern gleich in zwei weitere atl Bücher Eingang gefunden hat (vgl. 2 Kön 18 f.; Jes 36 f.; 2 Chr 32).1 Es lässt sich außerdem durch mehrere assyrische Quellen wie den Taylor-Zylinder belegen.2 Alle literarischen Zeugnisse, auch die drei biblischen Erzählungen, weichen in ihrer Art der Darstellung zum Teil deutlich voneinander ab. »Sennacherib’s campaign […] is the best-documented event in Judean history, but the sources differ and do not permit certainty in the details.«3 Die Unterschiede im Textumfang, in der narrativen Gestaltung, aber auch in der Wortwahl sind u. a. darauf zurückzuführen, dass die jeweilige Darstellung des Geschehens auf ihren literarischen Kontext und dessen (theologische) Konzeption abgestimmt wurde.4 Die Inszenierung von Jes 36 – 39 bildet insofern einen Sonderfall, als hier die Narration im poetischen Kontext – buchstäblich inmitten einer Prophetenschrift – zu stehen kommt.5 Es ist inzwischen weitgehender Forschungskonsens, dass die Erzählung um die assyrische Bedrohung und die wunderbare Errettung Zions durch Jhwh ursprünglich im Kontext des DtrG entstanden ist.6 Die für die Frage nach gött1 Vgl. die Rekonstruktion der Ereignisse bei H. Donner, Geschichte 2, 352 – 360. 2 Siehe dazu M. Weippert, Textbuch, 329 – 333; P. Riede, Feindmetaphorik, 22 – 24. Zu weiteren Texten siehe R. Liwak, Rettung, 138 – 144. Durch das sog. Lachisch-Relief aus Raum XXXVI in Sanheribs Südwestpalast ist die militärische Bedrohung Judas durch die Assyrer sogar ikonographisch festgehalten. 3 B. E. Kelle, War, 50; vgl. H. A. J. Kruger, Gods 1, 52 – 55. 4 Nach J. Werlitz, Kön, 295 wurde die Rettung aus der assyrischen Krise 701 v. Chr. gar für die gesamte atl Theologie »zum paradigmatischen Geschehen«. Vgl. dazu auch die Überlegungen bei R. Liwak, Rettung, 160 – 166. 5 Aus dieser Sonderstellung heraus ergibt sich auch die Abgrenzung der Einheit zur übrigen Prophetenschrift; vgl. U. Berges, Buch, 284. 6 Vgl. E. Würthwein, Kön, 405; Z. Kustár, Kranheit und Heilung, 147. Die Priorität von Jes

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

licher Gewalt besonders relevanten Kapitel 2 Kön 18 f. (Jes 36 f.) bilden ihrerseits ein spannungsreiches Amalgam von drei parallelen Darstellungen des Geschehens: Der sog. A-Bericht (2 Kön 18,13 – 16) kommt dem historischen Verlauf der Ereignisse wohl am nächsten7, ist im Jesajabuch aber nicht überliefert. Daran schließen sich zwei umfangreichere Schilderungen an: der Bericht B1 (2 Kön 18,13.17 – 19,9a.36 – 37; vgl. Jes 36,1 – 37,9a;37abb.38) sowie die literarhistorisch jüngere Darstellung B2 (2 Kön 19,9b–35; vgl. Jes 37,9b–36.37aa).8 Bei der Lösung der zahlreichen literarkritischen und redaktionsgeschichtlichen Fragen ist aber »die Forschung […] von einem Konsens weit entfernt«9. Die Jesajaforschung geht mehrheitlich davon aus, dass die Kapitel erst im Laufe der Redaktionsgeschichte in das Jesajabuch eingearbeitet wurden.10 Daher fristeten sie lange Zeit ein eher stiefmütterliches Dasein:11 Man interpretierte Jes 36 – 39 – in Analogie zu Jer 52 (vgl. 2 Kön 24 f.) – allenfalls als historischen Appendix zu Protojesaja12 oder sparte die Kapitel in der Untersuchung überhaupt aus.13 Erst in den vergangenen Jahrzehnten wurde die ganze Tragweite der Erzählung für das Jesajabuch herausgearbeitet.14 Dabei hat sich deutlich gezeigt, »dass Jes 36 – 39 in seinem […] Kontext mehr ist als ein bloßer Anhang«15. Der Erzählung kommt nicht zuletzt aufgrund ihrer kompositionellen Stellung eine wichtige Funktion zu16, indem sie »die jesajanische Orakeltradition aus Jes 28 – 31 chronologisch fortsetzten, […] einen ›historischen‹ Haftpunkt […] für ihre Zionstheologie vom uneinnehmbaren Gottesberg boten«17 und mit der Schlussszene (Jes 39,1 – 8) auf das Babylonische Exil vorausweisen, dessen Ende mit Jes 40 – 55

7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17

36 – 39 gegenüber 2 Kön 18 – 20 vertreten hingegen K. A. D. Smelik, Distortion; und Chr. R. Seitz, Destiny, 116 – 118. Gegen die literarhistorische Priorität verweist D. Carr, Tradition History, 593 – 596 zu Recht auf jene Notizen innerhalb der Erzählung, die nur aus dem Kontext in 2 Kön 18 f. heraus verständlich sind: So verweist der Rabschake z. B. in Jes 36,7 auf Hiskijas Kultreform, die zwar in 2 Kön 18,4, nicht jedoch im Jesajabuch überliefert ist. Vgl. Z. Kustár, Krankheit und Heilung, 107; L. Camp, Hiskija, 95 – 104. Diese Einteilung geht zurück auf B. Stade, Miscellen, 172 – 189 und ist mit Ausnahme der Nahtstellen 2 Kön 19,8 f. par. Jes 37,9 f. bzw. 2 Kön 19,37 par. Jes 37,38 allgemein anerkannt. Z. Kustár, Krankheit und Heilung, 106. Zur Forschungsgeschichte siehe U. Berges, Buch, 266 – 277. Vgl. O. Kaiser, Jes 13 – 39, 291. Hingegen sieht Chr. R. Seitz, Destiny, 116 – 118, der die jetzige Textgestalt von Jes 36 f. in zeitliche Nähe zu Sanheribs Tod (681 v. Chr.) datiert, in diesen Kapiteln »the pivot on which the entire tradition process turns« (ebd., 208). So U. Berges, Buch, 266. Als ein Beispiel unter vielen steht hier B. Duhm, Jes, 257: »Die geschichtlichen Nachträge c. 36 – 39 dienen als Abschluß des ursprünglichen Jesajabuches c. 1 – 39.« So etwa H. Barth, Jesaja-Worte, 4 (mit FN 5). So insbesondere P. Ackroyd, Structure, 14 – 20; Chr. R. Seitz, Destiny, 47 – 118. Z. Kustár, Krankheit und Heilung, 148. Dazu ausführlich H. G. M. Williamson, Book, 189 – 211. U. Berges, Buch, 318 f.

Die göttliche Rettung Jerusalems vor der assyrischen Bedrohung (Jes 36 f.)

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eingeläutet wird.18 Jes 36 – 39 bilden somit den entscheidenden »connecting link between the oracles of Isaiah of Jerusalem and Deutero-Isaiah«19. Für eine Untersuchung göttlicher Gewalt eignen sich vor allem die ersten beiden Kapitel:20 Denn einerseits geht es in Jes 36 f. um eine kriegerische Bedrohung, die in der Belagerung Jerusalems besteht (vgl. Jes 36,1 – 3) und durch Jhwhs wunderbares Eingreifen beendet wird (Jes 37,36 – 38).21 Andererseits lässt die Erzählung den assyrischen Feldherrn in seiner ersten Rede an König Hiskija (Jes 36,4 – 10.12 – 20) eindrucksvolle Gegenbilder zu jenen Darstellungen göttlicher Gewalt entwerfen, die den weiteren Erzählverlauf und darüber hinaus weite Teile der Prophetenschrift prägen. Überhaupt ist die Erzählung von der Belagerung Jerusalems (Jes 36 f./2 Kön 18 f.) einer der wenigen atl Texte, in denen eine nichtisraelitische Erzählfigur Einblick in die Kriegskonzeption gibt22, die der Darstellung zugrunde liegt – selbst wenn dies im Fall des Rabschake unter umgekehrten Vorzeichen geschieht.

4.4.2 Gegenbilder göttlicher Gewalt aus dem Mund der Feinde (Jes 36,4 – 10) Die Erzählung über die militärische Bedrohung Judas durch das assyrische Heer beginnt im Kontext des Jesajabuches unvermittelt mit der Notiz: »Und im 14. Jahr des Königs Hiskija zog Sanherib, der König von Assur, herauf gegen alle befestigten Städte Judas und er nahm sie ein« (Jes 36,1). In nur einem Halbvers führt der assyrische Großkönig einen ganzen Feldzug und erobert Juda quasi im Handstreich. Die besonders knapp gehaltene Schilderung bringt die Schnelligkeit und Massivität zum Ausdruck, mit der der fremde Herrscher operiert. Nichts und niemand scheint der assyrischen Streitmacht entgegentreten und ihren Vormarsch aufhalten zu können (vgl. Jes 5,26 – 29). Quasi en passant erfahren die Lesenden in Jes 36,2a, dass Sanherib noch dazu Lachisch23 eingenommen hat, »nach Jerusalem die zweitwichtigste Stadt Judas […], die als 18 Unter diachronem Blickwinkel erfolgt die Einstellung von Jes 36 – 39 erst in (spät)nachexilischer Zeit; vgl. O. Kaiser, Jes 13 – 39, 325; U. Berges, Buch, 320 f. 19 J. W. Groves, Actualization, 199; vgl. P. Ackroyd, Structure, 4 f. 20 Zur legendenhaften Erzählung um die Krankheit des Königs und seinen nahenden Tod (Jes 38), der im Hiskija-Psalm (V.9 – 20) als göttlich verfügt gedeutet wird (vgl. V.12), siehe Z. Kustár, Krankheit und Heilung, 119 – 129. 21 Von einer Auslegungseinheit Jes 36 f. geht auch U. Berges, Buch, 287 aus, der den Spannungsbogen des Abschnittes treffend mit »Assur ante portas« überschreibt; ähnlich P. Ackroyd, Structure, 11: »divine victory over the claims of the Assyrians«. Hingegen legt Chr. R. Seitz, Destiny, 149 – 153 den Abschnitt Jes 36 – 38 als Einheit aus. 22 Zu weiteren Beispielen siehe B. Obermayer, Herrscher und KriegstheologInnen. 23 Zu den zahlreichen Waffenfunden in Lachisch, die auf eine schwere Belagerung hindeuten, siehe D. Ussishkin, Excavations, 1907 – 1969.

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

einzige judäische Stadt auf assyrischen Denkmälern dargestellt ist«24. Schon nach 2 Versen stehen die Assyrer vor den Toren der Hauptstadt. Die Bedrohungslage spitzt sich somit gleich zu Beginn des Kapitels aufs Äußerste zu. Wird Zion/Jerusalem der Belagerung durch ein »gewaltiges Heer« (dbk lyx, 36,2; vgl. 2 Kön 6,14) standhalten? Wer wird die Stadt aus der Kriegsgefahr retten können? Dies sind die alles entscheidenden Fragen, die Jes 36 f. im Erzähl- und Redeverlauf einer Antwort zuführen werden. Der Vergleich mit der Parallelüberlieferung im Königebuch zeigt, dass die Fragestellungen im Jesajabuch eine ungleich höhere Brisanz besitzen. Denn im Unterschied zur literarischen Einbindung der Erzählung in die Prophetenschrift berichten 2 Kön 18,1 – 825 eingangs über Hiskijas Maßnahmen zur Kultreinigung (V.4) und heben dabei sein unerschütterliches Vertrauen auf Jhwh (hwhyb xjb, V.5a; vgl. Jes 12,2; 26,3 f.; 50,10) sowie seine strenge Gesetzesobservanz hervor (V.6). Dies macht Hiskija zu einer strahlenden Herrschergestalt, wie es sie seit der Zeit Davids nicht mehr auf dem judäischen Thron gegeben hat (vgl. V.5b). Dass Jhwh daher »mit ihm ist« (wm[,V.7), erklärt nicht nur Hiskijas militärischen Erfolg auf philistäischem Boden (V.8), sondern deutet bereits an, dass Jhwh auch für die Rettung von Stadt und König sorgen wird (vgl. Jes 36,15). Das Fehlen von 2 Kön 18,1 – 826 in der Textüberlieferung von Jes 36 – 39 hat darüber hinaus zur Folge, dass die Hintergründe, die zum assyrischen Einmarsch führen, weitgehend im Dunkeln bleiben. Über die eingestellten Tributleistungen und Hiskijas Abfall von der assyrischen Oberhoheit (2 Kön 18,7b) wird kein Wort verloren.27 Das kriegerische Engagement des assyrischen Großkönigs erscheint dadurch in anderem Licht als in 2 Kön 18: Statt einer militärischen Strafaktion, mit der ein abgefallener Vasall im Alten Orient zu rechnen hat, präsentiert das Jesajabuch einen unerwarteten, aggressiven Eroberungsfeldzug der Assyrer. Allein der fremde Heerführer verweist auf Hiskijas Abfall von Sanherib (Jes 36,5b).28 Dessen Hohnrede an einer für das Jesajabuch zentralen Stelle vor den Toren der Stadt29 wird das weitere Kapitel prägen (V.4 – 10.12 – 21). 24 P. Riede, Feindmetaphorik, 24 f. 25 Der Abschnitt geht nach G. Hentschel, 2 Kön, 84 im Kernbestand auf dtrH (V.1 f.3.4aa.8) bzw. dtrN (V.6 f.) zurück. 26 Die Auslassung von 2 Kön 18,14 – 16 dient hingegen nach Z. Kustár, Krankheit und Heilung, 109 der »Idealisierung des Hiskijabildes von Jes 36 – 39*«. 27 Zu den möglichen Hintergründen für die judäische Rebellion siehe W. R. Gallagher, Campaign, 263 – 274. 28 Vgl. auch seinen Verweis auf Hiskijas kultische Maßnahmen in Jes 36,7! 29 Die »Wasserleitung des oberen Teiches an der Walkerfeldstrasse« ist in Jes 7,3 auch der Begegnungsort von Jesaja und König Ahas; zur Diskussion um die geographische Lage siehe L. Camp, Hiskija, 173 – 183. P. Ackroyd, Structure, 17 sieht in der Überschneidung lediglich »an incidental point of cross-reference«, wohingegen die neuere Jesajaforschung weitere

Die göttliche Rettung Jerusalems vor der assyrischen Bedrohung (Jes 36 f.)

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Nach dem Aufmarsch vor Jerusalem lässt Sanherib nicht sofort zum Sturm blasen, um die Stadt mit aktiven kriegerischen Methoden (wie Feuer, Unterminierung, Beschuss) einzunehmen.30 Vorerst bedient er sich unblutiger Mittel, um seine politischen Interessen in Juda effizient durchzusetzen (vgl. Dtn 20,10 f.): »Es gehörte […] zur Praxis von Belagerern und Siegern, […] Eingeschlossenen […] jede Hoffnung auf Hilfe oder auf eine Änderung ihrer Situation zu nehmen […].«31 Die provozierende Rede seines Abgesandten32 an die Belagerten ist Teil der (psychologischen) Kriegsführung im Alten Orient.33 Sie soll die eingekreiste Stadt von der Aussichtslosigkeit ihrer Rebellion überzeugen und deren Führungsriege zur freiwilligen Aufgabe bewegen (vgl. Jes 36,16 f.). So geben die Worte des Rabschake einerseits Einblick in das diplomatische Geschäft des Alten Orients34 und andererseits Aufschluss über die dem Text zugrundeliegende, theologische Kriegskonzeption. Eine vollständige Behandlung der umfangreichen Reden von Sanherib (Jes 36,4 – 10.12 – 20; 37,10 – 13), Hiskija (37,3 f.15 – 20) und Jesaja (37,5 – 7.21 – 35) würde den Rahmen der Arbeit sprengen. So ist eine Einschränkung vorzunehmen, die der Besonderheit des Textes gerecht wird und es dennoch ermöglicht, zentrale Elemente des gewalthaltigen Gottesbildes herauszuarbeiten. Dabei gehört es zum singulären Charakter von Jes 36 – 39, dass ausgerechnet der feindliche Feldherr über Jhwh als im Krieg aktive Gottheit spricht.35 Aus diesem Grund werden vor allem jene Redeteile herausgegriffen, in denen der assyrische Gesandte auf den Stellenwert von Jhwh bzw. von anderen Gottheiten im Krieg Bezug nimmt (Jes 36,4b–7; 37,10 – 13). Gerade aus diesen Abschnitten lassen sich jene Elemente erheben,

33 34 35

˘

30 31 32

Argumente für eine gezielte Gegenüberstellung der beiden Herrscherfiguren vorgebracht hat: Während z. B. Ahas dem Prophetenorakel und damit Jhwhs rettender Macht kein »Vertrauen« schenkt (vgl. !ma, 7,9), verhält sich König Hiskija angesichts der gegnerischen Hohnrede über das nutzlose Vertrauen auf Jhwhs Rettung (vgl. xjb, Jes 36,7) mehr als vorbildlich. Zur Stilisierung der beiden Könige zu Typos und Antitypos siehe ausführlich U. Becker, Jesaja, 21 – 60. Zu den Belagerungsmethoden siehe I. Eph al, City Besieged, 68 – 113. P. Riede, Feindmetaphorik, 47. In 2 Kön 18,17 nehmen mit dem Tartan (Oberbefehlshaber ; vgl. Jes 20,1) und dem Rabsaris (Oberkämmerer) zwei weitere assyrische Beamte an den Verhandlungen teil. Da die beiden Figuren in den geschilderten Vorgängen jedoch keinerlei Funktion übernehmen und in 2 Kön 19,8 par. Jes 37,8 nur von der Rückkehr des Rabschake die Rede ist, handelt es sich dabei wohl um eine sekundäre Anreicherung der Staffage; vgl. L. Camp, Hiskija, 111. Vgl. G. Hentschel, 2 Kön, 87. Dabei handelt es sich um ein »commonplace both in history and historiography« (E. B. Zvi, Speech, 80). Zu den Maßnahmen der psychologischen Kriegsführung siehe ausführlich W. Mayer, Kriegskunst, 478 – 482. Für antike Parallelen zu Verhandlungen mit belagerten Städten, wie z. B. die Hinweise auf der Siegesstele des Pije, siehe P. Höffken, Rede, 45 – 52. Im Vergleich zu den Referenztexten zeichnet sich die atl Rabschakerede durch eine »starke Theologisierung« (ebd., 52) aus. Dazu ausführlicher B. Obermayer, Herrscher und KriegstheologInnen, 99 – 102.

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

die das gewalthaltige Gottesbild von Jes 36 f. zu dem der übrigen Prophetenschrift abgrenzen. Die Machtverhältnisse, die zwischen den Belagernden und den Belagerten vorherrschen, spiegeln sich auch in der Verteilung und Darstellung ihrer Reden wider : Als Repräsentant der überlegenen Streitkräfte ergreift der Rabschake die Initiative und hat bei Weitem die meisten Redeanteile (V.4 – 10.12 – 21). Die judäische Seite kann hingegen in nur einem einzigen Vers reagieren (V.11). So bedient sich der assyrische Verhandlungsführer praktisch der uneingeschränkten diskursiven Macht, wohingegen die judäischen Beamten auch auf dieser Ebene in der Defensivposition stehen. »Worauf vertraust du?« (Jes 36,4b–7) 4b

So spricht der Großkönig, der König von Assur : »Was ist dieses Vertrauen, auf das du vertraust? 5 Du sagst: ›Fürwahr, ein Wort der Lippen [ist schon] Rat und Stärke für den Krieg!‘ Nun, auf wen vertraust du, dass du abfällst von mir? 6 Siehe, du vertraust auf diesen zerbrochenen Rohrstab, auf Ägypten, von dem gilt: Jemand stützt sich auf ihn, und er kommt zu seiner Handfläche und er sticht sie. So [ist] der Pharao, der König Ägyptens, zu allen, die auf ihn vertrauen. 7 Aber wenn du sagst zu mir : ›Auf Jhwh, unsere Gottheit vertrauen wir!‘ [Ist es] nicht dieser, dessen Kulthöhen und dessen Altäre Hiskija entfernen ließ? Und er sagte zu Juda und Jerusalem: ›Vor diesem Altar sollt ihr euch niederwerfen!‹«

Mit der Eröffnungsfrage des assyrischen Abgesandten tritt sogleich das entscheidende Thema der Rede und der gesamten Erzählung in den Vordergrund:36 Es geht um das Fundament des Vertrauens (xjb), das Hiskija trotz der militärischen Notlage in der Rebellion gegen Assur verharren lässt. Die Wurzel xjb durchzieht nicht nur leitwortartig37 den gesamten ersten Redegang des assyrischen Abgesandten (Jes 36,4(2x).5.6(2x).7.9; vgl. 36,15; 37,10)38, sondern erweist sich auch im übrigen Prophetenbuch als ein Begriff, der das adäquate Verhalten im Falle von militärischen Bedrohungen beschreibt (z. B. Jes 12,2; 36 So P. Ackroyd, Structure, 11. 37 Vgl. Z. Kustár, Krankheit und Heilung, 111. 38 Nach E. Gerstenberger, Art. xjb, 304 liest sich die Hiskija-Erzählung »wie ein Paradigma auf das Thema«.

Die göttliche Rettung Jerusalems vor der assyrischen Bedrohung (Jes 36 f.)

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14,30; 31,1). Dass das Vertrauen – auch in derartigen Krisensituationen – einzig und allein Jhwh gebührt (vgl. Jes 7,9), ist felsenfeste Überzeugung der gesamten Jesajatradition. Denn Jhwh allein besitzt die uneingeschränkte Macht, aus militärischen Bedrohungen zu retten. Hingegen führt das Vertrauen auf fremde Hilfe (vgl. Jes 31,1) oder gar auf die eigene Stärke in den sicheren Untergang (vgl. Jes 47,10). Somit geht es in der Rede »nicht allein um politische oder militärische Operationen, sondern […] in eins damit um eine religiöse, d. h. um die Frage, wie Gott ›vertraut‹ wird […] und darum, wer wahrhaft ›rettet‹«39. Wie ausgeklügelt und komplex die diplomatischen Bemühungen des fremden Herrschers sind, zeigt sich daran, dass er sich nicht nur von seinem Abgesandten zitieren lässt, sondern auch selbst Abschnitte einfügt, in denen andere Menschen und sogar Jhwh zu Wort kommen (vgl. Jes 36,7.10.15.18). Auf diese Weise versucht Sanherib seiner Argumentation besondere Glaubwürdigkeit und Authentizität zu verleihen, um die Aussichtlosigkeit des Widerstands zu erweisen. Die Frage nach der Grundlage des Vertrauens wird dabei auf drei verschiedenen Ebenen festgemacht und in zwei thematisch parallel aufgebauten Redegängen abgehandelt40 : Der Rabschake unterstellt Hiskija erstens, auf die eigene militärische Stärke zu setzen (V.5), was angesichts der assyrischen Übermacht (V.8) als zum Scheitern verurteiltes Unterfangen entlarvt wird (V.9a). Zweitens wird das Vertrauen auf den politischen Bündnispartner Ägypten mit Verweis auf seine militärische Schwäche ad absurdum geführt (V.6.9b). Beide Redegänge gipfeln drittens in der Frage nach der Tragfähigkeit des Glaubens an Jhwh als Garant für die Sicherheit der Stadt (V.7.10): »Was ist Vertrauen, auf das Du vertraust?« (Jes 36,4) ! die eigene militärische Stärke V.5 ! Ägypten als militärischer Bündnispartner V.6 ! Jhwh, die eigene Gottheit V.7

V.8 – 9a V.9b V.10

Mit dem ersten Zitat führt der Rabschake dem judäischen König dessen Naivität und Unbedachtheit vor Augen: Ein Lippenbekenntnis (~ytpf-rbd wörtl. »Lippenwort«, V.5; Ps 59,13; Spr 14,23; vgl. Ijob 11,2), d. h. bloßes Gerede, würden Plan/Strategie (hc[) und Stärke (hrwbg) im Krieg aufwiegen. Ein solch blindes Vertrauen auf das eigene Wort, das dem judäischen Herrscher von Sanherib in den Mund gelegt wird, setzt Hiskijas Kalkül in Kontrast zur biblischen Überzeugung, nach der beide Attribute in erster Linie von Jhwh stammen bzw. auf ihn zurückgehen (vgl. Ijob 12,13; Spr 8,14). Im Jesajabuch zeigt sich dies deutlich in der Herrschererwartung von Jes 11, wo der auf dem königlichen Spross ruhende Geist Jhwhs mit dem »Geist von Rat und Stärke« (hrwbgw hc[ xwr, 39 P. Höffken, Rede, 53. 40 Ähnlich L. Camp, Hiskija, 114 f.; O. Kaiser, Jes 13 – 39, 301.

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V.2) gleichgesetzt ist. Die Gewissheit teilt die Prophetenschrift aber auch mit Blick auf militärische Krisensituationen: Nach dem Drohwort von Jes 30,1 f., das mehrheitlich in die Zeit der assyrischen Bedrohung um 701 v. Chr. datiert wird41, gehen politisch-militärische Pläne nur dann in Erfüllung, wenn sie in Einklang mit dem göttlichen Willen stehen. Darüber hinaus repräsentieren Jhwhs hc[ und seine hrwbg an zahlreichen Stellen der Prophetenschrift Gottes gewaltsames Aktivwerden im oder mit Krieg (vgl. Jes 14,26; 19,17; 28,6; 46,10 f.; 63,15). Das Argument des Rabschake spiegelt aber insofern eine militärtechnische Realität wider, als im Kriegsfall tatsächlich jede noch so gut klingende (Durchhalte)Parole ohne effiziente Taktik und das dazugehörige militärische Potential wirkungslos bleibt42 : Auch im Alten Orient benötigte jeder noch so geschickte Kriegsherr eine starke Armee oder aber einen mächtigen Verbündeten an seiner Seite. So kehrt der Rabschake in V.5b zur Eingangsfrage zurück und verknüpft sie nun direkt mit dem »Abfall« (drm) von der eigenen Oberhoheit.43 Dass das Vertrauen auf eine politisch-militärische Allianz wohl tatsächlich das ausschlaggebende Moment für den Abfall von der assyrischen Oberhoheit bildete, lässt sich nach B. Schipper aus assyrischen Quellen erschließen.44 Und auch die atl Rabschake-Rede greift zunächst die politische Unterstützung durch Ägypten als Ursache für den judäischen Widerstand auf.45 Das Vertrauen (xjb) leitet dabei nicht nur lexikalisch zum zweiten Argumentationsgang über, sondern dient diesem auch als Rahmenmotiv (vgl. V.6aa.bb). Die Stärke Ägyptens lässt es Hiskija nach V.6 als günstig erscheinen, von Assur abzufallen und sich unter die Schirmherrschaft von dessen südwestlichem Rivalen zu stellen. Im zweiten Redegang wird der Rabschake dieses Vertrauen noch mit dem Verweis auf Ägyptens Wagen und Gespanne (~yvrplw bkrl, V.9) als eines auf die militärische Potenz konkretisieren.46 Doch zunächst enthüllt er 41 Vgl. W. A. M. Beuken, Jes 28 – 39, 165; O. Kaiser, Jes 13 – 39, 225. 42 So auch H. A. J. Kruger, Gods 2, 389: »The Rabshakeh speaks as a realist.« 43 Im Erzählverlauf von Jes 36 – 39 eröffnet der Verweis eine Leerstelle, die nach U. Berges, Buch, 294 abermals deutlich macht, dass der Text im Kontext der Königebücher entstanden ist: »Ohne ein Wissen um den dtr Vers 2 Kön 18,7, der von Hiskijas Abfall vom König von Assur berichtet (rwva $lmb drmyw), bliebe dieses Detail unverständlich.« 44 Dass die Ägypter nach assyrischen Quellen bei der Schlacht von Eltheke 701 v. Chr. auf Seiten der antiassyrischen Koalition in den Kampf eingriffen, verweist nach B. U. Schipper, Israel und Ägypten, 206 darauf, »daß es zu Verhandlungen mit Ägypten gekommen sein muß, die […] offenbar positiv verlaufen sind«. Vgl. auch I. Finkelstein/N. A. Silberman, Posaunen, 272. 45 Vgl. W. A. M. Beuken, Jes 28 – 39, 382: »Der erste Teil bewegt sich vornehmlich auf politischer Ebene.« 46 A. Berlejung, Gewalt, 209 verweist darauf, dass auch »Sanheribs Feldzugsbericht erwähnt, dass die Rebellen auf die Unterstützung der Könige von Ägypten und Kusch (= Nubien) gezählt hatten«.

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über den Vergleich mit einem Schilfrohr (hnqh tn[vm), dass eine ägyptische Unterstützung gegen die assyrische Bedrohung nicht nur nichts ausrichten kann, sondern sich die Hilfe ins genaue Gegenteil verkehren wird. Der Begriff tn[vm verweist einleitend auf die Funktion, die Ägypten in Hiskijas Kalkül einnimmt: Es dient als »Stütze« (![v) für das eigene militärische und politische Überleben (vgl. Jes 10,20; 2 Chr 14,10; 16,8). Mit der (ab)qualifizierenden Näherbestimmung des Stützrohres als »geknickt« (#wcr), macht der Rabschake auf bildhafte Weise deutlich, dass die ägyptische Militärmacht gebrochen ist (vgl. Ri 10,8; Ps 74,14), so dass sie gegen die assyrische Kriegsmaschinerie nichts auszurichten vermag. In diesem Punkt trifft sich die Warnung des feindlichen Abgesandten mit dem Wehe des Propheten aus Jes 31,1: Es ergeht dort an all jene, die »um (militärische) Hilfe« (hrz[l) nach Ägypten gehen, »auf Streitwagen vertrauen« (bkr-l[ xjb) und sich auf (Kriegs)Pferde »stützen« (![v). So präsentiert sich hier der Rabschake vor dem Hintergrund der Prophetenschrift tatsächlich als »ein gelehriger ›Schüler Jesajas‹«47 Während aber nach Jes 31,2 Gott das Unglück über sein Volk bringen wird ([r awb hiph.), geht die Gefahr im Bildwort des Rabschake von Ägypten selbst aus: Denn das geknickte Rohr sticht jedem in die Handfläche, der danach greift. Statt unterstützend zu wirken, schadet Ägypten nur all jenen Menschen, die auf das Land vertrauen. Der Pharao wendet sich letztlich gegen diejenigen, die sich auf seinen politisch-militärischen Beistand verlassen. Vertraut Hiskija auf diese – aus militärisch-taktischen Überlegungen heraus vielleicht günstig erscheinende – Option, wird er sich letztlich ins eigene Fleisch schneiden bzw. in die eigene Hand stechen. Das Bild Ägyptens als geknicktes Schilfrohr kommt in der gesamten HB nur noch ein weiteres Mal vor: In exilischer Zeit übernimmt Ez 29,6 f. das Motiv aus Jes 36,648, verschärft aber die Darstellung der Konsequenzen, die das enttäuschte Vertrauen nach sich zieht. Statt einer durchbohrten Handfläche »spaltet« Ägypten hier sogar »jede Schulter« (@tk-lk [qb). Diese gesteigerte Gewaltrhetorik könnte ein exilischer Reflex auf enttäuschte Hoffnungen auf ägyptische Unterstützung während der Belagerung Jerusalems durch die Babylonier sein: Denn die Eroberung der Stadt durch Nebukadnezar zeitigte ungleich schwerwiegendere Folgen als der unerwartete Abzug der Assyrer. Nach der Entlarvung der Gefahren, die Juda aus einer politisch-militärischen Unterstützung durch Ägypten erwachsen, argumentiert der Rabschake zum Abschluss des ersten Redeganges (Jes 36,7) gegen die Hoffnung auf göttliche Hilfe. Während die Erzählung (!) von einem politischen Kalkül Hiskijas, in dem Ägypten eine Rolle spielen würde, nichts berichtet, trifft der Rabschake an dieser 47 U. Berges, Buch, 294. 48 Vgl. W. Zimmerli, Ez 25 – 48, 710.

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Stelle den springenden Punkt (vgl. 37,4.20). Da der Assyrer in Jes 36,7a Hiskija zunächst direkt anzusprechen scheint (49trmaw), in V.7b jedoch über den judäischen König redet, tritt im Vers eine deutliche Spannung zutage. Diese lösen die meisten Exegeten, indem sie V.7 als späteren Zusatz verstehen.50 Inhaltlich verweist der Rabschake auf Hiskijas Kultreinigung in Jerusalem, die innerhalb von Jes 36 – 39 allerdings nicht erzählt wird, sondern auf die Darstellung der Maßnahmen in 2 Kön 18,4 rekurriert. Die Abschaffung devianter kultischer Einrichtungen, die Hiskija nach Darstellung von 2 Kön 18,4 – 7 zu höchsten Ehren gereicht, wird vom assyrischen Gesandten gerade gegen den König und sein Vertrauen auf die eigene Gottheit ins Feld geführt: »Denn für einen Nichtisraeliten mußte die Beseitigung der lokalen Altäre und Höhen als Angriff auf die betreffende Gottheit erscheinen.«51 Dabei ist jedoch zu betonen, dass Jes 36,4 – 10 keine authentische Wiedergabe jener Verhandlungen darstellen, die sich tatsächlich vor den Toren Jerusalems abgespielt haben könnten.52 Umgekehrt muss dem assyrischen Oberbefehlshaber deshalb aber auch noch lange keine innerjudäische Kritik an der Joschijanischen Reform in den Mund gelegt worden sein.53 Denn das Übergehen von 2 Kön 18,4 f. zeigt, dass zumindest Jes 36 f. den thematischen Schwerpunkt nicht auf das Für und Wider von Kulten jenseits des Jerusalemer Tempels legt. Es geht vielmehr um die Frage, welchen Stellenwert und welche Position Jhwh in der Belagerung Zions/Jerusalems durch die Assyrer einnimmt.54 Das assyrische Gegenargument zum unterstellten Vertrauen auf Jhwh ist offen formuliert: Der Rabschake konstatiert nicht die Ohnmacht Jhwhs, sondern fragt nach der Identität zwischen jener Gottheit (vgl. awh-awlh), dessen Kult Hiskija beschneiden ließ, und jener, die nun der Garant der Hoffnung sein soll. Dies lässt mindestens zwei Interpretationslinien zu: Einerseits könnte der Rabschake unterstellen, dass es mit der Abschaffung bestimmter Kultpraktiken zu einer Beschneidung der göttlichen Stärke gekommen sei, die sich nun negativ auf Jhwhs Macht zur Rettung auswirke. Damit läge der Verweis auf einer ar49 Bei der direkten Anrede an den König handelt es sich nach O. Kaiser, Jes 13 – 39, 301 um eine spätere Glättung von 2 Kön 18,22, wo der Rabschake die judäischen Gesandten direkt anspricht (!wrmat). 50 Vgl. E. Würthwein, Kön, 412 f.; O. Kaiser, Jes 13 – 39, 301; L. Camp, Hiskija, 115. Da Jes 36,7 offensichtlich die Notiz über die Hiskijanische Kultreform aus 2 Kön 18,4 voraussetzt, die nach O. Kaiser, Jes 13 – 39, 301 eindeutig »im Lichte von 2. Kö. 23,8 ff. und 5.Mose 12,2 ff. steht«, stammt der Vers wohl aus Joschijanischer Zeit; vgl. U. Berges, Buch, 294 f.; Z. Kustár, Krankheit und Heilung, 109 f. 51 G. Hentschel, 2 Kön, 89. 52 Vgl. P. Höffken, Rede, 45; E. B. Zvi, Speech, 91; R. Liwak, Rettung, 163. 53 So H. Wildberger, Jes 28 – 39, 1387. 54 Dies unterstreicht L. Camp, Hiskija, 115: »Man wird der Intention des Redaktors nur gerecht, wenn man den Kontext berücksichtigt: Der ›Heide‹ äußert hier eine – eben – heidnische Ansicht, die sich […] prompt als falsch erweist.«

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gumentativen Ebene mit dem Ende des zweiten Redeganges, wo der Rabschake auf die Unfähigkeit der anderen Götter verweist, ihre Völker vor der Gewalt der assyrischen Könige zu retten (V.18). Andererseits könnte Hiskija mit seinen Maßnahmen auch den Zorn der Gottheit direkt auf sich gezogen haben, da er den Kult gegen ihren Willen beschneiden ließ. Dann wäre V.7 als Vorbereitung auf den krönenden Abschluss der ersten Redeeinheit zu lesen, in dem der Assyrer seinen Straffeldzug auf den ausdrücklichen Befehl Jhwhs zurückführt (vgl. V.10).55 Der Ausgang des Krieges wird jedoch zeigen, dass der Rabschake in beiden Fällen falsch lag: Jhwh besitzt nicht nur die uneingeschränkte Macht zur Rettung. Er setzt sie aufgrund der tadellosen Beziehung zu Hiskija auch zugunsten von Zion/Jerusalem ein. So verhalten sich die Darstellung des Rabschake und die narrative Schilderung des Geschehens kontrastiv zueinander : »Die Kultzentralisation wird als Ausdruck der besonderen Frömmigkeit Hiskijas verstanden, die ihren Lohn erhalten hat.«56 Der zweite Teil der ersten Rabschake-Rede (V.8 – 10) setzt mit einem emphatischen ht[w (»und jetzt«) neu ein und kehrt zunächst thematisch auf die militärisch-politische Ebene zurück. In Form einer zynischen Wette hebt der Oberbefehlshaber abermals die militärische Unterlegenheit seines Kriegsgegners hervor : Selbst wenn Sanherib dem König von Juda ein ganzes Kontingent an Pferden zur Verfügung stellen würde, die zu den mächtigsten und teuersten Kriegsgeräten im Alten Orient zählen57, könnte Hiskija nicht einmal die notwendigen (ausgebildeten) Reiter aufbringen, um auch nur einen einzigen der geringsten assyrischen Vasallen (~ynjqh ynda ydb[ dxa) zu vertreiben (V.9a). Aus der militärischen Schwäche Judas leitet der Rabschake daher abermals ab, dass Hiskija auf die Ägypter, ihre Wagen und Pferde (~ysws) vertraut. Mit Blick auf Prophetenworte wie Jes 30,16; 31,1 – 3, die meist ins ausgehende 8. Jh. v. Chr. datiert werden58, scheint der Rabschake damit ins Schwarze getroffen zu haben.59 Am Ende des ersten Redeganges tritt noch einmal das Thema des Vertrauens auf Gott zutage (vgl. V.7). Sanherib modifiziert nun jedoch seine Argumentation: Verwies die erste kriegs-theologische Aussage nämlich auf Gottes Hilflosigkeit gegenüber der eigenen Übermacht, bilden der assyrische Könige und Jhwh nun eine gemeinsame Front gegen Juda und Jerusalem.60 Dazu zitiert Sanherib in V.10 sogar ein Jhwh-Wort, das ihn angeblich veranlasst hätte, in 55 Vgl. W. A. M. Beuken, Jes 28 – 39, 383. 56 E. Würthwein, Kön, 421. 57 Zum Kriegspferd im Alten Orient siehe S. Schroer, Tiere, 61 – 64; zu den wirtschaftlichen Aspekten siehe V. Horn, Pferd, 46 – 48. 58 Vgl. etwa U. Berges, Buch, 214; O. Kaiser, Jes 13 – 39, 236 f.; M. De Jong, Isaiah, 113 – 115. 59 Vgl. W. A. M. Beuken, Jes 13 – 39, 383. 60 Vgl. P. Ackroyd, Structure, 11: »The Assyrian […] claimed divine warrant for his actions, and […] – somewhat inconsistently – claimed the impotence of Yahweh to deliver.«

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Juda einzufallen und das Land zu vernichten (txv). Geschickter könnte der diplomatische Kunstgriff nicht sein: Der assyrische Herrscher will die belagerte Stadt, deren Bevölkerung nach V.7 auf Jhwh vertraut (wnxjb wnyhla hwhy-la), mit ihren eigenen Waffen schlagen. Dass der Wortlaut von V.10 keine verlässliche Niederschrift der Rabschake-Rede ist, sondern die Assyrer vor allem auf Befehl ihrer eigenen Gottheiten in den Krieg zogen, ist unbestritten.61 Es gehört vielmehr zur rhetorischen Strategie der atl Erzählung62, dass sich Sanherib vor den Toren Zions als Jhwhs Gewaltinstrument in den Kriegsdienst der Gottheit Altisraels stellt. Denn so relativiert der fremde Herrscher selbst die Bedeutung der eigenen Heeresmacht zugunsten der Macht Jhwhs im Krieg. Die assyrische Selbstdarstellung scheint auf den ersten Blick in Einklang mit jenen Prophetensprüchen des Jesajabuches zu stehen, in denen Jhwh die Weltmacht zur Bestrafung des eigenen Volkes herbeiruft: »The question and statement of the Rabshakeh in 36:10 tally with Yahweh’s hc[ that he will summon Assyria to punish his people (7:17 – 25; 8:7 – 8).«63 Erfüllt sich in der Einkesselung von Jerusalem durch Sanherib also das göttliche Zorngericht von Jes 5,26 – 28? Oder kommen die Assyrer ins Land, um auf göttlichen Befehl hin reiche Beute zu machen (vgl. 10,6)? Ein genauer Blick auf die von Sanherib verwendeten Gewaltsemantik entlarvt seine Aussage jedoch als Trugwort: Denn die Wurzel txv, die stets ein Verderben »im Erfahrungsfeld einer Gemeinschaft oder einzelner Menschen«64 zum Ausdruck bringt, umschreibt in keinem Gewalttext der Prophetenschrift einen auf Jhwh zurückgeführten Akt der Vernichtung. Vielmehr ist es Gott selbst, der im Laufe der Prophetenschrift immer wieder gegen diese Form von Gewalt aktiv eingreift: So bricht nach Jes 11,9 mit dem Regierungsantritt des mit der hwhy xwr begabten Herrschers eine Epoche am Zion an, in der niemand mehr Böse handelt ([[r), noch vernichtet (txv). Der babylonische König fand hingegen laut Jes 14,20 ein gewaltsames Ende, weil er nicht einmal das eigene Volk vor seinem Vernichtungshandeln (txv) verschonte. Im Kontext von Dtjes wird zwar das Dasein des Vernichters (tyxvm) ebenso wie die Existenz des Waffenschmiedes auf einen göttlichen Schöpfungsakt zurückgeführt (54,16). Doch macht Jhwh unmissverständlich klar, dass dieser nichts 61 Mit Blick auf die Eigenaussagen auf dem Chicago-Prisma (III,1 – 3; vgl. II,44 f.) ist G. Hentschel, 2 Kön, 89 Recht zu geben: »Der historische Sanherib hat sich nicht auf Jahwe berufen, sondern im Vertrauen auf seinen Gott Assur gekämpft […].« Zur theologischen Kriegsdeutung in assyrischen Inschriften siehe B. Oded, War, 9 – 27. 62 Die Strategie, sich auf den Befehl der Götter des Feindes zu berufen, ist sicherlich auch »für die assyrische Propagandastrategie typisch« (R. Liwak, Rettung, 151 und dazu genauer C. Cohen, Elements). Doch angesichts der Inkongruenz mit der Argumentation von V.7 handelt es sich bei V.10 um keine historische Reminiszenz, selbst wenn die Darstellung »nicht lange nach den betreffenden Ereignissen konzipiert« (R. Liwak, Rettung, 151) worden ist. 63 H. A. J. Kruger, Gods 2, 388. 64 D. Vetter, Art. txv, 892.

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(mehr) gegen Zion ausrichten kann (vgl. Jes 51,13 f.). Auch in der letzten Teilkomposition wird dem vollständigen Vernichtungshandeln eine klare Absage erteilt: Dies betrifft einerseits die Übernahme der göttlichen Verheißung von Jes 11,9 in Jes 65,25, in der die nachexilische Knechtsgemeinde ihre gewaltfreie Zukunft sieht. Andererseits gilt dies auch für Jhwhs eigenes Gewalthandeln, da er um seiner Knechte willen nicht »das ganze (Volk) vernichten will« (ytlbl lkh tyxvh).65 In der gesamten Prophetenschrift brüstet sich einzig und allein Sanherib damit, dass seine Vorfahren auf dem assyrischen Thron aller Herren Länder mit »Vernichtung« (txv) überzogen haben (37,12). Hatten sich die Gottheiten der fremden Völker dabei als machtlos erwiesen66, soll die Vernichtung Judas nach Aussage von 36,10 gar auf Jhwhs eigenes Wort hin erfolgen. Sieht man von diesen lexikalischen Bezügen in der Prophetenschrift ab, steht für die belagerten Einwohner im Rahmen der Erzählung zunächst Aussage gegen Aussage: Denn mit Blick auf den weiteren Handlungsverlauf (vgl. Jes 37,3 f.14 – 20) hat der Rabschake durchaus Recht, wenn er in V.7 Hiskija das Vertrauen auf Jhwh verkünden und ihn in V.15 die Einwohner auf Jhwh als Garant der eigenen Sicherheit einschwören lässt: »Wahrlich retten (lcn hiph. fig. etym.) wird uns Jhwh und nicht wird die Stadt in die Hand des Königs von Assur gegeben werden« (rwva $lm dyb tazh ry[h !tnt al, vgl. 37,10). Im Gegensatz dazu gipfelt Sanheribs Rede darin, dass er das Zerstörungswerk in Jhwhs Auftrag vollbringt (36,10). So entscheidet sich die Frage, ob nun Hiskija oder Sanherib Folge zu leisten sei, am Vertrauen der königlichen Beamten sowie der Bewohner Jerusalems, die die Verhandlungen an der Stadtmauer offensichtlich mitverfolgen können (vgl. V.11). Sanherib scheint auf den ersten Blick die besseren Karten zu besitzen: Zum einen kann er – an dieser Stelle im Erzählverlauf als einziger – auf ein (vermeintliches) Gotteswort verweisen. Zum anderen machen auch die Machtverhältnisse zwischen der belagerten Stadt und der übermächtigen assyrischen Armee sein Gotteswort glaubhafter als Hiskijas Vertrauen auf die Rettung der Stadt. Aufgelöst wird diese Spannung durch Jesajas Königsorakel (vgl. aber Jes 37,6 f.21 – 35), die Hiskija den göttlichen Beistand und die Rettung der Stadt zusichern, und letztlich durch die tatsächliche Befreiung Jerusalems und den Abzug der assyrischen Truppen nach der entscheidenden Rettungstat Jhwhs (V.35 f.).

65 Vgl. ebd., 894: »Negiertes sˇht kann zum eigenen Kontrastwort werden, wenn es Gottes Rettungs- oder Heilstat ausdr˙ücken soll.« 66 Diese Gegenüberstellung verschärft nach H. A. J. Kruger, Gods 1, 62 die Infragestellung der rettenden Macht Jhwhs zusätzlich: »The other gods could not protect their devotees. Can Yahweh protect Jerusalem?«

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4.4.3 JHWH sorgt für die Rettung Jerusalems (Jes 37,36 – 38) Da Jes 36 f. eine spannungsvolle Kombination verschiedener Erzähltraditionen bilden, wird die Vernichtung des Feindes bzw. der Abzug der Assyrer vor den Toren Jerusalems gleich zwei Mal zur Darstellung gebracht.67 Obgleich die göttliche Rettung beide Male unter kriegerischen Vorzeichen erfolgt, zeigen sich in Jhwhs Engagement und damit im Gottesbild deutliche Unterschiede: Nach Darstellung von B1 (Jes 36,2 – 37,9a.37abb.38) kommt es zur Rettung der Stadt, weil der Rabschake – wie unmittelbar zuvor durch Jesaja prophezeit (vgl. Jes 37,7) – von Sanheribs Abzug aus Lachisch erfahren hat ([mv, V.8; vgl. V.7).68 So zieht das Heer unverrichteter Dinge ab (bwv, V.8; vgl. V.7). Zur Rettung der Stadt tritt Jhwh somit zwar nicht direkt gewalttätig in Erscheinung, doch wird er als Urheber eines Gerüchts über eine militärische Konfrontation zweier fremder Heere dargestellt. Er gibt dem König von Assur einen Geist ein (xwr !tn), so dass auch sein militärischer Oberbefehlshaber die Belagerung von Jerusalem Hals über Kopf aufgibt und ihm offensichtlich zu Hilfe eilt. Die Darstellung erweckt »den Eindruck, als sei Sanherib ein Hasenfuß gewesen, der sich auf ein bloßes Gerücht vom Ausrücken Taharqas hin aus dem Staube machte«69. Zu einem Blutvergießen in den Reihen des assyrischen Heeres vor den Toren Jerusalems kommt es nach Darstellung von B1 allerdings nicht. Allein der assyrische König findet einen gewaltsamen Tod. Das Ende Sanheribs in seinem eigenen Land, das der Propheten bereits in Jes 37,7 verheißen hat, kommt jedoch erst in V.37 f. zur Darstellung (vgl. bwv, V.7.37ab). Es bildet auf Endtextebene zusammen mit der Inszenierung von B2 eine literarische Einheit.70 Sanherib kommt zwar nicht durch Gottes direktes Gewalteinwirken ums Leben. Doch erweist sich Jhwh auch so als die mächtigere Gottheit im Krieg71, indem Jes 37,38 gezielt mit der Dichotomie von »fremd« und »eigen« spielt. Der fremde Großkönig, der auszog, um Juda zu erobern, und die Macht der Gottheit

67 Der A-Bericht (2 Kön 18,13 – 16), der im Jesajabuch allerdings nicht überliefert ist, führt den Abzug der Assyrer – historisch plausibler – auf Hiskijas erneute Unterwerfung unter die assyrische Oberhoheit zurück. 68 Die Notiz über die Konfrontation zwischen König Sanherib und Pharao Tirhaqa aus Jes 37,9 ist anachronistisch und entspricht nicht dem historischen Verlauf, da Tirhaqa erst 690 v. Chr. den Thron bestieg; vgl. R. Liwak, Rettung, 148. 69 O. Kaiser, Jes 13 – 39, 300. 70 Sanheribs Tod 681 v. Chr., den die atl Darstellung anachronistisch unmittelbar auf den Abzug der Assyrer von Jerusalem folgen lässt, stellt somit den terminus post quem für die redaktionsgeschichtlich ältere Darstellung B1 dar ; vgl. Z. Kustár, Krankheit und Heilung, 113 f. Der Bericht wird mehrheitlich in die spätvorexilische Zeit datiert, »als Assur nicht mehr gefürchtet wurde, aber auch noch nicht ganz aus der Geschichte verschwand« (A. Schoors, Königreiche, 28); vgl. U. Berges, Buch, 291. 71 Zu diesem Aspekt siehe H. A. J. Kruger, Gods 1, 61 – 64.

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Israels durch seine Hohnrede massiv infrage stellte72, wird in der Hauptstadt seines eigenen Reiches beim Gebet im Tempel von Nisroch73, »seiner Gottheit« (wyhla), von »seinen Söhnen« (wynb) durch das Schwert getötet (brxb hkn hiph.). Der schmachvolle kollektive Patrizid erweist nicht nur die Schwäche des assyrischen Königs, sondern zugleich die Machtlosigkeit der von ihm verehrten Gottheit, die ihn nicht einmal in ihrer eigenen Wohnstätte zu schützen vermochte.74 So erfüllt sich das Prophetenwort von Jes 37,7, wonach Jhwh den fremden Aggressor in seinem Land mit dem Schwert niederstrecken werde (wcrab brxb lpn hiph.).75 Nach der Darstellung von B2 (Jes 37,36.37aa) wird der Abzug der Assyrer nicht durch ein Gerücht, sondern durch ein regelrechtes Blutbad vor den Toren Jerusalems ausgelöst. 185.000 Soldaten finden innerhalb einer Nacht im assyrischen Heerlager den Tod. Im Hinblick auf die Darstellung göttlicher Gewalt und ihrer Folgen ist somit eine deutliche Verschärfung feststellbar.76 Doch auch hier wird Jhwh nur mittelbar – wenn auch intensiver als in Jes 37b.38 – mit dem Blutvergießen in Verbindung gebracht. Denn in Jes 37,36 wird das Heerlager der Assyrer durch einen »Boten Jhwhs« (hwhy $alm) dezimiert, der offensichtlich auf göttlichen Befehl hin als Gewalttäter (hkn) agiert. Dabei handelt es sich um einen der wenigen atl Texte, in denen ein göttlicher Bote Gewalt verübt: Im Deboralied ruft er zur Verfluchung der Bewohner von Meros auf, weil sie Jhwh im Kampf nicht beigestanden sind (Ri 5,23). In Ps 35 bittet der Beter, dass der hwhy $alm seine Feinde verstoße (hxd, V5) und verfolge (@dr, V.6). Eine weitere Parallele findet sich in der chronistischen Darstellung der Volkszählung durch König David (1 Chr 21,1 – 17): In dieser Erzählung schickt Jhwh seinen Boten aus, um Israel zu vernichten (txv, V.15; vgl. Jes 36,10). Nach Davids umfangreicher Sühne gebietet Gott seinem Abgesandten zwar, das Schwert wieder in die Scheide zu stecken (1 Chr 21,27), doch der König fürchtet sich weiterhin vor der Waffe des JhwhBoten. Diese Angst verunmöglicht jede weitere Gottesbefragung am Offenbarungszelt (V.30). Auch wenn sich die historischen Hintergründe für den Abzug der Assyrer nicht mit letzter Sicherheit klären lassen77, verweist doch die Tatsache »daß 72 Vgl. auch die Gegenüberstellung zwischen den assyrischen Herrschern und den fremden Gottheiten in Jes 37,12. 73 Die Gottheit ist atl wie außerbiblisch unbekannt; zu den verschiedenen Deutungs- und Identifizierungsvorschlägen siehe Chr. Uehlinger, Art. Nisroch, 630 f. und H. A. J. Kruger, Gods 2, 394. 74 Vgl. W. A. M. Beuken, Jes 28 – 39, 407 sowie O. Kaiser, Jes 13 – 39, 311: »Damit ist erwiesen, wer der lebendige Gott und wer die leblosen Götzen sind, vgl. auch [Jes] 37,3 ff.« 75 Der Schlussvers von Jes 37 gehört somit zur Darstellung von B1; vgl. etwa O. Kaiser, Jes 13 – 39, 310. Er ist nicht, wie etwa C. R. Chapman, Gendered Language, 88 meint, »a much later editorial gloss desciribing the murder of Sennacherib (37:38)«. 76 Gegen R. Liwak, Rettung, 156, der den Unterschied »für nicht grundlegend« hält. 77 Zu verschiedenen Deutungsvorschlägen siehe etwa ebd., 155 – 157.

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Sanherib auch nach 701 noch sehr aktiv war und keineswegs an militärischer Kraft und Masse eingebüßt hat, […] den Tod von 185.000 Assyrern […] durch den Boten JHWHs ins Reich der Legenden«78. Die knappe Notiz, »Und siehe, sie alle (waren) Leichen (y~rgp), Tote (~ytm)« (Jes 37,36b), zeigt den eigentlichen Schwerpunkt der Erzählung auf: Denn mit den Begriffen »Tote« und »Leichen« verbindet sich »die Konnotation eines göttlichen Strafgerichts (Lev 26,30; Num 14,29.32 – 33; […] Jer 33,5; Am 8,3; Nah 3,3, Dan 12,2)«79. Im Kontext des Jesajabuches lässt sich dieses Gericht mit Blick auf den Begriff rgp näher eingrenzen: Denn zu »Leichen« werden dort all jene antagonistischen Kräfte, die zu Jhwhs Erzfeinden stilisiert werden, weil sie sein Volk und seine Stadt existenziell bedrohen. Nach Babylon (Jes 14,19) und Edom (Jes 34,3) liegt nun der assyrische Leichenberg als grausames Zeichen des göttlichen Triumphs vor den Toren Jerusalems. Die Gewaltinszenierung weist zugleich voraus auf das universale Strafgericht Jhwhs am Ende der Prophetenschrift, wo die brennenden Leichen ebenfalls vor den Toren der Stadt liegen bleiben (66,24). So hat das Ende der assyrischen Militärmacht und ihres royalen Oberbefehlshabers, der sich den Status der Gottebenbürtigkeit zuspricht, weit über die Erzählung von Jes 36 f. hinaus Relevanz für das Großjesajabuch, seine Theologie und seine gewalthaltigen Gottesbilder : »Die Bedrohung und Errettung des Zion im Jahre 701 sind zum Paradigma des eschatologischen Dramas geworden: jede Nation und alle Völker, die gegen den Zion angehen, werden an ihm zerbrechen.«80 So bildet die Erzählung nicht nur die kompositorische Mitte, sondern vor allem mit Blick auf Jes 38 f. auch den Übergang von Proto- zu Deuterojesaja81: Die Erzählung über die durch Jhwh bewirkte Genesung von König Hiskija liest sich wie eine Parallele zur wunderbaren Errettung Jerusalems und ist in dieses Geschehen auch literarisch eingebunden (vgl. ~hh ~ymyb, Jes 38,1; sowie V.682). Zugleich bildet Jes 38 in Verbindung mit dem Bericht über die Entsendung von Geschenken durch den babylonischen König Merodach-Baladan (Jes 39,1 f.83) eine thematische Brücke zum babylonischen Exil. Denn das letzte Jhwh-Wort der Prophetenschrift, das explizit aus dem Mund Jesajas hervorgeht (Jes 78 79 80 81 82 83

U. Berges, Buch, 281. W. A. M. Beuken, Jes 28 – 39, 407. U. Berges, Buch, 320. Vgl. R. E. Clements, Jes, 277. Dazu W. A. M. Beuken, King, 385 f. Der Anschluss von Jes 39,1 (awhh t[b) zu Jes 38 und damit indirekt auch an das Geschehen von Jes 36 – 39 ist »lose« (O. Kaiser, Jes 13 – 39, 324); vgl. etwa Chr. R. Seitz, Destiny, 150. Wenn Jes 39 eine historische Reminiszenz darstellt, so hatte die babylonische Gesandtschaft kaum etwas mit Hiskijas Genesung zu tun. Das Ereignis ist zeitlich vor der assyrischen Belagerung 701 v. Chr. anzusetzen und dient wohl handfesten politischen Interessen, »so daß die Konspirationen Hiskias […] bis in die alte mesopotamische Zentrale Babylon gereicht hätten« (O. Kaiser, Jes 13 – 39, 325; vgl. auch U. Berges, Buch, 315).

Das Exil und sein Ende – göttliche Gewalt in Deuterojesaja (Jes 40 – 55)

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39,5 – 7), blickt bereits auf jene Tage voraus, in denen die königlichen Reichtümer nach Babel deportiert und Hiskijas Nachkommen zu babylonischen Hofbeamten (~ysyrs) degradiert werden. Die Antwort Hiskijas (V.8), dass das Prophetenwort gut (bwj) sei, weil in seinen Tagen noch »Friede« (~wlv) und »Sicherheit« (tma) herrschen, ist aber alles andere als eine zynische Replik auf die Unheilsverheißung nach der Devise: »aprÀs moi le d¦luge«84. Vor dem Hintergrund der Nathansverheißung (2 Sam 7) ist Hiskijas Einwand nach W. Beuken vielmehr zu lesen als »a simple recognition that Yhwh’s promise to the house of David remains valid during his reign«85. Doch zugleich ist mit Blick auf die in Jes 39,7 nach Babylon deportierten Thronanwärter, »einer etwaigen Hoffnung auf ein Wiedererstarken der davidischen Monarchie eine klare Absage erteilt«86. Wenn Jes 1 – 39 somit auch mit einer göttlichen Unheilsverheißung schließt, die bereits auf das Babylonische Exil vorausblickt, bleibt aufgrund der Erzählung von der göttlichen Befreiung der Stadt weiterhin das Vertrauen87 (xjb) auf Jhwhs Rettung in Kraft. Diese salvatorische Facette des Gottesbildes, die den Gewaltaspekt ausdrücklich einschließt, wird auch in Jes 40 – 55 von Beginn an eine tragende Rolle spielen. Sie begleitet die Leser durch die weiteren Kapitel.

4.5

Das Exil und sein Ende – göttliche Gewalt in Deuterojesaja (Jes 40 – 55)

Der zweite Hauptteil der Prophetenschrift (Jes 40 – 55) präsentiert Gott überwiegend im Licht von Trost, Heil und Erbarmen (z. B. Jes 45,8; 49,10 – 15; 54,8). So kommt R. Albertz zum Schluss, Deuterojesaja sei das einzige exilische Prophetenbuch, »das reine Heilsprophetie beinhaltet«1. Dennoch präsentiert Jes 40 – 55 Jhwh keineswegs als ausschließlich friedfertige Gottheit. Das Gottesbild ist auch von gewalthaltigen Aspekten und teils grausamen Facetten geprägt. Besonders im zweiten Hauptteil verübt Gott eigenhändig Gewalt (49,25 f.; 50,11; 51,9; 54,15) und tritt in 42,13 sogar wie ein Krieger in Erscheinung. Mithilfe dieser Darstellungen werden in Jes 40 – 55 vor allem zwei aufeinander bezogene historische Ereignisse beleuchtet: Erstens wird Israels Aufenthalt im Exil retrospektiv als göttlich verhängte Strafe gedeutet (vgl. Jes 40,2 f.; 42,22 – 25; 43,28; 84 J. Blenkinsopp, Hezekiah, 114. 85 W. A. M. Beuken, King, 390. 86 U. Berges, Jesaja, 90. 87 Vgl. W. A. M. Beuken, Jes 28 – 39, 446 u. ö. 1 R. Albertz, Exilszeit, 285; vgl. J. v. Oorschot, Babel, 295: »Mit den Heilsprophetien des Buches Dtjes verbindet sich zurecht die Vorstellung, daß in ihnen dem ›Volke Heil, nichts als Heil‹ verkündet wird.« Zu einem differenzierteren Urteil kommen W. Dietrich/Chr. Link, Die dunklen Seiten Gottes I, 167; C. Westermann, Jes, 32.

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48,10). Zweitens beruft Jhwh den Perserkönig Kyros als sein Kriegswerkzeug (vgl. Jes 41,2 f.25; 43,14 – 17; 44,28 – 45,8), um Babylons Untergang auf Gottes Befehl hin zu vollbringen (Jes 46 f.). Im Durchgang durch diese Texte wird sich zeigen, dass das Gottesbild von Jes 40 – 55 über ein erstaunlich konstantes Arsenal an gewalthaltigen Elementen verfügt. Daher erscheint es als sinnvoll, anstatt die Texte nach ihrer synchronen Abfolge im Buch zu beleuchten, die Gottesbilder nach den beiden thematischen Schwerpunkten geordnet zu behandeln, um das gewalthaltige Profil Jhwhs aus dem »literarische[n] Gemälde von Jes 40 – 55«2 herauszuarbeiten.

