Grundlagen des Tourismus: Lehrbuch in 5 Modulen [2., überarb. Aufl.] 9783486779844

Dieses Buch besteht aus diesen fünf Modulen: (1) Einführung Tourismus von Waldemar Berg (2) Grundlagen Verkehr im Touris

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Grundlagen des Tourismus: Lehrbuch in 5 Modulen [2., überarb. Aufl.]
 9783486779844

Table of contents :
MODUL A: Einführung Tourismus
Vorwort zur 2. Auflage
1 Wirtschaftsfaktor Tourismus
1.1 Grundlagen im Tourismus
1.2 Wirtschaftsfaktor Tourismus
1.2.1 Tourismus in Zahlen
1.2.2 Ökonomische Effekte
1.2.3 Kennzahlen im Tourismus
1.2.4 Das touristische Angebot
1.2.5 Die touristische Nachfrage
2 Tourismuspolitik
2.1 Begriffsdefinition Politik/Tourismuspolitik
2.2 Zielsetzungen und Instrumente der Tourismuspolitik
2.3 Träger und Ebenen der Tourismuspolitik
2.4 Internationale Tourismuspolitik
2.4.1 Internationale Organisationen/Institutionen
2.4.2 Internationale Dach- und Fachverbände
2.5 Nationale Tourismuspolitik
2.5.1 Staatliche Tourismuspolitik
2.5.2 Nicht-staatliche Träger der nationalen Tourismuspolitik
2.6 Regionale und Kommunale Tourismuspolitik
3 Ausgewählte Managementformen im Tourismus
3.1 Grundlagen des Managements
3.1.1 Der Begriff Management
3.1.2 Managementfunktionen
3.2 Yield-Management
3.2.1 Begriffsdefinition
3.2.2 Anwendungsgebiete und Ziele des Yield-Managements
3.2.3 Instrumente des Yield-Managements
3.2.4 Rahmenbedingungen des Yield-Managements
3.2.5 Voraussetzungen für ein erfolgreiches Yield-Management
3.2.6 Chancen und Risiken des Yield-Managements
3.3 Cash-Management
3.3.1 Abgrenzung und Funktion des Cash-Managements
3.3.2 Aufgaben und Gestaltungsräume des Cash-Managements
3.4 Krisenmanagement
3.4.1 Arten Spezifika von Krisen
3.4.2 Ursachen für Krisen und ihre Auswirkungen im Tourismus
3.4.3 Verfahren zur Identifikation potenzieller Krisen
3.4.4 Schwerpunkte des Krisenmanagements
3.4.5 Die Bedeutung der Kommunikationspolitik im Krisenfall
3.4.6 Probleme im Krisenfall
3.4.7 Krisenhandbuch
3.5 Risikomanagement
3.5.1 Aufgaben des Risikomanagements
3.5.2 Risikoverminderung und Risikovermeidung
3.6 Qualitätsmanagement
3.6.1 Dimensionen der Qualität im Tourismus
3.6.2 Total-Quality-Management im Tourismus
3.7 Projektmanagement
3.7.1 Projektmanagement im Tourismus
3.7.2 Phasen des Projektmanagements
3.8 Corporate Social Responsibility-Management
3.9 Lean-Management
3.9.1 Eigenschaften, Kernelemente und Probleme des Lean-Managements
3.9.2 Prinzipien und Leitgedanken des Lean-Managements
3.9.3 Grundstrategien und Arbeitsprinzipien des Lean-Managements
3.9.4 Umsetzung des Lean-Managements im Tourismus
3.10 Change-Management
3.10.1 Die Umsetzung von Change-Management
3.10.2 Risiken und Schwächen des Change-Managements
3.10.3 Angewandtes Change-Management im Tourismus
3.11 Personalmanagement
3.11.1 Personalsituation im Tourismus
3.11.2 Problembereiche im Personalmanagement im Tourismus
3.11.3 Grundlagen erfolgreichen Personalmanagements
3.12 Management der Informationstechnologie im Tourismus (CRS/GDS)
3.12.1 Abgrenzung und Träger der Systeme
3.12.2 Leistungsangebot, Funktionalität und Finanzierung
3.12.3 Vor-, Nachteile und rechtliche Problematik
Literaturverzeichnis
Wichtige Internetquellen
Stichwortverzeichnis
MODUL B: Grundlagen Verkehr im Tourismus
Vorwort
1 Überblick
1.1 Definitionen
1.2 Verkehrsträger
1.3 Verkehrsmittel
1.4 Verkehrswege
1.5 Reiseziele & Verkehr
2 Luftverkehr
2.1 Überblick
2.2 Linienfluggesellschaften
2.2.1 Marktüberblick
2.2.2 Produktionsfaktoren
2.2.3 Marketing & Vertrieb
2.3 Billigfluggesellschaften
2.3.1 Marktüberblick
2.3.2 Produktionsfaktoren
2.3.3 Marketing & Vertrieb
2.4 Weitere Fluggesellschaften
2.4.1 Ferienfluggesellschaften
2.4.2 Regionalfluggesellschaften
2.4.3 Geschäftsreisefluggesellschaften
2.5 Flughäfen
3 Kreuzfahrten
3.1 Überblick
3.2 Hochseekreuzfahrten
3.2.1 Markt & Strategie Hochseekreuzfahrten
3.2.2 Produktionsfaktoren Hochseekreuzfahrten
3.2.3 Marketing & Vertrieb Hochseekreuzfahrten
3.2.4 Dienstleistung Hochseekreuzfahrt
3.3 Flusskreuzfahrten
3.3.1 Arten von Flusskreuzfahrten
3.3.2 Produktbestandteile
3.3.3 Marktüberblick
3.3.4 Nachfragegruppen
4 Bahnen
4.1 Überblick
4.2 Markt & Strategie Bahn
4.2.1 Historie
4.2.2 Marktumfeld & -teilnehmer
4.2.3 Zahlen & Fakten Deutsche Bahn
4.3 Produktionsfaktoren Bahn
4.4 Marketing & Vertrieb Bahn
4.5 Weitere Bahnen
4.5.1 Hochgeschwindigkeitszüge
4.5.2 Luxuszüge
5 Straßenverkehr
5.1 Überblick
5.2 Busverkehr
5.2.1 Marktüberblick Bus
5.2.2 Transportmittel Bus
5.2.3 Marketing & Vertrieb Bus
5.3 Mietwagen
5.3.1 Marktüberblick Mietwagen
5.3.2 Marketing & Vertrieb Mietwagen
5.4 Individualverkehr
5.4.1 Personenkraftwagen
5.4.2 Motorrad
5.4.3 Caravaning
Literaturverzeichnis
Stichwortverzeichnis
MODUL C: Grundlagen der Hotellerie und des Hotelmanagements im Tourismus
Vorwort zur 2. Auflage
1 Die Hotellerie als Branche und Wirtschaftszweig
1.1 Einordnung der Hotellerie in das Gesamtsystem Tourismus
1.2 Begriff und Erscheinungsformen von Hotelunternehmen
1.3 Branchenstruktur der Hotellerie
1.4 Organisationsformen in der Hotellerie
1.5 Qualitätskategorien und Hotelklassifizierung
1.6 Die deutsche Hotellerie im Wandel
1.7 Grundlegende Strukturen und Akteure der internationalen Hotellerie
2 Dienstleistungsbesonderheiten der Hotellerie
2.1 Begriff und Dimensionen von Dienstleistungen
2.2 Zum Dienstleistungscharakter der Hotelleistung
2.2.1 Zur „Erlebniswelt“ Hotel als materielles und immaterielles Leistungssystem
2.3 Dienstleistungsqualität und Kundenzufriedenheit als Erfolgsfaktor in der Hotellerie
2.3.1 Begriff der Qualität
2.3.2 Qualitätsdimensionen von Dienstleistungen
2.3.3 Wirkungszusammenhänge zwischen Kundenerwartungen, Kundenzufriedenheit und Dienstleistungsqualität
3 Hotelmanagement und Hotelbetrieb
3.1 Grundlegende Leistungs- und Organisationsbereiche eines Hotelbetriebs
3.2 Der Hotelbetrieb und seine Leistungen
3.2.1 Besonderheiten der Leistungspolitik in der Hotellerie
3.2.2 Zur Bedeutung der Standortwahl in der Hotellerie
3.2.3 Gestaltungsbereiche des Leistungsprogramms in der Hotellerie
2.2.2 Konsequenzen der Dienstleistungsbesonderheiten für die Hotellerie
3.3 Angebots- und Nachfragestrukturen in der Hotellerie
3.4 Ausgewählte betriebswirtschaftliche Kennziffern in der Hotellerie
3.5 Personalqualität als Erfolgsfaktor in der Hotellerie
4 Akteure, Produkte und Märkte in der Hotellerie
4.1 Ausgewählte Anbieter und Produktkonzepte in der Hotellerie
4.1.1 Strategische Gruppen und Schlüsselanbieter in der Hotellerie
4.1.2 Ausgewählte Produktkonzepte in der Hotellerie
4.2 Ausgewählte Märkte und Marktsegmente in der Hotellerie
4.2.1 Der Geschäftsreisemarkt
4.2.2 Der Freizeitreisemarkt
5 Hotelmanagement und Hotelimmobilie
5.1 Zum Verhältnis von Hotelimmobilie und Hotelmanagement
5.2 Eigentumsverhältnisse und Vertragsstrukturen
5.3 Entwicklungen auf dem deutschen Hotelimmobilienmarkt
5.4 Arten von Hotelinvestitionen
5.5 Kriterien von Investitionsentscheidungen in der Hotellerie
5.5.1 Markt- und Standortkonzept
5.5.2 Betreiber- und Vertragsmodell
5.5.3 Finanzierung und Finanzierungspartner
Literaturverzeichnis
Stichwortverzeichnis
MODUL D: Grundlagen des Reisemittler- und Reiseveranstaltermanagements
Vorwort
1 Grundlagen und Definitionen
2 Besonderheiten der Touristikbranche
2.1 Unvollkommene Trennung der Leistungsebenen
2.2 Dienstleistungscharakter der Produkte
2.2.1 Immaterialität
2.2.2 Beteiligung eines externen Faktors
2.2.3 Gleichzeitigkeit von Produktion und Konsum
2.2.4 Sonstige Merkmale touristischer Dienstleistungen
3 Anbieterstruktur des Touristikmarktes
3.1 Markt der Reiseveranstalter
3.1.1 Geschichte des deutschen Veranstaltermarktes
3.1.2 Heutige Struktur des Veranstaltermarktes
3.2 Markt der Reisemittler
4 Nachfrage nach Leistungen der Reiseveranstalter und Reisemittler
4.1 Entwicklung des Gesamtpotentials der Reisenden und der Reisen
4.2 Potential der Pauschalreisenden bzw. der Veranstalter-Reisen
5 Wertschöpfende Aktivitäten, Arbeitsweise und Organisation
5.1 Überblick der Wertschöpfungsaktivitäten
5.2 Einfluss der Informationstechnologie
6 Strategisches Marketing-Management in der Touristik
6.1 Festlegung von Unternehmenszielen und Unternehmensleitbild
6.2 Analyse der Unternehmenssituation
6.2.1 Datensammlung
6.2.2 Datenauswertung
6.3 Bausteine des strategischen Managements
6.3.1 Marktfeldstrategien
6.3.2 Marktimpulsstrategien
6.3.3 Marktsegmentierungsstrategien
6.3.4 Marktgebietsstrategien
6.4 Strategieprofil
6.5 Marketing-Mix
7 Aspekte des operativen Managements
7.1 Besonderheiten der Reisepreiskalkulation
7.1.1 Preistheoretische Modelle und ihre Relevanz für den Reiseveranstaltermarkt
7.1.2 Kalkulationsstrategien – ein Überblick
7.1.3 Vertiefung ausgewählter Aspekte der kostenorientierten Preisfindung
7.2 Provisionssysteme
8 Ausgewählte rechtliche Aspekte
8.1 Grundlagen des Reiserechts
8.2 Reisevertragsrecht: Rechtsprobleme
8.3 Umsatzsteuerliche Besonderheiten der Reiseveranstaltung
Literaturverzeichnis
MODUL E: Grundlagen des Destinationsmanagements
1 Das Reiseziel – Stellung im System Tourismus
1.1 Das industriegesellschaftliche Lebensmodell
1.2 Der Tourismusmarkt: Angebot und Nachfrage nach Raum
1.3 Das System Tourismus
1.4 Das touristische Strukturmodell
1.5 Begriffsabgrenzungen
1.5.1 Tourismusgemeinden
1.5.2 Touristische Regionen
1.5.3 Destinationen
1.5.4 Tourismusorganisationen
2 Effekte des Tourismus im Zielgebiet
2.1 Ökonomische Effekte
2.1.1 Deviseneffekte
2.1.2 Einkommens-, Beschäftigungs- und Wertschöpfungseffekte
2.1.3 Ausgleichseffekte
2.1.4 Negative wirtschaftliche Effekte
2.2 Soziokulturelle Effekte
2.2.1 Das Vier-Kulturen-Schema
2.2.2 Tourismus und Akkulturation
2.2.3 Verhältnis zwischen Einwohnern und Touristen
2.2.4 Lösungsansatz Partizipation
2.3 Ökologische Effekte
2.3.1 Ökologisches Potenzial als strategischer Erfolgsfaktor
2.3.2 Belastungsbeispiele
2.3.3 Ausgewählte Ansätze zur Verringerung der ökologischen Belastungen
2.4 Zum Saldo von Kosten und Nutzen des Tourismus im Zielgebiet
2.5 Das Prinzip der Nachhaltigkeit als übergeordnete Zielsetzung
3 Lebenszyklus der Destination
4 Zur Nachfrage nach Reisezielen
4.1 Erfassung der touristischen Nachfrage
4.2 Reiseziele weltweit
4.3 Reiseziele in Deutschland
4.4 Reiseziele der Deutschen
5 Leistungsangebot, Produktionsfaktoren und Wettbewerbsfähigkeit
5.1 Das Leistungsbündel
5.2 Koordinationsnotwendigkeiten und Organisationsmodelle
5.3 Wettbewerbsbedingungen im Wandel
5.4 Destinationsmanagement
5.5 Elemente des Leistungsbündels – Produktionsfaktoren der Destination
5.6 Hemmschwellen des Wandels und zukünftige Herausforderungen
Literaturverzeichnis
Stichwortverzeichnis

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Grundlagen des Tourismus Lehrbuch in 5 Modulen

von

Prof. Dr. Axel Schulz Waldemar Berg Prof. Dr. rer. pol. Marco A. Gardini Prof. Dr. Torsten Kirstges Prof. Dr. Bernd Eisenstein

2., überarbeitete Auflage

Oldenbourg Verlag München

Lektorat: Thomas Ammon Herstellung: Tina Bonertz Titelbild: thinkstockphotos.de Einbandgestaltung: hauser lacour Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts. © 2014 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 143, 81671 München, Deutschland www.degruyter.com/oldenbourg Ein Unternehmen von De Gruyter Gedruckt in Deutschland Dieses Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706. ISBN 978-3-486-72504-9 eISBN 978-3-486-77984-4

Axel Schulz

Modul C : Grundlagen der Hotellerie und des Hotelmanagements im Tourismus Marco A. Gardini

Modul D: Grundlagen des Reisemittler- und Reiseveranstaltermanagements Torsten Kirstges

Modul B

Modul B : Grundlagen Verkehr im Tourismus

Modul C

Waldemar Berg

Modul D

Modul A : Einführung Tourismus

Modul A

Inhaltsübersicht

Bernd Eisenstein

Modul 5 E

Modul E : Grundlagen des Destinationsmanagements

Einführung Tourismus Überblick und Management Waldemar Berg

Modul A

Modul A

Die Tourismusbranche ist eine nach wie vor von starken Veränderungen geprägte Branche, deren Spezifika immer noch sehr komplexe Anforderungen an alle im Tourismus tätigen Akteure stellen. In den Fokus der Betrachtung rücken immer stärker die volkswirtschaftlichen Effekte des Tourismus sowie Managementtechniken. Im ersten Kapitel wird der Grundstein für ein besseres Verständnis gelegt: die Tourismusbranche wird dem Leser durch Definitionen, Abgrenzungen, aktuelle Kennzahlen, unterschiedliche Effekte sowie durch die Angebots- und Nachfrageseite näher gebracht. Das zweite Kapitel zeigt die Vernetzung der Tourismusbranche mit der Politik, führt die Notwendigkeit einer gezielten und bewussten Tourismuspolitik auf und mündet in einer Übersicht der Interessensvertreter (z. B. Organisationen, Dach- und Fachverbände) auf globaler, internationaler, nationaler, regionaler und lokaler Ebene und stellt deren Zielsetzungen, Tätigkeiten und Instrumente dar. Ausgewählte Managementformen sind Inhalte des dritten Kapitels. Dabei wird sowohl auf die Begrifflichkeit als auch auf die Funktionen des Managements eingegangen. Im Folgenden werden ausgewählte und für die Tourismusbranche bzw. Tourismusunternehmen typische Managementformen wie z. B. Yield-, Cash-, Krisen-, Risiko-, Qualitäts-, Projekt-, Corporate Social Responsibility-, Lean-, Change- und Human-Ressource-Management, beschrieben und deren Notwendigkeiten, Umsetzungsproblematiken und andere spezifischen Merkmale aufgezeigt. Dieses Buch Tourismus: Grundlagen und Management richtet sich an alle Studenten/innen von Universitäten, Hochschulen, Berufsakademien und privaten Bildungseinrichtungen mit dem Schwerpunkt Tourismus in all seinen Ausprägungen, und leistet einen Beitrag für ein grundlegendes Verständnis der Tourismusbranche, ihre Vernetzung mit anderen Wirtschafts- und Industriezweigen sowie ihre Spezifika und Funktionsweisen.

München, im April 2013

Professor Waldemar Berg

Modul A

Vorwort zur 2. Auflage

Inhaltsverzeichnis III

1

Wirtschaftsfaktor Tourismus

1

1.1

Grundlagen im Tourismus ...............................................................................2

1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4 1.2.5

Wirtschaftsfaktor Tourismus ...........................................................................6 Tourismus in Zahlen........................................................................................6 Ökonomische Effekte ....................................................................................13 Kennzahlen im Tourismus.............................................................................18 Das touristische Angebot...............................................................................21 Die touristische Nachfrage ............................................................................26

2

Tourismuspolitik

2.1

Begriffsdefinition Politik/Tourismuspolitik ..................................................38

2.2

Zielsetzungen und Instrumente der Tourismuspolitik ...................................39

2.3

Träger und Ebenen der Tourismuspolitik ......................................................41

2.4 2.4.1 2.4.2

Internationale Tourismuspolitik ....................................................................42 Internationale Organisationen/Institutionen ..................................................43 Internationale Dach- und Fachverbände ........................................................46

2.5 2.5.1 2.5.2

Nationale Tourismuspolitik ...........................................................................50 Staatliche Tourismuspolitik ...........................................................................51 Nicht-staatliche Träger der nationalen Tourismuspolitik ..............................53

2.6

Regionale und Kommunale Tourismuspolitik ...............................................56

3

Ausgewählte Managementformen im Tourismus

3.1 3.1.1 3.1.2

Grundlagen des Managements ......................................................................64 Der Begriff Management...............................................................................64 Managementfunktionen .................................................................................65

3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4

Yield-Management ........................................................................................67 Begriffsdefinition ..........................................................................................67 Anwendungsgebiete und Ziele des Yield-Managements...............................67 Instrumente des Yield-Managements ............................................................68 Rahmenbedingungen des Yield-Managements .............................................70

37

63

Modul A

Vorwort zur 2. Auflage

VI

Inhaltsverzeichnis

3.2.5 3.2.6

Voraussetzungen für ein erfolgreiches Yield-Management .......................... 71 Chancen und Risiken des Yield-Managements............................................. 72

3.3 3.3.1 3.3.2

Cash-Management ........................................................................................ 73 Abgrenzung und Funktion des Cash-Managements...................................... 73 Aufgaben und Gestaltungsräume des Cash-Managements ........................... 74

3.4 3.4.1 3.4.2 3.4.3 3.4.4 3.4.5 3.4.6 3.4.7

Krisenmanagement ....................................................................................... 75 Arten Spezifika von Krisen ........................................................................... 76 Ursachen für Krisen und ihre Auswirkungen im Tourismus ........................ 77 Verfahren zur Identifikation potenzieller Krisen .......................................... 77 Schwerpunkte des Krisenmanagements ........................................................ 79 Die Bedeutung der Kommunikationspolitik im Krisenfall ........................... 80 Probleme im Krisenfall ................................................................................. 80 Krisenhandbuch ............................................................................................ 81

3.5 3.5.1 3.5.2

Risikomanagement........................................................................................ 83 Aufgaben des Risikomanagements ............................................................... 83 Risikoverminderung und Risikovermeidung ................................................ 85

3.6 3.6.1 3.6.2

Qualitätsmanagement.................................................................................... 86 Dimensionen der Qualität im Tourismus ...................................................... 86 Total-Quality-Management im Tourismus ................................................... 87

3.7 3.7.1 3.7.2

Projektmanagement ...................................................................................... 90 Projektmanagement im Tourismus ............................................................... 90 Phasen des Projektmanagements .................................................................. 91

3.8

Corporate Social Responsibility-Management ............................................. 95

3.9 3.9.1 3.9.2 3.9.3 3.9.4

Lean-Management ........................................................................................ 99 Eigenschaften, Kernelemente und Probleme des Lean-Managements........ 100 Prinzipien und Leitgedanken des Lean-Managements................................ 101 Grundstrategien und Arbeitsprinzipien des Lean-Managements ................ 102 Umsetzung des Lean-Managements im Tourismus .................................... 103

3.10 3.10.1 3.10.2 3.10.3

Change-Management .................................................................................. 104 Die Umsetzung von Change-Management ................................................. 105 Risiken und Schwächen des Change-Managements ................................... 106 Angewandtes Change-Management im Tourismus .................................... 107

3.11 3.11.1 3.11.2 3.11.3

Personalmanagement .................................................................................. 109 Personalsituation im Tourismus .................................................................. 109 Problembereiche im Personalmanagement im Tourismus .......................... 110 Grundlagen erfolgreichen Personalmanagements ....................................... 111

3.12 3.12.1 3.12.2 3.12.3

Management der Informationstechnologie im Tourismus (CRS/GDS) ...... 114 Abgrenzung und Träger der Systeme.......................................................... 116 Leistungsangebot, Funktionalität und Finanzierung ................................... 117 Vor-, Nachteile und rechtliche Problematik................................................ 119

VII

Literaturverzeichnis

125

Wichtige Internetquellen

129

Stichwortverzeichnis

131

Modul A

Inhaltsverzeichnis

Wirtschaftsfaktor Tourismus

Lernziele



Am Ende dieses Kapitels sollten Sie Folgendes können:  wesentliche Grundlagen im Tourismus beherrschen sowie wichtige Definitionen und Abgrenzungen vornehmen können;  die Entstehung und die Entwicklung der Tourismuswirtschaft nachvollziehen können;  die ökonomische Bedeutung des Tourismus beherrschen, wichtige Kennzahlen und Effekte kennen und Tourismus als einen wichtigen Wirtschaftsfaktor begreifen;  wesentliche Spezifika der Anbieter-und Nachfragerseite kennen und nachvollziehen können.

Strandkörbe an der Nordseeküste

Modul A

1

2

1.1

1 Wirtschaftsfaktor Tourismus

Grundlagen im Tourismus

Die Tourismusbranche ist eine der wichtigsten Wachstumsbranchen weltweit. Die WTO (World Tourism Organisation – Welttourismusorganisation) bescheinigt der Tourismuswirtschaft ein stetiges und über dem Durchschnitt anderer Branchen liegendes Wachstum, trotz starker Schwankungen in den vergangenen Jahren ausgelöst durch eine volatile Konjunktur, Epidemien, kriegerische Handlungen und weltweite Terroraktionen. Nach Angaben der UNWTO wird für die Jahre bis 2030 ein weltweites Wachstum um 4,4% erwartet. In Europa, als volumenstärkster Markt, wird mit einem Wachstum von 5,8% gerechnet. Die deutsche Reisebranche hat sich erneut als Wachstumsmotor der deutschen Wirtschaft bewährt. Der gesamtwirtschaftliche Produktionswert der Tourismusindustrien in Deutschland belief sich im Jahr 2011 auf ca. 278,3 Mrd. Euro. Hierbei wird von einer direkten Wertschöpfung der Tourismusbranche von ca. 97,0 Mrd. Euro ausgegangen. Die Deutschen sind die größten Nettodevisenbringer im internationalen Reiseverkehr. Die Tourismuswirtschaft ist eine „Querschnittsindustrie“; Kernbereiche der Tourismuswirtschaft sind das Gastgewerbe, Reiseveranstalter und Reisemittler sowie Verkehrsbetriebe wie Fluglinien, Reedereien, Bahn, Bus- und Mietwagenunternehmen. Die Begriffe Tourismus, Fremdenverkehr, Reiseverkehr werden oftmals (und wahlweise) synonym oder für unterschiedliche Erscheinungen verwendet. Der Begriff Fremdenverkehr wird aufgrund der Dienstleistungs- und Kundenorientierung heute zunehmend durch den Begriff Tourismus ersetzt, denn ein Gast oder Kunde wird ungern als Fremder bezeichnet. All diese Bezeichnungen meinen das Reisen, also den Verkehr zwischen dem Heimatort und dem vorübergehenden Aufenthaltsort einer Person zum Zweck der Erholung, der Regeneration, des Gelderwerbs und aus sonstigen Gründen. Der Begriff Fremdenverkehr wird für die Gesamtheit der Beziehungen und Erscheinungen, die mit einer Reise in Verbindung steht, verwendet (Freyer 2011). Der Begriff Fremdenverkehr, heute Tourismus, beschäftigt Wissenschaftler bereits seit gut hundert Jahren. Demzufolge wurden im Zeitablauf auch mehrere Definitionsansätze formuliert, von denen nachfolgend eine Auswahl präsentiert wird. „Fremdenverkehr ist der Begriff all jener und in erster Reihe aller wirtschaftlichen Vorgänge, die sich im Zuströmen, Verweilen und Abströmen Fremder nach, in und aus einer bestimmten Gemeinde, einem Lande, betätigen und damit unmittelbar verbunden sind.“ (Schullern zu Schrattenhofen, 1911) „Summe der Beziehungen zwischen einem am Orte seines Aufenthaltes nur vorübergehend befindlichen Menschen an diesem Ort.“ (Glücksmann, 1935)

1.1 Grundlagen im

Tourismus

3

„Fremdenverkehr ist somit der Inbegriff der Beziehungen und Erscheinungen, die sich aus dem Aufenthalt Ortsfremder ergeben, sofern durch den Aufenthalt keine Niederlassung zur Ausübung einer dauernden oder zeitweilig hauptsächlichen Erwerbstätigkeit begründet wird.“ (AIEST, 1954)

Definitionsansatz im angelsächsischen Raum: „Tourismus ist als eine temporäre Bewegung/Reise von Personen nach Destinationen außerhalb ihrer normalen Arbeitsund Wohnstätte definiert.“ (Mathieson/Wall, 1982) Definitionsansatz nach WTO: analog zu e. g. Definitionen: „… sind Touristen Personen, die ein anderes Land besuchen als das, in dem sie den normalen Wohnsitz haben, für irgendeinen Grund, außer einer Beschäftigung nachzugehen, die vom besuchten Land bezahlt wird.“ (Inskeep, 1991) „Die Gesamtheit der Beziehungen und Erscheinungen, die sich aus dem Reisen und dem Aufenthalt von Personen ergeben, für die der Aufenthaltsort weder hauptsächlicher und dauernder Wohn- noch Arbeitsort ist.“ (Kaspar, 1996) „Fremdenverkehrspolitik ist die zielgerichtete Planung und Beeinflussung/Gestaltung der touristischen Realität und Zukunft durch verschiedene Träger – staatliche, private, übergeordnete.“ (Freyer, 2001) Demzufolge ist ein Reisender jemand, der einen befristeten Ortswechsel (vorübergehende Ortsveränderung) zum Zweck der Erholung (Regeneration) oder dem Gelderwerb vornimmt. Tourismus (oder Fremdenverkehr) schließt außer der Urlaubsreise auch den gesamten Geschäftsreiseverkehr, Tagungs-, Messe- und Kongressreisen sowie die Kur- und Bäderreisen mit ein. Nach Bieger (2002, S. 2) beinhaltet der Tourismus sowohl Geschäfts- als auch Freizeitreisen. Tourismus erfasst nicht nur die Angebote und Nachfrager, sondern auch die wirtschaftlichen, ökologischen, politischen und gesellschaftlichen Folgen. Der Tourismus ist nicht nur ein Wirtschafts-, sondern ein Lebensbereich (12–15% ihres aktiven Lebens verbringt eine Person eines europäischen Industrielandes, die konsequent alle gesetzlichen Ferien ausschöpft, als Tourist – Geschäftsreisen nicht eingerechnet). Tourismus ist sowohl Mobilität im normalen Wohn- und Arbeitsbereich (Freizeit- und Geschäftsreisen) als auch Bewegung/Mobilität außerhalb des normalen Wohn- und Arbeitsbereiches sowie Reisen mit Übernachtungen (Urlaubs- und Geschäftsreisen). Freyer bilanziert aus den o. g. Definitionsansätzen und unterscheidet zwischen einem touristischen Kernbereich, einem engeren und weiteren Tourismusbegriff. Der „weit“ gefasste Tourismusbegriff meint alle Erscheinungen, die mit dem Verlassen des ge-

Modul A

„Das Studium des Tourismus sei folglich das Studium von Personen außerhalb von ihrem normalen Lebensraum, der Einrichtungen, die den Erfordernissen der Reisenden entsprechen und der Wirkungen, die sich auf das ökonomische, physische und soziale Wohlergehen der Gastgeber haben.“ (Jafari, 1977)

4

1 Wirtschaftsfaktor Tourismus

wöhnlichen Aufenthaltsortes und dem Aufenthalt am anderen Ort verbunden sind, während der „eng“ gefasste Tourismusbegriff eine Abgrenzung hinsichtlich der Zeit und Reisedauer, des Ortes und der Entfernung und der Motive des Ortswechsels mit der jeweiligen Schwerpunktsetzung vornimmt. Der touristische Kernbereich betrachtet eine mindestens mehrtägige Urlaubs- und Erholungsreise. Tourismus ist von zwei wesentlichen Faktoren abhängig. Zum einen von konstitutiven Elementen des Reisens (der Ortswechsel, der Aufenthalt und das Motiv) und zum anderen von der verfügbaren Zeit bzw. Freizeit (gebundene und/oder ungebundene). Ein weiterer Ansatz einer wissenschaftlichen Betrachtung ist die Unterscheidung bzw. die Definition des Begriffes Tourismus bzw. Fremdenverkehr (Eisenstein 2000) in eine Normaldefinition (Teilung zwischen „Verkehr“ und „fremd“), eine Realdefinition (Betrachtung des Fremdenverkehrs überwiegend bzw. ausschließlich aus Sicht seiner ökonomischen Wirkungen) und eine Universaldefinition (Versuch der Erfassung aller mit dem Begriff Fremdenverkehr in Zusammenfassung stehende Arten, Erscheinungsformen und Merkmale durch Verallgemeinerungen). Die Tourismusindustrie wird abgegrenzt in eine „klassische“ (auch primäre oder Tourismusindustrie i. e. S.), eine „ergänzende“ Tourismusindustrie und eine touristische „Randindustrie“ (Freyer 2011). 





klassische Tourismusindustrie: Hier werden tourismus-typische Produkte und Dienstleistungen von tourismus-typischen Unternehmen (z. B. Reiseveranstalter, Reisemittler, Fluggesellschaften) für einen typischen Nachfrager (Reisenden) erstellt. ergänzende Tourismusindustrie: Hier werden tourismus-typische Produkte und Dienstleistungen (z. B. Reiseliteratur, Reisebekleidung) von einem tourismus-untypischen Unternehmen (z. B. Verlag, Bekleidungsunternehmen) für einen typischen Nachfrager (Reisenden) erstellt. touristische Randindustrie: Hier werden tourismus-untypische Produkte und Dienstleistungen (z. B. Bewirtungen, Massagen) von tourismus-untypischen Unternehmen (z. B. Gastronomen, physiotherapeutische Praxen, Friseure) für typische Nachfrager (Reisende) erstellt.

Reisen haben sich von einem „Luxusgut“ in der Vergangenheit zu einem „Massengut“ in der Gegenwart entwickelt. Dies ist einer Reihe von Faktoren geschuldet (Freyer 2011). Zu dieser Entwicklung trugen bei u. a. das Transportwesen und die Motorisierung der Gesellschaft, eine verbesserte Einkommenssituation und der gestiegene Wohlstand der Bevölkerung (insbesondere ab dem Jahr 1960), der Anstieg der Freizeit und die stetige Erweiterung des Jahresurlaubes von abhängig Beschäftigten, die rasante Entwicklung des Kommunikationswesens mit der Möglichkeit zur Echtzeitübertragung von Anfragen und Buchungen, ein zeitweiliges Bevölkerungswachstum, ein höheres Bildungsniveau und das Entstehen einer Tourismusindustrie, die spezifische Produkte für die spezifische Nachfrage nach Ortsveränderungen erstellt.

1.1 Grundlagen im

Tourismus

5

Tourismusart Frage: Warum wird ver- bzw. gereist? Gliederung nach den „inneren“ Merkmalen, z.B.

Tourismusform Frage: Wie wird ver- bzw. gereist? Gliederung nach den „äußeren“ (formalen) Merkmalen, z.B.

Reiseinhalt, z.B. Geschäfts-, Besuchs-, Pilger-,

Reisedauer, z.B. Ausflug, Kurzreise,

Bildungs-/Studien-, Urlaubsreise, Bade-, Sporturlaub, Naturerlebnis, Sextourismus, Kur-/Wellness-Aufenthalt

Urlaubsreise, Langzeitreise

Reisemotiv, z.B. Erholung, Erlebnis, Selbstverwirklichung, Entdeckung, Arbeit, Kontemplation u.a.

Reisezeitpunkt, z.B. Haupt-, Vor-, Nach-, Zwischensaison, Feiertage, Jahreszeiten

Reiseziel, z.B. Fernreise oder Naherholung, Auslands- oder Inlandsreise, Incoming oder Outgoing, Berge, Land, Wasser, Städte, Kultur, Höhlen u.a.

Reisemittel, z.B. Bahnreise, Flugreise, Busreise, Schiffsreise, Pkw-Reise, Fahrradreise, Bootsreise u.a. Reiseorganisation, z.B. Pauschal- (Voll-, Teilpauschalreise) oder Individualreise Reiseteilnehmer, z.B. Kinder-/Jugendreise, Seniorenreise, Familienreise, Gruppenreise u.a.

Abb. 1.1

Reisearten und Reiseformen

(Quelle: Bütow 2006)

Ein anderer Abgrenzungsansatz ist der von Freyer, dargestellt in nachfolgender Abbildung. Abgrenzung nach: Arten und Formen des Tourismus Motivation (Motiv, Bezeichnung)

Dauer (Tage, Übernachtungen, Bezeichnung) Zielort (Entfernung, Bezeichnung)

Abb. 1.2

Geschäft und Gesundheit (Geschäfts- und Kurtourismus)

Erholung (Urlaubs-, ErholungsTourismus)

Studium, Arbeit, Auswandern (Studien-, AuswanderungsTourismus, Arbeitsaufenthalte)

0 bis 24 Stunden, 1 bis 4 Tage, 5 bis 31 Tage (Tagestourismus, Ausflugs-, Kurzreisen)

5/6 bis 45 Tage (Erholungstourismus, Langzeitreisen)

über 1 Jahr (Daueraufenthalte)

Heimatort, nähere Umgebung (Stadttourismus, Nahtourismus)

Inland/Ausland (Inlands- u. Auslands-tourismus)

zum Arbeitsplatz, kleiner Grenzverkehr, Berufspendler

wird nur teilweise dem Tourismus zugerechnet (touristischer Randbereich)

wird (fast) immer unter Tourismus verstanden (touristischer Kernbereich)

wird nicht dem Tourismus zugerechnet

Reisearten und Reiseformen

(Quelle: Freyer 2011)

Modul A

Eine wichtige Abgrenzung muss hinsichtlich der Tourismusarten und der Tourismusformen vorgenommen werden. Die Strukturierung von Reiseerscheinungen nach „Tourismusarten“ beantwortet die Frage nach dem Warum (Warum wird ver- bzw. gereist?); es handelt sich somit um eine Gliederung nach den „inneren“ Merkmalen, wie z. B. Reiseinhalt, Reisemotiv und Reiseziel. Die Strukturierung nach „Tourismusformen“ beantwortet die Frage nach dem Wie (Wie wird ver- bzw. gereist?); es handelt sich somit um eine Gliederung nach den „äußeren“ (formalen) Merkmalen, z. B. Reisedauer, Reisemittel, Reisezeitpunkt, Reiseorganisation (Bütow 2006).

6

1 Wirtschaftsfaktor Tourismus

1.2

Wirtschaftsfaktor Tourismus

Die wirtschaftliche Bedeutung (direkte und indirekte) des Tourismus wird in Geldeinheiten (Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt), in geschaffene Arbeitsplätze, getätigten Kapitalinvestitionen sowie die den generierten Effekten (z. B. Ausgleichs-, Devisen-, Beschäftigungseffekte) gemessen. Nach Kaspar sind die ökonomischen Faktoren einer positiven Tourismusentwicklung sowohl die Zunahme des verfügbaren Einkommens, eine stabile Währungslage und eine günstige Konjunktursituation. Ein Rückgang der industriellen Produktion sowie eine unstabile Währungslage und eine ungünstige Konjunktursituation würde die Tourismusentwicklung negativ beeinflussen.

1.2.1

Tourismus in Zahlen

Tourismus ist eine der weltweiten Wachstumsbranchen der Zukunft mit einem prognostizierten Wachstum von jährlich rund 2,3% nach Europa. Europa gilt mit 534,8 Mio. internationalen Ankünften im Jahr 2012 als der wichtigste Reisemarkt. Die Wachstumsprognosen für Europa werden von der UNWTO bis zum Jahr 2030 mit jährlich ca. 3,3% angegeben. Nachfolgende Tabelle zeigt die tatsächlichen Ankünfte bis 1995 und 2012 sowie die Prognosen bis zum Jahr 2030 (DZT 2013, UNWTO 2012 (1)).

Regionen

Ankünfte in Mio. 1995 2012 2030

Europa Asien & Pazifik Amerika

336,0 85,0

534,8 232,9

744,0 535,0

110,0

162,1

248,0

Afrika Mittlere Osten Welt

20,0 14,0

52,3 52,6

565,0

1.035,0

Abb. 1.3

Jährliches Wachstum % 1995–2030 + 2,3 + 4,9

Marktanteile in % 2011 2030 51,7 22,5

41,1 29,8

+ 2,6

15,7

13,7

134,0 149,0

+ 5,0 + 4,6

5,1 5,1

7,4 8,2

1.809,0

+ 3,3

100,0

100,0

Wachstumsprognosen für Europa und weltweit

(Quelle: DZT 2013, UNWTO 2012 (1))

Die Region mit dem derzeitigen und künftigen rasantesten Wachstum ist zweifelsohne Afrika, Asien & Pazifik sowie der Mittlere Osten, nicht nur bedingt durch Neugründungen und die internationale Ausrichtung der heimischen Fluggesellschaften, sondern auch durch die weltweit ehrgeizigsten Hotelprojekte und Freizeitanlagen. Dennoch wird Europa aufgrund seiner Ankünfte als touristische Destination Marktführer bleiben. Rund drei Viertel aller Europäer verbringen ihren Urlaub innerhalb Europas. Ein tendenzieller Zuwachs der Reisen in die osteuropäischen Regionen/Län-

1.2 Wirtschaftsfaktor Tourismus

7

Wie verreisen die Europäer wenn Sie Deutschland besuchen? „Luft“ und „Straße“ sind die dominierenden Kategorien bei Reisen nach Deutschland. Die nachfolgende Abbildung zeigt die Verteilung aller Reisen der Europäer nach der Wahl der Transportart im Jahr 2012 (DZT/WTM 2013). Transportart PKW Flugzeug Bus Bahn Sonstige Abb. 1.4

Anteil (in Prozent) 50 30 8 8 6

Veränderung zum Vorjahr (in Prozent) +1 ±0 ±0 +1 ±0

Verteilung internationaler Reisen der Europäer nach Transportart 2012 (Quelle: DZT /WTM 2013 (5))

Deutschland als Reiseland (DZT 2012) wird aufgrund seines natürlichen und abgeleiteten Angebotes, aber auch Dank der Bemühungen der Deutschen Zentrale für Tourismus eine immer wichtigere Destination für Gäste aus Europa und Übersee. Die nachfolgende Abbildung weist für das Jahr 2012 folgende wichtige Kennzahlen für Deutschland aus:

Modul A

der ist zu erwarten. Die am 01. Mai 2004 der Europäischen Union beigetretenen osteuropäischen Staaten haben einen Anteil von fast 80% des gesamten osteuropäischen Reisevolumens und sind zusammen mit Russland ausgesprochen wichtige Quellmärkte der Zukunft. Experten prognostizieren eine Absenkung des europäischen Marktanteils an internationalen Ankünften von 51,2% (Stand: 2011) auf 41,1% (Stand: 2030), der Anteil an ankommenden Reisenden nach Europa wird jedoch steigen. Die WTO schätzt für das Jahr 2030 ca. 744 Mio. Touristenankünfte in Europa (DZT 2012).

8

1 Wirtschaftsfaktor Tourismus

Wirtschaftliche Bedeutung des Tourismus für D. 2012 Touristische Konsumausgaben gesamt von inländischen Touristen von ausländischen Touristen Bruttowertschöpfung gesamt (direkt, indirekt, induziert) Anteil an der Bruttowertschöpfung gesamt davon: Bruttowertschöpfung (direkte Effekte) Anteil an Bruttowertschöpfung gesamt Beschäftigungseffekte gesamt (direkt, indirekt, induziert) Anteil an allen Erwerbstätigen in Deutschland davon: direkte Beschäftigungseffekte Anteil an allen Erwerbstätigen in Deutschland Internationale Ankünfte 2011 (in Tsd. – Incoming) Ankünfte per 100 Einwohner Deutschland Tourismus 2011 Übernachtungen aus dem Inland (in Tsd.) Wachstum Inland Übernachtungen aus dem Ausland (in Tsd.) Wachstum Ausland Übernachtungen insgesamt (in Tsd.) Wachstum insgesamt Konsumausgaben durch Übernachtungsgäste in D. davon Hotel/Pension Übernachtungen aus dem Inland (in Tsd.) Übernachtungen aus dem Ausland (in Tsd.) Übernachtungen insgesamt (in Tsd.) Anzahl Hotelbetten (Stand Juli 2011) Auslastung der Hotelzimmer (2010: 63,4%) Outgoing Tourismus 2011 Reisen der Deutschen (in Tsd.) davon ins Ausland (in Tsd.) Urlaubsauslandsreisen per 100 Einwohner Incoming aus Europa 2011 Deutschlandreisen der Europäer (in Tsd.) Ausgaben für die Deutschlandreise pro Reise/pro Person und pro Nacht/Person Aufenthaltsdauer in Deutschland (Durchschnitt in Nächte) Tourismusbilanz 2011 Reiseausgaben Reiseeinnahmen Saldo Internationale Tourismusbilanz Abb. 1.5

278,3 Mrd. € 241,7 Mrd. € 36,6 Mrd. € 214,4 Mrd. € 9,7 % 97,0 Mrd. € 4,4 % 4,9 Mio. Personen 12 % 2,9 Mio. Personen 7,0 % 30,4 37 338.432 +2,7% 68.828 +8,1% 407.260 +3,6% 115,4 Mrd. € 194.562 55.539 250.091 1.750.755 66,3% 329.000 73.000 64 46.200 505€/83 € 6,3 63,8 Mrd. € 29,4 Mrd. € –34,4 Mrd. €

Wichtige Kennzahlen zum Deutschlandtourismus 2013 (Quelle: Statistisches Bundesamt 2013(4), DZT 2013 (6))

1.2 Wirtschaftsfaktor Tourismus

9

Kontinent (Quellregion) Europa Amerika Asien Sonstige Australien, Neuseeland und Ozeanien Afrika Abb. 1.6

Anteil der Übernachtung in Deutschland(in %) 76 10 10 2 1 1

Verteilung der Übernachtungen nach Kontinenten in Deutschland in den Jahren 2011 und 2012 (Quelle: Statistisches Bundesamt 2013 (4), DZT 2012, 2013)

Die wichtigsten Leistungsträger der Tourismusindustrie in Deutschland stellt das Gastgewerbe dar. Die nachfolgende Tabelle zeigt die Kapazitäten der Beherbergungsindustrie in Deutschland aus dem Jahr 2011 auf. Betriebsart Klassisches Beherbergungsgewerbe/ Hotellerie, davon: Hotels Hotel Garni Gasthöfe Pensionen Ergänzendes Beherbergungsgewerbe und Parahotellerie, davon: Erholungs-, Ferien- und Schulungsheime Ferienzentren Ferienhäuser und -wohnungen Hütten, Jugendherbergen Vorsorge und Reha-Kliniken Campingplätze Alle Betriebe Abb. 1.7

Beherbergungskapazität Anzahl der Betriebe Anteil in % 34.578 64,9 13.384 7.681 8.158 5.355 18.668

25,1 14,4 15,3 10,1 35,1

2.640 118 10.260 1.920 896 2.834 53.246

5,0 0,2 19.3 3,6 1,7 5,3 100,0

Kapazitäten nach Betrieben in Deutschland 2012 (Quelle: DZT 2012, Statistisches Bundesamt 2012(4), DZT 2013)

Die Verteilung der nachgefragten Beherbergungsformen durch ausländische Besucher stellt nachfolgende Abbildung dar.

Modul A

Obwohl die Europäer die wichtigste Touristengruppe in Deutschland bilden, steigt der Anteil der außereuropäischen Quellregionen kontinuierlich. Dies zeigt die Verteilung der Übernachtungen nach der Herkunft im Jahr 2011und 2012 in Deutschland in nachfolgender Abbildung.

10

1 Wirtschaftsfaktor Tourismus

Pensionen 2%

sonstige 15%

Gasthöfe 4% Camping 6% Hotels 56% Hotels garnis 17%

Abb. 1.8

Übernachtungen von Ausländern nach Unterkunftsform 2011 in Deutschland (Quelle: DZT 2012)

Die Übernachtungen der ausländischen Gäste verteilen sich, wie die Abbildung 1.9 zeigt, auf die 16 Bundesländer und Stadtstaaten. Dabei finden mehr als 50% der Ausländerübernachtungen in Städten mit über 100.000 Einwohnern statt. Dabei erlangen die wichtigsten 11 Städte einen Marktanteil von ca. 42%; an erster Stelle steht Berlin mit ca. 10,6 Mio. Übernachtungen, gefolgt von München (ca. 5,9 Mio.), Frankfurt a. M. (3,2 Mio.), gefolgt von den Städten Hamburg, Köln, Düsseldorf, Stuttgart, Nürnberg, Dresden, Hannover und Leipzig (Statistisches Bundesamt 2013 (11), DZT 2013 (6)).

Abb. 1.9

Ausländerübernachtungen 2012 in Deutschland nach Bundesländern (Quelle: Statistisches Bundesamt 2013 (4), DZT 2013)

1.2 Wirtschaftsfaktor Tourismus

11

Modul A

Deutschland hat eine Vielzahl von Quellmärkten. Die wichtigsten sind in nachfolgender Abbildung dargestellt.

Abb. 1.10

Top 20-Quellmärkte für Deutschland nach Übernachtungen 2012 (Quelle: Statistisches Bundesamt 2013 (4), DZT 2013)

Mit insgesamt 33,0 Mio. Übernachtungen im Jahr 2012 haben die Quellmärkte Nordund Süd-Westeuropa einen Anteil von fast 50% an allen Ausländerübernachtungen in Deutschland. Die Quellmärkte Nordosteuropa/Russland halten mit 10,6 Mio. Übernachtungen 2012 einen Anteil von 15% an allen Auslandsübernachtungen in Deutschland. Mit insgesamt rund 6,7 Mio. Übernachtungen 2012 haben die Quellmärkte in Südosteuropa einen Anteil von rund 10,0% an allen Ausländerübernachtungen in Deutschland. Mit rund 7,5 Mio. Übernachtungen 2012 haben die Quellmärkte in Amerika und Israel einen Anteil von 11% an allen Ausländerübernachtungen in Deutschland. Mit rund 6,2 Mio. Übernachtungen im Jahr 2012 haben die Quellmärkte in Asien, Afrika und Australien einen Anteil von rund 9% an allen Ausländerübernachtungen in Deutschland (Statistisches Bundesamt 2013 (4), DZT 2013). Die USA sind mit 4,9 Mio. Übernachtungen 2012 der wichtigste Überseemarkt. Bei den Hauptreisezielen der US-Amerikaner steht Deutschland nach Großbritannien, Italien und Frankreich mit 1,7 Mio. Reisen (von 12,8 Mio. Reisen der US-Bürger

12

1 Wirtschaftsfaktor Tourismus

nach Europa) an vierter Stelle. Der dominierende Imageaspekt Deutschlands bei USAmerikanern sind die interessante Kultur und die Sehenswürdigkeiten (WTM/DZT 2012 (5)). Deutschland hat auch überproportionale Anteile im internationalen Geschäftsreisemarkt und generiert eine steigende Nachfrage im Freizeitbereich. Reisezweck Urlaubsreisen Kurzurlaub 1 bis 3 Nächte Langurlaub 4+ Nächte Verwandten- und Bekanntenbesuche (VFR) Sonstige Reisen Geschäftsreisen Alle Reisen Abb. 1.11

Europa 2012 in Mio.

Deutschland 2012 in Mio. 24,6 12,0

Europa 2012 Anteil in % 71,4 17,4

Deutschland 2012 Anteil in % 53,2 26,0

300,5 73,4 226,9

12,6

53,9

27,3

27,9

4,4

6,6

9,5

30,0 62,5 420,7

4,4 12,8 46,2

7.1 14,9 100,0

9,5 27,7 100,0

Reisezweck der Europäer bei Reisen ins Ausland und nach Deutschland 2012 (Quelle: DZT/WTM 2013)

Die Wachstumsprognose der DZT bis 2020 besagt, dass mit erfolgreichem Marketing Deutschland bis zum Jahr 2020 ca. 70 bis 80 Mio. Übernachtungen aus dem Ausland erzielen kann. China mit Hongkong wird neben Japan, Indien und den Arabischen Golfstaaten für Deutschland mittelfristig die wichtigsten Quellmärkte sein. Russland, China und die Schweiz werden weiterhin zu den umsatzstärksten Quellmärkten beim Tax-Free Einkauf in Deutschland gehören (Statistisches Bundesamt 2012 (4), DZT 2012, Global Blue 2012 (12)). Von weltweit 50 Nationen rangiert im Jahr 2012 der touristische Standort Deutschland nachfrageseitig auf Platz 2 (nachhaltiger Erfolg seit der WM 2006). Der Tourismus gilt als einer von sechs wichtigen Standortfaktoren für das Image von Nationen. Nachfolgende Abbildung zeigt die Stellung Deutschlands bei den sechs wichtigsten Standortfaktoren und deren Rang weltweit.

13

Modul A

1.2 Wirtschaftsfaktor Tourismus

Abb. 1.12

1.2.2

Deutschland weltweit auf Platz 2 (Quelle: Anholt GfK Roper Nation-Brands-Index 2012 (7), DZT 2012)

Ökonomische Effekte

Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Tourismus kann man an dem Anteil am BIP einer Nation und am Anteil der Erwerbstätigen im Tourismus ersehen. In Deutschland ist fast jeder 14., in Österreich jeder siebte, Erwerbstätige im Tourismus beschäftigt (OECD 2010). Tourismus gehört zum Dienstleistungssektor (tertiärer Sektor) in einer Volkswirtschaft und leistet einen Beitrag zum Sozialprodukt und zur Wertschöpfung, zur Beschäftigung und zum Einkommen. Darüber hinaus ist der Tourismus Anschubfaktor und Katalysator für andere Wirtschaftszweige (z. B. Handel, Gewerbe, Verkehr), er fördert die Entwicklung strukturschwacher Regionen und den kulturellen Austausches zwischen Nationen und Ethnien. Tourismus gilt als „unsichtbarer“ Export des Ziellandes und als Import für das Entsendeland. Ein Beispiel: ein Urlaubsland „exportiert“ Sonne, Strand, Meer, exotische Küche, das Entsendeland importiert diese „Güter“; jedoch muss der Reisende sich in das Zielland begeben, um das importierte „Produkt“ zu erfahren. Der ökonomische Beitrag der Tourismuswirtschaft lässt sich in direkte und indirekte Effekte aufteilen. Die direkten Effekte der Tourismuswirtschaft (tourismus-typischer Bereich) zeigen die engeren ökonomischen Wirkungen auf, insbesondere Güter und Dienstleistungen, die direkt für den Besucher erstellt werden, z. B. Beherbergung, Beförderung (angebotseitige Betrachtung). Die indirekten Effekte zeigen der Tourismuswirtschaft (Tourismusindustrie im weitesten Sinne) den weitgehenden Einfluss der touristischen Nachfrage auf andere Bereiche der Volkswirtschaft, also alle Auswirkungen, die die touristische Nachfrage auf die jeweilige lokale oder nationale

14

1 Wirtschaftsfaktor Tourismus

Volkswirtschaft hat (nachfrageseitige Betrachtung). Nachfolgende Abbildung zeigt die direkten und indirekten Effekte des Tourismus im Jahr 2010. Rang 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Abb. 1.13

Land USA China Japan Frankreich Deutschland Spanien UK Italien Kanada Australien

Direkte und indirekten Effekte in Mrd. USD 1.375,9 499,9 459,3 284,6 273,4 237,9 231,1 217,1 136,1 123,1

Beitrag der Tourismuswirtschaft – direkte und indirekte Effekte 2010 (Quelle: TSA/WTTC 2010 (2) in DZT 2010)

Die Tourismuswirtschaft trägt auch positiv zur Beschäftigungssituation und zu Kapitalinvestitionen bei, wie in nachfolgender Tabelle dargestellt. Neuere Daten waren bei Drucklegung leider nicht verfügbar. touristische Nachfrage (in Mrd. USD) Rang 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Land USA Japan China Deutschland Frankreich Spanien UK Italien Kanada Mexiko

Nachfrage 1.640,3 556,1 526,6 438,4 378,1 310,0 307,2 281,0 176,8 158,2

Kapitalinvestitionen (KI) (in Mrd. USD) Rang Land KI 1 USA 262,3 2 China 165,4 3 Japan 65,2 4 Spanien 60,0 5 Italien 39,3 6 Frankreich 38,3 36,5 7 Russland 8 Deutschland 32,8 9 UK 31,0 10 Australien 30,9

Abb. 1.14 Touristische Nachfrage und Kapitalinvestitionen in der Tourismuswirtschaft 2008 (nach Länder) (Quelle: TSA/WTTC 2009 in DZT 2009)

Alle touristischen Aktivitäten werden in Deutschland über die Reiseverkehrsbilanz abgeschlossen. Diese ist traditionell negativ, also nicht ausgeglichen, d. h. der Anteil der Geldströme, die ins Ausland fließen, bedingt durch die Reiseaktivitäten der Deutschen, ist größer als die Geldströme, die durch ausländische Besucher nach Deutschland fließen. Dies ist volkswirtschaftlich gesehen insofern nicht problematisch, als das Ausland somit Einnahmen erzielt, mit denen wiederum Investitionsgüter aus Deutschland bestellt und bezahlt werden können. Durch den Tourismus werden eine Reihe

1.2 Wirtschaftsfaktor Tourismus

15

Brutto-/Nettodeviseneffekte: Der Bruttodeviseneffekt (gesamte Einnahmen einer Volkswirtschaft durch den Tourismus) abzüglich der sog. „Sickerrate“ ergibt den Nettodeviseneffekt. Die Sickerrate ergibt sich aus der Differenz von den Brutto- und Nettodeviseneffekten. Bruttodeviseneffekt ./. Sickerrate = Nettodeviseneffekt. Die Sickerrate ist der Anteil der touristischen Deviseneinnahmen, der zur Bezahlung importierter Vorleistungen wieder ins Ausland fließt. Die Determinanten der Sickerrate können u. a. der Entwicklungsstand der Volkswirtschaft, die Phase der touristischen Entwicklung und Art des Tourismus einer Nation sein. Zu den typischen Vorleistungen mit Devisenabfluss gehören u. a. der Infrastrukturaufbau, die benötigte und importierte Verpflegung für Touristen, benötigte ausländische Experten für den Aufbau einer Tourismusindustrie, Ausbildung von Mitarbeitern im Ausland, Vermarktung und Marketing im Ausland sowie Zins-, Tilgungsleistungen für ausländisches Kapital, welches für den Aufbau der Tourismuswirtschaft benötigt wird. Beschäftigungseffekte: Beschäftigungseffekte lassen sich in direkte Beschäftigungseffekte (bei Betrieben des Tourismussektors i. e. S.), indirekte Beschäftigungseffekte (bei vorgelagerten Zulieferbetrieben), induzierte Beschäftigungseffekte (durch die tourismus-induzierte Einkommensausweitung – Einkommensmultiplikatoren) und katalysierte Beschäftigungseffekte (Beschäftigung in nicht den tourismusverwandten Industrien, die sich aufgrund des Tourismus in einer Region ansiedeln) unterteilen (Eisenstein 2000). Grundsätzlich ergibt sich bei den Beschäftigungseffekten eine Problematik der Quantifizierung und Qualifizierung. Quantifizierungsproblematiken der Beschäftigung  Probleme bei der Ermittlung der Anteile von „rein“ touristischen Arbeitsplätzen speziell in der Gastronomie  Probleme bei der Ermittlung der saisonalen Arbeitsplätze  Probleme bei der Feststellung der indirekten und induzierten sowie katalysierten Arbeitsplätze Abb. 1.15

Qualifizierungsproblematiken der Beschäftigung  geringes Anspruchsniveau und niedriges Anforderungsprofil  geringes Sozialprestige und viele Saisonarbeitsplätze  geringes Lohnniveau und ungünstige Arbeitszeiten

Quantifizierungs- und Qualifizierungsproblematik der Beschäftigung im Tourismus (Quelle: in Anlehnung an Eisenstein 2000)

Einkommenseffekte: Hier können ebenfalls primäre (direkte) Einkommenseffekte und sekundäre (indirekte) Einkommenseffekte abgegrenzt werden. Primäre Einkommenseffekte der ersten Stufe sind Arbeitslöhne, Einkommen durch Verkauf von touristischen Gütern und Dienstleistungen sowie Steuern für Tourismusleistungen.