4.5.1 Grundstruktur der Teilkomposition Jes 40 – 55 bildet im Vergleich zu »Protojesaja« (Jes 1 – 39) sowohl unter synchronen Gesichtspunkten als auch unter diachronem Blickwinkel einen recht homogenen Buchteil. Dass die Kapitel nicht auf den historischen Propheten Jesaja aus dem 8. Jh. v. Chr. zurückgehen, sondern aus exilisch-nachexilischer Zeit stammen, ist trotz großer Diskussion über den exakten Verlauf der Textgenese allgemein anerkannt.3 Aufgrund der hohen sprachlichen und theologischen Kohärenz galt die Zuschreibung der Kapitel an einen exilischen Anonymus lange Zeit als beinahe unwidersprochener Forschungskonsens4 : Eine charismatische Persönlichkeit habe in der Nachfolge von Jesaja ben Amoz (daher die Bezeichnung Deutero-Jesaja) die erneute Zuwendung Jhwhs zu Jakob/Israel im Babylonischen Exil verkündet. Analog zur »Denkschrift« (Jes 6,1 – 8,18) sowie der Jesaja-Hiskija-Erzählung (Jes 36 – 39) für den Jerusalemer Propheten des 8. Jh. v. Chr.5 wurden die Gottesknechtslieder (Jes 42,1 – 4; 49,1 – 6; 50,4 – 9; 52,13 – 53,12) als biographischer Haftpunkt des anonymen Exilspropheten verstanden.6 Die These einer individuellen Autorschaft für Jes 40 – 55* wird noch heute vertreten.7 In den letzten Jahren mehren sich jedoch die Stimmen, die einer biographischen Lesart der Texte kritisch gegenüberstehen8 : Die Deute2 U. Berges, Buch, 337. 3 Zur Diskussion siehe Ders., Jes 40 – 48, 28 – 43. 4 Besonders einflussreich war das Urteil von B. Duhm, Jes, 18 f.; einer der wenigen, jedoch kaum wahrgenommenen Einsprüche gegen die These stammt von W. Caspari, Lieder. 5 Grundlegend für diese These war K. Budde, Jesajas Erleben; vgl. R. Feuerstein, Deuterojesaja. 6 Diese Deutung geht zurück auf S. Mowinckel, Knecht. 7 So etwa J. Blenkinsopp, Jes 40 – 55, 179; H.-J. Kraus, Jes, 3 f.; K. Baltzer, Jes, 51; R. G. Kratz, Kyros, 157 – 168. 8 J. Becker, Isaias, 37 f.; J. Werlitz, Redaktion, 362; vgl. U. Berges, Construction; H. G. M. Williamson, Recent Issues, 36; M. E. Tate, Recent Study, 29 – 31.

Das Exil und sein Ende – göttliche Gewalt in Deuterojesaja (Jes 40 – 55)

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rojesajaforschung geht immer stärker von einem Verfasserkollektiv9 hinter Jes 40 – 55 aus, rechnet mit mehreren Redaktionsstufen10 und sucht die Schriftsteller im Bereich levitischer Tempelsänger der (nach)exilischen Zeit.11 Wenn daher im Folgenden von »Deuterojesaja« (Dtjes) die Rede ist, impliziert dies keine Zuschreibung an eine anonyme Prophetengestalt, sondern beschreibt primär den Textumfang von Jes 40 – 55 als literarische Größe. In synchroner Betrachtungsweise gliedert sich der »dramatische Text«12 in zwei Hauptteile, die ihrerseits aus mehreren Akten und Redegängen bestehen.13 Als Sprecher und Aktanten fungieren vor allem der Prophet (des Buches!), Jhwh, sein Knecht Jakob/Israel und Zion. Der Jakob/Israel-Kreis (Jes 40,12 – 49,13) nimmt zunächst die Situation der Gola in den Blick und schildert in mehreren Redegängen, wie Jhwh den tauben Knecht Jakob/Israel zum Zeugenamt für seine Geschichtsmächtigkeit bestellt. Die starke Fokussierung auf den politisch-militärischen Erfolg der Perser (z. B. Jes 41,2 f.; 46,11), Kyros’ Erwählung durch Jhwh (Jes 44,28 – 45,8) und den beginnenden Untergang der babylonischen Weltmacht (Jes 43,14) spricht für eine Abfassung des Großteils von Jes 40 – 48 in der Zeit zwischen dem Aufstieg der Perser (ab 550 v. Chr.) und ihrem Einzug in Babel unter Kyros (539 v. Chr.) bzw. der Zeit unmittelbar danach.14 Für Babylon als Abfassungsort spricht die Tatsache, dass in diesem Teil Zion/Jerusalem nur selten in den Blick gerät (vgl. 40,2.9; 41,27; 44,26.28; 46,13).15 Dies ändert sich jedoch abrupt mit Jes 49,14: Denn im anschließenden Zion/Jerusalem-Kreis (Jes 49,14 – 54,17) nimmt der Knecht sein Zeugenamt mit Blick auf die in Trümmern liegende Stadt wahr. Er versucht sie von Jhwhs Neubeginn mit und in der alten Heimat zu überzeugen. Umgekehrt fällt der Name »Jakob«/»Israel« nach Jes 49,14 in Dtjes kein weiteres Mal (außer in Gottestiteln; vgl. 49,26; 52,12; 54,5; 55,5). Zudem werden die prägenden Themen aus dem Rededuktus von Jes 40 – 48 (z. B. »Fremdgötter«, »Kultbilder«, »Kyros« oder »Babel«) sowie die Gattung des »Weissagungsbeweises« durch die 9 Zum Verständnis von Autorschaft in antiken Schriftkulturen siehe K. van der Toorn, Scribal Culture, 27 – 49. 10 Vgl. etwa die Ergebnisse von J. Werlitz, Redaktion, 359 – 363; U. Berges, Buch, 411 – 413; R. G. Kratz, Kyros, 148 – 217; und den Überblick bei R. Albertz, Darius. 11 Vgl. U. Berges, Farewell; R. J. Coggins, Deutero-Isaiah?. Besonders die zahlreichen Anknüpfungspunkte zwischen DtJes und Ps bzw. Klgl weisen in diese Richtung; vgl. dazu J. W. Hilber, Prophecy ; U. Berges, Jesajas Buch, 9 f.; B. Weber, Asaf. 12 Zum dramatischen Charakter von Dtjes siehe U. Berges, Buch, 325 – 333. Wenig plausibel erscheint hingegen der Ansatz von K. Baltzer, Jes, 29 – 38, nach dem Dtjes als »liturgisches Drama« zu verstehen sei, das im gottesdienstlichen Kontext am Pessachfest tatsächlich zur Aufführung gebracht worden sein soll (so ebd., 48 f.); kritisch dazu J. G. F. Wilks, Incompetent Dramatist. 13 Zum kompositionellen Aufbau von Jes 40 – 55 siehe U. Berges, Buch, 325 – 333. 14 Vgl. Ders., Jes 40 – 48, 43 – 45. 15 J. v. Oorschot, Babel, 167; J. Werlitz, Redaktion, 321 f.; U. Berges, Jesaja, 42 – 46.

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Konzentration auf den Wiederaufbau und die Restauration Jerusalems abgelöst. Diese literarischen Beobachtungen sprechen für Jerusalem als Abfassungsort von Jes 49 – 55. Als plausibler Entstehungszeitraum kommt die Epoche von Darius I. (522 – 486 v. Chr.)16 infrage, in der die erste größere Rückwanderungswelle aus Babel in der alten Heimat eintraf.17

4.5.2 Der Rückblick auf das Exil – göttlicher Zorn ergießt sich in Kriegsgewalt 4.5.2.1 Das Exil als abgeleisteter Frondienst (Jes 40,2 f.) Der Auftakt zu Dtjes (Jes 40,1 – 11) ist dialogisch strukturiert und lässt sich anhand der Sprecherwechsel und Aufrufe in vier Strophen gliedern (40,1 – 2.3 – 5.6 – 8.9 – 11). Deren literarhistorische Verortung und redaktionskritische Schichtung ist in der Forschung zwar umstritten.18 Die Eingangsstrophe (V.1 – 2), in der Jhwh sogleich als Gewalttäter auftritt, wird jedoch mehrheitlich einem literargeschichtlichen Frühstadium zugeordnet.19 Diese Eröffnungsverse bringen nach D. Carr nicht weniger als die »pivotal message«20 von Dtjes zum Ausdruck. Denn Jhwh ruft eindringlich dazu auf, Jerusalem und seiner Einwohnerschaft die heilvolle Wende ihres Schicksals zu verkünden. In dieser Trostbotschaft ist der Blick auf Zions schwere Vergangenheit und Gegenwart aber ausdrücklich mit eingeschlossen. Das Exil als von Jhwh verhängter und angenommener Frondienst (Jes 40,1 f.) 1

»Tröstet, tröstet mein Volk«, sagt euer Gott. 2 Sprecht zum Herzen Jerusalems, und ruft ihr zu, dass sie vollendet hat ihren Dienst, dass abgetragen ist ihre Schuld, dass sie empfangen hat aus der Hand Jhwhs, Doppeltes für all ihre Sünden.

16 Grundlegend dazu H. M. Barstad, Babylonian Captivity. 17 Vgl. dazu R. Albertz, Exilszeit, 97 – 112; H. Donner, Geschichte 2, 444. Dagegen wertet J. Blenkinsopp, Jes 40 – 55, 73 die genannten Perspektivwechsel nicht als Indiz für eine literarhistorische Entwicklung innerhalb von Jes 40 – 55. Vielmehr können diese ihm zufolge »to be explained without a theory of distinct authorship […] or distinct locations ([…] chs. 40 – 48 in Babylon; chs. 49 – 66 in Judah)«. 18 Vgl. U. Berges, Jes 40 – 48, 94 f. 19 Zum ältesten Textbestand gehören V.1 – 2 unter anderem nach F. Hartenstein, Frondienst, 102 – 104; R. G. Kratz, Anfang, 405 f. Als Eröffnungsstanze einer ersten Edition von Jes 40 – 52 verstehen den Text hingegen U. Berges, Buch, 378; J. Werlitz, Redaktion, 319; R. Albertz, Exilszeit, 297. 20 D. Carr, Reaching for Unity, 66.

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Mit dem eindringlichen Aufruf21, sein Volk zu »trösten«, präsentiert sich Jhwh eingangs primär unter dem Aspekt von Trost und Barmherzigkeit. So weist das Eröffnungsbild auf die zahlreichen Texte voraus, in denen Jhwh in Jes 40 – 55 als »Tröster« in Erscheinung treten wird (49,13; 51,3.12.19; 52,9), denn das »theme of comfort is a leitmotif throughout these chapters […], and it makes for good news indeed after all the dire threats and comminutions of chs. 1 – 39«22. Da ~xn auch im Jesajabuch einen positiven Gegenbegriff zum göttlichen Zorn bildet (Jes 12,1!; vgl. Ex 32,12; Jona 4,2), gibt Gott mit dem zweifachen ~xn implizit zu verstehen, dass sein Grimm, der gegen Israel wütete (z. B. Jes 5,25; 9,20), dem Erbarmen gewichen ist.23 Daher weist das doppelte ~xn in nuce auf jene Passagen voraus, in denen die Unterdrückung auf den Ausbruch des göttlichen Zorns zurückgeführt wird (vgl. 42,25; 48,9; 51,13.17 – 22; 54,8 f.). Diesen Texten wird schon in der Einleitungsszene über den Begriff ~xn ein positives Gegenbild vorangestellt, ohne dabei jedoch die von Jhwh verhängte, gewalthaltige Vergangenheit vollkommen auszublenden. Als Kern der Trostbotschaft tritt den Hörenden und Lesenden das anbrechende Ende des Exils entgegen.24 Es wird in Jes 40,2 als Jerusalems »erfüllter Dienst« (abc alm nif.) vorgestellt. Die Stadt verkörpert als Adressatin des Proömiums weit mehr als eine rein geographische Angabe: Sie fungiert hier als »Inbegriff für alles, was 586 aus der Stadt – aus ihr hauptsächlich, aber nicht nur aus ihr – deportiert oder auch nicht deportiert wurde und was an Generationen sich seitdem daran angeschlossen hat, sei es im fremden Land, sei es in der Heimat«25. Die Terminologie von V.2 ist insofern außergewöhnlich, als abc in keinem weiteren prophetischen Text Israels Exilsdasein umschreibt. Semantisch ist der Begriff im kriegerisch-militärischen Bereich verankert26, wo er unter anderem als Standardbezeichnung für menschliche Kriegsverbände oder 21 Der abrupte Neueinsatz ohne exakte Identifizierung der Adressaten hat für viel Diskussion gesorgt: Die Szene wurde als Beauftragungsszene gedeutet (vgl. K. Elliger, Jes, 29: »Berufungserlebnis«). Nach Chr. R. Seitz, Divine Council, handelt es sich bei den Angesprochenen hingegen um den göttlichen Thronrat. Beide Ansätze stießen auf Kritik (vgl. J. Blenkinsopp, Jes 40 – 55, 179 f.), die zu einer Neubewertung der gesamten Eingangsszene führte: Nach U. Berges, Jes 40 – 48, 91 handelt es sich bei den Adressaten »um Menschen, die der Prophet zur Mitarbeit an der Verkündigung der Trostbotschaft aufruft«. Dieser Ansatz konvergiert mit den antiken Texttraditionen, wonach Jhwh in LXXJes 40,2 die Priester zum Sprechen (ieqeir kakgsate) und in TgJes 40,1 die Adressaten zum prophetischen Reden (wbnta ayybn) auffordert. 22 J. Blenkinsopp, Jes 40 – 55, 179. 23 Vgl. ebd., 92 – 94. 24 Vgl. C. Westermann, Jes, 32: »alles, was dann durch die vielfältige Verkündigung Deuterojesajas hindurch begegnen wird, ist auf dies eine Faktum gegründet, das die Wende in Israels Schicksal bedeutet«. 25 K. Elliger, Jes, 13 f. 26 Vgl. A. S. van der Woude, Art. abc, 500 – 503.

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

überirdische Heerscharen fungiert. Seltener umschreibt die Wurzel als Abstraktum den Kriegsdienst (z. B. Jos 22,12; 1 Chr 12,24) und – in späten Schriften – allgemein einen »harten Dienst« (Ijob 7,1; 10,17; 14,14; Dan 10,1). Hinter dem singulären Gebrauch als Bezeichnung für die Deportation nach Babel könnte einerseits eine Anspielung an Gott anklingen, der als27twabc hwhy seinem Volk die Exilierung drohend in Aussicht gestellt (z. B. Jes 6,12!) und – in synchroner Lesart – zuletzt König Hiskija die Verschleppung seiner Nachkommenschaft nach Babylon verheißen hat (vgl. 39,5 – 7). Andererseits könnte der Text auf die kultische Dimension von abc abstellen, um das Exil aus diesem Blickwinkel zu beleuchten: Wie die Leviten ihren Dienst am Offenbarungszelt versehen (abc, z. B. Num 4,3.23 u. ö.), wo Gott die Opfer wohlwollend annimmt (xcr, z. B. Lev 7,18; 19,7), wird der harte Exilsdienst (abc), den Jerusalem für ihre Schuld (!w[) zu verrichten hatte, von Jhwh nun wohlwollend angenommen (xcr nif., Jes 40,2; vgl. qal in Lev 26,41).28 So bildet Gottes erneute Zuwendung in der ersten Sequenz zwar den Grundtenor des Gottesbildes. Am Ende wird jedoch ausdrücklich auf Jhwhs gewalttätige Seite verwiesen, um unmissverständlich klarzumachen, dass er alleine als Urheber hinter der Exilierung seines Volkes steht. Neben Jerusalem als Handlungsträgerin (xql 3. Sg. f.) ist nun auch Gott bzw. seine Hand als implizites Agens präsent. Sie vergegenwärtigt – besonders in der ersten Teilkomposition (z. B. Jes 1,25; 5,25; 10,4; 11,15) – den gewalthaltigen Aspekt im Gottesbild.29 Durch die Fokussierung auf die Beziehung zwischen Jerusalem und Jhwh bleibt ausgeblendet, wer historisch für die Exilierung des Volkes sorgte und in wessen Machtbereich Israel sein Dasein gegenwärtig fristet: Nach Jes 40,2 hat Gott Jerusalem nicht in die Hand eines fremden Volkes gegeben (dyb !tn); die Stadt hat sein Schicksal vielmehr »aus der Hand Jhwhs genommen« (hwhy dym xql). Eine Verbindung zwischen dem Exil als göttlich verhängter Strafe und Babel als dem geschichtlichen Vollstrecker seines Zorns wird in der Einleitungsstrophe strikt vermieden. Mit dieser Art der Darstellung gibt die Ouvertüre das Programm für das weitere (Deutero)Jesajabuch vor, wo sich ebenfalls kaum Hinweise auf eine aktive Partizipation Babylons in der göttlichen Bestrafung finden lassen (vgl. aber Jes 47,6!). Die Funktion eines göttlichen Kriegswerkzeuges bleibt dem 27 In Jes 40 – 55 ist das Epitheton relativ selten belegt und kommt zudem nur in Redeeinleitungsformeln vor (vgl. 44,6; 45,13). Nachdem Jhwh seine Herrschaft durch die Erniedrigung der Tochter Babel (Jes 47,1 – 3) ein für allemal erwiesen hat, erscheint das Epitheton nur mehr als Verweis, dass dies sein Name ist (wmv twabc hwhy, vgl. 47,4; 48,2; 51,15; 54,5). Überhaupt keine Belege hat der Gottestitel im letzten Hauptteil der Prophetenschrift (Jes 56 – 66). Zur Verwendung und Vermeidung des Gottestitels siehe U. Berges/A. Spans, Jhwh Zebaot, 191 f. 28 Vgl. H. Ringgren, Art. abc, 875. 29 Vgl. A. S. van der Woude, Art. dy, 672 – 674.

Das Exil und sein Ende – göttliche Gewalt in Deuterojesaja (Jes 40 – 55)

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Reich in Dtjes von Anfang an versagt. Den bevorzugten Deutungshorizont für das Exil bildet der göttliche Zorn. Auch dafür gibt das Proömium versteckte Hinweise: Zwar ist das entsprechende Vokabular in Jes 40,1 f. nicht belegt, doch könnte das Ende von V.2 auch auf die zornerfüllte Seite Jhwhs vorausweisen. Denn die Konstruktion dym xql ist im gesamten Jesajabuch nur mehr in 51,22 belegt, wo Jhwh verkündet, Zion den »Becher meines Zorns« (30ytmx sk) aus der Hand zu nehmen (vgl. Jer 25,17).31 Zudem ist auch die Wurzel alm in Jes 40 – 55 nur mehr hier belegt: In 51 geht es allerdings nicht um eine aktive Ableistung des Frondienstes, vielmehr sind Jerusalems Kinder ohnmächtig hingesunken, »angefüllt von Jhwhs Grimm« (hwhy-tmx ~yalm, V.20). Auch das Tg scheint diese Verbindung gesehen zu haben, wenn es in seiner Paraphrase von Jes 40,2 darauf hinweist, »dass sie [Jerusalem] den Becher [!] des Trostes von Jhwh empfangen hat« (ywy ~dq !m !ymwxnt sk tlybq yra). Nach MTJes 40,2 hat Jerusalem für all ihre Sünden (tajx, vgl. 43,23.25; 44,22) aber weder Zorn- noch Trostbecher, sondern »Doppeltes« (~ylpk) empfangen. Bei diesem Abstraktbegriff, dem seltenen Dual der Wurzel lpk (Ex 26,9; 28,16; 39,9; Ijob 11,6; Sir 26,1; vgl. Ez 21,19), steht unbestritten »das Moment der Steigerung«32 im Vordergrund, auch wenn dieses verschiedenartig interpretiert wurde: Man dachte an einen juridischen Ausgleich,33 eine Reflexion über das zeitliche Ausmaß des Exils34 oder an einen Vorverweis auf Jes 51,19, wo vom Eintreffen zweier Katastrophen in Zion die Rede ist:35 Da die Stadt »beides« (~ytv) traf, »die Verwüstung und der Zusammenbruch« (rbvhw dvh), »die Hungersnot und das Schwert« (brxhw b[rh), konnte ihr niemand Trost spenden (~xn, vgl. 40,1).36 Doch wahrscheinlich handelt es sich bei ~ylpk in Jes 40,2 schlicht um einen hyperbolischen Ausdruck für all jene Schläge, die Jerusalem aus der Hand Jhwhs empfangen hat.37 Die erste, kurze Strophe des Proömiums weist bereits die Kernelemente im Gottesbild auf, die im weiteren Verlauf von Jes 40 – 55 zur Deutung des Exils 30 Zum Motiv des Taumelbechers siehe T. Seidl, Becher, 15 – 41. 31 Eine Verbindungslinie zwischen Jes 40,2 und dem Spruch über den göttlichen Taumel- bzw. Zornesbecher (Jes 51,17 – 23) sieht auch J. L. Koole, Jes 40 – 48, 51. Er erklärt damit den fehlenden Verweis auf Zion in Jes 40,2: »The reason for this is probably that it was ›Jerusalem‹, and not ›Zion‹, that had drunk the cup of Yahweh’s wrath, 51:17« (ebd., 55). 32 A. Scherer, Deutungen, 235. 33 So etwa – mit Bezugnahme auf Dtn 15,18 (hnvm) – G. v. Rad, Äquivalent; oder K. Elliger, Jes, 15 – 17. 34 A. Phillips, Double, 132: »›Double for all her sins‹ in Is 40,2 is to be interpreted literally and indicates that Jerusalem’s punishment has been twice as long as it should have been.« 35 Vgl. K. Baltzer, Jes, 84. 36 Jes 47,9 verhält sich dazu spiegelbildlich: Dort ergeht die göttliche Verheißung an die Tochter Babel, dass ihr an einem einzigen Tag »Kinderlosigkeit und Witwenschaft« widerfahren werde. 37 Nach U. Berges, Jes 40 – 48, 103.

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

herangezogen werden. Er besitzt somit auch für den Gewaltdiskurs in Dtjes eine vorausweisende Funktion: Die gegenwärtige Not wird dargestellt als göttlich verhängte Strafe für die Vergehen seines Volkes, die durch Jhwhs Zorn ausgelöst und von Gott selbst vollzogen wurde. Obwohl militärische Aspekte in der Beschreibung durchaus anklingen (abc), übernimmt Babylon bei der Vollstreckung keinerlei Funktion. Die Trostbotschaft kreist im ersten Teil des Proömiums um die Abzahlung der Schuld durch Israel und dessen Annahme durch Jhwh, wodurch die positive Wende und ein Neuanfang möglich werden. Zum Ausdruck kommt diese Verbindung von vergangener, strafender Gewalt und erneuter, heilvoller Zuwendung über das Rahmenmotiv der Hand Gottes bzw. »seines Armes« (w[rz): Hatte Jerusalem aus Gottes Hand Doppeltes (an Gewalt) für ihre Sünden genommen (V.10), wird Jhwh seine Herrschaft (hlvm) in Jerusalem »mit seinem Arm« antreten und mit ihm sein Volk leiten (vgl. [wrz in der Hirtenmetapher von V.11). Zugleich löst der Arm Jhwhs ([wrz) in Jes 40 – 66 allmählich seine Hand als Repräsentant des gewalthaltigen Aspektes im Gottesbild ab.38 Über das Wortfeld von Herrschaft und Gewalt zeigen sich im Handeln Jhwhs also zugleich Kontinuität und Neubeginn. 4.5.2.2 Das Exil als göttliche Strafe anzuerkennen, macht Jakob/Israel bereit zum Zeugenamt (Jes 42,22 – 25) Nach der Darstellung im Auftaktkapitel werden die zum Exil führenden Kriegsereignisse in Jes 42,22 – 25 ein weiteres Mal beleuchtet. Dabei begegnen der Leserschaft zahlreiche gewalthaltige Elemente, die bereits aus dem Proömium bekannt sind. Der Abschnitt gehört nach der Gliederung von U. Berges zum 1. Redegang des II. Aktes (Jes 42,13 – 43,1239). In ihm will Jhwh den blinden und tauben Knecht (vgl. 42,18 – 20) von seiner Bereitschaft zur Rettung überzeugen.40 Dazu erschien er schon im Anschluss an das erste GKL (Jes 42,1 – 6) »wie ein Kriegsmann« (twmxlm vyak), der nun seinen Schlachtruf erhebt ([wr 38 In Jes 1 – 39 taucht Jhwhs Arm hingegen nur vereinzelt auf: Mit ihm vernichtet Gott in Jes 17,5 die dwbk Jakobs wie ein Schnitter. In der nachexilischen Theophanieschilderung von Jes 30,27 – 33 (zu den Datierungsvorschlägen siehe W. A. M. Beuken, Jes 28 – 39, 166) ist eine breite Palette an gewalthaltigen Manifestationsformen Jhwhs belegt, darunter auch der Arm, der mit wütendem Zorn erscheint und sich in einer Feuersbrunst und meteorologischen Phänomenen Bahn bricht (V.30). Im Weheruf über den Verwüster (Jes 33), der ebenfalls aus persischer Zeit stammt (so H. Wildberger, Jes 28 – 39, 1288) oder erst in die hellenistische Epoche zu datieren ist (nach O. Kaiser, Jes 1 – 39, 271), bittet der Sprecher aus der Perspektive des Volkes, Jhwh möge zum »Arm« seines Volkes werden (V.2), um so die feindlichen Nationen in die Flucht zu schlagen (V.3). 39 Zur Struktur des Jakob/Israel-Zyklus siehe U. Berges, Jes 40 – 48, 72 f. 40 Da Jes 42,18 – 25 von zahlreichen Fragen durchzogen ist (V.19.23.24a), bestimmte C. Westermann, Jes, 90 den Abschnitt als »Disputationswort« (analog zu 40,12 – 31; und mit Abstrichen auch zu 43,22 – 28).

Das Exil und sein Ende – göttliche Gewalt in Deuterojesaja (Jes 40 – 55)

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hiph.) und sich zu Israels Rettung gegenüber seinen Feinden »als Held erweist« (rbg hit., 42,13).41 Jhwh bläst also buchstäblich zum Angriff für die entscheidende Wende im Geschick seines Volkes. Dazu wird er Kyros als sein kriegerisches Instrument berufen (rw[ hiph.; vgl. 41,2.25; 45,13). Doch nur wenn Jakob/ Israel von Gottes erneuter Intervention zur Befreiung seines Volkes aus der babylonischen Unterdrückung überzeugt ist, kann er selbst zum Zeugen werden (vgl. Jes 43,10) für Jhwhs eigentlichen Plan (#px), seine Weisung/Tora groß (ldg hiph.) und herrlich zu machen (rda hiph.; vgl. 42,21). Doch der Übernahme des Zeugenamtes durch das Gottesvolk steht dem Anschein nach Israels Exilserfahrung entgegen. Jhwh goss Zorn und Krieg auf sein Volk (Jes 42,22 – 25) 22

Aber er [Jakob] ist ein Volk ausgeraubt und geplündert, gefangen in Löchern allesamt. Und in Kerkern sind sie versteckt gehalten, sie sind zum Raub geworden und es gibt keinen Retter, zu Plünderung und es gibt keinen, der sagt: »Gib zurück!« 23 Wer von euch nimmt sich das zu Ohren? Er soll aufmerken und hören für später. 24 Wer gab zur Plünderung Jakob, und Israel den Räubern? [War es] nicht Jhwh, gegen den wir sündigten? Und nicht wollten sie gehen auf seinen Wegen. Und nicht haben sie gehört auf seine Weisung. 25 Und er goss aus über sie die Glut seines Zorns, und die Gewalt des Krieges. Und sie versengte ihn ringsum, aber nicht erkannte er. Und sie brannte an ihm, aber er nimmt es sich nicht zu Herzen.

Der Abschnitt setzt in V.22a den Knecht, dessen Taubheit und Blindheit in V.19 f. beklagt wurde, mit jenem »Volk« (~[) gleich,42 von dem zuletzt im Proömium gesprochen wurde (vgl. ~[ in Jes 40,1.7).43 Israels Unwilligkeit, die Trostbotschaft zu »hören«44 ([mv, vgl. 42,18.20.23.24), wird zunächst aus der gegenwärtigen Leidsituation heraus begründet (V.22). Diese wird wiederum auf 41 In der LXX wird das militärische Gottesbild, bei dem es sich wohl um eine Rezeption aus LXXEx 15,3 handelt, deutlich pazifiziert, da der Herr nun den »Krieg zerschmettert« (sumtqixei pokelom); vgl. U. Berges, Jes 40 – 48, 250; gegen eine solche Abmilderung göttlicher Gewalt argumentiert J. Maier, Kriegsmann. 42 Das awhw in V.22a kann sich nur auf den in V.19a beschriebenen und in V.20 angesprochenen hwhy db[ beziehen. 43 Jes 42,5 nimmt unter dem Stichwort »Volk« die gesamte Erdbevölkerung in den Blick, wohingegen Jhwh in 42,6 den Gottesknecht zum Bund für das Volk (~[ tyrbl) einsetzt. 44 Zur Wurzel [mv als Leitwort von Jes 40 – 55 siehe U. Berges, Hören.

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

die Deportation nach der Eroberung Judas zurückgeführt (V.24).45 Während Israels Exilsexistenz zuvor in vegetativen Metaphern beschrieben wurde (vgl. Jes 40,6 – 8 als verdorrtes Gras und verwelkte Blume), stellt 42,22 Israel als ausgeraubtes Volk vor. Die dazu verwendete Begrifflichkeit (zzb bzw. hsv part. pass.) stammt aus dem Bereich des Krieges und verweist auf Übergriffe an Hab und Gut im Zuge von militärischen Konfrontationen.46 Die Kombination der Begriffe kontrastiert auf Endtextebene einerseits die Verheißung aus den Fremdvölkersprüchen, wonach Räuber und Plünderer vor Zion allein aufgrund der göttlichen Drohung (r[g) verschwinden (Jes 17,14). Andererseits erinnern die beiden Termini an den göttlichen Auftrag an Assur aus Jes 1 – 12, die gottlose Nation zu berauben und auszuplündern (Jes 10,6). Die Gewaltinszenierung von Jes 42 weist jedoch einen wesentlichen Unterschied auf: Während in Jes 1 – 12 mehrmals auf eine fremde Militärmacht als Jhwhs kriegerisches Werkzeug Bezug genommen wird (z. B. Jes 5,25 – 28; 7,18; 8,7 f.), findet Babel als Vollstrecker des göttlichen Zorns auch in Jes 42,22 – 25 keinerlei Erwähnung. Im Unterschied zu Assur fungierte Babylon in Retrospektive nicht als Rute des göttlichen Zorns (vgl. Jes 10,5). Die Lage stellt sich für Israel in Jes 42,22 insofern verschärft dar, als das Volk nicht nur beraubt und ausgeplündert, sondern »in seiner Gesamtheit« (~lk) gefangenen genommen, in Haft geraten und damit selbst zu Beute- und Plündergut (zbl, hsvm) geworden ist. Dass die Beschreibung kaum der eigentlichen sozio-ökonomischen Situation der Exilierten entspricht, zeigt die sozialgeschichtliche Forschung.47 Hier wird nicht die tatsächliche Lage der Gola reflektiert, sondern auf dramatisierende Weise die Wahrnehmung derjenigen wiedergegeben, die zum blinden und tauben Knecht gehören und erst davon überzeugt werden müssen, dass die »in den Löchern« (~yrwxb, V.22) Gefangenen zu den »Erwählten« (~yrwxb) Jhwhs zählen (rxb, 43,10; vgl. 41,8.9). Diese Gruppe ist angesichts der eigenen Lage überzeugt, dass es keinen Retter gibt (lycm !ya, vgl. Jes 5,29) und niemand die Räuber zur Rückgabe auffordert (bwv hiph. imp.). Beide Einwände wird Jhwh im anschließenden Redegang (Jes 43,1 – 13) unter Aufnahme der in V.22 – 25 verwendeten Gewaltsemantik entkräften: Er gibt sich als der einzige Befreier zu erkennen (V.11: [yvwm yd[lbm !yaw), aus dessen Hand (vgl. 40,2!) niemand rettet (lycm ydym !ya) und dessen Taten niemand umzukehren vermag (bwv hiph., 43,13). Schon die vox prophetica in Jes 42,23 reagiert auf die Zweifel an Jhwhs rettender Gewalt, indem sie die Hörunwilligen ([mv, !za, vgl. V.20) direkt an-

45 Vgl. Ders., Jes 40 – 48, 263. 46 D. Elgavish, Spoils of War. 47 Vgl. R. Albertz, Exilszeit, 88 – 90; F. Joannès/A. Lemaire, Trois Tablettes.

Das Exil und sein Ende – göttliche Gewalt in Deuterojesaja (Jes 40 – 55)

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spricht (~kb ym) und in V.2448 unter Aufnahme der Lexeme hsv und zzb (vgl. V.22) nach demjenigen fragt, der Jakob/Israel eigentlich in Gefangenschaft gab (!tn) und damit als der eigentliche Urheber des Exils zu gelten hat. Da !tn in Jes 40 – 55 bis auf wenige Ausnahmen49 ein für Jhwh reserviertes Verb darstellt, mit dem häufig Gewalthandlungen beschrieben werden (vgl. Jes 40,23; 41,2; 43,28; 47,6), beantwortet sich die Frage, wer Jakob Israel den Räubern anheimgab (42,24b), im literarischen Kontext betrachtet beinahe von selbst: K. Baltzer warnt jedoch zu Recht davor, den rhetorischen Charakter50 der Aussage zu stark zu betonen. Für die ursprünglichen Adressaten könnte es eine Frage gewesen sein, »die wirklich eine Entscheidung verlangte«51. Doch anders als von K. Baltzer angenommen, gehören V.24 f. nicht in die »Auseinandersetzung um die ›Götzen‹ bei Dtjes«52, denn eine Kritik speziell am Fremdgötterkult ist trotz dtn-dtr Anklänge53 im Schuldeingeständnis (z. B. wykrdb $lwh, vgl. Dtn 5,33; 10,12; 28,9; al hba, vgl. Dtn 23,6; 29,19) nicht erkennbar. Hier wird wohl vielmehr betont, dass die nicht näher identifizierten (!) »Räuber« (zzb part., Jes 42,24) keinesfalls eigenmächtig agiert haben.54 Das Gottesvolk »has been deliberately ›given up‹ to its new masters to be robbed of possessions and freedom.«55 Dahinter stand Jhwh, der Israel für seine Sünden zur Rechenschaft gezogen hat, indem er nach V.25 »die Glut seines Zorns ausgoss« (hmx $pv wpa). Durch das an den Beginn gestellte we-jiqtol von $pv schließt V.25 eng an die Beschreibung der Vergehen Israels an (V.24b) und führt nach den Kriegsfolgen (Beute und Plünderung, V.22.24) nun den gesamten Kriegsverlauf auf Jhwh und seinen auflodernden Zorn (wpa hmx) zurück.56 Der Begriff @a (»Zorn«), der in der Jesajaschrift zu den meist belegten Zornestermini gehört,57 ist in Jes 40 – 55 nur noch in Jes 48,15 belegt. Dort sieht Jhwh aber ausdrücklich von der Zornvollstreckung ab (@a $ra hiph.). Im zweiten Hauptteil von Dtjes scheint Jhwhs @a hingegen überhaupt keine Rolle mehr als Deutewort für das Exilsschicksal zu spielen. Diese Funktion übernimmt dort die (Zornes)Glut (hmx, 51,13.17.20.22), die wiederum in Jes 40 – 48 keine Belege hat. Beide Begriffe weisen jedoch in48 Bei V.24 – 25 handelt es sich wohl um einen explikativen Nachtrag; vgl. C. Westermann, Jes, 93; U. Berges, Jes 40 – 48, 266 f. K. Elliger, Jes, 278 f. und R. Albertz, Exilszeit, 305 sehen aufgrund des Sprecherwechsels (1. Pl.) in V.24b eine sekundäre Eintragung, die den in V.23 – 24a aufgeworfenen Fragen »die Antwort ausdrücklich hinzufügte« (K. Elliger, Jes, 290). 49 Vgl. Jes 43,(6).9; 50,6; 53,9; 55,10. 50 So mit Nachdruck J. Goldingay, Isaiah 42,18 – 25, 60 f. 51 K. Baltzer, Jes, 205. 52 Ebd. mit Verweis auf Jes 44,15 – 20. 53 Vgl. dazu U. Berges, Jes 40 – 48, 267. 54 Vgl. H.-J. Kraus, Jes, 48. 55 J. L. Koole, Jes 40 – 48, 277. 56 Im Jesajabuch sind (Zornes)Glut (hmx) und Zorn (@a) gemeinsam nur mehr in Jes 63,3.6; 66,15 belegt. 57 @a: 18x; hmx: 12x; ~[z: 5x; hrb[: 4x; @cq: 3x; !wrx: 2x; @[z: 1x.

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

sofern ein gemeinsames Verwendungsmuster auf, als sie in Dtjes ausschließlich Jhwhs Zornesregung gegen sein eigenes Volk umschreiben. Von einer göttlichen Zornesregung gegen Babylon, das in Jes 40 – 55 das zweite Hauptziel göttlicher Gewalt bildet, wird an keiner Stelle gesprochen.58 Nach Darstellung von Jes 42,25 vollzog Jhwh seinen Zorn, indem er ihn über Israel »ausgoss« ($pv). Dabei handelt es sich zwar für das Jesajabuch um eine einzigartige Vorstellung59, doch gehört das Bild in anderen prophetischen Schriften (z. B. Ez 7,8; 20,8; Hos 5,10; Zef 3,8; Klgl 4,11) sowie in den Feindpsalmen (z. B. Ps 69,25; 79,6) zum gängigen Repertoire. Die Verbindung »Kraft/ Gewalt des Krieges« (hmxlm zwz[), die das Bild des ausgegossenen Zorns in den kriegerischen Bereich auflöst, ist jedoch nur in Jes 42,25 belegt. Der Begriff zwz[, der aus der Psalmensprache stammt und dort ausschließlich Jhwhs machtvolles Handeln beschreibt (vgl. Ps 24,8; 78,4; 145,6; Jes 43,17), verdeutlicht die außerordentliche Wucht, mit der das Volk den göttlichen Zorn zu spüren bekam. Analog zur göttlichen Zornesglut werden auch die Auswirkungen des Krieges in zwei Anläufen durch das Bild einer um sich greifenden Feuerwalze beschrieben (vgl. Ps 79,5 f.; 83,15 f.; Jes 10,17; 30,27; Jer 44,6; Nah 2,14). Der göttliche Zorn versengte (jhl hit.) Volk und Land ringsum und erweist sich somit als ebenso zerstörerisch wie im Moselied (Dtn 32,22). Analog zu Klgl 2,3 »brennt« die Zornesglut »in« Jakob/Israel (-b r[b), doch liegt der Hauptakzent im dtjes Redegang (Jes 42,21 – 25) nicht auf der unermesslichen Zerstörung, die von Jhwh hervorgerufen wird (vgl. Klgl 2,3 – 1060), sondern auf der fehlenden Erkenntnis in Israel: Trotz der schlimmsten Kriegsgewalt kommt Israel nicht zur Einsicht. Der Tempuswechsel von qatal ([dy al) zu jiqtol in der Parallele V.25bb (bl-l[ ~yfy al) macht aus der mangelnden Einsicht der vergangenen Generationen ein gegenwärtiges Problem: Die Erkenntnis, dass das Exil und die dafür verantwortliche Kriegsgewalt einzig und allein auf Jhwh zurückgehen, fehlt nicht nur bei den unmittelbaren Zeitzeugen, sondern auch (noch) bei den Angesprochenen.61 Doch erst wenn Jakob/Israel sein jetziges Schicksal als Zornesgericht begreift, das Jhwh selbst über sein Volk für dessen Sünden (ajx, V.24) verhängt hat, wird der taube Knecht bereit für die befreiende Antwort, mit der Jhwh im Heilsorakel (Jes 43,1 – 5) auf die Leiderfahrungen reagiert. 58 Eine indirekte Verbindung zwischen göttlichem Zorn und Babylon stellt lediglich Jes 51,22 f. her : Gott verheißt dort Frau Zion, er werde nun seinen Zornesbecher (ytmx swk) an ihre Peiniger weiterreichen, womit wohl auf Babylon als Eroberer der Stadt angespielt wird. Vgl. dazu Kapitel 4.5.2.4. 59 In Jes 8,7 lässt Jhwh den König von Assur im Bild des Wassers ansteigen (hl[ hiph.), während er in Jes 59,19 selbst »wie ein reißender Strom kommt« (rc rhnk awby). 60 Nach U. Berges, Klgl, 138 hat dort Jhwh »selbst […] gegen Jakob mit einer Feuersbrunst gewütet, die alles und jedes verschlingt. […] Erschreckend bleibt, wie direkt und unverblümt er als Verursacher des verheerenden Brandes gegen Jakob gezeichnet ist«. 61 Dies bestätigt die Aufforderung zum Hören »für das Zukünftige« (rwxal) in Jes 42,23.

Das Exil und sein Ende – göttliche Gewalt in Deuterojesaja (Jes 40 – 55)

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Fortan soll das Gottesvolk kein Feuer mehr versengen und keine Flamme »in ihm brennen« ($b-r[bt al, V.2; vgl. 42,25). Jhwh spricht es vielmehr als »Befreier« ([yvwm; V.3) an. So kann Jakob/Israel mit V.8 – 13 im Kreis der Völker das Zeugenamt für Jhwh als dem einzigen Befreier ([yvwm yd[lbm !yaw) und als demjenigen übernehmen, aus dessen Hand (vgl. 40,2!) niemand rettet (lycm ydym !ya) und dessen Taten niemand umzukehren vermag (bwv hiph.; 43,13 vgl. 42,22). 4.5.2.3 JHWHs Bannweihe und Profanierung – das Exil unter kultischen Vorzeichen (Jes 43,26 – 28) Die Polarität zwischen Jakobs generationsübergreifender Sünde (ajx) und einem göttlichen Heilsorakel bildet auch den Hintergrund für die Inszenierung göttlicher Gewalt in Jes 43,22 – 28. Aufgrund dieser Parallele wurde für den Abschnitt das »Pendant in Jes 42,18 – 25«62 gefunden. So gehören beide Texte in diachroner Hinsicht wohl zur ersten Komposition (Jes 40 – 52*).63 Wie in Jes 41,1 kommt göttliche Gewalt in einer Gerichtsszene zur Darstellung, die über die Ursachen und Gründe für das Exil reflektiert. Während Gott dort mit den fremden Völkern einen Prozess führt, in dem sein Knecht das Zeugenamt übernimmt, fordert Jhwh nun Jakob/Israel selbst auf, mit ihm ins Gericht zu treten (rkz hiph. imp. »zeige mich an«, 43,26). Jhwh vollzieht den Herem an Israel und entweiht seine Priester (Jes 43,26 – 28) ˙ Lade mich vor, wir wollen vor Gericht ziehen! Erzähle du, damit du Recht bekommst! 27 Dein erster Vater sündigte, und deine Vermittler haben mit mir gebrochen. 28 Und ich entweihte die Fürsten des Heiligtums, und ich übergab Jakob dem Bann, und Israel den Schmähungen. 26

Die vorausgehende Strophe (V.22 – 24) gibt Einblick in die Hintergründe der Anklage, die verhandelt werden soll: Es geht um die kultische Vernachlässigung Jhwhs durch Israel in vorexilischer Zeit.64 Dennoch ist Gott nach V.25 zunächst bereit, an die Sünde (tajx) der angesprochenen Exilsgemeinde nicht zu denken

62 U. Berges, Jes 40 – 48, 306. 63 Siehe dazu J. Werlitz, Redaktion, 243 – 250. Nach K. Elliger, Jes, 364 f. erfolgte die Zusammenstellung hingegen erst im Laufe der Redaktionsgeschichte; so auch J. v. Oorschot, Babel, 295 – 300. 64 Unklarheit herrscht in der Forschung jedoch darüber, ob bzw. inwiefern die Anklage wegen der kultischen Vernachlässigung Jhwhs auch den Vorwurf der Fremdgötterverehrung miteinschließt; zur Diskussion siehe J. Blenkinsopp, Jes 40 – 55, 230 f.

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

(rkz), um im Anschluss daran zur Verhandlung aufzurufen (rkz hiph., V.26).65 Den Ausgangspunkt bildet der Verweis, dass bereits »dein erster Vater gesündigt hat« (ajx !wvarh $yba), womit im Kontext von Jes 40 – 55 nur Jakob/Israel gemeint sein kann. Die Sünden des Stammvaters perpetuierten sich nach V.27b in den Wortführern des Volkes (vgl. #yl, vgl. 2 Chr 32,31; Ijob 33,23), da sie mit Jhwh ebenso gebrochen hatten ([vp, vgl. V.25). So verkündet Gott in V.28, er habe »die Fürsten des Heiligtums« (vdq yrf) entweiht (llx pi.66). Durch die an den Beginn des Verses gestellte Verbform (llxaw), welche mehrheitlich als wajjiqtol und damit perfektisch gedeutet wird67, fügt sich die Verübung der Gewalt syntaktisch eng an den Sündenaufweis (V.27) an. Zudem ergibt sich eine inhaltliche Entsprechung zwischen der Art der Gewalt und den damit geahndeten Vergehen, die sich auf den kultischen Bereich beziehen. Die betroffene Personengruppe kommt nur noch in 1 Chr 24,5 vor, wo der Begriff »Fürsten des Heiligtums« (yrf vdq) die oberste Führungsriege des Tempelpersonals aus der Nachkommenschaft Aarons bezeichnet. So entweiht Jhwh hier die absolute Elite seines Heiligtums! Dass Jhwh sein eigenes Kultpersonal profaniert, ist offensichtlich eine so drastische Formulierung, dass sie von der LXX nicht mitgetragen wird.68 Die griechische Tradition versteht die Obersten als Subjekt von V.28a (eliamam oi aqwomter ta acia lou »und die Führer entweihten mein Heiligtum«), fügt so dem Lasterkatalog von V.27 eine weitere Anklage hinzu (vgl. oi aqwomter) und lässt Jhwh erst in V.28b die Initiative ergreifen. Nach MTsorgt hingegen Jhwh für die Profanierung seiner Priesterschaft. Der in priesterlichen Texten gehäuft belegte Begriff llx pi.69 wird zwar überwiegend für die Entweihung durch Menschen gebraucht (des Heiligtums oder des Sabbats, durch Götzendienst; z. B. Jes 56,2.6). Doch auch Gott kann Vergehen durch llx ahnden (vgl. Jes 23,9), wobei sich im intertextuellen Vergleich nur das Ezechielbuch weiter wagt als Dtjes. In Ez 24,21 verheißt Jhwh gar : »Ich werde mein Heiligtum entweihen« (yvdqm-ta llxm ynnh). So weit geht das Jesajabuch mit seiner auf den Zion und seinen Tempel zentrierten Theologie nicht (vgl. Jes 6; 37,33)! Neben der kultischen Sphäre kann Jhwh auch den Bund (Ps 55,21; vgl. 89,35) oder das Königtum (Ps 89,40; Klgl 2,2) »auflösen«70, was eindeutig auf die sakrosankte Dimension beider politischen Institutionen verweist. Daher kann 65 Die Aussage enthält zusammen mit V.26b (»damit du recht behältst«) einen ironischen Unterton; vgl. U. Berges, Jes 40 – 48, 312. 66 Da die Diskussion in Jes 43,22 – 28 um Fragen der kultischen Verehrung Jhwhs kreist, liegt hier wohl nicht die Wurzel llx II (»durchbohren«/»erschlagen«), sondern llx I (»entweihen«/»profanieren«) vor; vgl. etwa J. L. Koole, Jes 40 – 48, 352. 67 So u. a. K. Elliger, Jes, 362; J. L. Koole, Jes 40 – 48, 351. 68 Die Priorität des MTwird von Tg (avdq ybrbr sypaw), Vg (et contaminavi principes) und 1 QJesa (hllxaw) gestützt; vgl. J. Blenkinsopp, Jes 40 – 55, 229 f. 69 So nach F. Maass, Art. llx, 571 f. 70 So die ursprüngliche Bedeutung von llx I nach W. Dommershausen, Art. llx I, 972.

Das Exil und sein Ende – göttliche Gewalt in Deuterojesaja (Jes 40 – 55)

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Jhwh in Jes 47,6 auch die Eroberung Judas rückblickend als Entweihung seines Erbteils darstellen (ytllx ytlxn). In Jes 43,28 bleibt die Entweihung jedoch nicht allein auf die Kultvorsteher beschränkt. Jhwh ging – die Allusion auf den »ersten Vater« aus V.27 aufnehmend – auch gegen Jakob/Israel insgesamt vor, indem er das Volk dem Bann übergab (~rxl !tn), und es demütigenden Hohnreden aussetzte (@dn). Auch hier scheinen Ursache und Wirkung einander zu entsprechen: »Dem radikalen Urteil über Israel und seine[r] Bindung an die Sünde entspricht die radikale Sicht des Exils als ~rx.«71 Wie bereits im Kontext von Jes 34 angemerkt, kann dem Kriegsbann auch eine kultische Dimension innewohnen. Es zeigt sich einmal mehr, dass im Jesajabuch ausschließlich Jhwh selbst den Kriegsbann vollzieht.72 Doch nur hier gibt er sein eigenes Volk dem Herem anheim (vgl. aber Jer 25,9). ˙ Zudem ist die verwendete Konstruktion ~rxl !tn in der gesamten HB einzigartig. Die Pragmatik hinter dieser singulären Formulierung hat wohl abermals mit der Verhältnisbestimmung zwischen Jhwh und Babylon als Eroberer und Zerstörer Jerusalems zu tun: Jhwh wird dadurch als Urheber des Herem in Szene gesetzt, ˙ ohne dass der tatsächliche Bannvollstrecker identifiziert werden müsste. Dies ist sonst immer der Fall, wenn ~rx und !tn gemeinsam belegt sind (vgl. Num 21,2 f.; Dtn 7,2). Neben dem ~rx weist auch die Spottrede (@dn) auf eine herbe kriegerische Niederlage hin (vgl. Zef 2,8). Im Kontext von 43,22 – 28 geht es zweifelsohne um jene militärische Katastrophe, die nicht nur für viele Judäer mit dem Tod endete, sondern auch das Jerusalemer Heiligtum entweiht zurückließ. Die Darstellung konzentriert sich auf die kultische Dimension des Untergangs, ohne dabei jedoch den eigentlichen Eroberer und Zerstörer des Tempels zu nennen. Die Rolle Babels bei der Exilierung Israels wird so unbedeutend wie möglich gehalten. 4.5.2.4 Frau Zion und Gottes Zornesbecher (Jes 51,17 – 23) Im zweiten Hauptteil (Jes 49,14 – 55,13) liegt der thematische Schwerpunkt auf der Stadt/Frau Zion, die ebenso wie die babylonische Gola schwer unter dem Exil zu leiden hat (vgl. 49,14.19). Ihr tritt nun der in Jes 40 – 48 berufene und beauftrage Knecht verkündigend entgegen: »Wie JHWH durch den Propheten die Exilsgemeinde zu einer neuen Hoffnung […] anspornte […] so ist es nun dieser Knecht, der nach seiner Heimkehr der Jerusalemer Bevölkerung die Gewißheit einer strahlenden Zukunft zu vermitteln sucht.«73 Die Erfolgsaussichten für den Ebed sind aber denkbar schlecht, wie Zion in ihrem ersten Redegang unverblümt 71 J. v. Oorschot, Babel, 298. 72 Als Subjekt der Bannweihe fungieren sonst nur noch die assyrischen Könige in Sanheribs Hohnrede (Jes 37,11). 73 U. Berges, Buch, 369.

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

zum Ausdruck bringt: »Verlassen hat mich (ynbz[) Jhwh, mein Herr hat mich vergessen (ynxkv)!« (49,14). Im Verlauf von Jes 49 – 55 entspinnt sich eine literarische Diskussion zwischen Jhwh, seinem Knecht und der als Frau personifizierten Stadt Jerusalem über die göttliche Heilswende für und in Zion, in der von allen Gesprächspartnern auf gewalthaltige Gottesbilder zurückgegriffen wird. Dabei zeigt sich, dass im Zion/Jerusalem-Kreis ähnliche Motive wie in Jes 40 – 48 zum Einsatz kommen. Die von den Literaten in der Gola entwickelten Deutungshorizonte gelangen also im Zuge der Rückwanderungsbewegung nach Jerusalem und werden dort in die Auseinandersetzung mit der im Land verbliebenen Bevölkerung eingebracht. Das bedeutet auf literarischer Ebene: Die Interpretationsmuster des Exils, die der Knecht Israel/Jakob im ersten Hauptteil übernommen hat, bezeugt er nun auch der geknechteten und von der Deportation schwer gezeichneten Frau Zion. Zu den prägnanten Beispielstexten zählt das Trostwort an Jerusalem (Jes 51,17 – 23), das göttliche Gewalt in verdichteter Art und Weise zur Darstellung bringt.74

74 Trotz der teils drastischen Bilder bleibt die Inszenierung im Rahmen dessen, was im Jesajabuch und in der HB insgesamt über Jhwh und sein gewalthaltiges Handeln aussagbar ist. An keiner Stelle gleitet der Text – wie K. Baltzer, Jes, 460 meint – »ins Groteske« ab.

Das Exil und sein Ende – göttliche Gewalt in Deuterojesaja (Jes 40 – 55)

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Zions Elend, getrunken aus Jhwhs Zornesbecher (Jes 51,17 – 23) 17

Raff dich auf! Raff dich auf! Steh auf Jerusalem, die getrunken hat aus der Hand Jhwhs den Becher seiner Zornesglut! Den Kelch, den Becher des Taumelns hast du getrunken, ausgeschlürft. 18 Da war niemand, der sie leitete, von allen Kinder, die sie gebar ; und keiner, der [sie] bei ihrer Hand nahm, von allen Kindern, die sie großzog. 19 Zweierlei, siehe, ist dir widerfahren: Wer bekundete Beileid dir? Die Verwüstung und der Zusammenbruch, und der Hunger und das Schwert, wer tröstet75 dich? 20 Deine Kinder verschmachteten, sie lagen an allen Straßenecken, wie die Antilope im Netz, angefüllt von der Zornesglut Jhwhs, vom Drohen deiner Gottheit. 21 Darum höre doch dies, Elende und Trunkene, aber nicht von Wein: 22 So spricht dein Herr Jhwh, und deine Gottheit, er führt den Rechtstreit für sein Volk: »Siehe, ich nahm aus deiner Hand den Taumelbecher, den Kelch, den Becher meines Zorns nicht wirst du fortfahren ihn zu trinken. 23 Und ich werde ihn legen in die Hand deiner Peiniger, die sagten zu deiner Näpäsch: ›Bück dich, damit wir darüber gehen!‹ Und du machtest wie Erde deinen Rücken, wie eine Strasse für die Hinüberschreitenden.«

75 Hier ist mit Blick auf 1 QJesa ($mxny) und LXX (tir se paqajakesei) 3. Sg. m. jiqtol zu lesen; vgl. etwa J. Blenkinsopp, Jes 40 – 55, 336; K. Baltzer, Jes, 460.

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

Das Trostwort an Jerusalem (Jes 51,17 – 23) bildet die strukturelle Mittelachse zwischen dem Spruch über den Arm Jhwhs (51,9 – 16) und einem zweiten Prophetenspruch an Zion (Jes 52,1 – 12). Schon die Eröffnungsverse zeigen durch ihre analoge Gestaltung (rw[ imp. Sg. f.; 51,9: 3x hiph.; 51,17: 2x hit.; 52,1: 2x hiph.)76, dass die Texte als Triptychon zu lesen sind. Sie bilden zusammen das sog. »Imperativ-Gedicht«77, welches von einer gemeinsamen inhaltlichen Linie durchzogen ist: Im ersten Spruch wird der Arm Jhwhs als Repräsentant göttlicher Gewalt78 zum Handeln aufgefordert. So wie er mit herrschaftlicher Macht gerüstet (z[ vbl, vgl. Ps 93,1) in mythologischer Urzeit gegen das Meeresungeheuer Rahab kämpfte (51,9; vgl. V.15) und während des Exodus für sein Volk aktiv wurde (vgl. V.10), so soll er nun die Exilierten von der Wut ihrer Peiniger erlösen (V.13 f.) und sie als »Befreite Jhwhs« (hwhy yywdp) an den Zion zurückbringen (V.11; vgl. 35,10). Grundlage dafür bildet das einzigartige Verhältnis zwischen Jhwh und Zion (»deine Gottheit«, V.15 $ »mein Volk«, V.16). Im Schlussteil des Triptychons wird Zion dazu angehalten, sich für die Ankunft Jhwhs zurechtzumachen. Wie Gott zur Verübung kriegerischer Gewalt seine »Macht anzog« (vbl z[, 51,9), soll nun Zion ihre Macht anlegen ($z[ vbl, 52,1). Denn aus der gefangenen Tochter Zion (!wyc-tb hybv, V.2) ist die heilige Stadt Jerusalem geworden (vdqh ry[,V.1). Ihr bringt der Freudenbote die Kunde von Frieden und Rettung und verkündet Zion: »Deine Gottheit herrscht als König!« (V.7). Der Mittelteil (Jes 51,17 – 23) fokussiert hingegen auf jene Gewalterfahrungen, die der Befreiung der Exilierten durch Jhwh und ihrer Rückführung an den Zion vorausgegangen sind (51,9 – 16). Das Motiv des Taumelbechers dient dazu im Eingangs- und Schlussteil als interpretativer Rahmen (V.17.21 – 23), während das Zentrum (V.18 – 20) Jerusalems Elend und das Leid ihrer Bevölkerung in der Sprache der Stadtklage zum Ausdruck bringt. Der Eröffnungsvers präsentiert Jerusalem als weiblich personifizierte Stadt79, die »aus der Hand Jhwhs« (hwhy dym) den »Becher seines Zorns« (wtmx sk) getrunken hat. Dass Jerusalem das Trinkgefäß gerade »aus der Hand Jhwhs« empfängt, erinnert an die Ouvertüre von Jes 40 – 55, wo Jerusalem »Doppeltes« (~ylpk, 40,2) empfangen hat. So ist von vornherein klar, dass Gott als der alleinige Urheber für das Unheil anzusprechen ist. Als Deutekategorie fungiert abermals der göttliche Zorn (vgl. Jes 42,25; 51,13). Im intertextuellen Vergleich zeigt die Eingangsszene deutliche Über76 Vgl. J. Blenkinsopp, Jes 40 – 55, 330 f. 77 Vgl. K. Elliger, Deuterojesaja, 263. 78 Dieser Aspekt deutet sich auch im Aufruf zum Erheben (rw[) an, mit dem Jhwh vor allem in den Psalmen zum gewaltsamen Eingreifen aufgefordert wird (Ps 35,23; 44,24; 80,3; vgl. Jorl 4,9). 79 Zu Zion als Frau und Stadt siehe u. a. O.-H. Steck, Zion.

Das Exil und sein Ende – göttliche Gewalt in Deuterojesaja (Jes 40 – 55)

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schneidungen mit der Bechervision aus Jer 25,15 – 29, wo der Prophet die Schale mit »Zornwein« (hmxh !yyh) aus der Hand Jhwhs (ydym) weiterzureichen hat (V.15). Dort ergeht das Trinkgefäß ebenfalls in erster Linie an Jerusalem, an die Städte Judas und deren Könige (V.18). Doch erstreckt sich der Kreis der Opfer göttlicher Gewalt in Jer 25 auf die gesamte Völkerwelt (V.19 – 26 ; vgl. V.15: ~ywgh-lk-ta $twa xlv ykna rva). Nach Jes 51,17 musste bisher hingegen nur Jerusalem vom göttlichen Zornesbecher trinken. Die Schale dient also zunächst als Deutungsmetapher für die im Folgenden beschriebenen Schicksalsschläge, die Zion/Jerusalem erleiden musste. Im Schlussteil (V.21 – 23) wird das Motiv jedoch wieder aufgenommen, um auch die Heilswende literarisch zu inszenieren: Der Becher wird aus der Hand Zions an ihre Peiniger weitergereicht. Das Bechermotiv, welches im gesamten Jesajabuches nur hier begegnet, ist sowohl aus anderen biblischen Texten als auch aus der Umwelt Altisraels bekannt. G. Fuchs konnte deutliche Parallelen zu Texten und Vorstellungen aus Ugarit herausarbeiten.80 Als Heilsmotiv spendet der Becher dem Trinkenden den göttlichen Segen und damit das Leben in Fülle (vgl. Ps 23,5).81 Als ursprünglicher Kontext der Vorstellung werden neben mantischen Riten (vgl. Gen 40,11 – 13) oder ordalartigen Praktiken (vgl. Num 5,12 – 31) insbesondere die altorientalische Tradition der Gast- und Festmähler oder kultische Dankesopferfeiern (vgl. Ps 116,13) vorgeschlagen. Die positiv konnotierte Metapher soll nach G. Fuchs in einem zweiten Schritt durch die atl Prophetie ins Negative verkehrt worden sein.82 Doch gegen die Annahme, die negative Ausgestaltung des Bechermotivs sei eine genuin israelitische Entwicklung, sprechen jene außerbiblischen Texte, in denen sich das Trinken aus dem Becher anderer Gottheiten83 ebenso negativ auswirkt. So bleiben die genauen traditionsgeschichtlichen Ursprünge der Bechermotivik weiterhin im Dunkel.84 Dies gilt vor allem für den Begriff hmxh sk, wie er auch in Jes 51,17.22 belegt ist: »An keiner Stelle […] begegnet ein expressis verbis ks hm genannter Becher, also ein Gegenstück zum alttestament˙ lichen ›Glut-, Gift- oder Zornesbecher‹. Zwar ist das Motiv nachweisbar, nicht jedoch die Wendung selbst.«85 Eine semantische Parallele aus den ugaritischen Becher-Texten, dem Aqhat-Epos (vgl. KTU 1.19, Z. 53 – 56.62 f.), lässt sich zumindest für jenes Trinkgefäß beibringen, das den Zornbecher aus Jes 51,17.22 80 G. Fuchs, Symbol. 81 Nach KTU 1.15, Z. 16 – 20 verfügt auch der Gott El über einen solchen Kelch, mit dem er den kinderlosen König Keret segnet und ihm so zu zahlreicher Nachkommenschaft verhilft; vgl. dazu G. Fuchs, Symbol, 77 f. 82 Vgl. K.-D. Schunk, Becher Jahwes, 326 – 328. 83 So als todbringender Becher des Mot, vgl. KTU 1.15, Z. 20 – 25; oder als Becher der Schande, den Baal aus der Hand anderer Gottheiten zu trinken bekommt, vgl. KTU 1.4, Z. 14 – 16. 84 Vgl. T. Seidl, Becher, 149. 85 G. Fuchs, Symbol, 83 f.

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

˘

näher charakterisiert. Während die Schale (t[bq hapax = qb t hapax) im ugaritischen Epos jedoch den endgültigen Tod des Frevlers als gerechte Strafe herbeiführen soll,86 handelt es sich in Jes 51 um die »Schale […] des Taumels« (t[bq […] hl[rth), ohne dass dabei die Absicht einer vollständigen Zerstörung erkennbar wäre. Ausschlaggebend für die unterschiedlichen Wirkungen, die durch die Verabreichung des Bechers erzielt werden, ist in allen Fällen der Becherinhalt (vgl. hl[rt !yy, Ps 60,5). Deshalb hat K.-D. Schunk vorgeschlagen, besser vom »Rauschmittelbecher« zu sprechen.87 Im Gefäß von Jes 51,17 befand sich offensichtlich eine Substanz, die die personifizierte Stadt ins Taumeln versetzt hat. Schon die einleitenden Imperative (88ymwq; yrrw[th) deuten darauf hin, dass Jerusalem durch das vollkommene Leeren des Bechers zu Fall kam.89 Da Zion ihrer Kinder (= ihrer Bevölkerung) beraubt war, hatte sie auch niemanden, der sie in ihrem Taumel hätte führen können (lhn, V.18; vgl. 40,11) oder bei der Hand ergriffen hätte (dyb qzx hiph., V.18; vgl. 42,6).90 In V.18 schillert der Text bereits zwischen Bild- und Sachebene: »Der Untergang Jerusalems ist kein unerklärliches Geschick, sondern er geschah mit Willen und durch Veranlassung seines Gottes. Was man sieht, ist der Verlust rationaler politischer Entscheidung.«91 Das Zentrum (V.19 f.) löst das Bild endgültig auf und bringt den eigentlichen Inhalt des göttlichen Zornesbechers zur Darstellung: »Verwüstung« (dv, Jes 13,6; 16,4; Jer 20,8) und »Zusammenbruch« (rbv, Jes 15,5) verweisen dabei auf schwere Formen kriegerischer Zerstörung (vgl. Jer 48,3).92 »Hunger« (b[r) und »Schwert« (rbx) bedrohen das Überleben der Menschen, die in die Kampfhandlungen involviert oder von ihnen indirekt betroffen sind (Jer 11,22; Klgl 4,9). In V.20 erfährt die Darstellung eine weitere Zuspitzung: Aufgrund mangelhafter Versorgung mit dem Grundbedarf an Wasser und Nahrung liegen die Kinder »bewusstlos an den Straßenecken«.93 Da bereits in V.18 von den Zionskindern die Rede war, müssen auch hier nicht zwingend »Kinder« im Sinne des biologischen Alters gemeint sein.94 @l[ beschreibt Ohnmachtszustände, die in 86 87 88 89 90

91 92 93 94

So die Deutung ebd., 72 f. K.-D. Schunk, Becher Jahwes, 330. Vgl. J. L. Koole, Jes 49 – 55, 198: »The imp. ymwq […] implies a situation of powerlessness.« Statt vom Taumelbecher spricht LXX in Jes 51,17.22 überhaupt vom »Fallbecher« (to potgqiom […] tgr ptyseyr). Jerusalems Einsamkeit zieht sich als Motiv durch den gesamten Zion/Jerusalem-Kreis: Sie ist verlassen (bz[, 49,14; 54,6.7) und vergessen (xkv, 49,14). Sie wurde entlassen (xlv, 50,1), ist unfruchtbar bzw. kinderlos (lkv ; dwmlg, 49,20 f.; hrq[, 54,1), da ihre Kinder verkauft wurden (rkm, 50,1; 52,3). K. Baltzer, Jes, 461. Vgl. J. L. Koole, Jes 49 – 55, 201. Vgl. dazu U. Berges/B. Obermayer, Gottes Gewalt, 62 – 64. Zur Differenzierung der Kategorie »Kind« siehe A. Michel, Gewalt, 21 – 27.

Das Exil und sein Ende – göttliche Gewalt in Deuterojesaja (Jes 40 – 55)

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Folge von Dehydration etwa bei Hitze auftreten (vgl. Jona 4,8). Dass Zion »den Becher seines Zorns« (wtmx swk, V.17) getrunken hat, zeigt sich paradoxerweise gerade in der von Durst ausgelösten Bewusstlosigkeit ihrer Kinder. Denn auch sie sind angefüllt vom göttlichen Zorn (hwhy-tmx ~yalmh, V.20). Wenn im Falle einer feindlichen Belagerung die Vorräte einer Stadt zur Neige gehen, gehören junge Menschen zu den ersten, die bewusstlos zu Boden sinken. Dies spiegelt sich in Am 8,13 pointiert in der Gegenüberstellung von männlicher und weiblicher Nachkommenschaft wider : »An jenem Tag sinken die schönen jungen Frauen (twltb) und die jungen Männer (~yrwxb) vor Durst ohnmächtig hin (@l[ hit.).« Im Alten Testament stellt die Straße (#wx) einen jener Orte dar, an dem sich die Schrecken des Krieges am deutlichsten abzeichnen (z. B. Jer 51,4; Ez 26,11; Nah 2,5; Zef 3,6). Auch im Jesajabuch ist sie ein locus classicus der Gewalt (Jes 5,25; 10,6). Vor allem in Klgl spielt die Straße bei der Inszenierung von an Kindern verübter Kriegsgewalt (Klgl 1,20; 4,5) eine zentrale Rolle. In dieser Sammlung exilischer Klagegesänge über den Untergang Jerusalems findet sich auch die engste Parallele zu Jes 51,19 f.: Jes 51,17 – 23 als Antwort auf Zions (An-)Klage an Jhwh (Klgl 2,19 – 21) Jes 51,17 Steh auf (ymwq)! […] Steh auf, Jerusalem (ymwq)! Erhebe deine Handflächen zu ihm [Jhwh] um das Leben deiner Kinder, 51,19 Beides hat dich getroffen: […] Hunger (b[r) und Schwert die verschmachten aus Hunger (b[r) (brx). 20 an allen Straßenecken (-lk varb twcwx). Deine Nachkommen lagen (bkv) […] an allen Straßenecken (twcwx-lk varb). 21 Sie lagen (bkv) auf der Erde in den Straßen (twcx). […] Sie fielen durch das Schwert (brx). Klgl 2,19

Die zahlreichen Übereinstimmungen in Terminologie und Motivik machen deutlich, dass Jes 51 eine Verbindung zur Jerusalemer Klageliedertradition95 herstellt. Diese ringt um eine tragfähige Antwort auf die (theologisch) unfassbare Katastrophe. Sie wird in Jes 51,17 – 23 zitierend aufgenommen und in die Trostbotschaft an Jerusalem eingebaut.96 Der entscheidende Unterschied liegt dabei in der Stellung zum göttlichen Gewalttäter : Klgl 2 geht aufgrund der dargestellten Schicksalsschläge mit Jhwh hart ins Gericht.97 Zion selbst macht ihn für die Teknophagie der Jerusalemer Frauen verantwortlich (vgl. das 95 Siehe dazu den Überblick bei R. Albertz, Exilszeit, 117 – 135. 96 Vgl. J. L. Koole, Jes 49 – 55, 203. 97 Vgl. dazu U. Berges/B. Obermayer, Gottes Gewalt, 65 – 71.

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

Wortspiel zwischen tll[ »du hast gemacht« und ~yllw[ »Kinder« in Klgl 2,2098) und bezeichnet Gott in einer für die gesamte HB einzigartigen Zuspitzung als »meinen Feind« (ybya, V.22), da er ihre umhegte Nachkommenschaft vernichtet hat (hlk pi.). Dagegen zeichnet Jes 51,17 – 23 im Anschluss an die grausamen Auswirkungen des göttlichen Zorns, der in Jerusalem in Form von Kriegsgewalt wütete (V.19 f.), ein differenziertes Bild: Mit einem erneuten Zuspruch an Zion setzt in V.21 die Heilswende ein. Jerusalem ist dabei zwar immer noch »berauscht« (rkv, z. B. Jes 5,11; 28,7; 29,9; 56,12), hat nun aber als »Elende« (hyn[) die Sympathien eindeutig auf ihrer Seite (vgl. Jes 41,17; 49,13; 54,11). Die positive Umkehrung ihres Schicksals ergeht in V.22 f. zudem dezidiert in Form eines Gotteswortes: Jhwh agiert nicht mehr gegen Zion, sondern führt nun den »Rechtstreit seines Volkes« (wm[ byry, vgl. Jes 34,8)! Dies knüpft zum einen an die Verheißung zu Beginn des Zion/Jerusalem-Kreises an, Jhwh wolle von nun an gegen die Widersacher Zions streiten ($byry-ta byra ykna, 49,25), und wirft zum anderen unweigerlich die Frage nach den Gegnern in dieser Konfrontation auf. Die Wende im göttlichen Handeln bringt somit eine Verschiebung der Perspektive auf die Gewalt mit sich: Während sie im bisherigen Trostwort allein auf Jhwh und seinen Zorn zurückgeführt wurde, taucht in V.23 mit den »Peinigern« (~ygwm) unvermittelt eine zweite Größe auf, die für Zions Unglück verantwortlich gemacht wird. Um Jhwhs Aktivwerden für Zion und gegen ihre Unterdrücker zum Ausdruck zu bringen, machen sich V.22 f. abermals das Becher-Motiv zunutze: So bleibt das Geschehen weiterhin auf Jhwh konzentriert.99 In deutlicher Umkehrung zu V.17 nimmt Jhwh den Zornes- und Taumelbecher aus Zions Hand (hwhy dym, V.17 ! $dym, V.22), sodass sie daraus nicht länger zu trinken braucht. Die Stadt kann sich also von ihrem Taumel erholen. Dagegen legt Jhwh das Trinkgefäß nun in die Hand ihrer »Peiniger« ($ygwm). Das Verb hgy, dessen Bedeutung zwischen »betrüben« und »demütigen« oszilliert100, ist im Jesajabuch nur an dieser Stelle belegt (vgl. !wgy, Jes 35,10; 51,11), besitzt aber in Klgl zum Teil Leitwort-Charakter (vgl. Klgl 1,4.5.12; 3,32.33) und kommt dort mit Ausnahme von Klgl 1,5 stets mit göttlichem Subjekt vor. In Jes 51,23 beschreibt es hingegen jene Gewalttäter, gegen die nun der Zorn Jhwhs entbrannt ist: »Unter den múg„m ist die geschichtliche Größe der Neubabylonier mit ihrer kriegerischen Eroberungs-,

98 So U. Berges, Klgl, 165. 99 Diese »Jahwezentriertheit« verbindet nach T. Seidl, Becher, 149 alle atl Referenztexte: »Die ›Taumelbecher-Handlung‹ intendiert […] Aussagen über Jahwe, den Initiator und Hauptakteur der Handlung.« 100 Vgl. S. Wagner, Art. hgy, 407: »An ja¯ga¯h haftet […] die Bedeutung ›Kummer haben‹ bzw. ›Kummer erleiden‹ oder ›Kummer bereiten‹.«

Das Exil und sein Ende – göttliche Gewalt in Deuterojesaja (Jes 40 – 55)

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Unterwerfungs- und Deportationspolitik zu verstehen.«101 Daher behalten die Peiniger mit ihrem Befehl an Zion auch nur dem Anschein nach das letzte Wort. »God does not wrong them for they have treated Jerusalem inhumanely.«102 Jes 51,23 lässt sie quasi selbst ihr Urteil sprechen. Jhwh legt (~yf) ihnen den Taumelbecher in ihre Hand, weil sie Zion aufgefordert haben, ihren Rücken zur Erde zu legen (~yf), um den Vorbeiziehenden als Straße (#wx) zu dienen und damit genau zu jenem Ort der Gewalt zu werden, an dem die von Jhwhs Zorn getroffenen Zionskinder liegen (V.20). Der Befehl der Sieger, Zion solle sich niederwerfen (hxv imp.), verwandelt Jerusalems Sturz, der bislang vom göttlichen Taumelbecher herrührte, in einen Unterwerfungsgestus zur Erniedrigung und Demütigung der besiegten Stadt(bevölkerung). Dagegen greift Jhwh strafend ein, indem er nun den Becher seines Zorns an Zions Peiniger weiterreicht. Der Durchgang durch das Trostwort an Zion (Jes 51,17 – 23) hat gezeigt, dass auch der Zion/Jerusalem-Teil auf die leidvollen Kriegserfahrungen zurückgeblickt und dabei Jhwh als Urheber des Exils in Szene setzt. Als zentrales Motiv dient abermals der göttliche Zorn (hmx, vgl. Jes 51,13.17.20.22; @cq, 54,8.9), selbst wenn die »Sünden« und »Frevel« des Volkes als Auslöser im Vergleich zum Jakob/Israel-Kreis seltener in den Blick geraten (Jes 50,1; 54,7). Das 4.GKL (Jes 52,13 – 53,12) zeigt deutlich, dass das Thema von Schuld und Sühne besonders mit Jakob/Israel als hwhy db[ in Verbindung steht (vgl. 53,5.6.8.12). Nachdem ihn die Strafe für die Vergehen seines Volkes getroffen hat (53,8), kann auch Zion in Jubel ausbrechen (54,1), da sich Jhwh nach einem Augenblick ([gr) des aufwallenden Zorns (@cq @cv, 54,8) nun mit ewiger Gnade über Zion erbarmt. Die Darstellung göttlicher Gewalt im Zion/Jerusalem-Kreis stimmt also in weiten Teilen mit der Inszenierung von Jes 40 – 48 überein. Ein entscheidender Unterschied zeigt sich jedoch in der Art und Weise, wie Jhwh seine Gewalt zur Errettung Israels und zum Untergang ihrer Unterdrücker ausübt: Während Jhwh in Jes 49 – 55 allein bzw. mit Hilfe seiner Hand (vgl. 50,2) oder seines Armes gewaltsam aktiv wird (vgl. 52,10), übernimmt diese Aufgabe in Jes 40 – 48 in erster Linie die persische Militärmacht. Kyros fungiert als göttliches Kriegswerkzeug, das Jhwh zur Vernichtung Babylons in Dienst nimmt. Damit schwenkt der Blick von der harten Vergangenheit zur Darstellung jener Gewalt, mit der Jhwh die Heilswende für sein Volk herbeiführen lässt.

101 Ebd., 411. 102 J. L. Koole, Jes 49 – 55, 208.

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

4.5.3 Das Ende des Exils – Kyros unter göttlichem Befehl und der Sturz Babylons Von der Indienstnahme des persischen Herrschers durch Jhwh ist in Dtjes mehrfach die Rede (Jes 41,2 f.25; 43,14; 44,28 – 45,8; 46,11; 48,14 f.).1 Die Texte konzentrieren sich auf den ersten Abschnitt der Teilkomposition (Jes 40 – 48), während der Zion/Jerusalem-Kreis weder die Erweckung des Kyros noch seinen Feldzug gegen Babylon thematisiert. Da die Kyros-Erwartung, wie sie sich in Jes 40 – 48 widerspiegelt, nur schwer mit dem historischen Verlauf der Eroberung Babylons2 in Einklang bringen lässt, gehören die meisten gewaltrelevanten Aussagen über Kyros zu den literarhistorisch ältesten Teilen von Jes 40 – 553, die wohl aus der Zeit vor dem friedlichen Einzug in der Hauptstadt (539 v. Chr.) stammen.4 Die einzelnen Sequenzen differieren in Länge, Stil und literarischer Inszenierung, doch lässt sich ein inhaltliches Zentrum erkennen: »In der Zusammenschau aller Kyros-Aussagen fällt auf, daß […] die militärischen Aktivitäten des Kyros im Vordergrund stehen.«5 In ihrer synchronen Abfolge zeichnet sich darüber hinaus ein argumentativer Fluchtpunkt ab: Jhwh als diejenige Macht, die den Perser als Kriegsinstrument beruft, um mit seinem Sieg über das Neubabylonische Reich die Befreiung für Israel herbeizuführen. »Worum es […] letztlich geht, ist die Überzeugungsarbeit, Israel-Jakob solle am Siegeszug des Kyros JHWH selbst am Werk sehen!«6 Die Einzeltexte kennzeichnet daher auch ein recht einheitliches Gottesbild: So ist allen gemeinsam, dass Jhwh einerseits selbst über die Berufung des Perserkönigs berichtet7 und dass er andererseits der von Kyros verübten Gewalt positiv gegenübersteht (Jes 41,2 f.25; 43,14; 44,24 – 45,138).

1 Vgl. H. Irsigler, Weg, 13. 2 Zum Aufstieg der Perser siehe J. Wiesehöfer, Persien, 22 – 30. 3 Vgl. etwa H. Irsigler, Weg, 13; R. G. Kratz, Kyros, 148 – 217, der abgesehen von kleineren sekundären Nachträgen lediglich 48,14 seiner »Kyros-Ergänzungsschicht« zuweist. 4 Vgl. J. Werlitz, Redaktion, 161 – 188; zu weiteren, außerbiblischen Kyros-Texten aus dieser Epoche siehe P. Höffken, Deutungen. 5 R. G. Kratz, Kyros, 43. 6 U. Berges, Buch, 326; auch H.-J. Hermisson, Jes, 21 verweist auf eine »planvolle Zusammenstellung der Texte«. 7 Diese Kommunikationssituation bildet einen markanten Unterschied der dtjes Inszenierung zum Kyros-Zylinder: Dort berichtet umgekehrt Kyros über Marduks wohlwollendes Handeln; vgl. M. Leuenberger, Kyros-Orakel, 248 f. 8 Des Weiteren kommt die Berufung des Kyros durch Jhwh in Jes 46,11 und 48,14 f. zur Darstellung, doch spielt in beiden Fällen göttliche Gewalt lediglich eine untergeordnete Rolle.

Das Exil und sein Ende – göttliche Gewalt in Deuterojesaja (Jes 40 – 55)

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4.5.3.1 JHWH erweckt Kyros und nimmt ihn in Dienst (Jes 41,2 f.25; 43,14) Schon die Eingangsstrophe zur ersten göttlichen Gerichtsrede (Jes 41,1 – 4) schreibt die Erweckung des Perser, seinen Eroberungsfeldzug und die kriegerische Unterwerfung von fremden Völkern und Königen der Initiative Jhwhs zu. Wer steckt hinter dem Feldzug des Kyros? (Jes 41,2 f.) 2

Wer erweckte aus dem Osten? Gerechtigkeit, [wer] ruft sie auf seinen Fuß? [Wer] gibt vor ihn Völker, und Könige, [wer] unterwirft [sie]? Es macht [sie] wie Staub sein Schwert, wie verwehte Spreu sein Bogen. 3 Er verfolgt sie, zieht heilvoll einher, den Pfad mit seinen Füßen berührt er nicht.

Nach der Aufforderung an die Völkerschaften, gemeinsam ins Gericht zu treten (V.1), erhebt Jhwh zum ersten Mal im Hauptteil von Dtjes das Wort. Wenn dabei sofort das Thema der herannahenden persischen Armee in den Mittelpunkt rückt, unterstreicht dies die Signifikanz, die diesem Ereignis zugeschrieben wird. Obwohl die Adressaten zunächst zum Schweigen aufgefordert werden (vrx), handelt es sich bei ihnen nicht um die Angeklagten. »Sie sind eher Zeugen für ein Geschehen als Partei im Prozess.«9 Sie sollen mit Gott gemeinsam (wdxy) zu Gericht treten und dort auch Gehör finden (wrbdy za, V.1). Gegenstand der Verhandlung ist ein zunächst nicht näher identifizierter Feldzug, der für den Untergang von Königreichen und Völkern sorgt (V.2 – 3). Die beschriebenen Ereignisse, die wohl den Siegeszug der Perser über die Lydier und über weitere Gebiete im Westen Kleinasiens widerspiegeln (um 547 v. Chr.10), bilden allerdings nur den Anlassfall. Im Zentrum steht die Frage nach der treibenden Kraft hinter der sich von Osten nähernden Militärmacht, an deren Spitze ihr siegreicher Feldherr steht. Da V.2 die Identität des Erweckten nicht eindeutig klärt, wurde die Figur in der Auslegungsgeschichte auf verschiedene Gestalten angewandt.11 Die antike jüdische Tradition las die Passage vor dem Hintergrund des biblischen Geschichtsaufrisses und interpretierte die berufene Gestalt als Abraham12, auf den auch in Jes 41,8 verwiesen wird (vgl. 51,2): Für Abraham spricht die Erweckung aus dem Osten (Ur in Chaldäa; Gen 11,31 – 12,5), die militärische Verfolgung fremder Könige (@dr, Jes 41,3; Gen 14,15) und die Zusammenkunft mit Malchi9 K. Baltzer, Jes, 127. 10 Dazu K. Veenhof, Geschichte, 289. 11 Nur im Kyros-Orakel wird der Herrscher namentlich genannt (vrwk, Jes 44,28; 45,1; vgl. 2 Chr 36,22.23; Esra 1,1.2.7.8; 3,7; 4,3.5; Dan 1,21; 10,1). 12 Vgl. TgJes 41,2: »Wer brachte […] Abraham, den Erwählten?« (ryxb ~hrba […] ytya !m).

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

Zedek (Gen 14,18 – 20; vgl. qdc, Jes 41,2), der Abram nach dessen erfolgreichem Feldzug entgegenzieht (wtarql, Gen 14,17; vgl. arq, Jes 41,2).13 Die Kirchenväter, allen voran Hieronymus, nahmen hingegen VgJes 41,2 (»suscitavit ab oriente iustum«) zum Ausgangspunkt, um Jes 41,2 als prophetische Vorausschau auf die Ankunft Christi zu lesen.14 Der Blick auf die semantischen Bezüge der »Erweckung« (rw[ hiph.) in das übrige Jesajabuch ergibt hingegen ein anderes Bild: Da die Wurzel rw[ sowohl in Dtjes (41,25; 45,13) als auch in Jes 13,17 die Berufung der Meder/Perser umschreibt und Jhwh in Jes 45,1 dem Perserkönig ausdrücklich verheißt, »Völker vor ihm« (~ywg wynpl) zu unterwerfen (ddr), verbirgt sich hinter der anonymen Gestalt von Jes 41,2 ursprünglich wohl niemand anderer als Kyros.15 Außerdem zieht sich das Kommen »aus dem Osten« (xrzmm) als Motiv durch die Kyros-Texte (vgl. 41,25; 46,11; vgl. 45,6). Indem seine Erweckung mit »Gerechtigkeit« (qdc) in Verbindung gebracht wird und so ein theologischer Zentralbegriff der Jesajaschrift16 dem Erweckten auf Schritt und Tritt begegnet (wörtl. »an den Fuß gerufen wird«), verbindet der Text sein militärisches Engagement von Anfang an mit Jhwhs Heilshandeln (vgl. qdc in Jes 41,10; 42,21; 45,8.13.19). »Aus der Perspektive der exilierten, judäischen Verfasser handelt es sich nicht einfach um eine militärische Erfolgsgeschichte, […] sondern um eine Ereignissequenz, die JHWHs Durchsetzung seines Rechts- und Heilswillens in der Völkerwelt unter Beweis stellte.«17 Das Ineinander von göttlicher Initiative und kriegerischer Gewalt kennzeichnet auch die weitere Darstellung: So wird sich durch Jes 41,4 herausstellen, dass Jhwh die Nationen »vor ihm dahingab« (wynpl !tn). Diese Konstruktion, mit der Gott dem Perserkönig die Völker in V.2 buchstäblich »vorsetzt« (vgl. Gen 18,8; Sach 3,9), beschreibt im dtr Sprachgebrauch die göttlich bewirkte Auslieferung in militärische Gewalt (Dtn 1,8; 2,31; Ri 11,9; 1 Kön 8,46 par. 2 Chr 6,36; Jer 15,9). Auch die »Unterwerfung« (18ddr wörtl. »zerstampfen«), von der die Herrscher – offensichtlich der eroberten ~ywg – betroffen sind, ist ein ausschließlich für göttliche Gewalthandlungen reservierter Begriff, der neben Ps 144,2 nur noch in Jes 45,1, also im Kontext einer weiteren Berufungsszene des Kyros, belegt ist. Stets geht es

13 14 15 16 17 18

Dazu G. H. Jones, Abraham. Vgl. Hieronymus, Comm. In Is., XII, 3, 39 – 47. Dies ist mittlerweile anerkannter Forschungskonsens; vgl. J. Blenkinsopp, Jes 40 – 55, 197. Siehe Th. L. Leclerc, Justice, 102 f. U. Berges, Jes 40 – 48, 179. So die Deutung der meisten Kommentatoren wie etwa J. Blenkinsopp, Jes 40 – 55, 195; J. L. Koole, Jes 40 – 48, 138. Die masoretische Vokalisierung leitet die Form hingegen von hdr I (»herrschen«/»unterjochen«) ab und schlägt auf diese Weise ein Brücke zum Spottlied auf den gefallenen König Babylons, der in Jes 14,6 bezichtigt wird, in Zorn (@ab) die Nationen unterjocht zu haben (~ywg hdr).

Das Exil und sein Ende – göttliche Gewalt in Deuterojesaja (Jes 40 – 55)

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dabei um die Überwältigung fremder Völker unter Anwendung kriegerischer Mittel.19 Mit dem Subjektwechsel in V.2b geht der Text von den rhetorischen Fragen in die Deskription über.20 Handlungsträger ist nun das »Schwert« (brx) als typische Nahkampfwaffe und der »Bogen« (tvq) als Symbol aller Kriegsgeräte für den Fernkampf. Die Kombination versinnbildlicht die persische Kriegsmacht in ihrer Gesamtheit und Durchschlagskraft: »World-shattering events«21 kündigen sich an. Da keine neuen Gewaltobjekte eingeführt werden und sich auch noch V.3a auf die Objekte aus V.2a bezieht (~pdry : »er verfolgt sie«), geht es offensichtlich weiterhin um die Vernichtung der Völker und ihrer Herrscher. Nach der Auslieferung durch Jhwh werden sie nun also von den Waffen der Perser niedergestreckt. Die Wiederaufnahme von !tn bringt auch semantisch zum Ausdruck, dass das göttliche Gewalthandeln und der persische Feldzug nach Auffassung von Jes 41,2 nahtlos ineinander übergehen.22 Der Vergleich mit Staub (rp[k, vgl. 2 Sam 22,43; 2 Kön 13,7; Ijob 30,19; Ps 18,43; Zef 1,17) und Spreu (vqk, vgl. Ex 15,7; Ps 83,14; Jes 40,24; Jer 13,24; Nah 1,10) verdeutlicht dabei die Vollständigkeit der Vernichtung und weist auf das Schicksal der babylonischen Mantiker voraus, die nach Jes 47,14 ebenfalls »wie Spreu« vom Feuer verzehrt werden. Erst in V.3 tritt der von Jhwh erweckte Perserkönig selbst als Gewalttäter in Erscheinung, indem er die Völker (~ywg, vgl. V.2a) nun selbst »verfolgt« (@dr). Der Begriff gehört zur gängigen atl Kriegsterminologie (z. B. Gen 14,15; Jos 7,5; 1 Sam 30,10) und bezieht sich »auf die aktive Verfolgung eines oder mehrerer Menschen in böser Absicht«23. Das Nachjagen hinter dem Feind erfolgt meist nach einer gewonnenen militärischen Konfrontation, die den unterlegenen Feind zur Flucht (swn) veranlasst (z. B. Jos 10,10; 1 Sam 17,52).24 Aus diesem Grund »eignet sich das Bild der Verfolgung gut, um äußerste Bedrängnis, Entmachtung oder Überlegenheit«25 auszudrücken und im Fall von Jes 41,2 den Feldzug des Kyros als widerstandsloses Unternehmen darzustellen. Die einzige Gestalt, die im Jesajabuch sonst noch »Nationen« (~ywg, vgl. Jes 41,2a) verfolgt, ist ausgerechnet der König von Babel in Jes 14,6. Das Schicksal der babylonischen Weltmacht steht dem Geschick des neuen Machthabers diametral gegenüber : 19 In Ps 144,2 dankt David hingegen Jhwh für die Unterwerfung seines eigenen Volkes (ym[), wobei eine Emendation zu ~ym[ auf Basis von 11QPs in der Forschung ebenfalls diskutiert wird; vgl. F.-L. Hossfeld/E. Zenger, Ps 101 – 150, 776. 20 K. Elliger, Jes, 120. 21 J. L. Koole, Jes 40 – 48, 130. 22 Vgl. U. Berges, Jes 40 – 48, 180. 23 C. Frevel, Art. @dr, 364. 24 Vgl. P. Riede, Feindmetaphorik, 114. 25 C. Frevel, Art. @dr, 366.

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

Während der babylonische Herrscher für seine schonungslose »Verfolgung« (@drm) der Völker selbst ein gewaltsames Ende gefunden hat (vgl. V.5), zieht der Perserkönig »wohlbehalten/(in) Frieden einher« (~wlv rb[). Dies unterstreicht zusätzlich den militärischen Erfolg des Königs.26 Durch die Stichworte »Pfad« (xra, vgl. 40,14: jpvm xra) und »Gerechtigkeit« (qdc, V.2) verbindet der Text zudem den scheinbar ungehinderten Vormarsch gegen Babylon mit dem Schicksal der Gola: Der persische Siegeszug gegen Babylon widerlegt nämlich die skeptische Auffassung der Exilsgemeinde aus Jes 42,27, dass Israels Recht (yjpvm) an Jhwh vorbeigehe (rb[). In den semantischen Bezügen manifestiert sich auf subtile Weise die Pragmatik der Inszenierung: »Je siegreicher Kyrus militärisch agiert, desto schneller und tiefgreifender wird sich Recht und Heil durchsetzen.«27 Im Schlussvers der Strophe (Jes 41,4) kehrt Jhwh zur Ausgangsfrage von V.2 zurück und präsentiert sich selbst als derjenige, der die beschriebenen Ereignisse »getan« (l[p) und »gemacht« (hf[) hat. So wird das historische Geschehen rund um den Aufstieg der Perser auf semantischer Ebene an Jhwhs Geschichtsmächtigkeit (l[p, vgl. 41,24; 43,13) und Macht als Schöpfer (hf[, vgl. 43,7; 44,2; 45,7) rückgebunden.28 Umgekehrt wird die historische Tragweite des persischen Feldzuges mitsamt seinen Protagonisten in einen größeren Zusammenhang eingeordnet: »Der breite und eindrückliche Rekurs auf die Feldzüge der Perser dient […] als Beispiel für die Herrschaft des Schöpfers Jahwe zu allen Zeiten (V.4).«29 Nicht das erstarkende Perserreich oder Kyros, sondern Jhwh ist und bleibt Anfang und Ende der Geschichte (vgl. V.4b). Diese Argumentationskette scheint die Völkerwelt zu überzeugen: Die Inseln (~yya, vgl. V.1), die den Redegang verfolgt haben (30har qatal), versetzt die umfassende Wirkmächtigkeit Jhwhs in Furcht (ary jiqtol).31 In der zweiten Gerichtsrede vor versammelter Völkerwelt (41,21 – 29), die »auf der von Jes 41,1 – 4 aufbaut«32 und ebenfalls zu den ältesten Texten von Jes 40 – 55 gezählt wird33, findet sich eine weitere Notiz über die Berufung des Perserkönigs durch Jhwh. 26 K. Elliger, Jes, 121: »der Verfolger bleibt von allen Gefahren des Feldzuges persönlich verschont, und sein Unternehmen verläuft planmäßig und ohne Rückschläge«. 27 U. Berges, Jes 40 – 48, 181; vgl. R. G. Kratz, Kyros, 44: »Jhwhs Zusage und Tun […] realisieren sich in den Feldzügen des von Jhwh in Dienst genommenen Kyros.« 28 Vgl. U. Berges, Jes 40 – 48, 182 f. 29 J. v. Oorschot, Babel, 30. 30 Zur Bedeutung von har in Jes 40 – 55 siehe U. Berges, Hören, 269 – 271. 31 Nach der Deutung von J. L. Koole, Jes 40 – 48, 143 wird die Furcht bei den Völkern hingegen ausgelöst durch »the Persian onslaught […] among them«. 32 U. Berges, Jes 40 – 48, 211. 33 Vgl. J. v. Oorschot, Babel, 31 – 33; J. Werlitz, Redaktion, 172 – 174; R. Albertz, Exilszeit, 297.

Das Exil und sein Ende – göttliche Gewalt in Deuterojesaja (Jes 40 – 55)

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Jhwh erweckt Kyros (Jes 41,25) Ich habe erweckt aus dem Norden. Und er kam. Vom Sonnenaufgang ruft er meinen Namen, und er zertritt die Statthalter wie Lehm, wie ein Töpfer, der Lehm zerstampft. 34

Der Text liest sich in seinem literarischen Nahkontext zunächst wie eine Antwort auf Jes 41,2: Während dort die Frage, »Wer erweckt?« (ry[h ym), erst nach und nach geklärt wird (vgl. V.4), reklamiert Jhwh in Jes 41,25 die Berufung des Perserkönigs unmittelbar und direkt für sich: »Ich habe erweckt!« (ytwry[h). In Jes 13,17 stellte Jhwh die Erweckung der Meder/Perser noch für die unmittelbare Zukunft in Aussicht (ry[m ynnh, futurum instans). Der Verbform von Jes 41,25a nach zu urteilen (rw[ hiph. qatal), scheint der Berufungsprozess nun bereits abgeschlossen zu sein. Selbst wenn der Name »Kyros« immer noch nicht fällt (vgl. 44,28; 45,1), verbirgt sich hinter dieser anonymen, von Gott erweckten Gestalt ebenfalls kein geringerer als der Oberbefehlshaber der persischen Armee. Zwar wird Kyros auch hier im Osten lokalisiert (vmv-xrzmm, vgl. 41,2), doch erweckt ihn Jhwh nun »aus dem Norden« (!wpcm). Dies spiegelt einerseits die historischen Gegebenheiten des persischen Feldzugs wieder, »denn nach seinem Aufmarsch aus seiner östlichen Heimat und dem Sieg gegen Sardes im Westen […] zog er aus nördlicher Richtung gegen Babel«35. Andererseits wird hier mit dem militärischen Aufmarsch »aus dem Norden« ein Motiv rezipiert, welches in der HB mehrfach zur Beschreibung kriegerischer Bedrohungen für Israel und seine unmittelbaren Nachbarn Verwendung findet (vgl. Jes 14,31). Jes 41,25 kehrt es spiegelbildlich gegen jene Macht, die selbst einst als Gefahr aus dem Norden wahrgenommen wurde (vgl. Jer 4,6; 6,1; Ez 26,7).36 Dass die Ankunft des Perserkönigs mit der seltenen Wurzel hta beschrieben wird37, ist kein Zufall, sondern unterstreicht die Bedeutung, die seinem Kommen nach Ansicht von Jes 40 – 55 beizumessen ist: Der Begriff verweist zurück auf die »kommenden Dinge« (twytah) aus Jes 41,23, an deren Vorhersage sich nicht weniger als die Göttlichkeit der fremden Götter erweisen soll (~ta ~yhla yk [dnw). Während die Angesprochenen in V.24 als »Nichtse« (!yam) entlarvt werden und 34 Im MT kann sich die Verbform grammatikalisch nicht auf die Statthalter als Subjekt beziehen (anders 1 QJesa : wawbyw; bzw. LXX: eqweshysam aqwomter). Zudem ist die Wurzel awb »kommen« inhaltlich nur schwer mit dem Vergleich »wie Lehm« (rmx-wmk, vgl. Jes 10,6) in Einklang zu bringen. Die meisten Kommentatoren setzen daher die Form sbyw (»er zertritt«) voraus (vgl. swb in Jes 14,19.25; 63,6.18); so u. a. C. Westermann, Jes, 69; K. Elliger, Jes, 173; J. L. Koole, Jes 40 – 48, 198. 35 U. Berges, Jes 40 – 48, 219. 36 Vgl. C. Westermann, Jes, 73. 37 Von den insgesamt 20 Belegen fallen immerhin 9 auf das Jesajabuch; sonst nur mehr in Dtn 33,2.21; Ijob 3,25; 16,22; 30,14; 37,22; Ps 68,32; Spr 1,27; Jer 3,22; 12,9; Mi 4,8.

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

ihr Handeln (l[p) als Nichtigkeit ([pam) diffamiert wird, dient der Feldzug des von Gott erweckten Kyros abermals auf subtile Weise als Evidenz für Jhwhs Geschichtsmächtigkeit.38 »Das Unvermögen und die Nichtigkeit der Götter stellt Jahwe nun […] durch ein konkretes Beispiel unter Beweis […]: er hat die jüngste Geschichte gewirkt.«39 Dass Kyros nach MTJes 41,25 seinerseits den Namen Jhwhs anruft (ymvb arqy), widerspricht nicht nur den historischen Gegebenheiten.40 Denn der Perserkönig führte seinen militärischen Erfolg auf das Wohlwollen und die Unterstützung des babylonischen Hauptgottes Marduk zurück.41 Die Notiz über die Jhwh-Verehrung durch Kyros (~vb arq, vgl. Jes 12,4; 64,6; 65,1) steht auch in buchinterner Spannung zu Aussagen im Kyros-Orakel (Jes 44,28 – 45,7). Dort verkündet Jhwh: »Ich habe dich bei deinem Namen gerufen ($mvb $l arqaw), […] ohne dass du mich gekannt hättest (ynt[dy alw, 45,4)«. MTJes 41,25 könnte Kyros zwar tatsächlich als Jhwh-Verehrer in Szene setzen wollen, weshalb schon die antiken Texttraditionen den Wortlaut mehr oder weniger stark änderten.42 Doch scheint es Jes 41,25 vor allem um das exklusive Nahverhältnis zwischen Jhwh und seinem berufenen Werkzeug der Gewalt zu gehen.43 Der zweite Halbvers vergleicht Kyros’ Gewalthandlungen mit der Arbeit eines Töpfers, der die »Statthalter« (44~yngs) wie Lehm (rmx) und Ton (jyj) zertritt (smr). Mit diesen Begriffen rekurriert Jes 41,25 auf »eine durch die Tradition bereits geprägte Sprache«45. Die Materialien Ton und Lehm veranschaulichen im bi38 Mit Blick auf die Argumentationsstruktur plädiert M. Leuenberger, Jhwh, 27 f. zu Recht dafür, die traditionelle Bezeichnung »Weissagungsbeweis« durch den sachgerechteren Begriff »Weissagungsevidenz« zu ersetzen. 39 K. Elliger, Jes, 188. 40 P. Höffken, Deutungen, 16 f. hat darauf verwiesen, dass auch »der frühe Nabonid und die Mardukpriester darin übereinstimmen, dass sie beide Kyros mit dem Sieg über die […] Meder und Gutium als eine durch Marduk gesetzte politische Größe wahrnehmen […] Insofern ist die Berufung des Kyros zur Herrschaft durch Marduk deutlich vor der Einnahme Babylons entwickelt und das lässt auch hinter Aussagen in DtrJes gewisse Fragezeichen zu.« 41 Vgl. Kyros-Zylinder, Z.11 – 17.26 – 28. Zu Text und Übersetzung siehe H. Schaudig, Inschriften, 550 – 556. 42 Sowohl LXX als auch 1 QJesa machen aus dem Angerufenen (Jhwh) den Rufer ; vgl. 1 QJesa : wmvb arqyw (»er wurde gerufen bei seinem Namen«); LXX: jkghgsomtai ty omolati lou […] aqwomter (»gerufen wurden in meinem Namen […] die Befehlshaber«). Die von J. L. Koole, Jes 40 – 48, 198 vorgeschlagenen Emendation zu brqw (»und er näherte sich«) wird von den Textzeugen hingegen nicht gestützt. 43 Vgl. U. Berges, Jes 40 – 48, 219 f.; R. G. Kratz, Kyros, 36 sieht darin hingegen ein »[v]öllig unmotiviert[es]« Eingreifen durch die Redaktion der Kyros-Ergänzungsschicht. 44 Dabei handelt es sich um ein assyrisches Lehnwort für Beamte (sˇkanu = »Eingesetzter«), das nach K. Elliger, Jes, 189 »aber immer so etwas wie den Stellvertreter des Königs meint«. In der HB dient der Begriff zur Bezeichnung fremder Befehlshaber der Assyrer (Ez 23,6.12.23) und Babylonier (Jer 51,23.57) sowie als Titel der judäischen Würdenträger in nachexilischer Zeit (z. B. Esra 9,2; Neh 2,16). 45 C. Westermann, Jes, 73.

Das Exil und sein Ende – göttliche Gewalt in Deuterojesaja (Jes 40 – 55)

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blischen Sprachgebrauch Kriegsgewalt auf unterschiedliche Weise: Das Niederdrücken der Gegner in den schmutzigen »Straßenlehm« (twcx rmx oder jyj) bringt die militärische Unterwerfung auf erniedrigende Weise zum Ausdruck (vgl. 2 Sam 22,43; Mi 7,10; Sach 10,5). Im Jesajabuch taucht dieses Bild nur noch im göttlichen Befehl an Assur auf, sein gottloses Volk »wie Staub zu zertreten« (twcwx rmxk smrm, Jes 10,6). Dieser Querverweis auf die Berufung der Assyrer als erstes göttliches Kriegsinstrument bringt den persischen Feldzug in ein Kontinuum göttlicher Interventionen durch fremde Völker. Zwar ist auch das Zerbrechen von Töpferware als Metapher für göttliches Gewalthandeln belegt (z. B. Ps 2,9; Jes 30,14; Jer 19,11), der Vergleich mit dem »Töpfer« (rcy part.) knüpft aber im Kontext von Jes 40 – 55 besonders an das Gottesbild Jhwhs als Töpfer von Jakob/Israel (z. B. 43,1; 44,24; 45,11) sowie der gesamten Wirklichkeit an (45,7.18). Indem Kyros lediglich »wie ein Töpfer« (rcwy wmk) agiert, wird der persische Siegeszug der umfassenden, göttlichen Schöpfungs- und Gestaltungsmacht von Welt und Geschichte jedoch deutlich untergeordnet46 : »Der eigentliche Gestalter ist JHWH, der Kyrus zum Handeln erweckt und befähigt.«47 Angesichts der universalen Verfügungsgewalt und Handlungsmacht Jhwhs können die anderen Gottheiten, die bereits in V.21 zum Vorbringen ihrer Beweise aufgefordert wurden, nur schweigen. Auf die Frage, »wer« (ym, vgl. 41,4) das Erscheinen des Perserkönigs »von Anfang« (varm, vgl. V.4) verkündet hat (dgn), bleiben die Angesprochenen in V.26 stumm ([ymvm-!ya; dygm-!ya)! So zeigt sich, dass die Rückführung des achämenidischen Feldzuges auf die Erweckung durch Jhwh in Jes 41,25 weniger auf die Gewalthandlungen selbst abzielt. Der Verweis auf das besondere Nahverhältnis zwischen Kyros und Jhwh dient auch im Kontext der zweiten Gerichtsrede vor allem dazu, den Gott Israels gegenüber den anderen Gottheiten als den eigentlichen Herrscher über die Geschichte in Szene zu setzen.48 Der nächste Verweis auf den Feldzug gegen Babylon verfolgt einen ganz ähnlichen argumentativen Impetus. Das von der Botenspruchformel eingeleitete Prophetenwort Jes 43,14 f. bildet zusammen mit V.16 – 21 eine kompositionelle Einheit49 und nimmt innerhalb der Kompositionsstruktur von Jes 40 – 48 eine zentrale Stellung ein.50 Hatten die ersten beiden Kyros-Texte das Ziel, Jhwhs 46 H. Ringgren, Art. rmx, 3 versteht die Gewaltinszenierung von Jes 41,25b vom historischen Kontext abstrahierend als »Bild des Menschen unter der Allmacht Gottes«. 47 U. Berges, Jes 40 – 48, 220. 48 Ders., Buch, 326. 49 Vgl. K. Elliger, Jes, 346; J. Blenkinsopp, Jes 40 – 55, 226 f. Die Setumot vor und nach Jes 43,14 f. zeigen hingegen an, dass die Masoreten (und auch 1 QJesa) den Spruch als eigenständige Einheit verstanden; vgl. J. L. Koole, Jes 40 – 48, 317. 50 Während der Abschnitt nach U. Berges, Jes 40 – 48, 292 f. als Eröffnung zum zweiten Redegang im zweiten Akt (Jes 42,13 – 44,23) dient, sieht R. Albertz, Exilszeit, 297 in Jes 43,14 die Mitte dieser zweiten Sammlung (vgl. ebd., 296 – 317).

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

Macht den versammelten Völkern zu erweisen, geht es im Kontext von Jes 43,14 f. darum, Jakob/Israel anhand des persischen Feldzuges von seiner exklusiven Göttlichkeit zu überzeugen und so für sein Zeugenamt zu gewinnen.51 Jhwh schickt nach Babel und lässt die Chaldäer fliehen (Jes 43,14) So spricht Jhwh, euer Erlöser, der Heilige Israels: »Um euretwillen habe ich nach Babel gesandt, und lasse herunterstürzen alle Fliehenden, und die Chaldäer in den Booten ihres Jubels.«

Die Fokussierung auf das eigene Volk lässt sich schon daran ablesen, dass Jhwh den Angesprochenen als »Heiliger Israels« (larfy vwdq) und »euer Erlöser« (~klag) präsentiert wird.52 Beide Epitheta begegnen in Jes 40 – 55 vor allem dann, wenn Israels göttlich bewirkte Befreiung aus dem Exil im Mittelpunkt steht (41,14; 43,3; 45,11; 47,4; 48,17; 54,5).53 Im Vergleich zu den übrigen Passagen treten Kyros und seine Streitkräfte deutlich in den Hintergrund. Weder sind sie als »Erweckte« oder »Gerufene« im Text präsent, noch als Handlungsträger in das Geschehen involviert. Die Symbiose zwischen göttlichem Urheber und persischer Exekutivgewalt ist weniger eng als in den übrigen Kyros-Texten. Das gesamte Geschehen wird ausschließlich von Jhwh dominiert. Sein Aussenden (xlv), das an die Entbietung der assyrischen Armee durch Jhwh in Jes 10,6 erinnert (vgl. 19,20; 20,1; 36,2), bleibt hier ohne Objektsbezug.54 Sie wird ihr eigentliches Ziel erst in der Entlassung (xlv) der Exilierten durch Kyros erreichen (vgl. Jes 45,13). Statt auf die Gewaltinstrumente blickt Jes 43,14 stärker auf die Intention, die Jhwh mit der Entsendung verfolgt: Das betont an den Anfang gestellte ~kn[ml (»um euretwegen«) hebt hervor, dass der Feldzug in erster Linie der Rettung der angesprochenen Gola dient. Die Konzentration auf ihr Schicksal teilt die Notiz mit dem Kyros-Orakel, wo Jhwh den Herrscher um »meines Knechtes Jakob willen« (bq[y ydb[ ![ml, 45,4) beruft. Mit der Erwähnung von »Babel« und den »Chaldäern« zeigt der Text erstmals auch die Zielrichtung des Perserfeldzuges an (vgl. Jes 47,1.5; 48,14.20). Es geht nun nicht mehr allgemein um »Völker« und »Könige« (41,2) oder deren »Statthalter« (41,25), sondern eindeutig um die 51 Vgl. U. Berges, Jes 40 – 48, 292 f.: »Als stärkstes Argument […] wird der ›AnkündigungsBeweis‹ ins Feld geführt. Danach zählt nicht allein das geschichtliche Faktum, sondern die Übereinstimmung von an[ge]kündigtem Wort und erfüllender Tat«. 52 Zum Verwendungsmuster des Epithetons in Jes 40 – 55 siehe H. G. M. Williamson, Holy One, 36 – 38. 53 Vgl. C. Westermann, Jes, 103: »Hieran kann man deutlich sehen, daß diese Gottesprädikate für Israel etwas fundamental anderes waren als bloß rühmende Beiworte.« 54 Wenig wahrscheinlich ist hingegen die Annahme von K. Elliger, Jes, 335, xlv pi. sei hier so zu verstehen, dass »Jahwe dem Kyros ›freien Lauf lässt‹«.

Das Exil und sein Ende – göttliche Gewalt in Deuterojesaja (Jes 40 – 55)

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Unterwerfung von Babylon und den Chaldäern, die hier als einflussreichste Ethnie innerhalb des Reiches – pars pro toto – für die Gesamtbevölkerung stehen. Die Kyros-Texte von Jes 40 – 48 konkretisieren also nach und nach sowohl die Identität der Gegnerschaft als auch die Intention des göttlich verfügten Feldzuges. An die Aussendungsnotiz schließt sich die Darstellung jener Vorgänge in Babel an, die auf Gott selbst zurückgehen. Er verkündet, »alle Fliehenden«55 (vgl. Jes 27,1) heruntergestürzt zu haben (dry hiph.). Da sich die Menschen bereits auf der Flucht befinden, die sie offensichtlich auf Schiffen (56hyna) antreten, müssen die entscheidenden Kampfhandlungen schon stattgefunden haben (vgl. Jes 15,5; 22,3). Bei den Fliehenden handelt es sich wohl um die Babylonier, auch wenn dies im Text nicht explizit gesagt wird. Ob die Gewalt von Jhwh direkt verübt oder durch seine Entsandten (Perser) vollstreckt wurde, geht aus der Darstellung ebenfalls nicht eindeutig hervor. Dies scheint für die Argumentation – anders als bei den zuvor behandelten Kyros-Texten – nicht von entscheidender Bedeutung zu sein. Worauf es dem Gotteswort mit seiner Inszenierung göttlicher Gewalt ankommt, zeigt der Blick auf die verwendete Semantik: Der Wurzel dry hiph. (wörtl. »herabbringen«) wohnt bei der Verwendung im Kontext von Gewalt der Aspekt der Entmachtung und Depotenzierung inne (vgl. Ps 56,8; 59,12; Jer 49,16; Ez 32,18; Hos 7,12; Am 3,11; Ob 3 f.).57 Die übrigen zwei Belege im Jesajabuch bewegen sich im Rahmen dieses Verwendungsmusters: Neben Jes 63,6, wo Jhwh Edoms Blut wie Traubensaft zur Erde rinnen lässt, gilt dies vor allem für Jes 10,13: Dort verkündet Assur in Hybris, es habe aus eigener Kraft und »wie ein Starker« (rybak) die Völker herabgestürzt (dry hiph.). Dass die Chaldäer ebenso entmachtet werden, zeigt das Spottlied auf die Tochter Babel (Jes 47). Denn in diesem Text ist ein weiteres Mal die Wurzel dry im Kontext des babylonischen Untergangs belegt: »Steig hinab (ydr) und setze dich in den Staub, Tochter Babel!« (V.1). Mit seiner Gewaltinszenierung gibt Jes 43,14 f. also bereits einen Vorgeschmack auf den Sturz Babylons und seiner Gottheiten (Jes 46 f.). Zu dessen Vollstreckung setzt Jhwh aber zunächst im Kyros-Orakel (Jes 44,24 – 45,7) den Perserkönig als sein Kriegsinstrument ein.

55 So der Wortlaut nach MT (~lk ~yxyrb) und LXX (pamtar veucomtar), wohingegen die Vg – offensichtlich durch Jes 45,2 veranlasst – ~yxyrb von xyrb ableitet, sodass Jhwh Riegel herunterstößt (detraxi vectes); so u. a. auch nach K. Baltzer, Jes, 225 für die vormasoretische Tradition. 56 Dass die Babylonier ausgerechnet »auf den Booten ihres Jubels« (~tnr twynab) fliehen, könnte sich nach U. Berges, Jes 40 – 48, 295 einem double entendre mit hyna »Trauer« verdanken (vgl. Jes 29,2). 57 Vgl. W. Mayer, Art. dry, 898.

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

4.5.3.2 Der Sieg des persischen Messias erweist JHWH als Urheber der ambivalenten Wirklichkeit (Jes 44,24 – 45,7) Kein zweiter atl Text beleuchtet das Verhältnis zwischen dem Gott Israels und dem persischen Herrscher so intensiv wie das Kyros-Orakel (Jes 44,24 – 45,13). Auf Endtextebene weist der Spruch eine triptychonartige Struktur auf und gliedert sich in einen Hauptteil, dem eigentlichen Königsorakel (Jes 45,1 – 7), und zwei Rahmenstrophen (44,24 – 28; 45,9 – 13).58 »Daß diese Verse […] jetzt in der Mitte von Jes 40 – 48 stehen, ist nicht zufällig«59, sondern unterstreicht die Bedeutung, die die Jesajatradition dieser Herrschergestalt zugeschriebt.60 Mit dem Kyros-Orakel stoßen die Lesenden in den »central discourse of chps. 40 – 48«61, in dem die Darstellung göttlicher Gewalt eine wichtige Rolle spielt. Die redaktionskritische Forschung ist zum Ergebnis gekommen, dass die Verheißung an den Perserkönig ein literarhistorisches Wachstum durchlaufen hat: Der Grundbestand (Jes 44,28 – 45,7*) wird dabei mehrheitlich in die Zeit kurz vor62 oder nach63 der Einnahme Babels durch Kyros datiert (539 v. Chr.). Als eine Art Propagandaschrift sollte das Orakel die Exilsgemeinde64 davon überzeugen, dass allein Jhwh hinter dem Untergang Babylons und der davon erhofften Geschichtswende für Israel steht.65 Die ganze Tragweite dieser geschichtstheologischen Konzeption wird er58 Zur Struktur siehe U. Berges, Jes 40 – 48, 371; hingegen liest R. Achenbach, Kyros-Orakel, 157 den Abschnitt als Diptychon. 59 U. Berges, Buch, 352. 60 Vgl. R. Achenbach, Kyros-Orakel, 156. 61 J. Blenkinsopp, Jes 40 – 55, 245. 62 Vgl. R. G. Kratz, Kyros, 163 – 168; J. Werlitz, Redaktion, 176 – 180. Als Argument für die Frühdatierung wird u. a. die Darstellung der Einnahme Babylons als gewaltsame Eroberung ins Feld geführt, die dem historischen Verlauf widerspricht (vgl. Kyros-Zylinder, Z.17.22). Aus derselben Überlegung heraus wird der Nachsatz in Jes 45,1b, Jhwh werde Kyros »die Türen öffnen, und auch die Tore würden nicht verschlossen bleiben«, als späterer Zusatz angesehen. Er sollte das Orakel an den historischen Verlauf der Eroberung anpassen. Dazu kommen Nachträge aus der fortgeschrittenen Perserzeit, die die Berufung und den Sieg des Kyros stärker an das Schicksal von Stadt, Land und Tempel binden: So wird in Jes 44,26b »der Gedanke des Wiederaufbaus Jerusalems (vgl. auch Jes 45,13) […] auf den Aufbau der Städte in der Provinz ausgedehnt« (R. Achenbach, Kyros-Orakel, 163). Darüber hinaus wird der Befehl zur (Neu-)Gründung des Jerusalemer Tempels, die nicht vor 520 v. Chr. zu datieren ist, in den literarischen Übergang zwischen Rahmenstrophe und Hauptteil (Jes 44,28) eingeschrieben (so etwa K. Elliger, Jes, 478 f.). Zur Datierung des Orakels in das ausgehende 6. Jh. v. Chr. siehe besonders R. Albertz, Darius, 378 – 383. 63 H. Schaudig, Inschriften, 15. 64 Als primärer Adressat erscheint nicht Kyros (erst in Jes 45,1) sondern Jakob/Israel, dem sich Jhwh in V.24 als »dein Erlöser und Bildner von Mutterleib« zu erkennen gibt; doch auch Jes 45,1 – 7 bleibt ein »Orakel für Kyros an die Adresse Israels« (U. Berges, Jes 40 – 48, 390). 65 Es fällt jedoch auf, dass die Begriffe »Babel« oder »Chaldäer« in Jes 44,28 – 45,7 nicht fallen (vgl. aber 43,14; 48,14). Das Feindbild bleibt im Kyros-Orakel somit weitgehend Babylonunspezifisch; vgl. G. Eidevall, Prophecy and Propaganda, 132.

Das Exil und sein Ende – göttliche Gewalt in Deuterojesaja (Jes 40 – 55)

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kennbar, wenn man das Kyros-Orakel und seine Jhwh-Inszenierung vor dem Hintergrund jener theologischen Diskussion liest, die sich zeitgleich mit der und an der unerwarteten und rasanten Machtübernahme der Perser in Babylon entzündete.66 Da militärische Auseinandersetzungen nach altorientalischer Vorstellung als von den Gottheiten beeinflusste Ereignisse wahrgenommen werden, dienen weder die militärische Stärke der persischen Armee noch das taktische Geschick ihres Oberbefehlshabers als entscheidender Erklärungsmaßstab. Alle Quellen, die diese Debatte widerspiegeln67, konzentrieren sich auf die Frage, welche Gottheit hinter Kyros steht und damit für die Einnahme Babels verantwortlich war. Im sog. Kyros-Zylinder, der im Umkreis der Mardukpriesterschaft entstanden sein dürfte, führt der Perserkönig seinen Siegeszug auf die Gunst und das Wohlwollen Marduks, des babylonischen Hauptgottes, zurück. Vor diesem Hintergrund zeigt sich der subversive Charakter der dtjes Konzeption, die den siegreichen Perserkönig auf Jhwhs Befehl hin aktiv werden lässt und seinen militärischen Erfolg einzig und allein der Gottheit Altisraels zuschreibt.68 Die starke Fokussierung auf Jhwh zeigt sich schon in der Eingangsstrophe69 (Jes 44,24 – 28), die mit der dreimaligen Wiederholung von rma part. (V.26.27.28) das gesamte Geschehen in Schöpfung (V.24.27) und Geschichte (V.26.28) sowie die scheiternde Geschichtsdivination70 (V.25) auf Jhwh und sein wirkmächtiges Wort bezieht (vgl. rma in der Botenformel V.24). Der Eröffnungsteil gibt so das Programm für das weitere Kyros-Orakel vor.

66 Dazu etwa P. Höffken, Deutungen; R. Achenbach, Kyros-Orakel. 67 Zum epigraphischen Material siehe H. Schaudig, Inschriften, 355 – 595. 68 Vgl. P. Höffken, Mardukinterpretation. Zu Überschneidungen und Unterschieden mit dem Gottesbild von Jes 44,28 – 45,8 siehe M. Leuenberger, Kyros-Orakel. 69 Gemäß formaler Kriterien liegt hier nach J. v. Oorschot, Babel, 75 ein »Selbstprädikationshymnus« vor, der »funktional in der Auseinandersetzung mit den Adressaten eingesetzt wird«. 70 Mit dem akkadischen Lehnwort db (Deuter/Opferschaupriester) sind nach N. C. Baumgart, JHWH, 216 Spezialisten gemeint, »die aus von Göttern gegebenen Zeichen die Zukunft ableiten« und in Babylon hohes Ansehen genossen.

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch Jhwh führt Kyros, seinen Messias, zum Sieg über Babylon (Jes 44,28 – 45,3a)

44,28

[Jhwh,] der sagt zu Kyros: »Mein Hirte! Und all meinen Willen führt er aus.« Und sagend zu Jerusalem: »Sie sei aufgebaut, und der Tempel sei gegründet!« 45,1 So spricht Jhwh zu seinem Gesalbten, zu Kyros, den ich gefasst habe an seiner Rechten, um niederzuwerfen vor ihm Völker, und Hüften von Königen öffne ich, um zu öffnen vor ihm Türen, und Tore werden nicht verschlossen sein. 2 Ich, ich gehe vor ihm, und Ringmauern ebne ich ein, eherne Türen zerbreche ich, und eiserne Riegel zerschlage ich. 3 Und ich werde dir Schätze [aus] Finsternis geben, und versteckte Kostbarkeiten.

Der erste Rahmenteil mündet in ein Gotteswort über Kyros (V.28), in dem Jhwh den nichtisraelitischen (!) König als »meinen Hirten« (y[r) anspricht. Auf diese Weise wird Kyros zu einer Mose-gleichen Führungsgestalt stilisiert71 und vor allem in davidisches Licht getaucht (vgl. h[r in 2 Sam 5,2; 7,7). Dass in Dtjes sonst nur noch Jhwh als Hirte seines Volkes auftritt (Jes 40,11; vgl. 49,9; Ps 23,1), kleidet Kyros und seine Herrschaft zudem in göttliche Farben und betont die überragende Position, die dem Perserkönig zukommt. Die besondere Funktion des Kyros zeichnet sich dadurch aus, dass er alle Pläne Jhwhs vollbringt (~lvy ycpx-lk). Der Begriff #px (vgl. 13,17; 42,21) begegnet in Jes 44,28 eindeutig in seiner geschichtstheologischen Dimension.72 Dies macht auch der Rückverweis der Wurzel ~lv auf V.26 und den dort erwähnten göttlichen Plan (hc[) deutlich.73 Auf diese Weise wird Kyros von Jhwh zum Vollstrecker seines Ratschlusses inauguriert und doch bleibt jener durch das Suffix 1. Sg. (ycpx »mein Plan«) strikt auf Jhwh bezogen und an seinen Willen gebunden. Demgegenüber lässt Jhwh nach V.25 alle Versuche der babylonischen Wahrsager scheitern, mithilfe mantischer Riten Einblick in die Zukunft zu gewinnen. Die Praktiken, die gerade in Babylon als Wissenschaft hoch in Kurs standen74, werden aber nicht von vornherein als Unsinn verunglimpft, sondern sehr ernst genommen: »Denn nur massiver Einsatz kann sie ergebnislos und somit erfolglos machen. Dazu ist sogar der Eingriff des allmächtigen Schöpfergottes von 71 Diesen Aspekt betont G. S. Ogden, Allusions. 72 Denn nach B. Janowski, Stellvertretung, 84 (mit FN 62) ist bei den dtjes Belegen der Wurzel #px die »Willenskomponente« besonders stark ausgeprägt. 73 Vgl. G. J. Botterweck, Art. #px, 114 f. 74 Dazu St. M. Maul, Zukunftswissen.