Modul A

von Effekten generiert, z. B. Brutto-/Nettodeviseneffekte, Beschäftigungseffekte, Einkommenseffekte und Ausgleichseffekte.

16

1 Wirtschaftsfaktor Tourismus

Weitere Umsatzstufen durch Ausgabe der Einkommen sind die sekundären Einkommenseffekte (analog zu Beschäftigungseffekte). Eine wichtige Rolle spielt der touristische Einkommensmultiplikator. Dieser gibt an, um wie viel die durch die touristischen Ausgaben bewirkte Einkommensvermehrung größer ist als die Ausgabe selbst. Die Problematik des Einkommensmultiplikators besteht darin, dass häufig zahlenmäßige Angaben zum Multiplikator gemacht werden, ohne jedoch die Berechnungsgröße, die riesige Schwankungsbreite bei der Quantifizierung sowie das Fehlen einer einheitlich gültigen Berechnungsmethode zu nennen. Häufig wird der Einkommensmultiplikator als Propagandainstrument missbraucht. Die Determinanten der Einkommens- und Multiplikatoreneffekte sind (Eisenstein 2000): wirtschaftliche Strukturen (z. B. Entwicklungsstand), Konsumneigung und die Sparquote sowie das Vorhandensein von Produktionsreserven. Ausgleichseffekte: Zu den wichtigsten Ausgleichseffekten des Tourismus gehört der Abbau regionaler Disparitäten. Von Häussler ist nachfolgendes Zitat überliefert: „Wenn Ziel aller Volkswirtschaftspolitik Steigerung der Produktionsfähigkeit zwecks Hebung der gesamten Volkswohlfahrt ist, so trägt der Fremdenverkehr nicht unwesentlich hierzu bei, indem er erweiterte Basis für wirtschaftliche Betätigung gerade in Gegenden schafft, die sonst mehr oder weniger wirtschaftlich darniederliegen würden.“ Was sind Ausgleichseffekte? Tourismus hat eine ausgeprägte Tendenz des Vordringens in periphere Räume. Oftmals besteht ein Zusammenhang zwischen der wirtschaftlichen Unterentwicklung und touristischen Attraktivität (industrieller Standortnachteil wird zum touristischen USP). Tourismus wird als Instrument der Regionalpolitik zum Abbau regionaler Disparitäten und zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse genutzt. Ausgleichseffekte sind ein Konglomerat von wirtschaftlichen Effekten, transformiert auf die regionale Dimension (mit Ausnahme der Deviseneffekte). Tourismus sorgt für eine Einkommensumverteilung mit Beschäftigungsund Wertschöpfungseffekten von industriellen Bevölkerungsagglomerationen in wirtschaftlich schlechter gestellten Gebieten, denn häufig besteht eine Inkompatibilität von industrieller und tourismuswirtschaftlicher Nutzung (Monoindustrie). Auch sorgt Tourismus für eine Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur, verhindert die Landflucht, aktiviert die Regionalwirtschaft, verbessert die Versorgungssituation und sorgt für eine Verbesserung der allgemeinen Infrastruktur (z. B. Energie, Verkehr, Telekommunikation). Die Dimensionen der Ausgleichseffekte können in intraregionale (z. B. Hamburg/Lüneburger Heide), interregionale (z. B. Hamburg/LK Dithmarschen), internationale (z. B. Deutschland/Spanien) und in interkontinentale (globale) Ausgleichseffekte (z. B. Deutschland/Namibia) (Eisenstein 2000) unterteilt werden. Ausgleichseffekte können sich positiv oder negativ auf die Region auswirken.

positive Auswirkungen

negative Auswirkungen

Abb. 1.16

17

 Verbesserung der Lebensqualität durch Tourismus  Verbesserung der Infrastruktur (z. B. Wellenbäder, WellnessEinrichtungen, Boutiquen, Bars, Konzerte, Museen und Veranstaltungen)  Erhöhung des Bekanntheitsgrades und Verbesserung des Images des Ortes  Trend zur Inszenierung (Lage und natürliche Landschaft verlieren an Bedeutung – entscheidend ist die Frage wo inszeniert wird)  Belastung durch Events/Megatrends (meist in Ballungszentren, Sport)  Städtetourismus (Run auf Agglomerationen, Urban Entertainment Center)  Geschäftsreiseverkehr (Kongress- und Tagungstourismus in Agglomerationen)  Industrietourismus  Knappheits- und Preissteigerungseffekte  Arbeitskraftabzugseffekte (besonders in Entwicklungsländern, aber auch in den Alpen und im ländlichen Raum)  Saisonalitätsproblem (totes Kapital – Auslastungsprobleme, Auslastung p.a. im Durchschnitt bei 35%)  Investitionssubstitutionseffekt (Verschleuderung knapper Fördermittel für die Finanzierung der Infrastruktur)

Positive und negative Auswirkungen der Ausgleichseffekte

Freyer sieht in den Knappheits- und Preissteigerungseffekten, die durch den Tourismus ausgelöst werden, auch noch folgende Problematiken:    

Mangelnde Ressourcen- bzw. Produktionsreserven führen zu höheren Preisen (Import von Wasser und Lebensmitteln). Aufgrund der gestiegenen, tourismusinduzierten Nachfrage kommt es z. B. zu Grundstückpreissteigerungen, insbesondere in nur begrenzt nutzbaren Flächen (z. B. Alpentäler, Inseln). Eine erhöhte Ausgabefreudigkeit der Touristen kann zu einem höheren Preisniveau in der Destination bzw. im Zielgebiet führen. Auch eine Verschlechterung der Kaufkraftsituation für Bewohner bei Produkten, die sowohl von Bewohnern als auch von Touristen nachgefragt werden (z. B. Lebensmittel, Genussmittel, Gastronomie, Freizeiteinrichtungen – genau detaillierte wissenschaftliche Ergebnisse liegen (noch) nicht vor), kann ausgelöst werden.

Weitere negative Effekte können gesellschaftliche, soziale und politische Effekte (z. B. Akkulturation, Kriminalität) sowie außenwirtschaftliche Abhängigkeitsverhältnisse sein. Dies können im Einzelnen eine schädigende Abhängigkeit von einem Quellland, konjunkturelle Schwankungen und Modetrends (z. B. USA/Mexiko), Abhängigkeiten von ausländischen Unternehmen und/oder Kapitalgebern, ein Preisdiktat

Modul A

1.2 Wirtschaftsfaktor Tourismus

18

1 Wirtschaftsfaktor Tourismus

z. B. durch einen Reiseveranstalter oder der Verlust der Kontrolle über einen Absatzmarkt z. B. durch ausländische CRS/GDS (z. B. Neckermann in Österreich) sein. Bereich Devisen Einkommen und Beschäftigung

Wachstum und Wertschöpfung

Abhängigkeiten

Abb. 1.17

1.2.3

Folgeerträge/Nutzen Deviseneinnahmen durch touristische Dienstleistungen neugeschaffene Arbeitsplätze

Infrastrukturausbau, höheres Bildungsniveau, Multiplikatorenwirkung, Erschließung neuer Märkte für einheimische Produkte weniger internationale Abhängigkeiten durch höhere diversifizierte Produktion, Erschließung neuer Märkte für einheimische Produkte

Folgekosten/Schäden Ausgaben für Infrastruktur und ausländisches Personal Strukturveränderungen, Investitionssubstitution, Arbeitskraftabzugseffekte und Arbeitsplatzvernichtung in traditionellen Bereichen, ausländisches Personal, Anstieg der Preise für Ressourcen Kosten für Unterhalt und Infrastruktur, Importkosten, sektorale Verschiebung (Strukturveränderung) Abhängigkeiten von ausländischem Kapital und Konjunktur, Krisenanfälligkeit des Tourismussektors

Übersicht der Ausgleichseffekte (Quelle: in Anlehnung an Bieger 1997, Eisenstein 1995, Freyer 1998)

Kennzahlen im Tourismus

Um die Bedeutung des Tourismus zu messen und zu bewerten, bedient man sich unterschiedlicher Kennwerte bzw. Kennzahlen. Hierbei kann es sich um absolute oder relative Werte/Kennzahlen handeln. absolute Werte/Kennzahlen  Kapazität eines Leistungsträgers, z. B. Anzahl der Betten  Anzahl der Ankünfte  Anzahl der Übernachtungen  Aufenthaltsdauer  Reisedauer in Tagen  Reiseausgabe in Euro  u. a. Abb. 1.18

relative Werte/Kennzahlen  durchschnittliche Auslastungen, z. B. der Leistungsträger  durchschnittlicher Aufenthalt  durchschnittliche Reiseausgaben  Reiseintensität (RI)  Reisehäufigkeit (RH)  Fremdenverkehrsintensität (FI)

Absolute und relative Kennzahlen im Tourismus

1.2 Wirtschaftsfaktor Tourismus

19

 Reiseintensität (RI) Die Reiseintensität gibt den Anteil an der Gesamtbevölkerung an, die über 14 Jahre alt ist und innerhalb eines Jahres eine oder mehrere Urlaubsreisen von mindestens vier Übernachtungen/fünf Tage Dauer unternommen hat. Dies entspricht der Nettoreiseintensität. Das Verfahren, dass die Gesamtbevölkerung (ohne Abzug der unter 14-Jährigen) misst, entspricht der Bruttoreiseintensität. Die Reiseintensität wird häufig zur Charakterisierung des Reiseverhaltens verwendet. Die RI gilt als globaler Indikator, da keine Aussagen über Reiseziel und Reiseart getroffen wird. Differenzierte Analysen der RI zeigen, dass sie mit der Höhe des Einkommens, dem Bildungsgrad, der beruflichen Stellung, der Wohnortgröße steigt und in Abhängigkeit des Alters fällt. Bezieher niedriger Einkommen weisen eine geringere RI auf und ein vermehrtes Verreisen im Inland. Die RI ist eine sich ständig ändernde Größe. Sie zeigt das allgemeine Reiseverhalten der Bundesbürger auf und wird z. B. durch die Kaufkraft, Konjunktur, wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Arbeitslosigkeit beeinflusst. Im Zeitraum von 1990 bis 2011 entsprach die durchschnittliche Reiseintensität einem Wert von ca. 68 bis 76 %, was einem Volumen von ca. 69,5 Mio. Urlaubsreisenden entsprach (F.U.R. 2012). Problematisch wird die Betrachtung des Reisevolumens bei Kurzreisen, Ausflügen und Langzeitreisen als Reisen von einer Dauer von mehr als vier Wochen. 





RI für Kurzreisen: also der Anteil der Gesamtbevölkerung, der über 14 Jahre alt ist, die innerhalb eines Jahres eine oder mehrere Kurzreisen von bis zu fünf Tagen Dauer/vier Übernachtungen unternommen haben. Die RI für Kurzreisen ist i. d. R. geringfügig höher als die RI für Urlaubsreisen, da erfahrungsgemäß mehr Menschen eine Kurzreise unternehmen. RI für Ausflugsverkehr: also der Anteil der Gesamtbevölkerung, der über 14 Jahre alt, die innerhalb eines Jahres eine oder mehrere Ausflüge (Aufenthalt von max. 24 Stunden und ohne Übernachtung im Zielgebiet) unternommen haben. Die RI für Ausflüge kann nicht genau ermittelt werden, da viele Ausflügler statistisch nicht erfasst werden, da sie keine Leistungsträger und wirtschaftliche Dienste (z. B. Reisemittler, Besuch von gastronomischen Einrichtungen, Bootsfahrten) in Anspruch nehmen. RI für Langzeitreisen: diese Werte sind bereits in der RI für Urlaubsreisen erfasst. Es wäre jedoch sinnvoll, hier eine eigene Kennzahl für Reisende mit einem Aufenthalt von mehr als vier Wochen zu definieren, denn die Langzeiturlauber verfälschen das Bild und die Aussagekraft der RI für Urlaubsreisen.

Modul A

Relative Werte/Kennzahlen haben gegenüber den absoluten Werten/Kennzahlen eine höhere Aussagekraft, da Werte in Bezug zueinander gesetzt werden bzw. sie sich auf eine einheitliche Größe oder auf sich selbst (Veränderungen von Zeitpunkt zu Zeitpunkt) beziehen und damit direkt vergleichbar sind. Nachfolgend wird lediglich auf eine Auswahl relativer Kennzahlen eingegangen.

20

1 Wirtschaftsfaktor Tourismus

 Reisehäufigkeit (RH) Mit der Reisehäufigkeit wird erfasst, wie häufig jemand eine Urlaubsreise von mindestens fünf Tagen/vier Übernachtungen unternommen hat. Im Zeitraum von 1990 bis 2012 lag der Wert dieser Kennzahl bei durchschnittlich 1,3 Reisen pro Jahr. Das entsprach im Zeitraum einem Volumen von durchschnittlich ca. 65 Mio. Reisen. Analog zur Reisehäufigkeit für Urlaubsreisen ist die Erfassung der Reisehäufigkeit für Kurzreisen, Ausflüge und Langzeitreisen sinnvoll, wobei auch hier nicht ganz unproblematisch (Deutscher Reiseverband 2013).  Fremdenverkehrsintensität (FI) Während mit der Reiseintensität und der Reisehäufigkeit die Potenziale der Nachfrage gemessen werden, wird mit der Fremdenverkehrsintensität (FI) die Belastung und der Grad der Überfremdung der Feriengebiete und Orte durch Touristen gemessen. Die FI (Gesamt) errechnet sich: FI = (Anzahl der Übernachtungen + Anzahl Tagesbesucher) ÷ Einwohner · 100 Bei der Berechnung der Fremdenverkehrsintensität können folgende Varianten unterschieden werden: Übernachtungsintensität: Diese Zahl drückt die Zahl der Fremdenübernachtungen je 100 Personen der Bevölkerung aus. Die Übernachtungsintensität kann weiterhin nach Urlaubs- und Geschäftsaufenthalten differenziert werden. Übernachtungsintensität = Anzahl der Übernachtungen ÷ Einwohner · 100 Tagesbesucherintensität: Dieser Wert drückt den Anteil der Tagesbesucher (Ausflugsreisende) aus. Auch die Tagesbesucherintensität ist in eine Ausflugs- und Geschäftsreiseintensität unterteilbar. Tagesbesucherintensität = Anzahl der Tagesbesucher ÷ Einwohner · 100 Beispielrechnung Ein Kurort mit 5.000 Einwohnern, 150.000 Tagesbesuchern und 100.000 Übernachtungen weist eine FI (Übernachtungsintensität) von 2.000 und eine FI (Übernachtungen und Tagesgäste) von 5.000 auf.  Bewertung der Intensitätsmethode Eine Fremdenverkehrsintensität (FI) im Sinne der Übernachtungsintensität (ÜI) von 500 entspricht einem Beitrag zum Volkseinkommen von 1% (bei einer FI/ÜI von 2.000 entspricht das ca. 4%). Probleme der Intensitätsmethode sind: Die FI ist eine reine Schätzmethode, die allerdings i. d. R. zu einer Unterschätzung der wirtschaftlichen Wertschöpfung führt, da keine Tagesausflugsgäste erfasst werden. Sie nimmt ferner Bezug auf die amtliche Statistik, die i. d. R. als wenig aussagekräftig gilt. Grundsätzlich ist im Umgang mit

1.2 Wirtschaftsfaktor Tourismus

21

Am Beispiel der nachfrage- und angebotseitigen Umsatzmethode sollen die Probleme aufgezeigt werden. Die Probleme der angebotseitigen Umsatzmethode bestehen in der Trennung der Einnahmen und Ausgaben von ortsansässigen und ortsfremden Personen (z. B. Gastronomie). Ferner werden die Umsätze im Tourismus nicht explizit in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (fehlende Abgrenzung des Tourismussektors) ausgewiesen. Darüber hinaus wird ein nicht unerheblicher Teil der touristischen Umsätze nicht in der Umsatzstatistik erfasst (informeller Sektor). „Eine solche Schätzung von der Angebotsseite her, muss als sehr gewagt, aber auch als allzu unpräzise bezeichnet werden.“ (Becker 1988). Probleme der nachfrageseitigen Umsatzmethode ergeben sich aufgrund der Übernachtungszahlen der amtlichen Tourismusstatistik. Diese gelten als nicht vollständig (Primärerhebung zum durchschnittlichen Tagesausgabesatz mit anschließender Hochrechnung), ein sehr hoher Aufwand für erfolgreiche Primärerhebung, schlechte Einschätzung der erbrachten Vorleistungen sowie ein kaum erfasster Tagesausflugsverkehr.

1.2.4

Das touristische Angebot

Das touristische Angebot in Deutschland wird von privatwirtschaftlichen Unternehmen und Betrieben erstellt. Die Angebotsseite umfasst:        

Produzenten von Reiseleistungen (Gesamtleistungsträger), z. B. Reiseveranstalter, Tour Operator; Vertreiber und Intermediäre von Reiseleistungen, z. B. Reisemittler, Reisemakler, Reisehändler, Mietwagenmakler; Verkehrsträger (Einzelleistungsträger), z. B. Fluggesellschaften, Autovermieter, Busunternehmen, Schifffahrtsunternehmen; gastwirtschaftliche Betriebe (Einzelleistungsträger), z. B. Hotellerie, Parahotellerie, Gastronomie; Destination und die Träger der Angebote in der Destination, z. B. Kur- und Badebetriebe, Kur- und Badeorte, Freizeit- und Erlebniswelten, Messe- Tagungsund Kongressveranstalter; touristische Dienstleister, z. B. Informations- und Reservierungssystem, Verlage, Reiseversicherungen, Bildungseinrichtungen, Beratungsunternehmen; Handel, z. B. Souvenirindustrie, Reiseausstatter; selbstständige Dienstleister, z. B. Reiseleiter, Animateure, Masseure.

Die Ersteller der Leistungen und Angebote werden nach Freyer nach Zugehörigkeiten zur Tourismuswirtschaft systematisiert:

Modul A

Kennzahlen Vorsicht angebracht. Dies liegt u. a. an der „falschen“ Methode der Erhebung, der Aktualität des Zahlenmaterials, der Repräsentativität und der kritischen Größe der Stichprobe sowie der Gültigkeit der Daten.

22

1 Wirtschaftsfaktor Tourismus

Tourismuswirtschaft im engeren Sinn typische Tourismusbetriebe, die typische Tourismusleistungen anbieten, die ausschließlich von Reisenden nachgefragt werden

Abb. 1.19

ergänzende Tourismuswirtschaft tourismusspezialisierte aber untypische Tourismusbetriebe, die typische Tourismusleistungen für typische Nachfrager (Reisende) erstellen, z. B. die Souvenirindustrie, Journalisten, Verlage, Bekleidungs-, Arzneimittelindustrie

Systematisierung der Tourismuswirtschaft

touristische Randindustrie tourismusunabhängige, untypische Tourismusbetriebe, die sich mit untypischen Tourismusleistungen auf typische Nachfrager (Reiseende) spezialisiert haben, d. h., diese Leistungen werden auch von Nicht-Reisenden bzw. von ortsansässigen Personen nachgefragt; Gastronomieleistungen, Foto- und Kosmetikleistungen, Friseurund Gesundheitsleistungen (Quelle: Freyer 2011)

Die Determinanten des touristischen Angebotes (Freyer 2011) sind u. a. die Ziele der im Tourismus agierender Unternehmen (z. B. Reiseveranstalter, Fluggesellschaften, Beherbergungsbetriebe), die Kosten der Produktion für die Erstellung der touristischen Dienstleistung, die Verfügbarkeit von Ressourcen (z. B. Arbeitskräfte), Werte, Normen und Sozialstruktur der Gesellschaft, der Zustand der Landschaft, des Klimas und der Umwelt, die Bedürfnisse, Motive und Kaufkraft der Nachfrager, die Freizügigkeit des Reisens, Gesetzgebungen des Staates und Vorschriften (z. B. Zoll, Visa, Ein- und Ausreise), der Wandel in der Technologie und Kommunikation, der gesamtwirtschaftliche Entwicklungsstand eines Landes bzw. einer Volkswirtschaft sowie die touristische Infrastruktur der Quell- und Zielgebiete bzw. die Erreichbarkeit eben dieser.  Produzenten von Reiseleistungen Produzenten von Reiseleistungen sind die Reiseveranstalter oder Tour-Operator. Ein Reiseveranstalter ist ein Unternehmen, welches die Leistungen Dritter (anderer Leistungsträger) zu einer Pauschalreise bündelt, diese im eigenen Namen und auf eigene Rechnung zu einem Pauschalpreis selbst oder über Mittler an den Kunden/Reisenden verkauft. Schätzungen zufolge gibt es in der Bundesrepublik ca. 800 bis 1.200 Reiseveranstalter. Der Grund dafür, dass es keine präzise Angabe zu der Zahl der Reiseveranstalter gibt, liegt in der Tatsache begründet, dass immer mehr Reisemittler auch als Reiseveranstalter auftreten und somit ein Problem der Erfassung und Abgrenzung auftritt. Reiseveranstalter lassen sich nach (Pompl 1997) ihrer Größe (Großveranstalter, mittlere Reiseveranstalter, Kleinveranstalter und Gelegenheitsveranstalter), nach der Angebotsregion (multinationale, überregionale, regionale und lokale Reiseveranstalter), nach ihrer Programmspezialisierung und Programmumfang (Generalisten, Sortimenter und Spezialisten) und nach ihrem wirtschaftlichen Status (kommerzielle, gemeinnützige Reiseveranstalter und „Schwarztouristiker“) klassifizieren. Nachfol-

1.2 Wirtschaftsfaktor Tourismus

23

Reiseveranstalter TUI Deutschland Touristik der Rewe Gruppe Thomas Cook FTI Group Alltours Aida Cruises Schauinsland-Reisen GTI Travel Phoenix TUI Cruises Abb. 1.20

Umsatz in Mrd. Euro 4.471,6 3.175,7 3.200,0 1.624,0 1.400,0 1.100,0 701,0 320,0 304,1 291,0

Marktanteil in % 18,3 13,1 13,1 6,7 5,7 4,5 2,9 k. A. k. A. k. A.

Rangfolge und Marktanteile der Reiseveranstalter 2011/2012

Teilnehmer in Mio. 8.000.000 6.615.000 6.100.000 3.100.000 1.750.000 632.719 925.000 615.482 180.425 172.018 (Quelle: fvw 2012)

 Vertreiber und Intermediäre von Reiseleistungen Vertreiber/Distributoren von Reiseleistungen sind Reisemittler, Reisemakler, Reisehändler, Mietwagenmakler (Broker), somit alle Unternehmen die: 1. in fremdem Namen und auf fremde Rechnung (Mittler), 2. in fremdem Namen und auf eigene Rechnung (Makler) und 3. in eigenem Namen und auf eigene Rechnung (Händler) Reisen und/oder einzelne Reiseleistungen an Endverbraucher vermitteln oder verkaufen. In der Fachliteratur wird oftmals nicht konsequent zwischen den Begriffen Reisemittler und Reisebüro getrennt. Die Begriffe werden oftmals synonym verwendet. Dies ist dem Umstand zu verdanken, dass es heutzutage kaum noch 100%ige Reisevermittler gibt. Ebenso gibt es nahezu keinen 100%igen Reiseveranstalter mehr. Der Reisemittler vermittelt nur noch ca. 80% und weniger seiner Umsätze, während der Reiseveranstalter immer stärker seine eigenen Leistungen selbst vertreibt. In einigen Jahren wird es vermutlich nur noch „touristische Unternehmen“ geben, die Tourismusprodukte (z. B. Pauschalreisen) vermitteln, veranstalten und handeln. Der Markt der Reisemittler umfasst derzeit ca. 11.500 als „Reisebüro“ gekennzeichnete Unternehmen, die wie folgt strukturiert werden können:  „klassisches Reisebüro“, Hauptagentur mit mind. einer Veranstalter- und einer Verkehrsträger-Lizenz (i. d. R. IATA und/oder DB);  „touristisches Reisebüro“, Hauptagentur mit mind. zwei Veranstalter-Lizenzen und keiner Verkehrsträger-Lizenz (keine IATA und/oder DB), sowie weitere  „Buchungsstellen“ (z. B. Nebenerwerbs- oder markengebundene Reisebüros), die i. d. R. nur über eine Veranstalter- und keine Verkehrsträger-Lizenz verfügen und ggf. neben dem Reisegeschäft noch z. B. Versicherungen, Zeitschriften und andere Geschäfte tätigen;

Modul A

gende Tabelle zeigt die zehn größten Reiseveranstalter (nach Umsatz in Euro) in Deutschland.

24

1 Wirtschaftsfaktor Tourismus

 „Business Travel“ sind Unternehmen, die lediglich Geschäftsreisen für Unternehmen und deren Mitarbeiter planen und organisieren. Die Unternehmen treten als Einzel- und inhabergeführten Reisemittler, konzerngebundene Filialsysteme, Kooperations-Büros und Franchiseorganisationen im Markt auf. Nachfolgende Abbildungen zeigen die zehn wichtigsten Ketten- bzw. Franchiseunternehmen sowie Reisemittlerkooperationen. Name Touristik der REWE Group (gesamt) TUI Leisure Travel (gesamt) Lufthansa City Center BCD Travel Thomas Cook Partner Group Carlson Wagonlit Travel OFT (gesamt) TVG Reisecenter Alltours STA Travel Abb. 1.21

Büros 2011 2.070 1.522 465

Veränderung zu 2010 +22,0 % +10,0 % +3,0 %

Umsatz (€) 2011 4,29 Mrd. 3,22 Mrd. 2,13 Mrd.

116 1.328 48 329 206

+1,0 % +6,0 % –3,0 % –5,0 % +16,0 %

1,81 Mrd. 1,32 Mrd. 0,97 Mrd. 0,75 Mrd. 0,29 Mrd.

201 45

+2,0 % +7,0 %

0,24 Mrd. 0,12 Mrd.

Deutsche Reisebüro-Ketten und Franchisesysteme 2011

Name der Kooperation

Vertriebsstellen/ Umsatz in Mio. € 2.500/3.209,0

(Quelle: fvw 2012)

Zugehörigkeit zu einer „Mega-Kooperation“ QTA*

RTK Gruppe (RTK, Alpha, TUI Travel Star) TSS Touristik Service System 2.107/2.286,0 TMCV** Schmetterling 2.578/1.796,7 QTA* AER Reisebüro Kooperation 897/1.176,0 TMCV** BEST-RMG 472/661,3 QTA* Pro Tours/RCE 544/500,0 RSG*** Deutscher Reisering 177/198,7 RSG*** Tour Contact 109/177,5 RSG*** * QTA Quality Travel Alliance, Burghausen, ** TMCV GmbH, Dresden, *** RSG Reisebüro Service GmbH & Co. KG Abb. 1.22

Deutsche Reisebürokooperationen 2011

(Quelle: fvw 2012)

25

 Verkehrsträger Verkehrsträger sind Einzelleistungsträger, z. B. Fluggesellschaften, Autovermieter, Busunternehmen, Schifffahrtsunternehmen und Schienenunternehmen. Die Grundfunktion der Verkehrsträger ist es, eine Beförderungs- bzw. eine Transportleistung zu erbringen. Beförderungsunternehmen können sich im Rahmen ihres Angebotes auf eine regelmäßige, öffentliche und planmäßige Linienbeförderung oder einer eher unplanmäßigen und bedarfsorientierten Gelegenheitsbeförderung (touristischer Verkehr) ausrichten. Die generellen Vorteile des Linien- und mit Einschränkung auch des Gelegenheitsverkehrs gegenüber dem Individualverkehr besteht in der Tatsache, dass diese (Rudolph 1999) allen Personen zugänglich sind (Öffentlichkeit), keine besondere Nutzungsbefähigung voraussetzt, die Sicherheit, Regelmäßigkeit und Zuverlässigkeit durch Planung und Organisation gewährleistet, durch niedrigere Umweltbelastung und Ressourceneinsparung umweltschonend ist, eine sinnvolle Nutzung der verfügbaren Frei- und Reisezeit ermöglicht sowie zur Reduzierung des Reiserisikos beiträgt. Verkehrsträger, wollen diese ihre Vorteile gegenüber dem Individualverkehr voll geltend machen, müssen über folgende Erfolgspotenziale aus ihrer definierten Strategie verfügen (Rudolph 1999): Flächenerschließung und optimale Verkehrsnetzstrukturen aufbauen, Nachfrage- und bedarfsgerechte Fahrplangestaltung sicherstellen, Komfort durch Innovation und Technik gewährleisten sowie Verbundeffekte durch Kooperationen und Allianzen generieren.  Gastwirtschaftliche Betriebe Gastwirtschaftliche Betriebe sind Einzelleistungsträger. Dazu gehören u. a. die Hotellerie (Hotels, Pensionen, Hotel Garni, Gasthöfe) in den Ausprägungen Einzel- und mehrbetriebliche Hotellerie sowie Individual- und Markenhotellerie, die Parahotellerie (ergänzende Beherbergungsstätten wie z. B. Jugendherbergen, Campingplätze, Berghütte) sowie die Gastronomie sowohl in den Ausprägungen Individual- und Systemgastronomie als auch Verpflegungs- und Erlebnisgastronomie. Das Gastgewerbe beschäftigte im Jahr 2010 in Deutschland ca. 1.7 Mio. Mitarbeiter, 68.963 Auszubildende (2012), verfügte im Jahr 2013 über 227.175 gastgewerbliche Betriebe (Beherbergungsbetriebe, Gaststätten, Pachtkantinen und Caterer) und generierte einen Jahresumsatz in Höhe von ca. 76.3 Mrd. Euro (2011). Das Gastgewerbe ist und bleibt eine der Zugmaschinen des Mittelstandes und der Jobmotor in Deutschland und somit wichtigster Leistungsträger im Tourismus in Deutschland (DeHoGa 2013).  Destination „Destination ist der geographische Raum (Ort, Region, Weiler), den der jeweilige Gast (oder Gästesegmente) als Reiseziel auswählt. Sie enthält sämtliche für einen Aufenthalt notwendige Einrichtungen für Beherbergung, Verpflegung, Unterhaltung/Beschäftigung. Sie ist somit die Wettbewerbseinheit im Incoming-Tourismus, die als strategische Geschäftseinheit geführt werden muss.“ (Bieger 2002) Die Destination als „Ort mit einem Muster von Attraktionen und damit verbundenen Tourismuseinrichtungen und Dienstleistungen“ stellt als Leistungsbündel für einen bestimmten Gast ein Produkt dar. Die Destination kann für verschiedene Gästegruppen unterschiedliche Kernprodukte und Nutzen generieren. Als solche ist die Destination die Wettbewerbseinheit im Incoming-Tourismus (vgl. Bieger 2002). Was eine Desti-

Modul A

1.2 Wirtschaftsfaktor Tourismus

26

1 Wirtschaftsfaktor Tourismus

nation für einen bestimmten Gast ist, hängt von seinen Bedürfnissen und seiner Wahrnehmung ab; ein Golfspieler betrachtet als Destination seinen Golfplatz mit Hotel und dem Ort, für einen amerikanischen Touristen ist Europa eine Destination; für eine Familie mit Kindern, die einen dreiwöchigen Badeaufenthalt auf einer Kanareninsel bucht, ist die Destination die Inselgruppe Kanaren bzw. die gewählte Insel (z. B. Fuerteventura). Destination kann für den Gast somit ein Ort, ein Weiler, eine Stadt, ein Bundesland, ein Kanton, ein Regierungsbezirk, eine Region, ein Küstenabschnitt, eine Seenlandschaft, ein Land, ein Staat, eine Insel oder ein Kontinent und/oder ein Kulturkreis sein. Eine Destination ist die Summe seiner Teilnehmer, Akteure und Mitwirkenden. Die Träger der Angebote in der Destination sind z. B. Kur- und Badebetriebe, Kur- und Badeorte, Freizeit- und Erlebniswelten, Hotellerie und Gastronomie, Verkehrsträger, Messe-, Tagungs- und Kongressveranstalter.  Touristische Dienstleister Zu den touristischen Dienstleistern gehören z. B. Informations- und Reservierungssysteme, Verlage, Reiseversicherungen, Bildungseinrichtungen, Handling-Agents, Zielgebietsagenturen und Beratungsunternehmen. Durch immer komplexer werdende Geschäftsprozesse, u. a. auch durch vermehrte Spezialisierungen und Arbeitsteilungen, hat sich eine Vielzahl von Dienstleistern etabliert, die den Einzel- und Gesamtleistungsträgern zuarbeiten.  Handel Der Handel spielt hier nur insoweit eine Rolle, als das er die Konsumbedürfnisse der Reisenden (Versorgung oder Erlebnis) vor und während der Reise (in Ausnahmefälle auch nach der Reise) befriedigt. Dazu gehören z. B. die Souvenirindustrie und Reiseausstatter.  Selbstständige Dienstleister Selbstständige Dienstleister, dazu gehören z. B. Reiseleiter, Animateure, Masseure, Ortsführer, Therapeuten, Betreuer von Senioren und Kinder, sind selbstständig Tätige, die im touristischen Umfeld einen wesentlichen Servicebeitrag leisten. Sie können im Auftrag des Reiseveranstalters, eines Leistungsträgers oder der Kunden tätig werden.

1.2.5

Die touristische Nachfrage

„Die touristische Nachfrage stellt die Bereitschaft des Tourismus dar, verschiedene bestimmte Mengen touristischer Güter zu verschiedenen bestimmten Geldmengen einzutauschen bzw. zu erwerben.“ So formulierte einst Kaspar im Jahr 1991 seinen Kommentar zur Nachfrageseite im Tourismus. Heute wird jedoch nicht nur auf den Preis bzw. auf die Geldmenge geachtet. Der Preis spielt bis auf einige Ausnahmen im Nachfrageverhalten keine allzu große Rolle mehr. Nach Freyer gewinnen andere Einflussgrößen wie z. B. das Image des Reiselandes, die allgemeinen Umweltbedingungen im Reiseland, die Reiseart und Reiseform zunehmend an Bedeutung. Die touristische Nachfrage besteht im Wesentlichen in einer Nachfrage nach Beherbergungs-, Beförderungs-, Verpflegungs-, Betreuungsleistung (z. B. durch Reiseleiter, Reisebetreuer, Animateure), Vermittlungs- (z. B. durch das Reisebüro), Informations-

1.2 Wirtschaftsfaktor Tourismus

27

individuelle Einflüsse gesellschaftliche Einflüsse ökologische Einflüsse ökonomische Einflüsse Einflüsse durch die Anbieter staatliche Einflüsse Abb. 1.23

Wandertrieb des Menschen; Befriedigung eines Grundbedürfnisses; Neugier und Forscherdrang; Einsamkeit und Kontaktsuche; Suche nach Vergnügen und Aktivitäten; Erholung und/oder Regeneration; Geschäfte; Kommunikation. Werte und Normen; Sozialstruktur; Gesellschaftsordnung; Freizeitverhalten; Mobilität. Klima; Landschaft; Ökologie; Verstädterung; Wohnumfeld. Gesamtwirtschaftliche Entwicklung; globale/internationale Handelsbeziehungen; Einkommenssituation und -verteilung; Preise und Wechselkurse, Produktionsbedingungen; Transport- und Transaktionskosten; Arbeitsplatzsicherheit. unterschiedliche Leistungen und Produkte; Preis, Werbung und Vertriebswege. Gesetzgebung; Devisen-, Einreise-, Pass- und Zollvorschriften; politische Beziehungen zu den bereisten Ländern.

Einflussfaktoren auf die Nachfrage im Tourismus

(Quelle: in Anlehnung an Freyer 2011)

Einen anderen Ansatz über die Bedeutung der Einflussfaktoren auf die Reisentscheidung nach Kreilkamp zeigt Abbildung 1.24. gesellschaftliche Rahmenbedingungen Umwelt und Angebot

Bezugsgruppen Person

Abb. 1.24

Einkommens- und Besitzmerkmale; konjunkturelle Situation; kulturelle Normen und Werte. Attraktivität der Reiseziele und Reiseformen; touristische Infrastruktur; Freizeitmöglichkeiten; Image des Angebotes und der Destination; Preis- und Leistungsverhältnis; Verfügbarkeit. Freundeskreis; Bekannte und Verwandte; Familie. Persönlichkeit; Lebensstil; Reiseerfahrung; Reisemotive; Reisebedürfnisse; Erwartungen; Interessen; physische und psychische Einflüsse.

Einflussfaktoren auf die Reiseentscheidung

(Quelle: Kreilkamp 1998)

Bei der Betrachtung der Nachfrager müssen auch die Entwicklungsfaktoren des Reiseverhaltens und Reisesozialisation betrachtet werden. Die Faktoren, die zu dem heutigen Reiseverhalten der Bevölkerung beigetragen haben, lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Modul A

leistung (z. B. durch die Leistungsträger) sowie nach ergänzenden Produkten und Leistungen (z. B. Kurbehandlungen, Reiseführer, Bekleidung). Die wichtigsten Einflussfaktoren auf die Tourismusnachfrage zeigt nachfolgende Abbildung.

28

    

1 Wirtschaftsfaktor Tourismus

demographische und soziologische Faktoren, z. B. Alter und Geschlecht, Lebensphasen und Familienzyklus, junge Eltern, Studenten, Austritt aus dem Erwerbsleben, dritte Lebensphase, Beruf, Einkommen, soziale Zugehörigkeit; räumliche Faktoren, z. B. Herkunft, Großstadt, Kleinstadt, Land, Küste, Gebirge, Kulturkreise (weltweit), Ballungsraum; psychologische Faktoren, z. B. Einstellungen, Religions- und Parteizugehörigkeit, Lebensstile; physische Faktoren, z. B. Größe, Körperumfang, Haar- und Hautfarbe; Lebensstile, z. B. Identifikation von Zielgruppen nach Kriterien der max. Heterogenität (Unterscheidung zwischen Gruppen) und max. Homogenität (innerhalb der Gruppen), Ableitung von Reisestilen, Nachteile, Instabilität, Reliabilität, Wandel, Lebensstiltypen.

Unter der Reisesozialisation versteht man den Sozialisationsprozess, also den Prozess des Hineinwachsens in die Gesellschaft, in dem die Normen und Verhaltensschemata übernommen werden, die für das Leben in einer Gesellschaft von existenzieller Bedeutung sind. Geschmackspräferenzen wachsen mit und verändern sich nur wenig. Beispielsweise unternimmt in den 1960er Jahren die große Mehrheit der 20-Jährigen noch keine Reise. In den 1980er Jahren wurde das Reisen für fast alle Deutschen zur sozialen Selbstverständlichkeit. Der Hintergrund für die Reisesozialisation ist das allgemeine Konsumverhalten, z. B. die ausgeprägte Inkonsistenz des Verhaltens (z. B. Aldi und Dallmayr), Kleider sagen nur noch wenig über die Schichtzugehörigkeit, ebenso die Essgewohnheiten (McDonald und Sternerestaurant). Vor dem Hintergrund der Bedürfnispyramide von Maslow lassen sich zwei Ansätze zur Theorie des Reisens festmachen. Weg-von-Reise-These Je weiter man sich auf den unteren Stufen der Pyramide befindet, desto stärker ist Reisen als die Flucht aus dem Alltag, die Flucht aus Beruf und Stress ausgeprägt. Reisen bedeutet kein gezieltes Erlebnis, sondern mehr oder weniger Flucht. Abb. 1.25

Hin-zu-Reise-These Auf der Stufe der Selbstverwirklichung und der sozialen und gesellschaftlichen Anerkennung wird Reisen als ein Instrument der Selbstverwirklichung, als ein bewusstes Erlebnis empfunden.

Weg-von- und Hin-zu-These vor dem Hintergrund der Bedürfnispyramide nach Maslow

Andere übergreifende Erklärungsansätze zur Reisesozialisation und Reisemotivation sind: Defizittheorie: Reisen als Flucht vor den Verhältnissen (entfremdete Arbeit, beengte Wohnverhältnisse) mit dem Motto „Tapetenwechsel“, „nix wie weg“, „Tun und Lassen können, was man will“; Reisen als Suche nach Authentizität: häufig Suche nach unberührter Natur oder intakten historischen Gebäuden als Ausdruck der „guten alten Zeit“; physiologische Ansatz: Urlaub zum Abbau der kumulierten Ermüdungsstoffe, Urlaub als Wiederherstellung verloren gegangener Arbeitsleistung (regenerativer Tourismus);

1.2 Wirtschaftsfaktor Tourismus

29

1. psychologischer Ansatz: Selbstverbesserung und symbolische Selbstergänzung, Verstärkung der Anerkennung durch andere, Ausgleich von fehlender Anerkennung aus dem Alltag; 2. psychologischer Ansatz: Urlaubsreisen als Kontrast zum Alltag; 3. psychologischer Ansatz: die Reise als Zeitverlängerung;

Aus diesen Ansätzen der Reisesozialisation und dem Reiseverhalten heraus entstand die Typologisierung der Reisenden/Urlauber. Auch hierzu wurde im Zeitverlauf und mit stetig steigenden Reiseaktivitäten der Bundesbürger/Wohnbürger die Erforschung der Urlauber- und Lifestyletypen zu einem Gegenstand der Wissenschaft. Es folgt eine Auswahl von Urlaubertypologien und ihren Merkmalen mit dem jeweiligen Verfasser bzw. Wissenschaftler: Urlaubsaktivitäten (Hahn 1974); Typen nach Landschaftspräferenzen (Hartmann 1981); aktionsräumliches Verhalten (Fingerhut 1973); Lieblingsfarbe als Indiz für das Freizeitverhalten (Lüscher 1973); Interaktionspartner (Meyer 1978); Grad der Anpassung von Touristen an lokale Gegebenheiten (Smith 1977); Informationsverhalten (Datzer 1983); Konträrhaltung – Alternativtourist (Freyer 1985); bereiste Länder (G&J 1988); Reisehäufigkeit im Lebenszyklus (Becker 1992). Die zeitgemäße und wichtigste Typologisierung ist die Typologisierung nach Urlaubsaktivitäten nach Hahn. Er unterscheidet folgende Urlaubertypen: Urlaubertyp A-Typ B-Typ

F-Typ S-Typ

W-Typ

Abb. 1.26

Merkmale Abenteuerurlauber, sucht einmaliges Erlebnis und kalkuliertes Risiko Bildungs- und Besichtigungsurlauber, kann unterteilt werden in: B 1-Typ: sammelt Sehenswürdigkeiten und Orte B 2-Typ: sammelt Gefühle und Stimmungen, naturinteressiert B 3-Typ: natur-, kultur- und sozialwissenschaftlich interessiert ferne- und flirtorientierter Erlebnisurlauber, ist unternehmungslustig, liebt Geselligkeit, Abwechslung und Vergnügen in mondäner Atmosphäre sonne-, sand- und seeorientierter Erholungsurlauber, will dem Alltagsstress entfliehen, sucht Tapetenwechsel, Ruhe und Geborgenheit unter dem Sonnenschirm, Kontaktinteressen, nicht zu viel Fremdartiges Bewegungsurlauber, kann unterteilt werden in: W 1-Typ: wald- und wanderorientierte Bewegungsurlauber; körperliche Bewegung, Natur und frische Luft W 2-Typ: wald- und wettkampforientierter Sporturlauber, Hobby entscheidet über Urlaubsziel

Typologisierung der Urlauber nach Hahn

(Quelle: Hahn, in Freyer 2011)

Modul A

spezielle Ansätze: Reisen zum Erhalt oder Förderung der Gesundheit, Kuren, Ausleben von Sexualität, Reisen selbst als Motiv für das Reisen, Flow-Erlebnisse.

30

1 Wirtschaftsfaktor Tourismus

Wer ist nun genau der Nachfrager nach touristischen Produkten und Dienstleistungen? Es sind Individuen, die mit dem Reisen einen (Haupt-)Zweck verfolgen. Kaspar strukturiert dies aus Sicht der Nachfrager (Tourismusart). Tourismusart (Warum wird verreist?; Hauptzweck der Reise) Erholungstourismus

kulturorientierter Tourismus gesellschaftsorientierter Tourismus Sporttourismus wirtschaftorientierter Tourismus politikorientierter Tourismus Abb. 1.27

Merkmale/Ausprägungen Nah- und Urlaubserholung zur physischen und psychischen Regeneration; Kurerholung zur Herstellung psychischer und körperlicher Heilung Bildungs-, Alternativ-, Wallfahrtstourismus Verwandten- und Klubtourismus Tourismus des aktiven und passiven Sports Geschäfts-, Kongress-, Ausstellungs-, Incentive-Tourismus Diplomaten- und Konferenztourismus, Tourismus in Zusammenhang mit politischen Veranstaltungen

Gliederung nach der Motivation aus Sicht des Nachfragers

(Quelle: Kaspar 1998)

Eine weitere Typologisierung der Nachfrager zeigt die nachfolgende Tabelle. Sie erfolgt anhand der Bestimmungsmerkmale der Reisesubjekte (Kunde, Gast) und der entsprechenden Tourismusform. Bestimmungsmerkmale ausgehend vom Reisenden Herkunft Zahl der Teilnehmer der Reise

entsprechende Tourismusform Inlandstourismus (Binnentourismus), Auslandstourismus Individualtourismus (individuelle Gestaltung von Reisen und Aufenthalt); Kollektivtourismus unterteilt sich in: Gruppen- oder Gesellschaftstourismus (kollektive Abwicklung des Reisevorganges und des Aufenthaltes); Clubtourismus (Reise und Aufenthalt vorwiegend im Kollektiv, die Integration des Gastes in eine Gruppe wird bewusst gefördert); Massentourismus (massenhaftes Auftreten von Kunden/Touristen); Familientourismus

Alter der Teilnehmer der Reise

Dauer des Aufenthaltes

Jahreszeit des Aufenthaltes Beherbergungsform verwendetes Verkehrsmittel soziologische Inhalte (sinnstiftende Klammer) Reiseform (Art der Organisation der Reise)

Finanzierungsart

Auswirkungen auf die Zahlungsbilanz Reiseverhalten Abb. 1.28

31

Jugendtourismus (Tourismus der zwischen 15 bis 24-Jährigen, die nicht mehr gemeinsam mit den Eltern, aber auch noch nicht mit der eigenen Familie verreisen); Seniorentourismus (Tourismus der nicht mehr im aktiven Erwerbsleben stehenden über 60Jährigen) kurzfristiger Tourismus (z. B. Durchreise- und Passantentourismus, Tagesausflug- und Wochenendtourismus); langfristiger Tourismus (z. B. Urlaubstourismus mit mehr als vier Übernachtungen, Kurtourismus) Sommer-, Winter-, Hochsaison und Zwischensaisontourismus Hotellerie (traditionelle Beherbergung); Parahotellerie (z. B. Chalet, Appartement, Zweitwohnung, Camping, Wohnwagen) Eisenbahn-, Auto-, Bus-, Schiffs- und Flugtourismus Luxus- und Exklusivtourismus, traditioneller Tourismus, Jugendtourismus, Seniorentourismus, Sozialtourismus, Sanfter Tourismus Individualtourismus (mit oder ohne Zuhilfenahme von Reisebüros und/oder Reiseveranstaltern); Pauschaltourismus (von Reiseveranstaltern angebotene Pakete von Reise- und Aufenthaltsbedingungen zu einem Pauschalpreis) als Volloder Teilpauschalreise Sozialtourismus, d. h. Beteiligung kaufschwacher Bevölkerungsschichten am Tourismus, der durch besondere Vorkehrungen ermöglicht und erleichtert wird (durch Vor- oder Nachfinanzierung, z. B. Rechnung, bar oder Kreditkarte) aktiver Tourismus (Incoming- und Ausländertourismus im Inland); passiver Tourismus (Outgoing-Tourismus, d. h. Reisen der Inländer ins Ausland) intelligenter Tourismus, Neigungstourismus

Gliederung nach äußeren Ursachen und Einwirkungen

(Quelle: Kaspar 1998)

Modul A

1.2 Wirtschaftsfaktor Tourismus

32

1 Wirtschaftsfaktor Tourismus

Abschließend folgt noch eine Unterscheidung/Abgrenzung zwischen den Privat- und Geschäftsreisen. Kriterien der Unterscheidung Motiv der Teilnahme Ursache der Reise

Zeitpunkt der Reise

Geschäftsreisen

Privatreisen

Wirtschaftlich; Gelderwerb und fremdbestimmt wirtschaftliche Beziehungen räumlich getrennter Partner; produktions- und leistungsbedingt ganzjährig mit den Schwerpunkten Frühjahr, Herbst und in der Woche

unterschiedliche und vielfältige private Interessen private Bedürfnisse

bevorzugte Ziele

wirtschaftliche Zentren

Entscheidung der Zielwahl

durch Arbeitgeber und Geschäftsbeziehung vorgegeben ein bis drei Tage/Reise

verwendete Zeitfonds Finanzierung Ausgabeverhalten Abb. 1.29

durch den Arbeitgeber hoch

ganzjährig mit den Schwerpunkten Sommer und Winter, Ferien, Betriebsferien, an freien Tagen und am Wochenende Urlaubsregionen mit natürlichem und abgeleitetem Angebot selbstbestimmt Jahresurlaub, Überstunden privat mittel bis niedrig

Unterscheidungsmerkmale Geschäfts- und Privatreisen (Quelle: in Anlehnung an Dettmer u. a. 2000)

Privatreisen folgen dem zunehmenden Wunsch nach Erholung, Regeneration, Kultur, Religion, Sport, Gesundheit und gesellschaftlicher Teilnahme. Damit stehen diese im Gegensatz zu Geschäftsreisen. Reisen haben ökonomisch betrachtet etwas von einem Grundbedürfnis und psychologisch betrachtet etwas von einem Luxusbedürfnis (Füth 2001). Dabei kommt der Motivation mit bewusstem oder unbewusstem Ursprung eine wichtige Rolle zu. Nachfolgende Abbildung zeigt die unterschiedlichen Motivationen und die dazugehörigen Tourismusarten bzw. Tourismusgruppen.

1.2 Wirtschaftsfaktor Tourismus

physische Motivation  Erholung (physische Regeneration der Kräfte)  Heilung (Herstellung der körperlichen Gesundheit)  Sport (aktive körperliche Betätigung psychische Motivation  Ausbruch aus der alltäglichen Isolierung, Suche nach Zerstreuung, Erlebnisdrang interpersonelle Motivation  Besuch von Freunden und Bekannten  Suche nach Geselligkeit und sozialen Kontakten  Eskapismus (weg vom allzu zivilisierten Alltag, zurück zur Natur) kulturelle Motivation  Kennenlernen anderer Länder, ihrer Sitten, Gebräuche, Sprachen  Interesse an Kunst  Interesse an Religion  Interesse an der Natur, Fauna und Flora Status- und Prestigemotivation  persönliche Entfaltung  Wunsch nach Anerkennung und Wertschätzung

Abb. 1.30

Tourismusarten/Tourismusgruppen  Erholungs- und Badetourismus  Kur- und Wellnesstourismus  Sporttourismus  Erlebnistourismus wie er im Club-, Bildungs- und Erholungstourismus vorkommt, Weg-von-Reisen  Verwandtentourismus  Clubtourismus, Busreisen  Campingtourismus  Kultur- und Bildungstourismus in allen seinen Ausprägungsformen (z. B. Städte-, Studien-, Rund-, Abenteuer-, Pilger-, Opern-, Wanderreisen u. v. m.)  Erlebnistourismus, Hin-zu-Reisen, Besuch von Veranstaltungen (auch Messen und Kongresse in der Freizeit als private Reisen), Sporttourismus in der passiven Form

Motivationen und die dazugehörigen Tourismusarten

(Quelle: in Anlehnung an Füth 2001)

Modul A

Motivationen/Motivationsgruppen

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34

1 Wirtschaftsfaktor Tourismus

Wichtige Erkenntnisse   

  









Die Tourismusbranche ist einer der wichtigsten Wachstumsbranchen weltweit. Die Deutschen sind die größten Nettodevisenbringer im internationalen Reiseverkehr. Der Begriff Fremdenverkehr wird aufgrund der Dienstleistungsund Kundenorientierung heute zunehmend durch den Begriff Tourismus ersetzt. Der Tourismus ist nicht nur ein Wirtschafts-, sondern auch ein Lebensbereich. Die Tourismuswissenschaft ist eine Querschnittsdisziplin. Deutschland als Reiseland wird aufgrund seines natürlichen und abgeleiteten Angebotes, aber auch dank der Bemühungen der Deutschen Zentrale für Tourismus eine immer wichtigere Destination für Gäste aus Europa und Übersee. Die Wachstumsprognose der DZT bis 2015 besagt, dass mit erfolgreichem Marketing Deutschland bis zum Jahr 2015 ca. 66 Mio. Übernachtungen aus dem Ausland erzielen kann. Die Sickerrate ist der Anteil der touristischen Deviseneinnahmen, der zur Bezahlung importierter Vorleistungen wieder ins Ausland fließt. Tourismus hat eine ausgeprägte Tendenz des Vordringens in periphere Räume; oftmals besteht ein Zusammenhang zwischen der wirtschaftlichen Unterentwicklung und der touristischen Attraktivität. Der industrielle Standortnachteil wird zum touristischen USP.