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Nöten: Er zerbricht den Spezialisten ihr Arbeitsmaterial, ihre Zeichen.«75 So wird das durch Jhwh betrogene Wissen (t[d) der babylonischen »Weisen« (~ymkh) in Jes 47,10 als Erklärung für den Untergang der Tochter Babel dienen (vgl. hkmx, t[d). In Jes 44,28 liegt der eigentliche Fluchtpunkt des göttlichen hc[ aber nicht in der Eroberung Babylons (vgl. Jes 45,1 f.), sondern im Wiederaufbau Jerusalems – und sekundär in der (Neu)Gründung des Tempels.76 Dies zeigt sich unter anderem daran, dass die Restituierung der judäischen Hauptstadt dem Kyros-Orakel als Rahmenmotiv dient (vgl. hnb in 44,26.28; 45,13).77 In Jes 45,1 ergibt sich u. a. durch die Wiederholung der Botenformel (vgl. V.24) ein deutlicher Einschnitt im Text.78 Eine Brücke zwischen dem ersten Seitenteil und dem Kerntext des Triptychons bildet hingegen der Name »Kyros«, der in 44,28 und 45,1 das einzige Mal im gesamten Jesajabuch fällt (vgl. 2 Chr 36,22.23; Esra 1,1.2.7.8.; 3,7; 4,3.5; Dan 1,21; 10,1). Nun spricht Jhwh den Perserkönig nicht nur mit Namen an, sondern tituliert ihn sogar als »seinen Messias« (wxyvm). »Diese syntagmatische Zuordnung signalisiert die besondere Nähe zu […] Gott, der […] ihn theokratisch legitimiert.«79 Die königlich-herrschaftliche Inszenierung des Kyros erreicht damit ihren Höhepunkt: Kyros ist der einzige fremde Machthaber in der gesamten HB, der mit diesem Herrschaftstitel ausgezeichnet wird. Eine engere Beziehung zwischen Jhwh und einer Königsgestalt ist alttestamentlich kaum denkbar.80 Die Zusicherung seiner Unterstützung bringt Jhwh dadurch zum Ausdruck, dass er den Perserkönig »bei seiner Rechten [Hand] ergreift« (wnymyb qzx hiph.).81 Mit diesem Gestus, der in der übrigen HB so nicht belegt ist,82 sichert Gott nur noch seinem Knecht Jakob/Israel Beistand und Hilfe zu (vgl. Jes 41,13). Gottes 75 76 77 78 79 80

N. C. Baumgart, JHWH, 216 f. Dazu etwa J. v. Oorschot, Babel, 76 f. Vgl. J. Blenkinsopp, Jes 40 – 55, 247. Dies betonen etwa M. Leuenberger, Jhwh, 18 f. (mit FN 30); K. Elliger, Jes, 456. Vgl. H.-J. Fabry/K. Scholtissek, Messias, 20. Vgl. N. C. Baumgart, JHWH, 224. Nur in LXX und Vg lässt sich eine weitere Steigerung ausmachen, da sie beide Jhwh über Kyros von »meinem Gesalbten« sprechen lassen (ty wqisty lou; christo meo). 81 Das Bild geht vermutlich auf altorientalische Amtseinsetzungsrituale zurück; vgl. F. Hesse, Art. qzx, 851: »Wenn ein Mächtiger einen anderen in ein Amt einsetzt, ergreift er ihn bei der Hand. Dadurch fließt ›Macht‹ aus der Hand – die an sich schon Symbol der Kraft ist – des Stärkeren in die des ein Amt Übernehmenden hinüber, d. h. der in das Amt Einzusetzende wird durch den […] Gestus des ›die Hand Ergreifens‹ stark gemacht […].« 82 Gewöhnlich wird der göttliche Beistand durch das »Fassen bei der Hand« (dyb qzx) zum Ausdruck gebracht (vgl. 2 Kön 15,19; Jer 31,32). Dabei handelt es sich um einen gängigen Topos der altorientalischen Königsideologie, der auch im Kyros-Zylinder belegt ist, wo Marduk die Hand des Kyros erfasst und ihm so seine Unterstützung zusichert (Z.12). Im Jesajabuch fasst Jhwh die Hand seines Knechtes (Jes 42,6), wohingegen der Mutter Zion während des Exils keine Kinder zur Seite standen, die sie bei ihrer Hand gehalten hätten (51,18).

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Knecht und sein Gesalbter verfügen damit zwar grundsätzlich über dieselbe göttliche Unterstützung. Während Jakob/Israel jedoch zum Zeugenamt für Jhwh berufen wird, konzentriert sich die Unterstützung im Fall des Perserkönigs eindeutig auf den militärischen Bereich, wie die anschließenden Infinitivkonstruktionen deutlich zu erkennen geben.83 Die Verheißung an Kyros, »vor ihm Völker zu unterwerfen« (~ywg wynpl-drl), erinnert zum einen an Jes 41,2, wo die Auslieferung der Völker und die Unterwerfung (84ddr) ihrer Könige an den aus dem Osten berufenen Herrscher (wynpl) das erste Mal auf Jhwh zurückgeführt wurden. Die seltene Wurzel ddr bringt darüber hinaus Ps 144 als Referenztext zur Inszenierung des göttlich legitimierten Herrschers ins Spiel. Denn das Verb ist außerhalb des Jesajabuches nur mehr in Ps 144,2 belegt, wo David Jhwh für seinen schützenden Beistand in militärischen Auseinandersetzungen preist und den Sieg über seine Feinde auf Jhwhs Initiative zurückführt (ddr part.). Im Psalm ist es David, der Jhwh für die Unterwerfung seines eigenen (!) Volkes (ym[) dankt. »Der Beter […] stellt sich als König vor, der auf die Innenpolitik beschränkt ist – ein Ausweis einer bescheidenen Position.«85 Dabei hebt er den Aspekt von militärischem Schutz und Rettung aus der Kriegsgefahr hervor, indem er Gott unter anderem als »meine Fluchtburg« (ytdwcm), »mein Schild« (yngm) und »mein Erretter« (yjlpm) bezeichnet. Die Kommunikationssituation in Jes 45,1 weicht von jener in Ps 144 signifikant ab: Dort ist es Jhwh, der den Perserkönig anspricht und ihm die Unterwerfung fremder Nationen (~ywg) und damit die Eroberung des babylonischen Weltreiches in Aussicht stellt. Statt Rettung aus feindlicher Gefahr steht die widerstandslose Bezwingung der Gegner im Vordergrund. Zu deren Durchsetzung öffnet Jhwh dem Perserkönig buchstäblich Tür und Tor. Die Unterwerfung der Völker vollzieht sich nach V.1, indem Jhwh die »Hüften der Könige öffnet« (xtpa ~yklm yntm). Diese in der HB einzigartige Formulierung meint nicht die tatsächliche Entblößung zum Zeichen der Niederlage (vgl. Jes 20,4), sondern erklärt sich vor dem Hintergrund der antiken Waffenund Rüstungstechnik: Im Kriegsfall trugen reguläre Soldaten, aber auch die königlichen Oberbefehlshaber, einen Hüftgurt, an dem die Angriffswaffen befestigt waren (vgl. 2 Sam 20,8; 1 Kön 2,5; Neh 4,12; Nah 2,2).86 Das »Öffnen« der Hüfte veranschaulicht somit die Entwaffnung der Könige als militärische Oberhäupter und damit im übertragenen Sinn das Unschädlichmachen ihrer 83 Vgl. N. C. Baumgart, JHWH, 225: »Das Geschehen ist kriegerisch-militärisch.« 84 Die meisten Kommentatoren entscheiden sich gegen die masoretische Vokalisierung (hdr I »unterjochen«) und für eine Ableitung von ddr (»unterwerfen«); so u. a. J. Blenkinsopp, Jes 40 – 55, 195; J. L. Koole, Jes 40 – 48, 138; U. Berges, Jes 40 – 48, 175. 85 F. L. Hossfeld/E. Zenger, Ps 101 – 150, 781. 86 Einen breiten Überblick über die altorientalischen Waffen- und Rüstungstechnik geben N. Stillman/N. Tallis, Armies, 91 – 203.

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Streitkräfte. Bei der konkreten Ausgestaltung des Bildes fällt auf, dass Jhwh in Jes 45,1 die Feinde selbst überwältigt, ohne dabei aber physische Gewalt anzuwenden. Dass sich Jhwh an Leib und Leben der Gegner vergreift, wird nicht zur Darstellung gebracht. »Wie gewaltsam das Geschehen ausfällt, bleibt offen. Von Sterben und brachialen Attacken ist nichts zu vernehmen.«87 Parallel zu den königlichen Hüften »öffnet« (xtp) Jhwh vor Kyros (wynpl »vor ihm«) auch »Türen und Tore« (~yr[vw ~ytld) der zu erobernden Städte.88 So erlangt Kyros infolge der göttlichen Intervention ungehinderten Zutritt. Der Stichos zielt offensichtlich darauf ab, die Darstellung des göttlichen Beistandes mit dem historischen Verlauf der Einnahme Babylons in Einklang zu bringen.89 Denn diese vollzog sich ohne nennenswerte Gegenwehr von Seiten der Babylonier.90 »Weder Jhwh noch Kyros, vor dem Jhwh herzieht, gelten demnach als Bezwinger einer befestigten, sich verteidigenden Stadt, sondern beide scheinen in den Städten der unterworfenen ›Völker und Könige‹ […] nachgerade willkommen zu sein.«91 Die Darstellung eines widerstandslosen Siegeszuges unterscheidet den Beginn des Königsorakels von der anschließenden Inszenierung der göttlichen Beteiligung im Kampf der Perser gegen Babylon.92 Schon das vorangestellte göttliche »Ich« (yna) in V.2 hebt das göttliche Engagement bei der Überwältigung der Feinde deutlich hervor: Jhwh spricht den König nun sogar direkt an und stellt ihm seinen Beistand in Aussicht: »Ich werde hergehen vor dir« ($la $ynpl yna, vgl. V.1). Mit der Beistandszusage (ynpl $lh) wird auf die Begrifflichkeit der Exodus- und Landnahmeerzählungen rekurriert (vgl. Ex 13,21; 23,23; Dtn 1,30) und eine Verbindung zur göttlich erwirkten Heimkehr der Exilierten hergestellt (vgl. Jes 52,12; 58,8). Wurden in Jes 45,1 Türen und Tore »geöffnet«, geht es nun eindeutig um die Zerstörung der Verteidigungsanlagen. Dazu verheißt Jhwh zunächst die ~yrwdh »einzuebnen« (rvy pi. wörtl. »gerade machen«). Das nur hier belegte Angriffsziel wird meist von rdh (»anschwellen«) abgeleitet und mit »Ringmauern«93 übersetzt.94 Jhwhs kriegerische Intervention 87 N. C. Baumgart, JHWH, 225. 88 Die Wiederholung der Stichworte aus dem ersten Versteil wird mehrheitlich als Indiz für eine sekundäre Einschreibung gewertet; vgl. U. Berges, Jes 40 – 48, 396. 89 Relativierend R. G. Kratz, Kyros, 165, der V.2 als Illustration der göttlichen Gewalthandlungen aus V.1 liest: »Davon, dass die Könige sich selbst entwaffnen oder die Städte kampflos preisgeben, war […] nicht die Rede, sondern vielmehr davon, dass eine Unterwerfung der Völker und eine Entwaffnung der Könige […] erst bewirkt werden muss.« In der direkten Anrede (V.2) werde Kyros gezeigt, »wie JHWH dieses nun bewirkt, nämlich durch das Aufbrechen der Tore«. 90 Vgl. Kyros-Zylinder, Z.17. 91 R. G. Kratz, Kyros, 26. 92 J. Werlitz, Redaktion, 177 sieht in der Gewaltinszenierung von Jes 45,1 f. eine »Diskrepanz«; zurückhaltender M. Leuenberger, Jhwh, 53: »eine Divergenz zwischen xtp bzw. al rgs und rbv bzw. [dg lässt sich vermuten«. 93 Nach A. Hoffmann, Ringmauern, erinnert die Form ~yrwdh an das akkadische du¯ru(m),

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vollzieht sich offensichtlich im Kontext eines Belagerungskrieges95 : Parallel zur Einebnung der Mauer zerstört er die »ehernen Türen« (hvwxn twtld) sowie die »Riegel aus Eisen« (lzrb yxyrb), welche im Kriegsfall das Eindringen der Feinde in die Stadt verhindern sollen (z. B. Dtn 3,5; 1 Sam 23,7).96 In dieser Gewaltinszenierung ist Jhwh eindeutig für die Zerstörungen verantwortlich, da er selbst die Verteidigungsanlagen »zerbricht« (rbv, vgl. 14,5.25; 30,14) und »zerschlägt« (97[dg). So wird Jhwh durch die Darstellung von V.2 in größere Nähe zur Kriegsgewalt gebracht als in V.1, wo er dem Perserkönig die Völker zwar »ausliefert« (ddr), dabei aber lediglich entwaffnend und als »Türöffner« (xtp) in Erscheinung tritt.98 Doch auch in dieser verschärften Gewaltinszenierung fügt Gott den Gegnern keine physischen Schäden zu. Er zerstört die Verteidigungsanlagen, damit Kyros als göttliches Kriegswerkzeug den Untergang Babylons ungehindert herbeizuführen vermag. In V.3 bleibt die Aufmerksamkeit zunächst noch bei Kyros, dem Jhwh für die Ausführung seines Auftrages reiche Kriegsbeute verheißt. Von gewalttätigen Übergriffen oder erniedrigenden Repressalien an den besiegten babylonischen Feinden, wie sie etwa in Jes 13,16 – 18 zur Darstellung kommen, wird im Kontext des Königsorakels nicht gesprochen. Der Tempuswechsel zu we-qatal im Übergang zu V.3 macht zudem deutlich, dass die Verleihung der »verborgenen Schätze« ($vx twrcwa; z. B. Jes 39,2.4) und »versteckten Vorräte« (~yrtsm ynmjm, vgl. Gen 43,23; Ijob 3,21; Spr 2,4; Jer 41,8) noch aussteht.99 Mit der Verteilung der Kriegsbeute sind die eigentlichen Ziele der Militäraktion aber noch lange nicht erreicht. Über die tieferliegenden Absichten gibt der letzte Teil des Kyros-Orakel Aufschluss (V.3b–7), wo sie jeweils mit der Präposition ![ml (»um […] willen«) eingeführt und an das (An)Erkennen Jhwhs gekoppelt werden.

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womit in Babylon die inneren Stadtmauern bezeichnet wurden. R. Achenbach, KyrosOrakel, 166 übersetzt mit »Hindernisse«; C. Westermann, Jes, 124 liest hingegen ~ykrdh »Wege«, was jedoch von keiner antiken Version gestützt wird. Der Begriff sorgte schon in den antiken Texttraditionen für Unklarheiten: 1 QJesa lässt Jhwh ~yrrh »Berge« einebnen, während das ~yrwrh aus 1 QJesb »wie eine Mischform der M- und QaTextform aussieht und vielleicht beide zur Wahl stellen soll« (K. Elliger, Jes, 482). Die LXX belegt ebenfalls den »Berg« als Objekt der Einebnung, allerdings im Singular (oqg olakiy). Aus den terminologischen Parallelen zur geprägten Sprache von Königsorakeln zog schon C. Westermann, Jes, 130 die korrekte Schlussfolgerung: »Man braucht sich deswegen auch nicht zu bemühen, jeden dieser Sätze auf bestimmte Vorgänge beim Eroberungszug des Kyros zu deuten.« Vgl. J. Blenkinsopp, Jes 40 – 55, 248 f. Zu militärhistorischen Aspekten des altorientalischen Belagerungskrieges siehe I. Eph al, City Besieged, 35 – 113. Die Wurzel ist im Jesajabuch sonst nur mehr im Passiv belegt (pu.: Jes 9,9 nif.: Jes 14,12; 22,25; qal pass.: Jes 10,33). Vgl. N. C. Baumgart, JHWH, 225. Die Notiz spricht daher für eine Datierung vor den Einzug in Babylon um 539 v. Chr.; vgl. u. a. J. Werlitz, Redaktion, 177 f.

Das Exil und sein Ende – göttliche Gewalt in Deuterojesaja (Jes 40 – 55)

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Warum führt Jhwh seinen Messias zum Sieg? (Jes 45,3b–7) 3b

Damit du erkennst, dass ich Jhwh [bin], der dich bei deinem Namen gerufen hat, die Gottheit Israels. 4 Um meines Knechts Jakob, und Israel, meines Erwählten, willen habe ich dich gerufen bei deinem Namen. Ich gebe dir einen Ehrennamen, obwohl du mich nicht kanntest. 5 Ich [bin] Jhwh und es gibt keinen sonst, außer mir gibt es keine Gottheit. Ich gürte dich, obwohl du mich nicht kanntest. 6 Damit sie erkennen vom Aufgang der Sonne und vom Untergang, dass es keinen gibt außer mir. Ich [bin] Jhwh und es gibt keinen sonst. 7 Bildner von Licht und Erschaffer von Finsternis, Macher von Frieden und Erschaffer von Unheil. Ich [bin] Jhwh, der Macher von all diesen.

Aus dem siegreichen Feldzug, an dessen Ende reiche Beute winkt, soll zunächst Kyros ableiten, »dass ich Jhwh bin« (100hwhy yna-yk); »das Eintreffen der Verheißung soll und wird Kyros davon überzeugen, daß der Herr der Geschichte wirklich der ist, von dem diese Verheißung […] ausgeht«101. Dass der historische Kyros den Erkenntnisschritt nicht mitvollzogen hat und seinen militärischen Erfolg auf Marduk und nicht auf Jhwh zurückführte, spricht nicht gegen den Text.102 »Zwar gilt Kyros’ Jhwh-Erkenntnis nach V.3b als erstes Ziel des JhwhHandelns, es wird aber offenkundig keineswegs damit gerechnet, dass es auch erreicht wird.«103 Dazu muss man sich die Kommunikationssituation des Kyros-Orakels vergegenwärtigen: Der eigentliche Adressat von Jes 44,28 – 45,7 ist nicht der Perserkönig, sondern die Gola.104 Deren hartes Los ist der Grund für die Berufung und die militärische Unterstützung des Persers durch Jhwh. Mit dem Epitheton larfy yhla (vgl. 41,17; 45,15; 48,2; 52,12) am Ende des Königsorakels (45,3b) wird das Jhwh-Volk auch an der Textoberfläche wieder ins Spiel gebracht, nachdem Jakob/Israel und dessen (ferne) Heimat im Hauptteil des Orakels keine Erwähnung fand (vgl. aber 44,24 – 28). Auch das »Rufen« des Kyros »bei seinem 100 101 102 103 104

Zu den Ich-bin-Jhwh-Aussagen im Kyros-Orakel siehe A. A. Diesel, Jahwe, 303 – 332. K. Elliger, Jes, 494. Vgl. U. Berges, Jes 40 – 48, 399 f. M. Leuenberger, Jhwh, 26. Dazu anschaulich R. Achenbach, Kyros-Orakel, 167: »Hätte man dem Kyros diesen Text […] so übermittelt, hätte man vermutlich eine unakzeptable Hybridität der jüdischen Religion gegenüber der persischen zum Ausdruck gebracht.«

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Namen« (~vb arq) dient als Brücke zwischen den beiden Versen (V.3.4). Damit verbindet Jhwh das Schicksal von Jakob/Israel und dessen Stellung als »mein Knecht« (ydb[, vgl. Jes 41,8.9; 44,1.2; 52,13) und »mein Erwählter« (yrxb, vgl. 42,1; 43,20) mit der Berufung des Kyros (arq, vgl. 41,25). Der abermalige Tempuswechsel (raqaw) präsentiert die Indienstnahme als bereits vollzogenes Geschehen. Der paradoxe Charakter der Gottesrede wird erkennbar, wenn man die historischen Größenunterschiede der beiden Gestalten bedenkt: »With his splendid victories, he [Kyros] is merely subordinate to the interests of the despised and insignificant people of God. The world ruler serves God’s servant as servant.«105 Die ungeheure Spannung zwischen Anspruch und Wirklichkeit wird im Kyros-Orakel zusammengehalten durch Jhwh und seine Macht.106 Wie sich im weiteren Verlauf der Gottesrede zeigt, erfordert dies aber »ein verstärktes Maß an Legitimierungs- und Begründungsstrategien«107. So erreicht das Gottesbild bis zum Ende des Kyros-Orakels eine universale Ausweitung, die in den übrigen atl Schriften ihres gleichen sucht. So kommt es schon in V.5 – 7 zu einer regelrechten »Konzentration«108 auf das Gottesbild: In mehreren aufeinanderfolgenden Nominalsätzen präsentiert sich Jhwh als einzige und einzigartige Gottheit. Dazu greift er zunächst auf die Selbstvorstellungsformel hwhy yna (»ich [bin] Jhwh«) aus V.3 zurück (vgl. z. B. 41,4; 43,15; 44,24; 45.18.19; 48,17; 49,23109). Darüber hinaus fügt Gott erstmals im Jesajabuch den Verweis dw[ !yaw (»es gibt keinen sonst«) zur Verdeutlichung seiner Ausschließlichkeit an.110 Zwar beziehen auch die übrigen atl Schriften diese Formel auf die Nicht-Existenz von weiteren Gottheiten neben Jhwh (vgl. Dtn 4,35.39; 1 Kön 8,60; Jorl 2,27), doch nirgendwo sonst findet sie sich in derart gehäufter Weise wieder. Refrainartig durchzieht die Konstruktion in Verbindung mit der Selbstvorstellungsformel die anschließenden Abschnitte (Jes 45,5.6.21.22; vgl. Jes 45,14.18; 46,9). Als drittes Element unterstreicht die Formel ~yhla !ya ytlwz (»außer mir gibt es keine Gottheit«) Jhwhs exklusiven Status als geschichtsmächtige Gottheit (vgl. Jes 45,21; 2 Sam 7,22; 1 Chr 17,20; Ps 18,32). Gerahmt wird diese Verdichtung monotheistischer Aussagen durch gezielte Rückverweise auf Jhwhs Geschichtshandeln im Kontext der persischen Er-

105 J. L. Koole, Jes 40 – 48, 437 f. 106 Dies versteht M. Leuenberger, Jhwh, 65 auch als das »religionsgeschichtlich wohl signifikanteste Spezifikum des Kyros-Orakels […], dass es aus der unterlegenen Verliererperspektive heraus den fremden Weltherrscher Kyros von Jhwh als Messias Jhwhs (!) in Dienst genommen sieht«. 107 A. A. Diesel, Jahwe, 307. 108 U. Berges, Jes 40 – 48, 401. 109 Außerhalb von Jes 40 – 55 ist hwhy yna nur mehr in Jes 27,3; 60,16.22; 61,8 belegt. 110 Zur Unterscheidung zwischen Jhwhs Einzigartigkeit und seiner Einzigkeit in Jes 40 – 55 siehe M. Albani, Gott, 14 – 19.

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oberung. Die Verleihung eines (Ehren)Namens in Jes 45,4b111, die sich wohl auf den Messiastitel (45,1) bezieht, betont noch einmal die exklusive Beziehung zwischen Israels Gott und dem Perserkönig. Ebenso unterstreicht das »Gürten« (rza, V.5; vgl. Jes 11,5) den Aspekt der militärischen Unterstützung durch Jhwh (vgl. Ps 18,33; Ps 93,1; Jes 50,11)112, indem das Motiv der Entwaffnung der feindlichen Könige aus Jes 45,1 umgekehrt wird. »Der militärischen Abrüstung von Regenten und der Destruktion ihrer Macht stehen die Zurüstung und Stärkung des einen königlichen Gesalbten gegenüber, beides Taten Gottes, des Urhebers polarer Wirklichkeiten (Jes 45,7).«113 Entgegen der Intention von V.3 konstatiert Jhwh in V.4b.5b nüchtern, dass Kyros ihn nicht erkannt hat (ynt[dy al). Diese Feststellung »trägt der Diskrepanz Rechnung zwischen behaupteter Erwählung des Kyros durch Jahwe und dem Faktum, dass Kyros selbst nicht im Namen dieses Gottes agierte, auch wenn vielleicht zu einer bestimmten Zeit die Hoffnung bestand«114. Dennoch zeigt diese mit historischen Ereignissen argumentierende Klammer (V.4.5b) um die brennpunktartige Zusammenstellung der monotheistischen Aussagen, »dass das Kyros-Orakel die Einzigkeit Jhwhs geschichtstheologisch begründet«115. Dass der Gott Israels wirkmächtig in den Geschichtsverlauf einzugreifen vermag, wird im Kyros-Orakel exemplarisch durch den Siegeszug des Achämeniden gegen Babylon aufgezeigt. Der Text bleibt aber nicht bei dieser Feststellung stehen. Die wortwörtliche Aufnahme der Selbstvorstellungsformel dw[ !yaw hwhy yna (»ich bin Jhwh und sonst keiner«) aus V.5 zeigt, dass V.6 f. auf die weltweite Offenbarung Jhwhs als einzige Gottheit zielen.116 Selbst wenn der eigentlich Begünstigte in seinem Erfolg nicht das Handeln Jhwhs zu erkennen vermag (ynt[dy al, V.4b.5b), so soll doch die ganze (übrige) Welt anhand des göttlichen Geschichtshandelns durch Kyros, gegen Babel und für Israel zur Einsicht über Jhwhs Ausschließlichkeit gelangen (w[dy ![ml, V.6). V.7 führt den Gedanken mithilfe von schöpfungstheologischem Vokabular (hf[, arb) weiter und bildet zugleich den theologischen Höhepunkt des Orakels, »der in der he111 Von der Verleihung des Namens spricht auch der Kyros-Zylinder (Z.12). 112 Vgl. J. Wehrle, Art. Gürtel, 958: »Im Bereich militärischer Kleidung wird der G[ürtel] als Schmuck und Kennzeichen verwendet […] Krieger trugen G[ürtel], um dem Schwert in der Scheide Halt zu geben (2Sam 20,8; 1Kön 2,5).« 113 N. C. Baumgart, JHWH, 228. 114 A. A. Diesel, Jahwe, 314. 115 M. Leuenberger, Jhwh, 23. 116 R. Achenbach, Kyros-Orakel, 168 – 170 konnte anhand assyrischer Königsorakel aufweisen, dass »die Verbindung des Herrscherorakels mit der Vorstellung von der Erkenntnis und Anerkenntnis der Herrschaft als Ausdruck göttlichen Selbsterweises durch die Völker zur Topik des Heilsorakels […] gehört«, gleichwohl setzt Jes 45,6 »in der Hervorhebung des Ausschließlichkeitsanspruches JHWHs […] einen eigenen, bis dahin so nicht gekannten Akzent« (ebd., 170).

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

bräischen Bibel herausragt und seinesgleichen sucht«117. In dieser Schlusskadenz, die durch ihre zwei Objektpaare mit auf Gott bezogenen Partizipien einen eindeutig formelhaften Charakter besitzt, wird »die Grenze des Sagbaren, des Ausdrückbaren spürbar«118. Dies gilt insofern auch für die Frage nach Gewalt, als der Aspekt hier auf exponierte Art und Weise119 in das Gottesbild eingestellt ist: Indem er »Licht« und »Finsternis« schafft, erscheint Jhwh als Herr der gesamten Wirklichkeit, die sowohl Ordnung als auch Chaos ($vx) umfasst. So steigert Jes 45,7 den göttlichen Kompetenz- und Machtbereich über jenen der ersten Schöpfungserzählung hinaus (vgl. Gen 1,2): »Yhwh not only controls the sea, but creates the chaos.«120 Diese Darstellung »ist in ihrer Prägnanz im AT zwar singulär, nicht aber in ihrer inhaltlichen Ausrichtung«121. Wirkliche Sprengkraft besitzt das Gottesbild von Jes 45,7 vor allem deshalb, weil sich Jhwh als »Vollbringer des Friedens/Heils« (~wlv hf[) und zugleich als »Schöpfer des Unheils/Bösen« ([r rawb) präsentiert (vgl. Am 3,6; Koh 7,14; Jer 18,11; 26,3; 36,3).122 Er wird so zum Urheber der gesamten Wirklichkeit (-lk hf[ hla; vgl. 44,24) in ihrer ganzen Ambivalenz. In dieser Konzeption werden die Aspekte des Guten wie des Bösen123 dezidiert auf die eine und einzige Gottheit zurückgeführt.124 Allumfassender scheint eine Gottesvorstellung nicht konzipiert werden zu können. An der Inklusion des Unheils ([r), in dem durchaus auch ethisch negative Konnotationen mitschwingen (z. B. Jes 33,15; 59,7),125 arbeitet sich seither »alles Nachdenken über den Grundartikel des Glaubens und der Ethik«126 ab: »Der Monotheismus löst nicht nur Probleme, sondern schafft auch neue.«127 117 M. Leuenberger, Kyros-Orakel, 250. 118 A. A. Diesel, Jahweh, 317. 119 R. Achenbach, Kyros-Orakel, 173 – 183 hat jedoch auf Basis von avestischen Texten (bes. Yasna 44,4 – 5) den Nachweis erbracht, dass das Kyros-Orakel mit seiner schöpfungstheologischen Argumentation »in einer konzeptionell bedingten analogen Begründungsstruktur« (ebd., 179) zur zoroastrischen Literatur steht. 120 T. Dykesteen Nilsen, Creation, 15. 121 U. Berges, Jes 40 – 48, 404. 122 Zu den Konsequenzen für die atl und besonders die prophetische Reflexion über das Böse siehe A. Wagner, Das Böse, 48 – 51. 123 Die Brisanz verschärft sich dadurch, dass das Aussagegefälle der beiden Appositionen jeweils auf dem zweiten Glied liegt und dadurch die »Sprach- und Gedankenbewegung […] bei Finsternis und Unheil« endet (Zitat: N. C. Baumgart, YHWH, 232). 124 Durch den abschließenden Rückverweis auf Jes 44,24 möchte J. L. Koole, Jes 40 – 48, 442 [r arwb allein auf die zuvor dargestellten Ereignisse rund um Kyros beziehen, muss jedoch einräumen: »Of course, the word does not imply a limitation.« 125 Eine erste Annäherung zwischen Jhwh und dem »Bösen« liegt in Jes 31,2 vor, wo Jhwh »Unheil kommen lässt« ([r awb hiph.). Da dieses aber »das Haus der Übeltäter« (~y[rm tyb) trifft, hat die Notiz im Gegensatz zu Jes 45,7 deutlich retributiven Charakter. 126 R. Achenbach, Kyros-Orakel, 194. 127 N. C. Baumgart, YHWH, 236.

Das Exil und sein Ende – göttliche Gewalt in Deuterojesaja (Jes 40 – 55)

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Im Umgang mit diesen Herausforderungen erscheint es aufschlussreich darauf zu achten, wie sich der literarische Nahkontext dem ambivalenten Charakter dieser theologischen Spitzenaussage stellt: Die in V.7 breit belegte Schöpfungsterminologie (arb, rcy, hf[) wird in V.8 abermals aufgenommen (arb). Hier verschiebt sich der Akzent jedoch ganz auf die Sphäre von Gerechtigkeit (qdc, hqdc) und Heil ([vy), die beide auf ein göttliches Schöpfungshandeln zurückgeführt werden. Im größeren literarischen Zusammenhang ergibt sich zudem eine Art »schöpfungsterminologischer Brücke« nach 45,18 f. (vgl. die doppelte Stichwortverbindung mit arb), wo bekräftigt wird, dass Jhwh die Erde »nicht als Öde« (wht-al), sondern »zum Bewohnen« (tbvl) geschaffen hat.128 Diese Aussage wirkt nach Ansicht von S. Petry auf die Rede über das Erschaffensein des Unheils durch Jhwh in Jes 45,7 zurück: »Der Vers hält […] fest, dass Himmel und Erde zum Wohl des Menschen […] erschaffen worden sind. Die Schöpfung ist gut und hat einen guten Zweck, wie immer die sich in ihr abspielende Geschichte auch verlaufen mag.«129 Bei diesem Urteil muss allerdings eine stärkere Emphase auf den historischen Kontext der theologischen Spitzenaussage gelegt werden. Es geht gerade nicht – wie S. Petry meint – um eine »wie [auch] immer« verlaufende Geschichte. Vielmehr zieht der Abschnitt die im exklusiven Monotheismus130 einzig denkbare theologische Konsequenz aus der traumatischen Exilserfahrung, also auf Basis geschichtlicher Ereignisse: Jhwh ist der Erschaffer von Frieden und der Schöpfer von Unheil. An diesem Beispiel lässt sich erkennen, dass ambivalente Aussagen über Jhwh in eine theologische Formel gebracht und pointiert auf die Spitze getrieben werden können, sich dabei aber auch Tendenzen zur Relativierung gewalthaltiger Aussagen nachweisen lassen. Im zweiten Rahmenteil (Jes 45,9 – 13) wird ein weiteres Mal auf die Indienstnahme des Kyros als göttliches Werkzeug verwiesen. Die kurze Notiz in Jes 45,13 greift mit dem Hinweis auf seine Erweckung in Gerechtigkeit (rw[ hiph. qdcb) deutlich auf den ersten Kyros-Text in Dtjes zurück (vgl. 41,2): »Was Jahwe in qdc in Gang setzt, das vollzieht sich auch in qdc: erfolgreich, siegreich, heilvoll […].«131 Im Unterschied zu den bisherigen Kyros-Bezügen beschreibt der Text keine von Gott befohlenen Gewalthandlungen. Nachdem Jhwh im Hauptteil des Orakels seinem Gewaltinstrument die Völker unterworfen (45,1), alle feindlichen Verteidigungsanlagen zerstört (V.2) und sogar die Verteilung der Kriegsbeute in Aussicht gestellt hat (V.3a), ist der Feldzug nun offensichtlich siegreich beendet worden. Während das Thema Jakob/Israel im Kyros-Orakel 128 Zu Jes 45,18 siehe T. Dykesteen Nilsen, Creation, 14 – 16. 129 S. Petry, Entgrenzung, 234. 130 Zur modernen Begrifflichkeit und der Problematik ihrer Übertragung auf antik-altorientalische Kulturen siehe G. Ahn, Monotheismus; sowie F. Stolz, Einführung, 4 – 22. 131 H.-J. Hermisson, Jes, 20.

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bereits mehrfach angeklungen war (z. B. 44,26; 45,4), steht der persische König in Jes 45,13 ganz im Dienste des exilierten Jhwh-Volkes: Nunmehr ist »Kyros […] nicht als Feldherr gegen Völker/Feinde, sondern als Initiator der nachexilischen Restauration ›erweckt‹«132. In Jes 45,2 hatte Jhwh dem persischen General die Ringmauern »geebnet« (rvy) und so wesentlich zu dessen militärischen Erfolgen beigetragen. Zwar »ebnet« er ihm auch jetzt »all seine Wege« (wykrd-lk rvy, vgl. 40,3), doch dienen diese nun friedlichen Zwecken: Sie sollen die Rückkehr der in die Freiheit entlassenen Gola erleichtern und den Wiederaufbau (hnb, vgl. 44,28) von Jerusalem beschleunigen.133 Als »meine Stadt« (yry[ hapax!) und »meine Gefangenen« (ytwlg) stellt Jhwh beide Agenden voll und ganz unter seine Fürsorge. Damit bleiben die Perser weit über den erwarteten Untergang Babylons hinaus die Werkzeuge des göttlichen Planes. 4.5.3.3 Der Zusammenbruch der babylonischen Götter und der Niedergang der Tochter Babel Das Kyros-Orakel (Jes 44,24 – 45,13) verknüpfte auf komplexe Weise die Präsentation des Perserkönigs als göttlich berufenen und geleiteten Kriegsherrn (bes. 45,1 – 3.13) mit der Heilswende für das Gottesvolk und Zion/Jerusalem. Die Proklamation Jhwhs als über alle Wirklichkeit regierende Gottheit bildete die argumentative Klimax des Textes (V.7). Demgegenüber trat die Frage, welche Konsequenzen die Eroberung für die besiegte Weltmacht und ihre Götter hat, in den Hintergrund der Aufmerksamkeit. Diese Themen werden im Anschluss an den triumphalen Siegeszug des Kyros entfaltet. In Jes 46 f. liegt der Fokus nicht mehr auf den Kriegsgewinnern (Kyros und Jhwh), sondern auf den Eroberten: Babylon und ihren Gottheiten. Während in Jes 47 Gottes Vergeltung an der Tochter Babel in teils drastischen Bildern dargestellt wird, ist die Gewaltinszenierung im Fall der babylonischen Götter deutlich gedämpfter. Der Zusammenbruch und die Verbannung der Götter Babylons (Jes 46,1 f.) 1

In die Knie geht Bel, es krümmt sich Nebo, ihre Bilder sind für das Tier und das Vieh, die von euch Getragenen, aufgeladen; eine Last für das erschöpfte [Tier]. 2 Sie krümmen sich, gehen in die Knie zugleich; nicht vermögen sie, die Last zu retten; sie selbst gehen in Gefangenschaft.

132 R. G. Kratz, Kyros, 102. 133 Das emphatische »er« (awh) in V.13b, das dem göttlichen ykna in V.13a gegenübergestellt wird, sowie die Fokussierung auf die Rückkehr nach und den Wiederaufbau von Jerusalem könnten für einen redaktionellen Zusatz sprechen; vgl. U. Berges, Jes 40 – 48, 415.

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Dass in Jes 46,1 f. zunächst die Gottheiten der Babylonier in den Blick geraten, unterstreicht den Stellenwert, den ihnen das Jesajabuch in Bezug auf den Niedergang der einstigen Eroberer Jerusalems beimisst.134 Kriege entscheiden sich nach biblischer wie altorientalischer Vorstellung primär auf transzendenter Ebene, so wie umgekehrt der Ausgang eines Feldzuges in erster Linie die Wirkmächtigkeit der involvierten Gottheiten erweist. Wie Kyros am Beginn des Königsorakels (Jes 45,1) werden auch die Gottheiten seiner Gegner in Jes 46,1 namentlich präsentiert. Das ist insofern bemerkenswert, als die Götter im übrigen Deuterojesajabuch anonyme Größen bleiben (z. B. 41,23; 42,17). An der Seite von Bel (lb = l[b »Herr«), hinter dem sich Marduk, der Hauptgott Babylons verbirgt, steht Nebo135, der Stadtgott von Borsippa und Marduks Sohn. Mit dieser Paarung ist die oberste Riege des babylonischen Pantheons betroffen.136 Der Text präsentiert sie aber von Anfang an als unterlegene Götter : Sie sind bereits zusammengebrochen (srq) und in die Knie gegangen ([rq). Die terminologischen Bezüge in das Jesajabuch offenbaren ihren hilflosen Zustand: In Jes 10,4 erscheint es klüger, unter Gefangenen »in die Knie zu gehen« ([rq), als unter die Erschlagenen (~ygwrh) zu fallen. Die Feinde der nachexilischen Knechtsgemeinde werden hingegen »zum Schlachten in die Knie gehen« ([rk xbjl, Jes 65,12). Die chiastische Verschränkung der beiden Verben am Beginn von 46,1 und V.2 lenkt die Aufmerksamkeit ausdrücklich auf den depotenzierten Status der babylonischen Gottheiten: Im Gegensatz zu den Opfern in den jesajanischen Referenztexten wird ihr Niedergang aber nicht als Folge direkter Gewalteinwirkung oder als Konsequenz physischer Schädigung inszeniert. Im literarischen Nahkontext ist es vielmehr der Schwur Jhwhs aus Jes 45,23, der sich – angezeigt durch die semantische Überschneidung (vgl. [rk, 46,1) – ausgerechnet an den Hochgöttern der Babylonier als erstes erfüllt: »Jedes Knie wird sich vor mir beugen!« ($rb-lk [rkt). Deutet man zudem die nur hier

134 Uneinigkeit herrscht in der Forschung über den zeitgeschichtlichen Horizont von Jes 46,1 f.: J. Werlitz, Redaktion, 222 – 224 interpretiert die Verbannung der Götterbilder vor dem Hintergrund der Götterbild-Translation unter Nabonid kurz vor der Einnahme Babylons durch die Perser. Ebenfalls ins Jahr 539 v. Chr. datiert den Abschnitt H.-J. Hermisson, Jes, 302; er versteht den Text – trotz der durchgängigen perfecta in V.1 f. – als nicht eingetroffene und damit historisch auf Deuterojesaja zurückgehende Prophezeiung; vorsichtiger J. Blenkinsopp, Jes 40 – 55, 268: »there is nothing in 46:1 – 2 […] to oblige us to postulate a date after the fall of Babylon«. Vom selben Befund ausgehend, argumentieren andere Kommentatoren hingegen für eine Datierungen nach 539 v. Chr. und bringen die Zeit Darius’ I. rund um den Gautama-Aufstand (um 522/521 v. Chr.; so U. Berges, Jes 40 – 48, 448 f.) oder die Unterwerfung Babylons unter Xerxes I. (482 v. Chr.) in Anschlag. 135 Die LXX setzt hingegen Dagon (Dacym) an die zweite Stelle neben Marduk. 136 Zu Marduk als kosmische Zentralmacht in Babylon siehe M. Albani, Gott, 47 – 72. Zur babylonischen Götterwelt im Allgemeinen siehe M. Jursa, Babylonier, 79 – 83.

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belegte Wurzel 137srk (»krümmen«) als eine versteckte, lautmalerische Anspielung auf den Namen vrwk (»Kyros«, Jes 44,28; 45,1), könnte Jes 46,1 f. den persischen Feldzug über den Namen seines Hauptprotagonisten als Grund für den Zusammenbruch alludieren.138 Der Schwerpunkt der Darstellung liegt auf der Ohnmacht der Kultbilder und ihrer Götter.139 Er wird über das Wortfeld der »Last« (afm, afn, lbs, sm[) zum Ausdruck gebracht. Die positive Kontrastfolie, vor deren Hintergrund Jes 46,1 – 2 zu betrachten ist, bilden die imposanten Götterbildprozessionen in Babylon, allen voran jene während des Akitu-Festes.140 Anstatt selbst für Unterstützung zu sorgen, werden ihre Bilder zu einer Last für das erschöpfte Vieh der Adressaten (~kytfan). Das ePP 2. Pl. m. bezieht sich im literarischen Kontext aber weniger auf die babylonischen Verehrer, sondern verweist auf die vorhergehende Scheltrede an die Nachkommen Israels (45,24 f.). Und auch die kritischen Stimmen gegen Jakob/Israel im direkten Anschluss an den beschriebenen Untergang (vgl. Jes 46,3 – 13) zeigen, dass der Fokus auf dem Jhwh-Volk und dessen Beziehung zu den fremden Kultbildern liegt: »Die Niederlage der Götter und des imperialen Staates, der sich gottgleich wähnte […], ist auch eine Abrechnung mit der Faszination Kultbildverehrung, der das Gottesvolk ausgesetzt war.«141 Die Götterbilder sind nicht nur unfähig, rettend in die Geschichte einzugreifen (jlm, vgl. 20,6; 31,5). Sie sind nicht einmal in der Lage ihre eigene Last vor dem Zusammenbruch zu retten (jlm), sodass sie letztendlich selbst in Gefangenschaft ziehen müssen (ybvb $lh).142 Das Jhwh-Bild in V.3 f. steht der belastenden Macht- und Hilflosigkeit der babylonischen Götterbilder kontrastiv gegenüber. Er präsentiert sich dem Überrest (tyrav) des Hauses Israel, das ihm von Mutterleib an aufgeladen (lbs) ist, als verlässlicher Träger (afn) und Retter (jlm, vgl. 49,24.25). Indem Jes 46,3 – 7 das Bild des Lastentragens von den Gottheiten unter veränderten Vorzeichen auf Jhwh übertragen, zeigt sich die eigentliche Pointe des Argumentationsganges: Die Emphase liegt nicht auf der mutwilligen Zerstörung der Kultbilder, denn von direkter (göttlicher) Gewalt gegen die fremden Gottheiten oder ihre Verehrer ist an keiner Stelle die Rede. Jes 46 veranschaulicht die Ohnmächtigkeit der babylonischen Götter und unterstreicht kontrastiv dazu die Macht Jhwhs, die auf die Errettung Jakobs abzielt. Als Vergleichspunkt dient jedoch nicht die Anwendung von strafender Gewalt, als vielmehr die Macht zur Rettung. Das Lied auf die 137 In Ex 26,6; 36,18 u. ö. ziert der srq (»Haken«) verschiedene Ausstattungsobjekte im Offenbarungszelt. 138 Vgl. U. Berges, Jes 40 – 48, 450. 139 Vgl. H.-J. Hermisson, Jes, 102. 140 Vgl. K. Baltzer, Jes, 326 – 331; A. Berlejung, Theologie, 388 – 391; H. Schaudig, Bel. 141 U. Berges, Jes 40 – 48, 442. 142 Vgl. H. Schaudig, Bel, 562 – 565.

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Tochter Babel (Jes 47) wird einmal mehr erweisen, dass die babylonischen Gottheiten nicht in der Lage sind, ihre Anhänger vor Jhwhs Eingreifen zu schützen (vgl. V.12 – 15). Im Spottgesang143 auf die Tochter Babel (Jes 47) zeigt sich erneut das ganze Unvermögen der babylonischen Götter und ihres Kultpersonals. Zahlreiche Imperative durchziehen den Text und erweisen sich als die tragenden Gliederungselemente des vierstrophigen Gedichts (V.1 – 4.5 – 7.8 – 11.12 – 15). Das Kapitel ragt insofern aus den übrigen Babylon-Texten des Jesajabuches heraus, als das Reich in Jes 47 von Jhwh selbst den Untergang verkündet bekommt.144 In der Gewaltinszenierung spielt die Personifikation Babylons als (junge) Frau eine zentrale Rolle: »Dadurch, dass JHWH […] es nun mit seinen ehemaligen Feinden in weiblicher Gestalt zu tun bekommt, kann er auf andere Weise […] demütigen und zerstören.«145 Die drastischen Bilder der Gewalt, in denen auch Gott federführend in Erscheinung tritt, prägen vor allem die ersten beiden Strophen des Liedes.

143 Die gattungsgeschichtliche Forschung kam mit Blick auf Jes 47 zu unterschiedlichen Ergebnissen (Spott- und Triumphlied, Gerichtsverkündigung). Heute wird das Kapitel mehrheitlich dem Genre »Völkerspruch« zugewiesen (vgl. C. Westermann, Jes, 152 f.; H.J. Hermisson, Jes, 162; J. L. Koole, Jes 40 – 48, 524), »da er die anderen Aspekte der Ironie, der Gerichtsansage und der Überlegenheit integrieren kann« (U. Berges, Jes 40 – 48, 479). 144 J. v. Oorschot, Babel, 152 sieht im Kapitel »eine […] singuläre Einheit«. Das Spottlied auf den gefallenen babylonischen König von Jes 14 stimmt der Prophet im Gewand der aus der Gewalt Babylons Befreiten an (vgl. V.4). 145 G. Baumann, Gott, 65.

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch Die Demütigung der Tochter Babel (47,1 – 7)

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Steig hinab, setz dich in Staub, Jungfrau, Tochter Babel! Setz dich zu Boden, es gibt keinen Thron, Tochter der Chaldäer! Denn nicht fährst du fort, dass sie dich nennen: »Zarte und Verwöhnte!« 2 Nimm Mühlsteine und mahle Mehl! Decke auf deinen Schleier, hebe hoch das Kleid! Decke auf den Schenkel, durchwate die Ströme! 3 Aufgedeckt werde deine Scham, ja sichtbar deine Schande. Rache nehme ich, und nicht begegne ich Menschen. 4 Unser Erlöser, Jhwh Zebaoth [ist] sein Name, der Heilige Israels. 5 Setz dich in Schweigen, geh ins Dunkel, Tochter der Chaldäer! Denn nicht fährst du fort, dass sie dich nennen: »Herrin von Königreichen!« 6 Ich war erzürnt über mein Volk, entweihte mein Erbteil, und gab sie in deine Hand. Nicht hast du Mitleid ihnen erwiesen, auf den Greis ließt du sehr schwer werden dein Joch. 7 Und du sagtest: »Auf ewig werde ich Herrin sein!«, solange du dir diese [Dinge] nicht zu Herzen genommen hattest, nicht gedachtest du das Ende davon.

Die dreigliedrige Imperativkette (ybv […] ybvw ydr) am Beginn des Liedes zeigt, dass es für die angesprochene Tochter Babel nur mehr eine Bewegungsrichtung gibt: Hinunter! Sie teilt somit das Schicksal ihrer Gottheiten, die schon in Jes 46,1 f. macht- und hilflos hingesunken waren (srq, [rk). Auch all ihre magischmantischen Fähigkeiten und ihre Beschwörungen können daran nichts mehr ändern (vgl. V.12 – 13a). Selbst die babylonischen Sterndeuter bieten ihr keinerlei Hilfe mehr ([vy, V.13.15), da »sie ihr eigenes Leben nicht aus der Gewalt der Flammen retten können« (hbhl dym ~vpn-ta wlycy al, V.14). Babels Sitzen in Erde und Staub deutet an, dass sie in Zukunft eine (er)niedrig(t)e Stellung einzunehmen hat (z. B. 1 Sam 2,8; Ijob 2,13).146 Der Verweis auf den fehlenden Herrscherstuhl (ask-!ya) zeigt, dass die Tochter der Chaldäer zugleich ihre königliche Würde verliert.147 Es geht also im wahrsten Sinne des Wortes um die »Entthronung der Königin Babylon«148. 146 Dieser Abgang wird radikal beschrieben: Denn beim Hinabsteigen in den Staub (rp[ dry) klingt auch der Gang in das Todesreich an; vgl. C. A. Franke, Reversals, 111 f. 147 K. Baltzer, Jes, 348 deutet den Verweis auf den fehlenden Thron als verschärfte, intra-

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Aufgrund ihrer Herabsetzung kann sich Babylon auch nicht mehr als »Zarte« (hkr) und »Verwöhnte« (hgn[) huldigen lassen, worauf die Formulierung ypyswt al $l-warqy wohl verweisen soll.149 Die Zartheit ($r) unterstreicht ihr junges Alter150 (vgl. 1 Chr 22,5; Spr 4,3; Ez 17,22), in dem sie bislang von harter Arbeit verschont blieb. Das Verwöhntsein (gn[) betont den lustvollen Aspekt ihrer gegenwärtigen Lebensführung (vgl. Ijob 22,26; Ps 37,4; Jes 66,11). Wie die verwöhnten Frauen aus der Fluchandrohung von Dtn 28,56 hat offensichtlich auch Babylon »noch nie versucht, ihre Fußsohlen auf den Boden zu setzen«. Babylons bisherige Existenz erscheint als ein (lasterhaftes) Leben in Saus und Braus. Der soziale Abstieg, der sich schon am Ende von V.1 im Einstellen der Huldigungen andeutet, setzt sich in V.2a mit unverminderter Härte fort: Vom Thron zu Staub und Erde erniedrigt, wird die Tochter Babel nun zur harten Arbeit am Mühlstein (~yxr) genötigt. Dieser Dienst bildet nach Ex 11,5 den schärfsten sozialen Kontrast zum Leben im unmittelbaren Umfeld zum Thron (ask) und ließ sich offensichtlich auch als erniedrigende Strafe einsetzen (vgl. Klgl 5,13). Die parallele Aufforderung zum »Mahlen« (!xj) von Mehl deutet in dieselbe Richtung (vgl. Ri 16,21), fügt der Aussage aber – von den folgenden Entblößungsbefehlen her gelesen – einen sexualisierten Unterton bei: Ijob 31,10 zeigt, dass die Arbeitstechnik als ein euphemistisches Bild »for coercive sexual activity«151 verstanden werden konnte.152 Der soziale Abstieg zum Dienst an der Handmühle geht – zunächst nur andeutungsweise – mit einer der schlimmsten Formen der Erniedrigung einher : dem Erleiden sexualisierter Gewalt. Auf das Niederknien zur Verrichtung des Mühlhandwerkes folgen drei Imperative, mit denen Babel die Zurschaustellung ihres nackten Körpers befohlen wird. Die Entkleidung verläuft schrittweise, wobei sich der Übergriff auf die Intimsphäre von Mal zu Mal verschärft. Die Entblößung beginnt mit dem »Aufdecken des Schleiers« (hmc hlg). Der Gesichtsschleier (hmc vgl. Koh 4,1.3; 6,7) macht noch einmal deutlich, dass es sich bei der Tochter Babel um eine Frau von Stand handelt (vgl. hrybg, Jes 47,7), denn »Ranghöhe drückt sich in möglichst weitgehender Körperverhüllung aus, einem niedrigen sozialen Status entsprach ein nur partiell oder gar nicht bekleideter Körper«153. Die Wurzel hlg, die für das

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textuelle Anspielung auf das erste Babel-Orakel (Jes 13,1 – 14,22), wo sich alle in der Scheol weilenden Könige vor dem gefallenen König von Babel von ihren Thronen erheben (V.9). H.-J. Hermisson, Jes, 168. Ebd., 171. Auch die Anrede als »Tochter« und »Jungfrau« hebt diesen Aspekt hervor. Denn keiner der beiden Begriffe sagt per se etwas über ihre Verwandtschaftsbeziehung (tb; vgl. H. Haag, Art. tb, 868 f.) oder über ihre sexuelle Unberührtheit aus (vgl. J. Kügler, Art. Jungfrau, 263). J. Blenkinsopp, Jes 40 – 55, 280. Die sexualisierte Kodierung des Arbeitsvorgangs könnte mit der knienden Haltung der Mühlarbeiterinnen bzw. ihren Vorwärts- und Rückwärtsbewegungen zusammenhängen. H. Weippert, Textilproduktion, 140.

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Aufdecken des Gesichtsfeldes zum Einsatz kommt, lässt aber auch den Aspekt der »Exilierung« anklingen (z. B. Jes 5,13; 49,21): »Im Wort hlg verbindet sich die Entblößung einer Frau mit der Deportation einer Bevölkerung.«154 So zeigt sich, dass die politische Dimension im Subtext von Jes 47 konstant mitläuft und in die Auslegung einzubeziehen ist: Der Untergang des Weltreiches wird hier über das drastische Bild der sexualisierten Erniedrigung der Tochter Babel inszeniert.155 »Die Begriffe lassen die politische Dimension der Absetzung Babels erkennen.«156 Dies zeigt sich deutlich am Befehl, den Gewandsaum (lbv hapax) hochzuheben (@fx): Eine ähnliche Form der Demütigung trifft das zur Ehebrecherin herabgesetzte Juda (vgl. Jer 13,26) und vor allem die deportierten Kriegsgefangenen von Jes 20,4.157 Die engste Parallele für die entwürdigende Zurschaustellung einer fremden Stadt findet sich aber im Nahumbuch: In Nah 3,5 wird Assur, Babels Vorgängerin als dominierende Weltmacht, weiblich personifiziert und von Jhwh zu einem Sexualobjekt degradiert.158 Als Judas Erzfeindinnen teilen beide dasselbe von Gott verhängte Schicksal. Allerdings stellt sich das Szenario im Nahumbuch insofern noch dramatischer dar, als Assur die Entblößung von Jhwh nicht nur befohlen, sondern in direkter Rede angedroht wird (vgl. Jes 13,16). Denn dort verkündet Jhwh selbst: »Ich werde deinen Gewandsaum aufdecken (ytylg) bis zum Gesicht und ich werde die Nationen deine Blöße sehen lassen (ytyarh).« Das Bild der Tochter Babel an der Handmühle setzt sich in ähnlich drastischer Weise fort: Der letzte Befehl in der ersten Strophe unterwirft noch ihren intimsten Bereich den (voyeuristischen) Blicken der Leserschaft (vgl. har, V.3). Nach dem Gesichtsschleier hat sie nun den Schenkel (qwv) aufzudecken, »was mit der Arbeit an den Mühlsteinen allein nicht mehr zu erklären ist«159. Wenn sie daraufhin mit entblößtem Bein die Ströme durchziehen soll (twrhn yrb[), so lässt sich dies als Aufforderung zur Flucht (vgl. Gen 31,21) oder als Deportationsbefehl deuten.160 Während aber Jakob/Israel beim Durchwandern der Wasser und Ströme (rhn, rb[; Jes 43,2) auf der Rückkehr aus dem Exil dem göttlichen Schutz vertrauen kann, steht Babel niemand helfend zur Seite (vgl. 47,15). In V.3a fällt das Stichwort hlg zum dritten und letzten Mal, doch ändert sich 154 G. Baumann, Gott, 59; vgl. H.-J. Hermisson, Jes, 173, der allerdings die sexualisierte Konnotation von Jes 47,2 f. vollkommen ausblendet. 155 Den Zusammenhang zwischen sexueller Gewalt und der Macht ihrer Repräsentation beleuchtet ausführlich I. Müllner, Gewalt, 371 – 381. 156 K. Baltzer, Jes, 347. 157 Zur ikonographischen Darstellung von nackten Kriegsgefangenen siehe G. Baumann, Gottesbilder, 119 f. 158 Siehe Dies., Gott, 55 – 60 und die differenzierende Auslegung von H.-J. Fabry, Nah, 194 – 196. 159 U. Berges, Jes 40 – 48, 484. 160 H.-J. Kraus, Jes, 97 denkt darüber hinaus an »Wascharbeiten der Sklavinnen am Strom«.

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nun die Sprechrichtung161: Die imperativische Anrede an Babel wird von einem befehlenden Jussiv abgelöst.162 Zugleich wird das Aufdecken ihrer Scham (hlg nif. hwr[) und das Gesehenwerden ihrer Schande (hprx har nif.) als die eigentlichen Absichten der Entkleidung enttarnt. So kommt es zu einer weiteren Verschärfung der Rhetorik163 : Gerlinde Baumann verweist darauf, dass der Ausdruck »die Scham aufdecken« (hwr[ + hlg pi.) »vorwiegend zur Bezeichnung des Geschlechtsverkehrs verwendet [wird], und zwar des illegitimen (so v. a. Lev 18.20)«164. Angesichts des politisch-militärischen Subtextes von Jes 47 ist in erster Linie an Vergewaltigungen der weiblichen Feindbevölkerung im Krieg zu denken.165 Dies macht auch der Vergleich mit jenen Prophetensprüchen wahrscheinlich, die mit Jes 47,2 f. die sexualisierte Semantik teilen (v. a. Jer 13,22; Ez 16,37.57; 23,10.29; Hos 2,12; Klgl 1,8 f.).166 Zwei weitere, buchinterne Beobachtungen stützen den grausamen Verdacht: Zum einen ist von der Zurschaustellung der »Scham« (hwr[) nur mehr in Jes 20,4 die Rede, wo der König von Assur die Ägypter und Kuschiter zur besonderen Demütigung mit entblößtem Gesäß (@fx, vgl. 47,2) in Kriegsgefangenschaft ziehen lässt. Zum anderen kam es bereits im ersten Babelspruch zu sexuellen Übergriffen an Babylons weiblicher Bevölkerung (k: hnlgvt ~hyvn, 13,16). Während die Gewaltakte dort offensichtlich von den unbarmherzigen Medern verübt werden (vgl. V.17 – 19), macht Jes 47,4a durch die Passivkonstruktionen (har, hlg nif.) keine konkreten Täter sichtbar. Dies hängt auch damit zusammen, dass V.3a jussivisch konstruiert ist und so der eigentliche Vollzug des Gewaltaktes auf Textebene nicht explizit geschildert wird.167 Es ist daher zwar wenig wahrscheinlich, dass in V.3a ein passivum divinum vorliegt und so das Gottesbild von Jes 47 Züge eines vergewaltigenden Soldaten trägt.168 Doch selbst wenn Gott nicht als direkter Täter in Erscheinung tritt, lässt der Text keinen Zweifel daran, dass Jhwh der Tochter Babel ihre Entblößung befiehlt und er auf diese Weise zur sexualisierten Erniedrigung seiner Gegnerin aktiv beiträgt! So inszeniert das Spottlied den Untergang durch die demütigende 161 Aus diesen Gründen wird V.3a von einigen Kommentatoren als sekundäre Erweiterung interpretiert; so z. B. von H.-J. Hermisson, Jes, 158; C. Westermann, Jes, 151; J. v. Oorschot, Babel, 153. 162 So auch die Deutung der Kurzform von hlg nif. bei H.-J. Hermisson, Jes, 148. 163 Hier kommt auch die szenische Deutung von K. Baltzer, Jes, 347 – 349 deutlich an ihre Grenzen! 164 G. Baumann, Gott, 62. 165 Vgl. H.-J. Fabry, Nah, 110 f. 166 Vgl. U. Berges, Jes 40 – 48, 485. 167 Vgl. U. Sals, Biographie, 303. 168 Vgl. U. Berges, Jes 40 – 48, 485 f.; H.-J. Fabry, Nah, 109 – 111; anders G. Baumann, Gott, 65 – 67; I. Fischer, Jesaja, 253: »Indem der Prophet ankündigt, dass Gott selber so handelt, wird durch die Rezeption der Metapher fortwirkend Gewalt gegen Frauen im Rahmen des Krieges nach der Divise ›JHWH tut das ja auch!‹ legitimiert.«

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Zurschaustellung der Tochter Babel: Diese Art der Metaphorisierung von militärischen Eroberungen basiert auf einer Konstruktion des weiblichen Körpers, die ihn als zu eroberndes Territorium denkt, doch »verschwimmt hier sehr schnell die Klarheit darüber, welcher Teil des Abbildungsverhältnisses der wörtliche, welcher der übertragene ist«169. Der Einschätzung von H.-J. Hermisson, es sei ein »Vorzug des Textes, daß er sich […] nicht an der Ausmalung kriegerischer Szenen delektiert«170, muss in Anbetracht des Blickes hinter die Kulissen der Gewaltrhetorik von Jes 47 deutlich revidiert werden.171 Das B-Kolon von V.3 verlagert den Fokus der Aufmerksamkeit von der entblößten Frau auf den Sprecher selbst. Jhwh gibt in Form einer Ich-Rede Einblick in die Gründe, die ihn zu den harten Maßnahmen gegen seine Erzfeindin veranlasst haben. Er stellt das Horrorszenario unter den Aspekt seiner Rache (~qn). Diese fällt nach masoretischer Tradition172 derart radikal aus, dass Jhwh (in Babel) keinem Menschen mehr begegnen wird (~da [gpa al).173 Der Begriff ~qn findet sich in Jes 40 – 55 nur an dieser Stelle, was den exzeptionellen Charakter der göttlich verfügten Gewalt aus Jes 47 hervorheben könnte. Im Gesamtkontext der Prophetenschrift wird die Demütigung der Tochter Babels auf diese Weise aber in eine Reihe mit der Bestrafung Edoms gestellt (vgl. 59,17; 63,4): Denn nach Jes 34,8 behält sich Jhwh einen »Tag der Rache« (~qn ~wy) vor, den er über Edom für den Rechtsstreit um Zion (!wyc byrl) bringen wird. Babylons Bestrafung greift also nicht nur auf Elemente aus der Assur-Tradition zurück (vgl. Nah 3,5), sondern strahlt buchintern auch auf die Vernichtung jenes Volkes aus, das in nachexilischer Zeit zum göttlichen Erzfeind des Jesajabuches wird (vgl. Jes 34; 63). Zions Erlösung und Edoms Bestrafung sind in Jes 34 f. untrennbar aufeinander bezogen (vgl. ~qn in Jes 35,4!).174 Analog dazu verhält sich das harte Schicksal Babylons spiegelbildlich zur heilvollen Zukunft Zions. Dieser Zusammenhang bildet einen wesentlichen Verstehensschlüssel für die Gewaltinszenierung von Jes 47: Babels Niedergang weist auf den erneuten Aufstieg Jerusalems voraus und bildet dazu die notwendige Voraussetzung. Durch die Semantik, mit der Babylons Abstieg und Erniedrigung literarisch inszeniert

169 I. Müllner, Gewalt, 379 f. 170 H.-J. Hermisson, Jes, 165, der in seiner Auslegung die sexualisierte Anschärfung der Rhetorik allerdings kaum einbezieht. 171 Dies gilt auch für die Sicht von K. Baltzer, Jes, 350, der Text sei »eine der entzückenden [!] Miniaturen, die Dtjes geschrieben hat«. 172 Nach LXX stellt Jhwh hingegen fest, dass er seine Rache nicht mehr Menschen überlassen wird (oujeti lg paqady amhqypoir), sondern selbst für die Bestrafung sorgt. 173 So U. Berges, Jes 40 – 48, 487. J. L. Koole, Jes 40 – 48, 530 interpretiert die Aussage aufgrund des adversativen Aspektes von [gp als Hinweis, dass Jhwh mit keinerlei Widerstand rechnet. 174 Vgl. H. G. L. Peels, Vengeance, 148 – 159.