Vertiefungsfragen



 Welches ist die wichtigste Quellregion für den Tourismus in Deutschland?

   

Was ist mit der Bezeichnung „enger Tourismusbegriff“ gemeint? Welches sind die konstitutiven Elemente des Reisens? Nach welchen Faktoren kann das Reiseverhalten abgegrenzt werden? Bedingt durch welche Faktoren entwickelte sich das Reisen von einem Luxusgut zu einem Massengut?

 Durch was wird das touristische Angebot bestimmt?  Was verstehen Sie unter: Tourismuswirtschaft in engerem Sinn, ergänzende Tourismuswirtschaft und touristische Randindustrie?

1.2 Wirtschaftsfaktor Tourismus

35

 Nach welchen Kriterien kann die touristische Nachfrage abgegrenzt werden? Welche Motive bewegen den Menschen dazu, zu reisen? Welche Bedeutung hat Tourismus für eine Volkswirtschaft? Was besagen die Kennzahlen RI, RH und FI? Worin besteht die Notwendigkeit für Tourismuspolitik? Welche Ziele werden mit der Tourismuspolitik verfolgt? Wer sind die Träger der Tourismuspolitik in Deutschland?

Literaturhinweise   



Bieger, T., Management der Destination, 5. Aufl., München 2002 Bütow, M., Grundlagen Tourismus, Frankfurt a. M. 2006 Dettmer, H./Glück, E./Hausmann, Th./Kaspar, C./Logins, J./Opitz W./Schneid, W., Tourismustypen, München 2000

 

Deutscher Reiseverband (DRV), Fakten und Zahlen 2012, Berlin 2013 Deutsche Zentrale für Tourismus (DZT), Incoming Tourismus Deutschland 2012, Frankfurt a. M. 2013



Deutsche Zentrale für Tourismus (DZT), Incoming Tourismus Deutschland 2011, Frankfurt a. M. 2012



Deutsche Zentrale für Tourismus (DZT), Incoming Tourismus Deutschland 2010, Frankfurt a. M. 2010



Deutsche Zentrale für Tourismus (DZT), Incoming Tourismus Deutschland 2008, Frankfurt a. M. 2009



Eisenstein, B./Rast, C., Wettbewerb der Destination, Fontanari, M. L., Scherhag, K. (Hrsg.), Wiesbaden 2000

 

Freyer, W., Tourismus, 10. Aufl., München 2011 Haedrich, G., Kaspar, C., Klemm, C., Kreilkamp, E., Tourismus-Management, 3. Aufl., Berlin/New York 1998

  

Kaspar, C., Die Fremdenverkehrslehre im Grundriss, 3. Aufl., Bern 1986 Kaspar, C., Einführung in das Tourismus-Management, Bern 1992 Pompl, W., Touristikmanagement 1 & 2, Berlin/Heidelberg 1996, 1997

Modul A

     

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1 Wirtschaftsfaktor Tourismus

Internetquellen 

http://www.bmwi.de/



http://www.deutschland-tourismus.de/

Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie Deutsche Zentrale für Tourismus



http://www.dehoga-bundesverband.de/



http://www.drv.de

Deutscher Hotel- und Gaststättenverband DRV Deutscher ReiseVerband e.V.



http://www.fur.de/



http://www.destatis.de/



http://www.unwto.org/

FUR – Die Forschungsgemeinschaft Statistisches Bundesamt World Tourism Organization



Tourismuspolitik

Lernziele



Am Ende dieses Kapitels sollten Sie Folgendes können:  den Begriff Politik sowie seine Notwendigkeit im Tourismus erkennen;  die Ziele und Instrumente der Tourismuspolitik beherrschen;  die Träger der Tourismuspolitik sowie die Ebenen, auf denen sich die Tourismuspolitik abspielt, kennen;  die Bedeutung und die Funktion der internationalen und nationalen Organisationen, Dach- und Fachverbände, die diese für die internationale, nationale und regionale Tourismuspolitik wahrnehmen, kennen.

Europäisches Parlament

Modul A

2

38

2.1

2 Tourismuspolitik

Begriffsdefinition Politik/Tourismuspolitik

Der Begriff Politik (gr. polis für Stadt oder Gemeinschaft), bezeichnet ganz allgemein ein vorausberechnendes, innerhalb der Gesellschaft auf ein bestimmtes Ziel gerichtetes Verhalten. Hauptsächlich wird mit diesem Begriff die Gestaltung der Ordnung in der Welt bezeichnet. Bis heute herrscht jedoch keine Einigkeit darüber, ob Macht, Konflikt, Herrschaft, Ordnung oder Friede die Hauptkategorie von Politik ausmachen. Einige Definitionsansätze werden im Folgenden aufgezeigt: „Politik ist die Summe der Mittel, die nötig sind, um zur Macht zu kommen und sich an der Macht zu halten und um von der Macht den nützlichsten Gebrauch zu machen.“ (Machiavelli, um 1515) „Politik ist das Streben nach Machtanteil oder nach Beeinflussung der Machtverteilung […]“ (Max Weber, 1919) „Politik ist die Lehre von den Staatszwecken und den besten Mitteln (Einrichtungen, Formen, Tätigkeiten) zu ihrer Verwirklichung.“ (Brockhaus, 1903, Bd. 13) „Politik ist die Führung von Gemeinwesen auf der Basis von Machtbesitz.“ (Werner Wilkens, 1975) „Politik ist Kampf um die rechte Ordnung.“ (Otto Suhr, 1950) „Politik ist die „Gesamtheit aller Aktivitäten zur Vorbereitung und Herstellung gesamtgesellschaftlich verbindlicher und/oder am Gemeinwohl orientierter und der ganzen Gesellschaft zugutekommender Entscheidungen.“ (Thomas Meyer, 2000) „Politik [ist] gesellschaftliches Handeln, […] welches darauf gerichtet ist, gesellschaftliche Konflikte über Werte verbindlich zu regeln.“ (Gerhard Lembruch, 1968) Diese Ansätze auf den Tourismus übertragen, ergeben nachfolgende Ansätze und Versuche, Tourismuspolitik zu definieren. Tourismuspolitik wird von Freyer als „die zielgerichtete Planung und Beeinflussung/Gestaltung der touristischen Realität und Zukunft durch verschiedene Träger (staatliche, private und übergeordnete)“ bezeichnet (Freyer, 2011). Einen weiteren Definitionsansatz bringt Kaspar in die Diskussion ein: „Unter Tourismuspolitik verstehen wir bewusste Förderung und Gestaltung des Tourismus durch Einflussnahme auf die touristisch relevanten Gegebenheiten von Gemeinschaften.“ (Kaspar, 1995) Tourismuspolitik kann auch als die „Kunst des Machbaren“, also als ein durchaus pragmatischer Ansatz verstanden werden, da die unterschiedlichen Interessen aller Akteure in Einklang miteinander gebracht werden sollen/müssen. Die Notwendigkeit der Tourismuspolitik ergibt sich aus der Tatsache, dass Tourismus eine wirtschaftliche Erscheinung einerseits, ein gesellschaftliches, soziales und ein Umweltproblem andererseits ist. Erschwerend wirkt der Umstand, dass die Zuständigkeiten für Tourismus in Deutschland bei Wissenschaftsbereichen (z. B. Ökonomie, Geographie, Soziologie, Rechtswissenschaft), Systemen (z. B. Wirtschafts-, Rechts-, Gesell-

2.2 Zielsetzungen und Instrumente der Tourismuspolitik

39

schaftssystemen) und in Politikressorts (z. B. Wirtschafts-, Finanz- und Steuer-, Arbeitsmarkt-, Rechtspolitik) liegen und von diesen wahrgenommen werden. Es gilt, einen Interessensausgleich zwischen den Unternehmen, dem Staat, der Gesellschaft, der Umwelt und der Quell- und Zielgebiete zu schaffen.

Zielsetzungen und Instrumente der Tourismuspolitik

Die zentralen Ziele der Tourismuspolitik sind i. d. R. wirtschaftlicher, sozialer und – mit Abstrichen – ökologischer Natur. Geht es letztendlich doch darum, Arbeitsplätze in den einzelnen Tourismussegmenten zu sichern und zu schaffen, die Steuereinnahmen (z. B. Mehrwertsteuer, Unternehmenssteuer) zu stabilisieren und zu steigern und – im Fall unseres Landes – Deutschland als attraktives Urlaubs- und Geschäftsreiseland sowie als hervorragender Kongress-, Tagungs- und Messestandort in der Welt zu präsentieren. Tourismuspolitik wird auf unterschiedlichen Ziel- und Interessensebenen gemacht, insbesondere dort, wo Berufs- und Branchenorganisationen sich auf unterschiedlichen Ebenen (internationale, nationale, regionale und lokale/kommunale) in das touristische und tourismuspolitische Geschehen einbringen (Bütow 2006). Als grundsätzliche Zielbereiche der Tourismuspolitik können betrachtet werden:  allgemeine Gestaltung des Tourismus bzw. der touristischen Rahmenbedingungen; hierbei handelt es sich um das grundsätzliche Bekenntnis, ob und in welchem Umfang Tourismus (als Incoming-, Outgoing-, Binnen-, Auslands- und Ausländertourismus) stattfinden soll und kann sowie die Weichenstellungen dafür;  Gestaltung spezifischer touristischer Segmente bzw. deren Wirkungen; hierbei handelt es sich z. B. um die Belange der Hotel- und Gastronomie (Arbeitszeiten, Besteuerung, Neugründungen), der Verkehrsträger (Sicherstellung der Mobilität, Verkehrsgenehmigungen, Beförderungsbestimmungen) u. a.;  Gestaltung einzelner Standorte; z. B. Entwicklung von Destinationen (Regionen, Landkreise, Städte, Gemeinden, Küstenabschnitte);  Gestaltung der individuellen Bedingungen einzelner Akteure im Tourismus; z. B. Tourismusunternehmen, Unternehmen der ergänzenden und der touristischen Randindustrien, ebenso die der Reisenden und Bereisten. Eine mittlerweile sehr starke Verflechtung des Tourismus mit der Umwelt, dem Umfeld sowie mit der Gesellschaft erfordert eine strukturierte und weitreichende gestaltende Tourismuspolitik. Eine mögliche Strukturierung der Ziele im Rahmen der Tourismuspolitik ist in nachfolgender Abbildung dargestellt.

Modul A

2.2

40

2 Tourismuspolitik

ökonomische Ziele

soziale Ziele

ökologische Ziele

weitere Ziele

Abb. 2.1

umfassen alle Zielstellungen des Wirtschaftswachstums z. B.: Wirtschaftswachstum generieren; Wertschöpfung im Tourismus und den vor- und nachgelagerten Bereichen stabilisieren und erhöhen; Beschäftigungseffekte generieren; Deviseneffekte schöpfen (spielen aus Sicht Deutschlands keine nennenswerte Rolle mehr); Ausgleichs- und Verteilungseffekte zu optimieren; Steigerung der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der Tourismuswirtschaft in den jeweiligen Destinationen (Regionen, Länder); Sicherung der Rahmenbedingungen für einen funktionierenden Tourismus. da notwendig, wo es um das Eindringen in die Lebens- und Umwelträume der Bereisten, aber auch um die Interaktion zwischen Reisenden und Bereisten geht, z. B. sein: Verträglichkeit des Tourismus mit Sitten, Moral, Gebräuchen, Traditionen und Anstand zwischen Reisenden und Bereisten; Verträglichkeit mit den sozialen Strukturen; Verbesserung der Möglichkeiten der Teilnahme breiter Bevölkerungsschichten am Tourismus. zielen auf Umweltverträglichkeit und ökologische Wirtschaftskreisläufe, z. B. Umweltverträglichkeit im Allgemeinen und Besonderen; Schonung der Ressourcen, insbesondere des natürlichen Angebotes; Vermeidung von Abfall sowie Wiederverwendung; Entsorgung von Abfall; Verträglichkeit der Ausgestaltung von Infrastruktur und abgeleitetem Angebot; Erhaltung der Landschaft, der Ökosysteme und der Natur. vor allem übergreifende Ziele, die nicht ausschließlich/spezifisch die Tourismuswirtschaft betreffen, die aber Gegenstand oder Rahmen touristischer Aktivitäten sein können, z. B. medizinische Ziele (Problematik des Einschleppens von Viruserkrankungen, Tropenkrankheiten, Reiseimpfschutz u. a.); juristische Ziele (Problematik von Ein- und Ausreiserestriktionen der unterschiedlichen Nationalitäten); pädagogische Ziele (Reisen soll nicht nur Konsum sein, sondern auch der Bildung und des Wissenserwerbs für das Individuum dienen); Verbesserung und Ausbau der regionalen und internationalen Zusammenarbeit im Tourismus.

Ziele der Tourismuspolitik

(Quelle: in Anlehnung an Freyer 2011, Bütow 2006)

Die Verwirklichung o. g. tourismuspolitischer Ziele erfolgt mittels eines Instrumentenbündels. Diese Instrumente, mit denen die handelnden Akteure o. g. und weitere Ziele erreichen können, sind u. a.:

ökonomische Instrumente

soziale bzw. sozialpolitische Instrumente rechtliche bzw. ordnungsrechtliche Instrumente kommunikative bzw. meinungsbildende Instrumente Abb. 2.2

2.3

41

z. B. durch direkte finanzielle Zuwendungen (direkte und indirekte Subventionen, Förderprogramme u. a.) oder indirekte Steuer- und Finanzbestimmungen (Kurtaxe und Tourismus-/Fremdenverkehrsabgabe u. a.), finanzielle Förderung von Aus-, Fort- und Weiterbildungen. z. B. durch direkte und indirekte Mittel für soziale und medizinische Problemgruppen (Kuren, Rehabilitationen u. a.), Ferien- oder Arbeitszeitregelungen, ggf. auch die Aus-, Fort- und Weiterbildung (kann aber auch als wirtschaftliches Mittel werden). z. B. durch Gesetzgebung und Verordnungen (Raumordnung, Bau, Umweltbelastung u. a.) oder durch lokale Verbote/Gebote (Befahrung, Gewässerschutz u. a.). z. B. durch Imagekampagnen und Themen-Jahre (Themenjahre der DZT u. a.), Resolutionen, Memoranden, Untersuchungsergebnisse aus der wissenschaftlichen Forschung u. a.

Instrumente der Tourismuspolitik

(Quelle: in Anlehnung an Bütow 2006)

Träger und Ebenen der Tourismuspolitik

Die Träger sowie die Ebenen, die mit den Aufgaben der Tourismuspolitik vertraut sind, lassen sich wie folgt unterteilen: gesellschaftliche Ebenen

rechtliche Organisationen

berufsständische Vertretungen Abb. 2.3

 internationale Träger, z. B. EU, UNWTO, OECD;  nationale Träger, z. B. DZT, DTV, nationale Tourismusorganisationen und -zentralen;  regionale Träger, z. B. regionale Tourismusverbände;  lokale Träger, z. B. Verkehrs-, Tourismus- und Kurvereine.  öffentlich-rechtliche Körperschaften, z. B. Staat, Kommunen, EU;  rechtlich vereinigte Institutionen, z. B. Berufsverbände, Interessensgemeinschaften;  Industrie- und Handelskammern;  lose Interessensverbände (Aktionsgemeinschaften organisiert), z. B. Umweltvereinigungen, Zusammenschluss für nachhaltiges Reisen.  Fach-, Dach- und Branchenverbände aus den Bereichen Hotellerie, Reisemittler und Reiseveranstalter, Verkehrsträger, Zusammenschlüsse von Dienstleistern und Einzelpersonen, z. B. DRV, IHA, DeHoGa, VC.

Träger und Ebenen der Tourismuspolitik

(Quelle: in Anlehnung an Freyer 2011)

Modul A

2.3 Träger und Ebenen der Tourismuspolitik

42

2 Tourismuspolitik

Organisatorisch lassen sich o. a. Träger nach ihrer Organisationsform untergliedern in (Freyer 2011):  staatliche Träger: z. B. Ministerien von Bund und Ländern, Ämter und Verwaltungen von Kommunen und Kreisen, Gebietskörperschaften der Kommunen, Kreise und Länder sowie Werbegemeinschaften (DZT);  Mischformen: z. B. Tourismusverbände und Tourismusvereine, Werbegemeinschaften (touristische Routen, Stadt-Marketing-Gesellschaften) und Verkehrsvereine;  private Träger: z. B. Unternehmen, Verbände, Berufs- und Brancheorganisationen, Einzelpersonen, öffentlich-rechtliche Institutionen und Dienstleister, Kammern. Die Tätigkeiten der o. g. Träger erfolgen auf unterschiedlichen Ebenen. So nehmen z. B. auf nationaler Ebene das Ministerium des Bundes oder die Branchenverbände die Interessen der Tourismus wahr, während auf Länderebene die Landes- und Regionalverbände, sowie Verbände und Vereine Tourismuspolitik betreiben. Auf kommunaler Ebene sind es die Tourismusämter und die Unternehmen, denen die Aufgabe und die Vertretung der Interessen des Tourismus zukommen.

2.4

Internationale Tourismuspolitik

Internationale Tourismuspolitik wird von einigen wenigen Organisationen/Institutionen, die durch ihre Mitglieder, i. d. R. durch die Mehrzahl der souveränen Staaten (Mitglieder) legitimiert, betrieben. Das tourismuspolitische Bestreben dieser Organisationen/Institutionen besteht darin, in weiten Teilen der Welt den Tourismus aufzubauen, in der Form, als das die Regierungen bzw. die Tourismusverantwortlichen beraten werden, Netzwerke durch internationale Tagungen und Kongresse zu initiieren. Diese gewährleisten einen Informations- und Erfahrungsaustausch; helfen dabei, negative Folgen durch den Tourismus zu beseitigen und liefern belastbare Informationen (über z. B. Marktforschung) für globale Tourismusentwicklung und Touristenströme. In besonderen Fällen können diese Organisationen/Institutionen auch konkrete Masterpläne für die Entwicklung einer besonderen Form des Tourismus unter Berücksichtigung regionaler und/oder nationaler Besonderheiten erstellen und die Umsetzung überwachen bzw. begleiten. Das besondere Problem der internationalen Tourismuspolitik ist, dass sie nur Empfehlungen geben, aber keine direkten steuernden Entscheidungen treffen kann. Entscheidungen sind i. d. R. an die Gesetzgebung und damit an die staatliche (nationale) Ebene gebunden. Ausnahmen gibt es nur in den Fällen, in denen Nationalstaaten auch politische Zuständigkeiten an internationale Gremien abgegeben haben. Dies wäre z. B. in der EU möglich, wird dort aber bisher nicht ausreichend bzw. gar nicht genutzt. Auf internationaler Ebene wird die Tourismuspolitik einerseits von internationalen Organisationen und Institutionen, aber auch von internationalen Fach- und Dachverbänden wahrgenommen.

2.4 Internationale Tourismuspolitik

2.4.1

43

Internationale Organisationen/Institutionen

Zu den wichtigsten internationalen Organisationen/Institutionen zählen: internationale Tourismuspolitik

• World Tourism Organization

internationale Dach- und Fachverbände • International Air Transport Association • International Hotel & Restaurant Association

• World Travel & Tourism Council

• Fédération Mondiale du Thermalisme et du Climatisme

• Organisation for Economic Cooperation and Development

• United Federation of Travel Agents' Associations

• European Union

• International Road Union

• Baltic Sea Tourism Commission

• Association Internationale d´Experts Scientifiques du Tourisme • Pacific Asia Travel Association • American Society of Travel Agents • Association Internationale de Professionnels du Tourisme • International Air Carrier Association • Association of European Airlines

Abb. 2.4

Internationale Tourismuspolitik

UNWTO − World Tourism Organization Die Welttourismusorganisation (UNWTO) ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen (UN) mit Sitz in Madrid (Spanien). Sie ist mit rund 100 Mitarbeitern die kleinste Sonderorganisation der Vereinten Nationen. Die UNWTO, verstanden als internationales Forum für Tourismuspolitik und Fokalstelle für intergovermentale Kommunikation, verfolgt das Ziel der Entwicklung eines verantwortlichen, nachhaltigen und universell zugänglichen Tourismus, um zur ökonomischen Entwicklung, internationaler Verständigung, Frieden, Wohlstand und Einhaltung der Menschenrechte beizutragen. Schwerpunkt ist die Forcierung des Tourismus in Entwicklungsländern, unter Berücksichtigung der Millenniums-Entwicklungsziele, nachhaltiger Entwicklungskonzepte und dem Globalen Kodex für Ethik im Tourismus. Die bekanntesten Veröffentlichungen sind die jährlichen Tourismusstatistiken, die den grenzüberschreitenden internationalen Tourismus abbilden. Hierzu begleitend strebt die UNWTO eine Harmonisierung der internationalen Tourismusstatistiken an. Die UNWTO-Empfehlungen dienen beispielsweise als Grundlage für die Statistiken der OECD und der EU. Bedeutend sind zudem die UNWTO-Aktivitäten im Rahmen des Projektes Sustainable Tourism for Eliminating Poverty (ST-EP), das auf eine Initiati-

Modul A

internationale Organisationen/ Institutionen

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2 Tourismuspolitik

ve zur Armutsbekämpfung durch Tourismus im Rahmen des Weltgipfels für Nachhaltige Entwicklung in Johannesburg im Jahre 2002 zurückgeht. The World Tourism Organization (UNWTO) is a specialized agency of the United Nations and the leading international organization in the field of tourism. It serves as a global forum for tourism policy issues and a practical source of tourism know-how. UNWTO plays a central and decisive role in promoting the development of responsible, sustainable and universally accessible tourism, paying particular attention to the interests of developing countries. The Organization encourages the implementation of the Global Code of Ethics for Tourism, with a view to ensuring that member countries, tourist destinations and businesses maximize the positive economic, social and cultural effects of tourism and fully reap its benefits, while minimizing its negative social and environmental impacts. Its membership includes 161 countries and territories and more than 370 Affiliate Members representing the private sector, educational institutions, tourism associations and local tourism authorities. Direct actions that strengthen and support the efforts of National Tourism Administrations are carried out by UNWTO's regional representatives (Africa, the Americas, East Asia and the Pacific, Europe, the Middle East and South Asia) based at the Headquarters in Madrid. UNWTO is committed to the United Nations Millennium Development Goals, geared toward reducing poverty and fostering sustainable development. Current developments & forecasts: Worldwide arrivals reached 842 million in 2006, representing a 4.6% year on year growth; 2007 looks set to be the fourth consecutive year of sustained growth for a global tourism industry that continues to show its resilience to any natural or man-made crises; UNWTO predicts a 4% growth of international tourist arrivals in 2007, in line with its long-term forecast growth rate through to 2020 of 4.1%; By 2020 international arrivals are expected to surpass 1.5 billion people. (UNWTO 2012) Die UNWTO ist die wichtigste internationale Organisation, in der Staaten bzw. staatliche Tourismusorganisationen Mitglieder sind. Ihr Hauptziel ist die Unterstützung der Staaten bei der ökonomischen Entwicklung des Tourismus und bei der Minimierung negativer ökologischer und sozialer Auswirkungen. WTTC – World Travel & Tourism Council Der WTTC ist die wichtigste internationale Organisation touristischer Unternehmen mit Sitz in London. Die Ziele der Organisation liegen vordergründig in der Gestaltung der Marktbedingungen für Tourismus bei gleichzeitiger Verantwortung der Tourismuswirtschaft gegenüber allen übrigen Umfeldbereichen.

2.4 Internationale Tourismuspolitik

45

OECD – Organisation for Economic Co-operation and Development Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ist eine internationale Organisation mit ca. 30 Mitgliedsländern, die sich der Demokratie und Marktwirtschaft verpflichtet fühlen. Die meisten OECD-Mitglieder gehören zu den Ländern mit hohem Pro-Kopf-Einkommen und gelten als entwickelte Länder. Sitz der Organisation ist Paris. Die OECD beschäftigt sich nur in einer Unterstruktur mit dem Thema Tourismus. Dieses Direktorat (Directorate Science, Technology & Industry – STI) versteht sich vor allem als Beobachter von Veränderungen in der Politik sowie als Unterstützer für nachhaltige ökonomische Tourismusentwicklung. Our mission is to provide governments with the analytical basis for policy formulation and advice on the scientific, technological and industrial environment and its relation to growth, employment and well-being. Tourism, an important economic activity, is an area of public policy in most OECD countries. The Tourism Committee acts as a forum of exchange for monitoring policies and structural changes affecting the development of international tourism and promotes a sustainable economic growth of tourism. The mandate of the Tourism Committee highlights the main missions of the OECD in the field of tourism. “Whole of government” approach needed to ensure competitiveness and sustainability in tourism, says OECD (10-Oct-2008) Governments need to put in place comprehensive strategies to make their tourism industries more competitive and work with industry and regional and local authorities to promote sustainable tourism development. This was the message from a High-level OECD Committee meeting on Tourism in Italy on 9-10 October 2008 involving ministers and industry experts from 27 OECD countries and 12 non-member countries. (OECD 2012) EU – European Union Die Europäische Union (EU) ist ein aus 27 europäischen Staaten bestehender Staatenverbund. Die Bevölkerung in den Ländern der EU umfasst derzeit rund eine halbe Milliarde Einwohner. Gemeinsam erwirtschaften die Mitgliedstaaten im Europäischen Binnenmarkt das größte Bruttoinlandsprodukt der Welt. Die Europäische Union beschäftigt sich nur in einer Unterstruktur (Direktion D – Dienstleistungen, Handel, Tourismus, elektronischer Geldverkehr und IDA, Referat D.3: Fremdenverkehr) direkt mit den Belangen des Tourismus. Das Hauptziel dieses Referates ist die Verbesserung der Qualität, der Wettbewerbsfähigkeit und der Nachhaltigkeit des europäischen Tourismus. Seitens der EU gibt es keine eigenständige und spezifische Tourismuspolitik, vielmehr existieren unterschiedliche Programme und Maßnahmen, die

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The World Travel & Tourism Council (WTTC) is the forum for business leaders in the Travel & Tourism industry. With Chief Executives of some one hundred of the world's leading Travel & Tourism companies as its Members, WTTC has a unique mandate and overview on all matters related to Travel & Tourism. WTTC works to raise awareness of Travel & Tourism as one of the world's largest industries, employing approximately 231 million people and generating over 10.4 per cent of world GDP. (WTTC 2012)

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2 Tourismuspolitik

den Tourismus entweder direkt oder über seine Rahmenbedingungen unterstützen und beeinflussen. BTC – The Baltic Sea Tourism Commission Die BTC ist eine Non-Profit-Organisation mit ca. 80 Mitgliedern aus dem „baltischen Raum“. Ziel der BTC ist die Vermarktung des Baltikums. BTC is a networking marketing association with the aim to promote tourism to the Baltic Sea region. Our main markets are North America, Asia and Spain and our main activities consist of: press- and fam trips, annual tourism conference, participation in tourism related projects, representation of tourism industry towards political decisionmakers, cooperation with other Baltic Sea organisations and tourism information.

2.4.2

Internationale Dach- und Fachverbände

Internationale Dach- und Fachverbände sind Zusammenschlüsse von Unternehmen, Organisationen und Personen, die international tätig sind. Sie beeinflussen über ihre öffentliche Interessensvertretung und ihre ökonomische Bedeutung sowohl die internationale als auch die nationale Tourismuspolitik. Die internationalen Dach- und Fachverbände haben zum Ziel, zwischen ihren Mitgliedern den Erfahrungsaustausch und die Kooperation zu fördern, die Aktivitäten der jeweiligen Branche oder der jeweiligen Segmente zu professionalisieren und Hilfe zu bieten, um die Interessen der Mitglieder gegenüber der Politik in den Herkunftsländern der Mitglieder zu vertreten. Zu den wichtigsten internationalen Organisationen/Institutionen zählen: IATA – International Air Transport Association Die IATA ist der Weltverband der Unternehmen des kommerziellen zivilen Passagier- und Fracht-Luftverkehrs (i. d. R. Fluggesellschaften) mit Sitz in Montreal. Die ständigen Ausschüsse der IATA sind: Legal, Financial, Technical und Traffic Committee (Schroeder 2002). Die IATA versucht, die Prozesse im Luftfahrtgeschäft zu vereinfachen. Dies betrifft z. B. die Vereinheitlichung der Beförderungsdokumente und der Gepäckbeförderung. Darüber hinaus ist eine Nebenstelle der IATA in Genf mit der Abrechnung und der Überwachung der Interline-Abkommen zwischen den Fluggesellschaften betraut. Weitere Tätigkeiten im Dienste ihrer Mitglieder sind:  Bereitstellung von Daten und Informationen, die als Entscheidungsgrundlage sowohl für die Mitglieder als auch für die nationalen Regierungen dienen;  für die Luftfahrtunternehmen erstellt sie anonymisierte Statistiken, damit sie sich mit anderen Marktteilnehmern messen können;  Definition und Überwachung von Sicherheitsstandards, die für alle Mitglieder bindend sind;  Unterstützung für Startup-Airlines, Behörden, Flughäfen u. a. Die IATA finanziert sich nicht nur durch Mitgliedsbeiträge, sondern auch durch den Verkauf von Dienstleistungen, Handbüchern und Datenmaterial.

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IH&RA – International Hotel & Restaurant Association Der Weltverband des Hotel- und Gaststättengewerbes, im Jahr 1997 aus der 1946 gegründeten IHA (International Hotel Association) hervorgegangen, mit derzeitigem Sitz in Genf, stellt die einzige globale Organisation zur Interessenvertretung der Hotel- und Gaststättenindustrie dar. Die gemeinnützige Organisation repräsentiert ca. 750.000 Einrichtungen in mehr als 150 Ländern und macht sich für über ca. 300.000 Hotels und 8 Mio. Gaststätten weltweit stark. Mitglieder der IH&RA sind nationale Hotel- und Gaststättenverbände, internationale und nationale Hotel- und Gaststättenketten und deren dazugehörige Hotels und Gaststätten, Bildungseinrichtungen und andere Träger oder Versorger dieser Industrie. Die IH&RA ist somit ein Gesamtnetzwerk der unabhängigen und Kettenoperatoren in der Hotel- und Gaststättenindustrie. Derzeit sind weder der DEHOGA Bundesverband noch der Hotelverband Deutschland (IHA) Mitglied in der IH&RA. Ziel der von der UNO anerkannten Organisation ist es, die Gegenwart und Zukunft des Gastgewerbes zu sichern und dessen Ansehen zu fördern. Sie schützt, fördert und informiert ihre Mitglieder, um sie bei der Erreichung ihrer Zielsetzungen zu unterstützen. Dazu organisiert sie internationale Kongresse und vertritt die Interessen der Mitglieder auch im politischen Bereich. FEMTEC – Fédération Mondiale du Thermalisme et du Climatisme (World Federation of Hydrotherapy and Climatotherapy) Diese gesundheitspolitische Interessensvertretung im Bereich des Kur- und Bäderwesens, gegründet 1947 vertritt die Interessen der öffentlichen und privaten Heilbäder seiner Mitgliedsländer. Der Verband vermarktet die Heilbäder, kooperiert mit wissenschaftlichen Instituten, privaten Organisationen sowie mit dem Gesundheitsministerium der Länder seiner Mitglieder. Ziel der Organisation ist es, jedem Bürger einen Aufenthalt in einem öffentlichen oder privaten Heilbad zu ermöglichen. UFTAA – United Federation of Travel Agents’ Associations Die UFTAA ist eine internationale Vereinigung von Reisemittlern, Reiseveranstaltern sowie deren nationalen Dachverbänden mit Sitz in Brüssel. Sie versteht sich als „globaler“ Interessensvertreter der Tourismusindustrie gegenüber den Einzelleistungsträgern und den Regierungen. IRU – International Road Union Die internationale Vereinigung der Straßenbeförderungsunternehmen (i. d. R. Busund Verkehrsunternehmen) wurde 1948 als internationale Vereinigung der nationalen Straßentransportverbände mit Sitz in Genf gegründet. Sie vertritt die Interessen der Straßentransportunternehmen und strebt speziell die Vereinheitlichung von Frachtbriefen, Zollbestimmungen und die Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen an. AIEST – Association Internationale d‘Experts Scientifiques du Tourisme Es handelt sich hierbei um eine internationale Organisation/Zusammenschluss von Personen und Institutionen aus dem Bereich der touristisch relevanten Wissenschaften. Die 1951 gegründete AIEST, mit Sitz in St. Gallen, ist eine Wissenschaftsorganisation des Tourismus. Sie hat ca. 350 Mitglieder in 44 Ländern auf allen Kontinenten. Sie ist interdisziplinär ausgerichtet und nimmt Ökonomen, Betriebswissenschaftler, Geographen, Soziologen oder Naturwissenschaftler auf. Sie agiert mehrsprachig; es

Modul A

2.4 Internationale Tourismuspolitik

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2 Tourismuspolitik

wird auf Englisch, Französisch und Deutsch sowie nach Bedarf in anderen Sprachen publiziert und gesprochen. Der Zweck der AIEST ist die Pflege der kollegialen und freundschaftlichen Beziehungen unter den Mitgliedern; die Förderung der wissenschaftlichen Tätigkeit ihrer Mitglieder, namentlich durch Anbahnung von persönlichen Verbindungen, durch Erleichterung der Beschaffung von Dokumentation sowie durch Vermittlung eines Meinungs- und Erfahrungsaustausches; die Unterstützung der Tätigkeit wissenschaftlicher Fremdenverkehrsinstitute oder sonstiger Forschungsund Ausbildungsstellen im Fremdenverkehr sowie die Entwicklung der Verbindungen zwischen ihnen und der Beziehung zwischen ihnen und den Mitgliedern der Vereinigung; die Durchführung von Kongressen und sonstigen Tagungen und Kursen wissenschaftlich-touristischer Art sowie die Mitwirkung an solchen. Die AIEST ist damit der internationale Katalysator der wissenschaftlichen Aktivitäten im Bereich des Fremdenverkehrs. Sie betreibt nicht selbst touristische Forschung und Ausbildung, fördert diese aber nach Kräften im Rahmen der Möglichkeiten und der bestehenden Institutionen (AIEST 2012, Bütow 2006). PATA – Pacific Asia Travel Association Die Pacific Asia Travel Association, kurz PATA, ist eine gemeinnützige Organisation, die 1952 in Honolulu/Hawaii gegründet wurde. Ziel und Aufgabe ist es, den Tourismus nach, in und von der asiatisch-pazifischen Region zu fördern. Der Zweck des Vereins ist die Förderung des Interesses an der pazifisch-asiatischen Region als einem Erholungsraum und die Entwicklung, Unterstützung und Erleichterung des Reiseverkehrs zu und innerhalb der pazifisch-asiatischen Region, und zwar unter besonderer Berücksichtigung der Gebiete und Länder, die zu den sog. Entwicklungsbzw. Transformationsländern gehören und sich eine ausreichende Touristikwerbung in Mitteleuropa, speziell in Deutschland, nicht leisten können. Mitglieder sind ca. 40 Staaten Asiens und des pazifischen Raums sowie wichtige Destinationen des weltweiten Tourismus. Diese hatten der Gründungsidee von einst globale Bedeutung verschafft: 81 Körperschaften auf Regierungs-, Länder- und Städteebene sowie weit mehr als 2.000 Unternehmen der Luft- und Schifffahrt, Hotellerie, Reiseveranstaltung und Reisevermittlung machen PATA zu einer der führenden Organisationen weltweit. Heute unterstützen etwa 17.000 Tourismus-Fachleute weltweit die Ziele und Ideale der Pacific Asia Travel Association. 78 Chapters in 43 Ländern sammeln, bündeln und kanalisieren dieses wahrhaft globale Know-how. Die ursprünglich in San Francisco eingerichtete Hauptverwaltung ist mittlerweile in Bangkok stationiert. Neben Regionalbüros in Singapur, Sydney und Tokio, die für den Raum Asien/Pazifik zuständig sind, ist das für Europa verantwortliche Regionalbüro in Bad Vilbel bei Frankfurt am Main (www.pata.org) angesiedelt. Der PATA Deutschland e. V. ist in Frankfurt am Main registriert und wird durch das PATA-Sekretariat in Mainz betreut. ASTA – American Society of Travel Agents Die internationale Vereinigung der Reisemittler aus allen drei Amerikas, gegründet 1931 als American Steamship and Tourist Agents Association, hat ihren Sitz in Washington DC (BÜTOW 2006, SCHROEDER 2002, TID 2010).

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ASTA, short for the American Society of Travel Agents, is the world’s largest association of travel professionals. Our members include travel agents and the companies whose products they sell such as tours, cruises, hotels, car rentals, etc. We are the leading advocate for travel agents, the travel industry and the traveling public. ASTA’s (American Society of Travel Agents) mission is to facilitate the business of selling travel through effective representation, shared knowledge and the enhancement of professionalism. ASTA (American Society of Travel Agents) is the world’s largest association of travel professionals. The mission of ASTA and its affiliated organizations is to facilitate the business of selling travel through effective representation, shared knowledge and the enhancement of professionalism. ASTA seeks a retail travel marketplace that is profitable, growing and a rewarding place to work, invest and do business. Founded in 1931 as the American Steamship and Tourist Agents’ Association, ASTA and its affiliates now comprise the world's largest and most influential travel trade association with members in 140 countries. As the world's largest travel trade association, our work encompasses every aspect of the travel experience. (ASTA 2012) Skål – Association Internationale de Professionnels du Tourisme Skål International München e. V., Wirtschaftsclub für Tourismus, Mitglied im Skål International Deutschland, Vereinigung deutscher Wirtschaftsclubs für Tourismus, ist eine internationale Vereinigung von Führungskräften aller touristischen Berufe, mit dem Ziel, Freundschaft und Zusammenarbeit von Führungskräften aller touristischen Berufe und aus allen touristischen Bereichen zu fördern. „Skål International ist ein weltweites Netzwerk von Personen, die in der Tourismuswirtschaft Verantwortung tragen und auf der Basis von Freundschaft miteinander geschäftlich in Verbindung stehen. Skål-Mitglieder setzen sich für Frieden und Völkerverständigung ein. Sie engagieren sich für eine nachhaltige Entwicklung des Tourismus auf betrieblicher, lokaler, nationaler undinternationaler Ebene.“ (Skål 2013) Skål bietet jedem Mitglied die Teilnahme im einzigen weltweiten branchenübergreifenden Zusammenschluss von Menschen, die in der Tourismuswirtschaft Verantwortung tragen, eine Einbindung in einen internationalen Kontext (Skål International und damit mittelbar jedes Mitglied ist Mitglied der World Tourism Organisation der Vereinten Nationen), ein Forum des Engagements (Grundlage der weltweiten SkålBewegung ist der Gedanke der Völkerverständigung, der 1932 den Impuls zur Gründung gab). Mitglieder finden in Skål ein Forum, sich für dieses weiterhin höchst wichtige Ziel zu engagieren. IACA – The International Air Carrier Association Die IACA ist ein internationaler Dachverband der Bedarfsfluggesellschaften mit dem Ziel der gemeinsamen Interessenvertretung zur Sicherstellung der Belange des Ferienflugverkehrs gegenüber den europäischen Behörden.

Modul A

2.4 Internationale Tourismuspolitik

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2 Tourismuspolitik

IACA represents 34 airlines operating over 750 state-of-the-art, environmentally efficient aircraft and directly employing more than 50,000 people. Each year IACA members transport over 100 million passengers to 650 holiday destinations worldwide. IACA is the recognised voice of leisure carriers. IACA actively cooperates with international institutions, national authorities and airport authorities in order to ensure that the specific needs of leisure airlines are taken into consideration. Mission Statement: To promote the common interests of its member airlines and development of air transport and tourism; To cooperate with all stakeholders in aviation in the promotion of a safe and efficient air transport system to benefit the consumer; To facilitate communication and cooperation amongst member airlines and between such members and the international aviation community; To represent IACA members’ interests in consultation with international authorities and organizations involved in air transport, such as institutions of the EU, the European Civil Aviation Conference (ECAC), the International Civil Aviation Organisation (ICAO), the Joint Aviation Authorities (JAA), European Aviation Safety Agency (EASA), and EUROCONTROL. (IACA 2012) AEA – Association of European Airlines Bei den AEA handelt es sich um einen internationalen Zusammenschluss europäischer Luftverkehrsgesellschaften, der seine Mitglieder gegenüber den supranationalen Organisationen vertritt. The Association of European Airlines brings together 34 major airlines, and has been the voice of the European airline industry for over 50 years. Based on its extensive knowledge of the industry and its far-reaching networks, AEA is an essential platform for industry, and is relied upon by policy-makers and the media as a trustworthy contributor to the debates around the decision-making process. AEA works in partnership with the institutions of the European Union and other stakeholders in the value chain, to ensure the sustainable growth of the European airline industry in a global context. (AEA 2012)

2.5

Nationale Tourismuspolitik

Tourismuspolitik ist ein integraler Bestandteil der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung. Aufgabe der Bundesregierung ist es, auch in der Tourismuspolitik die unternehmerische Eigenverantwortung zu stärken und durch die Verbesserung der Rahmenbedingungen die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu erhöhen. Dazu gehört im Rahmen der föderalen Zuständigkeiten gemeinsam mit den Ländern und Kommunen die Bereitstellung der notwendigen Infrastruktur für den Tourismus. In Deutschland liegt die Tourismuspolitik nach der föderalen Ordnung der Verfassung generell in der Verantwortung und Zuständigkeiten der (Bundes-)Länder; i. d. R.

2.5 Nationale Tourismuspolitik

51

angebunden an die Wirtschaftsministerien der (Bundes-)Länder. Durch den Querschnittscharakter des Tourismus berührt sie in vielen Einzelfragen auch die Zuständigkeitsbereiche anderer Ressorts.

Staatliche Tourismuspolitik

Die staatlichen Akteure der Tourismuspolitik in Deutschland sind die Parteien (jede Partei benennt eine Tourismussprecher/in), die Bundes- und Landesministerien, die Tourismusreferenten der Bundesländer, der tourismuspolitische Sprecher der Bundesregierung sowie die Vertretungen der Europäischen Kommission in der Bundesrepublik Deutschland. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Bundesministerium der Justiz Auswärtiges Amt Bundesministerium für, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Bundesministerium für Bildung und Forschung Bundesministerium des Innern Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

Referenten für Tourismus der Bundesländer

federführende Kompetenz für die Tourismuspolitik der Bundesregierung liegt beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, im Referat Tourismus Koordinierung internationaler und nationaler Fragen des Tourismus für den Verkehrsbereich und Raumordnung zuständig u. a. für Fragen des Schuldrecht, u. a. Reisevertragsrecht und Verbraucherschutz im Vertragsrecht, Internationale Abkommen Herausgabe aktueller Länderinformationen, Reise- und Sicherheitshinweise, medizinische Empfehlungen, Reisewarnungen allgemeine und besondere Angelegenheiten der gesellschaftlichen Entwicklung, auch Natur- und Landschaftsschutz, Nachhaltigkeit im Tourismus, Förderung des Landurlaubs Fragen der Aus-, Fort- und Weiterbildung im Tourismus, Tourismusforschung Ein- und Ausreiseregelungen, Arbeits- und Erholungsverordnung, Tourismusstatistiken Natur- und Landschaftsschutz, Nachhaltigkeit im Tourismus, Agenda 21; im Rahmen der Politik für die ländlichen Räume erfolgt u. a. eine Förderung des Ländlichen Tourismus, sie ist ein wichtiger Bestandteil der Agrarpolitik, das agrarpolitische Förderinstrument bildet der Rahmenplan für die „Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK) jedes Land benennt einen Referenten (meist im Rang eines Ministerialrates, i. d. R. bei den jeweiligen Ministerien für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr angesiedelt) für Tourismusfragen

Modul A

2.5.1

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2 Tourismuspolitik

Vertretungen der EU in Deutschland

Abb. 2.5

Berlin, München, Bonn für Tourismus zuständig: Direktion D (Dienstleistung), Direktion E (Landverkehr), Direktion F (Luftverkehr), Direktion G (Seeverkehr)

Akteure der Tourismuspolitik in Deutschland

In Ermangelung einer höheren administrativen Einordnung wie in anderen Ländern, wird die deutsche Tourismuspolitik übergreifend durch folgende drei Gremien unterstützt (Bütow 2006): „Ausschuss für Tourismus“ des Deutschen Bundestages „Bund-LänderAusschuss Tourismus“ „Beirat für Fragen des Tourismus beim Bundesministerium für Wirtschaft“ Abb. 2.6

parlamentarischer Vollausschuss, in dem durch die Experten der Fraktionen Verhandlungen im Bundestag zur jeweiligen Thematik vorbereitet und z. B. auch Gesetzesentwürfe diskutiert werden Ausschuss, der die gegenseitige Unterrichtung und Koordinierung tourismuspolitischen Aktivitäten zwischen den zuständigen Ministerien von Bund und Länder vornimmt unterstützt den jeweiligen Bundesminister in Fragen der Tourismuspolitik und dient der Zusammenführung der Interessen von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, kommunalen Gremien und tourismuspolitischen Verbänden

Gremien der Tourismuspolitik in Deutschland

Zu den wirtschaftspolitischen Gestaltungsfeldern, die die Tourismuswirtschaft maßgeblich beeinflussen, zählen neben der Steuerpolitik und Arbeitsmarktpolitik vor allem die Maßnahmen der allgemeinen Mittelstandspolitik der Bundesregierung. Folgende fünf grundlegende Ziele der Tourismuspolitik hat die Bundesregierung (bereits 1994) formuliert:  Sicherung der für eine kontinuierliche Entwicklung im Tourismus erforderlichen Rahmenbedingungen;  Steigerung der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Fremdenverkehrswirtschaft (heute eher Tourismuswirtschaft);  Verbesserung der Möglichkeiten für die Teilnahme breiter Bevölkerungsschichten am Tourismus;  Ausbau der internationalen Zusammenarbeit im Tourismus;  Erhaltung von Umwelt, Natur und Landschaft als Grundlage des Tourismus.

2.5 Nationale Tourismuspolitik

2.5.2

53

Nicht-staatliche Träger der nationalen Tourismuspolitik

DZT – Deutsche Zentrale für Tourismus e. V. Die DZT wirbt für Deutschland als Urlaubsland sowie als Messe-, Tagungs-, Kongress- und Konferenzstandort im Ausland. Seit 1999 ist die DZT auch für überregionales Inlandsmarketing zuständig, sie setzt sich aus derzeit 49 Mitgliedern aus den Bereichen Touristische Unternehmen, Landesorganisationen und Verbände zusammen. Ziele der DZT sind u. a. die Steigerung des Reiseaufkommens und Erhöhung der Deviseneinnahmen, die Stärkung des Wirtschaftsfaktors Tourismus, die Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen, die Positionierung Deutschlands als vielfältiges und attraktives Reiseland, die Darstellung kultureller Werte im In- und Ausland, die Beratung bei der Aufarbeitung touristischer Produkte im Inland und das Marketing und der Vertrieb in den wichtigsten ausländischen Märkten. Die DZT sieht sich eher in der Tradition eines „Umsetzungsorgans“ für Tourismuspolitik und wird dabei vom BTW, DZT und von Fachverbänden unterstützt. Speziell der Tourismuswirtschaft kommen die im Bundeshaushalt vorgesehenen Mittel für die DZT und die Mittel zur Förderung der Leistungssteigerung im Tourismusgewerbe zugute. Die Zuwendungen an die DZT dienen der Präsentation Deutschlands als Urlaubs- und Reiseland im Ausland. Diese Form des Marketings ist angesichts des internationalen Wettbewerbs erforderlich, weil die klein strukturierten Marktteilnehmer in Deutschland diese Aufgabe aus eigener Kraft nicht leisten können. Die Finanzmittel wurden in den vergangenen Jahren kontinuierlich aufgestockt. DTV – Deutscher Tourismusverband e. V. Der DTV ist eine Interessensvertretung des öffentlichen Tourismus auf nationaler Ebene. Im DTV sind die touristischen Organisationen aus den Bundesländern organisiert. Fördernde Mitglieder wie z. B. der ADAC oder die Deutsche Bahn AG unterstützen die Arbeit gegenüber den politischen Entscheidungsträgern auf Bundes- und europäischer Ebene, Der DTV sieht sich als politischer Vertreter seiner Mitglieder beim Bund und bei der EU, als Dienstleister für die Mitglieder und alle Interessierten, als Qualitätsmanager für touristische Einrichtungen und Angebote (z. B. TIN, AGBs, Klassifizierungen und Standards), als Koordinator und Initiator von Aus-, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen und als Innovations- und Kompetenzzentrum für den Deutschlandtourismus. BTW – Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft e. V. Der BTW ist der unternehmerisch ausgerichtete Dachverband, der den Tourismusstandort Deutschland stärken, Steuerlasten senken, Mobilität zukunftsfähig gestalten, Subsidiarität in Europa wahrnehmen und Nachhaltigkeit fördern soll. Seit 2003 ist der

Modul A

Auf nationaler Ebene wird Tourismuspolitik darüber hinaus von Dach- und Fachverbänden, aber auch von Vereinigungen und Interessensvertretungen getragen bzw. unterstützt, aber auch stark beeinflusst. Nachfolgend werden einige wichtige Dachund Fachverbände sowie Vereinigungen und Interessensvertretungen genannt (Bütow 2006, Schroeder 2002):

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2 Tourismuspolitik

BTW Mitglied im BDI (Bundesverband der Deutschen Industrie) und seit 2002 ist der DTV Mitglied im BTW. DSFT – Deutsches Seminar für Tourismus e. V. Das DSFT, die zentrale Weiterbildungseinrichtung der deutschen Tourismuswirtschaft, bietet jährlich etwa 150 ein- und mehrtägige Seminare mit einem breiten Themenspektrum an. Die der Förderung der Steigerung der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Tourismuswirtschaft dienenden Haushaltsmittel werden schwerpunktmäßig für die Förderung von Fortbildungskursen des DSFT eingesetzt. Darüber hinaus werden Vorhaben der Marktbeobachtung, der Qualitätssteigerung von Produkten und der Absatzförderung unterstützt. Sie dienen der Stärkung der einzelbetrieblichen Leistungsfähigkeit und einer umweltverträglichen Entwicklung des Tourismus. Insbesondere werden spezifische Vermarktungshilfen für innovative Produkte und Projekte zur Qualitätssteigerung im Tourismus (z. B. Kinder- und Jugendreisen, umweltverträgliche Reiseformen sowie barrierefreier Tourismus) unterstützt. Den besonderen Belangen der neuen (Bundes-)Länder wird dabei Rechnung getragen. Weitere Organisationen, Verbände, Vereinigungen und Interessensvertretungen nehmen über verschiedene Wege, Methoden und Instrumente Einfluss auf die touristische Entwicklung.

Organisationen & Verbände DRV asr

Deutscher ReiseVerband Allianz selbständiger Reiseunternehmer – Bundesverband e. V. Deutscher Kur- und Heilbäderverband VDR Verband Deutsches Reisemanagement VPR Verband der Paketreiseveranstalter International DeHoGa Deutscher Hotel und Gaststättenverband IHA Hotelverband Deutschland BVCD Bundesverband der Campingwirtschaft in Deutschland DJH Deutsches Jugendherbergswerk AUMA Ausstellungs- und MesseAusschuss der Deutschen Wirtschaft gbk Gütegemeinschaft Buskomfort BDO Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer RDA Internationaler Bustouristik Verband ADFC Allgemeiner Deutscher FahrradClub ADL Arbeitsgemeinschaft Deutscher Luftfahrt-Unternehmen ADV Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen BVML Bundesverband mittelständischer Luftfahrt BAV Bundesverband der Autovermieter VFF Verband der Fährschifffahrt & Fährtouristik Abb. 2.7

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Vereinigungen & Interessensvertretungen DANTE Die Arbeitsgemeinschaft für Nachhaltige Tourismusentwicklung Studienkreis für Tourismus und Entwicklung forum anders reisen Bundesforum Kinder- und Jugendreisen BRAG Bundesverband der Reiseleiter, Animateure und Gästeführer Deutscher Wanderverband DGfR Deutsche Gesellschaft für Reiserecht Gate Gemeinsamer Arbeitskreis Tourismus und Ethnologie Touristik Arbeitsgemeinschaft Deutsche Alpenstraße VDRJ Vereinigung Deutscher Reisejournalisten Verein der Touristikfachwirte Willy Scharnow-Stiftung für Touristik AAC Arbeitskreis Aktiver Counter ARA Antirassistischer Arbeitskreis Arbeitsgemeinschaft Karibik (ebenso Arbeitsgemeinschaften für Indien, Lateinamerika, Jemen u. a.) Verkehrsverbände, z. B. ADAC, ADV Umweltverbände, z. B. BUND, DNR, NABU Behindertenverbände Sportverbände

Wichtige Organisationen, Verbände, Vereinigungen und Interessensvertretungen in Deutschland

Modul A

2.5 Nationale Tourismuspolitik

56

2.6

2 Tourismuspolitik

Regionale und Kommunale Tourismuspolitik

Auf regionaler Ebene sind die Landesverbände und Landesmarketingorganisationen die politischen Interessensvertreter des Tourismus gegenüber der Landes- und Bundesebene und geben den tourismuspolitischen Rahmen innerhalb der Bundesländer vor. Die Tätigkeit bzw. der Zweck der Landestourismusverbände kann gemeinwirtschaftlich (d. h. keine Gewinnerzielung) oder eigenwirtschaftlich (d. h. mit Gewinnerzielung) erfolgen und ist durch die dem Landestourismusverband angefügte Rechtsform (z. B. GmbH oder e. V.) gekennzeichnet. Ziele (Schnittmengen) der Landestourismusverbände können u. a. sein:  Förderung aller Maßnahmen, die dem Tourismus und der touristischen Infrastruktur dienen;  Vermarktung der Bundesländer und der touristisch relevanten Regionen im Inland und teilweise im Ausland;  Bindeglied zwischen den regionalen/lokalen Leistungsträgern, regionalen Verbänden, Dach- und Fachverbänden, politischen Entscheidungsträgern. Die Organisationsform auf regionaler Ebene ist i. d. R. der Landestourismusverband der Region, der als Dachverband bzw. als Dachorganisation für die Regionalverbände fungiert. Regionalverbände und Regionalmarketingorganisationen sind auf kommunaler Ebene aktiv und entwickeln sich zunehmend vom imagebildenden und politischen hin zu wirtschaftlich (trotz der Rechtsform eines z. B. e. V., denn auch diese dürfen kommerziell tätig sein) ausgerichteten „Destination Management Company“, sog. DMCs (Bütow 2006). Einen Überblick über Landestourismusverbände und wichtige Regionalmarketingorganisationen bzw. Regionalverbände (RV) gibt nachfolgende Tabelle. Dachverbände bzw. Dachorganisationen Bayern Tourismus Marketing GmbH Berlin Tourismus Marketing GmbH Tourismus-Marketing Brandenburg GmbH (TMB) – Landestourismusverband Brandenburg e. V. Bremer Touristik Zentrale (BTZ) Hamburg Tourismus GmbH Hessen Agentur (HA) Tourismusverband MecklenburgVorpommern e. V. Tourismus Marketing Niedersachsen GmbH Nordrhein-Westfalen Tourismus e. V.