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werden, erscheint die Tochter Babel von Jes 47,1 – 4 als negative Kontrastfigur175 für die Tochter Zion in Jes 49 – 55. Babels Abstieg (Jes 47,1) präfiguriert Zions Aufstieg (Jes 52,1) Jes 47,1 Jes 52,1 f. 1 Steig hinab (ydr), setz dich (ybv) in Staub (rp[), Jungfrau, 1 Erhebe dich (yrw[), erhebe dich (yrw[) […] Tochter Babel (lbb-tb)! 2 Schüttle dich ab von Staub (rp[) […] setz dich (ybv) […] Tochter Zion (!wyc-tb)!

Während das Herabsteigen (dry) und das Sitzen im Staub (rp[-l[ bvy) Babylon erniedrigt, soll sich die Tochter Zion erheben (rw[), sich aufsetzen (bvy) und den Staub abschütteln. Babel wird aus ihrer royalen Position (vgl. ask-!ya, 47,1) zur Verrichtung von Sklavendiensten degradiert und ihrer Kleider entblößt, Zion hingegen zum Anlegen der (königlichen) Prachtgewänder aufgefordert (ydgb vbl trapt, 52,1). Babels Untergang geht dem Wiederaufstieg Jerusalems also nicht nur historisch, sondern in Dtjes auch kompositorisch voraus.176 Einen Zusammenhang mit dem Schicksal Israels stellt auch der kurze Einwurf von Jes 47,4 am Schluss der ersten Strophe her : Denn eine nicht näher bestimmte Wir-Gruppe identifiziert den bislang anonym gebliebenen Sprecher mit Jhwh, der sich in seinem Rachehandeln an Babel als Heiliger Israels (larfy vwdq) und damit als »unser (Er)Löser« (wnlag) erweist (vgl. 41,14; 43,14; 48,17).177 Dies unterstreicht zusätzlich die Gegenüberstellung von Babel und Zion als Deutungsrahmen der göttlich verfügten Gewalt in Jes 47. Die zweite Strophe (V.5 – 7) beginnt mit einer weiteren Befehlskette. Sowohl die Aufforderung zum Setzen (bvy) als auch das Ende der Huldigungen (ypyswt al $l-warqy) verbinden den Neueinsatz mit der ersten Strophe. Dort stand der Verlust aller statusbedingten Privilegien im Vordergrund: Die verwöhnte Adelige wird zur Sklavin an der Handmühle degradiert, der durch sexualisierte Gewalt die tiefste Demütigung widerfährt. Da die zweite Strophe von der Charakterisierung Babels als »Herrin« (trbg) gerahmt wird, liegt der Fokus in V.5 – 7 auf dem Verlust der politischen Macht (vgl. 1 Kön 11,9; 15,13; Jer 13,18). Die Grenzen zwischen Bild- und Sachebenen bleiben auch in der zweiten Strophe 175 J. Blenkinsopp, Jes 40 – 55, 279 spricht von einem »mirror image«; für G. Eidevall, Prophecy and Propaganda, 125 »Zion and Babylon […] are in some respects very similar, like twin sisters«; vgl. dazu M. E. Biddle, Alter Egos, 129 f. 176 Davor kommt es wiederum zum Untergang Jerusalems, den Klgl 2,10 in ähnliche Bilder der Klage fasst: »Es sitzen (bvy) schweigend (~md, vgl. Jes 47,5) die Ältesten der Tochter Zion (!wyc-tb), haben Staub (rp[) auf ihr Haupt geworfen […]. Die Jungfrauen (twlwtb) Jerusalems senken (dry hiph.) ihr Haupt zur Erde (#ral).« 177 Vgl. J. L. Koole, Jes 40 – 48, 531 f.

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äußerst permeabel: Dass Babylon nun als »Tochter der Chaldäer« angesprochen wird, verdeutlicht den politischen Vorrangstatus, den Babel als Hauptstadt im Chaldäerreich genoss.178 Von nun an wird sie sich nicht mehr als »Herrin der Königreiche« huldigen lassen können, sondern nur mehr stumm dasitzen (bvy ~md, vgl. Klgl 2,10). Babylon hat im wahrsten Sinne des Wortes nichts mehr zu vermelden (vgl. ~md I, z. B. Ex 15,16). Der Machtverlust lässt sie genauso sprachlos werden wie die Frevler, die nach Ps 31,18 in das Totenreich eintreten. Jes 47,5 könnte an einen ähnlichen Aufenthaltsort denken, wenn Gott die Tochter Babel in die »Dunkelheit« ruft ($vx, vgl. Jes 9,1; Ijob 3,5; 10,21; Ps 107,10.14).179 Mit Blick auf Jes 42,7 und 49,9, wo Israels Exilsdasein als »Finsternis« ($vx) charakterisiert wird, kehrt sich in Jes 47,5 das Verhältnis von Siegern und Besiegten um: Die »Königin der Königreiche« ist nun dazu verurteilt, selbst in Kriegsgefangenschaft zu ziehen.180 In V.6 gehen die Imperative an Babylon wieder unvermittelt in eine göttliche Ich-Rede über (vgl. V.3). Durch die Objektsuffixe (2. Sg. f.) bleibt die Anrede an Babylon jedoch durchgehend erhalten.181 Während Jhwh in V.3 die Demütigung der Tochter Babel unter die Vorzeichen der göttlichen Rache (~qn) stellte, lenkt er nun die Aufmerksamkeit auf die Gründe, die ihn zu den harten Maßnahmen greifen ließen: Völlig unerwartet spielt Jhwh dazu das belastete Verhältnis zu seinem eigenen Volk ein. Offensichtlich gibt es nach Jes 47,6 zwischen der göttlichen Bestrafung Israels und dem Niedergang Babylons einen Zusammenhang: Weil Jhwh seinem Volk zürnte (@cq), entweihte er sein Erbteil (llx hlxn) und gab Israel in Babylons Hand (dyb !tn). Diese Aussagen ragen in mehrfacher Hinsicht aus ihrem literarischen Kontext heraus: Hinsichtlich der Gewaltsemantik fällt zunächst auf, dass das »Zürnen« (@cq), mit dem die Überantwortung in die Gewalt der Babylonier begründet wird, im übrigen Jesajabuch keine tragende Deutekategorie für das Exil bildet. Die Wurzel @cq beschreibt den göttlichen Zorn vorwiegend in späten Texten der Prophetenschrift182 (z. B. Jes 34,2; 57,16.17; 60,10; 64,4.8) und findet außerhalb von Jes 40 – 55 nur noch in Jes 60,10 zur Deutung des Exils Verwendung. In Dtjes spricht Gott noch zwei weitere Male von seinem Zürnen: In Jes 54,8 verheißt er Zion, dass er zwar sein Angesicht »im Aufwallen des Zorns« (@cq @cvb) für einen Augenblick verborgen habe. Doch sogleich schwört er, von nun an nicht mehr gegen seine Stadt zu zürnen ($yl[ @cqm yt[bvn !k, V.9). Daran lässt sich erkennen, dass es sich 178 179 180 181

Vgl. dazu M. Jursa, Babylonier, 33 – 36. Vgl. U. Berges, Jes 40 – 48, 488 f. So etwa H.-J. Hermisson, Jes, 174; J. Blenkinsopp, Jes 40 – 55, 280. Dies relativiert die literarkritische Ausscheidung von V.6 als sekundärem Zusatz, wie sie etwa von H.-J. Hermisson, Jes, 158 f. vorgeschlagen wird. 182 Das gilt für die meisten atl Belege der Wurzel, vgl. F. V. Reiterer, Art. @cq, 96: »Großteils sind die Belege spät anzusetzen.«

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bei dieser Art der biblischen Zornesvorstellung »um eine rasch aufsteigende, heftige, und bald auch wieder verklingende Gemütsbewegung handelt«183. Während Jhwhs Zürnen, das Israel nach Jes 54 ins Exil geführt hat, sogleich in ein positives Gegenbild übergeht, verschärft sich in Jes 47,6 die Gewaltinszenierung: Jhwh setzt die Zerstörung des Landes mit der eigenhändigen Entweihung seines Erbteiles gleich (ytlxn llx). Die Wurzel llx ist als Lexem göttlicher Gewalt zwar auch in Jes 43,28 belegt, wo Jhwh nach MT die Fürsten seines Heiligtums profanierte. Doch die Vorstellung, dass Gott sein Erbteil selbst entweiht, ist in der gesamten HB singulär. Dies mag die LXX dazu veranlasst haben, die göttliche Profanierung des Landes in Jes 47,6 zur Anklage gegen Babylon zu erheben (eliamar tgm jkgqomoliam lou). Ebenso einzigartig und deshalb umso beachtenswerter ist die letzte Aussage der göttlichen Ich-Rede. Mit ihr räumt Jhwh den Babyloniern einen (begrenzten) Stellenwert in seinem Gewalthandeln an den Israeliten ein184 : »Ich gab sie in deine Hand« ($dyb !tn). Im Kontext der Jesajatradition ist diese Denkfigur – entgegen der Beurteilung von W. Brueggemann – alles andere als »conventional«185. Denn das Prophetenbuch vermeidet es sonst strikt, den Babyloniern die Funktion eines göttlichen Kriegsinstruments zuzuschreiben oder Jhwh in ein positives Verhältnis zum babylonischen Gewalthandeln zu setzen. Darüber hinaus wird in Jes 47,6 auf die sog. »Übereignungsformel« (dyb !tn) zurückgegriffen, die nicht nur in den Kriegsnarrativen des DtrG breit belegt ist (z. B. Dtn 2,24; Jos 6,2; 8,1; Ri 7,9; 1 Sam 14,37; 2 Kön 13,3)186, sondern vor allem auch im Jeremiabuch zur Deutung der Exilskatastrophe als göttlich veranlasstes Geschehen herangezogen wird (z. B. Jer 20,4 f.; 22,25; 32,4; 34,21; vgl. Ez 7,21; 21,36). Im Jesajabuch ist die Formulierung, die als eine »feste sprachliche Wendung für Gottes sieggewährende Kriegslenkung«187 zu verstehen ist, hingegen einzig und allein in Jes 47 belegt.188 Dies macht V.6 zu einem erstaunlichen Doppelbild: »Babylon appears to be both enemy and allied.«189 Die Kommunikationssituation des Kapitels verschärft die Spitzenformulierung: Es handelt sich schließlich um eine Gottesrede an die Erzfeindin! Der eigentliche Vorwurf, mit dem Babylon in V.6b konfrontiert wird, baut auf dessen Einbeziehung in die göttliche Strafe an Israel auf. In seiner Rede bezieht 183 G. Sauer, Art. @cq, 664. 184 Vgl. J. Blenkinsopp, Jes 40 – 55, 281: »the Babylonians were acting as punitive agents on behalf of Yahveh.« 185 So W. Brueggemann, Mercy, 119. 186 Zur Übereignungsformel siehe N. Lohfink, Kriegsorakel. 187 Vgl. ebd., 411. 188 Die Formel begegnet zwar auch in Jes 22,21, doch geht es in diesem Prophetenwort nicht um eine kriegerische Auseinandersetzung, sondern um die Auslieferung von Schebna in die Gewalt Eljakims. 189 G. Eidevall, Prophecy and Propaganda, 127.

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sich Jhwh nicht auf die Tatsache, dass die Weltmacht gegen Israel zu Felde zog und es von der politischen Landkarte löschte.190 Damit vollstreckte Babel – so hält Jhwh in V.6a ausdrücklich fest – einzig und allein den göttlichen @cq. »The tradition insists that the destruction of Jerusalem was not an accomplishment of Babylonian policy but happened at the behest of God (cf. Jer. 25:8 – 11; 27:5 – 6; Isa. 40:1 – 2). The destruction is a sovereign act of God, only implemented by Nebuchadnezzar.«191 Die Pointe des Abschnittes besteht in der Art und Weise, wie Babylon seine von Gott zugestandene Macht über sein Volk ausübte: »Du hast kein Erbarmen erwiesen (~ymxr ~hl tmf al) und über den Alten dein Joch schwer gemacht.« Mit seinem Verhalten hat Babylon offensichtlich die Funktion als göttliches Gewaltwerkzeug übertreten. Hier zeigen sich Parallelen zur Darstellung von Assur in Jes 10, das in seiner Hybris den göttlichen Befehl (V.6) ebenfalls übertrat, indem es seine Kriegsgewalt auf die Völkerwelt ausufern ließ (j[m al ~ywg tyrkhl, V.7).192 In Jes 47 konzentriert sich der Vorwurf jedoch auf die Verübung übertriebener Gewalt an Israel (~hl).193 Mit dieser Notiz über das brutale Vorgehen gegen Israel »Second Esae justifie […] la violence de ses propos contre la ville m¦sopotamienne«194. In den Völkersprüchen des Amosbuches ergeht zwar eine ähnlich lautende Anklage wegen fehlenden Erbarmens im Krieg auch gegen Edom: Nach Am 1,11 f. hat das Volk »sein Erbarmen erstickt« (wymxr txv), so dass »sein Zorn beständig zerfleischte« (wpa d[l @rjyw). Wie W. Brueggemann aber richtig gesehen hat, tritt in Jes 47,6 anders als in Am 1,11 f. eine deutliche Spannung zutage195 : »The speech is constructed as though Nebuchadnezzar (and Babylonian policy) was all along supposed to have known that mercy toward Jerusalem was in order and expected, appropriate even in light of God’s anger.«196 Auf Basis von redaktionsgeschichtlichen und kompositionskritischen Beobachtungen hat U. Berges nachgewiesen, dass diese Diskrepanz auf einer kritischen Relektüre von Jes 13,18 basiert: Denn dort verüben umgekehrt die von Jhwh erweckten Meder erbarmungslose Gewalt an Babylon. Ihre ganze Brutalität zeigt sich daran, dass sie nicht einmal mit Babylons Kindern Erbarmen haben (wmxry al !jb-yrp). Während die schutzlose Zivilbevölkerung in Jes 13 von der jüngsten Generation der Besiegten repräsentiert wird, setzt Jes 47,6 spiegelbildlich die ältesten Mitglieder der Gesellschaft (!qz) in diese Position: »the same brutality Persia is ordered and permitted to carry out, 190 191 192 193 194 195

Vgl. C. Westermann, Jes, 155. W. Brueggemann, Mercy, 118. Vgl. U. Berges, Babylon, 149. Vgl. J. L. Koole, Jes 40 – 48, 534. R. Martin-Achard, Esae, 93. Vgl. J. v. Oorschot, Babel, 158 (mit FN 333): »Eine vergleichbare Begründung für die Vernichtung von Babel gibt Dtjes […] nicht.« 196 W. Brueggemann, Mercy, 119.

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Babylonia is indicted for having performed. Thus Babylonia became merciless because it was charged with the mercilessness of Persia!«197 Zur Verdeutlichung der Erbarmungslosigkeit wird das Bild der Unterjochung eingesetzt (l[ dbk, vgl. 1 Kön 12,10.14), das in Israels altorientalischer Umwelt als gängige Metapher der Unterdrückung belegt198 und auch aus den Assur-Kapiteln vertraut ist. In diesen wird mit dem Motiv aber nicht nur die Verknechtung unter die Fremdherrschaft beklagt, sondern zugleich auch Jhwhs Befreiung vom (assyrischen) Joch in Szene gesetzt (vgl. Jes 9,3; 10,27; 14,25). In Zusammenschau mit diesen Texten könnte Gottes befreiende Gewalt zugunsten seines Volkes in Jes 47 zumindest anklingen. Am restlosen Niedergang der unterjochenden Macht lässt jedenfalls auch der Spruch gegen die Tochter Babel keinerlei Zweifel aufkommen: Weil sie ihr schmachvolles Ende nicht bedachte, in Hybris von ihrer Allmacht überzeugt war (dw[ yspaw yna, V.8.10) und damit Jhwh als die eigentliche Macht verkannte (vgl. 45,5.6; 46,9), gibt es für sie letztlich keine Rettung ($[yvwm !ya, 47,15). Zusammen mit diesen Vorwürfen erscheint Babels Bestrafung als »illustration d’un thÀme th¦ologique cher au Second Esae: Yahv¦ et uniquement Yahv¦ conduit l’histoire, il dispose souverainement des nations et ne supporte aucun rival — des cút¦s«199. Zur Veranschaulichung und Verdeutlichung der grenzenlosen Macht Jhwhs greift Jes 47 allerdings auf drastische Formen von strafender Gewalt zurück. Die Verübung sexualisierter Gewalt, mit der der Untergang des Neubabylonischen Reiches in Form einer Jhwh-Rede literarisch inszeniert wird, wirkt auch auf das Gottesbild ein. Zudem tritt die Gewaltinszenierung von Jes 46 f. in Spannung zu jener in der übrigen Teilkomposition: Denn der Diskurs über Jhwhs Souveränität in seinem Geschichtshandeln und seine Unvergleichlichkeit anderen (göttlichen) Mächten gegenüber wird in Jes 40 – 55 sonst ohne Rückgriff auf gewalthaltige Semantik geführt,200 obwohl auch in anderen Texten eine scharfe Abgrenzung zum Dienst an und zur Verehrung von fremden Gottheiten propagiert wird. So fehlen etwa Aufrufe zur Zerstörung von Kultbildern oder zu Gewalthandlungen an ihren Verehrern. Der Diskurs über die Wirkmächtigkeit und damit die Verehrungswürdigkeit von Kultbildern (fremder Gottheiten) erweist sich im Vergleich zu anderen atl Büchern wie dem Dtn (vgl. Dtn 12,1 – 3; 27,15) als weitgehend frei von göttlich verübter oder theologisch legitimierter Gewalt. Die fremden Gottheiten sind Nichtse und Trug (spa, vgl. Jes 41,29; 46,9), aber keine Größen, gegen die Gott gewaltsam vorgehen lässt oder gar selbst in 197 U. Berges, Babylon, 150. 198 Zur Realgeschichte des Joches und zur Verwendung als Unterwerfungsmetapher siehe A. Ruwe/U. Weise, Joch, 291 – 306. 199 R. Martin-Achard, Esae, 92. 200 Vgl. dazu A. Berlejung, Theologie, 369 – 391.

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

diese Richtung aktiv wird. Selbst die Götzenverehrer ereilt kein gewaltsamer Tod, sondern Scham und Furcht aufgrund ihres Selbstbetruges (vgl. 44,11).201 Wenn Jhwh mit militärischer Gewalt in Verbindung gebracht wird, geschieht dies in Dtjes hauptsächlich im Rahmen der Kyros-Texte (vgl. 41,2). Der Perserkönig übernimmt dabei die Funktion eines göttlich legitimierten Kriegsinstruments, das von Jhwh erweckt oder gerufen wird, um den göttlichen hc[ über Babylon auszuführen (vgl. 46,11). Anders als Assur in Jes 1 – 12 vollzieht das Perserreich diesen Auftrag, ohne dem Verdikt zu verfallen, in Überheblichkeit den göttlichen Befehl übertreten zu haben.202 Für Kyros, Jhwhs Messias (Jes 45,1), setzt Gott sogar die entscheidenden Handlungen im Krieg (V.1 – 3). Diese richten sich jedoch hauptsächlich gegen die feindlichen Verteidigungsanlagen, nicht aber gegen Soldaten oder gar die wehrlose Zivilbevölkerung. Eine weitere Spannung ergibt sich im Hinblick auf die Darstellung der Exilskatastrophe. Obwohl in DtJes die göttliche Heilswende für die Gola thematisch im Mittelpunkt steht, wird in Jes 40 – 55 göttliche Gewalt nicht ausgeklammert, sondern in das Deutungsmodell von Exil und Neubeginn einbezogen: Das Geschehen wird als von Jhwh vollbrachtes Gerichtshandeln an seinem Volk interpretiert: Wegen Israels Sünden (hajx) goss Jhwh seine Zornesglut und damit die Gewalt des Krieges über das Volk aus (hmxlm zwz[w wpa hmx wyl[ $pv, 42,25). Er übergab Jakob dem Kriegsbann (~rxl bq[y !tn, 43,28) und ließ Zion seinen Zornesbecher trinken (wtmx swk-ta hwhy dym htv, 51,17). Auf fremde Völker als göttliche Befehlsempfänger greift Gott hingegen nicht zurück. Nebukadnezars Truppen wird diese Funktion in der Exilsdeutung von Dtjes nicht gewährt. Allein in Jes 47 kommt der babylonischen Macht ein gewisser Stellenwert zu. »Hence, the utterance in v. 6 seems to balance on a thin rope.«203 Der theologische Drahtseilakt kommt zustande, weil sich hier jene Bereiche theologischer Kriegsdeutung überschneiden, in denen gewalthaltige Gottesbilder in Jes 40 – 55 eine tragende Rolle spielen: die Interpretation des Exils als göttliches Strafgericht und der Untergang Babylons als widergöttliche, weil die Souveränität Jhwhs verkennende Macht. Dementsprechend wird das Gewalthandeln an Babylon auch unter das Vorzeichen der göttlichen Rache (~qn) gestellt204 : »Babylon stepped over the border when it, instead of being the instrument of God’s

201 Vgl. U. Berges, Jes 40 – 48, 343. 202 In diesem Punkt unterscheidet sich das Kyros-Bild erheblich von der Darstellung Assurs. Dagegen geht D. J. Reimer, Isaiah, 100 davon aus, dass der Perserkönig »remains […] a tool in the Lord’s hand, no different than Assyria was before him«. 203 G. Eidevall, Prophecy and Propaganda, 128. 204 Hingegen fehlt bei der Bestrafung Babylons jeder Verweis auf den göttlichen Zorn. Dieser regt sich in Dtjes nur bei Jhwhs Gewalthandeln gegen Jakob/Israel (vgl. 42,25) bzw. Zion/ Jerusalem (vgl. 51,13 – 22).

Das Exil und sein Ende – göttliche Gewalt in Deuterojesaja (Jes 40 – 55)

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punishment, tried to become the highest power.«205 So verfolgt Jes 47,6 letztlich dieselbe argumentative Stoßrichtung, wie sie auch hinter den gewalthaltigen Gottesbildern von Jes 40 – 55 zur Deutung der Exilskatastrophe steht: »les ¦v¦nements qui ont amen¦ la prise de J¦rusalem en 587 ne sont pas dus — la faiblesse du Dieu d’Israel, ils r¦alisent au contraire sa volont¦«206. Diese argumentative Ausrichtung prägt auch die letzte gemeinsame Erwähnung von Babylon und den Persern im Jakob/Israel-Kreis: Der Weg gelingt (48,14 f.) 14

Versammelt euch alle und hört! Wer unter ihnen hat kundgetan diese [Dinge]? Jhwh-liebt-ihn, er führt seinen Willen gegen Babel aus, und seinen Arm [gegen] die Chaldäer. 15 Ich, ich habe gesprochen, auch habe ich ihn gerufen, ich habe ihn kommen lassen und sein Weg gelingt.

Im Rahmen eines letzten Ankündigungsbeweises fragt Jhwh nach derjenigen Instanz, die den Sieg der Perser über die Chaldäer bewirkt hat. Ob der Text mit dem Ehrentitel »Jhwh liebt ihn«207 (wbha hwhy) auf Kyros den Großen208 oder bereits auf Darius209 verweist, hängt von der literarhistorischen Einordung des Abschnittes ab, die in der Forschung umstritten bleibt. Die Königstitulatur bringt den Perserkönig jedenfalls wieder in unmittelbare Nähe zu Jhwh. Die Notiz stellt ihn auf dieselbe Stufe mit Jakob/Israel und dessen Vorfahren Abraham, die Jhwh ebenfalls »liebt« (bha, Jes 41,8; 43,4). Dass der Herrscher Jhwhs »Gefallen in Babel ausführt« (lbbb wcpx hf[), lenkt den Blick einerseits auf das Kyros-Orakel zurück, wo der Perser mit dem Vollbringen des göttlichen Planes beauftragt wird (ycpx ~lv, 44,28a). Andererseits machte Jhwh im unmittelbaren Anschluss an den Niedergang der babylonischen Götter die Durchsetzung seines #px zu seiner persönlichen Agenda : »Und alles, was mir gefällt, führe ich aus« (hf[a ycpx-lkw, 46,10). Nun verschwimmen ein letztes Mal die Grenzen zwischen Jhwhs machtvollem Geschichtshandeln und seinem Werkzeug kriegerischer Gewalt. Während Jhwh in V.15 auf die Ankündigung (rbd qatal) und das Herbeirufen (arq qatal) bereits zurückblickt, dauert das Gelingen seines Weges noch an (lcn jiqtol). Der Zielpunkt des göttlichen #px besteht nach Jes 44,28 im 205 H. G. L. Peels, Vengeance, 162; vgl. J. Jeremias, JHWH, 96: »Wo sich Jhwhs Rache (seit der Exilszeit) gegen eine Israel bedrückende Weltmacht richtet, steht die Assoziation der Befreiung im Vordergrund der Beschreibung göttlicher ›Rache‹.« 206 R. Martin-Achard, Esae, 93. 207 Das »Lieben« (bha) beschreibt hier weniger einen inneren Gefühlszustand (z. B. Gen 22,2; 24,67; Rut 4,15; 1 Sam 1,5), sondern wird als politischer Begriff verwendet (z. B. 1 Sam 18,6; 1 Kön 5,15); vgl. J. Blenkinsopp, Jes 40 – 55, 294. 208 So H.-J. Hermisson, Jes, 276 209 So nach R. Albertz, Darius, 379.

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

(Wieder)Aufbau von Stadt und Tempel und damit in der (Re)Konstituierung der nachexilischen Gemeinde in Jerusalem. Dazu ergeht im unmittelbaren Anschluss an Jes 48,14 f. ein prophetischer Aufruf an Jakob/Israel, aus Babel fortzuziehen (lbbB acy) und dabei mit Jubel Jhwhs Erlösungshandeln an seinem Knecht zu verkünden (wdb[ hwhy lag, V.20). Da die Befreiungsbotschaft »bis an die Enden der Erde« (#rah hcq-d[) hörbar sein soll, vollzieht sich die in Farben des Exodus getauchte Rückkehr aus dem Exil210 nun »vor den Augen der Weltöffentlichkeit«211. Die Analyse von Jes 51,17 – 23 als Beispielstext für die Darstellung des Exils als göttlichem Gewaltakt hat gezeigt, dass die von Jhwh verlassene Hauptstadt (vgl. Jes 49,14) den Knecht im Zion/Jerusalem-Kreis (Jes 49 – 55) bei seiner Überzeugungsarbeit vor besondere Herausforderungen stellt. Trotzdem führt Jakob/ Israel sein Zeugenamt erfolgreich aus, sodass die Wiedererrichtung Jerusalems in nachexilischer Zeit nach zögerlichem Anlauf doch gelingt. Dass dabei die Jesajatradition mit ihrem völkeroffenen Konzept (vgl. Jes 56,1 – 7) eine Stimme unter mehreren Entwürfen bildet, zeigt der dritte Hauptteil der Prophetenschrift (Jes 55 – 60). In der konsolidierten Perserzeit kommt es in der Provinz Jehud zu massiven innergemeindlichen Spannungen. Diese haben sich auch in der Jesajatradition und allen voran in der letzten Teilkomposition (Jes 56 – 66) in Form von göttlicher Gewalt niedergeschlagen.

4.6

Der Krieger JHWH und seine Knechte – göttliche Gewalt in Tritojesaja (Jes 56 – 66)

4.6.1 Grundstruktur der Teilkomposition Der letzte Hauptteil des Jesajabuches erweist sich sowohl in synchroner als auch in diachroner Hinsicht als ein komplexes Textgeflecht, das größtenteils aus göttlichen (An)Klagen und Heilsankündigungen besteht. Wie schon im zweiten Zyklus von Dtjes (Jes 49 – 55) bildet Zion auch in der Endgestalt von Jes 56 – 66 den thematischen Mittelpunkt. Die verschiedenen Abschnitte kreisen um ihr gegenwärtiges und zukünftiges Schicksal. Nach der kompositionskritischen Analyse von U. Berges steht Zion/Jerusalem sogar im Zentrum des letzten Buchteils (Jes 60 – 62):1

210 Vgl. J. Blenkinsopp, Jes 40 – 55, 295 f. 211 U. Berges, Jes 40 – 48, 546. 1 Vgl. U. Berges, Buch, 419 – 427 (Schaubild nach ebd., 420); vgl. auch J. Blenkinsopp, Jes 56 – 66, 38: »There seems to be a consensus that chs. 60 – 62 form the central core of Trito-Isaiah.«

Der Krieger JHWH und seine Knechte – göttliche Gewalt in Tritojesaja (Jes 56 – 66)

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Die Hervorhebungen in der schematischen Darstellung machen ersichtlich, dass göttliche Gewalt zum einen den auf Zion zentrierten Kompositionskern rahmt (Jes 59,15b–20; 63,1 – 6) und zum anderen gegen Ende der Prophetenschrift deutlich zunimmt (Jes 65,1 – 16; 66,1 – 6.14b–17.24). Diese Texte, die in ihnen zum Vorschein kommenden Gewaltbilder von Jhwh und ihre Beziehung zueinander sind daher genauer in den Blick zu nehmen. Die redaktionskritische Ablösung der Kapitel 56 – 66 von Deuterojesaja und deren Zuschreibung an eine andere prophetische Gestalt geht im Wesentlichen auf B. Duhm zurück.2 Um die starke Kontinuität zur Jesajatradition und zugleich die Diskontinuität zu Jes 40 – 55 zum Ausdruck zu bringen, nannte er den Autor der letzten Teilkomposition »der Bequemlichkeit halber Tritojesaja«3. In weiterer Folge identifizierte man den Verfasser als einen Prophetenschüler von Deuterojesaja, der zur Zeit der Restauration von Jerusalem und der Wiedererrichtung des Tempels (520 – 515 v. Chr.) die Jesajatradition im Geiste seines Lehrers weitertrug.4 C. Westermann geht zwar ebenfalls noch von einem tritojesajanischen Kernbestand aus (Jes 57,14 – 20; 60 – 62; 65,16b–25; 66,6 – 16), sorgte aber für eine entscheidende Differenzierung, indem er als erster mehrere redaktionelle Schichten erhob.5 Eine weitere wichtige Station im Zugriff auf den 2 Siehe B. Duhm, Jes, 14 f.; und dazu C. Moser, Umstrittene Prophetie, 93 – 98. 3 B. Duhm, Jes, 418. Zu den Kontinuitäten siehe J. Blenkinsopp, Jes 56 – 66, 29 – 37; zu den markanten Unterschieden siehe B. M. Zapff, Jes 56 – 66, 343 f. 4 So vor allem in Folge von K. Elliger, Deuterojesaja. 5 Vgl. C. Westermann, Jes, 236 – 246; sowie im Anschluss z. B. W. Lau, Schriftgelehrte Prophetie, 18 – 21; P. Smith, Redaction, 204 – 207.

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

letzten Teil des Jesajabuches, die den »radikalsten Bruch mit der Jesaja-Forschung der letzten hundert Jahre«6 darstellt, ist mit dem Namen O. H. Steck verknüpft. Auch er rechnet mit einem redaktionellen Wachstum der Kapitel, das von einem Grundbestand in Jes 60 – 62*7 seinen Ausgang nahm. Doch ihm zufolge geht auch dieser Kern nicht auf eine prophetische Einzelgestalt zurück, sondern auf »nachexilische Tradenten Deuterojesajas […], die von vornherein im literarischen Anschluß an das Buch und in ein Buch formulieren für Leser dieses erweiterten Deuterojesajabuches«8. Die gegenwärtige Diskussion ist zwar immer noch von den Alternativen »Prophet, Exegete, or Redactional Level?«9 geprägt, doch findet der Ansatz von O. H. Steck in der heutigen (deutschsprachigen) Forschungslandschaft verstärkten Zuspruch.10 So hat sich B. Duhms Hoffnung, dass die »Versuche, den Tritojesaja in eine Mehrheit von Schriftstellern aufzulösen […] und mehrere Stücke in späteren […] Zeiten unterzubringen, wohl endlich einmal aufhören«11 würden, in der modernen Jesajaexegese nicht erfüllt. Die Texte der letzten Teilkomposition erweisen sich als schriftgelehrte Prophetie12 aus persischer bzw. frühhellenistischer Zeit. Dabei geraten die Tradenten der Jesajatradition mit ihrem völkeroffenen Israel-Konzept (vgl. Jes 56,1 – 7) zusehends unter Druck.13 Diese innergemeindlichen Spannungen im nachexilischen Jerusalem schlugen sich literarisch in Form von teils drastischen Bildern göttlicher Gewalt nieder, die vor allem auf Jes 59,15b–18; 63,1 – 6 und Jes 65 f. konzentriert sind.

4.6.2 JHWH rüstet sich mit Gerechtigkeit und Heil zum Kampf (Jes 59,15b–18) Die internen Konflikte14, in die die Prophetenschrift Jhwh mit Gewalt eingreifen lässt, schwellen im Verlauf von Jes 56 – 66 immer stärker an: Bereits in Jes 56,10 werden die Wächter des Volkes der Blindheit (rw[) bezichtigt und mit »stummen Hunden« (~ymla ~yblk) verglichen. In ihnen perpetuiert sich offensichtlich die 6 U. Berges, Buch, 428. 7 Der literarhistorische Kern von Jes 56 – 66 wird bei aller Unterschiedlichkeit der Entstehungsmodelle durchwegs in Jes 60 – 62* lokalisiert; vgl. U. Berges, Buch, 427 – 463. 8 O. H. Steck, Tritojesaja, 376. 9 P. Smith, Redaction, 22. 10 Vgl. P. Höffken, Jesaja, 91 – 100; Chr. B. Hays, Isaiah, 551 f.; B. M. Zapff, Jes 56 – 66, 344 u. ö. spricht von einer »tritojesajanischen Sammlung«. 11 B. Duhm, Jes, 19. 12 Zum Begriff siehe H. Donner, Schrift. 13 Vgl. U. Berges, Jesaja, 46 – 49. 14 Zu den Spannungen der »Knechte« (~ydb[, vgl. Jes 56,6; 63,17; 65,8; 66,14 u. ö.) mit anderen theologischen Strömungen der nachexilischen Zeit siehe J. Blenkinsopp, Sect; Ders., Servants.

Der Krieger JHWH und seine Knechte – göttliche Gewalt in Tritojesaja (Jes 56 – 66)

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Blindheit des exilischen Jakobs/Israels (vgl. 42,19; 43,8). Weil diese »Hunde« aber keine Sättigung kennen (h[bf w[dy al, 56,11), geht von ihnen eine massive Bedrohung für Zion aus: »Dort, wo JHWH ein Leben ohne Sorge bereitstellte, herrscht nun das Recht des Stärkeren.«15 Durch das schier überwältigende Unrecht findet der Gerechte sogar den Tod (Jes 57,1). Nach Jes 58,4 kommt es zu Zank und Streit, der in rohe Gewalt ausartet, da man »mit der gottlosen Faust schlägt« ([vr @rgab twkhl). Angesichts dieser äußerst angespannten Lage tritt Jhwh im mehrgliedrigen Gedicht von Jes 59,1 – 2016 erstmals machvoll in Erscheinung: Das Kapitel lässt sich in einen (An)Klageteil (V.1 – 8), ein Sündenbekenntnis (V.9 – 15a) und den von Gott dominierten Schlussteil (V.15b–20) gliedern.17 Mit einem emphatischen »Siehe!« (!h) werden die Frevler in Jes 59,1 vom Propheten zur Einsicht über die göttliche Strafgewalt aufgerufen, welche die Gerechten befreien soll (vgl. V.9 – 14): »Seine Hand (wdy) ist nicht zu kurz zur Rettung!« (59,1; vgl. 37,27; 50,2). Damit gibt die vox prophetica unmissverständlich zu verstehen, dass es nicht Jhwhs Ohnmacht geschuldet ist, dass innerhalb des Volkes Unfrieden herrscht. »Gleich zu Beginn setzt […] der Prophet mit der Feststellung ein, […] daß die Sündhaftigkeit des Volkes ein trennendes Hindernis […] aufgerichtet habe.«18 Weil die Gerechtigkeit aus Jerusalem in weite Ferne gerückt ist (dm[t qwxrm hqdc, 59,14), bereitet Gott sich in Jes 59,15b–18 auf die Auseinandersetzung mit seiner Gegnerschaft vor:

15 U. Berges, Buch, 466. 16 Der sekundäre Charakter von V.21 ist allgemein anerkannt (vgl. P. Smith, Redaction, 125; B. M. Zapff, Jes 56 – 66, 381; J. L. Koole, Jes 56 – 66, 168): Er dient als Überleitung zwischen den beiden Kapiteln, indem er das Stichwort xwr aus Jes 59,19 aufgreift und zugleich auf die Geistbegabung in Jes 61,1 f. vorausblickt; vgl. K. Koenen, Ethik, 66. 17 Hier liegt aber kein »eigenartiges, barockes Gebilde« vor (so C. Westermann, Jes, 274), sondern »an artful combination« (Th. R. Yoder-Neufeld, Armour of God, 15). Das redaktionsgeschichtliche Verhältnis der Strophen wird in der Forschung unterschiedlich bewertet: Während B. M. Zapff, Jes 56 – 66, 374 oder P. Smith, Redaction, 127 die Gesamtanlage (Jes 59,1 – 20) auf einer redaktionsgeschichtlichen Ebene ansiedeln, sehen etwa U. Berges, Buch, 482 – 485 oder K. Koenen, Ethik, 73 – 76 im letzten Abschnitt (Jes 59,15b–20) einen sekundären Nachtrag. 18 E. Haag, Waffenrüstung, 28.

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch Jhwh rüstet zum Kampf (Jes 59,15b–18)

15b

Und Jhwh sah und es war böse in seinen Augen, dass es keine Gerechtigkeit gibt. 16 Und er sah, dass es niemanden gab, und war erstaunt, dass es keinen Fürbittenden19 gab. So half ihm sein Arm, und seine Gerechtigkeit, sie unterstützte ihn. 17 Und er zog Gerechtigkeit an wie den Panzer, und der Helm der Rettung [ist] auf seinem Haupt, und er zog Rachegewänder an als Kleidung, und hüllte sich wie [in] einen Mantel [von] Eifer. 18 Gemäß den Taten, so wird er vergelten: Zornesglut für seine Gegner, Vergeltung für seine Feinde, den Inseln wird er das Tun vergelten.20

Diese machtvolle Intervention Jhwhs bildet den Höhepunkt des Gedichts.21 Mit seinem Erscheinen als Krieger, der sich zum Kampf rüstet (vgl. Weish 5,17 – 23; Eph 6,10 – 1722), reagiert Jhwh auf den Umstand, dass gerade denjenigen Unrecht in Form von Plünderungen (llv hitpol.; vgl. Ps 76,6) widerfährt, die sich vom Bösen fernhalten ([rm rws, Jes 59,15a). Denn dies erscheint »in seinen Augen als böse« (wyny[b [[r, V.15b; vgl. Jes 65,12; 66,4). Den Verstehenshintergrund für die göttliche Aufrüstung bildet einerseits die Anklage gegen eine nicht näher identifizierte Gruppe im ersten Teil des Kapitels (V.2 – 8). Diese schließt mit exakt jener Beobachtung, die das Aktivwerden Jhwhs begründet: die vollkommene Abwesenheit von Recht (jpvm !ya, V.8.15b). Andererseits zeigen sich auch Anknüpfungspunkte an das Sündenbekenntnis der Wir-Gruppe im Mittelteil (V.9 – 15a): Die Hoffnung auf Rettung (h[wvyl, V.11), die ebenso wie Recht (jpvm) und Gerechtigkeit (hqdc) fernbleiben (qxr, V.14), beantwortet Jhwh, indem er sich selbst mit diesen Attributen für den Kampf ausstattet (V.16 f.). Die Zusammenstellung von Anklage und kollektivem Sündenbekenntnis zeigt, dass die Gemeinschaft nach Ansicht von Jes 59 zwar bereits tief gespalten ist. Der Bruch wird aber noch für überwindbar gehalten, nämlich indem Jhwh mit Gerechtigkeit und Heil gerüstet eingreift und den Frevlern ihre 19 MT ließe zwar mit Blick auf Ijob 36,32 die Übersetzung »Angreifer« für [gp hiph. part. zu, doch LXX (jai ouj gm o amtikglxolemor) und im Anschluss Vg (quia non est qui occurrat) haben die Verbform im Sinne von »bitten« verstanden. 20 Der Schlussstichos, der das göttliche Vergeltungshandeln auf die Inseln ausdehnt (~yya), fehlt in LXX. Die Ausdehnung auf die weltweite Ebene findet sich jedoch in anderen antiken Texttradition (1 QJesa : lmg ~yyal ~lvy ; Tg: ~ylvy almg atwgnl; Vg: et vicissitudinem inimicis suis insulis vicem reddet). Angesichts dieses Textbefundes scheint Jes 59,18b der ursprüngliche Abschluss (vgl. O. H. Steck, Feinde, 187; P. Smith, Redaction, 124) und keine sekundäre Glosse zu sein (so etwa W. Lau, Schriftgelehrte Prophetie, 222). 21 Vgl. B. Schramm, Opponents, 140: »the climax of the passage«. 22 Dazu Th. R. Yoder-Neufeld, Armour of God.

Der Krieger JHWH und seine Knechte – göttliche Gewalt in Tritojesaja (Jes 56 – 66)

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bösen Taten vergilt (lmg, V.18). Zur Bestrafung dienen Gott nun aber nicht fremde Völker, mit denen er in der ersten Teilkomposition (Jes 1 – 12) sein Volk für dessen Vergehen bestraft oder in Jes 40 – 55 von der babylonischen Fremdherrschaft befreit. Wie bereits Jes 59,1 im Bild der rettenden Hand pointiert dargestellt hat, vollzieht Jhwh die Bestrafung mit seinen eigenen Händen. Diese Veränderung in der Inszenierung göttlicher Gewalt wird am Ende des Gedichts noch einmal explizit hervorgehoben, indem Jhwh umherblickt (har, V.16) und konstatiert, dass ihm und der bedrängten Gruppe kein Helfer zur Seite steht (vgl. 63,5). Jhwh trägt damit nicht mehr die Züge eines Kriegsherrn, sondern wird als mächtiger Einzelkämpfer präsentiert: »Die fehlenden Verbündeten im Kampf gegen die Sünde seines Volkes ersetzt Jahwe selbst«23, indem er auf »seine Gerechtigkeit« (wtqdc) sowie »seinen Arm« (w[wrz) zurückgreift. Die Gerechtigkeit begegnet hier erstmals nach Jes 56,1 wieder als göttliches Attribut.24 Während die göttliche Hand (dy) in 59,1 ein letztes Mal25 als Symbol göttlicher Gewalt in Erscheinung trat26, repräsentiert der Arm im Jesajabuch »die Unwiderstehlichkeit der Führungsmacht bei der Durchsetzung seines Herrschaftsanspruches«27 und verstärkt seit dem Zion/Jerusalem-Teil (Jes 49 – 55) das rettende Handeln Jhwhs (so Jes 51,5.9; 52,10; 53,1; vgl. Jes 30,30; 33,2; 40,10 f.; 48,14).28 Unter diesem Aspekt sind auch die weiteren Belege zu deuten (vgl. Jes 62,8; 63,5): Sie gruppieren sich um die Zionskapitel (Jes 60 – 62) und spielen wohl auf die göttliche Rettung im Exodus an (bes. 63,12; vgl. Ex 15,16; Dtn 4,34; 5,15; 7,19; 11,2). Die Darstellung von Jes 59 betont den unterstützenden Charakter der göttlichen Attribute: Sie agieren nicht eigenständig, sondern dienen Gott als Hilfe ([vy) und Unterstützung ($ms). Während Jhwhs mächtiger Arm nach Ps 44,4 auch bei der Eroberung des verheißenen Landes hilft ([wrz [vy, vgl. Ps 98,1), ist die (Unter)Stützung durch Gerechtigkeit (hqdc $ms) nur an dieser Stelle belegt. Die einzigartige Kombination der beiden Attribute als göttliche Werkzeuge zeigt, dass Jhwhs Eingreifen in Jes 59, 15b–18 primär auf

23 B. M. Zapff, Jes 56 – 66, 379. 24 Die übrigen Belege von hqdc mit (göttlichem) ePP im Jesajabuch zeigen, dass der Begriff diese Funktion bereits in Jes 40 – 55 übernimmt (Jes 46,13; 51,6.8; vgl. 54,17); vgl. T. L. Leclerc, Justice, 129: »Justice has taken a distinctly theological turn and functions now as an attribute of God’s sovereignty.« 25 Die göttliche Hand verweist im weiteren Verlauf entweder auf die Jhwh-Bezogenheit Israels als Werk seiner Hände (vgl. Jes 60,21; 64,7; 66,2) oder betont Jhwhs Fürsorge (vgl. Jes 62,3; 65,2; 66,14). 26 Die Belege der göttlichen Hand als Gewaltinstrument nehmen im Verlauf der Prophetenschrift signifikant ab: Jes 1 – 12: 7x (z. B. 1,25; 5,25; 9,11; 11,11); Jes 13 – 27: 4x (14,27; 19,16; 23,11; 26,11); 28 – 34: 3x (28,2; 31,3; 34,17); Jes 40 – 55: 4x (40,2; 43,13; 50,11; 51,17); Jes 56 – 66: 1x (59,1). 27 E. Haag, Waffenrüstung, 38. 28 Zum Arm Jhwhs im Jesajabuch siehe H. L. Ginsberg, Arm.

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

die Durchsetzung von Gerechtigkeit zielt. So weist Gottes Rüstung bereits auf das Ergebnis seines Kampfes voraus (vgl. Jes 61,11).29 Da die Attribute, mit denen sich Jhwh zum Streit ausstattet, im Mittelpunkt der Szene stehen (59,17), werden die Ausrüstungsgegenstände auch zum »most memorable aspect of the theophany«30. An erster Stelle bekleidet er sich mit Gerechtigkeit (hqdc vbl), womit diese ihn einerseits im Kampf aktiv unterstützt (V.16), anderseits aber auch wie ein Panzer schützt (!wyrv, vgl. 1 Sam 17,5.38; 1 Kön 22,34; 2 Chr 18,33; 26,14; Neh 4,10). Damit verfügt der Krieger Jhwh über dieselbe Ausstattung wie der mit der hwhy xwr ausgestattete Herrscher von Jes 11, der gemäß V.5 Gerechtigkeit (hqdc) und Treue (hnwma, vgl. 59,4) als Gürtel (rwza) trägt. Der »Helm des Heils« (h[wvy [bwk) knüpft ebenfalls an den vorherigen Vers an ([vy, V.16). Beide Begriffe geben zu verstehen, dass Jhwh die allegorischen Waffen sowohl zum Angriff (V.16) gegen seine Widersacher (vgl. V.18), als auch zur Verteidigung (V.17) derjenigen einsetzen kann, die seiner Rettung bedürfen.31 Jhwh stattet sich mit Gerechtigkeit und Heil aus, weil beides innerhalb des Volkes in weite Ferne gerückt ist (qxr, V.11.14). Aus demselben Grund wirft er sich auch die »Rachegewänder« (~qn ydgb) und den »Mantel des Eifers« (hanq ly[m) über : Denn die hanq bezeichnet im gesamten Jesajabuch den göttlichen Eifer für sein Volk und dessen Befreiung, die er zum Teil mit gewaltsamen Mitteln vollbringt (vgl. Jes 9,6; 11,13; 26,11; 37,32; 63,15). Schon in Jes 42,13 war Jhwh wie ein Kriegsmann gegen die Unterdrücker seines Volkes ausgezogen. Er hatte seinen Eifer geweckt (hanq rw[), um sich an seinen Gegnern als Held zu erweisen. Stand dort die Auseinandersetzung mit den fremden Unterdrückern im Rahmen des Babylonischen Exils im Vordergrund, konzentriert sich nun der Konflikt mit der Völkerwelt32 (vgl. ~yya, V.18) auf die Feinde innerhalb der nachexilischen Gemeinde.33 Die Gefahr von außen weicht in Jes 56 – 66 zusehends einer inneren Bedrohung. Denn die Gewänder der »Rache« (~qn) am Ende von V.17 deuten auf den Aspekt der vergeltenden Gewalt voraus, auf den Jhwhs Aufrüstung zuläuft (vgl. 63,4!). Der retributive Charakter der göttlichen Intervention zeigt sich in V.18 etwa darin, dass Jhwh auf die schädigenden »Taten« (34lwmg) seiner Feinde mit »Vergeltung« (lmg) antwortet. Ähnliches gilt für die doppelte Aufnahme von ~lv : 29 Vgl. C. Westermann, Jes, 279. 30 Th. R. Yoder-Neufeld, Armour of God, 28. 31 Zugleich ist aber E. Haag, Waffenrüstung, 39 recht zu geben, dass Jes 59,17 »keine Angriffswaffen erwähnt und auch kein Blutvergießen kennt«. 32 Dies deuten auch die zahlreichen Stichwortwortverbindungen von Jes 59,17 f. zu Jes 34,2.8 an (hmx; lmg; ~qn; ~lv). 33 Dazu ausführlich O. H. Steck, Feinde. 34 Vgl. G. Sauer, Art. lmg, 428.

Der Krieger JHWH und seine Knechte – göttliche Gewalt in Tritojesaja (Jes 56 – 66)

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Gott »vergilt« (~lv pi.) nicht nur den fremden Völkern (vgl. ~yya, V.18), sondern auch denjenigen innerhalb von Zion/Jerusalem, die den Weg des »Friedens« (~wlv) nicht kennen (V.8).35 Bei der göttlichen Rache und Vergeltung geht es daher keinesfalls um ein blindes Wüten, sondern »the basic idea seems to be a setting right of what has been skewed and distorted by sin, an affirmation that injustice will not prevail«36. Während die hwhy xwr die daherflutenden Gegner (rhnk rc) in die Flucht schlägt (swn po., V.19), kommt Jhwh zum Zion in seiner Funktion als Löser (lawg, V.20). Doch gilt sein (Er)Lösungshandeln dort nur denjenigen, die von ihrem Treuebruch umkehren ([vp ybvl).37 Ansonsten – so ist Jes 59,20 wohl zu deuten – »läßt JHWH keine Zeit verstreichen, sondern rüstet sich zum Kampf gegen die Feinde, gegen die, die in ihrer Sünde verharren«38. Dass Zion die Begünstigte der göttlichen Vergeltung bildet, zeigt sich auch in den folgenden Kapiteln, so etwa in der göttlichen Zusage an die Stadt: »Dein Volk, sie alle [sind] Gerechte!« (Jes 60,21), oder in Zions Antwortgesang, Jhwh habe sie in den »Mantel der Gerechtigkeit […] gekleidet« (hqdc ly[m […] vbl hiph., Jes 61,10; vgl. 59,17). Diese semantischen Verbindungslinien verknüpfen Jes 59,15b–20 (sekundär) mit den Kernkapiteln von Jes 56 – 66.39 Stellt man in Rechnung, dass sich Jhwh auch in Jes 63,1 – 6 als Gewalttäter präsentiert, kommt dem Zion auch unter kompositorischem Blickwinkel eine entscheidende Rolle für das göttliche Gewalthandeln zu: Denn wie zum Schutz der Stadt legen sich beide Abschnitte um die Zionskapitel im Zentrum von Tritojesaja (Jes 60 – 62).40

4.6.3 Der Keltertreter kehrt siegreich aus dem Kampf zurück (Jes 63,1 – 6) Ging es in Jes 59,15b–20 um die Rüstung zum Krieg, kehrt Jhwh in Jes 63 bereits aus dem Kampfgeschehen zurück. »Er hat in Jes 59 seine Rüstung zum Kampf angelegt und tritt in Jes 63 nach dem Kampf als Sieger auf.«41

35 Dies macht es nach P. Smith, Redaction, 124 auch »more likely that the enemies are both apostate Jews and the gentile nations«. W. Lau, Schriftgelehrte Prophetie, 181 bezieht die Vergeltung dezidiert »nicht auf äußere Feinde« [Hervorhebung: W. L.]. 36 J. Blenkinsopp, Jes 56 – 66, 198 f. 37 Vgl. B. Schramm, Opponents, 141; P. Smith, Redaction, 127. 38 U. Berges, Buch, 480. 39 Nach O. H. Steck, Bereitete Heimkehr, 73 fungieren »[Jes] 59,15b ff als Hinführung auf die vorgegebene Weissagung [Jes] 60 – 62«. 40 Vgl. J. Blenkinsopp, Jes 56 – 66, 39. 41 K. Koenen, Ethik, 85.

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch Jhwh kehrt aus dem Kampf zurück (Jes 63,1 – 6)

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Wer [ist] dieser, kommend aus Edom, [mit] grellroten Kleidern aus Bosra? Dieser, prächtig in seinem Gewand, stolz in der Macht seiner Kraft. »Ich [bin es, der] redet in Gerechtigkeit, mächtig zu retten!« 2 Warum [ist] rot dein Gewand? Und deine Kleider wie [die] eines Keltertreters? 3 »Die Kelter trat ich allein, und von den Völkern [war] nicht eines mit mir. Ich trat sie in meinem Zorn, und ich zertrat sie in meiner Glut. Und es spritzte ihr Saft auf meine Kleider und all meine Gewänder besudelte ich. 4 Denn ein Tag der Rache [war] in meinem Herz, und das Jahr meiner Vergeltung war gekommen. 5 Und ich blickte umher und es gab keinen Helfer. Und ich wunderte mich, aber es gab keinen Unterstützer. Und es half mir mein Arm, und mein Groll, der hat mich unterstützt. 6 Und ich trat nieder die Völker in meinem Zorn, und machte sie trunken in meiner Glut, und ich ließ rinnen zur Erde ihren Saft.«

Die Szene von Jes 63,1 – 6 gibt sich zwar durch die Einleitungsfrage (V.1a) sowie den Sprecherwechsel in V.7 als eigenständige Einheit zu erkennen42, ist aber zugleich – gerade in Zusammenschau mit ihrem Gegenstück in Jes 59,15b–2043 – mit den angrenzenden Abschnitten verbunden44 : So folgt Jhwhs Erscheinen (awb) als Keltertreter aus Edom (63,1) auf die göttliche Verheißung an Zion, dass ihr Heil nun kommt (awb, 62,11)45, sodass man das Volk nun die »Erlösten Jhwhs« (hwhy ylwag, V.12; vgl. 59,20) nennt. Die Lichtkapitel (Jes 60 – 62) werden mit ihrer Rahmung über den Begriff der göttlichen »Rache« (~qn, Jes 42 Redaktionsgeschichtlich rechnet etwa C. Westermann, Jes, 304 mit einer mehrstufigen Textgenese. Die Vision besitzt in V.1 – 3 seinen Kern und wird durch V.4 – 6 (vgl. yk, V.4a) sekundär erweitert. B. M. Zapff, Jes 56 – 66, 404 dehnt den Grundbestand hingegen auf V.4 aus, der an Jes 34 anknüpft (vgl. ~wda: 34,5.6; 63,1; hrcb: 34,6; 63,1; ~qn ~wy : 34,8; 63,4), wohingegen die sekundäre Erweiterung V.5 f. einen Rückbezug zu Jes 59,15b–20 herstellt und so für die Rahmung von Jes 60 – 62 sorgt. 43 Das redaktionsgeschichtliche Verhältnis der Texte zueinander ist in der Forschung jedoch umstritten; vgl. die Zusammenstellung der verschiedenen Positionen bei K. Koenen, Ethik, 83 f. 44 Gegen W. Lau, Schriftgelehrte Prophetie, 281 f. Zu weiteren Anknüpfungspunkten siehe P. Smith, Redaction, 41 – 44. 45 Zur Bedeutung der Wurzel awb für die Jhwh-Edom-Kapitel (Jes 34/35; 59/63) siehe B. Gosse, Isae, 398.

Der Krieger JHWH und seine Knechte – göttliche Gewalt in Tritojesaja (Jes 56 – 66)

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59,17; 61,246 ; 63,4; vgl. 34,8) zusammengehalten.47 Im Anschluss an die lange Gottesrede (63,3 – 6) ergreift in V.7 eine nicht näher identifizierte Stimme das Wort, welche Jhwh für seine »Taten« (lmg, vgl. Jes 59,18) preist und damit in hymnischer Form zum großen »Volksklagelied« (Jes 63,7 – 64,11) überleitet. Der Abschnitt Jes 63,1 – 6 selbst ist dialogisch strukturiert: Er besteht aus zwei Fragen (V.1a.2), auf die Gott jeweils selbst antwortet (V.1b.3 – 6), womit sich ein zweistrophiger Aufbau des Kapitels nahelegt (V.1.2 – 6). Da die vox prophetica in V.1a zunächst nach der Identität des aus Edom Kommenden fragt, erinnert der Text an eine Wächterszene (vgl. 2 Sam 18,24 – 27; 2 Kön 9,18 f.), wie sie schon im Orakel gegen Duma (= Ser/Edom!48, Jes 21,11 f.; vgl. V.7 – 9) eingespielt wurde. In Jes 63 vollzieht sie sich offensichtlich an der Jerusalemer Stadtmauer (vgl. Jes 62,6).49 Die Erwähnung von Edom und Bosra lässt unweigerlich an das erste große Edom-Orakel denken (vgl. Jes 34,6). So erscheint Jhwhs Rückkehr aus Edom bzw. Bosra in synchroner Lesart als Realisierung der göttlichen Gerichtsankündigung aus Jes 34. Der »Tag der Rache« (~qn ~wy), den Jhwh in Jes 34,8 in Aussicht stellte, ist offensichtlich bereits angebrochen (vgl. 63,4).50 Das Ergebnis des göttlichen Handelns an diesem Tag lässt sich – wie in Jes 59,15b–20 – an Jhwhs Gewändern ablesen, auf deren Beschreibung auch der Eröffnungsvers von Jes 63 den Akzent setzt (vgl. 59,17): Legte Gott in Jes 59 Gerechtigkeit, Heil und Vergeltung als Rüstung für den Kampf an, ist seine Kleidung nun schillernd rot (#wmx) gefärbt. Woher die Einfärbung stammt, bleibt vorerst ungesagt. Erst im zweiten Redegang wird Jhwh darüber Auskunft geben (V.2 – 6). Zunächst steht die machtvolle, majestätische Erscheinung des Herannahenden im Mittelpunkt: In Anbetracht von »Kraftfülle« (xk br, vgl. Ijob 23,6; 30,18; Ps 147,5) und »Pracht« (rdh, vgl. Jes 2,10.19.21; 35,2) kann es sich beim Angesprochenen nur um Jhwh handeln.51 Dieser ergreift in V.1b erstmals selbst das Wort und gibt sich als jener zu erkennen, der »in Gerechtigkeit redet« (hqdcb rbdm, vgl. Jes 45,23) und »mächtig zur Rettung« ([yvwhl br) ist. So werden mit hqdc und [vy zwei zentrale Stichworte für das göttliche Aktivwerden aus Jes 59 (bes. V.16) aufgenommen52 und an den Beginn 46 Wie Ders., SynthÀse, 542 überzeugend dargelegt hat, speist sich diese göttliche Ankündigung aus Jes 49,8, doch wird aus dem »Tag der Rettung« (h[wvy ~wy) bereits in Jes 61,2 der »Rachetag« (~qn ~wy). Dies unterstreicht »la mont¦e en puissance du thÀme de la ›vengeance‹ dans le cadre des perspectives de venue du salut« (ebd.), die in den letzten Kapiteln des Jesajabuches deutlich spürbar ist. 47 Dazu O. H. Steck, Rachetag, 110 – 116. 48 Vgl. J. Blenkinsopp, Jes 56 – 66, 247 und LXXJes 21,11: to oqala tgr Idoulaiar. 49 So auch L. Ruszkowski, Volk, 50. Dass Jhwh allerdings aus Edom kommt, »um in Jerusalem zu wohnen«, wie K. Koenen, Ethik, 77 annimmt, geht aus Jes 63,1 – 6 nicht hervor. 50 Vgl. W. Lau, Schriftgelehrte Prophetie, 281. 51 Vgl. K. Koenen, Ethik, 78. 52 Vgl. J. L. Koole, Jes 56 – 66, 167.

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

des Abschnittes gestellt. Beide Begriffe identifizieren die herannahende Gestalt als Jhwh und stellen sein anschließend beschriebenes Gewalthandeln unter die Vorzeichen von (göttlicher) Gerechtigkeit und Rettung, selbst wenn die Termini im weiteren Verlauf des Abschnittes keine tragende Rolle mehr spielen.53 In der zweiten Strophe (V.2 – 6) liegt der Fokus nicht auf der Darstellung von rettender Gewalt. Das Gottesbild ist vielmehr von strafender Gewalt geprägt, die Jhwh aus Zorn an den Völkern verübt. In V.2 ergreift der Wächter abermals das Wort und spricht den Herannahenden nun direkt an. Wie schon in der ersten Frage zeigt er sich besonders am Aussehen der Kleider interessiert (vgl. die Aufnahme von dgb und vbl aus 59,17). Das Stichwort ~da »rot«, das den Begriff #wmx zur Beschreibung der Kleidung aus V.1a ablöst, gibt bereits auf subtile Weise zu verstehen, dass die Färbung mit dem Ausgangsort des göttlichen Zuges – »Edom« (~wda) – zu tun hat. Das Wortspiel verweist wie in Gen 25,27 – 34 auf die Pointe der Szene: Steht in der Erzelternerzählung das Recht des Erstgeborenen im Mittelpunkt, auf das Edom/Esau zugunsten eines roten Linsengerichts verzichtet (vgl. V.30), geht es nun um ein grausames Vernichtungshandeln in Edom, das an Jhwhs Gewand blutrote Spuren hinterließ. Es fällt jedoch auf, dass das B-Kolon die Verfärbung der Kleidung nicht auf verübte Gewalt zurückführt, sondern sie mit dem Gewand eines Keltertreters (tgb $rd) vergleicht. Der Wächter führt damit ein Bild aus dem Bereich der Erntemetaphorik in den Dialog mit Jhwh ein.54 »Die tg ist das höher gelegene, mit Trauben gefüllte Tretbecken der Kelteranlage.«55 Während das Keltern ($rd) in Jes 16,10 die (Vor)Freude bei der Ernte versinnbildlicht, dient das Motiv hier zur Umschreibung göttlicher Gewalt, was in der übrigen HB nur mehr in Klgl 1,1556 der Fall ist: Dort ist das Opfer jedoch kein fremdes Volk, sondern die »Jungfrau Tochter Juda« (57hdwhy-tb tlwtbl). Der Wachmann von Jes 63,2 führt Jhwhs Erscheinen in rot gefärbter Kleidung auf die Arbeit eines Keltertreters zurück, wohingegen die für das Jesajabuch sonst üblichen Gewaltlexeme (z. B. hkn, rbv) in der Szene (Jes 63,1 – 6) fast vollkommen fehlen. In seiner Antwort (V.3 – 6) übernimmt Jhwh das Keltermotiv, modifiziert das Bild jedoch dahingehend, dass er es auf kunstvolle Weise 53 Während die Wurzel qdc in Jes 63,1 – 6 keine Belege mehr hat, taucht [vy zwar in V.5 ein weiteres Mal auf, doch geht es hier um Jhwhs eigenen Arm, der ihn an seinem Rachetag (~wy ~qn, V.4) unterstützt. 54 Anklänge an die Weinerntemetaphorik finden sich bereits in V.1, da man den Ortsnamen Bosra (hrcb) als Partizipialform von rcb (»Trauben abschneiden«, z. B. Lev 25,5; Dtn 24,21; Ri 9,27; Jer 49,9; Ob 5) deuten kann; vgl. B. M. Zapff, Jes 56 – 66, 403. 55 H. W. Wolff, Am, 97. 56 Das Motiv der Kelter (tg) als Ort des göttlichen Strafgerichts findet sich darüber hinaus in Jorl 4,13. Doch zertritt Jhwh dort die feindlichen Völker nicht selbst, sondern ruft zum Stampfen der vollen Kelter auf ( tg halm-yk wdr). 57 Dazu U. Berges, Klgl, 116.