Regionalverbände (RV)/Regionalmarketingorganisationen Baden Württemberg: Schwarzwald Tourismus GmbH und weitere zwölf RV Bayern: Tourismusverband München & Oberbayern e. V. und weitere zweiunddreißig RV Brandenburg: Potsdam Tourismus Service und weitere acht RV Hessen: Wiesbaden Congress & Tourist Service und weitere neun RV Mecklenburg-Vorpommern: Tourismuszentrale Rostock & Warnemünde und weitere sieben RV Niedersachsen: Hannover Tourismus Service und weitere 14 RV

Rheinland-Pfalz Tourismus GmbH/ Tourismus- und Heilbäderverband Rheinland-Pfalz e. V. Tourismus Zentrale Saarland GmbH Tourismus Marketing Gesellschaft Sachsen mbH Landesmarketing Sachsen-Anhalt GmbH Tourismus-Agentur Schleswig Holstein GmbH Thüringer Tourismus GmbH

Abb. 2.8

57

Nordrhein-Westfalen: Köln Tourismus GmbH und weitere 15 RV Rheinland-Pfalz: Tourismus & Service GmbH Ahr, Rhein, Eifel und weitere zehn RV Saarland: Fremdenverkehrszweckverband Saarpfalz-Touristik und ein weiterer RV Sachsen: Dresden-Werbung und Tourismus GmbH und weitere neun RV Sachsen-Anhalt: Tourismusverband Sachsen-Anhalt e. V. und weitere vier RV Schleswig-Holstein: Tourist Information Kiel e. V. und weitere fünf RV Thüringen: Tourismusgesellschaft Erfurt und weitere drei RV

Landestourismusverbände und wichtige Regionalmarketingorganisationen bzw. Regionalverbände (RV)

Auf lokaler Ebene spielt sich die Tourismuspolitik im „touristischen Alltag“ ab. Die Tätigkeiten liegen somit in der administrativen Tätigkeit (z. B. Tourismus-/Fremdenverkehrsämter, Kurverwaltungen), der öffentlichen und privatrechtlichen Tätigkeit (z. B. Tourismusvereine, Touristinfo), der unternehmerischen/privatrechtlichen Tätigkeit (z. B. Marketinggesellschaften, Einzelbetriebe) sowie der informellen Tätigkeit (z. B. Stammtische) ab. Die Organisations- und Rechtsformen auf lokaler Ebene können sein: Regiebetriebe, Eigenbetriebe, eingetragene Vereine (e. V.) und Gesellschaften mit beschränkter Haftung.  Thesen kommunaler Tourismuspolitik Der Ausschuss für Wirtschaft, Tourismus und Verkehr des Deutschen Städte- und Gemeindebundes hat im Jahr 2006 im Kontext regionaler und kommunaler Tourismuspolitik fünf „Thesen kommunaler Tourismuspolitik“ beschlossen. Die Thesen richten sich an alle Städte und Gemeinden in Deutschland und greifen einige Aspekte der Tourismuspolitik auf, die Querverbindungen zur lokalen Politik für den Mittelstand, die regionale Entwicklung und mehr zeigen. Inhaltlich konzentrieren sich die Thesen auf Tagestouristen, die ein unterschätztes Potenzial im Tourismusmarkt darstellen. Tagestouristen generieren bundesweit jährlich Einnahmen von rund 40 Mrd. Euro. Zu ihnen zählen Naherholungssuchende, Ausflügler, Besucher von Verwandten oder Bekannten, oder Menschen, die zu Einkaufs- oder Freizeitzwecken kurzfristig vor Ort sind. Die Beachtung touristischer Aktivitäten dieser Gruppe bzw. Tourismuspolitik in diesem Sinne kann auch für Städte und Gemeinden lohnenswert sein, die nicht ausdrücklich touristisch orientiert sind. Sie kann die wirtschaftliche Entwicklung und die Attraktivität der Gemeinde beeinflussen. Die Thesen kommunaler Tourismuspolitik bringen Feststellungen und grundsätzliche Funktionen zum Tourismus zum Ausdruck, die im Alltag nicht immer mit wünschenswerter Präsenz vorhanden sind. Sie haben für die örtliche Tourismuspolitik lediglich Empfehlungscharakter und

Modul A

2.6 Regionale und Kommunale Tourismuspolitik

58

2 Tourismuspolitik

müssen vor Ort gegebenenfalls ergänzt, angepasst und zugespitzt werden. Die Thesen zeigen aber auch Problematiken der Tourismusverantwortlichen im regionalen und kommunalen Umfeld auf.  Tagesreisen und Ausflüge sind Tourismus Tourismus ist ein wirtschaftlicher Querschnittssektor. Die amtliche Statistik erfasst jedoch nur die Beherbergungsstätten mit neun und mehr Betten sowie die Campingplätze in Deutschland. Oftmals richtet sich die örtliche Tourismuspolitik im Schwerpunkt an Übernachtungsgäste. Damit wird der Tourismus nicht annähernd abgebildet. Die Welttourismusorganisation (WTO) definiert Tourismus weiter: Touristen sind Personen, „die zu Orten außerhalb ihres gewöhnlichen Umfeldes reisen und sich dort für nicht mehr als ein Jahr aufhalten aus Freizeit- oder geschäftlichen Motiven, die nicht mit der Ausübung einer bezahlten Aktivität am besuchten Ort verbunden sind.“ Damit fallen unter den Tourismusbegriff auch Tagesgäste und Ausflügler. Ausgehend von den Reisezwecken bedeutet die Definition, dass auch Verwandten- oder Freundschaftsbesuche Tourismus oder Geschäftsreisende Touristen sind. Ausschlaggebend ist, dass eine Ortsveränderung stattgefunden hat, dass die Reisedauer nicht zu einem Daueraufenthalt (z. B. ein Jahr und länger) wird und es sich nicht um Arbeit (z. B. Arbeitsmigration als Erntehelfer) handelt. Tourismus ist demnach kein Thema, welches auf Kur- oder Erholungsorte und Bäder beschränkt ist. Das Einkommen aus dem Tourismus lässt sich gegebenenfalls steigern, wenn die spezifischen Bedürfnisse von Tagesgästen berücksichtigt werden. So könnte die Information über örtliche Veranstaltungen oder die Wegweisung angepasst werden, damit sie von Gästen wahrgenommen werden, die nur einen Tag oder weniger vor Ort sind.  Tourismus ist Wirtschaftspolitik Vielfalt ist ein Kennzeichen des Tourismus in Deutschland und Saison ist immer. Ländliche Räume, Städte oder Ballungsgebiete, Küsten, Seen, Flüsse und Berge bieten den Rahmen für touristische, kulturelle und sportliche Angebote. Großveranstaltungen sind ebenso attraktiv wie Möglichkeiten, individuell oder in kleinen Gruppen aktiv zu sein. Städte und Gemeinden sind dadurch in der Lage, ihr touristisches Potenzial weitgehend unabhängig von ihrer geographischen Lage zu entwickeln. Die Vielfalt der Erscheinungsformen von Tourismus muss als Vielfalt von Chancen verstanden werden. Tourismus ist nicht auf klassische Reisegebiete beschränkt. Der Trend geht zu Kurzurlauben. Ihre Anzahl ist in den letzten Jahren auf über 50 Mio. Urlaube gestiegen. Anlass für Kurzurlaube sind oft kulturelle Events, um die herum weitere Urlaubstage gelegt werden. Besonders Kulturveranstaltungen und das Einkaufsbedürfnis von Touristen sind deshalb dafür geeignet, Gäste auch außerhalb der typischen Sommerferienzeit für die Städte zu interessieren. Beispiele wie das Schleswig-Holstein Musikfestival oder der zunehmende Einkaufs- und Erlebnistourismus zu den Weihnachtsmärkten in Deutschland zeigen, dass es sich nicht um ein großstädtisches Thema handelt. Auch die Nachfrage und der Kaufkraftzufluss von Tagesreisenden bzw. Tagesurlauber sind ein nicht zu unterschätzender Faktor. Ländlicher Tourismus kann als Marketingchance für regionale Produkte („Urlaub zum Mitnehmen“) genutzt werden. Durch Tourismus wird Kaufkraft in die Region gelenkt. Eine in Deutschland noch sehr wenig genutzte Möglichkeit der Vermarktung ist der Schutz von Produkten mit Her-

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kunftsbezeichnung. So lag der gesamte Exportwert bayerischer agrar- und ernährungswirtschaftlicher Güter im Jahr 2006 bei ca. 5 Mrd. Euro. In Italien hingegen lag der Umsatz allein mit 156 ausgesuchten Produkten mit geschützter Ursprungsbezeichnung oder geschützter geographischer Angabe bei ca. 8 Mrd. Euro. Dass die Herkunft einen positiven Einfluss auf die Kaufentscheidung von Lebensmitteln hat, ist auch wissenschaftlich untersucht. Dennoch wird in Deutschland nur für vergleichsweise wenige Produkte eine europäische „geschützte Ursprungsbezeichnung“ oder „geschützte geographische Angabe“ beantragt. 2006 gab es lediglich 67 derartige Produkte. Andere Länder nutzen dieses Instrument erheblich stärker (z. B. Griechenland 84, Spanien 97, Frankreich 148, Italien 156, Portugal 93). Produkte mit dem Zusatz „Garantiert traditionelle Spezialitäten“, die sich für eine Vermarktung besonders gut eignen, gibt es überhaupt nicht aus Deutschland!  Mittelstandspolitik Aus dem tourismuspolitischen Bericht der Bundesregierung ergibt sich, dass 90% der touristischen Betriebe kleine und mittlere Unternehmen sind, u. a. Beherbergungsbetriebe mit mehr als neun Betten bzw. Campingplätze, eine Vielzahl von gastronomischen Betrieben, Dienstleistern, Kunsthandwerk und Kunstgewerbe, Anlagenbetreiber und weitere Unternehmen. Gerade im ländlichen und kleinstädtischen Bereich ergeben sich durch den Tourismus auch weitere indirekte wirtschaftliche, vor allem Beschäftigungseffekte. So haben die Halbzeitbewertungen der Entwicklungsprogramme für ländliche Räume der letzen EU-Förderperiode ergeben, dass in nennenswertem Umfang Arbeitsplätze im Tourismus bzw. touristischen Einrichtungen entstanden sind. Durch diese Einrichtungen sind auch Aufträge an die mittelständische Wirtschaft ausgelöst worden. In über 50% der Fälle kamen bei derartigen Aufträgen für Investitions- oder Erneuerungsmaßnahmen Unternehmen aus der eigenen Gemeinde bzw. dem eigenen Landkreis zum Zuge. Darüber hinaus tragen touristische Angebote, Infrastrukturen und Einrichtungen zur Pflege weicher Standortfaktoren im Sinne der Wirtschaftsförderung bei.  Tourismus schafft Arbeitsplätze! Inklusive Teil- und Saisonarbeitskräften schafft der Tourismus ca. 3,3 Mio. Arbeitsplätze. Davon entfallen ca. 1,6 Mio. in Städten ab 25.000 Einwohner und mehr. 1,2 Mio. Arbeitsplätze werden in den kleineren Städten und Gemeinden bis 25.000 Einwohnern angeboten. Der Anteil der vom Tourismus abhängigen Arbeitsplätze an der Gesamtbeschäftigung in Deutschland liegt bei ca. 8% (DTV 2012). Zwar sind diese Angaben nicht unumstritten, weil die Abgrenzung des Tourismus von anderen Bereichen in vielen Bereichen nicht absolut scharf ist, aber es wird deutlich, dass das Volumen nicht unerheblich ist. Unabhängig von der absoluten Anzahl der Arbeitsplätze kann man feststellen, dass Tourismus eine arbeitsintensive Branche ist. Viele Qualitätserlebnisse im Tourismus sind personen- bzw. servicebezogen. Vor allem für Frauen und für junge und weniger qualifizierte Menschen schafft die Tourismuswirtschaft Arbeitsplätze (hoher Anteil an Teilzeitarbeitsverhältnissen, flexible Arbeitsbedingungen). In nennenswertem Maße werden Arbeitsplätze und erreichbare Bildungschancen für wenig qualifizierte Arbeitnehmer im Servicebereich, der von schulischer Erstausbildung nicht unmittelbar abhängt, geboten. Ein Schwachpunkt ist, dass höher qualifizierte Arbeitnehmer oft leichter in anderen Branchen mit normalen Arbeitszeiten und

Modul A

2.6 Regionale und Kommunale Tourismuspolitik

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2 Tourismuspolitik

manchmal auch besserer Bezahlung Arbeitsplätze finden. Dieses Defizit wird mittlerweile ausgeglichen, seit der Ausbildungsberuf „Kaufmann/-frau für Tourismus und Freizeit“ angeboten wird. Ein weiterer Vorteil ist, dass mit relativ begrenztem Aufwand durch Qualifizierungsmaßnahmen im Personalbereich (Freundlichkeit) eine relativ hohe Wertschöpfung erreicht werden kann. Eine optimale Qualifikation wirkt sich langfristig positiv auf die Betriebe aus, weil sie wegen der hohen Personaldichte von der Leistungserbringung ihrer Mitarbeiter stärker abhängig sind als andere Betriebe. Investitionen in das Humankapital steigern die Produktivität und sind Ausgangspunkt für langfristige Wettbewerbsfähigkeit.  Kooperation erforderlich! Der Gast ist Ausgangspunkt aller touristischen Aktivitäten! Städte und Gemeinden sollten vorbehaltlos prüfen, ob eine überörtliche Zusammenarbeit möglich ist oder ob sie intensiviert werden kann. Zusammenarbeit muss auf allen Ebenen stattfinden: in der Gemeinde mit den Hoteliers, Gastronomen und Veranstaltern; überörtlich gemeinsam mit anderen Gemeinden und Unternehmen für die Region als Destination. Für die regionale Zusammenarbeit und Koordination sind die Anforderungen des Tourismus ausschlaggebend, nicht die Eigenheiten der beteiligten Verwaltungen. Zusammenarbeit schwächt nicht die Erkennbarkeit der Gemeinde, sondern vergrößert die Erkennbarkeit im touristischen Segment. Erst Zusammenarbeit ermöglicht die Ansprache des Gastes. Örtliche Strukturen werden nicht funktionslos, sondern garantieren die Qualität vor Ort. Das Außenmarketing der regionalen Destination muss der regionalen bzw. der Landes- und der Bundesebene überlassen bleiben. Von ausschlaggebender Bedeutung ist das Marketing von Destinationen und touristischen Angeboten innerhalb der Destinationen. Die zunehmende Verbreitung des elektronischen Vertriebsweges vervielfältigt die Informationsquellen. Eine Annäherung ist über die Umsatzentwicklung möglich. Wer alleine vorgeht, muss entweder groß genug sein, um ein eigenes erkennbares Profil zu platzieren, oder sich an ein zugkräftiges Angebot anhängen (z. B. Hotellerie in der Umgebung des Europaparks Rust mit seinem Gästeaufkommen). Beispielhaft für die Konzentrationstendenz im Tourismus ist der Hotel-, Reiseveranstalter- und Reisemittlermarkt. Diese Konzentration hat zu Skalenvorteilen in kooperierenden Unternehmen geführt.  Trends beachten! Viele Trends brauchen keine spezifischen naturräumlichen Voraussetzungen, sondern Infrastrukturen. Angebote für Wanderurlauber beispielsweise sind nicht so sehr von Mittelgebirgen abhängig, als vielmehr von Wanderwegen und begleitender touristischer Infrastruktur. Die Beschilderung, Ruheplätze und Einkehrmöglichkeiten oder die Erreichbarkeit sind für die Annahme von großer Bedeutung. Das Gleiche gilt in ähnlicher Weise für Wassersport oder für „ursprünglich“ regionale Tourismusangebote, die sich durch regionale Produkte auszeichnen. Ein Megatrend, der völlig unabhängig von geographischen Voraussetzungen ist, ist die Barrierefreiheit. Der Anteil alter und sehr alter Menschen wird relativ und absolut größer. Gäste, Einwohner sowie Veranstalter und Gastgeber müssen sich mit Einschränkungen der Beweglichkeit und der Wahrnehmungsfähigkeit auseinandersetzen. Angebote, die bei der Infrastruktur und beim Service erfolgreich auf das Bedürfnis nach Barrierefreiheit eingehen, nutzen die Erfahrung einer anspruchsvollen und erfahrenen Reisendengruppe. Barrie-

2.6 Regionale und Kommunale Tourismuspolitik

61

refreiheit herzustellen ist eine Voraussetzung für die Erhöhung der Attraktivität der Gemeinde und die Möglichkeit, das Gästepotenzial auszudehnen.













Tourismuspolitik kann auch als die „Kunst des Machbaren“, als ein durchaus pragmatischer Ansatz, verstanden werden, die unterschiedlichen Interessen aller Akteure in Einklang miteinander zu bringen. Ohne sie ist eine zielgerichtete Tourismusentwicklung weltweit nicht möglich. Zu den wesentlichen Einflussfaktoren auf den Tourismus und auf die Tourismuswirtschaft gehört der jeweilige gesellschaftlichpolitische Rahmen, in dem sich Tourismus entwickeln kann bzw. abspielen muss (Bütow 2006). Die mittlerweile sehr starke Verflechtung des Tourismus mit der Umwelt, dem Umfeld sowie mit der Gesellschaft, erfordert eine strukturierte und weitreichende gestaltende Tourismuspolitik. Das besondere Problem der internationalen Tourismuspolitik ist, dass sie nur Empfehlungen geben, aber keine direkten steuernden Entscheidungen treffen kann. Tourismuspolitik ist integraler Bestandteil der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung.

Vertiefungsfragen



 Definieren Sie die Begriffe Politik und Tourismuspolitik und Zeigen Sie die Zielsetzungen und die Instrumente der Tourismuspolitik auf!

 Welche grundsätzlichen Zielbereiche der Tourismuspolitik können betrachtet werden?

 Welche ökonomischen, sozialen und ökologischen Ziele verfolgt die Tourismuspolitik in Deutschland?

 Zeigen Sie auf, wer auf gesellschaftlicher Ebene die Träger der Tourismuspolitik sind!

 Zeigen Sie die staatlichen Akteure der nationalen Tourismuspolitik in Deutschland auf!

 Welche Aufgaben obliegen dem „Ausschuss für Tourismus“ des Deutschen Bundestages?

 Nennen Sie fünf grundlegende Ziele der Tourismuspolitik der Bundesregierung im Rahmen ihrer Mittelstandspolitik!

 Wo findet regionale und kommunale Tourismuspolitik statt? Nennen Sie auch die Akteure!

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Wichtige Erkenntnisse

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2 Tourismuspolitik



Literaturhinweise   

Berg, W., Tourismusmanagement, 2. Aufl., Ludwigshafen 2008 Bieger, T., Management der Destination, 5. Aufl., München 2002 Eisenstein, B./Rast, C., Wettbewerb der Destination, Fontanari, M. L., Scherhag, K. (Hrsg.), Wiesbaden 2000

 

Freyer, W., Tourismus, 10. Aufl., München/Wien 2011 Haedrich,

G./Kaspar,

C./Klemm,

C./Kreilkamp,

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Tourismus-Management,

3. Aufl., Berlin/New York 1998

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Kaspar, C., Die Fremdenverkehrslehre im Grundriss, 3. Aufl., Bern 1986 Kaspar, C., Einführung in das Tourismus-Management, Bern 1992

Internetquellen 

http://www.btw.de/



http://www.bmvbs.de/



http://www.deutschertourismusverband.de/



http://www.deutschland-tourismus.de/



http://europa.eu/index_de.htm



http://www.unwto.org/



http://www.wttc.org/eng

BTW - Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft e. V. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung DTV - Deutscher Tourismusverband e. V. DZT - Deutsche Zentrale für Tourismus e. V. EU – Europäische Union UNWTO/WTO – World Tourism Organization WTTC – World Travel & Tourism Council



Ausgewählte Managementformen im Tourismus

Lernziele



Am Ende dieses Kapitels sollten Sie Folgendes können:  wichtige unternehmensbezogene und unternehmensübergreifende Managementformen im Tourismus sowie deren Merkmale und Spezifika kennen;  die Notwendigkeit und die Funktionsweisen einzelner Managementformen für die Praxis erkennen;  die Sinnhaftigkeit der Einsatzmöglichkeiten einzelner Managementformen beurteilen;  in der Lage sein, die eine oder andere Managementform in einem touristischen Unternehmen zu implementieren.

Kommunikation – wichtigstes Instrument des Managements

Modul A

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3.1

3 Ausgewählte Managementformen im Tourismus

Grundlagen des Managements

„Das Haus wird Stein für Stein abgetragen, um es dann wieder Stein für Stein schöner, größer, funktionaler aufzubauen.“ So oder so ähnlich könnte man den Zustand der Tourismusindustrie zum heutigen Zeitpunkt beschreiben. Tourismusindustrie – was gehört eigentlich dazu? Zur Tourismusindustrie gehören Reisemittler, Gesamtleistungsträger (Reiseveranstalter) sowie Einzelleistungsträger (z. B. Beherbergungs-, Beförderungs- und Freizeitbetriebe). Tourismusindustrie? Industrie? Es mutet erstaunlich an, in Bezug auf eine in hohem Maße klein- und mittelständisch geprägten Branche von einer Industrie zu sprechen. Nun, auch die Tourismusindustrie kann sich dem Wandel nicht entziehen und muss sich an anderen Branchen orientieren. Die Zeiten, in denen lebensnotwendige und wichtige Entscheidungen zum Erhalt des Unternehmens intuitiv und aus dem Bauch heraus getroffen wurden, gehören der Vergangenheit an. Die Tourismusbranche ist auf dem Weg, sich „professionell“ zu gestalten. Das bedeutet, dass die Unternehmen der Tourismusbranche sich moderner und wissenschaftlich erprobter Managementkonzepte bedienen und Unternehmensstrukturen aufbauen, die dem derzeitigen globalen Marktgeschehen entsprechen und den aktuellen Gegebenheiten Rechnung tragen.

3.1.1

Der Begriff Management

Der Begriff Management leitet sich vom Lateinischen manus agere (an der Hand führen) ab; weitere Ursprünge dieses Begriffes liegen auch im Italienischen maneggiare (an der Hand führen), im Französischen ménagement und im Englischen manage. Nachfolgend werden einige Beispiele für die Verwendung des Begriffes Management gegeben: Air Traffic Management: Verwaltung und Überwachung des Luftraumes; Geschäftsführung: umgangssprachlich die Leitung einer Organisation; Managementlehre: Wissenschaft des Managements; Managementprozess: Steuerung der Geschäftsprozesse zur Erreichung der Managementziele; Managementsoziologie: Akteursgruppen im sozialen Kontext von Organisation und Gesellschaft; Planung: Abgleichung von Zielen und Mitteln, z. B. als Zeitmanagement, als Zukunftsmanagement oder Selbstmanagement; Strategisches Management: geplantes Handeln zum Erreichen der Unternehmensziele; Unternehmensführung: Steuerung, Gestaltung und Überwachung eines Unternehmens. Im englisch-amerikanischen Raum wird Management ganz allgemein als Führung bezeichnet. Differenziert betrachtet, kann Management unter zwei Aspekten gesehen werden: Management als Tätigkeit bzw. als Technik und Management als Institution (z. B. Top-, Middle- und Lower-Management). Als Tätigkeit und Technik umfasst Management alle notwendigen Vorgänge der Planung, Durchführung, Kontrolle und Steuerung, um ein Unternehmen für den Wettbewerb und den langfristigen Erhalt zu rüsten (Olfert/Rahn, 2011). Management wird (Gomez 1997) treffenderweise wie folgt beschrieben: „Die wichtigste Aufgabe des Managements besteht darin, sich über die Zukunft des Unternehmens Gedanken zu machen und Erfolg versprechende Wege in diese Zukunft konse-

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quent in Angriff zu nehmen. Richtig verstandene Unternehmensführung beinhaltet in diesem Zusammenhang die Suche nach einem harmonischen Mix von Vorwärtsstrategien zum Auf- und Ausbau der unternehmerischen Kernkompetenzen und Restrukturierungsstrategien zur kosten- und zeitoptimalen Ausgestaltung der Unternehmensprozesse. Dies muss unter Berücksichtigung der vielfältigen legitimen Interessen verschiedener Anspruchsgruppen wie der Aktionäre, der Mitarbeiter, der Kunden, der Lieferanten, des Staates und der Öffentlichkeit geschehen. Diese Spannungsfelder verlangen ein entschlossenes unternehmerisches Handeln sowie eine hohe organisatorische Flexibilität.“ Steinmann/Schreyögg verstehen Management einerseits als Institution, andererseits als ein Komplex von Aufgaben, die zur Steuerung eines Systems erfüllt werden müssen. Entsprechend werden ein „institutioneller Ansatz“ und ein „funktionaler Ansatz“ in der Managementlehre unterschieden. Managementansatz institutioneller Ansatz

Funktionsansatz

Abb. 3.1

3.1.2

Merkmale meint eine Gruppe von Personen, die in einer Organisation mit Anweisungsbefugnissen vertraut ist (also vom Meister bis zum Vorstandsvorsitzenden); geht weit über die im deutschen Sprachraum gebräuchliche Sichtweise, Management = Führungsebene, hinaus; schließt auch das Eigentümer-Unternehmer-Verhältnis mit ein und ignoriert die gebräuchliche Unterscheidung, wonach ein Manager ein kapitalloser Funktionär oder Auftrags-Unternehmer und der Unternehmer der Eigentümer ist, dessen Anweisungen durch das eingebrachte Kapital legitimiert wird. knüpft an diejenigen Handlungen an, die der Steuerung des Leistungsprozesses dienen (z. B. planende, organisierende oder kontrollierender Art).

Managementansätze

(Quelle: in Anlehnung an Steinmann/Schreyögg 2002)

Managementfunktionen

Um die komplexe Funktion des Managements besser verstehen zu können, bedarf es einer Zerlegung in ihre Teilaufgaben. Aus diesen Teilaufgaben hat sich ein Bouquet von Basisfunktionen herausgebildet. Die bekannteste ist die auf der Basis an Fayols anknüpfende Funktions-Klassifikation namens POSDCORB von Gulick.

Modul A

3.1 Grundlagen des Managements

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3 Ausgewählte Managementformen im Tourismus

P

Planning

O

Organizing

S

Staffing

D

Directing

CO

Coordinating

R

Reporting

B

Budgeting

Abb. 3.2

die allgemeine Bestimmung dessen, was zu tun ist und wie es getan werden soll, um die Unternehmensziele zu erreichen die Errichtung einer formalen Autoritätsstruktur, die Arbeitseinheiten bildet, definiert und im Hinblick auf das Gesamtziel koordiniert die Anwerbung und Schulung von Personal und die Gewährleistung adäquater Arbeitsbedingungen das fortlaufende Treffen von Einzelentscheidungen und ihrer Umsetzung in fallweise oder generelle Anweisungen die allgegenwärtige Aufgabe, die verschiedenen Teile des Arbeitsprozesses zu verknüpfen die fortlaufende Information der vorgesetzten Ebene über die Entwicklung des Aufgabenvollzuges, einschließlich der fortwährenden Eigeninformation und die der unterstellten Mitarbeiter die Wahrnehmung aller Aufgaben, die zur Budgetierung gehören, insbesondere Budgetaufstellung und Budgetkontrolle

POSDCORB-Funktionsmodell

(Quelle: Steinmann/Schreyögg 2002)

Der stetig härter werdende Wettbewerb in der Tourismusbranche, führt bei den Unternehmensführern zur Erkenntnis, dass herkömmliche Unternehmensführungskonzepte nicht mehr in dem gewohnten Umfang greifen, ja gelegentlich auch versagen. Beschleunigt wird diese Entwicklung durch den stetigen Wandel von Verkäuferin Käufermärkte, eine Entwicklung, die seit einiger Zeit auch in den einigermaßen stabil geglaubten Nischenmärkten feststellbar ist. Die eben geschilderte Situation schafft Handlungsbedarf und mündet oftmals in einem Suchprozess nach neuen Konzepten und Strategien. Nachfolgende Vorgehensstrategien des Managements haben sich in den letzten Jahren entwickelt und Eingang in Tourismusorganisationen gefunden. unternehmensübergreifende Managementformen  Destinations-Management  Aviation-Management  Qualitätsmanagement  Umweltschutz-Management  Corporate Social ResponsibilityManagement  Projektmanagement

Abb. 3.3

Managementformen

unternehmensbezogene Managementformen  Yield-Management  Human Resources Management  Beschwerde-/ Reklamationsmanagement  Change-Management  Lean-Management  Risk-Management  Account-Management  Cash-Management  Krisenmanagement  Medien-Management (Quelle: in Anlehnung an Dettmer 2005)

3.2 Yield-Management

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In diesem Kapitel werden einige ausgewählte, für den Tourismus wichtige Managementformen vorgestellt, die als Grundlage für neue Strategien dienen, damit sich Unternehmer dem Wettbewerb anpassen können.

Yield-Management

Der Wandel von Verkäufer- zu Käufermärkten, und dies vor dem Hintergrund zunehmender Mitbewerber, haben die Managementform Yield-Management zu einem preispolitischen Instrument der modernen Unternehmensführung werden lassen. So entwickelte im Zuge der Deregulierung des US-amerikanischen Luftverkehrs die amerikanische Fluggesellschaft American Airlines in den späten 1970er Jahren einen neuartigen Ansatz zur Preis- und Kapazitätssteuerung mit dem Ziel, die Kapazitätsauslastung und den Gesamtertrag zu steigern (Kühne 2003). Die Grundidee des Konzepts bestand darin, die Sitzkapazitäten eines Flugzeuges in einzelne Kontingente aufzuteilen und an die verschiedenen Kundensegmente zu verkaufen. Zu diesem Zweck wurden einerseits stark ermäßigte Discountflugscheine angeboten, die den Siegeszug aggressiver Low-Budget-Airlines bremsen sollten. Auf der anderen Seite wurde für später buchende Geschäftsreisende gleichzeitig eine bestimmte Anzahl an Sitzplätzen freigehalten, damit dennoch ein Gewinn erwirtschaftet werden konnte. Um für jedes Teilsegment die optimale Kontingentgröße bestimmen zu können, legte American Airlines eine umfangreiche Datenbasis an und wertete diese mit Hilfe moderner Instrumente des Operations-Researchs aus.

3.2.1

Begriffsdefinition

Unter Yield-Management versteht man die dynamische Steuerung der Preise und Kapazitäten, um die vorhandene oder vorgegebene Gesamtkapazität ertrags- und gewinnoptimal zu nutzen (Gabler 2000). Yield, aus dem Englischen übersetzt, bedeutet Ertrag, Gewinn, Rendite, Ausbeute u. a. Wörtlich übersetzt bedeutet Yield-Management soviel wie Ertragsmanagement, frei übersetzt Mehrwertschöpfung, die zu einem größtmöglichen Durchschnittsertrag führt (Dettmer/Hausmann 2006). Die korrekte Bezeichnung ist Revenue-Management. In der Praxis werden dagegen ausschließlich die Begriffe Yield-, Ertrags- oder Umsatzmanagement verwendet. Yield bezeichnet nur den durchschnittlichen Ertrag pro verkaufte Einheit, hier geht es jedoch konkret darum, den Gesamtertrag einer bestimmten „Dienstleistungseinheit“ (Beförderungs- und Beherbergungsleistung) zu steigern.

3.2.2

Anwendungsgebiete und Ziele des Yield-Managements

Als klassische Anwendungsgebiete des Yield-Managements gelten die Luftfahrt (sowohl im Passagier- als auch im Frachtbereich) und die Beherbergungsindustrie. Da-

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3.2

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3 Ausgewählte Managementformen im Tourismus

rüber hinaus werden Yield-Managementsysteme in der Beförderungsindustrie (z. B. Schienen- und Busverkehr, Schifffahrt), bei Konzertveranstaltern, Internetprovidern oder den TV-Sendern für den Verkauf von Werbeblöcken eingesetzt. Eine verstärkte Ausbreitung des Yield-Managements ist in letzter Zeit bei Non-Profit-Organisationen (z. B. Gesundheitswesen, Bildung) sowie in der Auftragsfertigung bei Industrieunternehmen zu beobachten (Kühne 2003). Yield-Management ist bei vielen Beförderungsträgern und Beherbergungsunternehmen zu einem festen Bestandteil der Unternehmensführung geworden. Das Ziel, dass mit dem Einsatz des Yield-Managements verfolgt wird, ist in erster Linie die Ertragsmaximierung des Unternehmens und ferner die Umsatzmaximierung sowie die Auslastungsoptimierung. Der Ansatz des Yield-Management ist es, Preis und Kapazitäten zu steuern, indem eine gegebene Gesamtkapazität so in Teilkapazitäten aufgeteilt und Preisklassen gebildet werden, dass eine Ertrags- und Umsatzmaximierung erreicht wird. Voraussetzung für die Realisierung dieses Zieles ist der Aufbau und die Nutzung einer umfassenden Informationsbasis über das Nachfrageverhalten der Kunden/Gäste. Das ursprünglich aus dem Luftverkehr kommende Steuerungstool lässt sich problemlos auch auf andere Beförderungsträger und die Beherbergungsindustrie übertragen (Becker 2003). Die Gründe dafür sind:   

 

die Marktstrukturen in der Beherbergungs- und Beförderungsindustrien ähneln denen der liberalisierten Luftfahrt; das Ziel der Auslastung der „verderblichen Ware“ (Flugzeugsitz oder Hotelbett) verleitet viele Unternehmen zu einem ruinösen Preiskampf; die elektronische Vermarktung sowohl im Beförderungs- als auch im Beherbergungssektor weist eine steigende Tendenz auf – erkennbar ist dieser Trend an der Präsenz der Fluggesellschaften und Hotels im Internet, an dem Angebot der Buchungsmöglichkeiten im Internet, sowie an der steigenden Bereitschaft der Nachfrager, auch über das Internet zu buchen; in elektronischen Medien lassen sich Preise und Kapazitäten schnell und kostengünstig anpassen; Yield-Managementsysteme sind nicht nur den Konzernen vorbehalten, sondern werden vermehrt auch von klein- und mittelständischen Unternehmen genutzt und für diese entwickelt.

3.2.3

Instrumente des Yield-Managements

Die Instrumente des Yield-Managements sind die Preisdifferenzierung und die gezielte Kapazitätssteuerung durch Kontingentierung der angebotenen Beförderungs-, Beherbergungs- und Dienstleistungen (z. B. Beförderungsklassen oder Hotelzimmerkategorien). Unter Preisdifferenzierung ist eine preispolitische Strategie zu verstehen, bei der für im Grunde genommen gleiche Produkte/Leistungen von verschiedenen Kunden, an verschiedenen Orten, zu verschiedenen Zeiten unterschiedliche Preise gefordert werden. Beispiele für Preisdifferenzierungen im Zusammenhang mit dem Einsatz von Yield-Management können u. a. sein: unterschiedliche Beförderungs- und Tarifklas-

3.2 Yield-Management

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sen bei Fluggesellschaften mit einer zeitlichen Differenzierung nach Buchungstermin (je früher oder später gebucht wird, desto niedriger oder teurer ist der zu zahlende Preis). Aufgrund des verschärften Wettbewerbes in der Tourismusindustrie im Allgemeinen und in der Beherbergungs- und Beförderungsindustrie im Besonderen muss mit einer gezielten Preisdifferenzierung gearbeitet werden. Diese sollte auf die Leistungen der einzelnen Unternehmen abgestimmt sein (Dettmer 2005). Zwei wichtige Überlegungen spielen hierbei eine Rolle: die Segmentierung und die Selektierung.

Segmentierung

Selektierung

• Reisezweck

• temporäre Termine

• Reisender

• Buchungstermin

• Kundenstruktur

• Gästebezug

• Reisezeitpunkt

• Buchungskanal

• Aufenthaltsdauer Abb. 3.4

Überlegungen für Yield-Management

 Segmentierung: Segmentierung bedeutet, den Tourismusmarkt nach differenzierten Kriterien aufzuteilen. Dies ist bedeutsam, um die differenzierten und angebotenen Preise dem Kunden gegenüber transparent darzustellen. Kriterien der Segmentierung sind: Reisezweck (z. B. Erholung, Regeneration, Geschäftsreise, Informationsreise); Reisender (z. B. Einzel-, Gruppen-, Familienreisen); Kundenstruktur (z. B. Geschäftsleute, Senioren, Familien); Reisezeitpunkt (z. B. unterschiedliche Saisonzeiten, Messetermine, Wochen-ende, Feiertage) und Aufenthaltsdauer (z. B. Ausflug, Kurzreise, Urlaubsreise, Langzeitreise).  Selektierung: Nach der Segmentierung wird eine Selektierung vorgenommen; eine marktgerechte Anpassung an die Nachfrage. Kriterien der Selektierung können sein: temporäre Termine (z. B. bestimmter Messetermin, Zwischensaisontermin, Feiertag); Buchungstermin (z. B. Frühbucher, Spätbucher, Dauertarif, Last-Minute-Tarif); Gästebezug (z. B. Senioren, Familien, Einzelreisende, Gruppen) und Buchungskanal (z. B. Eigen-, Reisebürobuchung, Reservierungszentrale).

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Überlegungen für Yield-Management

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3 Ausgewählte Managementformen im Tourismus

Darüber hinaus spielt auch die Kontingentierung im Rahmen des Yield-Managements eine wichtige Rolle. Unter Kontingentierung ist die Bestimmung der optimalen Kapazitätseinheit zu verstehen. Der Wert einer Buchungsanfrage ist abhängig vom Preis, Netz (z. B. bei Beförderungsträger), Ort, Buchungskanal und vom Kunden. Dabei sind unterschiedliche Risiken und Kostengrößen zu berücksichtigen. Wird eine Kundenanfrage wegen begrenzter Verfügbarkeit abgelehnt, kann eine suboptimale Kapazitätsnutzung (d. h. eine Ertragseinbuße) daraus resultieren, wenn für die entsprechende Kapazität später keine Anfragen mehr erfolgen. Ebenso kann die frühzeitige Annahme einer Buchung zeitlich später auftretende höherwertige Nachfrage verdrängen. Zur Bestimmung und Steuerung der Teilkontingente wird deshalb der Wert jeder Kundenanfrage zu schätzen versucht, und es werden nur die „rentablen“ Anfragen akzeptiert. Im Laufe des Planungshorizontes werden die Kontingente je nach Buchungsanfall kontinuierlich neu festgelegt. Berücksichtigt werden muss ein Aspekt der Produktdifferenzierung: handelt es sich um tangible Elemente (z. B. Service, Convenience) oder um intangible Elemente (z. B. Vorausbuchungsfrist, Mindestübernachtung oder Mindestaufenthalt am Zielort).

3.2.4

Rahmenbedingungen des Yield-Managements

Die betriebswirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die bei den Beförderungsträgern und Beherbergungsanbietern zur Einführung des Yield-Managements führten, sind beispielsweise bei Fluggesellschaften:   



der starke Konkurrenzdruck durch z. B. etablierte Netzcarrier sowie in den letzten Jahren verstärkt durch sog. Low-Cost-Airlines/Low-Budget-Airlines/NoFrills-Airlines; kurzfristig nicht variierbare Kapazitäten mit damit einhergehenden hohen Fixkostenanteilen; angebotene Kapazität kann nur während einer begrenzten Periode zur Ertragserzielung eingesetzt werden und „verdirbt“ nach einem bestimmten Zeitpunkt, wenn sie nicht verkauft wird (z. B. ein leerer Flugzeugsitz oder ein nicht verkauftes Hotelbett); Nachfrage ist typischerweise durch hohe zeitliche Schwankungen, einen unsicheren zukünftigen Verlauf und große Heterogenität der Kundensegmente gekennzeichnet.

Yield-Management sollte unter folgenden Rahmenbedingungen am sinnvollsten praktiziert und angewendet werden:   

Nachfrage nach begrenzten Kapazitäten und Leistungen durch unterschiedliche Kundensegmente/Zielgruppen; Verhinderung des „Verderbens“ ungenutzter Kapazitäten/Leistungen; Varianz der Nachfrage zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Zeitablauf.

3.2 Yield-Management

Voraussetzungen für ein erfolgreiches Yield-Management

Nahezu alle touristischen Unternehmen (z. B. Fluggesellschaften, Hotels, Reiseveranstalter) weisen eine hohe strukturelle Fixkostenbelastung auf. Die Leistungen müssen vorgehalten werden und „verfallen“ bei Nichtnutzung zu einem bestimmten Zeitpunkt. Somit spielt der Aspekt der „verderblichen Waren“ beim Yield-Management eine große Rolle. Ein weiterer Aspekt beim Einsatz des Yield-Managements ist die „Unmöglichkeit der nachträglichen Lieferung“, denn eine Nachlieferung zum Zeitpunkt X ist obsolet, denn der Kunde wurde bereits von einem Mitbewerber „beliefert“ (Dettmer/Hausmann 1999). Aus diesen zwei Tatsachen ergeben sich Voraussetzungen für ein erfolgreiches Yield-Management. Zum einen muss die Preisstruktur eine Kapazitätssteuerung ermöglichen, unterschiedliche Produktlinien werden zu unterschiedlichen Preisen angeboten. Auch muss die Möglichkeit gegeben sein, für dasselbe Produkt unterschiedliche Preise zu verlangen. Zum anderen spielt die ITInformationstechnologie eine wichtige und besondere Rolle. Fachleute interpretieren Yield-Management als ein IT-gestütztes Expertensystem zur Optimierung einer preisgesteuerten Kapazitätsauslastung. Ein solches System muss von vielen anderen Systemen mit Informationen, die sodann verarbeitet werden, gespeist werden. Diese sind:      

interne Informationssysteme, in denen die Vertragskonditionen, die eigenen Kapazitäten, ggf. Kapazitätsalternativen sowie Preise hinterlegt sind; CRS/GDS, aus denen noch verfügbare und bereits gebuchte Kapazitäten/Leistungen, Buchungsstände, Flugpläne hervorgehen; Buchungsdatenbanken, die historische Daten (Vergangenheitswerte) liefern; Check-in-Systeme der Fluggesellschaften; Data-Managementsysteme der Leistungsträger, aus denen Buchungs-Historys abgerufen werden können; externe Informationssysteme, die die Preise und Kapazitäten der Mitbewerber vorhalten sowie besondere Termine (z. B. Messen, Events) anzeigen.

Das Yield-Managementsystem muss in der Lage sein, diese o. g. Informationen zu verarbeiten. Daraus ergeben sich folgende Funktionen des Yield-Managementsystems. Prognosefunktion zu erwartender Buchungsverlauf, Nachfragestruktur und Stornoquote Abb. 3.5

Bewertungsfunktion Erträge und Kostenstruktur je Kapazitätseinheit

Optimierungsfunktion Kapazitätssteuerung, Klassen-, Preis- und Buchungsmix

Funktionen eines Yield-Managementsystems

Angebotsfunktion Preise und Angebote

Modul A

3.2.5

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3 Ausgewählte Managementformen im Tourismus

Als letzte Voraussetzung benötigt ein funktionierendes Yield-Managementsystem ein effektives und effizientes Vertriebssystem, um die Kapazitäten flächendeckend und Absatzoptimal zu vertreiben. Der Vertrieb erfolgt über nachfolgend dargestellte Vertriebskanäle, auch Vertriebsmix genannt. Direktvertrieb via Internet, Callcenter direkt an den Kunden Abb. 3.6

Eigenvertrieb über eigene Verkaufsbüros, Franchisepartner, Kooperations-Reisebüros

Fremdvertrieb über Mittler (z. B. Reisebüros, Agenten), Makler und Händler

Vertriebskanäle im Vertriebssystem eines Yield-Managementsystems

3.2.6

Chancen und Risiken des Yield-Managements

Für ein touristisches Unternehmen, sofern es sich für den Einsatz von YieldManagement entscheidet, ergeben sich aus dem Einsatz wesentliche Chancen und Risiken. Chancen

Risiken

Abb. 3.7

 Reduzierung bislang ungenutzter Kapazitäten und dadurch zusätzliche Erträge und Gewinne für das Unternehmen;  das Yield-Managementsystem verbessert informatorische Grundlagen im Unternehmen und unterstützt Entscheidungen der Unternehmensführung über Leistungs- und Preisgestaltung;  Yield-Management führt zu einem umfangreichen und differenzierten Leistungsangebot und somit zu Wettbewerbsvorteilen.  durch das Yield-Management ausgelöste ermäßigte Angebote können langfristig den Referenzpreis, also den langfristig vom Kunden wahrgenommenen und auch akzeptierten Preis, der Kunden/Gäste beeinflussen;  dadurch werden in Folge reguläre Angebote von den Kunden/Gästen als inakzeptabel bewertet, und führen zu einer unfairen Betrachtung;  Yield-Management kann sowohl von den eigenen Mitarbeitern als auch von Kunden/Gästen als unübersichtlich betrachtet werden, das führt zu Verärgerung und im Extremfall zu Abwanderungen.

Chancen und Risiken durch Yield-Management

Grundsätzlich gilt: Um Dissonanzen beim Kunden vorzubeugen, sollte der Einsatz der Instrumente des Yield-Managements, insbesondere die Preisgestaltung für die jeweiligen Zielgruppen möglichst transparent sein. Preisdifferenzierungsmaßnahmen sollten sich auf objektiv nachvollziehbaren Kriterien beziehen (z. B. eindeutige Kategorien der Leistung, Saisonzeiten, Früh- oder Spätbucherpreise, Messetermine). Yield-Managementmaßnahmen dienen nicht der 100%igen Auslastung der Kapazitäten, sondern der optimalen Auslastung der Kapazitäten bei maximalem Ertrag.

3.3 Cash-Management

Cash-Management

Für touristische Unternehmen, insbesondere für Reiseveranstalter, mit ihrem hohen Vorfinanzierungsanteil spielt Cash-Management eine bedeutende Rolle. Unternehmen der Reiseindustrie (z. B. Reiseveranstalter, Hotels und Verkehrsträger) finanzieren einerseits hohe Volumina beim Einkauf von Reiseleistungen (z. B. Hotel- und Flugkontingente, Treibstoff) vor, andererseits erhalten sie auch Anzahlungen zu einem Zeitpunkt, der einige Wochen oder Monate vor der Erbringung der Leistung liegt. Die Problematik dabei ist, dass An- und Restzahlungen (meist zwei bis drei Wochen vor dem Ereignis) durch den Kunden bis zur Erbringung der Leistung eine Verbindlichkeit diesem gegenüber darstellen und nicht mit den Auszahlungen des z. B. Reiseveranstalters „vermengt und verrechnet“ werden dürfen. Das Unternehmen muss trotz hoher An- und Restzahlungen seinen Leistungserstellungsprozess aus eigenen finanziellen Ressourcen (i. d. R. aus dem Cashflow) finanzieren. Dies hat zur Folge, das z. B. die Liquidität eines Reiseveranstalters im Zeitverlauf eines „Touristischen Jahres“ (01. April bis 31. März oder 01. Oktober bis 30. September) hohen Schwankungen unterworfen ist und das Unternehmen trotz hoher Bargeldbestände (über die es aber nicht verfügen „darf“) erhebliche Auszahlungen leisten muss.

3.3.1

Abgrenzung und Funktion des Cash-Managements

Cash-Management bezeichnet alle Maßnahmen der kurzfristigen Finanzdisposition im Unternehmen und dient der Überwachung und Steuerung des Dispositionsbestandes an liquiden Mittel (z. B. Bargeld, Sichtguthaben, nicht ausgenutzte Kreditmöglichkeiten und kurzfristig monetisierbare Finanzanlagen). Das Cash-Management ist (sollte) Teil des Finanz- und Risikomanagements eines Unternehmens (sein) und kann entweder direkt bei der Konzernobergesellschaft oder über eine konzerneigene Finanzierungsgesellschaft im In- oder Ausland erfolgen. Es umfasst dabei sämtliche Aufgaben und Maßnahmen, die zur Sicherung der Liquidität und zur Erreichung höchster Effizienz im Zahlungsverkehr durchgeführt werden. Im Gegensatz zur Finanzplanung erfolgt mit Hilfe des Cash-Managements die Feinabstimmung im Hinblick auf die Möglichkeiten der z. B. Kapitalbeschaffung (um Kapitalkosten zu minimieren) oder der Anlage der liquiden Mittel. Das Cash-Management geht dabei über eine reine Finanzverwaltung hinaus, da hier eine aktive, zielorientierte Steuerung der Liquidität mit dem Ziel der Sicherstellung und Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit des Unternehmens vorgenommen wird. Eine weitere Zielsetzung ist das Erreichen einer definierten Rentabilität der eingesetzten Mittel. Das bedeutet die Maximierung des Zinsertrages für Überschüsse sowie die Minimierung von Transaktionskosten. Daneben ist es notwendig, auf eine Minimierung der mit dem Cash-Management verbundenen Risiken zu achten. Im Rahmen eines Risiko-Managementsystems sollten Richtlinien für die Nutzung von Kreditinstituten, Finanzinstrumenten und Märkten festgelegt werden.

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3.3

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3 Ausgewählte Managementformen im Tourismus

Abgeleitet von der Kernaufgabe der Liquiditätsdisposition gehört es gleichfalls zu den Aufgaben des Cash-Managements, für eine optimale Anbindung von Bankkonten zu sorgen. Ein Unternehmen beispielsweise, das im Euro-Raum mehrere Niederlassungen mit eigenen Bankkonten unterhält, muss für eine optimale Liquidität sicherstellen, dass die verfügbare Liquidität auf diesen Konten auf einem zentralen Konto konzentriert wird beziehungsweise Liquiditätsunterdeckungen auf diesen Konten ausgeglichen werden. Das Cash-Management bedient sich dabei einem Kontenausgleichsverfahren, das Banken anbieten. Die Anforderungen an das Cash-Management sind geprägt von einer hohen Aktualität und permanenten Verfügbarkeit der finanzwirtschaftlichen Daten. Zu unterscheiden sind einfache Cash-Managementsysteme wie z. B. Electronic-Banking (Umsatz- und Saldenübersichten, Kontobewegungen) sowie erweiterte Cash-Managementsysteme für zusätzliche Liquiditätsprognosen, Risikoanalysen und standardisierte Transaktionen. In der Tourismusindustrie wird Cash-Management bislang lediglich bei größeren Unternehmen und bei Konzernen praktiziert. Mittelständische und kleine Betriebe vergeben durch die Nicht-Anwendung von Cash-Management die Chance, ihre Liquidität und Kapitalisierung zu verbessern.

3.3.2

Aufgaben und Gestaltungsräume des Cash-Managements

Dem Cash-Management kommen die Aufgaben, Liquiditätsplanung, Disposition liquider Mittel, Gestaltung der Zahlungsströme und des Managements der Währungsrisiken (gerade bei touristischen Unternehmen von hoher Relevanz) zu. Wichtigster Ausgangspunkt ist jedoch immer die kurzfristige Liquiditätsplanung. Liquiditätsplanung: Dabei werden alle Zahlungseingänge und -ausgänge für einen bestimmten Zeitraum, z. B. für einen Monat, erfasst und saldiert, um einen Überblick über die Liquiditätssituation zu erhalten. Zur genauen Feststellung der jeweiligen Zahlungsfähigkeit wird aufgrund der Kontostände und Daten aus der Finanzbuchhaltung ein täglicher Liquiditätsstatus erstellt. Gleichzeitig erfolgt eine zukunftsorientierte Liquiditätsplanung durch die Aufstellung von Finanzplänen, welche einen kurz- bis mittelfristigen Planungszeitraum aufweisen. Je weiter die Pläne dabei in die Zukunft reichen, desto niedriger ist in der Regel ihre Planungsgenauigkeit. Die durch die Planung gewonnenen Informationen bilden dann die Grundlage für alle Entscheidungen und Vorgänge im Bereich des Cash-Managements. Disposition liquider Mittel: Umfasst sind hier Maßnahmen zur Deckung von Liquiditätsdefiziten und zur Anlage von Liquiditätsüberschüssen. Das Cash-Management muss sowohl auf planmäßig vorhersehbare, als auch auf nicht prognostizierbare Liquiditätsschwankungen angemessen reagieren. Liquiditätsdefizite müssen im Hinblick auf die Sicherstellung der Zahlungsbereitschaft durch kurzfristige Kreditfinanzierung ausgeglichen werden. Erzielte Liquiditätsüberschüsse sind hingegen zinsbringend anzulegen. Die Entscheidungen über angemessene Kapitalbeschaffungs- bzw. Anlageformen hat dabei auf Grundlage des vorgegebenen strategischen Rahmens im Bereich der Finanzierung zu erfolgen.

3.4 Krisenmanagement

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Währungsrisikomanagement: Hierbei spielt die Wechselkursproblematik eine große Rolle, da Wechselkursänderungen eine Reihe wirtschaftlicher Risiken bergen. Aufgabe des Währungsmanagements im Rahmen des Cash-Managements ist die Begrenzung der Wechselkursrisiken durch entsprechende Absicherungsmaßnahmen, z. B. durch Devisentermingeschäfte (wichtig bei Einkauf von Hotelkontingenten im USDollar Raum oder bei Treibstoff einer Fluggesellschaft der grundsätzlich in USDollar kontrahiert wird). Die Vor- und Nachteile des Cash-Managements für Unternehmen zeigt nachfolgende Tabelle. Vorteile  optimale Ausnutzung vorhandener liquider Mittel  Umgehung konzernexterner Geldgeber (z. B. durch Außen- und Fremdfinanzierung)  Reduzierung bankbezogener Kosten  Ausgleich von Währungsrisiken (insbesondere bei Reiseveranstalter und Fluggesellschaften)  Größenvorteile bei der Finanzierung neuer Projekte oder des laufenden Geschäfts  Reduktion von Insolvenzrisiken  geringere zentrale Liquiditätsreserve (insbesondere in der mehrbetrieblichen Markenhotellerie) Abb. 3.8

3.4

Nachteile  Transaktionskosten der Abteilung CashManagement sowie Verwaltungsaufwand (Bürokratisierung)  Abhängigkeit von der zentralen Liquiditätsversorgung  Gefahr der Risikoverlagerung, ggf. auch Risiko durch Spekulationen auf den Finanzmärkten  Fokus auf kurzfristige Gewinnerzielung  Entscheidungsferne der „Finanzspezialisten“  Offenleung der finanziellen Verhältnisse gegenüber Dritten  Abhängigkeit vom Anbieter des CashManagementsystems

Vor- und Nachteile des Cash-Managements

Krisenmanagement

Das Wort Krise entstammt dem Altgriechischen und bedeutet soviel wie „entscheidende Wendung“. Krisen bringen i. d. R. Risiken, aber auch viele Chancen. Einer Krise muss/soll man den Beigeschmack einer Katastrophe nehmen und schon kann man ihr etwas Positives abgewinnen (M. Frisch). Krisenmanagement ist eine „[b]esondere Form der Führung, deren Aufgabe es ist, Prozesse zu bewältigen, die den Fortbestand der Unternehmung substanziell gefährden oder unmöglich machen“ (Krystek). Somit ist sie die beste Voraussetzung für angewandtes ChangeManagement. Charakteristisch für eine Krise ist, das es sich um ein schwerwiegendes

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Gestaltung der Zahlungsströme: Hierbei werden ein möglichst kostengünstiger Transfer sowie der optimale Zeitpunkt von Zahlungen angestrebt. Ziel ist es, die Kosten der Kapitalbewegungen, wie z. B. Bankgebühren, Zinsen oder Kosten der internen Bearbeitung zu reduzieren.