Der Krieger JHWH und seine Knechte – göttliche Gewalt in Tritojesaja (Jes 56 – 66)

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mit der Sachebene verknüpft und so die Hintergründe seines Gewalthandelns in Edom aufzeigt. Die zweite Gottesrede (V.3 – 6) besitzt einen komplexen Aufbau, in dessen Zentrum die mit yk eingeleitete Charakterisierung des Geschehens als »Rachetag« (~qn ~wy) und »Jahr meiner Vergeltung« (ylwag tnv) steht.

Über das Stichwort »Treten« ($rd) führt Jhwh die Szene zunächst weiter, verschiebt nun aber den Schwerpunkt, indem er sich als alleiniger Keltertreter präsentiert (ydbl): Wenn er zudem hervorhebt, dass »niemand« (va-!ya) mit ihm war, erinnert dies an Formulierungen aus Jes 59,16, aber auch an Jes 50,2, wo Gott der Mutter Zion die Rückkehr ihrer Kinder zusichert und dies als ein von ihm allein vollbrachtes Geschehen herausstellt. Mit dieser Amalgamierung der Perspektiven »l’intervention contre Edom ¦tant conÅue dans la continuit¦ de l’intervention divine ayant permis le retour de l’exil«58. Dem entspricht im parallelen Rahmenglied (63,5b) der Verweis auf die unterstützende Funktion seines Armes ([wrz), der Gott schon in Jes 59,16 zur Seite stand und vor allem in den Zionstexten von Jes 40 – 55 die göttliche Heilswende vollbringt (vgl. 40,10.11; 51,5.9; 52,10; 53,1). Da Jhwh in Jes 63,3 darüber hinaus betont, dass keiner »von den Völkern« (~ym[m) bei ihm war, wird hier zusätzlich die Völkerthematik aufgerufen. Löst man das Bild zu Gunsten der Sachebene auf, so betont Jhwh hier abermals, dass er sich keiner fremden Nationen zur Verübung von Gewalt bedient. Statt als mächtiger Feldherr über fremde Armeen – wie in Jes 1 – 12 oder Dtjes – tritt er als starker Krieger gegen die Nationen in Erscheinung (vgl. Jes 34)!59 Entgegen der Erwartung, die die Rede von der ausbleibenden Unterstützung durch die Nationen erzeugt, waren die Völker sehr wohl in der Weinpresse anwesend. Sie dienten nur nicht als Hilfskontingente zur Vollstreckung der göttlichen Gewalt, 58 B. Gosse, SynthÀse, 538. 59 Vgl. B. M. Zapff, Jes 56 – 66, 404.

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

sondern bildeten deren Opfer : Denn er zertrat die Nationen in Zorn (@a) und in Glut (hmx) stampfte er sie derart kräftig nieder (60smr), dass ihr Blut – in Jes 63,3.6 singulär als »Saft« (61xcn) bezeichnet – auf Jhwhs Kleider spritzte. Mit dieser brutalen Inszenierung lüftet Gott endgültig das Rätsel um die Färbung seines Gewandes: Sie geht zurück auf das blutige Gericht, das er an den Völkern in Edom vollzogen hat.62 Am Schluss der Gottesrede (V.6b) kehrt die euphemistische Darstellungsweise des Feindesblutes wieder : Wenn Jhwh dort durchblicken lässt, dass er Edoms »Saft zur Erde rinnen ließ« (~xcn #ral dry hiph.), so schlägt das Bild eine Brücke zum ersten Edom-Orakel (Jes 34), wo »ihr Land« als »von Blut trunken« (~dm ~cra htwr) beschrieben wird (V. 8). Obgleich der Begriff ~d in Jes 63,1 – 6 (gezielt?63) vermieden wird64 und auch die gängigen Gewalttermini fehlen, ist das Gottesbild von grausamen Zügen geprägt, wie sie im Jesajabuch sonst nur selten vorkommen65 : Vergleichbar erscheint die ebenfalls als Gottesrede stilisierte Verheißung an Zion aus Jes 49,26: »Ich werde deinen Unterdrückern ($ynwm) ihr Fleisch zu essen geben (lka hiph.), und sie sollen durch ihr Blut (~md) trunken werden (rkv qal; vgl. 63,6).« Die Grausamkeit trifft hier aber keine Unschuldigen, sondern dient der Bestrafung derjenigen, die bisher gegen Zion mit massiver Gewalt auftraten.66 Indem Jhwh 60 J. L. Koole, Jes 56 – 66, 338 verweist darauf, dass der Begriff das Bild deutlich verschärft: Die Wurzel smr wird zwar sonst nirgendwo im Kontext der Weingewinnung verwendet, doch umschreibt das »Stampfen« mehrfach die Verübung massiver Gewalt (vgl. Jes 1,12; 16,4; 26,6; 28,3; 41,25). 61 Hier könnte eine subtile Anspielung auf den Begriff xcn (»Ewigkeit«) vorliegen, mit dem die Dauerhaftigkeit der Zerstörung von Babylon (13,20), vor allem aber von Edom unterstrichen wird (Jes 34,10). 62 Gegen P. Smith, Redaction, 40, der die ePP sowie den Verweis auf »ihren Saft« (~xcn) in V.3ab nicht auf die Völker, sondern auf Edom und Bosra (V.1) bezieht. Für die Überblendung spricht darüber hinaus, dass Edom auch in anderen atl Texten aus exilisch-nachexilischer Zeit zur »Chiffre für die Feinde des Gottesvolkes« wird (Zitat: U. Berges, Jesaja, 148 mit Verweis auf Ez 35; Ps 137; Klgl 4,21 f.; Obd 10 – 16; Mal 1,2 – 4). 63 Die Vermeidung könnte damit zusammenhängen, dass der menschliche ~d meist als Memento für unrechtmäßig verübte Gewaltakte steht (so z. B. Jes 1,15; 4,4; 9,4; 26,21; 33,15; 59,3.7; vgl. B. Kedar-Kopfstein, Art. ~d, 256) und das »Besudeln mit Blut« (~db lag) unrein macht (vgl. Klgl 4,14). 64 Im Vergleich dazu fällt das Stichwort im Edom-Orakel von Jes 34 mit drei Belegen (V.3.6.7) so oft wie in keinem anderen Kapitel des Jesajabuches. 65 Auch in der altorientalischen Umwelt gibt es wenige analoge Darstellungen. Dem Gottesbild von Jes 63 am nächsten kommt die Darstellung Anats im Baal-Zyklus (vgl. KTU 1,3, II,5 – 30), der zufolge sie nach siegreichem Kampf auf dem Heimweg zu ihrem Tempel durch das Blut der getöteten Feinde watet: »Sie tauchte mit den Knien ins Blut der Starken, mit den Oberschenkeln in das Gerinnsel der Soldaten« (Z. 13 – 15; vgl. Z. 27 f.; Übersetzung nach TUAT III, 1139). Doch mit Blick auf das Verhältnis zu Jes 63,1 – 6 muss man sich »im klaren darüber sein, hier keine unmittelbare Beziehung vor sich zu haben« (W. Herrmann, Signifikanz, 539). 66 Denn (Gewalt)Handlungen, die mit der Wurzel hny beschrieben werden, erscheinen in der HB durchwegs in negativem Licht (z. B. Ex 22,20; Ps 74,8; Ez 22,7; Zef 3,1).

Der Krieger JHWH und seine Knechte – göttliche Gewalt in Tritojesaja (Jes 56 – 66)

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das Schicksal Jerusalems auf diese – zweifelsohne brutal inszenierte – Art und Weise wendet, erweist sich der Starke Jakobs (bq[y ryba) nach Jes 49,26 zugleich als Zions Erlöser ($lag). Das für Jes 40 – 66 insgesamt so zentrale Theologumenon lag dient auch für die in Jes 63,1 – 6 beschriebene Gewalt als entscheidender Verstehensschlüssel: Denn dass Jhwh seine Gewänder (mit Blut) ausgerechnet »besudelt« (lag II; vgl. Klgl 4,14) und sich damit der (kultischen) Unreinheit aussetzt (vgl. Dan 1,8; Zef 3,1; Mal 1,7), bildet einen subtilen Vorverweis auf das »Jahr meiner Vergeltung« (ylwag), unter das Gott die zuvor beschriebene Gewalt stellen wird (Jes 63,4). Grausamkeit und Errettung werden so in eine für heutige Lesende sehr befremdlich wirkende Spannung gesetzt67: Gott macht sich schmutzig (lag II, V.3), um zu befreien (lag I, V.4). »›Zorn‹ (@a) und ›Grimm‹ (hmx) (63,3.5.6) sind auf das Heil, die ›Rettung‹ ([vy) (V.1.5) und ›Befreiung/Loskauf‹ (~ylwag) (V.4) ausgerichtet.«68 Die Rede vom »Rachetag« (~qn ~wy) verbindet hingegen Jhwhs Rückkehr aus Edom eindeutig mit dem großen Schlachten in Edom (vgl. Jes 34,8). Stand der ~wy ~qn dort noch (unmittelbar) bevor (vgl. die Nominalsätze), ist das Jahr der Vergeltung nun bereits »gekommen« (awb qatal). Schon in Jes 34 kam es zu einer Überblendung zwischen dem göttlichen Zornesgericht an den Völkern (V.2 f.) und dem Strafhandeln an Edom (V.5 f.). Das Kapitel stilisierte Israels östlichen Nachbarn (in der Nachfolge von Assur und vor allem Babylon) zum Gottesfeind, an dem sich das Völkergericht paradigmatisch vollzieht. In diesem göttlichen Gewalthandeln stand nach V.8 der Rechtsstreit um Zion (!wyc byrl) im Mittelpunkt: Den Hintergrund bildet die Bedrohung der Stadt durch äußere Feinde, vor der Jhwh sie als mächtiger Krieger rettet. Wie anhand der kompositionellen Anlage von Jes 59.(60 – 62).63 aufgezeigt, spielt die Auseinandersetzung um Zion für die Deutung der dargestellten göttlichen Gewalt von Jes 63,1 – 6 ebenfalls eine wichtige Rolle. Doch haben sich in der literarischen Inszenierung die Kampflinien »nach hinten« verschoben. Denn wenn man Jes 63,1 – 6 in Kontinuität zu Jes 59,15b–20 liest, »so sind die Dahingeschlachteten von Jes 63 nicht […] die Völker, die ja nach Jes 59,19 zu Jahweverehrung gelangen sollen, sondern Israeliten. Es sind die Umkehrunwilligen.«69 Durch die Aufnahme zahlreicher gewalthaltiger Motive und Vokabeln wird in der letzten Teilkomposition die nach außen gerichtete göttliche Gewalt mehr und mehr in den Innenraum verlagert. In der Zusammenschau von Jes 59,15b–20 mit Jes 63,1 – 6 und in Verbindung 67 Ein Überblick über Beurteilungen aus der Auslegungsgeschichte seit dem 19. Jh. findet sich bei W. Herrmann, Signifikanz, 534 – 537. 68 U. Berges/B. Obermayer, Großer Friede, 371. 69 K. Koenen, Ethik, 85 f.

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

mit den Zionskapiteln (Jes 60 – 62) verschmelzen die äußeren Gegner mit den internen Feinden, die zudem »edomisiert« werden und so eine ambivalente Position einnehmen:70 In Anlehnung an das zwiespältige Verhältnis zwischen Jakob/Israel und Esau im AT71 (vgl. Gen 25,19 – 34; 27,41 – 45; Ob 8 – 14) handelt sich zwar um engste Verwandte. Diese stehen jedoch »in einem harten Bruderzwist«72 zueinander. Edom verkörpert in erster Linie nicht mehr den außenpolitischen Feind, der Zion/Jerusalem bedrängt (vgl. Jes 34 in Verbindung mit seinem Zwillingstext Jes 35). Der Nachfahre Esaus ist zur Chiffre für die Unbußfertigen geworden (vgl. Jes 59,20), für die Gegner der »Knechte« (~ydb[), welche sich ihrerseits im Laufe von Jes 56 – 66 immer stärker zu (den wahren) Nachkommen des Knechts Jakobs stilisieren (56,6; 63,17; 65,8.9.13.14.15; 66,14; vgl. 54,17).73 Dementsprechend gilt für die Deutung des ~qn ~wy in 63,8: »Allein durch den Vollzug der Rache können das fehlende Recht und die ihm zugeordnete gerechte Gemeinschaftsordnung in Israel wieder aufgerichtet werden.«74 Der gesamte Abschnitt unterstreicht dabei immer wieder (vgl. 59,16; 63,3.5), dass die Durchsetzung von Recht und Gerechtigkeit durch eine direkte und unmittelbare göttliche Intervention erfolgt (vgl. 61,2; 62,8 f.) und nicht (mehr) unter Zuhilfenahme eines Werkzeuges kriegerischer Gewalt.75

4.6.4 JHWH als Israels Feind – göttliche Gewalt im Volksklagelied (Jes 63,7 – 64,11) An die siegreiche Rückkehr des göttlichen Keltertreters schließt sich mit 63,7 – 64,1176 das sog. »Volksklagelied«77 an, das eine zweigliedrige Struktur aufweist: 70 Vgl. B. Gosse, SynthÀse, 542: »En Isa 63,4, l’obstacle se trouve ext¦rritoiris¦ et personnifi¦ par Edom.« Entschieden gegen eine solche Deutung, die sich aber auf wichtige kompositionelle und semantische Argumente stützt, verwehrt sich J. Goldenstein, Gebet, 182. Doch muss selbst er zugestehen, dass Edom »im Zusammenhang mit 63,1 ff. […] auch als Typos […] der jahwefeindlichen Kräfte« steht (Zitat: ebd., 182 f.). 71 Dazu ausführlich B. Dicou, Edom. 72 K. Koenen, Ethik, 87; vgl. U. Berges, Buch, 484. 73 Vgl. U. Berges/B. Obermayer, Großer Friede, 370 f. 74 J. Jeremias, JHWH, 98. 75 Vgl. P. Smith, Redaction, 42: »Therefore, like chs 60 – 62, 63:1 – 6 expects the transformation […] by a direct divine intervention, rather than through a definite historical person or event.« 76 Diachron betrachtet geht die neuere Forschung eher von einer nachexilischen Entstehung der Einheit aus. Eine exilische Datierung vertreten hingegen H. G. M. Williamson, Lament, 57 f.; A. Aejmelaeus, Klageliedsänger, 46; C. Westermann, Jes, 307. Die genauere zeitliche Eingrenzung fällt jedoch recht unterschiedlich aus: Die Vorschläge reichen von der frühnachexilischen Zeit (I. Fischer, Jahwe, 256; J. Blenkinsopp, Jes 56 – 66, 265 f.; J. L. Koole, Jes 56 – 66, 347) über die fortgeschrittene Perserzeit (nach 515 v. Chr.; U. Berges, Buch,

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Nach dem hymnenartigen Auftakt78 (V.7) folgt ein Rückblick auf Gottes Wundertaten in der Geschichte mit seinem Volk (63,8 – 14). Der zweite Hauptteil ist als eine an Jhwh gerichtete Bitte um sein erneutes Eingreifen gestaltet (63,15 – 64,11).79 Die zweimalige Aufnahme des Stichwortes lmg im einleitenden Lobpreis bildet dabei eine inhaltliche Verbindung zum »Jahr der Vergeltung« (ylwag tnv), in dem Jhwh nach Jes 63,4 seine Rache vollzieht.80 Ein Aspekt im Gottesbild, der sich wie ein »roter Faden durch alle Textteile von 63,1 bis 64,11«81 zieht und für die Gewaltinszenierung von großer Bedeutung ist, besteht in der Unmittelbarkeit des göttlichen Eingreifens. Die Sprechenden erinnern Jhwh zunächst an seine vergangenen Rettungstaten für Israel (V.7 – 9). Gottes »Gnade(nerweise)« (~ydsx, dsx), seine übergroße Fürsorge (bwj-br) und sein Erbarmen (~ymxr) in V.7 sowie seine Liebe (hbha) und seine Barmherzigkeit (lmx) in V.9a legen sich wie ein Rahmen82 um das Erlösungshandeln (vgl. lag, V.9), welches in V.8 f. beschrieben und mit dem Zitat einer Gottesrede begründet wird: Weil Israel für Jhwh »mein Volk« (ym[) war, das aus »untrügerischen Kindern« (wrqvy al ~ynb) bestand, wurde er nach V.8 für sie auch zum Retter ([yvwml ~hl yhyw). Die Rahmenglieder des Verses, »in all ihren Nöten« (~trc-lkb) sowie »[in] alle[n] Tage[n] der Vorzeit« (~lw[ ymy-lk), verwandeln das punktuelle Geschehen in eine dauerhafte Zuwendung.83 Unter Aufnahme der Wurzel [vy (V.8) wird in V.9 die Unmittelbarkeit des göttlichen Eingreifens hervorgehoben84 : Denn die Befreiung vollbrachte »sein Angesicht«,

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494 f.) bis in die hellenistische Epoche (in die Polemäerzeit nach O. H. Steck, Bereitete Heimkehr, 77 f.). Dieser Befund geht maßgeblich zurück auf H. Gunkel, Einleitung, 117. Die Vorschaltung einer preisenden Erinnerung an Jhwhs Geschichtshandeln vor die Klage ist für den Bereich der atl Klagepsalmen außergewöhnlich (ähnlich aber Ps 44,2 f.). Diese Abfolge spricht einerseits »für einen gewissen Abstand von der unmittelbaren Erfahrung der Zerstörung« (A. Aejmelaeus, Klageliedsänger, 39), andererseits unterstreicht sie den generellen Charakter, der dem beschriebenen Handlungsschema (V.8 – 10) zugesprochen wird. I. Fischer, Jahwe, 27 – 75. Gegen W. Lau, Schriftgelehrte Prophetie, 286, der »überhaupt keine einleuchtende Beziehung« zwischen den beiden Texten sieht. Zu weiteren Verbindungslinien in die vorangehenden Kapitel siehe U. Berges, Buch, 486. L. Ruszkowski, Volk, 53: »das Motiv ›Jhwh allein‹«. J. Goldenstein, Gebet, 189 sieht darin ebenfalls »ein Moment der Kontinuität« zwischen der Szene über die Rückkehr des Keltertreters (Jes 63,1 – 6) und dem Volksklagelied. Diese Theologumena kommen hier in »einer auffälligen Dichte« (C. Westermann, Jes, 308) zu stehen. Dass Israel von Jhwh unablässig getragen (afn) wird, erinnert an die göttliche Zusagen in Jes 46,3 f.; vgl. J. Goldenstein, Gebet, 59 f. Die Auslegung zu V.9a folgt dem Text der LXX; so mit C. Westermann, Jes, 306; K. Koenen, Ethik, 163 (mit FN 30); W. Lau, Schriftgelehrte Prophetie, 289 f.; M. Emmendörffer, Gott, 263; B. Schramm, Opponents, 151 f. Denn MT weist an dieser Stelle gehörige Probleme im Textbestand auf, »die sich letztlich nicht zufriedenstellend lösen lassen« (J. Goldenstein, Gebet, 53; vgl. B. M. Zapff, Jes 56 – 66, 407; I. Fischer, Jahwe, 11). Die Ketib-Lesung des MT,

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d. h. er selbst (vgl. Ex 33,14; Dtn 4,37), und nicht ein Bote oder Engel. Verzichtete Jhwh beim Völkergericht in Edom auf die Unterstützung durch die Völker (vgl. Jes 63,3), so bediente er sich bei der Erlösung seines Volkes nicht einmal seiner unmittelbaren (himmlischen) Helfer (vgl. Jes 37,36). Das betont an den Anfang gesetzte hmhw (»sie aber«) von V.10 läutet eine Wende im Verhältnis zwischen Jhwh und seinem Volk ein: »Der Rückblick erhält dunklere Farben.«85 Auch durch seine Gewaltinszenierung ragt der Vers aus der übrigen Volksklage heraus. Den Wandel der truglosen Kinder (vgl. V.8) zu widerspenstigen Geschöpfen (86hrm, vgl. 1,20), die den »Geist seiner Heiligkeit betrüben« (87wvdq xwr-ta bc[), beantwortete Jhwh seinerseits mit einer einschneidenden Veränderung: Statt die Israeliten aus der Bedrängnis zu retten, hatte er sich selbst »zum Feind gewendet« (bywal ~hl $phyw) und »gegen sie gekämpft« (~b-~xln awh). Aus dem »Retter« ([yvwm, V.8), der sein Volk aus aller Not (hrc, V. 9; vgl. 33,2; 37,3) befreit, wird der göttliche Feind (bywa), der selbst mit kriegerischen Mitteln gegen Israel vorgeht. Dies macht die Gewaltinszenierung von 63,10 sowohl im Rahmen des Jesajabuches als auch unter gesamtbiblischem Blickwinkel zu einer Besonderheit: Jhwh tritt im Laufe der Prophetenschrift zwar zahlreichen Feinden (bywa) entgegen. Sie stammen aus dem eigenen Volk (Jes 1,24; 59,18; 66,6.14), können aber auch äußere Gegner Jhwhs (42,13; 59,18) bzw. Israels Widersacher sein (vgl. 62,18). Daneben kommt es auch vor, dass Jhwh »Feinde« (gegen Israels; vgl. Jes 9,10) aufstachelt. Dass er aber selbst als »Feind« bezeichnet wird, ist im Jesajabuch nur im Geschichtsrückblick von Jes 63,10 belegt. Dies ist zudem die einzige Stelle, an der sich Jhwhs Kampf (~xl) gegen das eigene Volk richtet, während er in Jes 30,32 »in Kämpfen mit ge-

die von 1 QJesa (awl) gestützt wird, lautet: »in all ihren Nöten nicht [war] Bedrängnis, denn der Bote seines Angesichts rettete sie« (~[yvwh wynp $almw rc al ~trc-lkb). Die LXX glättet den sperrigen Wortlaut, indem sie die Angabe ~trc-lkb zu V.8 zieht und aus der »Not« (rc) einen »Boten« macht (ryc ! pqesbur; vgl. Jes 21,2; 37,6; 57,9). Jhwhs rettende Präsenz, die MT singulär über »den Boten seines Angesichtes« (wynp $alm) zum Ausdruck bringt, wird mit der Notiz vereindeutigt, dass »der Herr selbst sie gerettet habe« (aqtor juqior esysem autour). Das Qere nivelliert den Aspekt der Unmittelbarkeit zugunsten des göttlichen »Mitleids«, indem die Verneinung (al) durch die Lesung wl (»für ihn«) ersetzt wird. Dies verleiht der Inszenierung in V.9a einen deutlich anderen inhaltlichen Zuschnitt: »Und in ihren Nöten war ihm Bedrängnis.« Zu einer ausführliche Diskussion der Textvarianten siehe I. Fischer, Jahwe, 6 – 11; J. Goldenstein, Gebet, 53 – 57. 85 A. Aejmelaeus, Klageliedsänger, 39. 86 Die Wurzel hrm impliziert »durchwegs ein wissentliches und willentliches Verhalten« (R. Knierim, Art. hrm, 928), sodass hier die bewusste Abkehr Israels von Jhwh in den Vordergrund rückt. 87 Wie I. Fischer, Jahwe, 105 – 108 herausgearbeitet hat, handelt es sich beim »Geist seiner Heiligkeit« (wvdq xwr, vgl. Ps 51,13) nicht um eine Vorform zum christlichen Hypostasendenken (gegen G. Pfeifer, Hypostasenvorstellungen, 18), sondern um die »verwundbare Seite Gottes« (I. Fischer, Jahwe, 105).

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schwungenem [Arm]« (88hpwnt twmxlmb) gegen Assur streitet (~xl). Aber auch im intertextuellen Vergleich sticht die Gewaltsemantik von Jes 63,10 hervor: Mit Ausnahme von Klgl 2,5, wo Jhwh »wie ein Feind« (bywak) Zion mit massiver Kriegsgewalt überzieht und Jer 21,5, wo er ebenfalls gegen sein Volk »kämpft« (~xl), ist diese Form der Darstellung im Alten Testament völlig singulär.89 Was schon für die heilvolle und rettende Zuwendung Jhwhs zu seinem Volk galt, betrifft also mit den Worten von U. Berges auch das Gottesbild von Jes 63,10: Das kriegerische Aktivwerden Gottes gegen Israel ist nicht als Reaktion »auf das Murren des Volkes beim Wüstenzug zu beschränken, sondern umfaßt alle göttlichen Maßnahmen«90. Trotz der außergewöhnlichen und pointierten Präsentation göttlicher Gewalt bleibt der Deutungsrahmen des Geschehens durchaus konventionell.91 Jhwh verfällt hier keinem blinden Wüten, noch ist in der Beschreibung seines Vorgehens ein anklagender Unterton feststellbar, wie dies etwa in Klgl 2,4 f. der Fall ist. Mit seiner strafenden Gewalt reagiert Gott vielmehr auf die Widerspenstigkeit seines Volkes. Dass Jhwh dazu kriegerische Mittel einsetzen kann, ist im AT breit belegt (vgl. Am 2,13 – 16; Jer 6,1 – 6). Daher lässt die Textoberfläche auch keinerlei Irritation über die Umkehr Gottes zum Feind im Kampf gegen Israel erkennen, obwohl das Befremden über Jhwhs Gewalthandeln in der Jesajatradition durchaus belegt ist (vgl. Jes 28,21). Zumindest setzt die drastische Präsentation von Jes 63,10 eine literarische Geschichtsreflexion in Gang, die »in die Vergangenheit projiziert«92 wird und den ersten Teil des Gebetes beschließt. Nachdem sich Jhwh als Feind kriegerisch gegen sein Volk stellte, geht der Blick in V.11 abermals zurück in die »Tage der Vorzeit« (~lw[-ymy), die schon nach V.9 als Epoche des ungetrübten Verhältnisses zwischen Jhwh und Israel eingeführt wurden.93 Die alles entscheidende Frage, die den gesamten Schlussteil beherrscht, ist die nach Jhwhs Verbleib (hya »wo?«, V.11(2x).15; vgl. V.16.19) und dem seines machtvollen Eingreifens zu Israels Gunsten. Der Fokus liegt daher auf Jhwhs Initiative für sein Volk. Sie wird anhand von blitzlichtartigen Verweisen auf das Exodusgeschehen und die Landnahme in Erinnerung gerufen.94 88 Zur Übersetzung von Jes 30,32 und den Problemen im Textbestand siehe W. A. M. Beuken, Jes 28 – 39, 160. 89 Vgl. I. Fischer, Jahwe, 145 f. Der biblische »Normalfall« ist, dass Jhwh gegen (Israels) Feinde kämpft; vgl. Dtn 1,42; 20,4; Jos 10,25; 2 Chr 20,25. 90 U. Berges, Buch, 487. 91 Theologisch steht die Darstellung dtr Gedankengut nahe. 92 A. Aejmelaeus, Klageliedsänger, 39. 93 B. Schramm, Opponents, 151 verweist zu Recht darauf, dass unter grammatikalischen Gesichtspunkten eigentlich Gott selbst das Subjekt des Gedenkens ist. 94 Nach ausführlicher Beleuchtung der literarischen Horizonte von Jes 63,11 – 14 durch J. Goldenstein, Gebet, 65 – 85 sind im Geschichtsrückblick keine eindeutigen Abhängigkei-

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In der Darstellung (V.12 f.) sind zwei Tendenzen feststellbar : Erstens wird auf semantischer Ebene im göttlichen (Gewalt)Handeln der Aspekt der Befreiung stark gemacht (vgl. bes. V.13 f.) und zweitens Jhwh abermals zum alleinigen Handlungsträger stilisiert, indem das gesamte Geschehen mit Partizipialkonstruktionen auf ihn fokussiert wird: Dazu greift der Text auf das Motiv des göttlichen Armes ([wrz) zurück, der hier zugleich seinen letzten Beleg im Jesajabuch hat. Dieser göttliche Körperteil bringt vor allem in der Formulierung »mit ausgestrecktem Arm« (hywjn [wrzb, z. B. Ex 6,6; Dtn 4,34; 7,19; Ps 136,12) Jhwhs Engagement im Exodusgeschehen zum Ausdruck (vgl. Ex 15,16). In Jes 40 – 66 fungiert er verstärkt als »Organ göttlicher Machtausübung«95 (z. B. 40,10; 51,9; 52,10; 59,16). Auch den göttlichen Keltertreter hatte sein Arm im Kampf zur Durchsetzung von Gerechtigkeit unterstützt (vgl. Jes 63,5). Dass Jhwh den »Arm seiner Pracht« (wtrapt [wrz hapax) zur Rechten des Mose einherschreiten ließ ($lh hiph.), ist aber eine Vorstellung, die nach der Analyse von I. Fischer keine Entsprechung in der HB besitzt.96 Doch ist es in weiterer Folge nicht der göttliche Arm, sondern Jhwh selbst, der das Wasser zum Durchzug der Israeliten spaltet (97~ym [qb) und so die entscheidende Tat setzt. Jhwh vollbringt damit nach der Darstellung von Jes 63,12 selbst (vgl. [qb; vgl. Ps 78,13; Neh 9,1198), was er in Ex 14,16 durch die ausgestreckte Hand des Mose und in Ex 14,21 durch den Ostwind ausführen lässt. Die einzigartige Verwendung dieser Metapher dürfte daher tatsächlich »in Zusammenhang stehen mit dem seit v.9 erkennbaren Bestreben, Jahwes unmittelbares Handeln für sein Volk zu betonen und jede Mittlergestalt zu negieren«99. Die Emphase auf dem befreienden Aspekt im göttlichen Gewalthandeln zeigt sich anhand von V.13 besonders deutlich: Statt Rosse und Reiter wie im Moselied ins Meer zu werfen (Ex 15,1), sodass die Tiefe sie bedeckt (V.5), lässt Jhwh die Israeliten sicher durch die Tiefe ziehen ($lh hiph.; vgl. V.12), sodass sie nicht wie Rosse in der Steppe straucheln. Gottes fürsorgende Leitungsgewalt über sein Volk (vgl. ghn; vgl. Jes 49,10) mündet mit Jes 63,14 in die Verleihung von Ruhe (xwn hiph.) durch den Geist Jhwhs, womit die vollbrachte Landnahme alludiert wird (z. B. Dtn 3,20; 12,10; Jos 21,44). Angesichts der Erinnerung an die vergangenen Heilstaten wird im 2. Teil des Klageliedes Jhwh der bedauernswerte Ist-Zustand mit der Frage vor Augen gehalten, »wo« (hya, vgl. V.11) sein »Eifer« (hanq) und seine »Heldenkraft« (hrwbg;

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ten zu älteren Traditionen feststellbar. Die Verse »kombinieren unterschiedliche literarische Horizonte« (ebd., 75). W. Zimmerli, Sprache, 72. Vgl. I. Fischer, Jahwe, 147 – 153. Das part. m. von [qb setzt die auf Gott ausgerichtete Partizipienkette fort (vgl. $lh hit. part.) und kann sich auch grammatikalisch nicht auf den weiblichen Begriff [wrz beziehen. Dort allerdings mythologisch aufgeladen mit ~y als Objekt. J. Goldenstein, Gebet, 76.

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vgl. 11,2) geblieben seien (63,15). Diese Erinnerung an Jhwhs rettende Stärke machen sich die Betenden zueigen, um in der gegenwärtigen Krisensituation Gottes Aktivwerden zu erbitten.100 Der Erfahrungshorizont der Sänger steht in krassem Gegensatz zum dtjes Gottesbild aus der Zeit des anbrechenden Exilsendes (Jes 42,13 f.): Dort war Jhwh noch wie ein »(Kriegs)Held« (rwbgk) erlebt worden, der seinen Eifer für sein Volk erweckt (hanq rw[ hiph.), sich an seinen Feinden als Held erweist (rbg hit.) und nach langem Zurückhalten (qpa hit.) wieder wie eine Gebärende zu schnauben begann.101 In nachexilischer Zeit drängt die im Volk vorherrschende Unrechtssituation hingegen zur Klage über Jhwhs Untätigkeit: Deshalb legt sich das Schweigen Gottes (qpa) wie ein Rahmen um den zweiten Teil des Klageliedes (63,15; 64,11). Um Jhwh zum Handeln zu animieren, verweisen die Beter auf das einzigartige Intimverhältnis zum Volk, indem er von ihnen als »unser Vater«102 (wnba, 63,16; vgl. Jes 64,7) – singulär in der gesamten HB (vgl. aber Tob 13,4 und Mt 6,9!) – sowie als »unser Erlöser« (wnlawg, vgl. Jes 47,4) angesprochen wird. Dementsprechend zielen der Lobpreis über Jhwhs Taten (63,7), die Erinnerung an sein befreiendes Handeln in der Geschichte (V.8 f.11 – 14), das Sündenbekenntnis über die Irrwege des Volkes (V.10.17; 64,4 – 6) sowie die Bitte um Gottes Umkehr (63,17) darauf, dass Jhwh den Sündern nicht ewig zürne (@cq, 64,4.8). Dies bedeutet aber umgekehrt: »Die Knechtsgemeinde kann sich die nachexilische Notlage nur als Resultat des göttlichen Zornes erklären.«103 Dieser entlud sich offenbar in der militärischen Zerstörung des Erbteiles (hlxn, 63,17; vgl. @cq und hlxn in Jes 47,6!): Die judäischen Städte ($vdq104yr[ hapax), allen voran Jerusalem, haben sich nach Jes 64,9 in eine Wüste (rbdm, z. B. 14,17; 27,10) und eine Einöde (hmmv, vgl. Jes 1,7; 6,11; 17,9; 62,4) verwandelt. Selbst der Tempel fiel einer Feuersbrunst zum Opfer (va tprfl, 64,10; vgl. 9,4), weil ihn die Feinde (rc) zertraten (ssb). Seine Kostbarkeiten (~ydmxm, vgl. 2 Chr 36,19) wurden ebenso zu Trümmer (brhl, vgl. 44,26; 48,21; 49,19; 51,3; 52,9; 58,12; 61,4). Die intra- und intertextuellen Verweise zeigen, dass das Volksklagelied hier die Lage in Jerusalem während der Exilszeit beschreibt, was auf die Übernahme einer exilischen Klagegebetstradition hindeuten könnte105, oder aber wahrscheinli-

100 Vgl. M. Emmendörffer, Gott, 276. 101 Das Bild der Kreißenden unterstreicht den lebensspendenden Aspekt des göttlichen Handelns; vgl. dazu I. Fischer, Jesaja, 248 f. 102 Vgl. A. Böckler, Gott, 281. 103 U. Berges, Buch, 492. Zum außergewöhnlichen Verhältnis zwischen Zorn und Sünde nach Jes 64,4 siehe W. Groß, Rezeption. 104 LXX liest hingegen den Sg. (pºkir toO "c¸ou sou) und bezieht somit alle drei Aussagen auf Zion/Jerusalem. 105 So nach A. Aejmelaeus, Klageliedsänger, 46; H. G. M. Williamson, Lament.

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cher auf eine »Reflexion einer späteren Generation, die sich die Frage stellte, warum JHWHs Zorn noch immer wüte«106. Der gegenwärtigen Situation, die mit Blick auf die intratextuellen Anknüpfungspunkte die vergangene Notlage zu prolongieren scheint, stellen die Sprecher die Bitte um Jhwhs machtvolles Erscheinen entgegen. Das erhoffte Kommen ist von zahlreichen Theophaniemotiven geprägt: Gott möge vom Himmel herbsteigen (~ymvm dry, 63,19; vgl. Ps 18,10; 144,5), so dass nicht nur die Berge vor dem göttlichen Angesicht zerfließen (~yrh llz, 63,19; 64,2), sondern auch die Völker erbeben (~ywg zgr, 64,1; vgl. 14,9). Der Vergleich mit entzündetem Reisig und aufwallendem Wasser (64,1a) bringt »die Plötzlichkeit des Herabfahrens JHWHs und der damit verbundenen überraschenden, gewaltigen Reaktion in der Natur«107 zum Ausdruck. Das Ziel seines Erscheinens besteht darin, den Gegnern (~yrc) Jhwhs Namen bekannt zu machen (~v [dy hiph.). Als Referenz für den göttlichen Namen kommt innerhalb des Klagepsalms in erster Linie der »Erlöser von Ewigkeit« (~lw[m lawg) in den Blick: Denn das ist »dein Name« ($mv), wie die Sänger ihrer Gottheit in Jes 63,16 zu bedenken geben. Das Bekanntmachen des göttlichen Namens konfrontiert die Völker mit Jhwhs Macht zur Rettung und Erlösung. Im Kontext des Großjesajabuches könnte aber auch auf twabc hwhy angespielt sein, selbst wenn der Titel in Jes 56 – 66 nicht mehr belegt ist108 : Denn der göttliche »Name« wird ab dem Kyros-Orakel konsequent mit diesem Epitheton gleichgesetzt (vgl. 47,4; 48,2; 51,15; 54,5). Kombiniert man die beiden Interpretationslinien, so hoffen die Betenden darauf, dass Jhwh ihre Befreiung mit gewaltsamen Mitteln vollziehen wird (vgl. Jes 47,4: hwhy wnlawg wmv twabc!). Die Zuversicht darauf, dass Jhwh auf die Bitte reagiert, machen die Sänger abermals an vergangenen Rettungserfahrungen fest: Dies zeigt sich im Verweis auf die »furchteinflößenden Taten« (twarwn twf[), mit dem das erneute Eingreifen in Jes 64,2 umschrieben wird. Denn der Begriff »no¯r’a¯ zur Kennzeichnung der ›furchtbaren Taten‹ Gottes meint meistens die zum Heil Israels geschehenen, sei es daß auf den Auszug aus Ägypten angespielt wird […] oder auf Jahwes Machttaten in Geschichte und Schöpfung«109 (vgl. Dtn 10,21; 2 Sam 7,23; 1 Chr 17,21; Ps 45,5; 145,6). Die Unvergleichlichkeit Jhwhs besteht nach Jes 64,3 darin, dass er für diejenigen handelt (hf[), die auf ihn harren (hkx, vgl. 30,18). Mit dieser Zuversicht stellen sich die Knechte in ihrer Notlage in die Tradition des Propheten, der schon in Jes 8,17 ankündigte, auf Jhwh zu »harren« (hkx) und zu »hoffen« (hwq, vgl. 64,2), obgleich dieser sein Angesicht (hnp) vor seinem Volk 106 U. Berges, Buch, 496, für den auch die Zeit nach der Wiedereinweihung des Zweiten Tempels durchaus plausibel erscheint. 107 I. Fischer, Jahwe, 176. 108 Dazu U. Berges/A. Spans, Jhwh Zebaot, 181 – 192. 109 H.-P. Stähli, Art. ary, 770.

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»verbirgt« (rts). Dies spiegelt exakt jene Situation wider, in die sich auch die Knechte in nachexilischer Zeit versetzt fühlen (hnp rts, 64,6). Von daher erklärt sich auch die eindringliche Aufforderung an Jhwh, herabzublicken (an-jbh !h, V.8; vgl. zusammen mit har in Jes 63,15) und umzukehren (bwv, 63,17). Im unmittelbaren Anschluss an diese Umkehraufforderung führen die Sprecher den Verweis »um deiner Knechte willen« ($ydb[ ![ml, V.17) ins Feld, um Jhwh zum Eingreifen zu bewegen. Sie spezifizieren damit Jhwhs Beistandsverpflichtung als Vater und Erlöser seines ganzen Volkes in 63,16 (wnyba hwhy hta $mv ~lw[m wnlag).110 Mit der Bezeichnung »Knechte« (~ydb[) tritt hier das erste Mal im Jesajabuch111 jene Größe in Erscheinung, die sich im weiteren Verlauf immer stärker von der übrigen Volksgemeinschaft abgrenzt. Dahinter stehen die nachexilischen Trägerkreise, die sich mit dem Titel in die Nachfolge der Figur des Gottesknechtes (hwhy db[) aus Jes 40 – 55 stellen112 und mit dem völkeroffenen Israel-Konzept der Jesajatradition (vgl. die zu Jhwh gehörenden ~ydb[ in Jes 56,6!) immer stärker unter Druck geraten. Eine entscheidende Schnittstelle bildet die göttliche Zusicherung in Jes 54,17 vom Ende aller (Kriegs)Gewalt an die Knechte Jhwhs und ihren Erbteil (hwhy ydb[ tlxn). Die Verheißung ist über den Begriff der hlxn auch in Jes 63,13 präsent (vgl. Jes 19,25; 47,6). Im Volksklagelied zeigen sich zwar bereits deutliche Risse zwischen der Gruppe der Knechte und dem übrigen Volk113, doch noch sind die Verfasser der festen Überzeugung, dass »wir alle dein [Gottes] Volk« sind (wnlk $m[, 64,8): »Ihre Sündigkeit macht die ›Erinnerer‹ [die Knechte, vgl. rkz, 63,7.11; 64,4.8] mit der Masse des Volkes solidarisch, durch ihr Schuldbekenntnis gehören sie zu aber [sic!] denen, die sich von der Sünde in Jakob abwenden«114. Daher grenzen sie sich im Laufe von Jes 65 f. als Teilgruppe immer stärker vom übrigen Volk ab. Die Jesajatradenten nehmen Israel in den letzten Kapiteln ihrer Schrift mehr und mehr als »ein entzweites Volk«115 wahr. Daher ist der Schluss des Klagepsalms (64,11), der bereits auf diese Spaltung in Jes 65 vorausblickt (vgl. ydb[ ![ml in 65,8!), ungleich schärfer formuliert: Wie kann Jhwh bei all dem beschriebenen Leid untätig ausharren (qpa), schweigen (hvx) und die Betenden damit »so sehr« (dam-d[, vgl. V.8) – d. h. in diesem (an)klagenden Kontext wohl über die Maßen116 (vgl. Klgl 110 Vgl. W. A. M. Beuken, Main Theme, 75: »God must return not because those who pray consider themselves as his faithful servants but in order that they really do serve him.« 111 In Jes 56,6 reihen sich die Verschnittenen und Fremden in die Knechtsgruppe ein. 112 W. M. A. Beuken, Main Theme, 67 hat in diesem Zusammenhang auf die Verheißung an den geschundenen Ebed im 4. GKL verwiesen, dass er »Nachkommen sehen werden« ([rz hary, 53,10). 113 Nach J. Goldenstein, Gebet, 101 meint der Begriff hier noch »das Volk als Gesamtheit«; so auch K. Koenen, Ethik, 158. 114 U. Berges, Jesaja, 149. 115 L. Ruszkowski, Volk, 80. 116 Vgl. U. Berges, Klgl, 302.

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5,22) – »erniedrigen« (hn[, V.11)? Denn auf diese Weise verlängert sich – entgegen der in Jes 40 – 55 gemachten göttlichen Verheißung – einerseits Zions Zustand als »Gedemütigte« (hyn[, 51,21; 54,11) weit über das Exilsende hinaus. Andererseits setzt sich in den Knechten Jhwhs das gewaltsame Schicksal des Gottesknechtes fort (hn[ in Jes 48,10; 49,13; 53,4.7). Das Gebet ist aber von den (an)klagenden Ausrufen an Jhwh derart beherrscht, dass die Appelle »einen Vergeltungswunsch vorerst nicht aufkommen«117 lassen, sondern zunächst »in eine offene Frage um JHWHs Verhältnis zu Israel münden«118.

4.6.5 JHWH trennt mit Gewalt zwischen Knechten und Abtrünnigen (Jes 65) Die endgültige Trennung zwischen den Jhwh-treuen Knechten und den Apostaten vollzieht Jes 65 mithilfe göttlicher Gewaltbilder. Nicht nur der Begriff ~ydb[ (»Knechte«) durchzieht leitwortartig das gesamte Kapitel.1 Es lässt sich im Vergleich zu den vorangehenden Texten auch eine deutliche Steigerung in der Gewaltsemantik feststellen. Es ist praktisch unbestrittener Forschungskonsens, dass die letzten beiden Kapitel der Prophetenschrift spätere Antworten der Knechte auf das Volksklagelied (Jes 63,7 – 64,11) darstellen.2 Auch die literarische Einheitlichkeit des Kapitels findet heute vermehrt Anklang.3 Die Gottesrede von Jes 65 lässt sich thematisch in 3 Teile gliedern: In V.1 – 7 antwortet Jhwh auf die herausfordernden Anfragen nach dem Verbleib seiner rettenden Zuwendung am Ende des Psalms (64,11). Der zweite Teil (V.8 – 16a), der für die Frage nach dem gewalthaltigen Gottesbild von besonderer Bedeutung ist, beschreibt die von 117 I. Fischer, Jahwe, 239; vgl. A. Aejmelaeus, Klageliedsänger, 44 mit Blick auf Jes 64,11: »Die Einmaligkeit der Aussage braucht nicht betont zu werden. Normalerweise wird in den Volksklagepsalmen entweder um Jahwes Hilfe in der akuten Notsituation oder um Rache an den Feinden gebeten.« 118 I. Fischer, Jahwe, 239. 1 Von den insgesamt 14 Belegen im Großjesajabuch entfallen nicht weniger als 10 auf den Textbereich Jes 56 – 66; 7 (!) Vorkommen finden sich allein in Jes 65, wo Jhwh sechs Mal von »meinen Knechten« (ydb[,V.8.9.13 [3x].14) und V.15 von »seinen Knechten« (wydb[) spricht. 2 Zum Fortschreibungscharakter der Kapitel siehe grundlegend O. H. Steck, Beobachtungen, 221 – 225. Vgl. U. Berges, Buch, 497; J. Blenkinsopp, Jes 56 – 66, 268; B. M. Zapff, Jes 56 – 66, 418. 3 So bspw. O. H. Steck, Beobachtungen, 227; P. Smith, Redaction, 129 – 132; U. Berges, Buch, 504; J. Blenkinsopp, Jes 56 – 66, 268 f.; B. Schramm, Opponents, 154; dagegen schreibt W. Lau, Schriftgelehrte Prophetie, 185 das Kapitel zwei unterschiedlichen Tradentenkreisen zu: Ihm zufolge entstammt Jes 65,1 – 16a dem kultisch orientierten Tradentenkreis II, während der ältere Abschnitt Jes 65,16b–25 auf den Tradentenkreis I zurückgeht, der wie Tritojesaja »ebenfalls […] ein voraussetzungsloses Heilshandeln« (ebd., 118) verheißt und noch nicht innerhalb der Gemeinde differenziert; zu einem ähnlichen Ergebnis kommt K. Koenen, Ethik, 183; nach C. Westermann, Jes, 320 f. handelt es sich bei V.8 – 10* ursprünglich um ein exilisches Verheißungswort an die Gola.

Der Krieger JHWH und seine Knechte – göttliche Gewalt in Tritojesaja (Jes 56 – 66)

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Gott bewirkte Trennung zwischen den Jhwh-treuen Knechten und ihren abtrünnigen Gegnern. Das gewaltsame Ende der Apostaten mündet drittens in die Vision über die Schaffung eines neuen Himmels und einer neuen Erde und das friedliche Zusammenleben am Zion (V.16b–25). In der »Gottesreplik auf das Klagegebet«4 (Jes 65,1 – 7) präsentiert Jhwh seine Sicht der in Jes 63,7 – 64,11 beschriebenen Notsituation und korrigiert im Zuge dessen die Darstellung ihrer Ursachen und Hintergründe.5 Der abrupte Neueinsatz in V.1a ohne Einleitungsformular könnte die Vehemenz zum Ausdruck bringen, mit der Jhwh dies tut.6 Entgegen der Auffassung von Jes 63,7 – 64,11 war Gott keineswegs stumm und untätig: Er präsentiert sich als derjenige, der sich sehr wohl erfragen (vrd nif.) und finden ließ (acm nif.). Der semantische Rückbezug auf die Anweisung von Jes 55,6, Jhwh zu suchen (vrd), während er sich finden lässt (acm nif.), untermauert seine Argumentation.7 Die gescheiterte Kommunikation zwischen ihm und Israel resultiert also nicht aus Gottes Untätigkeit, sondern aus dem Widerwillen seines Volkes, das nicht nach ihm fragte (lav al), ihn nicht suchte (vqb al) und seinen Namen nicht anrief (~vb arq al, vgl. 64,6!). Auch seine heilvolle Gegenwart blieb Israel nicht versagt: Ständig (~wyh-lk) streckte Jhwh seine Hände nach dem Volk aus (8la dy frp), doch erwies sich dieses als widerspenstig. Die Abtrünnigkeit, die V.3 – 5a anhand von devianten Kultpraktiken konkretisieren, macht Israel zu »Rauch« (!v[) in der göttlichen »Nase« (@a, V.5). Hinter dem Bild steht die Vorstellung, dass sich in diesem Körperteil der (göttliche) Zorn (@a) in Form von Schnauben manifestiert (vgl. 2 Sam 22,9.16 par. Ps 18,9.16).9 Das Feuer (va), zu dem die Angesprochenen ebenfalls werden sollen, ist als Mittel der göttlichen Zornesvollstreckung in der HB breit belegt (z. B. Dtn 32,22; Ps 21,10; Jes 30,27.30; Jer 15,14; Ez 22,20; Nah 1,6; Zef 3,8). Im letzten Kapitel der Prophetenschrift werden Zorn und Feuer ein weiteres Mal zum Gericht erscheinen (vgl. Jes 66,15). Der Rauch (!v[), zu dem die Abtrünnigen verkommen, spielt daher weniger auf die Rauchwolke in der Tempelvision an (vgl. Jes 6,4). Er findet seine Entsprechung vor allem im Rauch 4 U. Berges, Buch, 497. 5 Vgl. J. L. Koole, Jes 56 – 66, 407. 6 Dass die fehlende Botenformel keinesfalls auf ein »nicht öffentliches Selbstgespräch« Gottes hindeutet, wie O. H. Steck, Beobachtungen, 218 meint, haben mit Recht U. Berges, Buch, 497 sowie W. Lau, Schriftgelehrte Prophetie, 193 herausgestellt. 7 Darüber hinaus steht die Darstellung des Volkes, das Jhwhs Namen nicht angerufen hat (~vb arq-al, 65,1), in Kontrast zur Aufforderung von Jes 55,6 »ihn anzurufen« (wharq). Dass Jhwh tatsächlich nahe war (brq hyh), zeigt sich daran, dass er seine Anwesenheit sogar für alle Ohren hörbar verkündete (ynh ynh ytrma, 65,1). 8 Der Ausdruck wird an keiner weiteren Stelle der HB für Jhwhs Heilsinitiative verwendet, sondern beschreibt sonst den menschlichen Gebetsgestus (z. B. Ps 143,6; vgl. Jes 1,15; Klgl 1,17). Das Bild kontrastiert in gewisser Weise den bedrohlichen Charakter, der im Jesajabuch sonst Jhwhs ausgestreckter Hand (hjn dy) innewohnt. 9 Vgl. G. Sauer, Art. @a, 223.

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

(!v[), der an Jhwhs großem Schlachttag in Edom auf ewig (~lw[l) emporsteigt (vgl. Jes 34,10). Dieser erlischt ebenso wenig wie das Feuer der Apostaten von Jes 65,5 (vgl. ~wyh-lk trqy va). Das Motiv der Ewigkeit weist zudem auf die Schlussszene der Prophetenschrift voraus, wo das nie erlöschende Feuer der getöteten Apostaten vor den Toren Jerusalems brennt (vgl. Jes 66,24). Die Eingangsnotiz von V.6, in der Jhwh das schriftliche Festhalten (btk) des Geschehens konstatiert,10 reflektiert ebenfalls die Hoffnung auf die endgültige und ausnahmslose Vernichtung der Apostaten.11 Spiegelbildlich dazu sind in Jes 4,3 all diejenigen »zum Leben in Jerusalem aufgeschrieben« (~lvwryb ~yyxl bwtkh-lk), die in Zion/Jerusalem übrigbleiben und »heilig genannt werden« (rmay vwdq, vgl. 65,5!). Damit auch tatsächlich alle von Jhwh verzeichneten Vergehen geahndet werden, will Gott entgegen der Einschätzung des Volksklageliedes gerade nicht schweigen (hfxa al, 65,6; vgl. 64,11). Das Stichwort hfx wird hier allerdings kontrastiv übernommen: »Auffällig ist, daß ›schweigen‹ im ersten Fall die gegenwärtige Unheilszeit meint, im zweiten jedoch die künftige Heilszeit.«12 Das Verwendungsmuster ist für das Jesajabuch aber nicht singulär, sondern trifft sich mit der göttlichen Verheißung aus Jes 62,1, um Zions willen nicht länger schweigen zu wollen (!wyc ![ml hvxa al).13 Jhwh ist nach 65,6 solange vergeltend tätig (~lv), bis die Sünden der Frevler und die ihrer Vorfahren gesühnt sind. Dies betrifft vor allem jene, die Jhwh mit ihren Opfern auf den Bergen und Höhen »verhöhnt« haben (@rx, V.7). Die Anklage verweist im Rahmen des Großjesajabuches auf die Rabschake-Rede, mit der der assyrische König den »lebendigen Gott verhöhnt hat« (yx ~yhla @rxl, Jes 37,4.17; vgl. V.23 f.).14 Jes 65,6 f. zitiert hier aber wohl eher geprägte Psalmensprache, mit der Gott zum gewaltsamen Eingreifen aufgefordert wird (vgl. Ps 69,10 74,10.18; 89,52). Die engste Parallele liegt in Ps 79,12 vor : Denn dort ist neben @rx auch der Schoß (qyx) als Ort der Vergeltung belegt.15 Dieser dient in Jes 65,6 f. gar als Rahmen für das göttliche Strafhandeln. Während im Psalm Jhwhs Knechte ($ydb[,V.10!), Gott zur siebenfachen Wendung des Hohns in den Schoß ihrer (äußeren) Nachbarn aufrufen (vgl. Zef 2,8 – 10), 10 Für W. Lau, Schriftgelehrte Prophetie, 190 ist das »Bild, das der Verfasser hier entwirft, […] schon etwas kurios: Jahwe verweist gleichsam wie ein schriftgelehrter Prophet auf ältere, autoritative Schriften, die das jetzt folgende Urteil bereits angekündigt haben.« 11 K. Koenen, Ethik, 163 f. (mit FN 31) versteht die Notiz dahingehend, »daß der Untergang bei Jahwe verbrieft und besiegelt ist«. Siehe auch den Verweis auf das »schriftgemäße« Eintreffen des göttlichen Gerichts an Edom in Jes 34,16. 12 Ebd., 164. 13 Vgl. U. Berges, Buch, 500, der die Notiz über die göttliche Niederschrift (btk) auf diese Verheißung bezieht: »In schriftgelehrter Manier zitiert JHWH sich selbst aus der Jesajarolle, um sein Eingreifen zugunsten Jerusalems […] gegen die Fremdgötterverehrer zu motivieren.« 14 So B. M. Zapff, Jes 56 – 66, 421. 15 Vgl. auch Ps 89,51 f., doch handelt es sich dort um den qyx des Psalmbeters.

Der Krieger JHWH und seine Knechte – göttliche Gewalt in Tritojesaja (Jes 56 – 66)

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sichert Jhwh in Jes 65,12 seine Vergeltung an den Apostaten innerhalb der nachexilischen Gemeinde zu. Auch in dieser Rezeption zeigt sich, dass die Hoffnung auf Jhwhs Eingreifen gegen die äußeren Feinde in Jes 56 – 66 sukzessive in Gewalt gegen die innere Gegnerschaft umschlägt. Dies gilt auch für die weiteren Belege schädigender göttlicher Vergeltung, von der in Jes 56 – 66 an drei aufeinander bezogenen Stellen die Rede ist16 : Jes 65,6 f. unterstreicht noch einmal die Verheißung von Jes 59,18 über die göttliche Vergeltung an den inneren Feinden (wybya) für ihre Vergehen (lmg), die aber erst in Jes 66,6 endgültig vollzogen wird (vgl. ~lv pi. part.; lmg; bywa). Die gehäuften ~lvBelege in Jes 65,6 sowie die Betonung durch ~a yk unterstreichen die Entschlossenheit, mit der Gott zur Tat schreitet. Der retributive Charakter kommt in V.7 auch dadurch zum Ausdruck, dass Jhwh den Apostaten den (grausamen) Lohn für ihr eigenes Handeln zumisst (ddm).17 Die Wurzel ddm ist im Kontext von (menschlicher!) Kriegsgewalt lediglich in 2 Sam 8,2 belegt und umschreibt mit göttlichem Subjekt sonst ausschließlich Jhwhs Schöpfungshandeln (z. B. Jes 40,12 ; Jer 31,37). Mit dem Begriff könnte Gott die Bestrafung der Abtrünnigen in Jes 65,7 einerseits in den größeren Kontext seines universalen Handelns stellen. Andererseits verleiht Jhwh der Strafe einen retributiven Charakter (vgl. ddm in Ez 40 – 47), der nicht nur semantische, sondern auch theologische Parallelen zum dtn-dtr Gottesbild aufweist.18 Diese Nuance wird durch eine weitere Verbindungslinie gestützt, die das Stichwort der hl[p (»Taten«) zu den Zionskapiteln (Jes 60 – 62) herstellt : Weil Jhwh das Recht liebt (jpvm bha), den Raub aber hasst (lzg anf), wird er der in Jes 61,8 angesprochenen Zionsbevölkerung »ihren Lohn« (~tl[p) zukommen lassen, der im Schließen eines ewigen Bundes (~lw[ tyrb trk) besteht. Die Autoren von Jes 65 beziehen diese literargeschichtlich ältere Verheißung offensichtlich auf die gewaltsame Trennung zwischen sich und den Apostaten. Der Dichotomie von Recht und Unrecht entsprechend (vgl. 61,8a) ist auch das göttliche Handeln auf eine zweifache Wirkweise hin angelegt19 : Gott vergilt zwar den Apostaten ihre Sünden, ist also zur Verübung von Gewalt bereit. Den treuen Knechten kann er aber weiterhin

16 Als heilvolles Wirken Jhwhs wird die Wurzel in Jes 57,18; 60,20 verwendet. 17 Die Vorstellung, dass Jhwh dabei »in ihren Schoß« (~qyx-l[, V.6 f.; vgl. Ps 79,12) vergilt, geht nach W. Lau, Schriftgelehrte Prophetie, 192 zurück auf »den unter der Landbevölkerung üblichen Brauch […], den Tageslohn in ein Tuch o. ä., das man vor sich hält, zu empfangen; vgl. Ruth 3,15«. 18 Dazu im Einzelnen K. Koenen, Ethik, 166 – 168. 19 Nach C. Westermann, Jes, 321 bricht sich in Jes 65 damit eine neuer Modus im Gottesbild Bahn, der in der »Zweiteilung des Gotteshandelns« besteht und »einem Teil des Volkes Verderben und gleichzeitig dem anderen Heil bringt«.

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

auch Wohlergehen und Heil verleihen.20 Worin der jeweilige Lohn besteht, darüber gibt Jhwh im zweiten Redeteil Auskunft. Im Mittelteil des Kapitels (V.8 – 16a) klärt Jhwh ein für allemal die Frage, »who are and who are not God’s people«21 und blickt so auf die gewaltsame Trennung zwischen den Jhwh-treuen Knechten und den abtrünnigen Frevlern voraus. Der Eröffnungsteil kulminiert im Eingangsvers der zweiten Strophe, in dem Jhwh das Programm seines bevorstehenden Handelns darlegt.22 Nur die Knechte entgehen als »Segen« der göttlichen Vernichtung (Jes 65,8) So spricht Jhwh: »Wie sich Most findet in der Traube, und man sagt: ›Vernichte sie nicht! Denn Segen ist in ihr.‹ So werde ich handeln um meiner Knechte willen, sodass ich nicht vernichte das Ganze.«

Das Gotteswort erläutert die gewaltsame Trennung zwischen Knechten und Apostaten, indem es zwei Motive aus Jes 63 f. miteinander kombiniert23 : Die »Traube« (lwkva) als Bild für das Volk (vgl. Dtn 32,32; Mi 7,1) stammt aus dem Bereich der Weinbaukultur und verweist im Kontext von Jes 56 – 66 zweifelsohne auf die Szene des heimkehrenden göttlichen Keltertreters (Jes 63,1 – 6), der den Saft (xcn) der zerdrückten Völker zur Erde rinnen ließ (V.6; vgl. V.3).24 Dass Jes 65,8 für den bewahrenswerten Traubeninhalt statt xcn den Begriff vwryt verwendet, erklärt sich aus dem Umstand, dass der vwryt innerbiblisch als Zeichen des göttlichen Segens im verheißenen Land steht (Dtn 7,13; vgl. Dtn 11,14; Jer 31,12; Hos 2,10 f.). Die Knechte stilisieren sich damit indirekt zu den wahren Trägern der Landverheißung (vgl. 65,9!). In V.8b wechselt Jhwh von der Bildzur Sachebene und setzt dabei den segensreichen Traubensaft, der die Rebe vor der Vernichtung (txv) bewahrt, mit seinen Knechten gleich. Von Jes 65,8 her gelesen, bekommt auch das grausame Bild des Keltertretens aus Jes 63,1 – 6 eine überraschende Wendung: Das Bild zielt der Sache nach nicht auf Vernichtung, sondern auf das Herauspressen des guten Saftes. Mit der Notiz »um meiner Knechte willen« (ydb[ ![ml) übernimmt Jhwh in Jes 65,8 fast wortwörtlich die Sicht der Sprecher aus dem Volksklagelied (vgl. Jes 63,17). Trotz der zahlreichen Sünden hielten die Beter Jhwh dort noch vor 20 Vgl. B. M. Zapff, Jes 56 – 66, 421: »Das künftige Handeln Jahwes beinhaltet sowohl Heil als auch Gericht.« 21 J. Blenkinsopp, Jes 56 – 66, 273; vgl. P. Smith, Redaction, 140. 22 B. Schramm, Opponents, 199 sieht darin »the key verse of the chapter«. 23 Siehe dazu bereits U. Berges/B. Obermayer, Großer Friede, 372 f. 24 So auch L. Ruszkowski, Volk, 88. Er deutet Jes 63,1 – 6 allerdings ausschließlich als Völkergericht.