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3 Ausgewählte Managementformen im Tourismus

Ereignis handelt, von dem ein Unternehmen stark betroffen ist, einen hohen Entscheidungs- und Handlungszwang unter extremen Zeitdruck erfordert. Dabei sinken die Handlungsoptionen mit anwachsendem Zeitraum ab dem Eintritt des Ereignisses, bei i. d. R. sehr begrenzten Eingriffs- und Abhilfemöglichkeiten. Krisenmanagement ist vor allem für krisenanfällige Unternehmen und Branchen eine permanente Führungsaufgabe. In diesen Unternehmen sollten ständige Krisenmanagement-Teams eingerichtet werden, welche die Aufgabe haben, alle denkbare Arten von Krisen zu erkunden, Pläne und Handlungsrichtlinien zu deren Bewältigung und Bekämpfung auszuarbeiten, und im Unternehmen Krisenbewusstsein zu entwickeln.

3.4.1

Arten Spezifika von Krisen

Im Sprachgebrauch wird der Begriff Krise oftmals mit Katastrophe gleichgesetzt. Eine Katastrophe ist ein spontan eintretendes Unglück mit tragischem Ausgang, welches nicht mehr abwendbar ist und meistens mit einer Kommunikations- und Vertrauenskrise für das Unternehmen einhergeht. Eine Krise kann sich sowohl positiv als auch negativ entwickeln, jedoch kann sie bei rechtzeitiger und angemessener Reaktion positiv verlaufen. Krisen sind oftmals die Folgen von Katastrophen. Krisen können Unternehmen in eine existenzbedrohende Situation führen. Man kann zwischen beherrschbaren und nicht-beherrschbaren Unternehmenskrisen unterscheiden. Krisenmanagement ist eine besondere Form der Unternehmensführung und dient der Vermeidung bzw. Bewältigung negativer Entwicklungen wie beispielsweise: drohende Insolvenz wegen Zahlungsschwierigkeiten, Kundenrückgänge wegen schlechter Presse, Sabotage, nachlassende Konjunktur und Nachfrage, starker und harter Wettbewerb, Überschätzung der eigenen Unternehmenskompetenz, Vernachlässigung der Mitarbeiterqualifikation, Anschläge auf das Unternehmen oder auf Kunden des Unternehmens, fehlerhafte Produkte. Im Tourismus gibt es ausgeprägte und zu erwartende oder immer wieder eintreffende branchentypische Krisensituationen, manche „angekündigt“, andere „unangekündigt“ wie z. B. Insolvenzen, Zahlungsunfähigkeiten und Unternehmensschließungen (teilweise oder vollständig) aufgrund von Flugzeugabstürze, Anschläge auf Touristen mit Körperverletzung und/oder Todesfolge, Umweltkatastrophen, Unfälle von Reisebussen, Zugunglücke. Krisen können auch unter dem Blickpunkt des Krisenverlaufes betrachtet werden. Sie können in folgende vier Phasen unterschieden werden:    

potenzielle Krise: die Krise ist noch ein gedankliches Gebilde über die Störung des Betriebsablaufes bis hin zur Existenzgefährdung; latente Krise: die Krise ist ausgebrochen, aber noch sind die Ursachen nicht festzustellen; akute, aber beherrschbare Krise: der Ausgang der Krise ist unklar, es wird von einem positiven Ausgang ausgegangen; akute und nicht beherrschbare Krise: z. B. Liquidation von Amtswegen.

3.4 Krisenmanagement

3.4.2

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Ursachen für Krisen und ihre Auswirkungen im Tourismus

externe Ursachen interne Ursachen exogene Ursachen endogene Ursachen

Abb. 3.9

konjunkturelle Fehlentwicklungen, Änderungen im Konsumverhalten, Naturkatastrophen, Terrorismus, politische Instabilität, Epidemien/Pandemien, Kriege und Unruhen. Managementfehler, Qualitätsmängel, Sicherheitsmängel. Krisenursachen in den Zielgebieten: z. B. geophysische, soziokulturelle, politische, religiöse und gesundheitliche Faktoren (Krankheiten); Krisenursachen auf der Reise: z. B. Flugzeugentführungen, Überfälle auf Reisebusse, Bahnen. Krisenursache Mensch: z. B. Managementfehler; Qualifikationsmangel beim Personal: z. B. kein bzw. nur unzureichendes Sicherheitswissen, Fahrlässigkeit, Nichtbeachtung von Vorschriften, Streik, Sabotage; Krisenursache Technik: z. B. fehlende bzw. mangelhafte Sicherheitsvorkehrungen, kostenbedingte Reduzierung der Sicherheit, technisches Versagen durch Material- oder Konstruktionsfehler, Verschleiß.

Externe, interne, exogene und endogene Ursachen von Krisen

Die Auswirkungen einer Krise auf ein Unternehmen können materieller oder immaterieller Natur sein. materielle Auswirkungen  Stornierungen und Umbuchungen  Auslastungsrückgänge  sinkende Umsätze  zusätzliche Kosten für Beseitigung, Wiedergutmachung  Kapitalverlust Abb. 3.10

3.4.3

immaterielle Auswirkungen  Imageschäden am Unternehmen und an Personen  Vertrauensverlust  Kundenabwanderung  Motivationsverlust beim Personal

Auswirkungen von Krisen

Verfahren zur Identifikation potenzieller Krisen

Im Rahmen des Krisenmanagements bedient man sich unterschiedlicher Methoden der Betriebs- und Umfeldanalyse. Es werden sowohl systematische Verfahren (z. B. strategische Frühaufklärung und retrospektive Analysen) als auch kreative Verfahren

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Die Ansätze der Klassifizierung von Krisen sind verschieden. Einem allgemeinen Ansatz zur Folge können Ursachen für Krisen im Tourismus sowohl nach internen und externen als auch nach exogenen und endogenen Faktoren unterteilt werden, beispielhaft dargestellt in nachfolgender Tabelle.

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3 Ausgewählte Managementformen im Tourismus

(z. B. Expertenbefragungen und Szenariotechniken) eingesetzt. Nachfolgend werden einige Verfahren zur Identifikation potenzieller Krisen aufgezählt. kennzahlenorientierte Frühaufklärung Systemmerkmale quantitative Methoden; basiert auf Kennziffern und Kennziffernsysteme; Soll-/Ist-Abweichungen werden ermittelt; eher der 1. Ordnung im operativen Einsatz angewendet; Krisenerkennung erst im (Generation) latenten Stadium möglich; einfache Handhabung und daher vielfach angewendet. Systemmerkmale quantitative Methoden; verwendet Indikatoren für Länderrisiken (z. B. politische Faktoren, Störungen in der Zahlungsbider 2. Ordnung lanz einer Volkswirtschaft); ökologische Risiken (z. B. Satel(Generation) litenbilder, Laserscanner); betriebliche Risiken (z. B. Mitarbeiterfluktuation); computergestützte Analysen möglich. Systemmerkmale qualitative Methoden; willkürliche Suchen nach Anzeichen; Krise bereits in der potenziellen Phase; ständige Suche nach der 3. Ordnung „schwachen Signalen“, z. B. unerwartete Häufung gleicher (Generation) Erscheinungen und Ereignisse, Publikationen neuer Meinungen und Ideen, Stellungnahme und Meinungsäußerungen wichtiger Personen, Initiativen zu Änderung der Gesetzgebung. Strategische Frühaufklärung Signallokalisierung, Ursachenermittlung, Wirkungsprognose, signalorientierte signalspezifische Szenario-Erstellung; Vergleich der PrämisUmweltanalyse sen der strategischen Planung und signalspezifischen Szenarioereignissen; Beurteilung der Abweichungsermittlung; Suche nach strategischen Handlungsalternativen; Beurteilung und Entscheidung über strategische Handlungsalternativen. strategische Frühaufklärung wird in Gruppenarbeit durchgekreative führt; verknüpfen Erfahrung mit Intuition und Fachwissen mit Verfahren Phantasie; die Quantität geht vor Qualität und die Probleme werden in einer subjektiven Wirklichkeit gelöst. Szenario-Technik qualitative und quantitative Methoden werden vereinigt; es werden Zukunftsbilder in Teamarbeit anhand von Annahmen gebildet. Die Vorgehensweise erfolgt in folgenden Schritten: 1) Untersuchungsgegenstand definieren; 2) zeitlichen Horizont bestimmen; 3) Einflussfaktoren bestimmen und analysieren; 4) zukünftige Entwicklung und den Zustand der Faktoren bestimmen; 5) Szenarienbildung mit unterschiedlicher Berücksichtigung bzw. Gewichtung der Faktoren; 6) Störfallanalyse. Abb. 3.11

Verfahren zur Identifikation von Krisen

3.4 Krisenmanagement

3.4.4

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Schwerpunkte des Krisenmanagements

    

Gesundheit der Menschen sichern, physischen und psychischen Schaden abwenden; Urlaub und Reiseerlebnis der Kunden sichern; Zukunft des Unternehmens sichern; die Krise auch unter dem Aspekt der Kosten (auch Folgekosten) abwenden; in der Krise auch eine Chance sehen.

In jedem Fall sind die zentralen Schwerpunkte des Krisenmanagements die Krisenvermeidung und die Krisenbewältigung. Krisenvermeidung bedeutet, kritische Entwicklungen erst gar nicht in ein akutes Stadium anwachsen zu lassen, sondern diese mit dem Einsatz von Früherkennungsund Prognosetechniken vorbeugend bekämpfen oder entsprechende Gegenmaßnahmen einleiten. Dies setzt aber voraus, dass die sich anbahnende Entwicklung auch als Krise erkannt wird. Das ist oftmals schwierig, weil Krisen kaum vorhersehbar bzw. vorausbestimmbar sind. Krisenbewältigung bedeutet, bei der bereits eingetretenen Krise und deren Erscheinungsformen zweckentsprechend zu reagieren. Dies setzt ein Krisenkonzept voraus. Inhalte eines solchen Krisenkonzeptes müssen sein: 1) Krisenstab mit Personenkreis, die bei Eintritt der Krise bestimmte Aufgaben im Unternehmen übernehmen; 2) Checklisten über die Vorgehensweise, Reihenfolge der Arbeiten, Aufgaben und Tätigkeiten; 3) Kontakte zur Presse für die Information, Aufklärung betroffener Angehörigen und der Öffentlichkeit; 4) Freischaltung von Notrufnummern und Betreuung von Angehörigen und berechtigten Personenkreisen. Gerade im Tourismus sind übergreifende Präventionskonzepte und gute Kommunikationsstrukturen bei Eintritt einer Krise lebensnotwendig. Die typischen Schwierigkeiten bei der Bewältigung einer touristischen Krise sind vor allem darin begründet, dass eine stark verzweigte Struktur von Lieferanten und Erfüllungsgehilfen vorliegt, die im Krisenfall optimal koordiniert werden müssen und durch die Nicht-Erreichbarkeit der Personen und die gegebenen Kommunikationsproblemen (technischer oder kultureller Art) erschwert wird, da die touristischen Leistungen in anderen Länder und Kontinente erbracht werden. Überlegungen zu einer generellen Krisenprävention im Unternehmen sprechen u. a. von: ethische und moralische Gründe den Kunden und deren Angehörigen gegenüber, wirtschaftliche Gründe des Unternehmens, rechtliche Zwänge seitens des Gesetzgebers. Gegen eine Krisenvorsorge sprechen aus Sicht der Unternehmen: die unzureichende Unternehmensgröße (kleines Unternehmen), Risiko einer Krise wird als gering eingeschätzt, fehlendes Personal, keine Zeitreserven für den Aufbau eines Krisenpräventionskonzeptes, fehlende finanzielle Ressourcen und die Infrastruktur.

Modul A

Krisenmanagement kann differenziert werden in aktives Krisenmanagement (antizipativ und präventiv) oder reagierendes Krisenmanagement (repulsiv und liquidativ). Die wichtigsten Ziele des Krisenmanagements von Tourismusunternehmen sind/müssen sein:

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3 Ausgewählte Managementformen im Tourismus

3.4.5

Die Bedeutung der Kommunikationspolitik im Krisenfall

Die Bedeutsamkeit einer Krise resultiert u. a. daraus, dass durch einen einzigen unglücklichen Vorfall das in jahrelanger Öffentlichkeitsarbeit aufgebaute, gute Image eines Unternehmens zerstört werden kann und oftmals auch wird. Die Öffentlichkeitsarbeit soll im Normalfall die Einstellung der Anspruchsgruppen zum Unternehmen positiv beeinflussen durch z. B. zeitnahe Pressekonferenzen und Presseveröffentlichungen sowie eine sehr gute Kontaktpflege zu den Medien und Geschäftsberichte. Dieselben Kanäle werden/sollen auch in einem Krisenfall benutzt werden. Es bieten sich jedoch zunächst einmal zwei Vorgehensalternativen an: eine defensive und eine offensive Vorgehensweise. Defensive Strategie (wenig erfolgsversprechend): z. B. Abwarten und Hinhalten; Gegendarstellungen aufbauen und vertuschen; Abschotten gegenüber den Medienvertretern; mit Verleumdungsklagen drohen. Offensive Strategie: z. B. frühzeitiges Einleiten von Maßnahmen; freiwillige und selbstständige Information gegenüber allen Wirkungsbereichen; Bemühungen um Beseitigung der Problemursachen. Die Besonderheit der Krisen-PR liegt in der Schadensbegrenzung, d. h. in der Schaffung von Verständlichkeit und Transparenz, in der Verdeutlichung der Zusammenhänge. Eine Beteiligung und Identifikation der obersten Unternehmensleitung mit dem Vorfall, den Betroffenen und dem Schaden ist anzustreben. Negative Ereignisse sind durch die Zwischenschaltung von Medien erfahrbar zu machen. Alle Mitarbeiter müssen über die Kommunikationsstrategie informiert und einbezogen sein. Grundsätzlich gilt es, Offenheit, Klarheit und Gradlinigkeit zu zeigen, denn dies führt zu Glaubwürdigkeit und auch zu einer (durch die hohe Aufmerksamkeit, die das Unternehmen gerade genießt) Chance.

3.4.6

Probleme im Krisenfall

Eine Krise kündigt sich selten im Voraus an. Sie tritt irgendwann ein und trifft das touristische Unternehmen sodann auch mit voller Wucht. Das Unternehmen hat in diesem Moment keine Zeit mehr, sich auf die Krise und deren Bewältigung vorzubereiten, sondern das Unternehmen muss bereits vorbereitet sein. Vorbereitet sein bedeutet, innerhalb kürzester Zeit nach Eintritt der Krise (z. B. einer missglückten Landung eines Flugzeuges mit Personenschaden) einen Krisenstab einzuberufen, in dem geschulte Mitarbeiter nach genau festgelegten Aufgaben, Tätigkeiten und Entscheidungshierarchien sofort tätig werden und Folgendes leisten:   

alle nötigen Maßnahmen zur Rettung, Evakuierung zu organisieren und zu koordinieren; Kontakt zu Krankenhäusern und Hilfestellung der Geschädigten vor Ort; Überprüfung des Versicherungsschutzes der Betroffenen um sicherzustellen, welche maximalen Leistungen dem Geschädigten zugutekommen können;

3.4 Krisenmanagement

   

24-Stunden-Telefondienst, um die telefonischen Anfragen zur Katastrophe zu beantworten; Information der Familienmitglieder und Verwandten; Organisation von Maßnahmen, die von den jeweiligen lokalen Behörden sowohl im Zielgebiet als auch im Quellgebiet erbracht werden müssen; Organisation der Rückführung der verletzten, erkrankten und verstorbenen Personen; Organisation der Pressearbeit, um einen möglichen Imageschaden vom Unternehmen abzuwenden.

Um eine solche Krise zu meistern, kann man einerseits eigene Mitarbeiter abteilungsübergreifend auswählen und diese zu einem Krisenteam zusammenstellen und über regelmäßige Schulungen, Meetings, Durchspielen und Simulation von Krisen sicher stellen, dass das Team jederzeit einsatzbereit ist. Andererseits kann man im Krisenfall auf externe Interventionsteams zurückgreifen, die sozusagen als externe Task-ForceEinheit das Krisenmanagement übernimmt. In jedem Fall benötigt jedes Unternehmen einen „Fahrplan“ für den Krisenfall.

3.4.7

Krisenhandbuch

Es sei jedem Unternehmen dringend geraten, ein Handbuch zu erstellen, welches für alle Mitarbeiter den „Fahrplan“ für die Bewältigung der Krise aufzeigt. Inhalte des Handbuches: Verantwortliche (Einsatzleiter), Teammitglieder und alle sonstigen Ansprechpartner; Anzahl der Mitglieder und des Einsatzteams und der Teamleiter; genaue Auflistung der Abteilungen, der Personen und deren Funktion im Einsatzteam mit genauer Kontaktmöglichkeit (Telefon, Fax, Pager, u. a.) auch während ihrer Freizeit; weitere Personen, die benachrichtigt werden müssen/können/ sollen aufgrund ihrer Entscheidungsbefugnis oder aufgrund ihrer unterschiedlichen Kompetenzen; Ablaufplan für die bei Krisenfällen notwendigen immer einzuleitenden Schritte und Maßnahmen. Regelung des Bereitschaftsdienstes: Einteilung des Bereitschaftsdienstes mittels eines wöchentlichen Einsatzplanes; Änderungsprocedere des Bereitschaftsdienstes; Bereitschaftspflichten (stetige Erreichbarkeit, Anforderungen an die Freizeitplanung, Zeitvorgaben nach denen sich das Bereitschaftsmitglied nach Meldung einer Krise im Krisenzentrum einzufinden hat); Bereitschaftskontrolle (kann durch Testanrufe bei den einzelnen Bereitschaftsmitgliedern erfolgen, um sicherzustellen, dass jedes Mitglied stets auf den Ernstfall vorbereitet ist); Vergabe und Einsatz von Mobiltelefonen, Ladegeräten, Berücksichtigung von Funklöchern (z. B. am Wohnort eines der Teammitglieder), Einweisung Telefonanlagen; regelmäßiger Infodienst sowie Schulungen und Übungen; Einweisung in das Handbuch, regelmäßige Vorträge und Briefings durch den Betriebspsychologen, durch Betriebsärzte, Rechtsanwälte; Organisation von ein bis drei Probealarmen im Jahr, um auch die Funktion der Computer und der für den Notfall vorgesehenen Software-Programme und Tools auf die Bereitschaftsfähigkeit zu überprüfen.

Modul A



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3 Ausgewählte Managementformen im Tourismus

Benötigte Vertragspartner: Vertragspartner können z. B. Versicherungen und Reiseversicherungen sein, über die das normale Tätigkeitsrisiko abgesichert ist oder über die der betroffene Kunde abgesichert ist; Behörden (Polizei, Innenministerium, Wirtschafts- und Verkehrsministerium, Auswärtiges Amt) mit denen im Krisenfall die Zusammenarbeit zwingend ist; medizinische und psychologische Dienst einer Assistance; Psychologen-Teams; Medien- und PR-Agenturen. Räumlichkeit: Es muss für den Fall ein Raum bereit stehen, welcher im Krisenfall als Krisenzentrum dient. Die Anforderungen an diesen Raum sollten sein: genügend Telefonanschlüsse, genügend PC-Arbeitsplatzmöglichkeiten, Roll-Container mit ausreichendem Büromaterial, Beamer, Fernseher. In jedem Roll-Container muss eine Grundausstattung an Formularen vorhanden sein, zudem Schreibzeug, Ersatztelefone, Headsets sowie Ersatzbatterien für selbige, Kopien der Handbücher und des Einsatzleiterhandbuches, Stundenzettel, wichtige Informationen für die Mitarbeiter und Einsatzleiter, Anleitungen für Telefonanlagen, Passwörter für die Computer, Aufkleber mit Informationen die häufig verwendet werden (Telefon-, Faxnummer, Internetadressen), sonstige Gerätschaften wie ausreichend Faxgeräte, Kopierer, Papiershredder; Sicherung des Raumes und Zugangskontrolle nur für Berechtigte. Alarmierung aller Beteiligten im Krisenfall: Tritt der Krisenfall ein, wird der Dienst habende Einsatzleiter alarmiert (ggf. auch sein Stellvertreter). Es folgt die anschließende Benachrichtigung (im Schneeballsystem) aller Mitglieder des Einsatzteams; erste Auswertung der Information und Vornahme einer Einstufung der Krise; anschließende Benachrichtigung aller weiteren Partner und Mitglieder, die für die jeweilige Einstufung der Krise nötig sind. Alle relevanten Maßnahmen sowie die Befehls- und Kommandostruktur: Entscheidend ist die Festlegung der Befehls- und Kommandostruktur mittels Organigramm/Diagramm. Das bedeutet, dass im Krisenfall sehr viele Einzelentscheidungen getroffen werden müssen, die durchaus schwerwiegende Folgen finanzieller, rechtlicher und auch medizinischer Art haben können. Für die professionelle Abwicklung ausgesprochen wichtig ist eine klare Unter- und Überstellung. Es muss klar geregelt sein, wer welche Art von Entscheidungen in der Wirkung bis zu welcher finanziellen Höhe treffen darf und wer nicht. In dieser Entscheidungsstruktur müssen alle Entscheider (sowohl aus dem eigenen Unternehmen als auch die Entscheider aus den Partnerunternehmen, z. B. Unternehmensführung einer Reiseversicherung, die die Kunden versichert hat) beteiligt sein: 

 

Aufgabenfestlegung nach Teamleiter/Einsatzleiter und dem Team, Zuständigkeiten, wer Aufträge für Rückholung erteilen darf, wer Informationen an die Presse weitergeben darf, mit entscheidenden Stellen Kontakt hält und Arbeitsaufträge verteilt; strengstens auf Datenschutz achten und nach Beendigung des Einsatzes werden alle Informationen datenschutzgerecht entsorgt; der Einsatzleiter oder sein Stellvertreter hat für die reibungslose interne Organisation zu sorgen;

3.5 Risikomanagement

  

Verstärkung und/oder Austausch von Mitarbeiter, Verpflegung, regelmäßige Versorgung mit Informationen, Einhaltung der Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes; Aufteilung der Aufgabenkette; Gesprächsannahme, weitere Bearbeitung, Aufnahme und Speicherung der Informationen, Weiterleitung zur Entscheidung, Ablage und Vernichtung der Informationen; Übergabe/Schichtwechsel während des Einsatzes.

Ende des Einsatzes: Die Beendigung des Einsatzes erfolgt nach vorher genau definierter Situation und Überlegung. Der Einsatzleiter erstellt einen umfassenden Abschlussbericht zur Dokumentation aller Abläufe und durchgeführten Maßnahmen, gefolgt von einer Auswertung und einem Briefing mit den Mitgliedern des Teams.

3.5

Risikomanagement

Risikomanagement ist die systematische Erfassung und Bewertung von Risiken sowie die Steuerung von Reaktionen auf festgestellte Risiken. Es ist ein systematisches Verfahren, das in vielfältigen Bereichen Anwendung findet (z. B. bei Unternehmens-, Kredit-, Finanzanlage-, Umweltrisiken, bei versicherungstechnischen und technischen Risiken). Risikomanagement beschreibt, die Handhabung der Risiken, die sich somit aus der unternehmerischen Tätigkeit und dem Handeln ergeben. Was ist Risiko? Risiko ist die mit der Ungewissheit der Zukunft begründete und durch Störungen verursachte Gefahr, geplante Ziele zu verfehlen. Mögliche Störungen und Risiken im Tourismus können u. a. sein: sehr starke Währungsschwankungen, die die Kalkulation eines Reiseveranstalters zunichte machen; Erhöhungen der Kerosinpreise; gesetzliche Änderungen bezüglich der Besteuerung von Unternehmen und Leistungen; Tarifabschlüsse für Mitarbeiter; neue Bewertung und Einstufung des Unternehmens (z. B. nach Basel II, bedeutsam bei der Finanzierung); plötzliche wirtschaftliche und politische Instabilität im Zielgebiet bis hin zum Marktaustritt der gesamten Destination; Insolvenz eines Leistungsträgers (z. B. Fluggesellschaft, Hotelkette), die für die gesamte Saison vertraglich verpflichtet wurde; Kündigungswelle von Mitarbeiter, die für das Unternehmen als unverzichtbar gelten; Kündigung der Mieträume durch den Vermieter bzw. Erhöhung des Mietzinses; Erweiterung der Ladenöffnungszeiten (z. B. bei Unterbringung von Reisebüros in Einkaufzentren) und die daraus resultierenden höheren Lohnkosten.

3.5.1

Aufgaben des Risikomanagements

Dem Risikomanagement kommen im Wesentlichen folgende Aufgaben zu: Festlegung einer Risikomanagementstrategie, Identifikation von Risiken, Bewertung der Risikowirkung und die Bewältigung der Risiken, Steuerung der Risikoabwehr, Monitoring, also Früherkennung und Strukturierung und Dokumentation in einem RisikoManagementsystem.

Modul A



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3 Ausgewählte Managementformen im Tourismus

Identifikation der Risiken: d. h. Erkennung der Risiken, denen das Unternehmen ausgesetzt ist. Hier ist eine umfassende Bestandsaufnahme aller Risiken, denen sich das Unternehmen ausgesetzt sieht, vorzunehmen. Die Schwierigkeit besteht hier darin, dass viele Tatbestände und Gegebenheiten nicht mal ansatzweise als Risiko empfunden werden und somit als solches gar nicht erkannt werden. An dieser Stelle wäre es gerade für kleine und mittelständische Unternehmen sinnvoll, anhand einer Checkliste alle Tatbestände, Verträge, Abhängigkeiten, Verpflichtungen aufzuzählen und sich die daraus resultierenden Konsequenzen als mögliches Risiko vorzustellen. Bewertung der Risikowirkung: d. h. die Bewertung des Risikos hinsichtlich der Höhe und Eintrittswahrscheinlichkeit. Kleinere Risiken und Störungen können ggf. leicht gelöst werden. Für komplexe Störungen und Risiken, für die keine Handlungsanleitungen und Vorgehensweisen definiert sind, empfiehlt sich die Zerlegung des Problems in kleine Einheiten und die Bewältigung der „kleineren Risiken“. Hierbei sollten alle Möglichkeiten der Improvisation und der Disposition ausgeschöpft werden. Bewältigung des Risikos: Die Bewältigung erfolgt durch Beeinflussung der Risikosituation. Dabei sind unterschiedliche Regeln zu beachten:

unnötige Risiken

produktbezogene Risiken

bekannte Risiken Risikoarten

längerfristige Risiken Abb. 3.12





vertragliche Risiken

Regeln bei der Risikobewältigung

unnötige Risiken sind zu vermeiden, das bedeutet keine Verschuldung, keine riskanten Handlungen im Sinne von Kalkulationen, keine Erschließung neuer Destinationen mit noch einem ungewissen Risikofaktor, suboptimale Personalund sonstige Kosten u. a.; bekannte Risiken sind zu vermindern, z. B. durch neue Vertragsgestaltung oder durch Wechsel der Geschäftspartner. Hier sollten ggf. Rücklagen und Rückstellungen gebildet werden für den Fall, dass das Risiko akut wird;

  

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vertragliche Risiken können durch die Allgemeinen Geschäftsbestimmungen vermindert werden, wobei eine totale Absicherung durch die AGBs, i. d. R. durch die gesetzlichen Bestimmungen kaum möglich ist; längerfristige Risiken können durchaus durch langfristige Verträge mit Öffnungsklauseln und entsprechenden Versicherungen abgesichert werden, eine Absicherung des Unternehmerrisikos ist jedoch nicht versicherbar; produktbezogene Risiken können gestreut werden, beispielsweise durch eine Produkt- oder Sortimentsdiversifikation. Das bedeutet eine entsprechende Ausweitung der Produkt- und Sortimentspalette auf gleicher Produktstufe oder auf der vor- und/oder nachgelagerten Produktstufe. Laterale Diversifikationen (Produktstufenerweiterung um branchenfremde Produkte) kann auch angedacht und umgesetzt werden. Jedoch besteht hier die Gefahr, neue Risiken einzugehen, da man in den jeweiligen Branchen u. U. keine Kompetenz besitzt.

Aus diesen Regeln ergibt sich Handlungsbedarf, der abhängig von dem jeweiligen Unternehmen unterschiedlich umgesetzt wird. Touristik-Konzerne gehen diese Probleme analytisch und pragmatisch an, haben eine sehr breite Produktstreuung, flexible Verträge mit Geschäftspartnern, strategische Vertragsbindungen, ändern ihre Kalkulationsansätzen und -methoden, sichern sich ihre Einkaufswährungskurse durch Banken ab, und wenn ein Beschaffungs- und Kapazitätsengpass ausgemacht wird, wird ggf. eine Fluggesellschaft gekauft, gegründet oder sich an ihr beteiligt. Ebenso kann im Bereich der Beherbergung verfahren werden. Dies zeigt sich an der Menge der steuerbaren Bettenkapazitäten über die vertikal-integrierte Touristik-Konzerne heute verfügen. Kleine Reiseunternehmen, inhabergeführte Reisebüros, Verkehrsbetriebe, Nischenveranstalter treffen oftmals intuitiv die richtige Entscheidung, sind sich der Risiken bewusst, ohne das diese problematisiert werden. Dennoch wird eine zielgerichtete Analyse auch für diese Unternehmen immer wichtiger, da sich in dem wirtschaftlichen Geschehen die Spielregeln immer schneller ändern.

3.5.2

Risikoverminderung und Risikovermeidung

Risikoverminderung und Risikovermeidung kann erfolgen durch: Umwandlung von fixen Kosten in variable Kosten, u. a. durch Outsourcing von Abteilungen oder Unternehmensbereichen (z. B. Reinigung, Druckerei, Buchhaltung). Variable Kosten dürfen durchaus etwas höher sein, sie fallen nur dann an, wenn ein Arbeitsauftrag vorliegt. Diversifikation, d. h. Ausweitung der Produkt- und Dienstleistungspalette um somit Nachfrageeinbrüche in einem Bereich oder Geschäftsfeld zu kompensieren. Spezialisten und Nischenveranstalter haben durchaus ihre Vorzüge (z. B. verfügen sie über eine gewisse Produkt- und Sortimentstiefe, Kompetenz, hohe Beratungsqualität), jedoch können jederzeit Umstände eintreten, die das Unternehmen nicht beeinflussen kann.

Modul A

3.5 Risikomanagement

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3 Ausgewählte Managementformen im Tourismus

Leasing (Finanz- oder Kaufleasing) statt Kauf: somit wird die Kapitaldecke geschont, Leasing ist steuerlich interessant, sichert i. d. R. eine optimale Liquidität (jedoch keine Möglichkeiten, die Verträge ohne Abstandszahlungen zu kündigen). Qualitätsmanagement: sichert hohen Anteil an Stammkunden, eine geringe Reklamationsquote und sorgt für ein gutes Image bei Kunden und Nichtkunden. Schlanke Unternehmensstrukturen sowie klare Entscheidungs- und Kommunikationshierarchien helfen, viel Geld zu sparen, und somit Risiken zu vermeiden bzw. zu minimieren. Intelligente Verträge: viele Verträge, die heute geschlossen werden, sind Standardverträge; die jeweilige Zielsetzung, die mit der Vertragsschließung verbunden ist, wird i. d. R. nicht genügend berücksichtigt. Hier ist es sinnvoll, immer im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten, Verträge individuell zu gestalten. Risikomanagement sollte mit der gleichen Selbstverständlichkeit und Hingabe wie andere Führungsaufgaben erledigt und wahrgenommen werden.

3.6

Qualitätsmanagement

Qualität von Produkten und Dienstleistungen ist nicht zeitpunkt-, sondern zeitraumbezogen und als eine komplexe Erscheinung zu betrachten. Qualität kann in vielen Ausprägungen und in einer Gesamtheit von Merkmalen verstanden werden. Die Orientierung bzw. die Verwendung des Begriffes Qualität (Pompl/Lieb 1997 in Anlehnung an Garvin) kann unterteilt werden in: „absolute“, „produktbezogene“ „kundenbezogene“, „herstellungsorientierte“ und „wertebezogene“ Qualität. Alle Qualitätsbegriffe können unter Total Quality, also unter der Gesamtqualität zusammengefasst werden. Qualitätsmanagement macht nur unter diesem Aspekt für das touristische Unternehmen Sinn. Zu den Eckpfeilern des Total-Quality-Managements gehören nach Pompl/Lieb die Kundenzufriedenheit, Mitarbeiterzufriedenheit, Umwelt- und Sozialverträglichkeit und der Eigentümernutzen.

3.6.1

Dimensionen der Qualität im Tourismus

Touristische Produkte und Dienstleistungen können in folgende Dimensionen unterteilt werden.

inhaltliche Dimensionen

zeitliche Dimensionen

formale Dimensionen

Abb. 3.13

3.6.2

87

Sie werden bestimmt von:  technische Qualität (z. B. Standards, Umfang der Leistung, Prestigezuwachs durch die gekaufte Leistung);  funktionale Qualität (z. B. zeitliche Ablauf der Dienstleistungssequenz, Kommunikation/Interaktion zwischen Leistungsträger und Kunde). Potenzial- Die Potenzialqualität spielt bei der Buchungsentscheidung eine entscheidende Rolle und betrachtet den Anbiequalität ter einer touristischen Dienstleistung oder eines Produktes hinsichtlich seines Know-hows, Qualifikation der Mitarbeiter, Image, Lieferanten u. a. Die Prozessqualität qualifiziert den Leistungsbezug eines Prozesstouristischen Anbieters. Kriterien der Messung bzw. qualität Betrachtung sind die Kompetenzen des Anbieters, die gebotenen Sicherheiten, die Fähigkeit der Mängelbeseitigung, Erreichbarkeit u. a. Ergebnis- Die Ergebnisqualität ist das Ergebnis/Verhältnis zwischen der erwarteten und der wahrgenommenen Qualität qualität und mündet im Reiseabschluss. Wie nimmt der Kunde Qualitäten war, nach welchen Wahrnehmbar- Kriterien wählt er Produkte und Dienstleistungen aus? Der Wirkungsgrad bzw. die Problemlösungskompetenz keit sowie die Erfahrung mit den Produkten und Dienstleistungen eines Herstellers spielen bei der Wahrnehmbarkeit eine wesentliche Rolle. Qualität kann objektiv messbar und subjektiv einschätzMessbarbar sein. keit Hierzu zählen aus Sicht des Beurteilers der Produzent, Beurteidie Mitarbeiter, der Vertrieb und der Nutzen, den das lungsgrundlage Produkt stiftet ebenso wie konkurrierende Produkte und Normen.

Dimensionen von Qualität

(Quelle: in Anlehnung an Pompl/Lieb 1997)

Total-Quality-Management im Tourismus

Unter Total-Quality-Management (TQM) versteht man ein umfassendes Qualitätsmanagement. TQM basiert auf der Mitwirkung aller Teilnehmer am Einkaufs-, Erstellungs- und Vertriebsprozess eines Unternehmens mit dem Ziel, die Qualität der Leistungen/Produkte sowie die Zufriedenstellung der Kunden in den Mittelpunkt zu stellen. Die Grundsätze des Total-Quality-Managements sind:  Der Qualitätsgedanke/die Qualität kann nicht delegiert werden, sondern er muss von allen Beteiligten gelebt werden.  TQM wird durch eine überzeugende und nachhaltige Führung (idealerweise durch die oberste Führungsebene) gefördert, denn der TQM-Gedanke muss von den Füh-

Modul A

3.6 Qualitätsmanagement

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3 Ausgewählte Managementformen im Tourismus

rungspersönlichkeiten vorgelebt werden; Ausbildung und Schulung aller Mitglieder des Unternehmens/der Organisation sind eine Grundvoraussetzung.  TQM basiert auf der Mitwirkung aller Mitglieder eines Unternehmens/einer Organisation, deren Kunden, Geschäftspartner und Lieferanten.  TQM ist eine umfassende Managementmethode, bei der die Qualität in den Mittelpunkt rückt, wobei sich die Qualität auf das Erreichen aller Managementziele versteht. Darüber hinaus steht die Zufriedenstellung der Kunden im Zentrum, die darauf zielt, folgende Zielsetzungen zu erfüllen: langfristiger Geschäftserfolg, Nutzen für die Mitglieder des Unternehmens/der Organisation, die Gesellschaft, die Eigentümer zu schaffen sowie die Umwelt- und Sozialverträglichkeit der Produkte oder Dienstleistungen zu gewährleisten. T

Q

M

Abb. 3.14

Einbeziehung aller Mitarbeiter, Kunden, Geschäftspartner und Lieferanten; gerade im Tourismus spielen die Lieferanten und Geschäftspartner im Wirkungsprozess eine sehr wichtige Rolle, denn der Anteil der Fremdleistungen eines Reiseveranstalters an einer Pauschalreise beträgt üblicherweise ca. 60% bis 80%. Das bedeutet, dass die Qualität einer Reiseleistung bis zu 80% von den Lieferanten abhängt. Die in den letzten Jahren angeschobenen Integrationsprozesse im Tourismus wurden zum Teil auch mit der Sicherung der Qualität auf allen Wertschöpfungsstufen begründet. Dadurch, dass ein Reiseveranstalter sich an seinen ehemaligen Lieferanten beteiligt, hat neben dem Aspekt der Kapazitätssicherung auch sehr viel mit Qualitätssicherung zu tun. die Qualität der Arbeit, der Prozesse, der Beratung und des Unternehmens, aus denen sodann die Qualität der Produkte wie selbstverständlich erwächst. Dies ist sowohl bei Reiseveranstalter als auch bei Vertriebsorganisationen an der Gestaltung einheitlicher Produktionsplattformen erkennbar. Der Qualitätsgedanke soll sich von Anfang an wie ein roter Faden und eine permanente Anforderung durch den gesamten Erstellungsprozess des Produktes und/oder der Dienstleistung ziehen. Hervorhebung der Führungsaufgabe Qualität; aus Sicht der Wissenschaft kann TQM als Führungslehre und aus Sicht der Unternehmen als Führungsmodell gelten. Das bedeutet, dass der Qualitätsgedanke von den Führungspersönlichkeiten den Mitarbeitern gegenüber vorgelebt werden muss und nicht delegiert werden soll. Grundpfeiler des TQM – Total-Quality-Managements

Verbesserte Qualität bedeutet verbesserte Produktivität. Daraus resultieren sodann sinkende Kosten, wettbewerbsfähigere Preise und damit gehen i. d. R. höhere Marktanteile, sichere Arbeitsplätze und eine generelle Festigung des Unternehmens einher. Das alles führt zu einem langfristigen wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens und trägt zu dessen Existenzsicherung bei. Die Schwierigkeit im Qualitätsmanagement besteht im Spannungsfeld der Zielsetzung der Bereiche, Qualität, Kosten und Zeit. Versucht ein Unternehmen, Qualität, Kosten und Zeit als gleichwertige Ziele zu definieren, ergibt sich daraus ein unlösbares Optimierungsproblem. Die bessere Justierung eines Bereiches wird immer auf dem Rücken der anderen Bereiche ausgetragen.

3.6 Qualitätsmanagement

89

          

glaubhafte, wahre, ansprechende und nutzerfreundliche Kataloge der Reiseveranstalter; kompetente, neutrale und sachliche Beratung im Reisebüro; gepflegte, saubere, ruhige und stressfreie Beratungsatmosphäre im Reisebüro; reibungsloser Ablauf am Check-in-Schalter der Fluggesellschaften an den Flughäfen; pünktlicher Abflug und Ankunft im Zielgebiet; freundliche und kompetente Flugbegleiter; freundlicher Empfang im Zielgebiet; reibungsloser und professioneller Ablauf bei der Verteilung der Gäste auf die Transferbusse; freundlicher Empfang im Hotel, zügiger Check-in und Verteilung der Gäste auf die Zimmer; freundliche, saubere und technisch einwandfreie Zimmer; saubere und hygienische sanitäre Einrichtungen.

Die von den Gästen empfundene Qualität kann sich von der objektiven Qualität des touristischen Anbieters ganz erheblich unterscheiden! An der Erstellung einer touristischen Leistung sind mehrere Glieder der touristischen Wertschöpfungskette beteiligt: Reisebüros, Reiseveranstalter, Fluggesellschaft, Hotel, Zielgebietsdestination, Transferunternehmen, Reiseleiter. Demzufolge liegt die Schwierigkeit darin, eine durchgängige und nachhaltige Qualität auf allen Stufen der Wertschöpfung bzw. bei allen am touristischen Leistungsprozess beteiligten Unternehmen zu erzeugen. Die Sichtweise der Qualitätsbeurteilung ist sehr differenziert zu betrachten und wird von jedem Teilnehmer anders beurteilt. So wird der Kunde die Qualität immer subjektiv und nach Empfindung beurteilen, während der Produzent eher objektiv beurteilt (Pompl/Lieb 1997). Qualität aus Unternehmenssicht (objektiv)  die Leistung entspricht den Vorgaben und Standards und ist „wie geplant“ erstellt worden;  die Leistung ist fehlerlos;  die Leistung ist funktionstauglich;  die Zielvorgabe und das Leistungsergebnis wurden erreicht. Abb. 3.15

Qualität aus Kundensicht (subjektiv)  die Leistung erfüllt die Erwartungen des Kunden;  der Kunde ist zufrieden;  die Leistung wurde überdurchschnittlich erfüllt;  sowohl der Leistungsprozess als auch das Leistungsergebnis wurden zur Zufriedenheit des Kunden erbracht.

Qualität aus Unternehmens- und aus Kundensicht

Modul A

Vielmehr muss die Qualität als oberstes Unternehmensziel betrachtet werden, dem sich die Zeit und die Kosten unterordnen. Dadurch erst werden Kosten und Zeit gespart und dennoch wird eine hohe Unternehmens-, Prozess und Produktqualität erzielt. Gelebte und umgesetzte Qualität im Tourismus bedeutet u. a.:

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3.7

3 Ausgewählte Managementformen im Tourismus

Projektmanagement

Projektmanagement bedeutet die Planung und Durchführung einmaliger Vorhaben. Ein einmaliges Vorhaben könnte die Entwicklung eines neuen Produktes sein, die Umstellung auf eine andere Software, der Umzug und Bezug eines neuen Bürogebäudes und der Aufbau einer neuen Produktlinie. Projekte zeichnen sich durch die Merkmale Einmaligkeit, zeitliche Begrenzung, hohe Komplexität, Umfang (geht über einzelne Unternehmensbereiche hinaus) und durch ein hohes Risiko (meist finanzieller Natur) aus.

3.7.1

Projektmanagement im Tourismus

Im Tourismus, als aufstrebende und sich in ständigem Wandel befindliche Branche, ist Projektmanagement eine häufig anzutreffende Managementform, da viele Vorgänge erstmalig und mit einem hohen Komplexitätsgrad und Risiko verbunden sind. Nachfolgende, für den Tourismus typische Situationen für Projektmanagement sind u. a. Fusionen im Reisemarkt, Planung von Events und Veranstaltungen, Einführung eines neuen IT-Systems, Aufbau einer neuen Destination, Aufbau einer neuen Produktlinie/Produktgruppe, Einführung von Lean-Management oder eine andere Managementform.  Fusionen im Reisemarkt Durch die starke Mittelstandsprägung und der damit einhergehenden Gefahr des Marktaustrittes kam es in der Vergangenheit zu Konzentrationsprozessen. Viele Unternehmen leiteten eine Phase der Konsolidierung ein. Eine Möglichkeit bestand in der Fusion mit anderen Unternehmen. Da eine Fusion für jedes Unternehmen eine nicht alltägliche Aufgabe ist, ist die Unternehmensführung i. d. R. etwas überfordert. Es gilt Projektgruppen einzusetzen, die das Vorhaben prüfen und zu einer Entscheidungsvorlage für die Geschäftsleitung aufbereiten. Die Tätigkeiten bzw. Aufgaben für die eine Projektgruppe eingesetzt werden kann, sind u. a. Due-Diligence-Prüfung, Post Merger-Integration, Prüfung der Integrationsgrade einer Fusion (z. B. Erhaltung, Symbiose oder Absorption mit den jeweiligen Chancen und Risiken), Prüfung des Grades der Vereinheitlichung der einzelnen Integrationsgrade, rechtliche Prüfung der Möglichkeiten einer Fusion hinsichtlich einer möglichen Kollision mit dem Kartellrecht, Überprüfung der Chancen (z. B. Realisierung von Synergien, Risikominimierung, Optimierung der Strategien) und Überprüfung der Risiken, die durch eine Fusion entstehen (z. B. Probleme bei der Realisierung von Synergien, Verschlechterung des Unternehmenswertes). Die eingesetzten Projektgruppen werden in diesem Fall aus Führungs- und Fachkräften des Unternehmens, aber auch aus externen Beratern zusammengesetzt.  Veranstaltungen und Events Gerade im Tourismus, wo eine Dienstleistung erstellt wird, die ein Trägermedium benötigt, um den Kunden aber auch den Verkäufern die Leistung näherzubringen, werden viele Events und Veranstaltungen als Teil der Kommunikationspolitik durchgeführt. Ein Event ist eine Veranstaltung, die durch die Einmaligkeit des Ereignisses

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in der Wahrnehmung der Besucher zu einer besonderen Veranstaltung wird. Demzufolge müssen die Organisation und die Inszenierung hervorragend sein. Events sind inszenierte Ereignisse im Rahmen der Unternehmenskommunikation, die durch erlebnisorientierte firmen- oder produktbezogene Darstellungen emotionale und physische Reize darbieten und einen starken Aktivierungsprozess beim Besucher auslösen. Typische Veranstaltungen im Tourismus sind u. a. Messen, Ausstellungen und Verkaufsveranstaltungen, Kongresse, Konferenzen und Tagungen, Feste, Jubiläen und Feiern, Produktpräsentationen und Tourneen, Seminare, Schulungen, Informationsreisen und Vortragsreihen. Prominente Beispiele für Events und Veranstaltungen im Tourismus sind die Internationale Tourismus Börse (ITB) in Berlin, der fvw Zukunftskongress in Köln und diverse Produktschulungen und Reiseakademien mancher Reiseveranstalter. Jedes Event ist eine Veranstaltung, aber nicht jede Veranstaltung ist ein Event. Die Organisation erfolgt bei beiden über Projektmanagement, d. h. es werden eindeutige Zielvorgaben formuliert, es wird eine zeitliche, personelle und finanzielle Begrenzung ausgesprochen, die Veranstaltung/Event weist einen hohen Komplexitätsgrad auf (z. B. die ITB findet zwar jedes Jahr statt, dennoch ist der Auftritt von Jahr zu Jahr verschieden, die Pavillons sind anders gestaltet, der Standort kann ein anderer sein). Die Projektorganisation und Veranstaltungsplanung erstreckt sich auf die Zielsetzung der Veranstaltung bzw. des Events, auf den Teilnehmerkreis (z. B. intern und extern), die Termin- und Ortsfestlegung (wenn nicht schon vorgegeben), die Personalkapazitäten (interne und externe Mitarbeiter), das Rahmenprogramm (z. B. mit Künstlern, Vortragenden aus Wirtschaft und Politik), das Budget, die Finanzierung, die Suche nach Sponsoren sowie die Nachbereitung.

3.7.2

Phasen des Projektmanagements

Zunächst wird die Form der Projektorganisation festgelegt. Zu unterscheiden sind die totale Projektorganisation, die Stabsprojektorganisation und die begrenzte Projektorganisation. Letztere ist am häufigsten im Tourismus anzutreffen.  Totale Projektorganisation Die Projektgruppe wird für die Dauer des Projekts vollständig aus der/den Fachabteilungen herausgelöst. Bei dieser Form der Projektführung hat der Projektleiter großen Einfluss, verfügt über weitreichende Kompetenzen und Befugnisse. Kompetenzabgrenzungsprobleme sind bei dieser Form gering, da die Projektgruppe voll dem Projektführer untersteht. Als Anwendungsfall ist sie im Tourismus bei Unternehmensübernahmen, beim Aufbau kompletter Geschäftsbereiche und überwiegend in der Markenhotellerie anzutreffen.  Stabsprojektorganisation Die Projektgruppe wird für die Dauer des Projektes nicht aus ihren Abteilungen herausgelöst, d. h. die Mitglieder des Projektes unterstehen nach wie vor ihren Fachabteilungen. Der Projektleiter hat nur die Aufgabe der Koordination und damit wenig Einfluss auf das Projektgeschehen. Die Entscheidungsbefugnisse und -kompetenzen

Modul A

3.7 Projektmanagement

92

3 Ausgewählte Managementformen im Tourismus

liegen bei den Fachabteilungen. Im Tourismus wird sie bei Etablierung einer neuen Organisationsform oder bei Einführung eines neuen IT-Systems angewendet.  Begrenzte Projektorganisation Die Projektgruppe wird für die Dauer des Projektes aus der Fachabteilung zum Teil herausgelöst. Diese Form wird auch als Matrix-Projektorganisation bezeichnet, weil hier eine Doppelunterstellung des Projektmitarbeiters gegeben ist. In technischen Fragen untersteht er seiner Fachabteilung, in kaufmännischen Fragen untersteht er dem Projektleiter. Diese Doppelunterstellung kann zwischen den Aufgabenträgern u. U. zu Kompetenzproblemen führen. Als Anwendungsfall im Tourismus liegt sie beim Aufbau neuer Destinationen, Flugrouten, Katalogerstellung vor. Nach der Festlegung der Form der Projektorganisation erfolgt die eigentliche Gestaltung. Die Projektorganisation wird vom Projektmanagement vorgenommen und strukturiert die Gestaltung des Projekts in zwei Phasen: die Projektaufbauorganisation und die Projektablauforganisation. In der Phase der Projektaufbauorganisation werden die Formen der Projektführung vom Projektleiter festgelegt.  Projektleiter Der Projektleiter ist eine Führungskraft und er trägt die gesamte Verantwortung für das erfolgreiche Gelingen des Projektes und ist demzufolge mit umfangreichen Befugnissen ausgestattet. Anforderungen an den Projektleiter sind u. a. seine persönlichen Qualifikationen (Teamfähigkeit, Durchsetzungsvermögen, Kooperationsbereitschaft, Verhandlungssicherheit und Verhandlungsgeschick, Konfliktfähigkeit) sowie seine fachlichen Qualifikationen (Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen im Umgang mit Organisationsmethoden sowie Organisationstechniken). Als Projektmanager sorgt er für laufende Projektabstimmung, arbeitet Vorschläge zur Lösung auftretender Probleme aus, sammelt und wertet Informationen aus, koordiniert die Beiträge der Projektmitglieder. Seine Weisungs- und Entscheidungsbefugnisse sind von der jeweiligen Form der Projektorganisation abhängig.  Projektleitung Die Merkmale der Projektleitung sind die Planung, Steuerung und Kontrolle der Termine, des Budgets, des Personaleinsatzes, des sachgerechten Einsatzes von Sachmittel. Sie trägt Verantwortung und verfügt über Anweisungs-, Entscheidungs- und Informationsbefugnis. Ohne die erforderlichen Kompetenzen kann die Projektleitung, die ihr übertragenen Aufgaben nicht erfolgreich erfüllen. Die Art der Befugnis hängt vom jeweiligen Projekt ab.  Projektgruppen Projektgruppen sind in der Regel nur zeitlich begrenzt mit dem Projekt beschäftigt, oftmals hauptamtlich und vollzeitlich im Rahmen ihrer dienstlichen und beruflichen Verpflichtung. Maßgebend für die Planung und Festlegung einer Projektgruppe ist die Projektaufgabe und ihre Komplexität, die Notwendigkeit zur Nutzung unterschiedli-

3.7 Projektmanagement

93

cher Kenntnisse und Erfahrungen und die Einbeziehung der Fachabteilungen in die Projektarbeit. In der Phase der Projektablauforganisation werden die Strukturen der Prozesse und die Projektphasen festgelegt.

5. Projektkontrolle

Projektphasen

4. Projektdurchführung Abb. 3.16

1. Projektauslösung

2. Projektplanung

3. Projektentscheidung

Projektphasen

 Phase: Projektauslösung Der Ablauf eines Projektes beginnt mit der Projektauslösung, die nicht zufällig erfolgen sollte. Die Projektauslösung ist sehr sorgfältig zu planen, um die Projektkosten zu begrenzen. Die Projektauslösung umfasst drei Schritte:  Problemerkennung: ist Ausgangspunkt eines Projektes. Als Problem kann die Abweichung zwischen einem gewünschten Soll-Zustand und einem vorzufindenden Ist-Zustand gesehen werden. Der Problemerkennung kommt für den weiteren Verlauf des Projektablaufs und vor allem dem gewünschten Ergebnis große Bedeutung zu. Die Problemerkennung sollte nach objektiven Maßstäben erfolgen.  Problemanalyse: damit werden die wesentlichen Ausprägungen des Problems ermittelt. Diese können mittels einer Schwachstellenanalyse ermittelt werden. In der Praxis wird hier sehr häufig mit Checklisten und Kennzahlen gearbeitet (Vergleich zwischen den Vorgaben und dem tatsächlichen Zustand). Die Problemanalyse umfasst die sorgfältige Untersuchung des Problems, die Feststellung und Bedeutung des Problems, die Ermittlung der Ursachen für das Problem sowie die Ausarbeitung von Ansätzen zur Lösung des Problems.  Projektdefinition: baut auf die Ergebnisse der Problemerkennung und der Problemanalyse. Die Projektdefinition ist die genaue Festlegung der konkreten Projektaufgaben und der Projektziele.

Modul A

6. Projektsteuerung

94

3 Ausgewählte Managementformen im Tourismus

 2. Phase: Projektplanung Projektplanung ist die vorausschauende Festlegung der Projektdurchführung im Rahmen der Projektablauforganisation. Sie umfasst folgende Planungen:  Aufgabenplanung: die Aufgabenplanung beinhaltet die Ermittlung aller anfallenden Aufgaben eines Projektes und die Festlegung der voraussichtlichen Arbeitsabläufe;  Personalplanung: mit Hilfe der Personalplanung wird der Personalbedarf für die Projektgruppe ermittelt, die zur Projektdurchführung eingesetzt werden soll;  Terminplanung: dient dazu, die benötigten Zeiten zu ermitteln, z. B. unter Verwendung der Netzplantechnik oder der Balkendiagrammtechnik;  Sachmittelplanung: beinhaltet die Planung der Projektmittel, z. B. Arbeitsplätze, Arbeitsräume, Büromaschinen, Arbeitsmittel, Kommunikationsmittel;  Kostenplanung: plant nur die projektbezogenen Kosten für z. B. Personal, Material oder benötigtes Kapital. Ferner sind die Kosten als einmalige oder dauerhafte Systemkosten zu planen. Einmalige Kosten sind Kosten, die durch den Übergang vom alten auf das neue System entstehen und nur einmal anfallen. Dauerkosten sind laufende Systemkosten, die während der gesamten Projektdauer und ggf. darüber hinaus noch als regelmäßige Wartungs- und Überprüfungskosten anfallen.  Wirksamkeitsplanung: bezieht sich auf die Kontrolle der Projektdurchführung und der Systemgestaltung.  3. Phase: Projektentscheidung Die Projektentscheidung folgt als dritte Stufe im Projektablauf. Auch diese Stufe umfasst mehrere Schritte:  Projektwertung: dient als unmittelbare Vorbereitung der Projektentscheidung. Üblicherweise liegen der Beseitigung eines Problems mehrere Alternativen zugrunde. Zum Beispiel könnte dies eine Verbesserung des bisherigen Systems oder aber eine komplette Ablösung des Alten und die Neueinführung eines neuen Systems bedeuten. Die Alternativen sind auf ihre Vorteilhaftigkeit hin zu untersuchen. Man bedient sich hier u. a. der Nutzwertrechnung, der Wertkostenanalyse und der statischen oder dynamischen Investitionsrechnung.  Projektentscheidung: die unmittelbare Projektentscheidung für eine Alternative wird auf der Basis der Projektwertung getroffen. Die Entscheidung wird i. d. R. von der Unternehmensführung getroffen, da die Auswirkungen die Unternehmensziele kurz-, mittel- und langfristig direkt beeinflussen können. Sehr häufig wird hier in der betrieblichen Praxis ein Ausschuss eingesetzt, bestehend aus externen Beratern, aber auch aus Mitarbeitern des Unternehmens, der die Vorlagen für die Entscheidungsfindung durch die Führung des Unternehmens erarbeitet.  Projektvorgabe: gilt als Abschluss der Projektentscheidung und kann in einem Projektauftrag oder einem Organisationsauftrag bestehen. Hier sollten folgende Angaben in schriftlicher und präziser Form festgehalten werden: Auftragsdefinition, Anlass, Auftragsmittel und ggf. Hinweise zur Auftragsdurchführung. 

4. Phase: Projektdurchführung

95

 5. Phase: Projektkontrolle Projektkontrolle besteht in einem Vergleich der geplanten und realisierten Größen sowie der Analyse möglicher Soll/Ist-Abweichungen. Die Kontrolle der Projektdurchführung umfasst die Feststellung der IST-Daten, die mit Hilfe des Berichtswesens gesammelt werden, die Ermittlung der Abweichung zu den SOLL-Daten (Vorgaben) sowohl als absolute Zahl als auch als Prozentwert, die Analyse der Abweichungsursache, die vom jeweils zu lösenden Problem abhängig sind, die Feststellung der Beeinflussbarkeit von Abweichungsursachen. Sind die Abweichungsursachen beeinflussbar, werden Maßnahmen zu deren Beeinflussung eingeleitet. Eine Änderung des Projektplanes sollte jedoch nicht vorgenommen werden, denn er darf durch Korrekturen (möglicherweise ist dies ja nicht die einzige Korrektur) seinen Vorgabecharakter nicht verlieren. Die Kontrolle der Systemgestaltung ist wesentlich schwieriger durchzuführen, da ein direkter Soll/Ist-Vergleich nicht möglich ist. Ein vorgegebenes Ziel ist ein Ausdruck von Wunschvorstellungen, deren Erreichbarkeit nicht immer sichergestellt ist.  6. Phase: Projektsteuerung Die Projektsteuerung umfasst alle Maßnahmen, die der Erfüllung der Projektziele und der Beeinflussung von Störgrößen dienen. Sie ist ein projektbezogener Vorgang, bei dem eine oder mehrere Größen als Eingangsgröße andere Größen als Ausgangsgrößen beeinflussen. Die Projektsteuerung wird üblicherweise vom Projektleiter vorgenommen und zwar als:  Vorsteuerung: hier erfolgt eine Vorwärtskopplung; dabei wird versucht etwaige Störungen vor ihrem Eintritt zu eliminieren oder ihnen entgegenzuwirken. Die Schwierigkeit in der Vorsteuerung liegt in der mangelnden Vorausbestimmbarkeit und Voraussehbarkeit des Eintrittes von Störungen.  Nachsteuerung: hier erfolgt eine Rückwärtskopplung. Dabei wird vergangenheitsbezogen gehandelt. Das bedeutet, dass eine Reaktion oder die Einleitung einer Maßnahme nach dem Eintritt der Störung erfolgt.

3.8

Corporate Social ResponsibilityManagement

Der Begriff Corporate Social Responsibility (CSR) bzw. Unternehmenssozialverantwortung, oder auch unternehmerische Sozialverantwortung, umschreibt den freiwilligen Beitrag der Wirtschaft zu einer nachhaltigen Entwicklung, der über die gesetzlichen Forderungen (Compliance) hinausgeht. Es steht für verantwortliches unternehmerisches Handeln in der eigentlichen Geschäftstätigkeit (Markt), über ökologisch relevante Aspekte (Umwelt) bis hin zu den Beziehungen zu den Mitarbeitern (Arbeitsplatz) und dem Austausch mit den relevanten Anspruchsgruppen (Stakeholder). Die Durchsetzung erfolgt auf den Grundlagen des eigenen Berichtswesens und anhand von Zertifizierungen durch unabhängige Stellen. Auf diese Weise kann eine Transparenz geschaffen werden, die vor allem mit fortschreitender Globalisierung immer stärker gefährdet bzw. häufig fast unmöglich geworden ist.

Modul A

3.8 Corporate Social Responsibility-Management

96

3 Ausgewählte Managementformen im Tourismus

Die Europäische Union definiert CSR als ein System, „das den Unternehmen als Grundlage dient, auf freiwilliger Basis soziale Belange und Umweltbelange in ihre Unternehmenstätigkeit und in die Wechselbeziehungen mit den Stakeholder zu integrieren.“ Dies bedeutet nicht nur, die gesetzlichen Bestimmungen einzuhalten, „sondern über die bloße Gesetzeskonformität hinaus mehr zu investieren in Humankapital, in die Umwelt und in die Beziehungen zu anderen Stakeholdern“. Diese Sichtweise ist auch die Grundlage die CSR-Strategie touristischer Unternehmen in Deutschland. Die Kernbotschaft des CSR-Management lautet: Unternehmen sollen gegenüber den eigenen Mitarbeitern verantwortlich handeln, angemessene Löhne zahlen und sich ihnen gegenüber solidarisch verhalten. Auch zukünftige Generationen müssen/sollen berücksichtigt werden, indem umwelt- und klimafreundlich produziert wird. Den Kunden sollen hochwertige Produkte zu angemessenen Preisen angeboten werden und den globalen Zulieferern sollen faire Preise gezahlt werden und keine Kinderarbeit zugelassen werden. Auch sollen Zulieferer aus der Region und deren regionale Produkte bevorzugt werden, die Allgemeinheit soll an den Gewinnen teilhaben (z. B. über Sponsoring von Sport, Kultur und Wissenschaft), den Anteilseignern sollen hohe aber dennoch angemessene Renditen erwirtschaftet werden und sozial Bedürftige und in Not Geratene sollen mit humanitärer Hilfe oder Katastrophenhilfe unterstützt werden. CSR erfolgt auf freiwilliger Basis, umfasst soziale und Umweltbelange, ist eingebunden in die Unternehmenstätigkeit und bietet Gestaltungschancen für Stakeholderbeziehungen. Gründe für eine CSR-Strategie touristischer Unternehmen sind u. a.:  verantwortliches unternehmerisches Handeln stärkt die soziale und ökologische Dimension der Globalisierung;  die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung soll auch in Zukunft ein Markenzeichen deutscher Tourismusunternehmen im In- und Ausland sein;  verlässliche Unternehmenswerte steigern die nationale und internationale Wettbewerbsfähigkeit aller touristischen Unternehmen;  Unternehmenswerte fördern die Solidarität in unserer Gesellschaft;  das verantwortungsbewusste Handeln von Unternehmen soll auch für die Verbraucherinnen und Verbraucher sichtbarer werden. Die Bereiche (Handlungsfelder), in denen touristische Unternehmen gesellschaftliche Verantwortung übernehmen, sind: Gute Arbeit: Wenn Unternehmen gesellschaftliche Verantwortung übernehmen, dann gilt dies auch für den Umgang mit den eigenen Mitarbeitern/-innen, ihnen zu ermöglichen, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren, Vielfalt zu fördern und jungen wie älteren Menschen eine Chance zu geben, denn das nützt der Gesellschaft und dem eigenen Unternehmen. Verbraucherinformation: Immer mehr Verbraucher wollen wissen, unter welchen Bedingungen „ihr“ Produkt oder „ihre“ Dienstleistung hergestellt wurde oder wie ein Unternehmen arbeitet. Verschiedene Gütesiegel und Initiativen geben Orientierung und fördern den Wettbewerb zwischen den Unternehmen.

3.8 Corporate Social Responsibility-Management

97

Für all diese Handlungsfelder gilt: Transparenz ist eine entscheidende Grundlage. CSR ersetzt nicht politisches Handeln und Gesetzgebung. CSR bietet aber die Chance, weitergehende gesellschaftliche Ziele zu verfolgen und Standards zu setzen. Die Forderung eines Unternehmens an seine Zulieferer aus Entwicklungsländern, dass ihre Produkte ausschließlich ohne Kinderarbeit hergestellt werden, ist nur ein Beispiel. Die Politik hat die Aufgabe, Unternehmen bei ihren CSR-Aktivitäten zu unterstützen und die Gesellschaft zu ermutigen, mehr Verbindlichkeit von der Wirtschaft zu verlangen. Die organisatorische Aufhängung von CSR im Unternehmen ist erfolgskritisch zu betrachten; CSR-Felder überschreiten Abteilungsgrenzen. Nachfolgende Abbildung zeigt einen Ansatz, wie CSR in der Unternehmensorganisation verankert sein kann. Corporate (Social) Responsibility CSR Policy / Unternehmenswerte Roadmap / Maßnahmenplanung organisatorische Aufhängung Managementsysteme, Evaluation Kommunikation intern/extern

Produkt(ions)Verantwortung Umweltstandards, integrierte Produktpolitik, (IPP), Einkauf, Produktionsstätten, Supply Chain

Abb. 3.17

Unternehmenskultur und Mitarbeiter Arbeitsstandards, Arbeitgeberprofil: WorkLife-Balance, Diversity, Beschwerdewesen, Stützung Ehrenamt

Organisatorische Aufhängung der CSR

Gesellschaft: Corporate Citizenship Spendenwesen, Stiftungsengagement, Volunteering, bi-/trisektorale Partnerschaften

Strategie

Kunden und Markt Kundenprogramme, Cause Related Marketing, Social Marketing, Verbraucherschutz

(Quelle: in Anlehnung an GATE 2008)

„Touristische Akteure“ (Reisemittler/Reiseveranstalter, Beförderungsträger, Hotellerie, lokales Umfeld) sollen u. a. den Ansprüchen der Kunden sowie den Erwartungen der Gesellschaft und Politik gerecht werden. Reisebüros/Reiseveranstalter bieten u. a. günstigen Massentourismus, sanften Tourismus, Nah- und Fernreisen. Sie müssen langfristig über ihre Produktgestaltung, eine Kundensensibilisierung hinsichtlich der Gepflogenheiten (z. B. Religion, Kultur,

Modul A

Umwelt: Nachhaltiges Wirtschaften und Umweltmanagement sind die relevanten Kriterien für die ökologische Verantwortung von Unternehmen. Globalisierung: Fairer Handel verbessert die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Arbeitnehmer/-innen, insbesondere in Entwicklungsländern.

98

3 Ausgewählte Managementformen im Tourismus

Geschlecht), Prostitution in den Zielgebieten, Beachtung der besonderen und spezifischen Gesetzeslagen (z. B. Rauschmittel, Homosexualität) in den bereisten Ländern erreichen. Beförderungsträger bieten Verkehrsleistungen (Nah-, Mittel- und Langstrecke) an und müssen sich dem gesellschaftlichen Diskurs hinsichtlich der klimatischen Schädigung (z. B. CO2-Emissionen von Flugreisen) dem Thema Ressourcenschonung und Lärmbelastung stellen. Mögliche Reaktionen wären, einen persönlichen Ausgleich (z. B. Carbon-Footprint) anzubieten, für ein verändertes Reiseverhalten (näher, weniger, anders) einzutreten, den Emissionshandel zu forcieren und eine Umstellung auf alternative Kraftstoffe voran treiben. Die Hotellerie bzw. das Gastgewerbe ist überwiegend mit Themen wie z. B. Sozialstandards, Arbeitsbedingungen, Ressourcenverbrauch, gesunde Ernährung und Umgang mit Gästen beschäftigt. Einerseits kann hier ein erfolgreiches CSR mittels Normen (eigene und internationale), Gleichbehandlung der Beschäftigten, fairer Bezahlung (nach den Grundsätzen der ILO) sowie Verhinderung und Ahndung sexueller Belästigung am Arbeitsplatz ausgeübt werden. Weitere Profilierungsmaßnahmen im Waren- und Ressourcenbereich können, mehrfache Handtücher-Nutzung, ökologische Bauweise von Hotels und Nebenbauten sowie Einrichtung der Zimmer und Einsatz von Bio-Lebensmitteln sein. Im Bereich des lokalen Umfeldes mögen die Schwerpunkte des CSR auf Dienstleister, Infrastrukturträger, Sicherheit, Beeinflussung regionaler Kultur und auf der Stärkung regionaler Wirtschaft sowie auf dem Schutz von Natur und indigener Völker liegen. Auch soll hier eine Sensibilisierung hinsichtlich der Ausbeutung der Einheimischen (z. B. Prostitution), Schutz vor ansteckenden Krankheiten sowie hinsichtlich einer Vermeidung religiöser und interkultureller Konflikte (z. B. durch Kleidung und/oder Verhalten) erfolgen. Der Handlungsbedarf im Tourismus ist groß, da es bislang kaum CSR-Profile gibt. Nachfolgende Tabelle zeigt vereinzelte Maßnahmen touristischer Unternehmen. Unternehmen

TUI AG* DERTour* Ameropa* alltours* Condor** L-Tur* Neckermann* ITS* Lufthansa AG** germanwings** Deutsche Bahn***

CSRNachhaltigkeitsbericht Bericht – – – – – – Broschüre Bericht Bericht

Mitarbeiter

Umwelt

X – – – – – – X X

X X – – – – X X X

Corporate Citizenship X X – – – – X X

X

X

X

regionale Bezüge X X X – – – X X X

3.9 Lean-Management

99

Riu Hotels & Re– – X X sorts**** Dorint Hotels & – – – – Resorts**** *Reiseveranstalter, ** Fluggesellschaft, *** Schienenunternehmen, **** Hotelgesellschaft CSR-Profile im Tourismus



(Quelle: in Anlehnung an Taubken 2008)

Handlungsempfehlungen für eine glaubwürdige CSR-Positionierung im Tourismus sind: 1. Bedarfe, Bedrohungsszenarien und Chancen analysieren 2. CSR-Zielsetzung definieren und mit Businesszielen verbinden 3. ein klares Profil für Verantwortung formulieren 4. Zuständigkeiten und Prozesse festlegen – mit Budgets! 5. wenige, ausgewählte Maßnahmen mit Strahlkraft starten Darüber hinaus und grundsätzlich sollte die Tourismuswirtschaft auf die Achtung der Menschenrechte, die Einhaltung der Kernarbeitsnormen und auf den Schutz der Umwelt hinarbeiten, globale Verantwortung durch Einbeziehung lokaler Gemeinschaften übernehmen, den gesellschaftlichen Dialog mit Akteuren und Anspruchsgruppen suchen, Berichte zu Umwelt- und Sozialstandards regelmäßig veröffentlichen sowie externe und unabhängige Audits ins Leben rufen.

3.9

Lean-Management

Lean-Management (engl. lean = schlank, mager) meint ein „schlankes Management“, das der Verbesserung der Produktivität und Wirtschaftlichkeit dient. Hierbei wird durch Vereinfachung von Arbeitsabläufen und durch Delegation von Verantwortung in die unteren Führungsebenen eine Verflachung von Hierarchien (Verringerung von Führungsebenen) angestrebt. Durch die „Verschlankung“ von Strukturen, eine Beschleunigung von Arbeitsabläufen und Teamarbeit soll eine fortwährende Verbesserung für alle Bereiche und Funktionen des Unternehmens erreicht werden. Diese Führungs- bzw. Managementtechnik wurde erstmals im produzierenden Gewerbe (Automobilindustrie) als Lean-Production eingesetzt und verschmilzt alle Funktionen vom Topmanagement über die Angestellten und Arbeiter bis zu den Zulieferern zu einem geschlossenen System. Dieses System soll/kann schnell und wirtschaftlich auf die Änderungen von Konsumwünschen im Markt reagieren. Für die Anwendung auf den Tourismus ist der Definitionsansatz von Groth/Kammel (1994) maßgeblich, wonach Lean-Management „[e]in pragmatisches, ganzheitliches, integratives Konzept der Unternehmensführung mit strikter Ausrichtung auf Kundenzufriedenheit, Marktnähe und Zeiterfordernissen, auf die Durchgängigkeit der auf Kernfunktionen konzentrierten Wertschöpfungskette, auf die kontinuierliche gleich-

Modul A

Abb. 3.18

X

100

3 Ausgewählte Managementformen im Tourismus

zeitige Verbesserung von Produktivität, Qualität und Prozesse sowie auf die bestmögliche Nutzung des Humankapitals des Unternehmens“ ist.

3.9.1

Eigenschaften, Kernelemente und Probleme des Lean-Managements

Lean-Management beruht auf Ganzheitlichkeit und Integration aller Akteure eines Unternehmens und ist eine Kombination aus klassischem Handwerksbetrieb und Massenproduktion, welches eine ständige kundenorientierte Verbesserung sowie die Elimination von Verschwendung anstrebt. Lean-Management versucht alle Arbeitsprozesse synchron und simultan zu erledigen und soll Überkomplexitäten abbauen. Ferner strebt Lean-Management nach Qualität zu geringen Kosten sowie durch gut ausgebildete und motivierte Mitarbeiter. Der Fokus liegt auf den Kernkompetenzen der Mitarbeiter und des Unternehmens. Die Mitarbeiter verfügen über ein hohes Maß an zeitlicher und sachlicher Selbstständigkeit. Sie übernehmen die Entwicklung, Materialdisposition, Fertigung, Instandhaltung, Kalkulation und Vertriebsplanung. Ausgangspunkt ist die Annahme, dass der Mitarbeiter den Sinn seiner Arbeit erkennt und für die Aufgaben motiviert wird. Deshalb wird jedem einzelnen Mitarbeiter auch die Mitverantwortung für das Produkt und seine Qualität übertragen. Die Kernelemente des Lean-Managements sind u. a. eine bessere Produktqualität durch neue Produkt- und Dienstleistungsideen sowie mehr Verbesserungsvorschläge im Rahmen des betrieblichen Vorschlagswesens und durch den kontinuierlichen Verbesserungsprozess, flachere Hierarchien und Reduzierung der Fertigungstiefe (Hierarchiestufen werden reduziert, Mitarbeiter bekommen mehr Verantwortung und ggf. mehr Entscheidungskompetenz). Es findet eine aktive Integration der Zulieferer statt, die Produktion wird just-in-time ausgeführt und der Grad an Outsourcing von Diensten und Prozessen ist hoch. Beim Lean-Management werden Wettbewerbsvorteile durch Flexibilität gegenüber Kundenwünschen generiert sowie Kosteneinsparungen durch weniger Nachbesserungen und Reklamationen realisiert. Kürzere Lieferzyklen garantieren geringe Lagerbestände. Der Problembereich des Lean-Managements ist im Wesentlichen, dass es kein „echter“ Wert an sich ist, wenn die Unternehmensführung von dieser Managementform nicht überzeugt ist. Mitarbeiter müssen vorbereitet und sensibilisiert werden, da i. d. R. starke interne Widerstände bei Outsourcing von Produktionsprozessen bestehen. Auch sieht diese Managementform im Regelfall keine Belohnungs- und Incentivesysteme für Mitarbeiter vor. Lean-Management ist nicht die Lösung des Hauptproblems, sondern nur ein Hilfsmittel zur Problemlösung bzw. Problemvermeidung.

3.9 Lean-Management

Prinzipien und Leitgedanken des Lean-Managements

Die Prinzipien des Lean-Managements sind u. a. das Kaizen-Prinzip (jap. kai zen = Weg/Wandel zum Guten; kai = Wandel, zen = das Gute). Das Kaizen-Prinzip strebt in allen Unternehmensbereichen permanente Veränderungen an. In den Unternehmen wird dies durch den kontinuierlichen Verbesserungsprozess gewährleistet. Zwei weitere Prinzipien sind das Total-Quality-Management-Prinzip (TQM) und das Justin-time-Prinzip. Das TQM geht von einer absoluten Fehlerfreiheit der Produkte und Dienstleistungen aus und setzt auf dauerhafte und verstärkte Mitarbeiterschulung, während das Just-in-time-Prinzip auf produktionssynchrone und kostengünstige Materialbeschaffung setzt, um einen schnelleren Fertigungsfluss zu erreichen. Gerade das TQM und das Just-in-time-Prinzip spielen bei der Bündelung von Pauschalreisen eine mittlerweile wichtige Rolle, ermöglichen sie doch neue Produktionsmethoden wie die des Dynamic Packaging. Die Leitgedanken des „schlanken Denkens und Handelns“ lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Proaktives Denken: bedeutet, dass künftige Handlungen vorausschauend durchdacht und gestaltet werden. Weitere Kerngedanken wie z. B. Agieren statt Reagieren (also die Prozesse vorausschauend unter Kontrolle bringen), alle Handlungen umfassend vorbereiten, Probleme frühzeitig lösen und eine Prozess- statt Ergebnisorientierung sichern den Erfolg unternehmerischen Handelns. Proaktivität setzt auf dauerhafte Weiterentwicklung der eigenen Stärken und nicht auf kurzfristige Erfolge. Sensitives Denken: ist geprägt von einer Informationsoffenheit nach innen und nach außen; das bedeutet, dass alles Wissen im Unternehmen auch zirkulieren muss, um frühere Fehler zu vermeiden. Weitere Kerngedanken sind, dass auch Gefühle und Stimmungen neben Fakten als Entscheidungsfaktoren akzeptiert werden und Störungen von außen als Anregungen für eine weitere Entwicklung akzeptiert wird. Ganzheitliches Denken: ganzheitliches Denken vermag gerade in Zeiten der Marktliberalisierung und Globalisierung mehr Probleme und Problemlösungen zu erkennen. Der Wert des eigenen Handelns und Denken richtet sich nach dem Nutzen für das Unternehmen. Die Kommunikation beim ganzheitlichen Denken beruht auf Netzwerken und nicht auf dualen Beziehungen. Potenzialdenken: bedeutet die Erschließung aller Ressourcen (z. B. Mitarbeiter, Lieferanten, Geschäftspartner, Kunden und Wettbewerber), die als solche umfänglich genutzt (nicht ausgenutzt) werden müssen. Ferner werden bei diesem Denkansatz gleichgerichtete Interessen zwischen allen Interaktionspartnern geschaffen und der gemeinsam erzielte Nutzen muss gerecht verteilt werden. Ökonomisches Denken: ein wichtiges, vom Lean-Management verfolgtes Prinzip, besteht in der Vermeidung von Verschwendung. Dieses Prinzip schließt ökonomisches Denken mit ein. Ökonomisches Denken bedeutet Sparsamkeit nach innen und nach außen, aber nicht vor und am Kunden. Konflikte jedweder Art bedeuten Kosten, sowie alle nicht-wertschöpfenden Tätigkeiten Verschwendung bedeuten.

Modul A

3.9.2

101

102

3 Ausgewählte Managementformen im Tourismus

3.9.3

Grundstrategien und Arbeitsprinzipien des Lean-Managements

Als Grundstrategien für die wichtigsten internen Aufgaben eines Unternehmens im Rahmen des Lean-Managements können gelten:       

kunden- bzw. gastorientierte schlanke Fertigung der Produkte; durch Vermeidung kostspieliger Lagerhaltung, aber auch durch gezielten Einsatz der Mitarbeiter zu dem Zeitpunkt, an dem die Kundenfrequenz am höchsten ist; Unternehmensqualität in allen Bereichen; TQM muss in allen Bereichen und auf allen Ebenen praktiziert werden, denn Qualität muss zur zentralen Größe im Unternehmen werden; schnelle, sichere Entwicklung und Einführung neuer Leistungen, denn Entwicklungszeit wird heutzutage als Wettbewerbsfaktor betrachtet, parallele statt sequenzielle Aufgabenerledigung; Kunden gewinnen und erhalten; Wachstumsfähig bleiben durch gezielten Kapitaleinsatz, durch Vertrauen zwischen Kapitalgeber und Kapitalnehmer, durch attraktive Unternehmensentwicklung und durch massiven Einsatz bei strategischen Projekten; das Unternehmen in die Gesellschaft einbinden, es als eine Familie betrachten, die man in die Gesellschaft einbindet, in die gesellschaftliche und wirtschaftliche Umwelt aktiv einbezieht, denn Konflikte sind teuer und aufwendig; Konfliktvermeidung durch Kooperationen.

Die wichtigsten Arbeitsprinzipien des Lean-Managements stellen gewissermaßen die „Sprache“ der Arbeitsorganisation dar. Diese Arbeitsprinzipien zeigen dem delegationsunabhängigen Mitarbeiter Lösungswege für neue Situationen auf. Sie geben Anweisungen für die Umsetzung. Diese Prinzipien sind u. a. die Zusammenarbeit in der Gruppe und im Team, denn der Konsensgedanke sollte bei der Lösung der Aufgabe dominieren und keinen Wettbewerb in der Gruppe oder im Team auslösen. Darüber hinaus ist die Eigenverantwortung jedes Einzelnen zu fördern, jede Tätigkeit sollte in Eigenverantwortung durchgeführt werden. Ein weiteres Prinzip ist die Rückkopplung der Reaktionen von der Außenwelt, der Kunden, der eigenen Organisation, denn sie dienen zur Steuerung des eigenen Handelns. Weitere wichtige Prinzipien sind die Kundenorientierung (die Wünsche der Kunden und Gäste haben Priorität), Wertschöpfung (wertschöpfende Tätigkeiten haben im Unternehmen oberste Priorität), Standardisierung und Formalisierung (sollen durch einfache Dokumentation erfolgen), ständige Verbesserung des Leistungsprozesses, sofortige Fehlerbeseitigung (soll sofort an der Wurzel des Problems geschehen), Vorausdenken und Vorausplanen, Integration und Systematik aller betrieblichen Prozesse, Interdisziplinarität sowie Permanenz, Konsequenz und Perfektion. Als Hilfsinstrumente des Lean-Managements gelten das Controlling und das Benchmarking. Controlling ist ein Konzept der Unternehmenssteuerung, das die Funktionen Information, Analyse, Kontrolle, Planung und Steuerung einschließt. Mit der Zielsetzung der Unternehmenssteuerung ist Controlling zukunftsorientiert, da es die Erreichung vordefinierter Ergebnisse überwacht und bei Abweichungen eingreift.

3.9 Lean-Management

103

Benchmarking bedeutet „Lernen vom Besten“ und wird von Hillen (2000) „als eine strukturierte Methode zur Aufdeckung eigener Leistungslücken durch Vergleiche mit Bestleistungen (Benchmark) mit dem Ziel, durch die gewonnenen Erkenntnisse die Leistungslücken zu schließen und durch ständige Verbesserung auf Dauer eine Spitzenposition zu bekleiden“ definiert.

Umsetzung des Lean-Managements im Tourismus

In der Tourismuswirtschaft wurde Lean-Management bis vor einigen Jahren kaum problematisiert. Der Grund dafür lag in der Tatsache, dass die Tourismusbranche (bis auf wenige Ausnahmen) sehr stark klein- und mittelständisch geprägt war und dies zum Teil auch heute noch ist. Vor einigen Jahren begann eine langsame „Industrialisierung“ der Tourismusbranche. Industrialisierung bedeutete, dass Unternehmen sehr starken vertikalen Integrationsprozessen ausgesetzt waren. Diese Prozesse sind bis heute noch nicht ganz abgeschlossen. Reiseveranstalter hatten den Wunsch, an allen touristischen Wertschöpfungsstufen zu partizipieren. Sie kauften oder gründeten eigene Fluggesellschaften, Hotels, Zielgebietsagenturen, Mietwagen-Makler und bauten den Eigen- und Direktvertrieb aus. Die Folge dieser vertikalen Integrationsprozesse war und ist die Konzernbildung. Vormals in ihrer Größe überschaubare Unternehmen wuchsen nun zu Konzernen heran. In diesem Stadium begann auch in der Tourismusbranche Lean-Management eine Rolle zu spielen. Durch die dazu gekauften oder neu gegründeten Unternehmen entstanden zwangsläufig unterschiedliche „Fertigungstiefen“ und Produktionsplattformen. Auf Dauer bedeutet dies, dass diese Unternehmen kaum noch steuerbar sind, da durch die Kommunikation zu viele Reibungsverluste auftreten. Im Einzelnen bedeutete dies eine Reduktion der Fertigungstiefen, Zusammenlegung von Produktionsplattformen und Straffung des Vertriebs bzw. der Vertriebsorganisationen. Die ging sodann einher mit der Verflachung der Unternehmenshierarchien und einer schlankeren Struktur des Unternehmens. Dies führte weiterhin zu Teamarbeit bei Einzelleistungen, die vom Kunden als Einheit gesehen werden, Kundenorientierung ist stärker in den Vordergrund gerückt – es wurden vermehrt Kundenbefragungen durchgeführt und in Folge externe/endogene Faktoren mehr berücksichtigt und das Beschwerdemanagement professionalisiert. Darüber hinaus wurde ein effizienteres Informationsmanagement installiert und die Kommunikationskultur stärker gepflegt, die Integration der Zulieferer (z. B. Beherbergungsbetrieb, Fluggesellschaften, Destinationen) wurde vorangetrieben, denn die Qualität der Einzelleistungsträger entspricht (so wird sie vom Kunden wahrgenommen) der Qualität des Gesamtleistungsträgers (z. B. eines Reiseveranstalters). Outsourcing wurde u. a. in den Bereichen Werbung, PR, Kataloggestaltung, Werbemittelproduktion und Buchhaltung betrieben, da der Fokus nunmehr auf die Kernkompetenz gerichtet wurde.

Modul A

3.9.4

104

3 Ausgewählte Managementformen im Tourismus

Konkrete Auswirkungen des gelebten und praktizierten Lean-Managements auf touristische Unternehmen, seine Führung, auf die Erstellung von Produkten und Dienstleistungen sowie auf deren Abläufe sind eine bessere Produktqualität. Diese entsteht durch mehrere Produktideen und Verbesserungsvorschläge, mehr Gruppenarbeit (Teams mit hohem Fachwissen und Teamgeist), kaum vorhandene Lagerbestände (Anpassung an die Fertigungssituation) und kaum vorhandene Über- oder Unterbesetzung durch Mitarbeiter, kürzere Lieferzyklen durch intensive Zusammenarbeit mit den Lieferanten, niedrige Fertigungskosten durch weniger Maschinenausfälle, kürzere Rüstzeiten, Wettbewerbsvorteile durch Flexibilität gegenüber Kundenwünschen und flachere Hierarchien, durch Reduktion der Fertigungstiefen, Outsourcing und Trennung von unproduktiven Mitarbeitern.

3.10

Change-Management

Hinter dem Begriff Change-Management (Veränderungsmanagement) verbergen sich unterschiedliche Problemstellungen, die nur einen gemeinsamen Nenner haben: Veränderungen, von denen eine größere Zahl von Mitarbeitern betroffen ist bzw. sein wird. So unterschiedlich wie die Problemstellungen sind auch die jeweiligen Veränderungsstrategien und Konfliktpotenziale. Veränderungen können/müssen vor dem Hintergrund einer gewandelten Unternehmens- und Lebensumwelt betrachtet werden. Sie folgen gleichsam den von Kondratieff postulierten „Theorien der langen Wellen“, anhand derer sich wirtschaftliche Veränderungszyklen anschaulich erläutern lassen. Die Gründe für Veränderungen in Unternehmen sind vielfältig, u. a. die Internationalisierung und Globalisierung von Unternehmen und Branchen, der Einzug neuer Technologien in alle Unternehmensbereiche, die zunehmende Vernetzung der Branchen und Unternehmen, gewandelte und höhere Kundenansprüche, Konzentrationsprozesse und Unternehmensfusionen, eine veränderte nationale und internationale Gesetzgebung, neuartige Lebensumstände und eine stärkere Demokratisierung der Gesellschaft. Die Notwendigkeit des Veränderns ergibt sich für ein Unternehmen aus den unternehmensinternen Schwächen und unternehmensexternen Risiken, denen es in einer sich stark und stets veränderten Unternehmensumwelt ausgesetzt ist. Change-Management soll den Wandel im Unternehmen und Organisationen unterstützen, die Umsetzungswahrscheinlichkeit erhöhen, das Risiko des Scheiterns reduzieren, eine neutrale Auseinandersetzung mit Veränderungen ermöglichen, Stimmungen bzw. Stimmungslagen der Mitarbeiter kanalisieren und Übertreibungen verhindern und helfen, Veränderungen nachhaltig zu gestalten. Die Zielrichtungen des Change-Managements können nach innen oder nach außen gerichtet sein.

externe Zielrichtungen des Change-Managements  stärkere Vertriebs- und Marktorientierung betreiben;  Fusionen und Zusammenschlüsse anstreben;  neue Produkte oder Dienstleistungen anbieten;  neue Standorte aufbauen, neue Quell- und Zielmärkte erschließen;  Customer-Relationship-Programme einführen. Abb. 3.19

105

interne Zielrichtungen des Change-Managements  Kulturwandel beschleunigen und positiv beeinflussen;  Kostensenkungsmaßnahmen populär machen;  Reorganisationsmaßnahmen verständlich machen;  Kundenorientierung optimieren;  Einführung neue Systeme;  Integration neuer Bereiche.

Externe und interne Zielrichtungen des Change-Managements

3.10.1

Die Umsetzung von Change-Management

Change-Management bedeutet Veränderungsprozesse auf Unternehmens- und persönlicher Ebene zu planen, zu initiieren, zu realisieren und zu stabilisieren. Darüber hinaus bedeutet es eine planmäßige, mittel- bis langfristige Veränderung von Verhaltensmustern und Fähigkeiten, um zielgerichtete Prozesse und Strukturen zu optimieren, sowie eine ganzheitliche Betrachtung des Wirkens und des Organisierens. Die Ausrichtung und Durchführung von Maßnahmen zur Persönlichkeitsentwicklung der Mitarbeiter müssen begleitend durchgeführt werden und das Unternehmen muss sich als „lernende Organisation“ verstehen. Für den permanenten Wandel genügt es nicht, eine Vision zu haben oder zu entwickeln, sondern es gilt vielmehr, die Phasen von Veränderungsprozessen zu steuern und zu durchlaufen. Kotter (1998) empfiehlt einen „Sieben-Stufen-Veränderungsfahrplan“, der teilweise oder zu Gänze in touristischen Unternehmen seit einigen Jahren umgesetzt wird. Veränderungen können nicht von einer einzelnen Person, sondern müssen von einem Team hochmotivierter Mitarbeiter, einer lebendigen Unternehmensorganisation und einem konstruktiven Miteinander herbeigeführt werden. Der „Sieben-Stufen-Veränderungsfahrplan“ nach Kotter sieht vor:  1. Stufe: Bewusstsein für dringenden Änderungsbedarf schaffen Markt- und Wettbewerbssituation untersuchen und bewerten; Chancen und Risiken erkennen, potenzielle Krisen antizipieren, Konsequenzen frühzeitig ableiten;  2. Stufe: visionär führen und messbare Strategien entwickeln Team zusammenstellen, das genügend Überzeugung, Kompetenz und Macht besitzt, den Wandel zu gestalten; Vision schaffen, die für die Veränderungsbestrebungen richtungweisend sind; Strategien entwickeln, die zur Realisierung der Vision beiträgt; Kennzahlen, Richtwerte, Programme und Zielerreichungen ableiten;

Modul A

3.10 Change-Management

106

3 Ausgewählte Managementformen im Tourismus

 3. Stufe: Visionen und Strategien kommunizieren alle Möglichkeiten nutzen, um die Visionen und Strategien zu kommunizieren; Vorbildwirkung der Führung eines Unternehmens, denn die Führung lebt das vor, was von Mitarbeiter erwartet wird;  4. Stufe: kurzfristige, sichtbare Erfolge planen große Projekte in kleine Untereinheiten aufteilen, um an sichtbaren Verbesserungen die Erfolge aufzuzeigen; Erfolge kommunizieren und Mitarbeiter belohnen;  5. Stufe: prozessorientierte Steuerung der Veränderungen durch Mitarbeiter Strukturen auf die veränderten Rahmenbedingungen ausrichten; Mitarbeiter an Neugestaltungen beteiligen; Hindernisse beseitigen; die Mitarbeiter zu Risikobereitschaft sowie Eigeninitiative und konkreten Handlungen ermutigen;  6. Stufe: Erfolge konsolidieren und Veränderungen institutionalisieren Mitarbeiter entwickeln, befördern, ggf. neue Mitarbeiter einstellen, die den Wandel realisieren und helfen, die Visionen umzusetzen; die Veränderungsprozesse mit Themen besetzen und in Gang halten und beleben;  7. Stufe: neue Verhaltensweisen kultivieren neues Verhalten muss in neuen Normen und Werten verwurzelt sein; Beziehungen zwischen veränderten Normen und Verhalten herausstellen und pflegen; Maßnahmen entwickeln, die die Führungs- und Unternehmensentwicklung sicherstellen.

3.10.2

Risiken und Schwächen des Change-Managements

Die Fehlschlagrisiken bei der Umsetzung von Change-Management sind beträchtlich. Die wichtigsten Risiken bestehen in Konfliktpotenzialen, die durch Veränderungen ausgelöst werden, durch Widerstand der Mitarbeiter und Lieferanten, mangelnde Robustheit der Veränderungen und Implementierungsfallen wie z. B Aktionismus-, Panik-, Ultima-Ratio-, Frühstart- und Dopingfalle. Zu den bedeutendsten Fehlschlaggründen werden Barrieren (mental-kulturelle Barrieren) im Veränderungsprozess ausgemacht. Diese sind u. a. fehlendes bzw. mangelndes Problembewusstsein, fehlende Netzwerke zwischen den Veränderern, keine klaren Visionen seitens der Unternehmensführung, fehlende Vorbildwirkung der Führungskräfte und das Beharren auf Altbewährtem, mentale bzw. systemimmanente Blockaden wie Angst vor Macht- und Prestigeverlust, Konflikte mit den bestehenden Organisationsstrukturen. Ebenfalls problematisch ist die kurzfristige Erfolgsorientierung ohne langfristige Zielorientierung, inkonsequentes Konzeptverständnis (man versteht nur, was man verstehen will oder gerade für die persönliche/berufliche Entwicklung wertvoll ist), passive oder aktive Widerstände gegen die Veränderungsmaßnahmen sowie eine nur unzureichende Integration und Verankerung der Veränderungsmentalität in die Unternehmenskultur.

3.10 Change-Management

107

Für die erfolgreiche Gestaltung und Umsetzung von Veränderungsprozessen ist es notwendig, eine sehr umfassende und komplexe Sicht auf das Unternehmen und seine Umgebung zu werfen. Das Management hat die Aufgabe, die o. g. Veränderungsfaktoren ganzheitlich zu betrachten und sie zu verknüpfen. Die besondere Herausforderung besteht darin, alle Gegebenheiten und Faktoren zu berücksichtigen und die verschiedenen Methoden zur Qualitäts- und Produktsteigerung zu verknüpfen. Veränderungsprozesse müssen „gemanagt“ oder „gehandelt“ werden. Das bedeutet, dass für Planung und Durchführung nachhaltiger Veränderungen eine herausragende Führung benötigt wird, also Unternehmenspersönlichkeiten, die schnell auf neue Herausforderungen reagieren, indem sie die Unternehmensstruktur verändern, frühzeitig neue Geschäftsfelder erschließen und okkupieren, Mitarbeiter für ihre Ideen begeistern und Bedürfnisse bei Kunden wecken. Ferner werden ein stufenweiser Veränderungsfahrplan (z. B. Sieben-Stufen-Veränderungsfahrplan) sowie flexibel einsetzbare Methoden wie z. B. Selbstbewertung nach dem EFQM-Modell, Balanced Scorecard, integrative Kommunikation, Projektmanagement, Prozessmanagement, Hochleistungsteams und effektive Selbstführung benötigt.

3.10.3

Angewandtes Change-Management im Tourismus

Der dringende Wunsch bzw. die dringende Notwendigkeit von Veränderung offenbarte sich durch den veränderten und verschärften Wettbewerb. Touristische Unternehmen, wie z. B. Reiseveranstalter, haben durch ihre Risikoanalysen in einem ersten Schritte erkannt, dass offene und verdeckte sowie kurz-, mittel- und langfristige Risiken in ihren Organisationen schlummern; nicht zuletzt auch bedingt durch die starken vertikalen Integrationsprozesse der letzten Jahre. Durch diese Beteiligungen wurde das Bewusstsein für die Integration der gekauften Unternehmen und deren Konsolidierung geschaffen. Durch verschiedene und nebeneinander parallel existierende Unternehmenskulturen wurde eine Weiterentwicklung in empfindlichem/hohem Maße gestört. Im zweiten Schritt wurden aus diesen „Gemischtwarenläden“ Teams aus Mitarbeitern zusammengestellt, welche in hohem Maße flexibel und an Veränderungen im Sinne einer einzigen Unternehmenskultur interessiert waren.

Modul A

Daher ist unter Change-Management ein Prozess der kontinuierlichen Planung und Durchführung tief greifender Veränderungen zu verstehen, bei denen sowohl die Führungskraft als auch der Mitarbeiter im Zentrum des Geschehens, also aller Aktivitäten stehen muss. Die Vorgehensweise für Change-Management ist von den Veränderungsfaktoren und dem Regelkreis der Führung abhängig; somit vom Menschen (Mitarbeiter und Führungskraft) mit seinen Fähigkeiten und Rollen, von den Strukturen des Unternehmens (Aufbau- und die Ablauforganisation), der Strategie, die im Wesentlichen von Kooperationen, Partnerschaften abhängig ist und sehr stark von Auftraggebern und dem Markt (Kunde, Konkurrenten) beeinflusst wird, und von der Ausstattung (Technologie und Ressourcen).

108

3 Ausgewählte Managementformen im Tourismus

Im dritten und im vierten Schritt, die in der Praxis sehr nahe beieinanderliegen, wurden neue Visionen und Strategien kommuniziert und durch veränderte Organisationsstrukturen auch kurzfristige Erfolge erzielt, um den langfristigen Erfolg dadurch zu dokumentieren und die Machbarkeit in Aussicht zu stellen. Diese Erfolge wurden sodann über ein professionelles Medien-Management in der Branche kommuniziert. Dies schaffte zum Beispiel in der Reisemittlerbranche das Bewusstsein und die Erkenntnis, wiederum Veränderungsprozesse anzugehen oder zu beschleunigen, um sich überhaupt noch im Markt behaupten zu können. Die fünfte Stufe führte sodann zu einer völligen Neuausrichtung der geschäftlichen Aktivitäten sowohl in der Produkt- als auch in der Sortimentspolitik (neue Marken, neue Produktlinien). Ebenso wurden neue Produkt- und Produktionsplattformen geschaffen. Stellenbeschreibungen wurden in dieser Phase neu definiert, Arbeitsprozesse verändert, aber auch die Belastbarkeit und Strapazierfähigkeit der Mitarbeiter wurde erhöht. Bösartig betrachtet, könnte man von einem bewusst herbeigeführten Arbeits- und Unternehmensklima sprechen, in welchem diejenigen resignierten und letztendlich aus dem Unternehmen ausschieden, die sich mit der Veränderungsform und Veränderungsgeschwindigkeit nicht abfinden wollten. In der sechsten Stufe wurden angefangene Prozesse verfeinert, modifiziert und konsolidiert. Es fand gewissermaßen eine Feinjustierung statt und es wurde das neue Unternehmenscredo geschaffen. In dieser Phase fand auch die Festigung der neu geschaffenen oder veränderten Strukturen statt. Ebenso wurden Themen besetzt, um herauszufinden, wie groß die Akzeptanz in der Branche und in der Öffentlichkeit ist. Als Beispiel sei hier die die „Aldisierung“ der Touristik oder die Etablierung der Low-Cost-Airlines genannt. Hiermit wagte sich der eine oder andere integrierte Tourismuskonzern sehr weit aus seiner Deckung heraus, um u. a. festzustellen, ob und wie die gesamte Branche und/oder die Öffentlichkeit reagiert. In der siebten Stufe haben sich neue Unternehmenskulturen gefestigt, neue Gesichter, neue Ideen, neue Umgangsarten und -formen prägen die neue Unternehmenskultur. Gesetzmäßigkeiten, Verhaltensnormen, Geschäftsregeln sind eingeführt und läuten genau genommen bereits die nächsten Veränderungsprozesse ein. In der Handlungsweise und an der Umsetzung dieser sieben Stufen ist durchaus auch berechtigte Kritik angebracht, denn oftmals wurde das langfristige Veränderungsziel durch Bestrebungen nach kurzfristigen Erfolgen gefährdet. An den zwei folgenden Beispielen (Reisebüro und Fluggesellschaft) sollen die aus der Notwendigkeit abgeleiteten Umsetzungen dargestellt werden. Im Reisebüro erfolgt der Change-Managementprozess aufgrund der Notwendigkeit zur Auseinandersetzung mit den Neuen Medien, denn Onlinebuchungen der Kunden bieten für die Reisebürokunden Einsparpotenziale. Die zunehmende Bedeutung des Internets als Kommunikationsmedium im Tourismus, sei es zur Information, Kommunikation, Buchung und Verkaufsunterstützung, nimmt stetig zu. Die effiziente Nutzung der Neuen Medien bietet mehr Potenziale als auf den ersten Blick ersichtlich ist, z. B. zur Prozessoptimierung, Organisations- und Erlösoptimierung sowie zur Kundenbindung. Am Beispiel der Personalentwicklung der Lufthansa AG kann gelebtes ChangeManagement ebenfalls dokumentiert werden. Hierbei stand die Internationalisierung der Personalentwicklung im Mittelpunkt.

109

Internationalisierung der Personalentwicklung (Lufthansa AG) früher heute  Deutschland-zentriertes Konzept;  international ausgerichtetes Konzept;  Rekrutierung in Deutschland;  internationale Rekrutierung;  Entsendung der Mitarbeiter ins Aus dreidimensionale Entsendung; land (hauptsächlich aus Deutsch Auslandsvoraussetzung als wichtige land); Voraussetzung;  Anforderungsprofile ohne interna rotationsorientiertes Laufbahnsystem; tionalen Bezug;  Auslandseinsatz als Entwicklungsbau aufstiegsorientiertes Laufbahnsysstein; tem; Auslandslaufbahnen;  Kooperation mit ausländischen Part Deutschland-zentriertes Trainingsnern; system;  Potenzial-Gesprächsrunden.  eindimensionale Potenzialerhebung. Abb. 3.20

Internationalisierung der Personalentwicklung (Quelle: in Anlehnung an Lufthansa AG 2005)

3.11

Personalmanagement

„Find the right man for the right job“ oder „Fragen Sie nicht, wie ein Mitarbeiter motiviert werden kann, sondern wie er seine Motivation findet.“ Die Organisation eines Unternehmens bewirkt durch ihre bekundeten und geteilten Werte Mitarbeiterzufriedenheit. Diese erzeugt Kundenzufriedenheit und trägt somit zur Realisierung der ökonomischen Ziele des Unternehmens bei (Weiermair/Köhler, 2004).

3.11.1

Personalsituation im Tourismus

Das Personalmanagement eines touristischen Unternehmens muss vor dem Hintergrund des Wandels betrachtet werden. In den 1960er und 1970er Jahren basierten die touristischen Leistungen auf natürlichen Voraussetzungen, Destinationen hatten noch Standortvorteile und der Beruf des „Touristikers“ war noch traditionell geprägt. Die Personalpolitik war genau festgelegt und in eng umschriebene Aufgabenbereiche gegliedert. Es gab wenig Weiterbildungs- und Karrieremöglichkeiten und Personal wurde als eine Kostenbelastung angesehen. In den 1980er und 1990er Jahren wandelte sich diese Situation. Durch die zunehmende Reiseintensität, den Abbau von Risikoperzeptionen aufgrund einer höheren Bereistheit und des Verlangens nach mehr Abwechslung wurden Tourismuserlebnisse als „ganzheitlicher“ Konsum wahrgenommen (Weiermair/Köhler, 2004). Dadurch änderten sich die Anforderungen an Mitarbeiter im Tourismus. Dieser Zustand ist bis heute unverändert. Die Tourismusbranche gilt als jugendliche Branche und zeichnet sich durch Merkmale wie niedriges Durchschnittsalter, hohe Fluktuationsrate durch Saisonalität, hoher Anteil an Quereinsteigern und überdurchschnittlich hoher Anteil an Frauenerwerbstätigkeit aus. In Deutschland werden im Tourismus ca. 3 Mio. Menschen beschäftigt. Touristische

Modul A

3.11 Personalmanagement

110

3 Ausgewählte Managementformen im Tourismus

Berufe leben wie ein Künstler vom Applaus. Die Qualität der touristischen Dienstleistung ist geprägt durch das Kontaktpersonal des Produzenten, Beförderungsträgers, Beherbergungsgeber. Primäre Produktionsfaktoren sind die Qualifikation und Motivation der Mitarbeiter (Weiermair/Köhler, 2004).

3.11.2

Problembereiche im Personalmanagement im Tourismus

Mitarbeiter sind das größte und wichtigste Kapital eines Unternehmens. Die Personalsituation im Tourismus ist auch nicht besser oder schlechter als in anderen Branchen. Jedoch weist die Tourismusbranche einige typische Merkmale auf, die immer wieder Gegenstand kontroverser Diskussionen sind, und dann auch zu den personaltypischen Besonderheiten führen.  Klein- und mittelständische Prägung Die immer noch klein- und mittelständisch geprägte Branche mit einem hohen Anteil weiblicher Mitarbeiter zeichnet sich durch eine relativ hohe Personalfluktuation der Mitarbeiterinnen durch Familiengründung und Wiedereinstieg in den Beruf aus. Weiterhin ergeben sich durch die klein- und mittelständischen Strukturen wenig Aufstiegs- und Karrierechancen für die Mitarbeiter, was ebenfalls zu einer hohen Abwanderungsquote hin zu größeren Unternehmen und Konzernen oder gar in andere Branchen führt.  Zeitlicher Einsatz Unattraktive Öffnungs- und Arbeitszeiten sind in dieser Branche üblich, die im Bereich Dienstleistung angesiedelt ist. Dienstleistungsbranchen sollten eigentlich dann geöffnet haben, wenn ein Großteil der Arbeitnehmer Zeit hat, die Dienstleistung nachzufragen. Auch Schichtzeiten, z. B. in der Hotellerie, Gastronomie, Verkehrswesen, werden von den Beschäftigten nur für eine gewisse Dauer akzeptiert.  Mangelnde Aufklärung über die touristischen Berufe Mangelnde Aufklärung und Darstellung des/der Berufsbildes/Berufsbilder im Tourismus sowie die Auswahlkriterien führen auch hier zu weitreichenden Problemen. Weithin verbreitet ist die Meinung, dass nur angehende Auszubildende mit dem Zeugnis der Allgemeinen Hochschulreife oder der Fachhochschulreife in der Lage sind, diese Berufe zu ergreifen. Ein Trugschluss, denn viele Abiturienten/-innen, nach enttäuschenden Erfahrungen in ihrer Ausbildung, nach Enttäuschungen über Bezahlung, Arbeitszeiten und Aufstiegschancen, beginnen nach der Ausbildung ein Studium. Das bedeutet, dass der Betrieb Geld in Mitarbeiter investiert hat, die dem Unternehmen sodann nicht mehr zur Verfügung stehen. Stark verbreitet ist auch das Vorurteil, im Tourismus tätig zu sein, bestünde im Wesentlichen darin, auf (Geschäfts-)Reise zu sein und es mit Menschen zu tun zu haben. Der Anteil der Reisen ist überschaubar und den Menschen etwas verkaufen, nämlich die „schönsten Wochen des Jahres“, wollen dann schon bedeutend weniger, die sich für einen Beruf im Tourismus entschieden haben.

3.11 Personalmanagement

111

 Personalkosten Personalkosten sind i. d. R. in touristischen Unternehmen sehr hoch (in manchen Geschäftsfeldern bis zu 70% der Gesamtkosten). Der Irrtum vieler Betriebe, Auszubildende und Praktikanten senken die Personalkosten, führt gleichzeitig zu einer Negativauswahl an Personal statt. Langfristig kann dies dazu führen, dass kein gut qualifizierter Mitarbeiter mehr für diese Unternehmen tätig sein will und qualifiziertes Personal dann noch teurer ist.  Schulung und Qualifikation der Mitarbeiter Kaum eine Branche schult die Mitarbeiter so wenig wie die Tourismusbranche. Statistisch gesehen, ist jeder Mitarbeiter nur ca. vier Tage im Jahr auf Fort- und Weiterbildung (andere Branchen bringen es pro Mitarbeiter auf ca. 12 Tage im Jahr). Auch die Bereitschaft, die Kosten für die Qualifikation der Mitarbeiter zu übernehmen, hält sich in überschaubaren Grenzen.

3.11.3

Grundlagen erfolgreichen Personalmanagements

Die Schwierigkeit besteht häufig darin, die richtigen Mitarbeiter zu finden und die guten Mitarbeiter zu halten. Mit einigen geeigneten Maßnahmen können Voraussetzungen für eine optimale Motivation der Mitarbeiter geschaffen werden. Motivation ist kein Charakterzug, sondern ein beeinflussbarer Prozess. Bedürfnisse und Motive bilden die Basis für erfolgreiches Motivieren. Geeignete Maßnahmen sowie auch Voraussetzungen, die die Motivation fördern, sind zum einen das Arbeitsumfeld und der Arbeitsplatz sowie das Betriebsklima, der Führungsstil und das Führungsverhalten der Vorgesetzten. Darüber hinaus spielen soziale Maßnahmen, die Entlohnung und Arbeitsentgelte und die Aufgaben und Inhalte und Leistungsanreize, wie z. B. Trainings, Aufstiegschancen und betriebliches Vorschlagswesen, eine wichtige Rolle. Zu den wesentlichen Inhalten und Grundlagen der Personalentwicklung für Mitarbeiter im Tourismus zählen u. a. die Motivation, Zielvereinbarungsgespräche, das Leitbild und die Rolle von Personalbereichen, Förderung der emotionalen Intelligenz, Mitarbeitergespräche, Tätigkeitsbeschreibungen sowie Potenzialanalyseverfahren.