Der Krieger JHWH und seine Knechte – göttliche Gewalt in Tritojesaja (Jes 56 – 66)

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Augen, dass »wir alle dein Volk« (wnlk $m[, Jes 64,8) seien. In Jes 63,17 wurde der Begriff der »Knechte« somit noch als Synonym für das gesamte Volk verwendet, wohingegen Jhwh nun die Personengruppe der Gesamtheit (lkh) Israels eindeutig gegenüberstellt.25 Über das Bild der verschonenswerten, weil die hkrb bewahrenden Traube kommt es in Jes 65,8 zur symbolischen Trennung zwischen der Knechtsgemeinde und dem übrigen Israel.26 »YHWH does not want to destroy the bunch of grapes, Israel, because in it his servants are the juice, the blessing on which he has set his expectation.«27 Somit geht es in Jes 65,8 nicht um die vollständige »Vernichtung« (txv) des Volkes, sondern um die Destillierung des »Segens« (hkrb, vgl. die hwhy ykwrb in V.23), der jedoch erst durch die göttliche Separation zwischen Knechten und Frevlern hervortritt. Der verhinderten Auslöschung stellt Jhwh in V.9 f. zunächst ein positives Bild entgegen. Er fokussiert auf die verheißungsvolle Zukunft der aus dem Gericht unbeschadet hervorgehenden Knechte: Indem Jhwh aus Jakob einen Samen ([rz) hervortreten lässt (acy hiph.), ist er tatsächlich an keiner totalen Zerstörung interessiert. Der [rz könnte eine (auch redaktionsgeschichtliche) Entsprechung im heiligen Samen am Ende der Tempelvision (Jes 6,13) besitzen.28 Das Hervorbringen von Nachkommenschaft aus Jakob setzt sich fort im Auftreten eines Eigentümers (vrwy), der mit Blick auf die göttliche Verheißung von Jes 57,13 (yvdq-rh vry) – gegen die masoretische Vokalisierung, aber mit LXX (to oqor to aciom lou) – den Zion als Gottesberg in Besitz nimmt.29 Hinter dieser kollektiv zu deutenden Figur30 verbergen sich wohl die Jhwh-treuen Knechte selbst.31 Die singuläre Bezeichnung rh vrwy könnte auch erklären, warum V.8 vom vwryt in der Traube spricht und nicht wie der Keltertreter vom »Saft« (xcn, Jes 63,6). Denn auf diese Weise entsteht ein lautmalerisches Wortspiel zwischen dem Traubensaft (vwryt) als Metapher für die aus dem Gericht schadlos hervorgehende Knechtsgemeinde (V.8) und dem Besitzer (vrwy) des judäischen Berglandes32, zu dem die Gruppe der Jhwh-Knechte im Anschluss an das Gericht von

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Vgl. K. Koenen, Ethik, 158; J. Blenkinsopp, Jes 56 – 66, 274. So u. a. auch J. Gärtner, Jesaja, 40. W. A. M. Beuken, Main Theme, 77. Vgl. U. Berges, Buch, 103 f. Dazu ebd., 501. Dies ergibt sich vor allem aus den Pluralbegriffen »meine Erwählten« (yryxb) und »meine Knechte« (ydb[) in V.9b; vgl. L. Ruszkowski, Volk, 88 f.; J. Blenkinsopp, Jes 56 – 66, 274. 31 So auch P. Smith, Redaction, 141: »The inheritors in v. 9 are not the descendants […], but rather the servants themselves, the purified remnant.« 32 Entgegen der Meinung von B. Schramm, Opponents, 155 kann sich das ePP 3. Sg. f. (hwvryw) grammatikalisch nicht auf die maskulinen (!) Berge (~yrh) beziehen, sondern verweist zurück auf Juda. Die Knechte avancieren so zu Eigentümern des Gottesberges und zu Besitzern des judäischen Berglandes; 1 QJesa gleicht hingegen das Genus des ePP an (3. Sg. m.) und lässt Gottes Erwählte »ihn in Besitz nehmen« (whwvryw); vgl. dazu K. Koenen, Ethik, 181 (mit

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

Gott eingesetzt wird (V.9). Als solche sind sie für ihn »meine Erwählten« (yryxb) und treten damit in die Nachfolge von Jakob/Israel aus Jes 40 – 55 (vgl. yryxb »mein Erwählter« in 42,1; 43,20; 45,4), weil sie offensichtlich das erwählt (rxb) haben, woran Jhwh Gefallen hat (vgl. 56,4; 58,5 f.).33 Auch den Ausdruck »mein Volk« (ym[, vgl. Jes 63,8) beziehen die Jhwh-treuen Knechte nun exklusiv auf sich: Es besteht nicht mehr aus trügerischen Kindern (vgl. 58,1; 63,8), sondern ausschließlich aus denjenigen, die Jhwh befragt haben (ynwvrd). »The term ym[ is now reserved […] for the faithful (65:1, 19; cf. 57:14).«34 Nach Jes 65 zählt Jhwh also nur mehr diejenigen zur Kategorie »mein Volk«, die das göttliche Heilsangebot angenommen haben, von dem er in V.1 sprach. Durch diese partikulare Applikation auf eine Teilgruppe der nachexilischen Gemeinde kommt es gewissermaßen zu einer Neudefinition jener Begrifflichkeit, die sonst in der Jesajatradition und weit darüber hinaus Israel als Gesamtheit umschreibt.35 Mit der göttlichen Vision einer goldenen Zukunft stilisiert sich die Knechtsgemeinde in Jes 65 zum wahren Besitzer des Zion. Gott lässt sie nun dort Wohnung nehmen (hmv !kv, V.9), wo er selbst seine irdische Wohnstatt hat (vgl. Jes 8,18 : !wyc rhb !kvh twabc hwhy). Der zweite Teil der Gottesrede (V.11 – 16b) konzentriert sich auf das Schicksal, das die Apostaten zu erwarten haben. Die pointierte, direkte Anrede in V.11a (~taw) durchbricht schlagartig die idyllische Szene von V.10: Nun geht es nicht mehr um die Jhwh-»Sucher« (ynwvrd, V.10) sondern um die hwhy ybz[ (wörtl. »die Jhwh Verlassenden«). Schon das Proömium zum Jesajabuch hat dieser Gruppe den sicheren Untergang verheißen (hlk, 1,2836). Ihr Abfall von Jhwh äußert sich im »Vergessen des Gottesberges« (yvdq rh-ta xkv), womit wohl die Vernachlässigung des Zion als kultisches Zentrum gemeint ist.37 Während die Jhwh-Treuen den Berg in Besitz nehmen (yrh vry), tun sich die Abtrünnigen nach Darstellung der Gottesrede vor allem durch Opfermahlfeiern für fremde Gottheiten hervor. Als exemplarische Vertreter nennt Jes 65,11 die beiden Glücksgötter Gad und Meni, die sich im nachexilischen Juda offensichtlich großer Beliebtheit erfreuten.38 Nach der negativen Charakterisierung der Apostaten kommt es in V.12 zu

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FN 141). J. L. Koole, Jes 56 – 66, 431 interpretiert das ePP 3. Sg. f. hingegen als feminium pro neutro. Vgl. P. Smith, Redaction, 141. Ebd., 136; ähnlich J. Gärtner, Jesaja, 41. Vgl. B. Schramm, Opponents, 155: »What happens essentially […] is that all of the traditional terms […] are redefined.« Dieser Teil des Proömiums spiegelt wohl die Spannungen aus nachexilischer Zeit wider ; vgl. W. A. M. Beuken, Jes 1 – 12, 69. Vgl. J. Blenkinsopp, Jes 56 – 66, 278. Zu den außerbiblischen Belegen der beiden Gottheiten siehe S. Ribichini, Art. Gad, 339 f.; S. D. Sperling, Art. Meni, 567 f.

Der Krieger JHWH und seine Knechte – göttliche Gewalt in Tritojesaja (Jes 56 – 66)

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einer deutlichen Steigerung der gewaltgeladenen Rhetorik. Auf die anklagende Anrede der Übeltäter (~taw, V.11) folgt die Darstellung ihres weiteren Schicksals, die Jhwh in V.12 mit einem pointiert an den Anfang gestellten ytynmw (»und ich werde anheimstellen«) einleitet. Nachdem die Frevler schon in V.5 zu Rauch in der göttlichen (Zornes)Nase wurden, verheißt er nun, die Angesprochenen dem Schwert zu übergeben (brxl hnm). Die Gefühlsregung verwandelt sich also schlagartig in tödliche Gewalt! Während die Waffe in den meisten Fällen auf kriegerische Gewalt hindeutet (z. B. Jes 13,15; 27,1; 31,8), vollzieht Gott in Jes 65,12 das Gericht, indem er die Frevler zur Schlachtung (xbjl) führt.39 Das göttliche Schwert (brx) als Schlachtwerkzeug (xbjl) ist im Jesajabuch nur mehr im Edom-Orakel präsent (Jes 34,6; vgl. Ez 21,20.33). Diese semantische Verbindungslinie zeigt abermals, dass es in Jes 56 – 66 zu einer Überlagerung der Feindbilder kommt, indem die innergemeindlichen Kontrahenten der Knechte mit Israels äußeren Gegnern zusammenfallen: sei es Edom als nachexilischer Erzfeind par excellence (vgl. 34,6) oder die Völkerwelt insgesamt (vgl. xbj, 34,2). Dass die Übereignung an das Schwert statt mit der geläufigeren Wurzel !tn (vgl. Jer 15,9; 25,31; Mi 6,14) mit dem Verb hnm (»bestimmen«) umschrieben wird, steht aller Wahrscheinlichkeit nach mit dem erwähnten Glücksgott in Zusammenhang.40 Denn so entsteht ein Wortspiel mit Meni (V.11b), dessen Name wohl von derselben Wurzel abzuleiten ist.41 Die Gottheit, von der sich die Menschen Glück und Wohlergehen erhoffen, kann also nicht verhindern, dass ihre Verehrer vor dem Schwert in die Knie brechen ([rk). Sie erweisen sich letztlich genauso machtlos wie die babylonischen Götzenbilder (und deren Anhängerschaft), die in Jes 46,1 f. in die Knie gegangen sind ([rk). Zur Schlachtung am Boden kauernd erwartet sie der finale »coup de gr–ce«42 (vgl. Ri 5,27). Analog zur kontrastiven Charakterisierung der beiden Gruppen, die sich durch das Kapitel zieht, ist auch die Beschreibung ihres künftigen Schicksals spiegelbildlich angelegt. Das Geschick der Apostaten konterkariert die heilvolle Zukunft der Knechte. Strukturell orientiert sich der Text dazu am Schema der dtn Bundesstipulationen43 (vgl. bes. Dtn 28,47 f.), doch verläuft die Grenze zwischen Segen und Fluch nun mitten durch das Volk: Während Jhwh seinen treuen Knechten Lebensgüter und Freude in Überfluss verheißt, werden die in V.13 direkt Angesprochenen hungern (b[r), dürsten (amc) und beschämt sein 39 Für L. Ruszkowski, Volk, 91 ist es ebenfalls unwahrscheinlich, dass das Gericht in Form eines Krieges kommt, »weil der Krieg kaum zwischen den ›Bösen‹ und den ›Guten‹ trennen kann«, doch misst L. Ruszkowski der Schlachtungsnotiz keine Relevanz für die Deutung der göttlichen Gewalt bei. 40 Vgl. W. Lau, Schriftgelehrte Prophetie, 198. 41 S. D. Sperling, Art. Meni, 567. 42 J. Blenkinsopp, Jes 56 – 66, 279. 43 Vgl. U. Berges, Buch, 503; P. Smith, Redaction, 143.

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

(vwb), so dass sie in V.14 »aus Kummer« (wörtl. »Herzschmerz«, bl bakm, vgl. Spr 14,13) um Hilfe schreien (q[c) und heulen (lly), wie dies im Jesajabuch sonst ausschließlich die fremden Nationen in den Fremdvölkersprüchen tun (vgl. 13,6; 14,31; 15,2 f.; 16,7; 23,1.6.14). Doch so wie die Apostaten zuvor das göttliche Wort nicht vernommen haben (vgl. Jes 65,12), schenkt nun Jhwh ihrem Schreien und Heulen offensichtlich keinerlei Beachtung. Eine weitere Steigerung in der Gewaltinszenierung bringt die letzte Gegenüberstellung von Apostaten und Knechten (V.15): Denn das einzige, was die Frevler nach ihrer Schlachtung hinterlassen (xwn hiph.), ist ihr Namen. Er wird den Erwählten, die aus dem göttlichen Gericht wohlbehalten hervorgehen, noch dazu als Fluchwort ([wbv) dienen: »Dass Adonaj Jhwh dich töte« (44hwhy ynda $tymhw), erinnert fortdauernd45 an das von Gott verfügte, gewaltsame Ende und restlose Verschwinden aller Abtrünnigen.46 Dabei handelt es sich – mit den Worten von W. Beuken – tatsächlich um den »paramount to death«47. Das Schicksal, als Fluchwort über den gewaltsamen Tod hinaus fortzuleben, teilen die Übeltäter mit biblischen Einzelfiguren wie den Falschpropheten Zidkija und Ahab (Jer 29,22), dem von Feinden verfolgten Psalmenbeter aus Ps 102,9 oder der überführten Ehebrecherin von Num 5,27. Auch Juda und Israel dienten nach Sach 8,13 aufgrund ihres schmachvollen Exilsdaseins als Fluch unter den Völkern (~ywgb hllq ~tyyh). Doch inwiefern reflektiert der Wortlaut des Fluches aus Jes 65,15 die atl Rede von Jhwh und insbesondere das Gottesbild des Jesajabuches? Dass Jhwh zu töten vermag und auch tatsächlich tötet, ist zwar eine breit bezeugte atl Vorstellung. Doch die lexikalische Verteilung von twm hiph. mit göttlichem Subjekt weist innerhalb der HB einige Besonderheiten auf: Sie hat einen deutlichen Schwerpunkt in den narrativen Teilen (11 der insgesamt 19 Belege). Die meisten Verweise unterstreichen Gottes unwidersprochene Fähigkeit und Macht, Menschen sterben zu lassen (Num 14,15; Dtn 9,28; Ri 13,23), oder zeugen von seiner Tötungsabsicht (Ex 4,24; 1 Sam 2,25; 1 Kön 17,20). Vom tatsächlichen Vollzug wird allerdings nur im Fall des Juda-Sohnes Er (Gen 38,10; 1 Chr 2,3) sowie bei Saul (1 Chr 10,14) berichtet. In der atl Poesie und Schriftprophetie wird hingegen kaum auf twm hiph. 44 Vielfach wird der Halbvers aufgrund des Wechsels im ePP (Pl. ! Sg.) als Indiz für eine spätere Glosse aufgefasst; vgl. etwa C. Westermann, Jes, 320. Die Spannungen im Text sprechen nach J. Blenkinsopp, Jes 56 – 66, 280 dafür, dass der Redaktor »simply got carried away with just indignation«. Nach W. Lau, Schriftgelehrte Prophetie, 199 f. bildet V.15ab gar das Rudiment eines verlorenengegangenen Fluches, den er mit »So wie Jahwe die ›JahweVerlasser‹ getötet hat, so soll Jahwe dich töten« rekonstruiert. Doch sowohl die Annahme eines ausgefallenen Relativsatzes als auch die Rekonstruktion desselben bleiben aufgrund fehlender Indizien im MT-Text und den antiken Texttraditionen reine Spekulation. 45 Diesen Aspekt hebt 1 QJesa durch die Einfügung von dymt (»beständig«) explizit hervor. 46 Vgl. B. M. Zapff, Jes 56 – 66, 425. 47 W. A. M. Beuken, Main Theme, 79.

Der Krieger JHWH und seine Knechte – göttliche Gewalt in Tritojesaja (Jes 56 – 66)

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zurückgegriffen, um tödliche Gewalt auf Jhwh zurückzuführen. Sieht man von Ps 105,29 ab, wo im Rückblick auf die ägyptischen Plagen Jhwh die Fische im Nil tötet, fehlt die Formulierung zur Umschreibung göttlicher Gewalt im gesamten Psalter. Denselben Befund liefern die beiden anderen großen prophetischen Traditionen, das Jeremia- und das Ezechielbuch. Im Jesajabuch ist twm hiph. immerhin an zwei weiteren Stellen belegt: Von besonderer Relevanz für die Deutung von Jes 65,15 ist vor allem der erste Beleg: In Jes 11,4 tötet (twm hiph.) der erwartete königliche Spross, auf dem die hwhy xwr ruht (V.2), die Frevler ([vr) mit dem Hauch seiner Lippen und sorgt so – in Analogie zu Jes 65 – für eine Scheidung zwischen Übeltätern und Gerechten. Das Motiv des Tierfriedens als Zeichen eines gewaltfreien Miteinanders, das die Autoren in Jes 65,25 aus Jes 11,6 – 9 übernehmen,48 macht die Verbindung zwischen den beiden endzeitlichen Visionen noch enger. Nach dem gewaltsamen Ausscheiden der Frevler erwarten auch die Knechte einen universalen Frieden, sodass sie die Heilsverheißung aus Jes 11 »als eine an sich gerichtete verstehen«49. Doch während dort die Wende (noch) von einer göttlich legitimierten Herrschergestalt geleistet wird, kann nach der Darstellung von Jes 65 nur (mehr) Jhwh selbst dem gegenwärtigen Unheil ein Ende setzen, indem er den Tod der Frevler herbeiführt. Im Kontext des Philisterspruches (Jes 14,28 – 32) droht Jhwh, das fremde Volk mit Hunger zu töten (b[rb ytmhw, V.30). Dies hat eine enge Motivparallele in Hos 2,5, wo Jhwh dafür den Durst einsetzt (amcb hytmhw). Das erste Buch des Dodekapropheton liefert mit Hos 9,16 auch den einzigen weiteren Beleg aus der gesamten Schriftprophetie. Neben diesem spärlichen Befund finden sich noch zwei Belege aus poetischen Texten, die in narrative Teile der HB eingebunden sind. Dabei handelt es sich um das Moselied (Dtn 32) sowie das Loblied der Hanna (1 Sam 2,1 – 10). Beide verweisen in pointierter Art und Weise auf einen grundlegenden Wesenszug des Gottesbildes und tragen damit auch Entscheidendes für die Deutung des Fluchwortes in Jes 65,15 bei. Sie sprechen nämlich nicht nur von Gottes tödlicher Gewalt (twm hiph.), sondern zugleich von seiner Macht »lebendig zu machen« (hyx pi.). Während in 1 Sam 2,6 Hanna über Jhwh spricht50, bringt dies in Dtn 32,39 sogar Gott selbst zu Gehör : »Ich töte und ich mache lebendig!« (hyxaw tyma yna). Da sich auch an anderen Stellen von Jes 65 starke Bezüge zu den Schlusskapiteln des Dtn zeigen (so u. a. Jes 65,13 f. ! Dtn 28,47 f.; Jes 65,16a ! Dtn 29,18)51, orientierten sich die Verfasser wohl auch bei der Formulierung des Fluchwortes am ersten Teil der göttlichen Selbstvorstel48 Vgl. W. Lau, Schriftgelehrte Prophetie, 141; O. H. Steck, Tierfrieden. 49 U. Berges, Buch, 509. 50 In 2 Kön 5,7 findet sich die Formel zwar ebenfalls; allerdings in einer Frage und mit der Gattungsbezeichnung ~yhla. 51 Dazu etwa U. Berges, Buch, 503; W. Lau, Schriftgelehrte Prophetie, 193.

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lung aus Dtn 32,39. Dabei applizierten sie jedoch die generelle Aussage über Jhwhs todbringende Macht aus dem Moselied punktuell auf ihre Gegnerschaft. Für die eigene Seite wird hingegen der lebensspendende Aspekt der Gottheit »reserviert«. Dies zeigt sich auf eindrucksvolle Weise im Schlussteil der Gottesrede (Jes 65,16b–25) – unter anderem durch die Aufnahme des Friedensmotivs aus Jes 11,6 – 9. Es ist also weniger die Gewaltsemantik als vielmehr die Art und Weise ihrer Präsentation, die Jes 65,15 zu einem Spitzentext göttlicher Gewalt macht: Die Zuversicht, dass Jhwh in »Zorn« (@a, V.5) den Frevlern ein gewaltsames Ende durch Schwert (brx, vgl. Jes 27,1) und Schlachtung (xbj, vgl. 34,2.6) bereitet, teilt Jes 65 mit einer ganzen Reihe von jesajanischen Gewalttexten. Bemerkenswert ist hingegen der Blick über die restlose Vernichtung hinaus: Was von den Frevlern nach ihrer vollständigen Tilgung übrigbleibt, ist nur ein Fluchwort, das Jhwhs Erwählte an ihr gewaltsames, von Gott herbeigeführtes Ende erinnert. »Vergessen« (xkv) werden zwar die früheren Nöte (twnvarh twrch, V.16), nicht aber der von Jhwh herbeigeführte Tod all jener, die den Berg der Heiligkeit vergessen haben (vgl. rh-ta xkv yvdq, V.11). Damit bleiben die Abtrünnigen trotz oder paradoxerweise gerade durch ihre vollständige Vernichtung als »Paradigma zukünftiger Verfluchungen«52 im Frevler-freien Jerusalem präsent, von dem der Schlussteil des Kapitels in harmonischen Tönen spricht. Nach und mit der Vernichtung der Apostaten aus der nachexilischen Gemeinde kommt es – so die Hoffnung der Literaten – zu einer (Neu)Schöpfung von Himmel und Erde (arb, V.17), die durch V.18 mit der Schöpfung von Jerusalem und »ihrem Volk« (hm[) zusammenfällt.53 Die Beschreibung ist geprägt von Motiven, die die nachhaltige Abwesenheit von Gewalt zum Ausdruck bringen. Sie zeigt auf eindrucksvolle Weise, wie sich Altisrael ein erfülltes Leben vorstellt: Freude und Jubel prägen den Abschnitt (hlg/fwf, V.18 f.), während Weinen (ykb) und Notschrei (hq[z) als hörbare Folgen der Gewalt (z. B. Jes 15,8; 16,9; 22,4) auf ewig verstummen (65,19; vgl. Jes 30,19!). Auch der frühzeitige Tod erreicht weder die Jüngsten noch die Ältesten. Vielmehr sterben alle lebenssatt54, indem sie ihre Tage erfüllen (wymy-ta alm) und daher keiner als »verflucht« (llq pu.) zu gelten hat (65,20).55 Dies ist unter anderem deshalb möglich, weil nach V.21 f. – unter abermaliger Aufnahme der dtr Fluchreihen (bes. Dtn 28,30) – alle Kriegsgefahr endgültig der Vergangenheit angehört. Weil keine feindlichen Heere mehr brandschatzend durch das Land ziehen (vgl. Jes 1,7), sind auch alle 52 B. M. Zapff, Jes 56 – 66, 425. 53 Vgl. H.-J. Kraus, Jes, 241: »Die neue Schöpfung ist Jerusalem.« [Hervorhebung: H.-J. K.]. Zu Jes 65,16b–25 siehe ausführlich J. Gärtner, Jesaja, 44 – 52. 54 Zur atl Vorstellung von lebenssattem Sterben siehe A. Krüger, Tod. 55 Zum Problem des frühzeitigen Todes und dem theologischen Umgang mit ihm siehe M. Leuenberger, Problem.

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Mühen nicht mehr »vergeblich« (qyrl w[gyy al, 65,23a; vgl. Lev 26,16). Den Knechten bleibt damit jenes Schicksal erspart, das ihre autoritative Identifikationsfigur, der hwhy db[, im 2. GKL befürchtete: »Umsonst habe ich mich abgemüht« (yt[gy qyrl, Jes 49,4). Mit dieser intratextuellen Allusion rückt »die Gemeinde der ›Knechte‹ und ›Erwählten‹ in unmittelbare Nähe des Ebed«56. Die Kindersterblichkeit – ein massives Problem im gesamten alten Orient57 – wird sich unter den Gesegneten Jhwhs (hwhy ykrb, 65,23; vgl. V.8!) ebenfalls nicht mehr einstellen: Statt für den jähen Tod (hlhb, vgl. Ps 78,33) zu gebären, sind »ihre Sprösslinge« (~hyacac, vgl. Jes 60,1) bei ihnen. Grundlage des gesamten Heilsszenarios im neuen Jerusalem bildet die ungebrochene Beziehung, die zwischen Jhwh und seinem geläuterten Volk besteht (V.24):58 Das Rede-Antwort-Schema, das die Gottesworte von Jes 65 als Leitmotiv durchzieht (vgl. V.1.12.24), erhält einen krönenden Abschluss.59 Der »Normalfall« gelungener Kommunikation zwischen Gott und Menschen, wie ihn Jes 58,9 vorstellte (und Jhwh in Jes 65,12 konterkarierte), wird nun sogar übersteigert: Noch bevor (~rj!) die Knechte zu Jhwh rufen, antwortet er ihnen bereits. Der Schlussvers der Gottesrede (V.25) weist mit seiner Aufnahme von 11,6 – 9 eindeutig darauf hin, dass sich die innige Gottesbeziehung auch auf das zwischenmenschliche Miteinander positiv auswirkt60 : »Man tut nichts Übles mehr ([[r), noch handelt man verderblich (txv) auf dem ganzen Berg meiner Heiligkeit!« Der Durchgang durch die Gottesrede von Jes 65 macht aber deutlich, dass die Verfasser diesen Zustand im »himmlischen« Jerusalem erst für die Zeit nach der gewaltsamen Scheidung der Apostaten von den Knechten als Träger des Segens (vgl. V.8) erwarten. Ein Gottesberg frei von zwischenmenschlicher Gewalt bedarf nach Ansicht von Jes 65 des gewaltsamen Eingreifens durch Jhwh. Mit Blick auf das letzte Kapitel der Prophetenschrift hat sich der heilvolle Zustand aber offensichtlich noch nicht eingestellt. Noch einmal scheint Jhwh als Gewalttäter in Erscheinung treten zu müssen.

56 U. Berges, Buch, 508. 57 Vgl. St. M. Maul, Alter, 24: »Unter den kaum überschaubaren heilkundlichen Traktaten, die der alte Orient in mehr als zwei Jahrtausenden hervorgebracht hat, finden sich […] bezeichnenderweise zahlreiche Anweisungen zur Heilung von Säuglingen, Kleinkindern und Frauen.« 58 Vgl. C. Westermann, Jes, 326, der allerdings diese Verheißung auf das gesamte Volk bezieht. 59 Vgl. J. Blenkinsopp, Jes 56 – 66, 290. 60 Dementsprechend ist V.25 keine sekundäre Erweiterung im Sinne einer »apokalyptischen Schilderung«, wie C. Westermann, Jes, 326 meint (vgl. u. a. auch K. Koenen, Ethik, 172 f.), sondern »der bewusste Abschluß des eigentlichen Themas von [Jes] 65« (U. Berges, Buch, 509); vgl. auch P. Smith, Redaction, 152; J. Blenkinsopp, Jes 56 – 66, 285.

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

4.6.6 JHWHs Stimme ertönt zum letzten Gericht (Jes 66,1 – 6) Das letzte Kapitel des Jesajabuches ist von abrupten Perspektivwechseln und Stimmungsumschwüngen gekennzeichnet, durch die sich der synchrone Aufbau sowie die redaktionsgeschichtliche Gliederung von Jes 66 als umstrittenes Unterfangen erweisen.61 Das Kapitel weist zahlreiche semantische, strukturelle und inhaltliche Gemeinsamkeiten mit Jes 65 auf62, doch trägt es insofern einen neuen Aspekt ein, als nun »neben der Scheidung innerhalb des Gottesvolkes auch das endzeitliche Geschick der Völkerwelt bedacht wird«63. Geht man von einer ersten Einheit in Jes 66,1 – 664 aus, so macht diese in Zusammenschau mit dem vorherigen Kapitel zunächst noch einmal deutlich, wem die Heilsverheißung von Jes 65,16b–25 gilt und wem nicht. Es sind die »Zitterenden« (~ydrx) vor Jhwhs Wort, denen Gott in 66,2 seine (heilvolle) Zuwendung (abn, vgl. Jes 63,15; 64,8) verspricht. Bei dieser Gruppe handelt es sich zweifelsohne um »seine Knechte« (vgl. 66,14)65, deren gegenwärtige Situation überaus prekär zu sein scheint: Indem Jhwh sie als »Elende« (yn[) bezeichnet, wiederholt sich an ihnen die Unterdrückung der Bewohner im vorexilischen Jerusalem (vgl. Jes 3,14 f.; 10,2) wie auch das Schicksal Zions und ihrer Bevölkerung in exilischer Zeit (vgl. 41,17; 49,13; 51,21; 54,11). Den Knechten wird in Jes 66,3 eine Gruppe gegenübergestellt, die aufgrund ihrer falschen Kultpraktiken als für den Tempel(weiter)bau66 ungeeignet erscheint.67 Die zitierende Aufnahme der göttlichen Anklage von Jes 61 So weist bspw. U. Berges, Buch, 516 das gesamte Kapitel der Knechtsredaktion zu, die mit Jes 56,1 – 8 eine Klammer um die letzte Teilkomposition legt und mit Jes 1,29 – 31 ihre literarischen Spuren auch im Proömium des Großjesajabuches hinterlassen hat. Nach W. A. M. Beuken, Closure, 221 besteht Jes 66 hingegen trotz starker Kohärenz aus 3 thematisch distinkten Epilogen, die zunächst Tritojesaja (V.7 – 14: die Knechte Jhwhs), dann Trito- und Deuterojesaja (V.15 – 21: göttliche Theophanie und Sammlung aus den Völkern) und schließlich das gesamte Großjesajabuch beschließen (V.22 – 24). 62 Dazu ausführlich O. H. Steck, Beobachtungen. 63 B. M. Zapff, Jes 56 – 66, 430. 64 Zur Abgrenzung der Einheit siehe U. Berges, Buch, 516 f.; vgl. auch L. Ruszkowski, Volk, 117 f.; W. A. M. Beuken, Main Theme, 82. 65 Vgl. B. M. Zapff, Jes 56 – 66, 432; J. Blenkinsopp, Jes 56 – 66, 300: »ha˘ re¯d„m (›Tremblers‹) ˙ and ga˘ba¯d„m (›Servants‹) are alternative designations for the same group«. 66 Denn während Jes 66,1b die Errichtung als noch nicht abgeschlossenen Vorgang präsentiert (vgl. hnb jiqtol), scheinen Jes 66,3.6 von einem bereits existierenden Tempel(kult) auszugehen. B. M. Zapff, Jes 56 – 66, 431 erklärt die Imperfektform in V.1b hingegen vor dem Hintergrund eines schriftgelehrten Bezuges auf die Natansverheißung (2 Sam 7,5). 67 Die neuere Forschung hat überzeugend herausarbeiten können, dass Jes 66,1 – 2 keiner generellen Ablehnung von Tempelkult das Wort redet; vgl. u. a. W. A. M. Beuken, Temple, 63 f.; K. Koenen, Ethik, 183 – 186. Einer so radikalen Abkehr steht die grundsätzliche Wertschätzung von Tempel (vgl. Jes 6!) und Tempelkult in der Jesajatradition (z. B. 43,23 f.!) entgegen, die bis in die literarhistorisch jüngsten Straten hineinreicht (vgl. Jes 25,6; 66,20 f.).

Der Krieger JHWH und seine Knechte – göttliche Gewalt in Tritojesaja (Jes 56 – 66)

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65,12 in 66,4 verdeutlicht, dass sie mit ihrem Treiben in der zerstörten Gottesbeziehung verharren: Weil Jhwh gerufen, sie aber nicht geantwortet haben, sondern ihren eigenen Weg »erwählt haben« (rxb, V.3), »wählt« (rxb) Jhwh nun seinerseits den »Mutwillen« (hlwl[t, vgl. Jes 3,4) als die ihrer Willkür entsprechende Strafe (66,4). Worin der von Jhwh zugleich herbeigeführte »Schrecken« (hrwgm, vgl. Ps 34,5; Spr 10,24) besteht, zeigt der Schluss der Sprucheinheit (V.6): Jhwhs Vergeltung ertönt vom Tempel her (Jes 66,5 f.) 5

Hört das Wort Jhwhs, die ihr vor seinem Wort zittert! Es sagen die Brüder, die euch hassen, die euch verstoßen um meines Namens willen: »Jhwh sei herrlich, damit wir sehen eure Freude!« Aber sie werden zuschanden werden! 6 Schall eines Getöses von der Stadt her, Schall vom Tempel, Schall von Jhwh, der Vergeltung übt an seinen Feinden!

Der direkte Höraufruf an die ~ydrx (vgl. V.2) sorgt für einen deutlichen Einschnitt im bisherigen Verlauf von Jes 6668 und klärt die Kommunikationssituation der weiteren Gottesrede: Da die Frevler nicht auf Jhwhs Reden gehört haben (V.4), ist zu ihnen »offensichtlich jeglicher direkter Kontakt«69 abgebrochen. Demgegenüber spricht Jhwh nun die Knechtsgemeinde an, da sie dem göttlichen Wort Ehrfurcht entgegenbringt (drx70). Ihr Problem besteht offensichtlich in einem schweren Konflikt mit einer weiteren Gruppierung im nachexilischen Jerusalem: Die Antagonisten werden von Jhwh als »Brüder« (~yxa) beschrieben, die den Knechten aber mit »Hass« (anf) begegnen. Die Ablehnung scheint bereits zum offenen Bruch mit den Knechten geführt zu haben. Angesichts der verwendeten Terminologie (hdn) könnte dahinter eine kultische Ausweisung stehen (vgl. Lev 15,19 f.24 – 26; Num 19,20).71 Dass die Verstoßung

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J. Blenkinsopp, Jes 56 – 66, 295 liest 66,1 f. dementsprechend als »another warning against the overvaluation of the temple, or wrong understanding about its function«. Mit stärkerer Fokussierung auf den Gesamtzusammenhang von V.1 – 6 steht nach U. Berges, Buch, 517 nicht »die Qualität des Tempels, sondern die der Tempelbauer auf dem Prüfstand«. Nach C. Westermann, Jes, 329 ist V.5 gar »ein in sich geschlossener Text« in Form einer – stark abgewandelten – Gerichtsankündigung. J. L. Koole, Jes 56 – 66, 483 – 488 hingegen sieht in V.5 f. eine eigenständige Einheit, während W. Lau, Schriftgelehrte Prophetie, 179 von einer Gerichtsrede (V.5 f.14b–17) ausgeht, die sekundär an Jes 66,1 – 4 angeschlossen wurde. B. M. Zapff, Jes 56 – 66, 430. Nach A. H. Baumann, Art. drx, 181 beschreibt der Begriff die »Unruhe und Erregung derjenigen, die über die möglichen Folgen einer Übertretung göttlicher Gebote erschrocken sind, also des innersten Kernes der nachexilischen Gemeinde«. Vgl. J. L. Koole, Jes 56 – 66, 485.

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nach Jhwhs eigenen Worten noch dazu »um meines Namens willen« (ymv ![ml) geschieht, erhöht die Ungeheuerlichkeit des Vorfalls. »Diese Situation kann nicht andauern, […] die Zeit der Abrechnung ist gekommen.«72 Der Text lässt die Brüder ihr eigenes Gericht sprechen, indem sie Jhwhs dwbk und somit auch die Verheißung seines strahlenden Kommens (vgl. Jes 60,1 f.73) infrage stellen.74 Beschämung allein (vwb, vgl. 66,5b) scheint für eine solche Lästerung keine ausreichende Konsequenz mehr zu sein: So wandelt sich Jhwhs Wort der Zuversicht für seine Knechte in V.6 zu einem unheilsvollen Dröhnen (vgl. Jer 25,30 f.; Am 1,2; Jorl 4,16).75 Der Schlussvers der ersten Sequenz gibt sich mit der dreimaligen Wiederholung von 76lwq in Verbindung mit dem »Getöse« (!wav) als geschickter schriftgelehrter Verweis auf die Eingangsszene zum Gericht an Babel zu erkennen (Jes 13,2 – 4: ebenfalls 3x lwq + !wav).77 Auf die blasphemische Verstoßung der Jhwh-treuen Knechte durch die innergemeindlichen Gegner reagiert Gott ebenso heftig wie gegen seinen äußeren Erzfeind aus Jes 13. Die Rivalen innerhalb der nachexilischen Gemeinde werden von den Verfassern damit als genau so gefährlich eingeschätzt wie einst die außenpolitischen Feinde Israels,78 die auf Endtextebene zugleich den weltweiten Frevel verkörpern (vgl. V.9 – 16).79 Während Jhwh in Jes 13,2 – 4 als Kriegsherr seine lärmenden Truppen zum Kampf um sich scharrt, stammt der furchteinflößende Schall in Jes 66,6 von Jhwh, da er selbst »Vergeltung übt« (lwmg ~lvm). Zwar ähnelt die Szenerie durch die aus dem »Tempel« (lykh) ertönende göttliche Stimme (lwq) jener aus Jes 680, doch anders als in der Tempelvision umfasst das göttliche Gericht von Jes 66 nicht mehr das ganze Volk. Es zielt auf eine bestimmte Teilgruppe der nachexilischen Gemeinde: »eure Brüder, die euch hassen« (~kyanf ~kyxa, V.5). Diese werden mit V.6 zu Jhwhs unmittelbaren Feinden stilisiert (wybyal »seine Feinde«). Tiefer kann die innergemeindliche Spaltung nicht mehr reichen! 72 U. Berges, Buch, 523. 73 So nach W. Lau, Schriftgelehrte Prophetie, 180, der die semantische Verbindung über das Stichwort dwbk als ein weiteres Indiz versteht, in den »›Brüdern‹ vielleicht Gegner TrJes’ bzw. der trjes. ›Tradentenkreise‹ zu sehen, die sich wegen der ausbleibenden Verwirklichung der trjes. Verheißungen über diese belustigen«. 74 So auch B. M. Zapff, Jes 56 – 66, 434: »Mit diesem Spott stellen sich die Gegner der Jahweanhänger selbst ins Abseits.« 75 Vgl. K. Koenen, Ethik, 201: »V6 malt den Untergang aus: Jahwe wird unter Tosen erscheinen, um an seinen Feinden Vergeltung zu üben. V6 expliziert also das wvby von v5.« 76 Dies lässt L. Ruszkowski, Volk, 121 »an Ps 29 denken«, wo zwar die göttliche Stimme gehäuft belegt ist (hwhy lwq, 7x), die weiteren intertextuellen Bezüge aber recht bescheiden ausfallen. 77 So auch B. M. Zapff, Jes 56 – 66, 434. 78 Vgl. U. Berges, Buch, 528; K. Koenen, Ethik, 204. 79 Hingegen meint C. Westermann, Jes, 333 auch bei Jes 66,6, »daß es sich um ein Gericht Gottes an äußeren Feinden Israels, also den Völkern, handelt«. 80 Siehe B. M. Zapff, Jes 56 – 66, 434.

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Gleichzeitig wird Jhwhs Strafhandeln unter das Vorzeichen der Vergeltung gestellt. Diese ist für die Deutung göttlicher Gewalt in der letzten Teilkomposition eine zentrale Kategorie: Die Verbindung von ~lv und lmg stimmt mit Jes 59,18 fast wortwörtlich überein. Jhwhs Vergeltung, zu der er sich in Jes 59 gegen »seine Gegner« (wyrcl) mit Recht und Gerechtigkeit gerüstet hat, scheint sich nun vom Tempel her zu vollziehen.81 Im literarischen Nahkontext verweist das Rachehandeln (~lv) in Kombination mit der dröhnenden Gottesstimme auf die Zusicherung von Jes 65,6, Jhwh werde solange nicht schweigen (hfx al), bis er seine Vergeltung vollzogen hat. Mit Jes 66,6 bringt Jhwh diese Verheißung offensichtlich zur Ausführung (vgl. ~lv part.). Ein Rückbezug auf Jes 65 scheint auch – allerdings unter positiven Vorzeichen – im Auftakt zum Mittelteil (66,7 – 14) vorzuliegen, indem der Topos von Gottes zuvorkommender Heilszuwendung aus Jes 65,24 (vgl. auch 66,8b) sowie das Motiv des gefahrlosen Gebärens aus Jes 65,23 (vgl. auch 66,9b) auf die Mutter Zion appliziert wird: Noch bevor (~rjb, vgl. 65,24) die Wehen einsetzen, wird Jerusalem schon geboren haben (dly, vgl. V.7 f.; 65,23).82 Auf diese Weise sorgt Jhwh für die Entstehung einer neuen Zionsgemeinde.83 Das plötzliche Gebären und der unerwartet große Kindersegen sollen daher auch für die gegenwärtig unterdrückten Knechte Anlass zur Freude (V.10.14) und ein Grund zum Trost sein (V.11 – 13). Diese sind somit nicht bloße Beobachter des Geschehens: »they themselves become her [Zions] children by participating in her joy«84. Denn auch die Gebeine der verstoßenen Knechte werden wie Gras sprießen (V.14a), weil Gott dem Zion den Frieden (~wlv) wie einen Sturzbach (85@twv lxnk) zuleitet (V.12). Mit diesem Gottesbild stellt sich die angefeindete, nachexilischen Randgruppe in die Nähe der dtjes Zusage aus Jes 48,18, nach der auf die Achtung der göttlichen Gebote (twcml bvq; vgl. wrbd-la ~ydrx, 66,5) der Friede wie ein Sturzbach folgt ($mwlv rhnk yhyw).86

81 Vgl. W. Lau, Schriftgelehrte Prophetie, 181. 82 Dazu I. Fischer, Jesaja, 249: »Die Geburt ohne Schmerz wird offensichtlich von JHWH eingeleitet und zum raschen Ende gebracht.« 83 Vgl. U. Berges, Buch, 524. 84 W. A. M. Beuken, Main Theme, 83. 85 Womöglich liegt hier eine bewusste Kontrastierung zu Jes 30,28 vor, wo Jhwhs zerstörerische xwr »wie ein Sturzbach« (@jwv lxnk) zum Gericht an den Völkern daherkommt. Zu weiteren Verbindungen mit Jes 30,27 – 33 siehe J. Gärtner, Jesaja, 105 – 112. 86 Vgl. W. A. M. Beuken, Main Theme, 84.

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

4.6.7 JHWHs Weltgericht erzeugt einen bleibenden Erinnerungsort göttlicher Gewalt (Jes 66,14b–24) Wie es nach Ansicht der Jesajatradenten zu diesem göttlichen Schalom in Jerusalem kommt, zeigt der letzte Abschnitt des Buches, der seinen Auftakt mit dem B-Kolon von V.14 hat: Die Aufnahme der Lexems bywa (»Feind«) verweist zurück auf das aus dem Tempel dröhnende Jhwh-Wort (V.6) und erinnert so zugleich an die darin proklamierte göttliche Vergeltung (~lv pi.). Gemäß Jes 66 verwirklicht sich der Friede in Zion durch Gottes gewaltsames Eingreifen, mit dem er das begangene Unrecht der Brüder (vgl. die Anklagen in V.3) »vergilt«87. Und so stehen einander »seine Knechte« und »seine Feinde« in V.14b abermals unversöhnlich gegenüber. Während sich an der ersten Gruppe die göttliche Hand »als Schutz […] inmitten des Gerichts«88 offenbart (hwhy dy [dy nif.), bricht Jhwh angesichts der zweiten Fraktion in Zürnen aus (89~[z). Die Einspielung des Zornesvokabulars bei gleichzeitigem Sprecherwechsel leitet in V.14b zum Schlussteil von Jes 66 über (V.15 – 24).90 Im Zentrum dieser Strophe (V.18 – 23) steht die Vision über das neue Jerusalem, die durch das göttliche Strafgericht an allem Fleisch gerahmt wird (V.15 – 17.24). Ein letztes Mal erscheint Jhwh, um – wie im ersten Spitzentext göttlicher Gewalt (Jes 5,25 – 29) – mit der ganzen Fülle seiner Sanktionierungsinstrumente zu Gericht zu schreiten. Jhwh erscheint zum letzten Gericht an allem Fleisch (Jes 66,15 f.) 15

Denn siehe Jhwh, mit Feuer kommt er : Wie der Wirbelwind [ist] sein Wagen, um umkehren zu lassen seine Zornesglut, und sein Drohen mit Feuersflammen. 16 Denn mit Feuer richtet Jhwh, und mit seinem Schwert alles Fleisch, und zahlreich werden Jhwhs Erschlagene sein.

Die Eröffnungsszene (V.15 – 17) zeigt auf eindrucksvolle Weise, wie sich der göttliche Zorn über die Frevler in Form von göttlicher Gewalt entlädt. Es kommt zu einer umfassenden Gerichtstheophanie (vgl. Nah 1,2 – 6), die ihr besonderes Gepräge aus dem engen Geflecht von inter- und intratextuellen Bezügen gewinnt: Das exponierte hwhy hnh-yk leitet auch am Ende von Jes 24 – 27 das universale Strafgericht ein, zu dem Jhwh in Jes 26,21 von seiner Stelle auszieht 87 Dies ist nach G. Gerlemann, Wurzel sˇlm, 4 die Grundbedeutung von ~lv. 88 W. Lau, Schriftgelehrte Prophetie, 181 mit Verweis auf 2 Sam 24,14; 1 Chr 21,13; Jes 62,3. 89 Jes 66,14 ist eine der wenigen biblischen Belege des Verbs ~[z (vgl. Num 23,7.8; Ps 7,12; Spr 22,14; 24,24; Dan 11,30; Mi 6,10; Sach 1,12; Mal 1,4). 90 Vgl. K. Koenen, Ethik, 201; J. Blenkinsopp, Jes 56 – 66, 307.

Der Krieger JHWH und seine Knechte – göttliche Gewalt in Tritojesaja (Jes 56 – 66)

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(wmwqmm acy).91 In Jes 66,15 hebt die Konstruktion ebenfalls Gottes Erscheinen92 zu Gericht hervor: »Der entscheidende Satz ist: ›Jahwe kommt‹.«93 Dass er sein Strafhandeln alleine verübt, erklärt sich nicht nur aus dem Umstand, dass seinem Richterspruch »alles Fleisch« (rfb-lk, V.16) unterworfen ist. Die Texte aus Jes 56 – 66 haben immer wieder betont, dass Gott seine Gewalt ohne die Unterstützung fremder Völkern oder anderer (transzendenter) Mächte verübt (z. B. Jes 59,16; 63,3). Sehr wohl greift er in Jes 66,15 f. aber auf andere Gewaltinstrumente zurück. Es scheint fast so, als konzentriere und bündle die finale Gerichtsvision die unterschiedlichen Repräsentationsformen göttlicher Gewalt im Jesajabuch. Mit insgesamt vier Belegen nimmt die Feuermetaphorik in der Schlussszene (V.15 f.) den prominentesten Platz ein (hmx, bhl, va 2x): Mit Blick auf verwandte Formulierungen in Ps 50,3 und Jes 30,27 deutet sich schon in Jhwhs »Kommen mit Feuer« (vab awb) der Gerichtscharakter seines Erscheinens an. Aufgrund der Präposition -b ist das Feuer in MTJes 66,15 durchaus »als reales Begleitphänomen der Theophanie«94 gedacht. In Verbindung mit den »Feuerszungen« (va-ybhl) rahmt das Motiv zudem den ganzen Vers. Der hervorgehobenen Stellung des Wortfeldes in Jes 66,15 f. entspricht, dass das Feuer quasi im gesamten Jesajabuch Gottes zornerfüllte Gewalt begleitet bzw. repräsentiert. Feuer und Flammen brennen insbesondere gegen Israel (z. B. Jes 5,24; 9,17 f.; 29,6) und die assyrische Militärmacht (9,4; 30,27 – 33). In jüngeren Texten kann der Brand aber auch weltweite Ausmaße annehmen (vgl. 13,9; 26,11; 33,11 – 14). Die enge Verbindung von Feuer und Zorn zeigt sich auch in Jes 66,15: Wenn Jhwh mit »Zornesglut« (wpa hmx) daherkommt, hat das göttliche Zürnen (~[z), von dem im Übergangsstichos (V.14b) noch die Rede war, eine massive Steigerung erfahren. Die beiden Lexeme (@a, hmx) lenken den Blick im Rahmen von Jes 56 – 66 auf das Zorngericht des göttlichen Keltertreters (Jes 63,3.6). Sie haben in dieser Kombination aber nur mehr in Jes 42,25 eine wortwörtliche Entsprechung. Mit dem Rückbezug erhält das göttliche Endgericht an »allem Fleisch« gewissermaßen exilische »Qualitäten«: Ergoss sich der göttliche Zorn über die Gola in Form von Kriegsgewalt (hmxlm zwz[), zieht Jhwh nun selbst mit »seinen Streitwagen« heran (wytbkrm, vgl. Hab 3,8). Das göttliche Drohen (hr[g) stellt ebenfalls ein gängiges Element von Theophanien dar – be91 Auch in den beiden übrigen Belegen dieser Konstruktion (Am 6,11; Mi 1,3) erscheint Jhwh jeweils zur Verübung von Gewalt. 92 Die Rede von Jhwhs »Kommen« (awb) ist ein typisches Element von Theophanieschilderungen, wie sie auch im Jesajabuch häufig im Gerichtskontext auftauchen (z. B. Jes 13,5; 19,1; 30,27). 93 C. Westermann, Jes, 334. 94 B. M. Zapff, Jes 56 – 66, 437; hingegen dient das Feuer in der LXX als Vergleichspunkt für das bedrohliche Erscheinen Jhwhs (juqior yr puq gnei).

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

sonders im Kontext der Völkerkampfmotivik (z. B. Jes 50,2; Ps 76,7; Ijob 26,11; vgl. Jes 17,13; Nah 1,4; Ps 9,6; 68,31; 106,9). Es spielt auf jene Wucht und Zerstörungskraft an, mit der der göttliche Zorn (hwhy-tmx) nach Jes 51,20 einst die Einwohner des belagerten Jerusalem traf. Beim Vergleich des Wagenzuges mit Wirbelwind (hpwsk) handelt es sich um eine zitierende Aufnahme aus Jer 4,1395, lässt auf Ebene des Endtextes aber auch an die Räder der assyrischen Wagenkontingente denken, die in Jes 5,28 auf göttlichen Befehl hin zur Bestrafung des Volkes daherrauschten. Das Feuer dient Jhwh auch im eigentlichen Gerichtshandeln als »Waffe«: Denn sein Kommen vab (V.15) setzt sich im »Richten mit Feuer« (vab jpv nif., V.16) fort. Dazu gesellt sich »sein Schwert« (wbrx) als zweites Instrument der Bestrafung über »alles Fleisch« (rfb-lk). Die universale Ausdehnung des Gewalthandelns deckt sich mit den übrigen Texten, in denen Jhwh als Schwertträger in Erscheinung tritt: In Jes 27,1 bringt er damit den Leviatan als mythologischen Repräsentanten der sündhaften Erdenbewohner zur Strecke. In Jes 34,5 f. fährt das göttliche Schwert aus dem Himmel zum Schlachtfest in und an Edom hinab. Ein ganz ähnliches Schicksal verhieß Jhwh in Jes 65,12 auch den Gegnern der Knechte, wenn er sie für das Schwert bestimmte (brxl ddm). Diese göttliche Verheißung an die Feinde scheint sich nun endgültig zu realisieren. Neben den zahlreichen intratextuellen Anknüpfungspunkten weist das Gottesbild von Jes 66,15 f. deutliche Parallelen zu anderen prophetischen Gerichtsszenen auf: Zunächst erinnert die Gewaltsemantik an das sog. »Schwertlied« in Ez 21,1 – 11, wo »alles Fleisch« (V.4.10) das göttliche Gericht sehen soll, das Jhwh mit seinem Schwert (ybrx, V.8.9.10), mit Feuer (va) und einer Flamme (tbhl), die »nie erlischt« (hbkt al, V.3; vgl. Jes 66,24), an Jerusalem und Israel hält (vgl. V.7 f.). Die göttliche Gerichtstheophanie von Ez 21 wendet sich also ursprünglich96 gegen das eigene Volk97 und nicht gegen die gesamte Menschheit. Das Prophetenwort mit den engsten literarischen Bezügen zu Jes 66,15 f. ist jedoch Jer 25,30 – 33. Dort schließt das göttliche Gericht an rfb lk die »Nationen« (~ywg) ausdrücklich ein (vgl. V.31). Die Ausrichtung speziell auf die Völkerwelt zeigt sich auch daran, dass die Einheit in der LXX-Fassung der Prophetenschrift

95 Vgl. W. Lau, Schriftgelehrte Prophetie, 182. Das Bild der daherbrausenden Streitwagen verweist in Jer 4,13 jedoch nicht auf Jhwh, sondern nach W. H. Schmidt, Jer 1 – 20, 130 f. auf den in V.7 aufbrechenden »Würger der Völker« (~ywg tyxvm, vgl. Jes 54,16). Das Eintreffen Jhwhs zum Weltgericht in Jes 66,16 konterkariert somit das mit Schrecken erwartete Eintreffen der (babylonischen) Armee. 96 In V.9 trifft das göttliche Gericht zwar auch »alles Fleisch« (rfb-lk), doch handelt es sich dabei um eine sekundäre Einschreibung, die das auf Israel zentrierte Strafhandeln universal weitet; vgl. W. Zimmerli, Ez 1 – 24, 467. 97 Dort allerdings mit aller Härte, da Jhwh verkündet, sowohl den Ungerechten ([vr) als auch den Gerechten (qydc) auszurotten (vgl. V.8 f.)!

Der Krieger JHWH und seine Knechte – göttliche Gewalt in Tritojesaja (Jes 56 – 66)

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als Einleitung zu den Fremdvölkersprüchen dient.98 Das Orakel weist zahlreiche inhaltliche und semantische Parallelen zu Jes 66 auf: Analog zu V.5 ertönt in Jer 25,30 Jhwhs »Stimme« (lwq) aus »seinem Heiligtum« (wvdq, vgl. lykh, Jes 66,6). Lautes »Getöse« (!wav) begleitet auch in diesem Fall seine Gerichtsankündigung. In beiden Texten (Jes 66,16; Jer 25,31) »richtet« Gott (jpv nif.) »alles Fleisch« (rfb-lk) unter Verwendung seines Schwertes (brx). Die Vermutung, dass die Verfasser von Jes 66,15 f. auf den jeremianischen Prophetenspruch zurückgegriffen haben99, wird durch eine weitere Motivaufnahme erhärtet: Die Drastik des göttlichen Gerichtshandelns zeigt sich jeweils an den dahingerafften Opfern. Beide Male werden sie als »Jhwhs Erschlagene« (hwhy yllx, Jer 25,33; Jes 66,16) bezeichnet. In Jer 25,33 bleiben sie unbeklagt und unbestattet dort liegen, wo sie vom Schwert niedergestreckt wurden: »Von einem Ende der Erde zum anderen« (#rah hcq-d[w #rah hcqm) dienen die langsam verwesenden Leichen nun dem Ackerboden als Dünger (!mdl, vgl. 2 Kön 9,37; Jer 8,2; 9,21; 16,4; Ps 83,11). Die zahlreichen Erschlagenen aus Jes 66,16 enden hingegen als nie erlöschendes Feuer vor den Toren Jerusalems (vgl. V.24). Die verschiedenartigen Orte und Umstände der letzten, schmachvollen Ruhe sind trotz der zahlreichen semantischen Überschneidungen ein deutlicher Hinweis darauf, dass die beiden Texte nicht denselben Personenkreis unter dem göttlichen Gericht fallen sehen. In Jer 25,30 – 33 vollzieht sich das göttliche Gericht in erster Linie an und bei den fremden Völkern (vgl. #rah ybvy-lk, V.30; ~ywg, V.31; ywg-la ywgm, V.32). Mit der Größe rfb-lk, die in Jes 66,16 unvermittelt auftaucht100, verwandelt sich zwar das »über die Gruppe der Abtrünnigen ergehende Jahwegericht (vgl. [V.] 3 f.6) […] zu einem universalen Weltgericht«101. Doch das Jesajabuch legt den Schwerpunkt innerhalb der Opfergruppe stärker auf die internen Feinde der Knechte.102 Dies veranschaulichen die weiteren Belege von rfb-lk im Jesajabuch: Der Begriff ist außerhalb des letzten Kapitels nur mehr in Jes 40,5 f.; 49,26 belegt, beschreibt aber auch dort die Menschheit unabhängig von ihrer ethnischen oder religiösen Herkunft »in ihrem existentiellen Zusammenhang und ihrer allgemeinen Verwandtschaft«103. Beiden dtjes Referenztexten ist zudem eine positive Sicht auf die Gruppe gemeinsam: Jes 49,26 98 Der MT bringt die Fremdvölkersprüche zwar erst in Jer 46,1 – 51,64, schickt diesem Abschnitt aber mit Jer 45,5 ebenfalls eine Ankündigung über das Gericht an »allem Fleisch« voraus. 99 Nach K. Koenen, Ethik, 202. 100 Vgl. J. Gärtner, Jesaja, 32: »Diese kollektive Bezeichnung ist […] auffallend, weil sie die in diesem Kapitel bis dahin vorherrschende Differenzierung innerhalb des Gottesvolkes in Fromme und Frevler scheinbar nicht übernimmt […].« 101 B. M. Zapff, Jes 56 – 66, 430. 102 Für C. Westermann, Jes, 334 besteht hingegen aufgrund der Aufnahme von Jer 25,31 »kein Zweifel […], daß auch hier das Gericht Gottes über die Völker gemeint ist«. 103 N. P. Bratsiotis, Art. rfb, 861.

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

rechnet mit einer die gesamte Menschheit umfassenden Jhwh-Erkenntnis (w[dyw hwhy yna yk […]), während es in Jes 40,5 sogar zu einer göttlichen Selbstoffenbarung kommt (hwhy dwbk hlgnw). Die Frage nach einer unverstellten Beziehung zu Jhwh, die über seine korrekte (kultische) Verehrung zum Ausdruck kommt, bildet auch das zentrale Thema in den letzten beiden Kapiteln der Prophetenschrift (vgl. Jes 65,3 – 7.11 f.; 66,3 f.). Gerade dieses Anliegen trennt aber wiederum die Jhwh-treuen Knechte von ihren innergemeindlichen »Brüdern« und sorgt für Hass, der in Unterdrückung und Verstoßung der Knechte umschlägt. Als Reflex darauf verwandeln jene ihre Kontrahenten im Verlauf von Jes 66 zu Gottes persönlichen Feinden (»eure Brüder«, V.5 ! »seine Feinde«, V.6). So wurde schon die Gerichtstheophanie durch Jhwhs Zürnen (~[z) über seine Gegner ausgelöst und eingeleitet (V.14b).104 Auch der Rückverweis in V.17 auf die frevelhaften Kultpraktiken aus 65,3 – 5 macht unmissverständlich klar, dass das Gericht an »allem Fleisch« die innerjudäische Gegnerschaft der nachexilischen Knechtsgemeinde nicht nur ausdrücklich mit einschließt, sondern auch an vorderster Front trifft.105 Damit verschieben sich die im Endgericht entscheidenden Grenzen zwischen Verdammten und Geretteten: »Nicht das Gericht an den Völkern bringt Israel das Heil, sondern das Gericht an den Feinden JHWHs bringt die Völkerwelt, vermittelt durch die Mitglieder der Knechtsgemeinde aus den Völkern, zur Erkenntnis seiner Herrlichkeit.«106 Die Jhwh-Verehrung scheint daher auch das zentrale Kriterium zu sein, um aus dem Gericht unbeschadet hervorgehen zu können. Doch verläuft die Trennlinie nun quer zur Unterscheidung zwischen Israel und der Völkerwelt. »In the end the remnant is not defined in national or ethnic terms, but in confessional and behavioural terms.«107 Diejenigen in Israel, die im Fremdgötterkult verharren, nehmen nach V.17 ein ebenso schnelles Ende (@ws, vgl. Jer 8,13; Zef 1,2.3; Ps 73,19), wie der göttliche Streitwagen in Jes 66,15 brauchte, um zum Gericht zu erscheinen (hpwsk). Dagegen wird »alles Fleisch« (rfb-lk), das heil aus der Bestrafung hervorgeht, zu den Festzeiten (vgl. Jes 56,2 – 6) in das neue Jerusalem kommen (awb) und Jhwh anbeten (hxv hiph., V.23). Hoffnungsfroher und erfüllender (vgl. Jes 56,7) als mit V.23 hätte die Prophetenschrift nicht enden können. Und doch blickt das Jesajabuch gemeinsam mit den Jhwh-treuen Knechten – aus Israel und den Völkern (vgl. Jes 104 Vgl. L. Ruszkowski, Volk, 113: »Die Teile [Jes] 66,15 – 17 und V. 24 müssen so als Erfüllung der in 66,14 […] angesagten Strafe gelten.« 105 Auch nach J. Gärtner, Jesaja, 33 umfasst das Gericht an rfb-lk »alle Frevler, ob aus dem Gottesvolk oder aus den Völkern«. Die Bestrafung richtet sich damit weder nur gegen die fremden Völkern (so etwa C. Westermann, Jes, 334), noch zielt sie ausschließlich auf die Vernichtung der inneren Feinde (so K. Koenen, Ethik, 202). 106 U. Berges, Buch, 531. 107 B. Webb, Zion, 79.

Der Krieger JHWH und seine Knechte – göttliche Gewalt in Tritojesaja (Jes 56 – 66)

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56,1 – 8) – in seinem Schlussvers noch einmal auf die Leichen der Erschlagenen von V.16: Die Leichen der Frevler – das eschatologische Memento göttlicher Gewalt (Jes 66,24) Und sie werden hinausgehen und sehen die Leichen der Menschen, die gebrochen haben mit mir. Denn ihr Wurm stirbt nicht, und ihr Feuer erlischt nicht. Und es wird sein ein Gräuel für alles Fleisch.