Modul A

 Entlohnung im Tourismus Immer wieder keimt die Diskussion über die verbesserungsbedürftige Entlohnung im Tourismus auf. Die Schwierigkeit in der Entlohnung liegt zum einen darin, dass für eine stetig bessere Entlohnung in den derzeitigen Gehaltseinstufungsmodellen die Betriebsseniorität ausschlaggebend ist. Durch die vorhin schon erwähnte hohe Personalfluktuation erreichen sehr wenig Mitarbeiter diese hohen Entlohnungsstufen in einem Unternehmen. Zum anderen wurde hier lange Zeit versäumt, Zielvereinbarungen mit den Mitarbeitern zu treffen und sie in angemessener Weise auch am Erfolg zu beteiligen.

112

3 Ausgewählte Managementformen im Tourismus

 Motivation Motivation ist die Bereitschaft, eine besondere Anstrengung zur Erfüllung bestimmter Ziele auszuüben. Durch die Anstrengung wird auch die Befriedigung individueller Bedürfnisse ermöglicht. Der Grad der Anstrengung drückt die Intensität aus, wie hart jemand an der Erfüllung eines bestimmten Zieles arbeitet. Die Identifikation der Bedürfnisse und Motive bilden die Basis für erfolgreiches Motivieren. Leistung zu erbringen, bedeutet sich im Regelkreis von Bereitschaft, Möglichkeit und Fähigkeit zu bewegen. Bereitschaft wird mitgebracht und bedeutet „Wollen“, dazu gehören der Wille, die Kraft, das Temperament, die Dynamik, Entschiedenheit, Motivation und „Motiviertheit“. Fähigkeit bedeutet „Können“, und das bedeutet über Fertigkeiten, Wissen, Kenntnisse, Erfahrungen, Eignung und Kompetenz zu verfügen. Möglichkeiten zu haben, bedeutet „Dürfen“ und dazu gehören die Spielregeln, die Rahmenbedingungen und die Strukturen im Unternehmen und am Arbeitsplatz. Mitarbeiter „Wollen“, „Können“ und müssen „Dürfen“. Mitarbeiter motivieren sich i. d. R. selbst, wenn sichergestellt wird, dass sie nicht unterfordert (z. B. durch Langeweile) oder überfordert (z. B. durch Angst, ein gesetztes Ziel nicht zu erreichen) werden. Motivation basiert auf zwei Kernfragen: Was motiviert? und: Was spielt sich in der Person ab, die ein bestimmtes Zielerreichen möchte? Was Mitarbeiter motiviert, sind die Befriedigung individueller Bedürfnisse, ihre berufliche Motive, ihre Ziele, der erwartete Nutzen und die Inhalte.  Zielvereinbarungen Zielvereinbarungen lassen sich ableiten aus den Unternehmens- und Bereichszielen, der jeweiligen Mitarbeiterqualifikation und den Zielen der Mitarbeiter. Grundsätzliche Anforderungen an Ziele sind: sie müssen messbar, spezifisch, realistisch, erreichbar und zeitlich untergliedert sein. Ziele müssen von den Mitarbeitern auch verstanden werden, müssen positiv formuliert, moralisch, legal und relevant sein. Ferner sollen sie eine Herausforderung für den Mitarbeiter darstellen und von allen akzeptiert werden. Zielvereinbarungen setzen Zielvereinbarungsgespräche voraus. Die Reihenfolge der Schritte für ein erfolgreiches Zielvereinbarungsgespräch kann wie folgt aufgebaut sein:

Vorbereitung

Durchführung

Nachbereitung

Abb. 3.21

113

Voreingenommenheit überprüfen; mit wem, wo und wann wird das Gespräch geführt; innerjährige Beobachtungen zusammenstellen, Dritte befragen, Stärken und Schwächen des Mitarbeiters in Erfahrung bringen; Unterlagen bzw. Aufzeichnungen des letztes Gesprächs zu Rate ziehen; Zieldefinition festlegen; Was soll das Ergebnis des Gesprächs sein?; für eine angenehme, stressfreie Atmosphäre sorgen; Reaktionen in kritischen Situationen definieren. Begrüßung und Aufwärmen; Sinn und Zweck des Gesprächs erklären; Beurteilungsphase (Rückblick auf gesetzte Ziele, Selbsteinschätzung des Zielerreichungsgrades, Beurteilung durch Vorgesetzte, Gespräch, abschließende Erläuterungen, Erläuterung der Zieltantieme); Zielvereinbarungsphase (Unternehmensziele erörtern, Standardaufgaben überprüfen, Entwicklung von Zielen abgeleitet aus der Beurteilungsphase, persönliche Entwicklungsmöglichkeiten aufzeigen, Protokoll erstellen und nach einer Reflexionsphase in einem zweiten Gespräch die Zielvereinbarung beschließen). Follow-up Termine einhalten; Protokoll überprüfen; Zusagen umsetzen; Geschäftsleitung bzw. Vorstand informieren; kritische Punkte und Fälle klären; Zwischen-Inventuren machen.

Vorgehensweise einer Zielvereinbarung

 Leitbild und emotionale Intelligenz Dem Leitbild des Unternehmens kommt im Zusammenhang mit Mitarbeiterführung eine bedeutende Rolle zu. Die im Leitbild bekundeten Werte werden vom Mitarbeiter mit den geteilten Werten verglichen, gewissermaßen wird ein Soll-/Ist-Vergleich durchgeführt und die Glaubhaftigkeit der Werte und Inhalte eines Leitbildes überprüft. Jeder Mitarbeiter muss sich in diesen Inhalten wieder finden bzw. sich mit den Werten identifizieren. Zu diesen Inhalten zählen u. a. die Vision, die Mission, Zielfelder und das Selbstverständnis. Die Kernbereiche der emotionalen Intelligenz liegen in der Fähigkeit des SelbstManagements, d. h. eigene Emotionen beeinflussen und gestalten; des Selbstbewusstseins, d. h. eigene Emotionen bewusst wahrnehmen und erkennen; der Selbstmotivation, d. h. eigene Emotionen zur Verwirklichung der eigenen Ziele nutzen; der Empathie, in der Lage zu sein, sich in andere Menschen einfühlen zu können, und dem Engagement, d. h. Beziehungen gestalten und mit Konflikten umgehen können.

Modul A

3.11 Personalmanagement

114

3 Ausgewählte Managementformen im Tourismus

 Mitarbeitergespräch Mitarbeitergespräche sind Plattformen für wechselseitige Rückmeldungen zwischen Vorgesetzten und Mitarbeiter über Probleme am Arbeitsplatz, Leistungen und Arbeitsverhalten, Arbeits- und Entwicklungsziele, Perspektiven für die berufliche Entwicklung sowie geeignete Qualifizierungs- und Fördermaßnahmen u. a. Mitarbeitergespräche sind zentrale Elemente des Beurteilungs- und Fördersystems. Varianten des Mitarbeitergesprächs können das Kritik-, Informations-, Beurteilungs-, Ziel-, Motivations-, Überzeugungs- und Feedbackgespräch sein. Für die Vorbereitung eines Mitarbeitergesprächs sollten folgende Schritte, Themenbereiche und Inhalte berücksichtigt werden:        

Thema, über das gesprochen werden soll; Ziele, die es zu erreichen gilt; Verfahren, wie vorgegangen werden soll; Erwartungen, welche an den Mitarbeiter gestellt werden; Erfahrungen, die der Mitarbeiter mitbringt; Widerstände, die zu erwarten sind; Ablauf und Struktur des Gesprächs; Ergebnisse, die denkbar sind.

3.12

Management der Informationstechnologie im Tourismus (CRS/GDS)

In touristischen Unternehmen kommt branchenübergreifende und branchenspezifische Software für die Bewältigung der vielfältigen Aufgaben wie z. B. Information und Beratung, Verkauf von Zusatzleistungen, Reservierung, Veranstalterverwaltung, Eigenveranstaltungen, Buchhaltung, Marketing und Managementfunktionen zur Anwendung. Branchenübergreifende Software können integrierte Softwarepakete und Einzellösungen wie z. B. Textverarbeitung, Kalkulationsprogramme, DTP und Datenbanken sein. Zur branchenspezifischen Software gehören Standardsoftware und individuelle Software. Eine individuelle Softwarelösung ist nur dann zu vertreten, wenn sie historisch durchwachsen ist. Heutzutage, bei einer Fülle von fertigen Programmen auf dem Softwaremarkt, ist es nicht ratsam, einen sehr arbeitsaufwendigen und kostspieligen Einzellösungsweg anzustreben. Der Markt der Softwareanbieter umfasst ca. 60 Softwarehäuser für Reisebüros/Reisemittler, ca. 20 für Reiseveranstalter, ca. 60 für die Hotellerie und ca. 15 für den Bereich Tagungs-, Messe- und Kongresswesen. Die Vorteile der Softwareanbieter in der Touristik liegen u. a. in der schnellen Einsatzmöglichkeit, Bereitschaft der Softwarehäuser, die Software individuell anzupassen und in der Modularität der Software. Die Nachteile der Softwareanbieter sind u. a. ihre kurze Branchentätigkeit, die Herkunft der Software und der Softwareanbieter und der Umstand, dass eine touristische bzw. Informatikausbildung nicht immer gegeben ist sowie die Unternehmensgröße (meist kleine Softwarehäuser).

3.12 Management der Informationstechnologie im Tourismus (CRS/GDS)

115

Global Distribution Systems (GDS) und Computer Reservation Systems (CRS) sind computergestützte Reservierungs- und Reiseinformationssysteme, die u. a. der Datenund Informationsübermittlung dienen, und weitere Funktionalitäten für den Front-, Mid- und Backoffice-Bereich eines touristischen Unternehmens, insbesondere der Reisemittler, Reiseveranstalter und Fluggesellschaften, bereithalten. Es handelt sich um von Fluggesellschaften, Reiseveranstaltern, Hotels, InformationstechnologieAnbietern oder Rechenzentren betriebene Systeme, die sowohl dem Einzel- als auch dem Gesamtleistungsträger sowie dem Endnutzer mit Hilfe der Datenfernübertragung, Reservierungs-, Kommunikations- und Informationsfunktion mit einheitlicher Benutzeroberfläche anbieten. Sie sind gleichzeitig Informations-, Kommunikations-, Reservierungs- und Vertriebssystem. Heutige GDS/CRS gehören nicht mehr mehrheitlich einer oder mehreren international operierenden Fluggesellschaften, und sind auch nicht mehr ausschließlich auf die Bedürfnisse von Luftverkehrsgesellschaften zugeschnitten, sondern sie stehen allen interessierten Leistungsträgern und Anbietern touristischer Dienstleistungen sowie den Vertriebseinheiten offen. Jeder Einzel- oder Gesamtleistungsträger kann gegen Errichtung einer Nutzungs-/Bereitstellungsgebühr seine Angebote im System darstellen lassen. Zusätzlich verlangen die Systembetreiber von den angeschlossenen Reisemittlern eine monatliche oder jährliche Nutzungspauschale (Miet- oder Lizenzgebühren). Einzel- und Gesamtleistungsträger müssen ihrerseits noch zusätzlich eine Nutzungsgebühr nach Segmenten oder Anzahl der Buchungen an den Systembetreiber entrichten. Ein GDS/CRS „lebt“ von der Buchungssegment-Produktion und von der Verbreitung von Informationen an die Nutzer. Diese Systeme sind als „Multi-Access-Systeme“ konzipiert, d. h. als Rechnerverbünde, die den Nutzern direkten Zugriff auf die Reservierungssysteme mehrerer Einzel- und Gesamtleistungsträger gewähren.

Modul A

Die Kriterien zur Beurteilung und Auswahl von Softwareprodukten sind u. a. Softwarefunktionen (Erfüllung der Anforderungen aus dem Sollkonzept, Modularität der Software, Bedienerfreundlichkeit und Kompatibilität zu anderen Programmen), technische Voraussetzungen (Nutzung von schon vorhandener Hardware, Systemsoftware, DFÜ), Service (Komplettlösung möglich, Installationsfragen, Schulung, Hotline, Dokumentation, Wartung, Update, Upgrade), Kosten (Kauf, Leasing, Miete, Folgekosten, Betrieb, Wartungskosten) und sonstige Kriterien (Kauf, Leasing, Miete, Folgekosten, Betrieb, Wartungskosten). Informationstechnologien, die hochkomplex, multifunktional und vielfach eingesetzt werden, sind das Global Distribution System und das Computer Reservation System.

116

3 Ausgewählte Managementformen im Tourismus

3.12.1

Abgrenzung und Träger der Systeme

Es herrscht vielfach Uneinigkeit darüber, was nun ein GDS und was ein CRS ist. Per Definition sind Global Distribution Systems (GDS) neutrale Plattformen, die zwar in ihren Anfängen von Fluggesellschaften initiiert und entwickelt wurden, im Laufe der Zeit jedoch gegen Gebühren grundsätzlich jedem Einzel- und/oder Gesamtleistungsträger zur Verfügung gestellt wurden. Ein GDS kann wie ein Marktplatz oder ein Einkaufszentrum betrachtet werden. Auf der einen Seite stehen die touristischen Produkte/Dienstleistungen und das Sortiment unterschiedlichster Anbieter und Produzenten, auf der anderen Seite die Kunden, im vorliegenden Fall der geschlossene Nutzerkreis der Reisemittler bzw. Distributoren. Computer Reservation Systems (CRS) sind im Gegensatz zu den GDS keine neutralen Plattformen, sondern die jeweiligen Einzelplattformen der jeweiligen Produzenten. Gewissermaßen ist das CRS die Verkaufstheke eines einzelnen Produzenten. Diese „Verkaufstheke“ kann nun auf einem „Marktplatz“ oder in einem „Einkaufszentrum“ oder für sich isoliert stehen. Das bedeutet, dass Einzelleistungsträger wie Hotelgesellschaften und -ketten, Fährgesellschaften, Kreuzfahrtveranstalter, Pauschalreiseveranstalter ihre Produkte sowohl in ein CRS einstellen können und gleichzeitig über ihr hauseigenes GDS weitere Vertriebskanäle erschließen können. Eine weitere Form von Computersystemen stellen Umbrella-Systeme dar. Diese sind kostengünstige Varianten von elektronischen Systemen zum gemeinsamen Anschluss sowohl kleinerer und mittlerer Einzel- und Gesamtleistungsträger aber auch kleinerer Reisemittler an die großen GDS- und CRSSysteme. Die Träger der Informationstechnologie sind i. d. R.:   

 



Content Provider: sind für die Inhalte Objektbeschreibung, Bilder, Preistabellen, Informationen über die Zielgebiete, Produkte zuständig; Einzel- und Gesamtleistungsträger: z. B. Fluggesellschaften, Bahngesellschaften, Mietwagen-Broker, Reiseveranstalter, Hotelketten, Fremdenverkehrsämter; Service Provider: sind die Media-Fabriken, die beispielsweise die Digitalisierung der Daten und Datenkompressionen vornehmen, Layouts entwerfen, und weitere Dienste für die optisch ansprechende Darstellung der Informationen im System erbringen; Informationsbroker: sind die Betreiber von GDS/CRS-Systemen und deren Partnersystemen; Infrastrukturbetreiber: stellen die Kommunikationswege zur Verfügung (Telekommunikationsnetze); diese sind z. B. Telefongesellschaften, geschlossene Datenkommunikationsnetze (z. B. SITA), Satelliten, Local-Area-Network (LAN), Wide-Area-Network (WAN); User: sind gewerbliche Nutzer wie beispielsweise Reisemittler, Verkaufsbüros der Fluggesellschaften oder Endkunden (Privatreisende und Geschäftsreisende).

3.12 Management der Informationstechnologie im Tourismus (CRS/GDS)

117

Amadeus Germany GmbH Die Gründungsmitglieder von Amadeus waren die deutsche Lufthansa AG, die französische Air France, die spanische Iberia, und die amerikanische United Airlines. Das GDS ist entstanden aus den nationalen CRS eben genannter Fluggesellschaften und einer Kooperation mit Abacus und der Fusion mit System One, beides ehemals nordamerikanische CRS. Die Amadeus Germany GmbH ist Deutschlands führender Anbieter von IT-Lösungen für die Reisebranche. Das 1971 gegründete, aus START hervorgegangene Unternehmen, liefert heute ein umfassendes Angebot für den Vertrieb touristischer Leistungen aller Art. Für den Geschäftsbereich bietet Corporate Solutions leistungsstarke Geschäftsreise-Lösungen für effizientes Travel Management in Unternehmen. In Deutschland arbeiten ca. 85% aller Reisebüros an ca. 45.000 PCs mit dem modernen, leistungsstarken und hoch entwickelten Amadeus System. Über 95.400 Reisebüros sowie mehr als 32.800 Airline-Verkaufsbüros in über 217 Märkten weltweit nutzen sein Netz und das leistungsstarke Datenzentrum. In Deutschland sind über Amadeus derzeit ca. 500 Fluggesellschaften, über 75.000 Hotels, 22 MietwagenFirmen, rund 190 Reise- und Busveranstalter, 74 Verkehrsverbünde, 40 europäische Bahnen, 30 Fähranbieter, sechs Versicherungsanbieter, ein Event-TicketAnbietersystem mit mehr als 7.000 Vorstellungen pro Tag sowie 13 Kreuzfahrtanbieter abruf- und buchbar. Alleiniger Gesellschafter von Amadeus Germany ist die Amadeus IT Group SA, ein weltweit führender Anbieter von Technologie- und Vertriebslösungen für die Reise- und Tourismusbranche.

3.12.2

Leistungsangebot, Funktionalität und Finanzierung

Das Leistungsangebot der GDS/CRS umfasst die Angebotsdarstellung der Produkte und Dienstleistungen, umfängliche Tarifinformationen, Tarifsysteme und Möglichkeiten der Tarifoptimierung, einen Zugriff auf globale Datenbanken, Informationsdienste und Kommunikationsnetze. Darüber hinaus werden Informations-, Reservierungsund Dokumentendruckfunktionen sowohl für Primär- als auch für Komplementärleistungen und Komplementärprodukte angeboten, ein Verwaltungsmanagement und eine Yield-Optimierungsfunktion steht ebenfalls zur Verfügung. Ferner werden Marketing- und Customer-Relationship-Managementfunktionen, eine Help-Desk- und eine Schulungsfunktion angeboten. Diese Systeme ermöglichen Markttransparenz zwischen ähnlichen Produkten und Verkaufsabschlüsse touristischer Leistungen. Hinsichtlich des Zugriffs auf das Leistungsangebot werden unterschiedliche Zugriffsberechtigungen unterschieden. Es werden ebenso hohe technische und kaufmännische Sicherheitsstandards gewährleistet. Die Angebote verfügen über eine hohe Aktualität und werden nach kontrollierten und definierten Qualitätsstandards in das System eingespeist. Die Funktionalität der GDS/CRS definiert sich u. a. über die:

Modul A

Die wichtigsten im deutschen Markt vertretenen GDS sind Amadeus Germany GmbH, Galileo Deutschland GmbH, Sabre Travel Network und Worldspan Services Ltd.

118

   



3 Ausgewählte Managementformen im Tourismus

Bereitstellungsfunktion der Leistungsanbieter: Flug-, Bahn-, Bus-, Schifffahrts- und Fährgesellschaften, Hotelkonzerne, Reiseveranstalter und andere touristische Dienstleister (z. B. Reiseversicherungen, Ticket-Agenturen); Informationsfunktion der Leistungsanbieter: Wetter, Fahr- und Flugpläne, neutrale Produktinformationen, Preistabellen; Reservierungsfunktion: Echtzeitreservierung als feste oder optionale Buchung, Anfragemöglichkeit; Vertriebsfunktion: sie sichert den Einzel- und Gesamtleistungsträgern einen flächendeckenden Vertrieb, sowohl regional als auch global, einerseits durch den sofortigen Zugriff auf alle Produkte und andererseits durch Mehrwerte des Systems; z. B. Front-, Mid-, Backoffice-Funktion, Verwaltung und andere Tools; Marketingfunktion: ihr kommt derzeit die größte Bedeutung zu; z. B. durch Angebotsbündelung, Erschließung neuer Märkte, als Kommunikations- und Informationskanal, Auslastungssteuerung, Kosten- und Ertragsoptimierung sowie Kostentransparenz.

Das Betreiben von GDS/CRS erfordert hohe Investitionen und laufende Kosten: Investitionen für Hardware, Basis-Software, Standortkosten, Kommunikationskosten und Datennetze; laufende Kosten für permanente Weiterentwicklung, Programmierung, Leitungs- und Kommunikationsgebühren sowie aufwendige Abrechnungssysteme und hohe Personalkosten. Einnahmen der Systembetreiber sind u. a.: 

  



Bereitstellungsgebühren seitens der Anbietern: jeder Anbieter der das GDS-/ CRS-System als Plattform für den Vertrieb und Bekanntmachung seiner Produkte und Dienstleistungen nutzt, muss zunächst einmal eine Bereitstellungsgebühr entrichten, mit der üblicherweise die Bereitstellung einer bestimmten Datenmenge abgegolten ist; umsatz- und leistungsabhängige Gebühren: diese richten sich nach der verkauften Menge an Produkten und Dienstleistungen (z. B. Anzahl der Segmente, Anzahl der Teilnehmer, Umsatzstufen) und werden von den Anbietern erhoben; Auflistungsgebühren: bezahlen ebenfalls die Anbieter für die optimale und standardisierte Darstellung in den jeweiligen Verkaufsplattformen (z. B. Bildschirmmasken); Lizenzgebühren: werden im Zuge der Globalisierung von Rechenzentren in weiten Teilen der Welt verlangt, die in ihrer jeweiligen Region dieses System zur Verfügung stellen wollen, wo der Systembetreiber aber kein Risiko für diese Region eingehen will; Service-Entgelte oder Nutzungsgebühren: werden von den Nutzern, u. a. den Reisebüros, Reisemittlern, Firmendienststellen, Fluggesellschaften verlangt. Diese Gebühr wird für die kommerzielle Nutzung nach unterschiedlichen Kriterien erhoben. Maßgebende Kriterien sind z. B. die Anzahl der Leitungen und Terminals in dem Betriebsstandort, gewünschte Module (z. B. nur Flug und Bahn oder nur Touristik und Verwaltung), Standleitung oder Web-Client-Variante, Reservierungs- oder/und Dokumentendruckfunktion, Buchhaltung und Vorgangsverwaltung.

3.12 Management der Informationstechnologie im Tourismus (CRS/GDS)

3.12.3

119

Vor-, Nachteile und rechtliche Problematik

Reisebüros/Reisemittler können durch den Einsatz der GDS/CRS eine Verbesserung der Beratungsqualität (durch die Frontoffice-Funktion) u. a. durch erheblich größere Angebotsvielfalt und bessere Selektionsmöglichkeiten erreichen. Hilfreich sind Kundendatenbankverwaltung und Pflege von „Customer Profile“ oder Kundenprofilen (durch die Midoffice-Funktion), insbesondere für die Kundenpflege und eine gute Customer-Relationship-Management-Strategie (CRM). Eine Buchhaltungs- und Controllingfunktion, Überwachung der Zahlungseingänge (durch die BackofficeFunktion) sowie Umsatzsteigerung durch schnelle, gezielte Beratung und Geschäftsabwicklung und eine zuverlässige, kostengünstige und weltweite Kommunikation mit Partnerbüros und den Leistungsträgern, die Unterstützung der Reservierungsabteilung, der Marketingabteilung und des Managements runden die Vorteilhaftigkeit des Systemeinsatzes ab. Für international operierende Reisebüroketten und Reisebürokooperationen sowie Reisebüro-Franchise-Systeme (zusätzlich zu den o. a. Vorteilen der Reisebüros) wird durch die Systeme ein weltweiter Service sowie eine weltweite Kommunikation innerhalb der Organisationen, Datenaustausch und weltweiter Zugriff auf Passagierund Kundendaten ermöglicht; der Kunde/Reisende kann weltweit optimal betreut werden bzw. die Systeme ermöglichen weltweite Kontaktpunkte insbesondere für Geschäftsreisende. Eine Effizienzsteigerung durch Kundenprofile, höhere Buchungsqualität, Hinterlegung von Reiserichtlinien der Firmen, rationellere Arbeitsgänge und optimale Prozesskosten runden auch hier die Vorteile der Systeme ab. Vorteile für international tätige Reiseveranstalter bietet die vollautomatische Abwicklung und weltweite Buchbarkeit des gesamten Leistungsangebotes und der Produktpalette. Weiterhin ist die Kontingentpflege, Auslastung und Steuerung, der automatische Dokumentendruck und der Voucher-Druck mit zeitgleichem Datentransfer an die Clearing-Stelle zu erwähnen. Darüber hinaus ist ein weltweiter Vertrieb mit kundengruppenunabhängiger Funktionalität und standardisierter Vernetzung mit Leistungsträgersystemen im Rund-um-die-Uhr-Betrieb möglich, was wiederum eine Betreuung der Gäste im Zielgebiet und eine Vertriebssteuerung durch schnelle Eingriffe ermöglicht. Die wesentlichen Vorteile für Fluggesellschaften bestehen u. a. in der Fähigkeit zur raschen Reaktion auf die Wettbewerbssituation, in ihrer Stärkung der Marktposition gegenüber den Mitbewerbern, in einer besseren Darstellung der Kooperationsprodukte (Allianz-Bildung), in der Erweiterung der/ihrer Marktpräsenz; in einem gezielten und gesteuerten Vertrieb, in höheren Umsätzen, in einer verbesserten Produktivität, in freigesetzten Rationalisierungseffekten, in einer optimalen Verkaufsfunktion durch schnelles und zügiges Up-Dating und in einer optisch ansprechenden Präsentation der Informationen und des Produktes.

Modul A

Wesentliche Vor- und Nachteile der GDS/CRS für die wichtigsten Benutzergruppen Reisebüros/Reisemittler, international operierenden Reisebüroketten, Reiseveranstalter und Fluggesellschaften werden nachfolgend aufgeführt.

120

3 Ausgewählte Managementformen im Tourismus

 Nachteile und rechtliche Aspekte der GDS/CRS Vor dem Hintergrund zunehmender Marktsättigung und härter umkämpfter Märkte einerseits und der nahezu monopolartigen Stellung einiger global agierender GDS in nationalen und internationalen Märkten andererseits, ergeben sich sowohl Nachteile für die Anbieter und Nutzer als auch eine Vielzahl rechtlicher Aspekte und Probleme. Bedingt wird dies durch die Internationalität und somit durch die unterschiedlichen Rechtslagen und Gesetzeslagen der nationalen Staaten und Zusammenschlüsse wie beispielsweise die Europäische Union. Internationale Verbände und Institutionen die rechtliche Empfehlungen abgeben bzw. Sorge tragen, dass den Anbieter und Nutzer keine Nachteile entstehen, sind: International Civil Aviation Organisation (ICAO): veröffentlichte erstmals 1988 „CRS-Richtlinien“ und gab diese im Code of Conduct (COC) bekannt. Dieser COC hatte jedoch für die Mitgliedstaaten nur empfehlenden Charakter. European Civil Aviation Conference (ECAC): verabschiedete den für Europa und die EU-Staaten maßgebenden COC der im Wesentlichen u. a. folgende Forderungen enthält: Darstellungskriterien der Flüge nach neutralen und verbrauchergerichteten Kriterien wie z. B. Reisezeit, Nonstop-Flüge, Stop-Flüge und Direkt-Flüge; Nutzern (z. B. Reisebüros) dürfen keine eigenen Selektionskriterien zur Verfügung gestellt werden, die die Reihenfolge der Darstellungsneutralität verändern; irreführende Informationen über Streckenführung müssen ausgeschlossen sein; es darf kein Teilnehmer am System durch Sonderzahlungen Vorteile erhalten; Systembetreiber dürfen keine Nutzer oder Anbieter daran hindern, ein anderes System mitzubenutzen; die Behörden der EU oder der nationalen Staaten haben das Recht, bei Verstößen, die Systembetreiber mit erheblichen Geldbußen zu belegen. Im nordamerikanischen Raum stellt sich bezüglich der rechtlichen Problematik und den daraus folgenden Sanktionsmöglichkeiten ein uneinheitliches Bild dar. Während die USA den Code of Conduct in einigen Punkten weniger streng auslegt und handhabt als die EU, pflegt Kanada eine sehr restriktive Gesetzgebung. Im internationalen Vergleich gelten die kanadischen CRS-Richtlinien als die strengsten. In Asien, Afrika und Südamerika existieren de facto noch keine Regeln und Vorschriften. Die gängigsten Probleme und somit Nachteile sowohl für den Anbieter von Leistungen als auch für den Nutzer sind: Display Bias oder der „technisch eingebaute Vorteil“ eines Anbieters, das umstrittenste Thema im GDS/CRS-Wettbewerbsbereich: hierbei handelt es sich um eine bevorzugte Darstellung eines Anbieters durch z. B. manipulierte Flugzeit, um auf der Anzeige eine bessere und bevorzugte Darstellung vor dem Konkurrenten zu erhalten. Halo-Effekt: entscheidend für die Fluggesellschaften ist die Reihenfolge der aufgeführten Flüge für eine bestimmte Destination. Reisebüroinhaber neigen dazu, die Gesellschaften der Systembetreiber zu bevorzugen. Durch die bevorzugte Darstellung der Fluggesellschaften in den eigenen Systemen erfahren sowohl andere Anbieter als auch Kunden einen Nachteil durch mangelnde Transparenz und Beratungsneutralität.

3.12 Management der Informationstechnologie im Tourismus (CRS/GDS)

121

Datenverkauf: oftmals stehen Systembetreiber in der Kritik, da sie sensible Kundendaten von Reisebüros, Fluggesellschaften und Reiseveranstalter weiterverkaufen.

Scheinbuchungen oder passive Buchungen: Fluggesellschaften gewähren den Reisebüros und Firmendienststellen zusätzliche Anreize in Form einer minimalen Gebühr (i. d. R. 0,50 Euro) pro gebuchtem Flugsegment. Viele Reisebüros verbessern ihre Einnahmeseite durch künstliche Buchungen bzw. durch Übertrag einer Buchung aus einem anderen System ins eigene System, um so an den Boni zu partizipieren. Haftung bei GDS/CRS-Fehler: Systembetreiber schließen grundsätzlich eine Haftung aus. Für korrekte Informationen sind die Anbieter verantwortlich. Jedoch können die Fehlerquellen (z. B. verlorene Buchungen, technische Fehler) durchaus auf der Seite der Systembetreiber zu finden sein. Architectural Bias: bevorzugte Darstellung der Betreibergesellschaften eines GDS/CRS. Screen-Clutter: hierbei schöpfen die Fluggesellschaften alle Möglichkeiten aus, um einen Flug in mehrere Versionen anzubieten (z. B. als Nonstop-, als Stop- und als Direktflug), um möglichst oft hintereinander gelistet zu werden. Liquidated Damage Clauses: hierbei sichern sich die Systembetreiber das Recht, hohe Abstandszahlungen, Schadensersatz für geschätzten Umsatzausfall von den Reisebüros, Reiseveranstalter zu fordern.

Wichtige Erkenntnisse 







Unter Yield-Management versteht man die dynamische Steuerung der Preise und Kapazitäten, um die vorhandene oder vorgegebene Gesamtkapazität ertrags- und gewinnoptimal zu nutzen. Die Instrumente des Yield-Managements sind die Preisdifferenzierung und gezielte Kapazitätssteuerung durch Kontingentierung der angebotenen Beförderungs-, Beherbergungs- und Dienstleistungen (z. B. Beförderungsklassen oder Hotelzimmerkategorien). Management kann als Tätigkeit bzw. als Technik und als Institution (z. B. Top-, Middle- und Lower-Management) betrachtet werden.

Modul A

Finanzielle Diskriminierung: gegen den Grundsatz „gleicher Preis für gleiche Leistungen“ verstoßen viele Systembetreiber in der Form, dass die eigenen Gesellschaften preislich bevorzugt werden bzw. Wettbewerber höhere Gebühren für die Darstellung bezahlen müssen.

122









 











3 Ausgewählte Managementformen im Tourismus

Cash-Management bezeichnet alle Maßnahmen der kurzfristigen Finanzdisposition im Unternehmen und dient der Überwachung und Steuerung des Dispositionsbestandes an liquiden Mitteln (z. B. Bargeld, Sichtguthaben, nicht ausgenutzte Kreditmöglichkeiten und kurzfristig monetisierbare Finanzanlagen). Krisenmanagement ist eine „besondere Form der Führung“, deren Aufgabe es ist, Prozesse zu bewältigen, die den Fortbestand der Unternehmung substanziell gefährden oder unmöglich machen. Es sei jedem Unternehmen dringend geraten, ein Handbuch zu erstellen, welches für alle Mitarbeiter den „Fahrplan“ für die Bewältigung der Krise aufzeigt. Risikomanagement ist die systematische Erfassung und Bewertung von Risiken sowie die Steuerung von Reaktionen auf festgestellte Risiken. Verbesserte Qualität bedeutet verbesserte Produktivität. Die empfundene Qualität der Gäste kann sich von objektiver Qualität des touristischen Anbieters ganz erheblich unterscheiden! Projekte zeichnen sich durch die Merkmale Einmaligkeit, zeitliche Begrenzung, hohe Komplexität, Umfang (geht über einzelne Unternehmensbereiche hinaus) und durch ein hohes Risiko (meist finanzieller Natur) aus. Corporate Social Responsibility-Management erfolgt auf freiwilliger Basis, umfasst soziale und Umweltbelange, ist in die Unternehmenstätigkeit eingebunden und bietet Gestaltungschancen für Stakeholderbeziehungen. Lean-Management ist ein pragmatisches, ganzheitliches und integratives Konzept der Unternehmensführung mit strikter Ausrichtung auf Kundenzufriedenheit und Marktnähe und verfolgt die kontinuierliche Verbesserung von Produktivität, Qualität und Prozesse. Change-Management soll den Wandel im Unternehmen und in der Organisation unterstützen, die Umsetzungswahrscheinlichkeit erhöhen, das Risiko des Scheiterns reduzieren und helfen, Veränderungen nachhaltig zu gestalten. Den richtigen Mitarbeiter für den benötigten Zeitpunkt/Zeitraum am gewünschten Einsatzort zu finden ist u. a. die Aufgabe des Personalmanagements.

3.12 Management der Informationstechnologie im Tourismus (CRS/GDS)

Vertiefungsfragen

123



 Definieren Sie den Begriff Management? Welche Tätigkeiten umfasst Management?

 Welche Managementformen spielen im touristischen Leistungsprozess u. a. eine Rolle?

 Welcher Wandel hat Yield-Management zu einem preispolitischen Instrument der modernen Unternehmensführung werden lassen? kehr hat, mühelos auf die Beherbergungsbranche übertragen? Erläutern Sie die Gründe ausführlich.

 Im Tourismus werden drei Dimensionen der Qualität unterschieden. Nennen Sie diese und beschreiben Sie diese ausführlich.

 Nehmen Sie zu der Aussage „Der Qualitätsgedanke kann nicht delegiert werden, sondern er muss von allen gelebt werden“ kritisch Stellung.

 Warum ist Krisenmanagement für ein Unternehmen wichtig? Was ist für eine Krise typisch?

 Was soll angewandtes Krisenmanagement eines Unternehmens vermeiden helfen?

 Was bedeutet Risikomanagement und welche zentralen Aufgaben kommen dem Risikomanagement zu?

 Wie gehen Sie bei der Bewältigung von Risiken vor? Was sind vertragliche und was sind (mögliche) produktbezogene Risiken?

 Worin unterscheidet sich Cash-Management von der Finanzplanung?  Was bedeutet Projektmanagement und durch welche Merkmale zeichnet es sich aus?

 Zeigen Sie Beispiele für angewendetes Projektmanagement im Tourismus auf.

 Begründen Sie, warum eine Fusion zweier touristischer Unternehmen Projektcharakter hat.

 Zeigen Sie die Notwendigkeit des CSR-Managements auf. Warum wird dies im Tourismus immer wichtiger?

 Welche ökonomischen Vorteile kann ein touristisches Unternehmen durch gelebtes CSR-Management haben?

 Zeigen Sie die Relevanz des Lean-Managements und Merkmale der Umsetzung in touristischen Unternehmen auf.

 In welchem Umfang wird Lean-Management in Abhängigkeit von seinen Prinzipien im Tourismus angewendet bzw. umgesetzt?

 Erläutern Sie anhand von praxisnahen Beispielen die Relevanz des Change-Managements im Tourismus bzw. in touristischen Unternehmen.

Modul A

 Warum lässt sich Yield-Management, das seinen Ursprung im Luftver-

124

3 Ausgewählte Managementformen im Tourismus

 Begründen Sie, warum Change-Management bei der Belegschaft immer als problematische Managementform eingestuft wird.

 Schildern Sie grundsätzliche Problematiken des Personalmanagements im Tourismus.

 Worin bestehen die wesentlichen Vorteile von GDS gegenüber typischer Individualsoftware?

 Zeigen Sie Problemfelder der Leistungsträger auf, die ihre Produkte bzw. Dienstleistungen über GDS vertreiben.

Literaturhinweise       



Bamberger, I., Wrona, Th., Strategische Unternehmensführung, München 2004 Bastian, H., Born, K., Der integrierte Touristikkonzern, München 2004 Bösenberg, D., Metzen, H., Lean Management, 4. Aufl., Landsberg a. L. 1993 Dettmer, H. (Hrsg.), Managementformen im Tourismus, München/Wien 2005 Dreyer, A., u. a., Krisenmanagement im Tourismus, München 2001 Ebel, B., Qualitätsmanagement, Berlin 2001 Hungenberg, H., Strategisches Management in Unternehmen, 3. Aufl., Wiesbaden 2004

 

Müller, H., Qualitätsorientiertes Tourismus-Management, Bern 2004 Olfert, K., Rahn, H. J., Lexikon der Betriebswirtschaftslehre, 7. Aufl., Ludwigshafen 2011

  

Pompl, W., Lieb, G. M., Qualitätsmanagement im Tourismus, München 1997 Steinmann, H., Schreyögg, G., Management, 5. Aufl., Wiesbaden 2002 Weiermair, K., Pikkemaat, B., Qualitätszeichen im Tourismus, Berlin 2004

Internetquellen 

http://www.elvia.de/



http://www.prgs.de/

Mondial Assistance International AG – Elvia Reiseversicherung Unternehmensberatung für Politik- und Krisenmanagement



Bamberger, I., Wrona, Th., Strategische Unternehmensführung, München 2004 Bastian, H., Born, K., Der integrierte Touristikkonzern, München 2004 Becker, P., Service-Management im Luftverkehr am Beispiel einer Verkehrszentrale, Düsseldorf 2003 Berg, W., Tourismusmanagement, 3. Aufl., Ludwigshafen 2012 Berg, W., Managementstrategien/Qualitätsmanagement, Frankfurt a. M. 2004 Berthel, J., Personal-Management, Stuttgart 1997 Bieger, T., Management der Destination, 5. Aufl., München 2002 Bösenberg, D., Metzen, H., Lean Management, 4. Aufl., Landsberg a. L. 1993 Böttcher, V., Wie stellen sich Touristikkonzerne auf neue Technologien und verändertes Kundenverhalten ein?, Köln 2005 Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), Unternehmens-Werte, Corporate Social Responsibility (CSR) in Deutschland, Berlin 2008 Bütow, M., Grundlagen Tourismus, Frankfurt a. M. 2006 Dedy, H., Hansen C., Thesen zu kommunaler Tourismuspolitik, Berlin 2006 Dettmer, H. (Hrsg.), Tourismus 1, Köln 1998 Dettmer, H. (Hrsg.), Tourismus 3, Stuttgart 2001 Dettmer, H./Glück, E./Hausmann, Th./Kaspar, C./Logins, J./Opitz W./Schneid, W., Tourismustypen, München 2000 Dettmer, H. (Hrsg.), Managementformen im Tourismus, München/Wien 2005 Dettmer, H., Hausmann, T. (Hrsg.), Fachbegriffe Wirtschaft, Troisdorf 2006 Dettmer, H. (Hrsg.), Hausmann, T., Kaspar, C., Opitz, W., Schneid, W., Tourismusbetriebswirtschaft 2 – Managementformen im Tourismus, Wien 1999 Deutsche Zentrale für Tourismus (DZT), Incoming Tourismus Deutschland 2012, Frankfurt a. M. 2013 Deutsche Zentrale für Tourismus (DZT), Incoming Tourismus Deutschland 2011, Frankfurt a. M. 2012 Deutsche Zentrale für Tourismus (DZT), Incoming Tourismus Deutschland 2010, Frankfurt a. M. 2010 Deutsche Zentrale für Tourismus (DZT), Incoming Tourismus Deutschland 2008, Frankfurt a. M. 2009 Deutscher ReiseVerband (DRV), Fakten und Zahlen zum deutschen Reisemarkt 2012, Berlin 2013 Deutscher ReiseVerband (DRV), Fakten und Zahlen zum deutschen Reisemarkt 2007, Berlin 2008 Dreyer, A., u. a., Krisenmanagement im Tourismus, München 2001

Modul A

Literaturverzeichnis

126

Literaturverzeichnis

Ebel, B., Qualitätsmanagement, Berlin 2001 Eisenstein, B./Rast, C., Wettbewerb der Destination, Fontanari, M. L., Scherhag, K. (Hrsg.), Wiesbaden 2000 Freyer, W., Tourismus, 10. Aufl., München/Wien 2011 Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (F.U.R.), RA 2013, Die 43. Reiseanalyse 2012, Kiel 2013 Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (F.U.R.), RA 2008, Die 38. Reiseanalyse 2008, Kiel 2008 Fvw, Deutscher Reisevertrieb 2011, Dossier, Ausgabe 12/12, Hamburg 2012 Fvw, Deutsche Reiseveranstalter 2012, Dossier, Ausgabe 25/12, Hamburg 2012 Füth, G., Spezielle Betriebswirtschaftslehre für Reiseverkehrs- und Tourismusunternehmen, 2. Aufl., Frankfurt a. M. 2001 Gabler Wirtschaftslexikon, 15. Aufl., Wiesbaden 2000 GATE e. V., Corporate Social Responsibility im Tourismus, Hamburg 2008 Gomez, P., Die Herausforderung in turbulenter Zeit, St. Gallen 1997 Groth, U./Kammel, A., Lean Management Konzept, Wiesbaden 1994 Haedrich, G., Kaspar, C., Klemm, C., Kreilkamp, E., Tourismus-Management, 3. Aufl., Berlin/New York 1998 Hinterhuber, H. H., Strategische Unternehmensführung I & II, 7. Aufl., Berlin 2004 Hungenberg, H., Strategisches Management in Unternehmen, 3. Aufl., Wiesbaden 2004 Josse, G., Strategische Frühaufklärung im Tourismus, Wiesbaden 2004 Jung, H., Personalwirtschaft, 6. Aufl., München 2005 Kaspar, C., Die Fremdenverkehrslehre im Grundriss, 3. Aufl., Bern 1986 Kaspar, C., Einführung in das Tourismus-Management, Bern 1992 Kaspar, C., Management im Tourismus, 2. Aufl., Bern 1995 Kostka, C./Mönch, A., Change Management, 2. Aufl., München 2002 Kotler, P./Bliemel, F., Marketing-Management, 10. Aufl., Stuttgart 2001 Kreilkamp, E., Reisebüros unter Druck, Wiesbaden 2002 Kreilkamp, E., Strategische Frühaufklärung im Rahmen des Krisenmanagements, Berlin 2005 Kotter, J.P., Chaos, Wandel, Führung, Berlin 1998 Kühne, R., Yield-Management, München 2003 Müller, H. R., Qualitätsorientiertes Tourismus-Management, Bern 2000 Müller, H., Qualitätsorientiertes Tourismus-Management, Bern 2004 Olfert, K., Rahn, H. J., Lexikon der Betriebswirtschaftslehre, 7. Aufl., Ludwigshafen 2011 Pompl, W., Lieb, G. M., Qualitätsmanagement im Tourismus, München 1997 Pompl, W., Touristikmanagement 1 & 2, Berlin/Heidelberg 1996, 1997 Rudolph, H., Tourismus-Betriebswirtschaftslehre, Dorn, D., Fischbach, R. (Hrsg.), München/Wien 1999

Literaturverzeichnis

127

Schroeder, G., Lexikon der Tourismuswirtschaft, 4. Aufl., Hamburg 2002 Steinmann, H., Schreyögg, G., Management, 5. Aufl., Wiesbaden 2002 Taubken, N., Wie ethisch kann Tourismus sein? Corporate Responsibility als Unternehmensstrategie Scholz & Friends Reputation, Frankfurt a. M. 2008 Weiermair, K., Pikkemaat, B., Qualitätszeichen im Tourismus, Berlin 2004

Modul A

Xylander, J. K., Kapazitätsmanagement bei Reiseveranstaltern, Wiesbaden 2003

Wichtige Internetquellen AEA – Association of European Airlines

 http://www.aiest.org/org/

AIEST – Association Internationale d‘Experts Scientifiques du Tourisme

 http://www.asta.org/

ASTA – American Society of Travel Agents Commission

 http://www.auswaertiges-amt.de/ Auswärtiges Amt

 http://www.balticsea.com/ BTC – The Baltic Sea Tourism

 http://www.btw.de/

BTW – Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft e. V.

 http://www.bmbf.de/

Bundesministerium für Bildung und Forschung

 http://www.bmelv.de/

Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz

 http://www.bmi.bund.de/

Bundesministerium des Innern

 http://www.bmj.bund.de/

Bundesministerium der Justiz

 http://www.bmu.de/

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

 http://www.bmvbs.de/

Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

 http://www.bmwi.de/

Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie

 http://www.deutschland-tourismus.de/ Deutsche Zentrale für Tourismus

 http://www.dehoga-bundesverband.de/ Deutscher Hotel- und Gaststättenverband

 http://www.dstgb.de/

Deutscher Städte- und Gemeindebund

 http://www.dsft-berlin.de/

DSFT – Deutschen Seminars für Tourismus e. V.

 http://www.deutschertourismusverband.de/ DTV – Deutscher Tourismusverband e. V.

Modul A

 http://www.aea.be/

130

Wichtige Internetquellen

 http://www.deutschland-tourismus.de/ DZT – Deutsche Zentrale für Tourismus e. V.

 http://europa.eu/index_de.htm EU – Europäische Union

 http://www.femteconline.com/ FEMTEC – Fédération Mondiale du Thermalisme et du Climatisme

 http://www.fur.de/

FUR – Die Forschungsgemeinschaft

 http://www.iaca.be

IACA – The International Air Carrier Association

 http://www.iata.org/index.htm

IATA – International Air Transport Association

 http://www.elvia.de/

Mondial Assistance International AG – Elvia Reiseversicherung

 http://www.oecd.org/department

OECD – Organisation for Economic Co-operation and Development

 http://www.pata-germany.de/ und http://www.pata.org/ PATA – Pacific Asia Travel Association

 http://www.skal.de/ und http://www.skal.org/ Skål – Association Internationale de Professionnels du Tourisme

 http://www.destatis.de/

Statistisches Bundesamt

 http://www.uftaa.org/

UFTAA – United Federation of Travel Agents’ Associations

 http://www.prgs.de/

Unternehmensberatung für Politik- und Krisenmanagement

 http://www.unwto.org/

UNWTO/WTO – World Tourism Organization

 http://www.unwto.org/

World Tourism Organization

 http://www.wttc.org/eng

WTTC – World Travel & Tourism Council

A AEA 50 AIEST 47 Amadeus 117 American Society of Travel Agents Siehe ASTA Architectural Bias 121 Association Internationale d‘Experts Scientifiques du Tourisme Siehe AIEST Association Internationale de Professionnels du Tourisme Siehe Skål Association of European Airlines Siehe AEA ASTA 48 Ausgleichseffekte 16

B Baltic Sea Tourism Commission Siehe BTC Bedürfnispyramide von Maslow 28 Beherbergungsformen 9 Beschäftigungseffekte 15 direkte 15 indirekte 15 katalysierte 15 Brutto-/Nettodeviseneffekte 15 BTC 46 BTW 53 Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft e. V. Siehe BTW

C Cash-Management Liquiditätsplanung Change-Management COC

73 74 104 120

Code of Conduct Siehe COC Computer Reservation Systems Siehe CRS Content Provider 116 Corporate Social Responsibility Siehe CSR CRM 119 CRS 115, 116 CSR 95 Customer-Relationship-Management Siehe CRM

D Destination 25 Deutsche Zentrale für Tourismus e. V. Siehe DZT Deutschen Seminars für Tourismus e. V. Siehe DSFT Deutscher Tourismusverband e. V. Siehe DTV Dienstleister selbstständige 26 touristische 26 Display Bias 120 Diversifikation 85 DSFT 54 DTV 53 DZT 53

E Effekte direkte indirekte Einkommenseffekte primäre sekundäre Emotionale Intelligenz EU

13 13 15 15 15 113 45

Modul A

Stichwortverzeichnis

132

Stichwortverzeichnis

Europäische Union Event

Siehe EU 90

F Fédération Mondiale du Thermalisme et du Climatisme Siehe FEMTEC FEMTEC 47 Franchiseunternehmen 24 Fremdenverkehrsintensität 20

G Gastwirtschaftliche Betriebe 25 GDS 115, 116, 117 Gelegenheitsbeförderung 25 Geschäftsreisen 32 Global Distribution Systems Siehe GDS

H Halo-Effekt Hotellerie

120 25

I IACA 49 IATA 46 IH&RA 47 Intensitätsmethode 20 International Air Carrier Association Siehe IACA International Air Transport Association Siehe IATA International Hotel & Restaurant Association Siehe IH&RA International Road Union Siehe IRU IRU 47

J Just-in-Time-Prinzip

101

K Kaizen-Prinzip Kapitalinvestitionen Ketten Krisenmanagement

101 14 24 75

L Lean-Management Leistungsträger Beherbergungsindustrie Leitbild Linienbeförderung Liquidated Damage Clauses

99 9 113 25 121

M Management Cash-Management Change-Management Funktionen Krisenmanagement Lean-Management Personalmanagement Projektmanagement Qualitätsmanagement Yield-Management Mietwagenmakler Mitarbeitergespräch Motivation Multi-Access-System

64 73 104 65 75 99 109 90 86 67 23 114 112 115

O OECD 45 Organisation for Economic Co-operation and Development Siehe OECD

P Pacific Asia Travel Association PATA Parahotellerie PATA Personalmanagement Preisdifferenzierung Privatreisen Produzenten Projektmanagement Projektgruppen Projektleiter Projektorganisation Projektphasen

Siehe 25 48 109 68 32 22 90 92 92 91 93

133

Q Qualitätsmanagement Quellmärkte

86 11

R Reisehändler Reisehäufigkeit Reiseintensität Reisemakler Reisemittler Reisender Reisesozialisation Reiseveranstalter Reiseverkehrsbilanz

23 20 19 23 23 3 28 22 14

S Screen-Clutter Service Provider Sickerrate Skål START

121 116 15 49 Siehe Amadeus

T Tagesbesucherintensität Total-Quality-Management Tourismus Tourismusarten Tourismusbegriff enger weiter Tourismusformen Tourismusindustrie ergänzende klassische Tourismuspolitik Akteure Gremien internationale kommunale nationale regionale staatliche Träger und Ebenen Ziele

20 Siehe TQM 2 5, 32 3 3 5, 30 4 4 38 51 52 42 57 50 56 51 41 39

Tourismuspolititk Instrumente Tourismuswirtschaft ergänzende Touristische Nachfrage Touristische Randindustrie Touristisches Angebot Determinanten TQM Typologisierung der Reisenden

40 2 22 26 4, 22 22 87, 101 29

U Übernachtungsintensität 20 UFTAA 47 Umbrella-System 116 Umsatzmethode 21 United Federation of Travel Agents’ Associations Siehe UFTAA UNWTO Siehe WTO

V Veränderungsmanagement Siehe ChangeManagement Verkehrsträger 25

W World Federation of Hydrotherapy and Climatotherapy Siehe FEMTEC World Tourism Organization Siehe WTO World Travel & Tourism Council Siehe WTTC WTM 7 WTO 2, 3, 7, 58, 62, 130 WTTC 44

Y Yield-Management Funktionen Instrumente Kontingentierung Segmentierung Selektierung

67 71 68 70 69 69

Z Zielvereinbarung

112

Modul A

Stichwortverzeichnis

Modul B

Fluggesellschaften, Kreuzfahrten, Bahnen, Busse und Mietwagen Axel Schulz

Modul B

Grundlagen Verkehr im Tourismus

Vorwort

Mit dem vorliegenden Buch wird der Versuch unternommen, den Luft-, Schiffs-, Bahn- und Straßenverkehr strukturiert zu analysieren. Das Buch richtet sich damit in erster Linie an Studierende, aber auch Praktiker, die einen umfassenden Überblick über alle wichtigen Verkehrsträger suchen. Da der Schwerpunkt auf einer strukturierten Analyse aller relevanten Verkehrsträger liegt, ist es selbstverständlich, dass für eine weitergehende Betrachtung im Literaturverzeichnis auf Standardwerke und Fachzeitschriften zum Thema Luftverkehr, Bahn, Schiff oder Straßenverkehr verwiesen wird. Fallbeispiele und Vertiefungsfragen sollen helfen, das erworbene Wissen durch eigene Überlegungen zu ergänzen. Auch im Internet unter www.tourismusgrundlagen.de stehen weitere Fallbeispiele zur Verfügung. Diese Buch Tourismus: Grundlagen und Management richtet sich an alle Studenten/innen von Universitäten, Hochschulen, Berufsakademien und privaten Bildungseinrichtungen mit dem Schwerpunkt Tourismus in all seinen Ausprägungen, und leistet einen Beitrag für ein grundlegendes Verständnis der Tourismusbranche, ihre Vernetzung mit anderen Wirtschafts- und Industriezweigen sowie ihre Spezifika und Funktionsweisen.

Kempten, im Juli 2013

Axel Schulz

Modul B

Verkehrsträger bestimmen bereits seit Anbeginn die touristische Leistungskette und erfreuen sich kontinuierlich wachsender Markt- und Beförderungszahlen. Unternehmen wie der Frankfurter Flughafen oder die Deutsche Bahn gehören zu den größten Unternehmen und damit auch Arbeitgebern in Deutschland und leisten einen unverzichtbaren Beitrag für den Industriestandort Deutschland. Trotzdem gibt es bis heute keine wissenschaftliche Literatur, welche die wichtigsten Aspekte des Verkehrs in der Luft, auf der Straße, auf der Schiene und auf dem Wasser aus touristischer Perspektive in einem Werk behandelt.