Syntaktisch schließen die Verbformen in V.24aa an den vorherigen Vers an, sodass weiterhin die aus der Ferne nach Jerusalem gekommenen Jhwh-Verehrer (vgl. awb, V.23) als Handlungssubjekte fungieren. Auch der Begriff rfb-lk (»alles Fleisch«), der die ausziehenden Menschen am Versende näherbestimmt, macht aus dem Schlussvers zweifelsohne »ein negatives Pendant zu V.23«108 : Nach Verrichtung der Kulthandlungen ziehen die Menschen wieder aus der Stadt aus (acy) und sehen dort die Leichen jener Menschen, die mit Jhwh gebrochen haben. Die letzte Szene durchbricht mit ihrer grausamen Staffage aus brennenden und von Würmern zerfressenen Leichen auf irritierende und schockierende Weise den harmonischen Schlussakkord. Doch dadurch muss der »gute« Abschluss des Jesajabuches109 keineswegs als »verdorben«110 gelten. Das Bild führt über die Stichworte rfb-lk und va die Gerichtsszene aus V.15 – 17 über den gewaltsamen Tod der Erschlagenen Jhwhs hinaus weiter.111 Indem die Leichen in nie erlöschendem Feuer verbrennen und von einem unsterblichen Wurm fortdauernd zerfressen werden, lässt also nicht einmal der Tod jene Menschen zur Ruhe kommen, die mit Gott gebrochen haben. Die Bezeichnung als rgp (»Leichen«) »assoziiert die Vorstellung von Menschen, deren Tod […] gewaltsam herbeigeführt wurde«112. So fristen die getöteten Frevler bezeichnenderweise dasselbe Ende wie die äußeren Erzfeinde im 108 K. Koenen, Ethik, 208. 109 Das redaktionsgeschichtliche Wachstum der beiden Schlussverse ist in der Forschung umstritten: So sieht W. A. M. Beuken, Closure, 216 in V.24 eine »later addition« (vgl. z. B. auch J. Gärtner, Jesaja, 62). K. Koenen, Ethik, 208 grenzt V.23 f. aufgrund der veränderten Kommunikationssituation (V.18.22: Anrede in 2. Pl. m. ! V.23 f.: Deskription in 3. Pl. m.) sowie der Formel hyhw (V.23a) als redaktionelle Fortschreibung zum vorherigen Gotteswort ab. Andere Kommentatoren betonen wiederum die Kontinuität zwischen den beiden Abschnitten (z. B. die durchgängige direkte Gottesrede sowie die Stichworte ynpl bzw. vdx); so etwa O. H. Steck, Jes 56,1 – 8, 264; P. Smith, Redaction, 171; J. Blenkinsopp, Jes 56 – 66, 316. 110 K. Elliger, Prophet, 141. 111 Zu weiteren Anknüpfungspunkten in das Großjesajabuch siehe W. A. M. Beuken, Closure, 217 – 219. 112 B. M. Zapff, Jes 56 – 66, 442.

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Exegetischer Hauptteil – Göttliche Gewalt im Jesajabuch

Großjesajabuch: Der König von Babylon findet seine letzte Ruhe fernab von jedem Grab, »wie eine zertretene Leiche« (swbm rgpk, Jes 14,19). Die vom göttlichen Boten erschlagenen assyrischen Soldaten bleiben ebenfalls als Leichen (~yrgp) vor den Toren Jerusalems liegen (Jes 37,36). Auch die im Edom-Orakel unter dem göttlichen Schwert Gefallenen werden nach Jes 34,3 einfach hingeworfen, sodass »der Gestank ihrer Leichen aufsteigt« (~vab hl[y ~hyrgp). Das Bild des nie erlöschenden Feuers (hbkt al) sowie die Vernichtung der von Jhwh »Abtrünnigen« (~y[vp) schlägt zudem eine kompositorische Brücke an den Beginn des Großjesajabuches (vgl. Jes 1,2.28 – 31).113 Angesichts dieser Verbindungslinien in die übrige Prophetenschrift liest sich der Leichenberg aus Jes 66,24 tatsächlich als eine grausame »Bestätigung des Sieges Gottes über alle seine Feinde«114. Doch wird in dieser Deutung des Schlussverses dem Geschehen im Umkreis zum »ewigen Leichenbrand«115 zu wenig Rechnung getragen.116 Mit Blick auf die Rahmenglieder ist nämlich vor allem der Bezug zu den Jhwh-treuen Menschen entscheidend: Von ihnen her (vgl. V.24aa) und auf sie hin (vgl. V.24bc) gewinnen die vor den Toren Jerusalems verwesenden Leichen ihre Bedeutung. Sie erinnern die aus dem göttlichen Weltgericht ungestraft Davongekommenen zu allen Festzeiten (vgl. V.23) an die grausamen Folgen eines Abfalls ([vp) von Jhwh. Für die Leserschaft werden die hingestreckten Körper am Ende der Prophetenschrift so zugleich zu einer Art »Erinnerungsort« göttlicher Gewalt. Da die brennenden Leichen »ein Gräuel für alles Fleisch« (rfb-lkl !ward wyhw) werden, verkörpern sie gewissermaßen auch jenes Fluchwort, das den Auserwählten Jhwhs (vgl. yryxbl) nach Jes 65,15 von den Apostaten bleibt. Das Zurücklassen eines Namens als todbringende Verwünschung allein ist aber scheinbar nicht ausreichend. Das Jesajabuch endet mit einer warnenden Erinnerung, die zugleich dauerhaft und sichtbar ist. Auf diese Weise bleiben die Apostaten über ihr Ende hinaus präsent – zwar nicht in Jerusalem, so doch in unmittelbarer Nähe.117 Auch wenn von den verrottenden Apostaten keine direkte Gefahr mehr ausgeht, kann »die auffallend starke Polarität zwischen den Guten und den Bösen« in Jes 66,23 f. kaum als »überwunden«118 gelten. Denn die Gegenüberstellung reicht gewissermaßen über das Ende der Prophetenschrift hinaus. Das »Gräuel« (!ward) bleibt nicht nur den Vorbei113 114 115 116

Vgl. O. H. Steck, Feinde, 190. C. Westermann, Jes, 340; ähnlich auch L. Ruszkowski, Volk, 116. J. Gärtner, Jesaja, 62. Zur »Multifunktionalität« des Schlussverses siehe auch U. Berges, Buch, 532 f.; vgl. J. W. Olley, No Peace, 369: »warning and encouragement«. 117 J. Blenkinsopp, Jes 56 – 66, 317 lokalisiert das Szenario in Zusammenschau mit Jer 7,32 im Hinom-Tal, sodass Jes 66,24 einen wichtigen Ankerpunkt für die spätere Vorstellung der Gehenna darstellt (vgl. Mt 5,22.29 f.; Mk 9,43 – 48). 118 So L. Ruszkowski, Volk, 116.

Der Krieger JHWH und seine Knechte – göttliche Gewalt in Tritojesaja (Jes 56 – 66)

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ziehenden, sondern auch den Lesern permanent vor Augen gestellt. Der Begriff !ward unterstreicht den Aspekt der Ewigkeit: Dan 12,2 – der einzige weitere atl !ward-Beleg – geht sogar noch einen (theologiegeschichtlich entscheidenden) Schritt weiter : Denn dort kommt es zu einer postmortalen Scheidung zwischen jenen, die zum »ewigen Leben« (~lw[ yyxl) erwachen, und jenen, die »zum ewigen Gräuel« (~lw[ !wardl) werden.119 Der Begriff !ward verweist zwar auf das literarhistorisch junge Alter von Jes 66,24, doch liegt die Szene deshalb noch lange nicht »ganz am Rand des Alten Testaments«120, wie C. Westermann in seiner Auslegung von Jes 66,24 abschwächend konstatiert. Und obgleich der Vers ganz am Ende zu stehen kommt, zeigen die zahlreichen intratextuellen Verbindungen in das Großjesajabuch (Jes 1,2.28.31; 14,19; 34,3; 37,36) sowie der zweifache göttliche Ruf: »Es gibt keinen Frieden […] für die Frevler« (121~y[vrl […] ~wlv !ya, vgl. Jes 48,22; 57,21), dass die drastische Szenerie von Jes 66,24 zwar eine grausame Klimax, aber keinen Fremdkörper innerhalb der Prophetenschrift darstellt. Gewalt – mit ihren positiven Folgen wie Rettung und Befreiung von Unterdrückung, aber eben auch mit ihren harten Konsequenzen – bildet eine zentrale Kategorie im gesamten Jesajabuch und zugleich einen tragenden Aspekt in dessen Gottesbild(ern).

119 Dazu K. Bieberstein, Todesschwelle, 435 f. 120 C. Westermann, Jes, 340. 121 J. W. Olley, No Peace, 353 sieht in Jes 66,24 eine »intensification« des Refrains.

5.

Göttliche Gewalt im Buch Jesaja – Buchübergreifende Synthese und Ausblick

Die Studie nahm ihren Ausgangspunkt bei der Beobachtung eines eklatanten Ungleichgewichts: Während das Phänomen der Gewalt auf gesellschaftspolitischer Ebene ein aktuelles Thema darstellt, bei dem sich die Diskussion immer stärker auf die Frage nach dem (negativen) Beitrag der Religionen und ihrer Heiligen Schriften zuspitzt, kommt christlicherseits die theologische und speziell die atl Gewaltforschung nur langsam in Gang. Besonders die von Jhwh verübte oder veranlasste Gewalt stellt die atl Wissenschaft vor große Herausforderungen, da diese Form der biblischen Rede von Gott heute als sehr beunruhigend empfunden wird und daher eine große theologische Herausforderung darstellt. In der jüngeren Vergangenheit konnten zwar die Weichen für eine reflektierte, historisch verantwortete Hermeneutik zum Umgang mit diesen Gottesbildern gestellt werden, die für jede bibelwissenschaftliche Arbeit zum Thema maßgeblich ist. Doch zahlreiche atl Schriften harren weiterhin einer ausführlichen exegetischen Untersuchung ihres Gewaltpotentials. Die jüngere Auslegungsgeschichte zum Jesajabuch bestätigte diesen ernüchternden Eindruck: Obgleich die Prophetenschrift eine Fülle an Kriegstexten und gewalthaltigen Gottesbildern bereithält, lag bislang keine exegetische Einzelstudie vor, die sich diesen irritierenden Darstellungen des »Heiligen Israels« gestellt hätte. Die vorliegende Arbeit konnte diese Forschungslücke schließen, indem sie sich zunächst auf die Suche nach den Spitzentexten göttlicher Gewalt begab. Die Sammlung der atl Kriegs- und Gewaltsemantik diente als methodischer Weg zur Annäherung an das komplexe Phänomen. Die Zusammenstellung der Belege mit einem direkten oder indirekten Bezug zu Jhwh vermittelte einen ersten Eindruck davon, in welch unterschiedlichen Kontexten und wie vielgestaltig der »Heilige Israels« gewalttätig in Erscheinung tritt. Es ließ sich zugleich aufzeigen, dass das Jesajabuch deutliche Schwerpunkte göttlicher Gewalt besitzt. Als Kerntexte erwiesen sich die Assur-Kapitel (Jes 5,25 – 30; 10,5 – 34) und die Babylon-Orakel (Jes 13 f.; 21,1 – 10) im Kontext der Fremdvölkersprüche (Jes 13 – 23), die mit Jes 24 – 27 in eine kosmische Gerichtsszene münden (vgl. 24,1 – 3; 26,21 – 27,1). Dazu kommt der Edomspruch von Jes 34, der enge

322

Göttliche Gewalt im Buch Jesaja – Buchübergreifende Synthese und Ausblick

Verbindungen zum weltweiten Endgericht im letzten Teil der Prophetenschrift aufweist (bes. Jes 59,15b–20; 63,1 – 6; 65 f.). Der Mittelteil des Großjesajabuches ist ebenfalls von gewalthaltigen Gottesbildern geprägt: Dies gilt für die Erzählung über die wunderbare Errettung Jerusalems aus der assyrischen Belagerung (Jes 36 f.) genauso wie für zahlreiche Texte im Deuterojesajabuch (Jes 40 – 55): Dort spielt göttliche Gewalt immer dann eine Rolle, wenn es darum geht die Hintergründe des Exils zu deuten (z. B. Jes 42,22 – 25; 51,17 – 22) und dessen Ende in Szene zu setzen (z. B. Jes 42,13; 44,24 – 45,7; 47,1 – 4; 51,23). Im exegetischen Hauptteil, der die Prophetenschrift entlang ihrer Teilkompositionen abgeschritten ist, wurden diese Spitzentexte göttlicher Gewalt in ihrem literarischen Nahkontext analysiert, aber auch in ihrer intratextuellen Verwobenheit beleuchtet. In der Art und Weise, wie Jhwh in den einzelnen Abschnitten als Gewalttäter agiert, zeigte das Gottesbild trotz unterschiedlicher Akzentsetzungen ein hohes Maß an Kontinuität. So konnte die Studie markante Spitzenaussagen, aber auch buchübergreifende Leitlinien und Kernelemente der Gewaltinszenierung aufzeigen. Der analytische Blick auf das eingesetzte Vokabular hat sich dazu als nützliche und ertragreiche Ausgangsbasis erwiesen. Anhand einzelner Elemente der gewalthaltigen Gottesbilder aus den Teilkompositionen sollen im Folgenden einige buchübergreifende Perspektiven aufgezeigt werden, die sich in der Zusammenschau für die Darstellung Jhwhs als Gewalttäter im Jesajabuch ergeben.

5.1

Göttliche Gewalt und ihre Semantik

Die Gewaltsemantik spannt ein äußerst dichtes Beziehungsgeflecht über das gesamte Jesajabuch, aus dem heraus Jhwhs Profil als Gewalttäter seine spezifischen Konturen gewinnt. Gottes Nähe zur Gewalt wird auf sprachlicher Ebene u. a. mithilfe von Wortspielen zum Ausdruck gebracht, für die hauptsächlich göttliche Epitheta und Kernbegriffe der Gewalt kombiniert werden: In Jes 13,4 mustert der Herr der Heerscharen (twabc hwhy) das »Heer« (abc) zum Jhwh-Tag. Dieser befällt die Menschen nach V.6 genauso heftig wie die »Vernichtung des Vernichters/Schaddaj« (ydvm dwvk, vgl. Jes 21,2; Jorl 1,15). Eine noch engere Verknüpfung zwischen Gott und der Gewalt stellt Jes 31,4 her : Dort steigt hwhy twabc vom Zion »zum Kampf« (abcl) gegen Assur herab. Die Ägypter übergibt der »Herr« (!wda, z. B. Jes 1,24; 3,1; 10,16; 51,22) hingegen in die Gewalt (dy) eines »harten Herrn« (vgl. ~ynda hvq, 19,4). Die rote Farbe (~da) am Gewand des göttlichen Keltertreters von Jes 63,2 liest sich als versteckter Hinweis auf die von ihm in Edom (~wda, vgl. V.1) niedergestreckten Feinde. In Jes 65,12 verheißt Jhwh den Anhängern des Glücksgottes Meni (ynm), dass er sie bereits dem Schwert »zugeteilt« hat (ytynm). Bei diesen Beispielen literarisch kunstvoller, auf

Göttliche Gewalt und ihre literarische Inszenierung im Jesajabuch

323

Jhwh zentrierter Gewaltinszenierungen handelt es sich zugegebenermaßen jeweils um punktuelle Phänomene. Je für sich genommen bilden sie zwar keine tragenden Deutungslinien, doch lassen sie sich über weite Teile der Prophetenschrift beobachten. Daran lässt sich wiederum ersehen, dass der Gewaltaspekt im und für das Jesajabuch keine theologische Randerscheinung darstellt, sondern wesentlich zum Gottesbild gehört.1 Klarerweise lässt nicht jeder in der Prophetenschrift belegte Gewaltbegriff ein stringentes Verwendungsmuster erkennen, das größere Textbereiche oder Teilkompositionen erschließt. Dafür bietet die Prophetenschrift eine zu große Bandbreite an gewalthaltigen Terminologien, Bildern und Motiven. Sehr wohl gibt es aber eine Reihe von thematisch relevanten Begriffen, die über das gesamte Jesajabuch hinweg ausschließlich auf Gott angewendet oder auf seinen Befehl zurückgeführt werden: Dies betrifft u. a. das »Heimsuchen« (dqp) und das »Austilgen« (dmv) sowie das »Wegschaffen« (tbv) und den »Bannvollzug« (~rx). Als zentrale, buchübergreifende Elemente für die Inszenierung göttlicher Gewalt erweisen sich darüber hinaus das »Schlagen« (hkn, z. B. Jes 1,5; 5,25; 27,7; 37,36; 53,4; 57,17), besonders in Verbindung mit der göttlichen Hand (dy, z. B. Jes 1,25; 9,16; 14,26; 19,16; 26,11; 40,2; 59,1), mit Jhwhs Arm ([wrz, z. B. Jes 30,30; 51,9; 59,16; 63,5) oder seinem Schwert (brx, vgl. Jes 27,1; 34,5.6; 65,12; 66,16), sowie die verschiedenen Formen des göttlichen Zorns (@a, @cq, ~[z, hmx, hbr[). Mithilfe dieser Gewaltterminologie lassen sich »blutrote« Fäden durch die Prophetenschrift verfolgen, auch wenn sich die Angriffsziele und Instrumente der göttlichen Interventionen immer wieder verändern. Umgekehrt kennt das Jesajabuch aber auch Begriffe (und damit verbundene Gewalthandlungen), bei denen das göttliche Subjekt konsequent vermieden wird: So wird etwa das »Vernichten« (txv) oder »Unterdrücken« (vgn) sowie das »Plündern« (hsv) an keiner Stelle Jhwh zugeschrieben. Auch im Bereich der sexualisierten Gewalt (hwr[ bzw. qwv hlg, bkv/lgv), die etwa Ägypten und Kusch angedroht (vgl. Jes 20,3), vor allem aber an der Tochter Babylon und ihren Einwohnerinnen verübt wird (vgl. Jes 13,16; 47,2 – 4), vermeidet das Jesajabuch eine direkte Bezugnahme auf Jhwh. Hier besitzt die Rede über göttliche Gewalt im Jesajabuch eine deutliche Grenze.

5.2

Göttliche Gewalt und ihre literarische Inszenierung im Jesajabuch

Um Jhwh als Gewalttäter zu inszenieren, schöpft das Jesajabuch trotz seines vielfältigen Gewaltvokabulars aus einem überschaubaren Repertoire an Bildern, 1 Dazu kommt noch das Wortspiel von Jes 15,9, demzufolge Jhwh den Moabitern von Dimon (!wmyd), dessen Wasser bereits voll Blut (~d) ist, weitere Schicksalsschläge verheißt.

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Göttliche Gewalt im Buch Jesaja – Buchübergreifende Synthese und Ausblick

Metaphern und Begriffen. Sie stammen v. a. aus dem agrarischen Bereich (z. B. Wein- und Ackerbau; vgl. Jes 17,5; 18,5; 63,3), aus der Meteorologie (z. B. Sturm, Blitz, Hagel; vgl. Jes 28,2; 30,30) und Naturbeobachtung (z. B. Beuteverhalten von Tieren; vgl. Jes 5,29; 31,4). Im Bereich der Darstellung als kriegerische Gottheit, der sich die Studie schwerpunktmäßig widmete, haben sich zwei Motivkomplexe als tragende Gottesbilder herauskristallisiert: Jhwh tritt im Jesajabuch zum einen als souveräner Kriegs- und Feldherr auf, der fremde Truppen und überirdische Mächte zur Verübung militärischer Gewalt in Dienst nimmt. Zum anderen greift er als starker Krieger selbst zu den Waffen und zieht als (Einzel)Kämpfer in die Schlacht. Das Profil sowie die Abfolge der beiden Gottesbilder ließen sich im exegetischen Hauptteil der Studie durch die einzelnen Teilkompositionen hindurch verfolgen. Das Jesajabuch lässt Jhwh im synchronen Leseduktus der Prophetenschrift zunächst als Kriegsherrn auftreten. In Jes 1 – 12 beruft er die assyrischen Truppen zu Gewaltinstrumenten gegen das eigene Volk und stellt diesem ihre militärische Stärke und Durchschlagskraft drohend vor Augen (vgl. Jes 5,25 – 29). Bis zum Ende der Immanuelschrift agiert das fremde Weltreich, teilweise in Verbindung mit Ägypten, seinem südwestlichen Kontrapart, als Vollzugsmacht des göttlichen Zorns (vgl. Jes 7,17 – 20; 8,6 – 8; 10,6), bevor sich die Machtkonstellationen abrupt ändern und Assur selbst Jhwhs Grimm und seiner Vernichtung verfällt (vgl. 10,16 – 19.25 – 27). Den zweiten großen Auftritt als Feldherr bestreitet Jhwh am Beginn der Fremdvölkersprüche (Jes 13,1 – 5): Auf seinen Befehl hin rauschen sowohl fremde Völker und Königreiche (vgl. V.4, sowie die Meder in V.17 f.) als auch überirdische Heerscharen heran (vgl. V.5), um Babylon zu vernichten und über alle Frevler am Erdkreis Gericht zu halten. Im weiteren Verlauf der Völkerorakel trägt Jhwh noch mehrfach die Züge eines Feld- und Kriegsherrn: Gott stürzt die Ägypter in einen Bürgerkrieg, indem er sie zum »Kampf« (~xl) gegeneinander »aufhetzt« ($ws, Jes 19,2; vgl. 9,10). Im zweiten Babel-Orakel (Jes 21,1 – 9) werden abermals die Meder (vgl. Jes 13,17) – nun im Verbund mit den Elamitern – zum Angriff gegen das Weltreich berufen, während Elam im afm gegen Jerusalem (22,1 – 14) auf göttliche Anordnung hin Schützenhilfe von Kir erhält (vgl. V.6). Und auch gegen die tyrischen Festungen ergeht am Ende der Orakelsammlung ein göttlicher Zerstörungsbefehl ([…] hwc dmvl, Jes 23,11). Das Danklied von Jes 25,1 – 5 besingt die universale Durchsetzung der (göttlichen) Ratschlüsse (twc[, V.1) und führt so den hc[ als das Leitmotiv göttlicher Gewalt aus den Fremdvölkersprüchen zur Vollendung (vgl. 14,24.26.27; 16,3; 19,3.11.12.17; 23,8.9). Indem twabc hwhy (vgl. V.6) seine Pläne laut Jes 25,1 »von Ferne« (qxrm, vgl. 5,26; 13,5; 46,11) vollbrachte, lässt sich der Lobpreis zugleich als feierlicher Schlussakkord für das Feldherrnmotiv deuten. Denn was sich in Bezug auf die Gewaltinszenierung bereits in Jes 13 – 23 andeutet (z. B. Jes 13,5; 17,12 – 17), setzt sich in Jes 24 – 27 vollends durch und

Göttliche Gewalt und ihre literarische Inszenierung im Jesajabuch

325

bestimmt von nun an die Gewaltinszenierung: Aus Jhwh dem Kriegs- und Feldherrn, der fremde Völker als seine Werkzeuge der Gewalt in Dienst nimmt, wird der aktive Krieger, der selbst für die Bestrafung bzw. Vernichtung seiner Gegner sorgt.2 Nur im Jakob/Israel-Kreis (Jes 40 – 48) erscheint Gott noch einmal als omnipotenter Kriegsherr, indem er Kyros als Oberbefehlshaber der persischen Armee erweckt (Jes 41,2 f.25; 43,14; 44,28 – 45,8; 46,11; 48,14 f.). Nach Darstellung von Jes 40 – 48 kann Kyros allein durch Jhwhs Unterstützung Babylon ohne nennenswerte Gegenwehr einnehmen. Umgekehrt läutet Gott mit dem persischen Feldzug die Heilswende für den exilierten Jhwh-Knecht Jakob/ Israel ein (vgl. Jes 45,4). Der glorreiche Sieg weist den Heiligen Israels zugleich als Schöpfer der gesamten Wirklichkeit aus (vgl. Jes 45,7). Der Perserkönig, der als »sein [Jhwhs] Messias« (wxyvm, 45,1) in unmittelbare Nähe zu Israels Gott rückt, übernimmt die militärische Überwältigung des Feindes und vollstreckt so den göttlichen (Geschichts)Plan (#px; vgl. 44,28; 46,10 f.; 48,14). Jhwh ist insofern in das Geschehen involviert, als er die Feinde entwaffnet und die Verteidigungsanlagen unschädlich macht (vgl. Jes 45,1 f.). Direkte physische Schäden richtet er in Jes 40 – 55 gegen Babylon hingegen nicht an, selbst wenn der Untergang der Tochter Babel in Jes 47 mit überaus drastischen Bildern beschrieben wird (vgl. V.2 f.). Das Motiv des göttlichen Kriegers ist das erste Mal im Schlussteil zu den Fremdvölkersprüchen, in der sog. »Jesaja-Apokalypse« (Jes 24 – 27), prononciert belegt: In Jes 26,21 – 27,1 zieht Jhwh wie zu einer Schlacht aus (acy), um mit »seinem Schwert« (wbrx) die Erdenbewohner für ihre Frevel zu bestrafen. Dabei wird die göttliche Heimsuchung (dqp) zum Kampf gegen mythologische Chaosmächte stilisiert. Jhwhs Schwert verbindet die kosmologische Coda der Orakelsammlung mit dem Edomspruch (Jes 34), dem nächsten Spitzentext göttlicher Gewalt in synchroner Leserichtung: Dort erscheint es von Blut triefend am Himmel, um zum Bannvollzug (~rx) an den Völkern und auf Edom niederzufahren (V.2 – 5). Im zweiten Hauptteil des Großjesajabuches (Jes 40 – 55) finden sich ebenfalls vereinzelte Belege für das Krieger-Motiv, um Gottes Aktivwerden zur Befreiung Israels aus dem Exil zu verdeutlichen: Hatte Jhwh einst seinen Zorn in Form von Kriegsgewalt (hmxlm zwz[) auf sein Volk ausgegossen (42,25), so erhebt er nun »wie ein Kriegsmann« (hmxlm vyak) den Schlachtruf (42,13) und kleidet seinen Arm mit Kraft (hwhy [wrz z[-vbl) wie im urzeitlichen Chaoskampf gegen die mythologischen Meeresungeheuer Rahab und Tanin (Jes 51,9). Prägend wird das Kriegermotiv aber vor allem im dritten Hauptteil der Prophetenschrift (Jes 56 – 66): Dort setzt sich das Gericht, das Jhwh in Jes 34 mit seinem Schwert an Edom bzw. den Völkern vollzieht, auf 2 So sind auch die Armen (yn[) und Elenden (~yld) in Jes 26,6 die einzige Gruppe, die in Jes 24 – 27 neben Jhwh Gewalt verüben, indem ihr Fuß ihre einstigen Unterdrücker »zertritt« (smr)!

326

Göttliche Gewalt im Buch Jesaja – Buchübergreifende Synthese und Ausblick

imposante Weise fort (vgl. bes. Jes 63,1 – 6). Eine entscheidende Rolle spielt auch hier der Streit um Zion (vgl. !wycl byr, Jes 34,8). Doch haben sich nun die Frontlinien deutlich nach hinten verschoben: Die nach außen gerichtete göttliche Gewalt (Jes 34) verlagert sich in Jes 56 – 66 mehr und mehr in den Innenbereich der nachexilischen Gemeinde. Um das Unrecht aus Jerusalem zu beseitigen und die innergemeindlichen Konflikte zu lösen, rüstet sich Jhwh in Jes 59,15b–20 wie ein Krieger zum Kampf. Mit der »Gerechtigkeit« (hqdc) dient ihm gerade jenes Attribut als Waffe, dem er mit seinem Eingreifen in Zion zum Durchbruch verhelfen will (vgl. Jes 59,9; 61,10 f.; 63,1). Dazu schützen ihn mit »Heil« ([vy), »Eifer« (tanq) und »Rache« (~qn) als Panzer, Helm und Mantel drei weitere wichtige Deutekategorien göttlicher Gewalt im Jesajabuch. In Jes 63,1 – 6 kehrt Jhwh als blutbefleckter Keltertreter zwar vom Gericht aus dem benachbarten Edom zurück. Die Ambivalenz dieser literarischen Gestalt (als Bruderund Fremdvolk), die zahlreichen Überschneidungen mit der Gewaltsemantik von Jes 59,15b–20 sowie die Rahmenstellung der beiden Texte um die Zionskapitel (Jes 60 – 62) lassen aber nur den Schluss zu, dass in Jes 56 – 66 die äußere Gegnerschaft mit den internen Feinden verschmilzt: Der göttliche Krieger kämpft somit nicht mehr (nur) gegen externe politische Gegner (allen voran Assur oder Babel), sondern zieht in erster Linie gegen »seine (inneren) Feinde« (wybya, Jes 59,18; 66,6.14) zu Felde. In Bezug auf die Inszenierung wird dabei immer wieder explizit hervorgehoben, dass Jhwh in seinem Gewalthandeln keinerlei Unterstützung durch andere Mächte erfährt (z. B. 59,16; 63,6.9). Nicht mehr fremde Armeen, sondern der göttliche Streitwagen erscheint »wie ein Wirbelwind« (hpwsk, vgl. 5,28; 66,15) zum Gericht an und in Israel. Jhwh – und nur er – ent-scheidet den Konflikt der Jhwh-Knechte mit ihren verhassten Brüdern, der in den letzten beiden Kapiteln literarisch ausgetragen wird (vgl. bes. Jes 65,5.12.15; 66,5 f.14b–17.24). Um die Frevler endgültig zu vernichten, vollzieht er in Zorn das weltweite Strafgericht mit Schwert und Feuer (vgl. Jes 66,15 f.). Zurück bleibt ein ewig brennender Leichenberg von getöteten Abtrünnigen (~y[vp) vor den Toren Jerusalem, der den Jhwh-Verehrern zum Gräuel wird und als Memento göttlicher Gewalt weit über das Ende der Prophetenschrift hinausweist.

5.3

Gott und Gewalt im Spiegel der Jesajatradition

Da sich die Arbeit den prophetischen Texten und ihren Gottesbildern unter der Perspektive einer »diachron reflektierten Synchronie« annäherte, lassen sich auf Basis des vorgestellten synchronen Befundes auch einige diachrone Entwicklungslinien im Profil des göttlichen Gewalttäters nachzeichnen. Diese lehnen sich eng an das politische Geschick des Jhwh-Volkes an, das in der Prophe-

Gott und Gewalt im Spiegel der Jesajatradition

327

tenschrift gerade mithilfe der gewalthaltigen Gottesbilder einer Deutung unterzogen wird. In der Frühphase des Jesajabuches ist Gottes Verhältnis zum Neuassyrischen Reich das bestimmende Thema der Darstellung: In der theologischen Ausleuchtung des syro-ephraimitischen Krieges ruft Jhwh Assur als Instrument gegen Judas außenpolitische Feinde herbei (vgl. Jes 8,4; 17,1 – 4). Zugleich steht die Weltmacht aus dem Osten aber auch als drohendes Vollzugsorgan des göttlichen Zorns gegen das eigene Volk bereit (Jes 5,25 – 29). Im Laufe der Redaktionsgeschichte kommt es jedoch zu einem fundamentalen Wandel in der Darstellung der Machtkonstellationen: Der Stock des göttlichen Zorns steht mit einem Mal selbst unter dem prophetischen Wehespruch (vgl. 10,5) und wird letztlich von Jhwh zerbrochen (vgl. Jes 10,12; 14,25.29). Dieser Umschwung vollzieht sich spätestens zu jener Zeit, als Assur 701 v. Chr. vor den Toren Jerusalems steht (vgl. Jes 10,32; 36 f.) und damit auch den Zion, Gottes irdische Wohnstätte (vgl. Jes 6,1 – 4; 8,18), existenziell bedroht. Der unerwartete Abzug, den die biblische Tradition als göttliches Rettungswunder feiert (vgl. 2 Kön 19,35 – 37; Jes 37,36 – 38; 2 Chr 32,21 f.), befeuerte die Zionstheologie und parallel dazu das Gottesbild, wonach Jhwh als Krieger vom Zion her kämpft und seine Stadt rettet (vgl. Jes 31,4). Einen zusätzlichen Schub erhielt die Vorstellung durch den Untergang des Neuassyrischen Reiches am Ende des 7. Jh. v. Chr. (vgl. Jes 9,3; 37,38). Angesichts dieser starken Zentrierung auf die göttlich verbürgte Unbezwingbarkeit des Zion (vgl. Jes 37,35) wurde die Jesajatradition durch die faktische Einnahme Jerusalems 597 (vgl. Jes 39,6 f.) bzw. 586 v. Chr. vor eine immense theologische Herausforderung gestellt. Sie betraf auch – und zuvorderst – die kriegerischen Gottesbilder : Denn der Kriegsausgang entscheidet nicht nur über das Wohl und Wehe der involvierten Königreiche und Völker, sondern auf theologischer Ebene zugleich über Stärke und Schwäche der Gottheiten, die nach altorientalischer Vorstellung am Krieg partizipieren. Die alles entscheidende Frage, der sich auch die Jesajatradition zu stellen hatte, lautete also: Wollte der »Heilige Israel« sein Volk und Land, seine Stadt und Herrscherdynastie nicht schützen oder war er dazu angesichts der babylonischen Übermacht gar nicht in der Lage? Die Jesajatradition findet einen besonderen Weg, mit der existenziellen Infragestellung der Stärke und (Geschichts)Mächtigkeit Jhwhs umzugehen. Dieser beeinflusste auch die Darstellung des Gewaltaspektes im Gottesbild und lässt sich anhand der literarischen Inszenierung der Ereignisse erheben: Einerseits wird im ersten Buchteil (Jes 1 – 39) das Exil als von Jhwh im Voraus durch Jesaja ben Amoz angekündigt dargestellt (vgl. Jes 6,11 f.; 39,6 f.), sodass bereits die autoritative Leitfigur der Prophetenschrift (literarisch) Zeugnis dafür ablegt, dass Jhwh – und er alleine – als derjenige anzusprechen ist, der das Babylonische Exil herbeigeführt und vollstreckt hat. Andererseits gerät das Exil in Jes 40 –

328

Göttliche Gewalt im Buch Jesaja – Buchübergreifende Synthese und Ausblick

55 unter der Perspektive der unmittelbar bevorstehenden Heilswende in den Blick. Als entscheidender Interpretationsschlüssel dient in Retrospektive vor allem der göttliche Zorn. Mit ihm reagierte Jhwh auf die Frevel seines Volkes, indem er ihn wie Kriegsgewalt ausgoss (42,25) und Zion den Zornesbecher zu trinken gab (Jes 51,17). Demgegenüber spielt Babylon, der tatsächliche Eroberer von Juda und Jerusalem, in der göttlichen Sanktionierung keinerlei Rolle: Die Weltmacht wird weder bei der Vernichtung des Neuassyrischen Reiches (vgl. Jes 10,16 – 18.24 – 27; 14,25; 31,8), noch beim Untergang Judas in die Funktion eines Instruments göttlicher Gewalt gesetzt. In den beiden anderen großen Prophetenbüchern hat sich Babels Indienstnahme durch Gott hingegen als tragfähiges Interpretationsmuster für das Exil erwiesen. Sowohl im Jeremia- als auch im Ezechielbuch fungiert Nebukadnezar als »Gottesknecht« (db[, vgl. Jer 25,9; Ez 29,20). Für das Jesajabuch ist die Vorstellung, wonach der Eroberer von Zion/ Jerusalem im Auftrag der dort als König herrschenden (vgl. Jes 6,5) und den Zion schützenden Gottheit agiert hätte, kein gangbares theologisches Deutungsmodell. Hinter dieser Abrogation der Werkzeugfunktion konnte im Zuge der Analyse des ersten Babel-Orakels (Jes 13 f.) die in der Jesajatradition so hoch im Kurs stehende Zionstheologie als treibende Kraft identifiziert werden. Jes 47,6 ist das einzige Gotteswort, in dem Jhwh eine Involvierung Babylons in der Bestrafung seines Volkes zumindest andeutet. Er verkündet zwar, im Zorn sein Volk in die Hand (Babylons) übergeben zu haben ($dyb !tn). Doch im gleichen Atemzug konfrontiert Gott die zutiefst erniedrigte Tochter Babel im Bild der Unterdrückung wehrloser Zivilisten3 mit dem Vorwurf ausufernder Gewalt, ohne die Folgen ihres Handelns bedacht zu haben (V.8): Statt als Zornesstab in der Hand Jhwhs zu fungieren (vgl. Jes 10,5a), bekommt Babel daher den Zornesbecher gereicht (vgl. Jes 51,23). Die Funktion des göttlichen Kriegswerkzeuges übernimmt im Jesajabuch das Perserreich gegen Babylon. Dazu wird in exilischer Zeit das Feldherrenmotiv (re)aktiviert, um erstens den Siegeszug der fremden Herrschermacht auf den Befehl der eigenen Gottheit zurückzuführen und somit zweitens in der kontemporären, theologischen Diskussion um die Ursachen und Hintergründe des plötzlichen Machtwechsels Position zu beziehen. So entstand im Rahmen von Jes 40 – 48 ein subversiver Gegenentwurf zur damals in Babel vorherrschenden Darstellung, nach der Kyros vom babylonischen Hauptgott Marduk zur Befreiung seiner Stadt berufen wurde. Nach Dtjes geht die Erweckung des mächtigen Feldherrn hingegen auf das Konto Jhwhs, der Gottheit eines Volkes, das seit der eigenen Unterwerfung als Minderheit im Land seiner Eroberer weilt. Das historische Geschehen rund um den Aufstieg der Perser wird auf semantischer Ebene an Jhwhs Geschichtsmächtigkeit (l[p, vgl. 41,24; 43,13), seine Schöp3 Vgl. dazu spiegelbildlich Jes 13,16 f.; sowie U. Berges, Babylon.

Gott und Gewalt im Spiegel der Jesajatradition

329

ferkraft (hf[) und damit auch an seinen Willen (#px, vgl. Jes 44,28; 48,14) rückgebunden.4 So wird die historische Tragweite des persischen Feldzuges mitsamt seinen Protagonisten in einen umfassenden und zugleich streng auf Jhwh zentrierten Zusammenhang eingeordnet: »Der breite und eindrückliche Rekurs auf die Feldzüge der Perser dient […] als Beispiel für die Herrschaft des Schöpfers Jahwe zu allen Zeiten ([Jes 41] V.4).«5 Nicht das erstarkende Perserreich oder Kyros, sondern Jhwh ist und bleibt Anfang und Ende der Geschichte (vgl. V.4b). Er sorgt auf diese Weise nicht nur für die Befreiung seines Volkes, sondern erweist zugleich seine Einzig(artig)keit und universale Wirkmächtigkeit (vgl. Jes 45,4 – 7). In der nachexilischen Komposition der Prophetenschrift übernimmt die Erzählung über die göttlich bewirkte Rettung des Zion vor der assyrischen Kriegsmacht (Jes 36 – 39) die wichtige Bindegliedfunktion zwischen Proto- und Deuterojesaja (vgl. bes. Jes 39,1 – 8). Die Kapitel dienen so zugleich als erzähltechnischer »Platzhalter« für die Einnahme und Zerstörung Jerusalems durch die Babylonier, die nur prospektiv (z. B. Jes 6,11 f.) und retrospektiv (z. B. Jes 42,25; 47,6) in den Blick geraten. Im Zentrum des Großjesajabuches steht somit nicht die politische Nullstunde, die zu einer massiven theologischen Infragestellung Anlass gab, sondern eine Erzählung, die von der Frage nach Jhwhs Stärke und Mächtigkeit im Krieg dominiert wird (vgl. Jes 36,18; 37,10 – 13) und in der Gott den Zion vor der Einnahme durch übermächtige äußere Feinde rettet (V.36 – 38). Zur Deutung der zeitgenössischen Konflikte, die im Inneren der nachexilischen Gemeinde ausbrechen, greifen die Tradenten der Jesajatradition im letzten Buchteil gezielt auf das Kämpfer-Motiv zurück: Wie ein Krieger rüstet sich Jhwh in Jes 59,15b–17 mit seinem Rachegewand und mit Gerechtigkeit, um an seinen Feinden Vergeltung zu üben und am Zion das Recht durchzusetzen. Als blutbefleckter Keltertreter kehrt er zwar bereits in Jes 63,1 – 6 vom Vollzug des Rachetages zurück, doch dauert der Konflikt bis in das letzte Kapitel der Prophetenschrift fort. Dort erhebt er sein Schwert, um im Rahmen eines Weltgerichts seine verstoßenen Knechte (~ydb[, 65,8.9.13.14.15; vgl. 54,17; 66,14) endgültig von den frevelhaften Brüdern zu scheiden. Die späten Gewalttexte des Jesajabuches unterstreichen dabei mit Nachdruck, dass Jhwh auf keinerlei fremde Hilfe zurückgreift (vgl. 59,16; 63,3). Er selbst rauscht mit seinen Streitwagen (wybkr) heran und geht mit Schwert und Feuer gegen seine Feinde vor (vgl. 65,15 f.). Für diese Betonung der Unmittelbarkeit im göttlichen Eingreifen könnten mehrere Ursachen ausschlaggebend gewesen sein: Generell wird in Jes 56 – 66 4 Vgl. U. Berges, Jes 40 – 48, 182 f. 5 J. v. Oorschot, Babel, 30.

330

Göttliche Gewalt im Buch Jesaja – Buchübergreifende Synthese und Ausblick

die Bühne der großen Weltpolitik zugunsten der überschaubaren Szenerie der persischen Provinz Jehud verlassen. Der thematische Fokus liegt auf den internen Konflikten der Jerusalemer Gemeinde in spätnachexilischer Zeit. Diese vollziehen sich nicht vor dem Hintergrund epochaler Machtwechsel im Ringen der altorientalischen Völker um die Weltherrschaft. Zudem spielten sich die weltpolitischen Großereignisse in der konsolidierten und ausgehenden Perserzeit in einiger Distanz zur Provinz Jehud ab, die Jerusalem auch nur mittelbar betrafen. So boten die zeitgenössischen Machtkonstellationen den Tradenten der Prophetenschrift nur wenige Anknüpfungspunkte, um in der aktuellen Krisensituation auf das Jhwh-Bild als global agierender Kriegsherr zurückzugreifen. Ein göttlicher Oberbefehlshaber, der fremde Nationen vom Ende der Erde als Vollstrecker seines Zorns herbeiholt (vgl. Jes 5,25 – 28; 13,2 – 5), erschien offensichtlich als anachronistisch und ungeeignet, um die aktuellen internen Konflikte theologisch zu beleuchten und einer Lösung zuzuführen. Die Jesajatradition mit ihrem reichhaltigen Repertoire an gewalthaltigen Gottesbildern bot genügend Alternativen, um im schriftprophetisch geübten Rückgriff auf ältere Texte und Motive neue Akzente im Gottesbild zu setzen: Jhwh, der mächtige Krieger, der selbst zu den Waffen greift, um die Frevler am Erdkreis zu bestrafen (z. B. Jes 13,6 – 16; 26,21 – 27,1) und im Gericht an »allem Fleisch« (rfb-lk) auch der innergemeindlichen Gegnerschaft der treuen Knechte ein gewaltsames Ende zu bereiten (Jes 66,14 – 17.24). Der kreative Umgang bestimmt die Gewaltinszenierung aber nicht erst im letzten Teil der Prophetenschrift, sondern stellt ein wesentliches Kennzeichen der gesamten Jesajatradition dar. Dies erfolgte jeweils in einem Zusammenspiel aus Kontinuität und Umgestaltung in der literarischen Inszenierung der Protagonisten und Machtkonstellationen. Die Studie konnte einige ausschlaggebende Mechanismen aufzeigen und anhand der Spitzentexte göttlicher Gewalt konkretisieren.

5.4

Kontinuität und Modifikation in der Darstellung göttlicher Gewalt – die Wechselbeziehung von Feind- und Gottesbild im Jesajabuch

Im Verlauf der Prophetenschrift stellen sich dem »Heiligen Israels« zahlreiche interne und externe Gegner in den Weg. Um auf politisch-militärischer Ebene aktiv zu werden, nimmt er umgekehrt aber auch verschiedene Fremdvölker und Herrschergestalten in Dienst. Durch die Analyse der Kerntexte göttlicher Gewalt konnte die Rollenverteilung sowie die Strukturen dieses Beziehungsgeflechtes aufgearbeitet werden. Das folgende Schema veranschaulicht das Verhältnis Jhwhs zu den Hauptprotagonisten göttlicher Gewalt im Jesajabuch:

331

Kontinuität und Modifikation in der Darstellung göttlicher Gewalt

Israel/Juda Assur Babel Perser Edom

Jhwhs Helfer und Gottes Feinde im Jesajabuch Gewaltinstrument — x — x —

Gegner x x x — x

Das assyrische Reich, das den Gewaltdiskurs vor allem in der ersten Teilkomposition (Jes 1 – 12) dominiert und nach Jes 39 (mit Ausnahme von Jes 52,4) keine Erwähnung mehr findet, übernimmt im Jesajabuch als einziges Fremdvolk beide Funktionen: Es ist sowohl als Gewaltinstrument zur Vollstreckung des göttlichen Zorns im Einsatz (z. B. Jes 5,25 – 29; 7,18; 10,6), findet aber zugleich als Gottes Widersacher ein gewaltsames Ende (z. B. 10,16 – 19; 14,25; 30,32). Babylon, Jhwhs zweitem großen Gegenspieler, kommt hingegen ausschließlich die Rolle des Gottesfeindes zu. Bereits am Beginn der Fremdvölkersprüche (Jes 13 f.) ist das Reich dem Untergang geweiht (vgl. 13,17 – 22), sodass Israel gemeinsam mit anderen einst unterjochten Völkern das grausame Ende des babylonischen Herrschers besingt (vgl. 14,4b–21; vgl. V.7). Im zweiten Babel-Orakel (Jes 21,1 – 10) proklamiert der Wächter den Sturz der babylonischen Götter (V.9). Auch in Jes 40 – 48 stellt Babylon Jhwhs Hauptgegner dar (vgl. Jes 43,14; 46,1 f.; 47,1 – 15). Als göttliche Exekutivgewalt tritt das Chaldäerreich hingegen an keiner Stelle der Prophetenschrift in Erscheinung. Lediglich im Spottlied auf die Tochter Babel (Jes 47) wird ihm ein begrenzter Stellenwert im göttlichen Gewalthandeln eingeräumt (vgl. V.6), um sogleich mit dem Vorwurf ausufernder Kriegsgewalt im Bild von Vergehen an der wehrlosen Zivilbevölkerung konfrontiert zu werden. Ein ähnlicher Befund ergibt sich bemerkenswerterweise auch für Jhwhs eigenes Volk. Dieses verübt an keiner Stelle der Prophetenschrift Gewalt auf göttlichen Befehl hin, selbst wenn in einigen Notizen die Hoffnung auf eine militärische Vormachtstellung über die unmittelbaren Nachbarstaaten durchscheint (vgl. Jes 11,13 f.; 14,2ab.3; 16,5). Edom, Israels ambivalenter Zwilling, der von der (nach)exilischen Jesajatradition zum Gottesfeind par excellence in Nachfolge von Babylon aufgebaut wird, fungiert ebenfalls ausschließlich als Opfer göttlicher Gewalt (vgl. Jes 34,5 – 9; 63,1 – 6). Spiegelbildlich zu Babel und Edom ist das Verhältnis zu den Persern angelegt: Sie werden von Jhwh ausschließlich als Gewaltwerkzeuge in Dienst genommen. Auf seinen Befehl hin gehen sie mit brutaler Gewalt gegen die Feinde vor (vgl. Jes 13,17 f.), ohne je selbst von Gott kritisiert oder gar bestraft zu werden. Mit göttlicher Unterstützung sorgt Kyros für den babylonischen Untergang und

332

Göttliche Gewalt im Buch Jesaja – Buchübergreifende Synthese und Ausblick

läutet damit die Heilswende für Israel ein. Das Jesajabuch feiert den Perserkönig dafür als Jhwhs Hirten und seinen Gesalbten (vgl. Jes 44,28; 45,1). Der Blick hinter die Kulissen der Inszenierung ergab, dass in allen Spitzentexten göttlicher Gewalt Feind- und Gottesbild in enger Korrelation zueinander stehen. Das Porträt Jhwhs als Gewalttäter gewinnt seine Konturen und sein jeweiliges Profil gerade im Wechselspiel mit der Darstellung jener Mächte, die er als Vollzugsorgane in Dienst nimmt, bzw. über die literarische Charakterisierung seiner Feinde und Opfer. In Bezug auf die literarische Ausgestaltung und Funktionsweise dieser Wechselbeziehung weisen die einzelnen Texte zahlreiche Überschneidungen auf. Die Werkzeuge göttlicher Gewalt unterstreichen Jhwhs uneingeschränkte Macht und weltweite Befehlsgewalt. Als Kriegsherr ist der Heilige Israels in der Lage, fremde Völker von den Enden der Erde herbeizurufen und frei über ihre stets als schier unüberwindlich dargestellte Stärke zu verfügen: In Jes 5,25 – 29 stellt er ein Feldzeichen auf und pfeift die assyrische Armee aus der Ferne herbei. Am Beginn der Fremdvölkersprüche folgt eine große Volksmenge der göttlichen Einberufung (vgl. 13,1 – 5). Der Jakob/Israel-Kreis (Jes 40 – 48) schildert Jhwhs Indienstnahme der persischen Armee gleich in mehreren Angängen, symbolhaft durch die Erweckung und Berufung ihres königlichen Oberbefehlshaber Kyros (z. B. 41,2.25; 44,28 – 43,3). Die fremden Truppen bzw. ihrer Befehlshaber erscheinen dabei stets in positivem Licht. Durch gezielten Einsatz von für Jhwh reservierte Begriffe kommt es teilweise sogar zu einer theologischen Überblendung: Die Truppen von Jes 5,286 erscheinen analog zum göttlichen Streitwagen aus Jes 65,15 »wie der Wirbelwind« (hpwsk), während Jhwh die Feinde in Jes 9,10 über das Volk »erhöht« (bgf, vgl. 12,4; 33,5). Die vom Heiligen Israels (larfy vwdq, vgl. Jes 1,4; 17,7; 43,14; 60,14) eigenhändig gemusterten Krieger aus Jes 13,3 werden von ihm als »meine (für den Krieg) Geheiligten« (yvdqm) angesprochen. Kyros übernimmt hingegen die Funktion als von Gott beauftragter »Hirte« (y[r »mein Hirte«, 44,28) und »sein Gesalbter« (wxyvm, 45,1), dem nach 41,2 die Gerechtigkeit (qdc) an den Fuß gerufen wird. Mit der Verleihung des Ehrennamens »Jhwh-liebt-ihn« (wbha hwhy, 48,14) erreicht die theologische Ausleuchtung der Perser als Vollzugsmacht des göttlichen Plans (#px/hc[, vgl. 44,26.28; 46,10 f.) ihren Höhepunkt. Spiegelbildlich zu dieser theologischen Überhöhung der Gewaltwerkzeuge verhält sich die Darstellung der Feinde Jhwhs. Hier potenziert sich Gottes Stärke, indem er über seine Antagonisten triumphiert. Sie erscheinen dabei stets in negativem Licht, indem sie wie Assur und Babel in ihrer Überheblichkeit Qualitäten für sich reklamieren, die allein Jhwh zugesprochen werden: Dies 6 Vgl. auch die Überschneidung zum göttlichen Wächter Israels (larfy rmwv), der wie die Truppen »weder schlummert, noch schläft« (!vyy !ya ~wny al, Ps 121,4; Jes 5,27).

Kontinuität und Modifikation in der Darstellung göttlicher Gewalt

333

betrifft sowohl den gottgleichen Status (vgl. Jes 10,8 – 10; 14,12 – 14; 37,10 – 12; 47,8), als auch die Ebene der Gewaltausübung (z. B.: @a, 14,6; dy, 10,13 f.; 47,6; ~rx, 37,11; txv, 36,10). Eine weitere Möglichkeit der negativen Charakterisierung besteht darin, dass sie wie im Falle Assurs den göttlichen Befehl übertreten (vgl. Jes 10,7) und/oder exzessive Gewalt verüben (vgl. Jes 14,6; 47,6). Darüber hinaus kommt es mit Hilfe der Teleskopie verschiedener historischer Krisensituationen zu einem göttlich gewirkten Ereignis sowie zur Überlagerung und Amalgamierung von Feindbildern. So entstehen im Laufe der Redaktionsgeschichte der Prophetenschrift göttliche Erzfeinde von universalen Ausmaßen: Am Beginn der Fremdvölkersprüche wird aus Babylon (Jes 13,17 – 22) und Assur (Jes 14,24 – 27) ein einziger mächtiger Gottesfeind. Durch die Einstellung der Vision über das Gericht an den Frevlern am Erdkreis (vgl. 13,9 – 16) wird das babylonische Weltreich zugleich zur Chiffre der Frevelhaftigkeit und zum Inbegriff ihrer von Gott herbeigeführten Vernichtung (vgl. die semantische Brücke über den Begriff dmv, Jes 13,9; 14,23). Der Feldherr Jhwh, der fremde Völker gegen Babylon aufmarschieren lässt, wird somit zugleich zum Weltenrichter stilisiert, der die Frevler zur Rechenschaft zieht. Die göttliche Gewalt gegen die politischen Feinde wird auf diese Weise mit einer deutlichen ethischen Perspektive versehen.7 Diese kennzeichnet auch die Gewalt gegen die Feinde am Ende von Jes 24 – 27. Dort kommt es allerdings nicht mehr zu einer Amalgamierung mit der politisch-militärischen Gegnerschaft des Jhwh-Volkes, sondern zu einer mythologischen Überblendung. So steigert sich im Zuge von Jes 24 – 27 mit der Macht des auf dem Zion herrschenden Königs auch seine Gewalt(tät)igkeit in kosmologische Ausmaße.8 Zum göttlichen Gericht an der !w[ der Erdenbewohner erscheint Jhwh als Chaoskämpfer, der mit seinem Schwert den Leviatan zur Strecke bringt (vgl. Jes 51,9). Als verbindendes Element aller göttlichen Erzfeinde hat sich ein besonders grausames Motiv erwiesen, mit dem ihr Dasein über das gewaltsame Ende hinaus in Szene gesetzt wird: die letzte Ruhe als Leichenberg (rgp). Sie ereilt die assyrischen Belagerer vor den Toren Jerusalems (Jes 37,36), Babels gefallenen König (Jes 14,19) sowie Edom in Folge des Tages der göttlichen Rache (34,3) und droht letztlich auch den Frevlern im finalen Weltgericht (66,24). Mit der Aufnahme dieses Motivs erreicht das Jesajabuch paradoxerweise aber das gerade Gegenteil dessen, was das Bild zum Ausdruck bringen will: die Auslöschung aller Memoria an die gottfeindlichen Mächte. Die Frevler, denen durch die unterlassene Bestattung eigentlich jeglicher Erinnerungsort versagt bleibt, werden 7 Diese Überlagerung ist auch erkennbar am Vergleich der Zerstörung Babylons mit der Umkehr von Sodom und Gomorra durch Gott (Jes 13,19). 8 Vgl. Jes 24,23 und die Verbindung mit Jes 27,1 über das Stichwort der göttlichen »Heimsuchung« (dqp).

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Göttliche Gewalt im Buch Jesaja – Buchübergreifende Synthese und Ausblick

selbst zu einem Memento göttlicher Gewalt! Dieses Motiv bildet den Gipfel der einen – dunklen – Seite der Inszenierung göttlicher Gewalt. Denn Gewaltsemantik wird im Jesajabuch nicht zuletzt auch dazu eingesetzt, um positive Gegenbilder zu Krieg und Gewalt zu entwerfen. Dies zeigt sich auf besonders einprägsame Weise gleich zu Beginn der Prophetenschrift, in der Völkerwallfahrt zum Zion (Jes 2,1 – 5), wo auch die Wurzel ~xl erstmals belegt ist (V.4). Der Begriff »Krieg« (hmxlm) begegnet auf Endtextebene also zum ersten Mal in einer Vision, die ihn als ein politisch-militärisches Phänomen in den Blick nimmt. Dieses wird aber gerade nicht durch einen göttlichen Gewaltakt obsolet. Die Spirale menschlicher Gewalt wird vielmehr durch die Zions-Tora und Jhwhs unblutigen Rechtsspruch überwunden (V.3). Schon allein daran wird ersichtlich, dass das Jesajabuch unter Frieden (~wlv) weit mehr versteht als ein einfaches Schweigen der Waffen. Es umfasst ein friedliches Zusammenleben ohne Gewalttaten und Schädigung, das sich exemplarisch durch Zion und am Zion verwirklichen soll (vgl. 11,9; 65,25). Erst vor dem Hintergrund der gewalthaltigen Gottesbilder und durch die analytische Betrachtung ihrer Funktion im Rahmen der Prophetenschrift entfalten solche positiven Gegenstimmen zur göttlichen (Kriegs)gewalt ihre ganze Strahlkraft. Die vorliegende Studie hat dazu einen ersten wichtigen Beitrag geliefert, den es im Sinne einer Komparation der gewalthaltigen und gewaltkritischen Stimmen innerhalb der Prophetenschrift weiterzuverfolgen gilt.

5.5

Göttliche Gewalt und ihre Hermeneutik

Das Jesajabuch mit seinen gewalthaltigen Gottesbildern entsteht zum überwiegenden Teil in Zeiten massiver Bedrohungen und Gewalterfahrungen. Die verschiedenen Notsituationen haben in der Prophetenschrift ihren Ausdruck in verbalen Gewaltinszenierungen gefunden, in denen die eigene Gottheit den entscheidenden Faktor darstellt. Verantwortlich für die Prophetenschrift zeichnen insbesondere Literatenkreise, die sich existenziellen Krisen gegenübergestellt sehen. Rettung und Befreiung erwarten sie dabei einzig und allein von Jhwh. Der Heilige Israels ist diejenige Instanz, die den Zion gegen alle feindlichen Übergriffe aus dem Innen- und Außenbereich schützt und Recht und Gerechtigkeit im Kleinen wie auf universaler Ebene wiederherstellt. Diese Hoffnung wird im Jesajabuch jedoch nicht dergestalt inszeniert, dass Gott dem unterdrückten Volk seine Waffen und Gewalt verleiht, sodass es letztlich selbst zum Unterdrücker wird. Vielmehr greift Jhwh eigenhändig ein oder nimmt fremde Mächte in Dienst, um Rache (~qn, vgl. Jes 1,24; 34,8; 35,4; 47,3; 59,17; 61,2; 63,4) an der Gegnerschaft zu üben und ausgleichende Gerechtigkeit (~lv, z. B. Jes 44,26; 65,6; bzw. lmg, vgl. Jes 3,11; 59,18; 66,6) herzustellen.

Göttliche Gewalt und ihre Hermeneutik

335

In der exegetischen Auseinandersetzung und Rezeption der Gewaltbilder aus dem Jesajabuch in die heutige Zeit gilt es diese Machtverhältnisse als hermeneutischen Rahmen ernst zu nehmen: Von entscheidender Bedeutung ist dabei, dass das Jesajabuch an keiner Stelle das eigene Volk bzw. die eigene Gruppe in die Position eines göttlichen Gewaltwerkzeuges setzt. Der Hilferuf der Unterdrückten um Rettung aus exzessiver Kriegsgewalt, der in der Prophetenschrift unter Einsatz von teils schockierenden gewalthaltigen Gottesbildern erklingt, darf daher nur von Menschen affirmativ aufgegriffen werden, denen alle anderen Möglichkeit aus der Hand geschlagen wurden, um sich aus ihrer bedrückenden Situation zu befreien, und allein Jhwh um sein Eingreifen zur Wendung ihrer Not anzurufen vermögen. Der analytische Blick hat somit sowohl den atl Gewaltbilder, als auch der konkreten Situation zu gelten, in die hinein solche Texte rezipiert werden. Dabei ist stets selbstkritisch zu prüfen, ob nicht gerade unter Rückgriff auf solche Texte und Bilder (vermeintliche) Opfer selbst zu Gewalttätern und letztlich Unterdrückern werden. Solange Friedensvisionen wie Jes 2,1 – 5, nach der die Spirale aller zwischenmenschlicher Gewalt durch den von allen Völkern akzeptierten göttlichen Richterspruch und die Gabe der Zionstora durchbrochen wird, ihrer Realisierung harren, sind und bleiben die biblischen Darstellungen göttlicher Gewalt also beides: theologische Gabe und zugleich exegetische Aufgabe.

6.

Abkürzungsverzeichnis

AO Aq AT ePP EÜ EZ f fig. etym. GKL hapax HB hiph. hit. hoph. imp. jiqtol k Luther LXX m nif. NR par. part. pass. pi. pu. q qal qatal SBZ

Alter Orient Revision des Aquila Altes Testament enklitisches Personalpronomen Einheitsübersetzung Eisenzeit femininum figura etymologica/etymologische Figur Gottesknechtslied(er) Hapaxlegomenon Hebräische Bibel Hiphil Hitpael Hophal Imperativ Präfixkonjugation Ketib Lutherübersetzung Septuaginta masculinum Nifal Nordreich Parallelstelle Partizip passivum Piel Pual Qere Qal Suffixkonjugation Spätbronzezeit

338 Sym Syr Th Tg Vg we-qatal wajjiqtol

Abkürzungsverzeichnis

Revision des Symmachus Peschitta Revision des Theodotion Targum Vulgata we-Suffixkonjugation waw-Präfixkonjugation

7.

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Assur mit Kriegsbogen bewaffnet, aus: http://commons.wikimedia.org/wiki/ File:Ashur_god.jpg [zuletzt abgerufen: 16. 4. 2013] Abb. 2: Month führt den Bogen des Pharao, aus: O. Keel, Die Welt der altorientalischen Bildsymbolik und das Alte Testament, Göttingen 51996, 243. Abb. 3: Die Übergabe des göttlichen Kriegsbogen, aus: O. Keel, Die Welt der altorientalischen Bildsymbolik und das Alte Testament, Göttingen 51996, 196. Abb. 4: Schlagende Gottheit, aus: O. Keel/Chr. Uehlinger, Göttinnen, Götter und Gottessymbole. Neue Erkenntnisse zur Religionsgeschichte Kanaans und Israels aufgrund bislang unerschlossener ikonographischer Quellen (QD 134), Freiburg i. Br. 51998. Abb. 5: Assyrische Bogenschützen gehen hinter Schildträgern in Stellung: Private Aufnahme (Bernd Obermayer) aus dem British Museum in London. Abb. 6: Marduk als Herrscher über das Seeungeheuer, aus: F. H. Weissbach, Babylonische Miscellen (Wissenschaftliche Veröffentlichungen der Deutschen OrientGesellschaft 4), Leipzig 1903, 16 Abb. I.

8.

Literaturverzeichnis

Die im Literaturverzeichnis verwendeten Abkürzungen basieren auf S. M. Schwertner, Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete. Zeitschriften, Serien, Lexika, Quellenwerke mit bibliographischen Angaben, Berlin 21994. Darüber hinaus werden folgende Abkürzungen verwendet: ALASPM atm BE BIS BzF HBS HCOT NSK.AT PzB WUB ZAR

Abhandlungen zur Literatur Alt-Syrien-Palästinas und Mesopotamiens Altes Testament und Moderne Biblische Enzyklopädie Biblical Interpretation Series Beiträge zur Friedensethik Herders Biblische Studien Historical Commentary on the Old Testament Neuer Stuttgarter Kommentar Altes Testament Protokolle zur Bibel Welt und Umwelt der Bibel Zeitschrift für Altorientalische und Biblische Rechtsgeschichte

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