Inhaltsverzeichnis III

1

Überblick

1

1.1

Definitionen .....................................................................................................2

1.2

Verkehrsträger .................................................................................................2

1.3

Verkehrsmittel .................................................................................................5

1.4

Verkehrswege ..................................................................................................6

1.5

Reiseziele & Verkehr ......................................................................................8

2

Luftverkehr

2.1

Überblick .......................................................................................................14

2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3

Linienfluggesellschaften ...............................................................................16 Marktüberblick ..............................................................................................16 Produktionsfaktoren ......................................................................................22 Marketing & Vertrieb ....................................................................................26

2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3

Billigfluggesellschaften .................................................................................31 Marktüberblick ..............................................................................................31 Produktionsfaktoren ......................................................................................33 Marketing & Vertrieb ....................................................................................34

2.4 2.4.1 2.4.2 2.4.3

Weitere Fluggesellschaften ...........................................................................36 Ferienfluggesellschaften ................................................................................36 Regionalfluggesellschaften ...........................................................................38 Geschäftsreisefluggesellschaften ...................................................................39

2.5

Flughäfen.......................................................................................................41

3

Kreuzfahrten

3.1

Überblick .......................................................................................................50

3.2 3.2.1 3.2.2

Hochseekreuzfahrten .....................................................................................52 Markt & Strategie Hochseekreuzfahrten .......................................................52 Produktionsfaktoren Hochseekreuzfahrten....................................................59

13

49

Modul B

Vorwort

VI

Inhaltsverzeichnis

3.2.3 3.2.4

Marketing & Vertrieb Hochseekreuzfahrten ................................................. 65 Dienstleistung Hochseekreuzfahrt ................................................................ 73

3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4

Flusskreuzfahrten .......................................................................................... 77 Arten von Flusskreuzfahrten ......................................................................... 78 Produktbestandteile ....................................................................................... 79 Marktüberblick.............................................................................................. 82 Nachfragegruppen ......................................................................................... 83

4

Bahnen

4.1

Überblick ...................................................................................................... 88

4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3

Markt & Strategie Bahn ................................................................................ 89 Historie ......................................................................................................... 89 Marktumfeld & -teilnehmer .......................................................................... 89 Zahlen & Fakten Deutsche Bahn .................................................................. 90

4.3

Produktionsfaktoren Bahn ............................................................................ 92

4.4

Marketing & Vertrieb Bahn .......................................................................... 94

4.5 4.5.1 4.5.2

Weitere Bahnen............................................................................................. 97 Hochgeschwindigkeitszüge........................................................................... 97 Luxuszüge ................................................................................................... 100

5

Straßenverkehr

5.1

Überblick .................................................................................................... 106

5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3

Busverkehr .................................................................................................. 107 Marktüberblick Bus .................................................................................... 108 Transportmittel Bus .................................................................................... 111 Marketing & Vertrieb Bus .......................................................................... 113

5.3 5.3.1 5.3.2

Mietwagen .................................................................................................. 116 Marktüberblick Mietwagen ......................................................................... 116 Marketing & Vertrieb Mietwagen............................................................... 118

5.4 5.4.1 5.4.2 5.4.3

Individualverkehr ........................................................................................ 120 Personenkraftwagen .................................................................................... 120 Motorrad ..................................................................................................... 121 Caravaning .................................................................................................. 122

87

105

Literaturverzeichnis

127

Stichwortverzeichnis

135

1

Überblick

Lernziele



Am Ende dieses Kapitels sollten Sie Folgendes können:

 Die Bedeutung der touristischen Verkehrsmittel erläutern;  Die Verkehrsmittel und Verkehrswege klassifizieren und Beispiele nennen;

 Die Entwicklung der Nutzung von Verkehrsmitteln für Haupturlaubsreisen erläutern;

 Gründe für die Veränderung der Verkehrsmittelnutzung kennen;  Die Einflussfaktoren bei der Wahl des Verkehrsmittels bei Reisen herausarbeiten.

Wesentliche Verkehrsträger Weitere Informationen, Fallbeispiele & Übungen unter www.tourismus-grundlagen.de

Modul B

 Die Besonderheiten des Produkts der Verkehrsträger kennen;

2

1.1

1 Überblick

Definitionen

Ganz allgemein werden unter dem Begriff Verkehr alle Maßnahmen zusammengefasst, welche die Ortsveränderung von Personen, Gütern und Nachrichten bewirken. Im vorliegenden Werk wird nur auf die Ortsveränderung von Personen eingegangen. Eine Analyse der Güterströme und des Nachrichtenverkehrs erfolgt nicht. Diese Betrachtungsweise bleibt den wissenschaftlichen Gebieten Logistik und Kommunikation vorbehalten.

1.2

Verkehrsträger

Die Gesamtheit aller Verkehrsmittel, die die gleiche Art von Verkehrsinfrastruktur verwenden, bezeichnet man als Verkehrsträger. Die touristisch relevanten Verkehrsträger sind Luftverkehr, Schiffsverkehr, Bahnverkehr sowie Straßenverkehr. Unter dem Begriff Verkehrsträger werden im Weiteren auch alle Unternehmen und Institutionen verstanden, die Verkehrsdienstleistungen öffentlich anbieten. Die Verkehrsträger weisen Besonderheiten auf, die sich auf das Produkt, auf die Strukturen der Nachfrage und des Angebotes sowie auf die Produktion beziehen. Als Dienstleistungsprodukte weisen alle Verkehrsträger deren typische Merkmale auf. Wesenbestimmendes Merkmal ist die Immaterialität, da die Nachfrage nicht durch den Erwerb eines Sachguts gedeckt wird, sondern durch Konsum einer (Beförderungs-)Leistung. Hierbei fallen Produktion und Konsum zeitlich zusammen. Erzeugung und auch Konsum der Leistung haben Prozesscharakter und alle Dienstleistungen sind daher nicht lagerfähig. Schließlich ist der Kunde direkt an der Produktion beteiligt. Als externer Faktor ist der Kunde ein wesentliches Dienstleistungsmerkmal und es kommt zwangsläufig zu einer gewissen Auftragsindividualität. So ist der Passagier z. B. bei einer Flugreise oder Kreuzfahrt während der Produktion selbst anwesend und interagiert mit den Mitarbeitern der Verkehrsunternehmen. Zudem erfordert die individuelle Betreuung einen deutlich höheren Personaleinsatz als in der industriellen Serienfertigung. Die Dienstleistungsqualität ist nur schwer standardisierbar und besonders abhängig von der „Tagesform“ der Dienstleister. Bei dem Vertrieb und der Erklärung der Dienstleistung tritt das Problem auf, dass die Qualität schwer zu vermitteln ist. Im Wesentlichen wird die Nachfrage nach Verkehrsträgerdienstleistungen durch den jeweiligen Fahrtzweck bestimmt. Hierbei ist zwischen beruflichen und privaten Reisen zu unterscheiden. Der Bereich der beruflichen Reisen setzt sich aus regelmäßigen Wegstrecken zur Arbeit bzw. Ausbildung sowie Dienstreisen zusammen. Im privaten Bereich kann man zwischen Freizeit- und Urlaubsaktivitäten unterscheiden. Insbesondere Dienst- und Urlaubsreisen sind durch den erhöhten Zeitaufwand und die Fortbewegung aus der gewohnten Umgebung geprägt. Der Bereich des kurzzeitigen Berufs- und Freizeitverkehrs gehört nicht zum Tourismus und wird daher im Folgenden nicht näher behandelt.

1.2 Verkehrsträger

3

Politische Rahmenbedingungen

Behörde & Ministerien

Private Organisationen

Internationale Verbände

Marktumfeld

Lieferanten  Hersteller  Treibstoff  Wartung  Caterer

Infrastruktur  Häfen  Terminals  Übernachtung

Konkurrenz  Intramodale W ettbewerber  Intermodale W ettbewerber

Finanzierung  Banken  Aktionäre  Einzelpersonen

Leistungsangebot

Verkehrsträger

Intern

 Luftverkehr  Schiffsverkehr  Bahnverkehr  Strassenverkehr

Verkehrsmittel

 Unternehmensführung  Strategie  Marketing  Personal

Verkehrswege

 Flugzeuge  Schiffe  Züge  Pkw, Bus u.w.

 Luftraum  Flüsse & Ozeane  Schienen  Strassen

Reiseziele  Inland  Nahes Ausland  Mittelmeer  Fernziele

Vertrieb

Direktvertrieb  Eigene Verkaufsbüro  Callcenter

Indirekter Vertrieb

 Automaten  E-Commerce

 Reiseveranstalter  Grosshändler  Reisebüros

 Distributionssysteme  E-Commerce

Kunden

Privatkunden

Abb. 1.1

Systemteilnehmer Verkehr

Geschäftskunden

Weitere

Modul B

Extern  Tochtergesellschaften  Beteiligungen  Kooperationen  Allianzen

4

1 Überblick

Das System Verkehr besteht aus mehreren Komponenten, welche nun kurz vorgestellt werden:  Politische Rahmenbedingungen Behörden (z. B. Luftfahrtbundesamt) und Ministerien (z. B. Bundesverkehrsministerium) geben die politischen Rahmenbedingungen für die Durchführung von Verkehrsträgerdienstleistungen vor. Zum Teil verfügen die staatlichen Organisationen sogar über eigene Verkehrsträger (z. B. Bahnen, Flughäfen oder Fluggesellschaften). Eine wesentliche hoheitliche Aufgabe ist jedoch die Kontrolle von Sicherheit, Umweltschutz und Wettbewerb. Schließlich gibt es auch auf privatwirtschaftlicher Seite nationale und internationale Interessensverbände, welche ihre Mitglieder gegenüber der Politik, Kunden und der Presse gemeinschaftlich vertreten.  Marktumfeld Zum Marktumfeld gehören einerseits die Lieferanten (z. B. Hersteller von Lokomotiven und Waggons) und die Infrastruktur (z. B. Flughafenterminals). Andererseits ist die Konkurrenz aufgesplittet nach dem intramodalen Wettbewerb (gleichartigen Konkurrenz) und intermodalen Wettbewerb (Konkurrenz verschiedenartiger Verkehrsträger). Schließlich sind die Kosten der kapitalintensiven Finanzierung ausschlaggebend für den wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmen.  Leistungsangebot Die Verkehrsträger bilden in ihrer Gesamtheit das Leistungsangebot. Neben der klassischen internen betriebswirtschaftlichen Grundfunktionen (z. B. Marketing) gehören hierzu auch externe Unternehmensbeteiligungen und Kooperationen. Integraler Bestandteil der Verkehrsträger sind die Verkehrsmittel und die Verkehrswege. Zudem beeinflussen die Reiseziele die Wahl der Verkehrsträger entscheidend.  Vertrieb Bei den Vertriebswegen kann man ganz allgemein zwischen Direktvertrieb und indirektem Vertrieb unterscheiden. Zum direkten Vertrieb gehören eigene Verkaufsbüros (z. B. bei den Linienfluggesellschaften), Automaten (z. B. bei der Bahn), Callcenter und E-Commerce (Internetreservierungen bei den Verkehrsträgern). Der direkte Vertrieb ist sehr kostengünstig, da keine Vermittlungsprovisionen gezahlt werden müssen. Der indirekte Vertrieb erfolgt zumeist über den Reisemittler, welcher den Kunden direkt vor Ort alle Verkehrsträgerleistungen verkaufen kann. Gelegentlich werden zudem Reiseveranstalter (besondere im Bereich Ferienflug) und Ticketgroßhändler (sogenannte Consolidators) eingesetzt. Zur Umsetzung des indirekten Vertriebs benötigt die Vertriebspartner elektronische Distributionssysteme (z. B. Amadeus) und/oder elektronische Reisebüros im Internet.  Kundengruppen Die wesentliche Unterscheidung der Kundengruppen ist vom Reisezweck abhängig. Geschäftskunden sind üblicherweise bereit, einen hohen Preis für die Verkehrsträgerdienstleistungen zu zahlen (geringe Preiselastizität), möchten jedoch kurzfristig buchen und sind an Terminvorgaben gebunden (hohe Nachfrageelastizität). Privatrei-

1.3 Verkehrsmittel

5

sende haben die umgekehrten Bedürfnisse. Für einen günstigen Preis sind sie auch dazu bereit, zu ungünstigeren Termine zu reisen.

1.3

Verkehrsmittel Schiene

Luft - Passagierflugzeuge: Langstrecke-, Mittel-, Kurzstreckenflugzeuge - Turbo Props - Sport- & Segelflugzeuge - Hubschrauber

Strasse - Personenkraftwagen - Busverkehr - Motorrad, Moped, Mofa - Caravan/Wohnmobile - Autovermietungen - Fahrrad

Touristische Verkehrsmittel Wasser - Kreuzfahrtschiffe: Hochsee-, Fluss- & Segelschiffe - Hausboote - Fähren - Frachtschiffe - Yachten, Sportboote

Abb. 1.2

Touristische Verkehrsmittel

Weitere touristische Verkehrsmittel - Floß, Kanu, Ruderboot - Ballonfahrten & Zeppeline - Weltraumraketen - Bergbahnen sowie Ski- und Sessellifte - Ausflugsdampfer/-schiffe

(in Anlehnung an Freyer 2003)

Die Verkehrsmittel sind alle Objekte, welche direkt zum Personentransport benötigt werden. Sie lassen sich nach verschiedenen Kriterien differenzieren. Zum einen gibt es motorisierte und nicht motorisierte sowie öffentliche und privat genutzte Verkehrsmittel. Zum anderen wären Unterscheidungsmöglichkeiten nach Größe, Gewicht, Geschwindigkeit, Reichweite oder Komfort der Verkehrsmittel vorstellbar. So werden z. B. Kreuzfahrtschiffe aufgrund ihres Komforts bewertet oder Düsenflugzeuge in Größenklassen eingeteilt. Für eine umfassende Klassifizierung sind diese Einteilungen allerdings nicht zielführend. Daher erfolgt im Weiteren eine Systematisierung der touristischen Verkehrsmittel nach den natürlichen Rahmenbedingungen Wasser, Land (Straße/Schiene) und Luft. Es gibt hierbei Transportmittel, die (nahezu schließlich) von Touristen nachgefragt werden, wie z. B. Reisebusse, Ferienflugzeuge und Kreuzfahrtschiffe. Zudem gibt es aber auch eine Vielzahl an Verkehrsmitteln, die sowohl von Touristen als auch von der einheimischen Bevölkerung nachgefragt den, wie bspw. der öffentliche Personennahverkehr. Verkehrsmittel können zudem für Touristen eine unterschiedliche Bedeutung haben:

Modul B

- Fern- und Regionalverkehrszüge - Nachtzüge - Hochgeschwindigkeitszüge - Magnetbahnen - Luxuszüge

6

1 Überblick



als Transportmittel für die An- und Abreise, als Transportmittel am Zielort für Ausflüge, Besichtigungen etc. als Kombination von Verkehrsmittel und Übernachtung (z. B. bei Kreuzfahrten oder Caravaning) sowie als elementarer Teil des Urlaubserlebnises (z. B. Motorrad- oder Fahrradtouren).

– – –

1.4

Verkehrswege Verkehrswege im Tourismus Land

Straße - Innerortstraßen - Kreis-, Landes-, Bundesstraßen - Autobahnen - Gokart-Bahnen, Motocross-Plätze

Abb. 1.3

Schiene - Schienenstrecken - Seilbahnen - Zahnradbahnen - Magnetbahnen

Luft Radweg - Radwanderwege - Radfernwege - Radwege in Tourismusorten - Radrouten

Wasser Wanderweg - Europ. Fernwanderweg - Weitwanderweg - Wanderwege in Tourismusorten

- Wasserläufe/straßen -künstliche -natürliche - Seen, Teiche - Ozean, Meer

Verkehrswege im Tourismus

Die Verkehrswege bilden die Voraussetzungen für die Durchführung aller beruflichen und privaten Transportdienstleistungen. Man unterscheidet hierbei auch zwischen den natürlichen Rahmenbedingungen Land, Luft und Wasser, welche die wesentlichen Eigenschaften der Verkehrsträger bestimmen. Insbesondere für den Verkehrsweg Luft gibt es keine weitere Unterteilung. Der Luftverkehrsraum gehört zu den Hoheitsgebieten der einzelnen Staaten und dessen Benutzung ist durch eine Vielzahl von nationalen Gesetzen und internationalen Vereinbarungen geregelt. Zur Durchführung des Luftverkehrs ist allerdings auch eine landgestützte Infrastruktur notwendig. Die Wasserwege sind zumeist natürlichen Ursprungs. Nur in Ausnahmefällen werden künstliche Wasserstraßen gebaut. Der Bau von künstlichen Wasserstraßen dient vor allem der einfacheren und schnelleren Beförderung von Passagieren und Fracht, wobei touristische Aspekte nicht im Vordergrund stehen. Bekannte Beispiele für künstliche Wasserstraßen sind der Panamakanal und der Rhein-Main-Donau-Kanal. Die Benutzung des Luft- und Seeraums ist üblicherweise kostenfrei und allen Teilnehmern zugänglich. Beim Landverkehr muss ein Wegenetz erst erbaut werden. Besonders wichtig ist das Straßennetz, welches heute eine weltweite Gesamtlänge von ca. 32 Mill. km aufweist. Der Ausbau der Infrastruktur erfolgt im öffentlichen Interesse und wird daher zumeist von Regierungen bezahlt. Eine Refinanzierung erfolgt häufig durch spezielle Steuern

1.4 Verkehrswege

7

1500 – 1840 Durchschnittsgeschwindigkeit für Pferdekutschen bzw. Segelschiffe: ca. 16 km/h

1850 – 1930 Dampflokomotive ca. 100 km/h. Dampfschiffe ca. 25 km/h

1930 – 1950 Propellerflugzeuge ca. 500 km/h. ab 1960 Düsenflugzeuge mit ca. 800 – 1000 km/h Abb. 1.4

Reisezeitverkürzung aufgrund neuer Transporttechnologien

(Quelle: Page 1999)

Modul B

und Mautgebühren. Die Nutzung der Straßen erfolgt aus unterschiedlichen Interessen; eine Unterscheidung und Lenkung von Freizeit-, Urlaubs-, Berufs- und Frachtverkehr ist nicht üblich. Gelegentlich gibt es auch Ferienstraßen, die entlang von geographischen und touristischen Besonderheiten führen und zudem einheitlich gekennzeichnet sind. Insgesamt gibt es in Deutschland etwa 150 Ferienstraßen. Ein Beispiel ist die deutsche Alpenstraße, welche sich auf einer Länge von über 450 km zwischen Bodensee und Königssee erstreckt. Für den Verkehrsträger Bahn muss ein aufwendiges Schienennetz verlegt werden, welches die Beförderung von Personen und Fracht ermöglicht. Ausschließlich für den Personenverkehr werden in jüngster Zeit vermehrt Schnellfahrstrecken für den Hochgeschwindigkeitsverkehr gebaut, die in Zukunft eine starke Konkurrenz für die Luftverkehr darstellen. Weitere landgebunde Verkehrswege sind Rad- und Wanderwege, welche unabdingbare Voraussetzungen für die entsprechenden Freizeit- und Urlaubsaktivitäten sind.

8

1 Überblick

Die Entwicklung des Tourismus ist unabdingbar mit der Reisezeitkürzung durch neue Transporttechnologien verbunden. Während in der Anfangszeit mit Pferdekutschen und Segelschiffen das Reisen sehr mühselig und zeitaufwendig war, konnten mit den ersten Dampflokomotiven und -schiffen erheblich höhere Reisegeschwindigkeiten realisiert werden. Besonders durch die Eisenbahn kam es zudem zu einem großen Komfortgewinn, da die neuverlegten Schienen, im Vergleich zu Kopfsteinpflaster, Schlamm und Schlaglöchern der damaligen Straßen, ein ruhiges und ruckelfreies Reisen ermöglichten. Obwohl das Automobil auch heute das wichtigste tel weltweit ist, kam es zu einer weiteren Reisezeitverkürzung erst durch die Nutzung des Luftraumes. Aufgrund der Technologiesprünge während der beiden Weltkriege wurden die Reisezeiten mit dem Flugzeug immer kürzer und der Unterschied schen den Strecken München – Bozen (277 km, 3 Std. Autofahrt) und München – Mallorca (1080 km, 2,15 Std. Flug) ist heutzutage unbedeutend.

1.5

Reiseziele & Verkehr

75

50 Prozent

Pkw Flugzeug Bus Bahn

25

2012

2010

2008

2006

2004

2002

2000

1996

1992

1988

1984

1980

1976

1972

1964

1954

0

Jahr Abb. 1.5

Verkehrsmittel für Haupturlaubsreisen

(Quelle: DRV 2012)

Bei Betrachtung der Verkehrsmittelnutzung in den letzten Jahrzehnten wird deutlich, welche Veränderungen im Tourismus in den letzten Jahren stattgefunden haben. Dem kontinuierlichem Anstieg des Flug- und des Pkw-Tourismus steht ein deutlicher Rückgang der Nutzung der Bahn als Urlaubsmittel gegenüber. Würden heute alle deutschen Pkw-Urlauber gleichzeitig mit ihrer Urlaubsreise beginnen, entstünde ein Stau, der in seiner gesamten Länge zweimal um die Erde reichen würde. Der Aufschwung des PkwTourismus fand in den 1950er und 1960er Jahren mit einem explosionsartigen Anstieg statt. Trotz des langsamen Rückgangs seit Ende der 1980er Jahre, als Folge des senden Flugtourismus, verreisen heute mehr als doppelt so viele Touristen mit dem

1.5 Reiseziele & Verkehr

9

In Deutschland ist der eigene Personenkraftwagen das Verkehrsmittel der Wahl und wird für die meisten Freizeit-, Urlaubs- und Geschäftsreisen verwendet. Besonders die individuelle Verfügbarkeit wird von den Bundesbürgern sehr geschätzt. Die touristischen Einsatzgebiete des Automobils sind in erster Linie alle kurzen und mittleren Distanzen bis ca. 1.000 km. Innerhalb Europas werden jedoch auch häufig weitere Distanzen, wie z. B. die Strecke Frankfurt/Main – Palermo mit ca. 1.800 km, zurückgelegt. Bei der Wahl des Verkehrsmittels und insbesondere bei der Entscheidung für den Personenkraftwagen bleiben betriebswirtschaftliche Überlegungen meist unberücksichtigt. Alleine die Benzinkosten würden für die Strecke Frankfurt/Main – Palermo ca. 300 € betragen. Rechnet man die Mautgebühren in Italien und Österreich (ca. 70 €) sowie weitere Fix- und Verschleißkosten wie Versicherung, Werkstattbesuche etc. hinzu (ca. 30 Cent pro Kilometer), ergibt sich ein Gesamtbetrag für diese Wegstrecke von ca. 900 €. Zu diesem Preis könnte auch eine vierköpfige Familie problemlos das Verkehrsmittel Flugzeug verwenden. Aufgrund der klimatischen Bedingungen und den günstigen Pauschalreisepreisen ist die Bereitschaft der Bundesbürger, ihren Urlaub im Ausland zu verbringen, nach wie vor sehr hoch und damit wächst auch der Anteil der Flugreisen. Die steigenden Kerosinpreise und damit verbundenen Preiserhöhungen werden zwar auch hier für einen Preisschub sorgen, insbesondere bei den Lockangeboten der Billigfluggesellschaften, aber eine prozentuale Verschiebung zu den ökonomisch und ökologisch vernünftigeren Verkehrsträgern Bahn und Bus ist nicht zu erwarten. Große Nachteile beider Verkehrsträger sind die im Vergleich zum Flugzeug geringe Reisegeschwindigkeit sowie der Verlust der individuellen Selbstbestimmung im Vergleich zum Personenkraftwagen. Mit einem signifikanten Anstieg des Marktanteils von über 10 % ist daher für beide Verkehrsträger nicht zu rechnen. Der Schiffsverkehr wird in dieser Betrachtungsweise üblicherweise nicht berücksichtigt, da der prozentuale Anteil nur ca. ein bis max. 2 % beträgt und daher kaum darstellbar ist. Inland Reisen

Ausland

Mittelmeer

Alpen

Fernreise

21,5 Mill.

47,8 Mill.

24,26 Mill.

6,24 Mill.

4,85 Mill.

Pkw

75 %

34 %

16 %

78 %

2%

Bahn

13 %

2%

0%

6%

0%

Bus

9%

7%

6%

15 %

1%

Flugzeug

1%

53 %

76 %

1%

96 %

Sonstiges

2%

4%

2%

1%

1%

Abb. 1.6

Reiseverkehrsmittel nach Reiseziel

(Quelle: Reiseanalyse 2013)

Modul B

Auto als in den 1950er Jahren. War es im Jahr 1954 nur knapp jeder fünfte deutsche Urlauber, der mit dem Auto in Urlaub fuhr, so ist es heute bereits jeder zweite. Jeder zehnte Autokilometer wird laut Statistik nur für Urlaubszwecke zurückgelegt. Allgemein zeigt der Trend jedoch deutlich, dass die Veränderung der Reisezielpräferenzen, bedingt durch die Erschließung immer neuer, weiter entfernt liegender Ziele, auch schlaggebend für die Veränderung der Wahl der Verkehrsmittel ist.

10

1 Überblick

Bei der Betrachtung der unterschiedlichen Zielregionen wird deutlich, wie sehr das Reiseziel die Wahl des Verkehrsmittels beeinflusst. Bei Reisen im Inland und in die Alpen dominiert der eigene Pkw. Fernreisen werden dagegen zu 96 % mit dem Flugzeug unternommen. Aber auch die Reisen in den Mittelmeerraum finden zu 76 % auf dem Luftweg statt, mit dem Auto fahren nur noch 16 %. Vor allem bei der Haupturlaubsreise nutzen die Bundesbürger immer stärker das Flugzeug. Dies liegt in erster Linie am Trend zu immer ferneren Zielen, die eher mit dem Flugzeug angesteuert werden. Der Verkehrsträger Bahn wird mit 13 % fast ausschließlich im Inlandsverkehr verwendet, jedoch werden in Zukunft durch den Bau attraktiver Hochgeschwindigkeitsstrecken auch weitere europäische Ziele möglich. Bei Fahrtzeiten bis max. 3–4 Stunden ist die Gesamtreisezeit durchaus mit dem Flugzeug und dem Automobil konkurrenzfähig. Als europäisches Beispiel kann die Streckenverbindung Paris – Marseille mit einer Fahrtzeit von drei Stunden gelten; dort ist der Hochgeschwindigkeitszug TGV das beliebteste Verkehrsmittel, Straßen- und besonders Flugverkehr spielen auf dieser Strecke nur eine untergeordnete Rolle. Eine Busreise wird bevorzugt im Inland und in der nahen Alpenregion durchgeführt. Weiter entfernte Urlaubsziele werden von den Buskunden weniger bevorzugt, da keine Geschwindigkeitsvorteile realisiert werden können und zudem die Einflussnahme auf Fahrtstrecke, Haltepunkte etc. gering ist.

Erkenntnisse Überblick



 Die touristischen Verkehrsträger sind Luftverkehr, Schiffsverkehr, Bahnverkehr und Straßenverkehr.  Die Leistungen der Verkehrsträger sind immateriell, nicht lagerfähig, individuell verschieden und Produktion und Konsum fallen zusammen.  Durch neue Transporttechnologien und der daraus resultierenden Verkürzung der Reisedauer hat sich die Nutzung der Verkehrsmittel verschoben.  Für Haupturlaubsreisen werden vor allem Pkw und Flugzeug benutzt.  Die Wahl des Verkehrsmittels hängt unter anderem von der Entfernung des Reiseziels ab.

1.5 Reiseziele & Verkehr

Vertiefungsfragen

11



 Welche Art von Infrastruktur muss für die Verkehrsmittel erst gebaut werden?

 Wie hat sich die Geschwindigkeit bei den Verkehrsmitteln im letzten Jahrhundert entwickelt?

 Warum werden Bus und Bahn bei Reisen nicht stärker genutzt?  Welche Vor- und Nachteile hat der Pkw als Verkehrsmittel?  Wodurch könnte der kontinuierliche Anstieg des Flugtourismus abgebremst werden?

 Vergleichen Sie die Reisedauer der Verkehrsmittel für die Strecke München – Rom!

 Welche Ferienstraßen sind in Deutschland am beliebtesten und was sind

Literaturhinweise   



Schulz A., Verkehrsträger im Tourismus, München 2009 Mundt J., Reiseveranstaltung, 7. Auflage, München 2011 Freyer W., Tourismus, Einführung in die Fremdenverkehrsökonomie, 10. Auflage, München 2011



Fuchs W., Mundt J.W., Zollondz H., Lexikon Tourismus, München 2008

Internetquellen 



www.tourismus-grundlagen.de, www.tourismus-verkehr.de Weitere Fallbeispiele, Folien und aktuelle Informationen zum Buch



www.bmvbs.de Internetseite des Bundesministeriums für Verkehr mit vielen Informationen über alle Verkehrsträger



www.destatis.de Internetauftritt des Statistischen Bundesamts mit amtlichen Statistiken zu Verkehr und Tourismus

Modul B

ihre Besonderheiten?

Luftverkehr

Lernziele



Am Ende dieses Kapitels sollten Sie folgendes können:

 Unterschiedliche Typen von Fluggesellschaften kennen;  Geschäftsmodelle und Organisationsstrukturen herausarbeiten;  Fluggeräte der Flugzeughersteller klassifizieren;  Kostenvorteile der Billigfluggesellschaften erklären;  Aufbau und Funktion von Flughäfen erläutern können.

Blick in das Cockpit eines Airbus A380 Weitere Informationen, Fallbeispiele & Übungen unter www.tourismus-grundlagen.de

Modul B

2

14

2.1

2 Luftverkehr

Überblick

Das Produkt Flugreise besteht aus einer Grundleistung, dem schnellen Transport von einem Ort zum anderen mit Hilfe des Verkehrsmittels Flugzeug, und gen, wie z. B. Bordservice und Verpflegung. Da den Fluggesellschaften im Bereich der Grundleistung nur begrenzte Differenzierungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, um sich von der Konkurrenz abzuheben, werden diese Zusatzleistungen oftmals zu einem sehr wichtigen Wettbewerbsinstrument. Die Besonderheiten des kehrs in Bezug auf die Nachfrage sind vor allem die zeitlichen Schwankungen, die mit dem Reiseverhalten der Urlaubs- und Geschäftsreisenden begründet werden nen. Mit der Aufteilung des Gesamtmarktes in unterschiedliche Segmente, die mit unterschiedlichen Produkten sowie mit unterschiedlichen Preisen bearbeitet werden, wollen die Fluggesellschaften diesen Nachfrageschwankungen entgegenwirken. Wesentlicher Einflussfaktor auf die Angebotsstruktur im Luftverkehr sind die hohen Fixkosten. Nur ein geringer Anteil der Kosten ist variabel, so dass die Fluggesellschaften eine möglichst hohe Auslastung mit Hilfe eines breiten Spektrums an differenzierungen erreichen wollen. Der öffentliche, gewerbliche und zivile Personenluftverkehr wird üblicherweise nach Linien- und Gelegenheitsverkehr unterteilt. Diese Trennung zwischen den Verkehrsarten kam in Europa dadurch zustande, dass die meisten Linienfluggesellschaften früher einmal so genannte National Flag Carrier waren. National Flag Carrier sind Fluggesellschaften, bei denen der jeweilige Staat eine Mehrheitsbeteiligung innehat und die von diesem gegenüber Konkurrenten protegiert wird. Das Streckennetz der National Flag Carrier wurde auf die Bedürfnisse der Geschäftsreisenden des eigenen Landes ausgerichtet. Später wurden die National Flag Carrier in privatwirtschaftliche Fluggesellschaften umgewandelt, die heute als die großen Linienfluggesellschaften am Markt etabliert sind. Auch heute sind die Geschäftsreisenden die wichtigste Kundengruppe der Linienfluggesellschaften. Durch Protektionsmaßnahmen des Staates war es keiner anderen Fluggesellschaft möglich, in den Geschäftsreisemarkt einzudringen. Der Tourismusmarkt wurde von den Liniengesellschaften jedoch zunächst als nicht relevant beachtet und deshalb entweder anderen Gesellschaften überlassen oder, mit zunehmender Nachfrage aus dem Tourismussektor, durch die Gründung von Tochterunternehmen bedient. Daher konnten sich andere Fluggesellschaften auf dem Markt für den touristisch orientierten Luftverkehr etablieren, wodurch der Ferienflugverkehr (bzw. Charter- oder Gelegenheitsflugverkehr) entstand. Zusätzlich zur Unterscheidung zwischen Linien- und Ferienflugverkehr kann man im Luftverkehr noch weitere Fluggesellschaftstypen unterscheiden. Kurzstrecken und die Zubringerflüge zu den Metropolen werden vor allem von Regionalfluggesellschaften durchgeführt. Schließlich hat in jüngster Zeit die Kategorie der Billigfluggesellschaften eine zunehmende Bedeutung. Das Geschäftskonzept dieser Gesellschaften beinhaltet strikte Kostenreduktion und niedrige Preise für die Kunden. Die Konkurrenzsituation der einzelnen Fluggesellschaftstypen lässt sich anhand der nachfolgenden Abbildung skizzieren.

2.1 Überblick

15

Billigflug

Ferienflug

Regelmäßiger Linienverkehr zwischen Metropolen

Günstige Alternative auf aufkommensstarken Strecken

Bedarfsgerechter Zubringer zu MetroTransport zu polen oder VerbinFeriendestinationen dungen zwischen regionalen Orten

Besitz- Staatlich oder verhält- Aktiengesellschaft nisse

Zumeist Aktiengesellschaft

Selbstständig oder Tochtergesellschaft von Reiseveranstaltern

Selbstständig oder Tochtergesellschaft von Linienfluggesellschaften

Flugge- Alle Arten von Düsenflugzeuge rät

Zumeist nur ein Flugzeugtyp

Kleinere und mittlere Düsenflugzeuge

Turboprops und kleine Düsenflugzeuge

Ca. 130–max. 500 Sitzplatzka- Passagiere pazität

Ca. 150–250 Passagiere

Ca. 150–250 Passagiere

Ca. 19–120 Passagiere

Überwiegend Privatreisende

Privatreisende

Überwiegend Geschäftsreisende

Bonusprogramme Kunfür Flugmeilen etc. denbindung

Keine Kundenbindungssysteme

Zumeist keine eigenen Systeme

Teilnahme an den Systemen der Linienfluggesellschaften

Service 3–4 Klassen- und

Service nur gegen Aufpreis

Max. zwei Klassen und Service

Eine Klasse mit geringem Service

Merkmale

Nachfrage

Geschäfts- und Privatreisende

Servicekonzepte

Regionalflug

EDVSysteme

Globale Distributionssysteme, Yield-Management, Netzwerkplanung etc.

Einfache Distributionssysteme

Buchungssysteme inkl. Gruppenbuchung

Teilnahme an den Systemen der Linienfluggesellschaften

Strecken

Kurz-, Mittel- und Langstrecke

Mittelstrecke

Mittel- und Langstrecke

Kurz- und Mittelstrecke

Streckennetz

Netzwerk

Punkt zu PunktVerbindungen

Punkt zu PunktVerbindungen

Punkt zu PunktVerbindungen

Kooperationen

Kooperationen oder globale Allianzen, zudem intramodale Kooperationen

Intramodale Kooperationen mit Mietwagen sowie Hotel etc.

Intramodale Koope- Kooperationen mit rationen mit BahLinienfluggesellnen (Zubringer zum schaften Flug)

Vertrieb Zumeist indirekt mit Überwiegend DiReisemittlern, aber auch E-Commerce

rektvertrieb und ECommerce

Zumeist Indirekt mit Reiseveranstaltern, Reisemittlern

Zumeist Indirekt über die Linienfluggesellschaften

Preispolitik

Normal-, Sonderund weitere Tarife

Aggressive Preisvariationen

Teil des Reiseveranstalterpreises

Kaum Preisvariationen

Landeplätze

Zumeist internationale Flughäfen

Zumeist günstige Regionale und regionale Flughäfen internationale Flughäfen

Abb. 2.1

Unterscheidungsformen der Fluggesellschaften

Regionale und internationale Flughäfen

Modul B

Linienflug

16

2 Luftverkehr –

Die Linienfluggesellschaften passen sich dem Preiswettbewerb der Billigfluggesellschaften auf der Kurzstrecke an oder bieten nur noch Langstreckenflüge an. Der Service und Komfort wird einerseits für die Privatreisenden zwar eingeschränkt, andererseits wird die profitable Kundschaft der Geschäftsreisenden mit neuen Produkt- und Serviceinnovationen verwöhnt. Teilweise gründen die Liniengesellschaften eigene Billiggesellschaften, um im Konkurrenzkampf zu bestehen.



Die Billigfluggesellschaften sind in den letzten Jahren aufgrund ihrer aggressiven Preispolitik sehr erfolgreich und setzen damit die Linien- und Ferienfluggesellschaften unter Druck. Insbesondere bei den Kurz- und Mittelstrecken sowie Warmwasserzielen sind die Billigfluggesellschaften eine starke Konkurrenz. Langstreckenflüge werden nicht angeboten. Aufgrund der Veränderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und des hohen Kerosinpreises ist auch bei den Billigfluggesellschaften eine Marktbereinigung zu erwarten.



Die verstärkte Konkurrenz und das Überangebot der Ferienfluggesellschaften zwingt die Unternehmen, neben ihrem Kerngeschäft (Gruppenplatzverkauf an die Reiseveranstalter) vermehrt auf den Einzelplatzverkauf und Städteverbindungen zu setzen. Dabei wird der Konkurrenzkampf mit den Linien- und Billigfluggesellschaften immer intensiver und eine Marktbereinigung ist zu erwarten.



Die Regionalfluggesellschaften konzentrieren sich auf den profitablen Geschäftsreiseverkehr und die Zubringerdienste für die großen Linienfluggesellschaften, mit denen eine enge Kooperation besteht. Ihr Geschäftsmodell wird höchstens von der Benutzung von individuellen Geschäftsreiseflugzeugen beeinflusst.

2.2

Linienfluggesellschaften

2.2.1

Marktüberblick

Im Luftverkehr gibt es eine Vielzahl von Messgrößen. Die angebotene Beförderungskapazität kann in Sitzkilometern (engl. seat kilometers offered; SKO) angegeben werden. Sie bemisst sich an dem Produkt der Anzahl der Sitze eines Flugzeuges und der zurückgelegten Wegstrecke in Kilometern (km). Eine andere gängige Abkürzung für die angebotene Beförderungsleistung ist PKO (Passenger Kilometers offered). Wesentlicher erscheint die tatsächlich erbrachte Beförderungsleistung mit transportierten Personen, welche in Personenkilometer (PKm) (engl. passenger kilometers transported; PKT) angeben wird. Die prozentuale Differenz ergibt den Sitzladefaktor (engl. seat load factor; SLF), das heißt ein passagierbezogenes Maß für die Auslastung von Flugzeugen. Diese Maßzahl zeigt die Kapazitätsauslastung der eingesetzten Flotte und liegt in der heutigen Zeit bei den Linienfluggesellschaften bei ca. 65–85 %.

2.2 Linienfluggesellschaften

17

Aufgrund der einfachen Berechnung wird der Sitzladefaktor oftmals für den Vergleich verschiedener Fluggesellschaften herangezogen. Allerdings können nur bedingt Rückschlüsse auf die Wirtschaftlichkeit einzelner Unternehmen getroffen werden, da keinerlei Bezug zu Ticketpreisen, Kosten und weiteren Finanzkennzahlen besteht. So wäre theoretisch ein maximaler Sitzladefaktor von 100 % leicht zu erreichen: Verschenkte Tickets würden zwar schnell die Auslastung optimieren, aber die Rentabilität der Fluggesellschaft wäre fraglich. Für die weiteren Untersuchungen wird eine weitere einfache Maßzahl verwendet, welche sich auch leicht auf andere Verkehrsträger übertragen lässt: das eigentliche Verkehrsmittel. Um die Größe und Leistungskraft der internationalen Linienfluggesellschaften darzustellen, bietet sich als Vergleichswert die Gesamtzahl der Flugzeuge an. Dabei wird sämtliches im Einsatz befindliches Fluggerät, vom Regionaljet bis hin zum Langstreckenflugzeug, berücksichtigt.

Air France /KLM Group 406

American Airlines 889

Lufthansa 602

United 703

Abb. 2.2

Modul B

IAG 376

Delta 856

US Airways 725

Vergleich internationaler Fluggesellschaften nach Fluggerät

(Stand 2013)

Diese Grafik zeigt die zehn größten internationalen Fluggesellschaften nach Anzahl der Flugzeuge Unangefochten an erster Stelle liegt die amerikanische Linienfluggesellschaft American Airlines (AA) mit 889 Flugzeugen inklusive der Regionalflugzeuge von American Eagle. Danach folgt die amerikansichen Fluggesellschaften Delta, US Airways und United Airlines. Alle US-Fluggesellschaften stehen wegen Treibstoffpreisen auf Rekordhöhe und Überkapazitäten auf dem Heimatmarkt unter erheblichem Fusionsdruck. Die beiden US-Fluggesellschaften Delta und Northwest schlossen sich zu einer der weltgrößten Fluggesellschaften zusammen. Im Oktober 2008 wurde Northwest von Delta übernommen und bis Frühjahr 2010 vollständig integriert, weshalb die Fluggesellschaft heute nur noch unter dem Namen Delta Air Lines arbeitet. Der Heimatflughafen ist am bisherigen Firmensitz von Delta, in Atlanta. Am 3. Mai 2010 fusionierten dann

18

2 Luftverkehr

auch Continental Airlines und United Airlines. Das Besondere an der Flotte von Continental Airlines ist, dass die Flugzeuge ausschließlich vom Typ Boeing sind. Durch diese Homogenität schafft sie es, ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis anzubieten. Beim Zusammenschluss der beiden Gesellschaften wurde der Name United Airlines beibehalten. Geplant ist zudem der Zusammenschluss von American Airlines und US Airways. Die beiden Fluggesellschaften hatten ihre Fusion im Februar 2013 verkündet. Dieser Zusammenschluss wird die neue Nummer eins am Himmel mit mehr als 1500 Flugzeugen. Die neue Gesellschaft wird den Namen American Airlines tragen. rst an fünfter Stelle folgt die erste nichtamerikanische Fluggesellschaft – die deutsche Lufthansa AG. Zusammen mit dem Fluggerät aus LH Passage und LH Regional, sowie der Swiss und der Billigflugtochter Germanwings bringt es die LH auf insgesamt 627 Flugzeuge, wobei dies gerade einmal der Hälfte des künftigen Branchenführers American Airlines entspricht. Nach der Air France/KLM Group und der International Airlines Group (IAG) folgen bereits wieder amerikanische Fluggesellschaften. Die International Airlines Group (IAG) ist eine durch die Fusion der beiden Fluggesellschaften British Airways und Iberia entstandene Holdinggesellschaft mit Hauptsitz in London. Die Markennamen der beiden Fluggesellschaften bleiben aus marketingtechnischen Gründen weiter erhalten, jedoch erfolgte eine zunehmende Integration der wichtigsten Unternehmensfunktionen. Insgesamt befinden sich unter den ersten zehn Fluggesellschaften sieben aus dem nordamerikanischen Raum, was die Vormachtstellung und die Größenunterschiede im Vergleich zur europäischen Konkurrenz verdeutlicht. Um diesen Vergleich aussagekräftiger zu gestalten, ist es sinnvoll, die Gesamtflotten auch unter dem Gesichtspunkt der Flottenzusammensetzung zu betrachten.

IAG

148

Air France / KLM

174

Lufthansa

166

US Airways 28

228 238 292

239

308 306

159

American Airlines

158

543

121

0

17

487

200 Langstrecke

Abb. 2.3

169

301

United Delta

187

400

281

600

Mittelstrecke

Vergleich internationaler Fluggesellschaften nach Art des FluggeräEtes

800

1000

Kurzstrecke (Stand 2013)

2.2 Linienfluggesellschaften

2.2.1.1

19

Geschäftsmodelle

Im Laufe der Entwicklung von Luftverkehrsunternehmen konnten sich verschiedene Geschäftsmodelle entwickeln, die sich in ihren Unternehmensausrichtungen jeweils von einander stark unterscheiden. Im Folgenden werden die möglichen Geschäftsmodelle von Linienfluggesellschaften kurz erläutert.

 Virtuelle Fluggesellschaft Das Konzept der reinen virtuellen Fluggesellschaft sieht nur noch die Durchführung der Kernkompetenz, also des Passagier- und evtl. Frachttransports, durch die Fluggesellschaft selbst vor. Ziel ist es, Abteilungen auszulagern, die nur mittelbar mit dem Kernprodukt Fliegen verbunden sind und damit nicht direkt zum Unternehmenserfolg beitragen. So wurden aus ehemaligen Teilbereichen des Unternehmens im ersten Schritt abhängige Tochterunternehmen. Im zweiten Schritt wurden diese neugegründeten Tochterunternehmen innerhalb kürzester Zeit an externe Dienstleister verkauft, die dann ihre Serviceleistungen günstiger für eine Vielzahl von Fluggesellschaften anbieten können.  Luftverkehrskonzern Im Gegensatz zur Konzentration auf das Kerngeschäft bei der virtuellen Fluggesellschaft erweitert ein Luftverkehrskonzern sein Tätigkeitsfeld. Ziel ist es, durch die Ausweitung der Einnahmequellen zusätzliche Stabilität zu schaffen. Hierzu werden einer Vielzahl ehemals integrierte Abteilungen in Form von Tochterunternehmen mit Eigenverantwortung, intensivierter Kundenorientierung und erhöhter Kostenkontrolle neu aufgestellt. Diese Unternehmen sollen nun ihre entsprechenden Funktionen wohl für den Mutterkonzern als auch für andere Fluggesellschaften und Unternehmungen außerhalb des Luftverkehrssektors ausführen.  Hybride Fluggesellschaft Diese von den vorher genannten Modellen abgeleitete Variation sieht einen Mittelweg der drei Modelle vor, das heißt traditionelle Elemente treten neben virtuellen Elementen ebenso auf wie Merkmale des Luftverkehrskonzerns. Für die Umsetzung bedeutet dies, dass neben traditionell intern ausgeführten Aufgaben, welche weiterhin bestehen bleiben, Aufgaben ausgelagert werden, um Kosten zu senken und von einer gesteigerten Effizienz eines Spezialisten und so indirekt von Größendegressionseffekten zu profitieren. Darüber hinaus werden andere, erfolgreiche Bereiche bzw. Abteilungen in Form von Tochterunternehmen neu formiert, welche ihr Wissen und Know-how

Modul B

 Traditionelle Fluggesellschaft Die traditionelle Fluggesellschaft ist für alle Funktionen und Serviceaufgaben rund um das Kernprodukt Fliegen selbst verantwortlich. Somit werden neben dem Flugtransport auch die weiteren, zur Durchführung von Flügen notwendigen Aufgaben, wie Flugzeugwartung, Catering, Informationstechnologie etc., von eigens gegründeten Abteilungen innerhalb des Unternehmens durchgeführt. Dies gilt vor allem für den Heimatflughafen der Fluggesellschaft, an welchem eine große Anzahl von Flugzeugen stationiert ist. Übergeordnetes Ziel ist die Wahrung der Eigenständigkeit und Unabhängigkeit des eigenen Unternehmens.

20

2 Luftverkehr

neben dem eigenen Mutterunternehmen auch anderen Fluggesellschaften anbieten, wodurch ebenfalls Größendegressionseffekte durch Wachstum entstehen können. Jede hybride Gesellschaft bezieht daher Leistungen der eigenen Töchter und Leistungen von externen Unternehmen, welche wiederum Töchter anderer Fluggesellschaften sind. 2.2.1.2

Allianzen

Mitglieder

27

19

12

Flugzeuge

4.570

2.734

2.473

Mitarbeiter

448.926

436.007

296.317

181,83 Mrd. USD

137 Mrd. USD

112,11 Mrd. USD

Umsatz Passagiere

670 Mill.

552 Mill.

341 Mill.

Flüge pro Tag

21.900

15.465

8.837

Destinationen

1.329

1.000

841

194

187

Länder Umsatz der wichtigsten Mitglieder

Lufthansa 37,1 Mrd USD Air France 35,4 Mrd USD United 20,2 Mrd USD /KLM Delta 20,2 Mrd USD US Airways 11,5 Mrd USD

155 American 23,7 Mrd USD JAL 21,7 Mrd USD BA 14,2 Mrd USD

Knotenpunkte der Mitglieder

Abb. 2.4

Marktanteile der Allianzen am Gesamtmarkt nach Flugzeugen

(Stand 2013)

Globale strategische Allianzen sind interkontinental agierende Netzwerke, die mittlerweile größte Teile des internationalen Flugmarktes unter sich aufteilen. Bei der Auswahl der Allianzpartner zeigt sich das Bestreben, langfristig möglichst alle bedeutenden Verkehrsregionen abzudecken und dadurch ein weltumspannendes Streckennetz und Wettbewerbsvorteile für alle Partner zu erlangen. Dafür werden von den Fluggesellschaften z. B. Zubringerdienste in ihren jeweiligen Heimatländern für die Partnergesellschaften übernommen und somit das Streckennetzwerk wesentlich erweitert. Die Zusammensetzung der globalen Allianzen hat sich innerhalb der letzten Jahre mehrmals geändert. Ähnlich dem Konsolidierungsprozess bei den Fluggesellschaften hat auch bei den Bündnissen ein Konzentrationsprozess stattgefunden. Nach einer

2.2 Linienfluggesellschaften

21



Die Star Alliance ist eine 1997 gegründete Allianz von derzeit 27 Fluggesellschaften. Die bekanntesten Mitglieder sind: Lufthansa, United Airlines und Singapore Airlines Im Verbund der Star Alliance finden täglich 21.900 Flüge statt. Alle glieder zusammen haben eine Flottenstärke von ca. 4.500 Flugzeugen und derten rund 670 Mill. Passagiere. Damit ist die Star Alliance die größte lianz der Welt. Die Star Alliance gilt unter den drei großen Kooperationen als die Allianz mit der ausgeprägtesten Integrationstiefe und einem ausgewogenen Partnerportfolio.



Die zweitgrößte Luftfahrtallianz ist das Skyteam mit seinen gegenwärtig 19 Fluggesellschaften. Die Flottenstärke beträgt ca. 2.700 Flugzeuge. Geprägt ist die Allianz durch die Fusion von Air France und KLM und der hierdurch entstandenen ersten europäische Fluggesellschaftsgruppe. Skyteam hat sein Hauptaugenmerk auf den nordamerikanischen und europäischen Bereich gelegt. Die Kooperationsintensität der SkyTeam-Mitglieder war bislang relativ gering.



Die Fluggesellschaften der Oneworld-Allianz fliegen insgesamt 841 Destinationen in 155 Ländern mit knapp 8.800 Flügen pro Tag an und beschäftigen über 290.000 Mitarbeiter bei einer Flotte von fast 2.500 Flugzeugen. Überdies wurde die Oneword-Allianz bereits mehrfach zur weltweit besten Airline-Allianz gewählt. Oneworld ist mit den unterschiedlichen Partnern Qantas Lan Chile und den SüdamerikaAnbindungen der Iberia sehr global aufgestellt. Allerdings hat Oneworld bisher einen Wettbewerbsnachteil: British Airways (BA) und American Airlines (AA) dürfen aufgrund mangelnder „Anti-Trust-Immunity“ ohne Verluste von Verkehrsrechten keine Codeshare-Flüge zwischen den bedeutenden Strecken, den Hubs der Allianz in den USA und London Heathrow, anbieten. Damit ist die Kooperation weniger intensiv als z. B. die Star Alliance mit der engen Partnerschaft zwischen UA und LH oder SkyTeam mit KLM und AF.

Hauptziel der strategischen Allianzen ist, die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Mitglieder so zu sichern und zu stärken, dass die Allianz die beste Alternative zu Alleingängen der Linienfluggesellschaften oder Fusionen darstellt. Die Allianzen streben neben der Existenzsicherung v. a. steigende Produktivität und Rentabilität ihrer assoziierten Fluggesellschaften und eine Stärkung der Allianzmacht im Vergleich zur Konkurrenz an. Besonders Einsparungspotentiale durch gemeinsame Einkaufsmacht, Netzwerksynergien und Leistungsbündelung werden als häufige Zeile genannt. Des Weitern sind Kostendegressionseffekte hinsichtlich der Fixkosten und der Stückkosten durch Auslastungssteigerung oder Abbau von Frequenzen und Strecken möglich. Neben der Kostenseite sind aber auch Auslastungs- und Ertragssteigerungen durch die Erschließung neuer Absatzgebiete mit Hilfe der Partner realisierbar. Zudem wird eine Steigerung der Kundenzahl durch optimierte Angebote auch auf auslastungsschwachen Strecken, z. B. durch Zusammenlegung der Kapazitäten angestrebt. Schließlich kommt es zur Verminderung des Wettbewerbs und zu einer Errichtung von Markteintrittsbarrieren für die Konkurrenz durch Codesharing und allianzeigene Drehscheiben.

Modul B

Phase der Marktbereinigung teilt sich nun der Luftfahrtallianzmarkt unter den drei großen Zusammenschlüssen Star Alliance, Skyteam und Oneworld auf.

22

2 Luftverkehr

2.2.2

Produktionsfaktoren

2.2.2.1

Verkehrsflugzeuge

Kriterium

Einteilungsmöglichkeit

Beispiele

Hersteller

Boeing Airbus Industrie Bombardier Fairchild Dornier British Aerospace

717, 737, 747, 757, 767, 777, 787 300/310, 318/19/20/21, 330/40, 350, 380 CRJ, DH8 328 ARJ/BAE 146

Rumpfform

Narrowbody

Mittelstreckenflugzeug Langstreckenflugzeug

717, 737, 757, A318/19/20/21, CRJ, ARJ, ATR42/72, Saab 2000 747, 767, 777, 787, A300/310, A330/340 A380 CRJ, ARJ, ATR42/72, Saab 2000, DH8, 717, 737, A318/19 757, A320/21 747, 767ER, 777, A330/40, A380

Turboprop (Propellerturbine) Düsenjet

ATR42/72, F50, DH8, Saab 2000 fast alle Boeing- und Airbustypen

Widebody Macrobody Reichweite

Antriebsart Abb. 2.5

Kurzstreckenflugzeug

Unterscheidungskriterien für Verkehrsflugzeuge

Aus betriebswirtschaftlicher Sicht kann das Fluggerät nach unterschiedlichen Kriterien eingeteilt werden: – –



Fluggeräte können nach den Flugzeugherstellern (besonders Airbus und Boeing) eingeteilt werden. Ein weiteres Kriterium ist die Rumpfform. Dabei werden als Großraumflugzeuge (Widebody), wie bspw. die 747 von Boeing, diejenigen Flugzeuge genannt, deren Passagierkabinen mehr als einen Gang (Aisle) aufweisen, im Gegensatz zu den Schmalrumpfflugzeugen (Narrowbody) oder Single Aisle Flugzeugen mit einer Gangreihe, wie bspw. der A318. Der Einsatz von gestreckten Versionen bestehender Flugzeugmuster ist eine weitere Möglichkeit, die Transportkapazität zu erhöhen (z. B. A321 als Stretch-Version der A320). Für die neu entwickelten Großraumflugzeuge mit zwei Passagierdecks, wie z. B. der A380 von Airbus, findet man auch den Begriff Marcobody. Oft werden Verkehrsflugzeuge nach der jeweiligen Reichweite eingeteilt. Für Kurz-, Mittel- und Langstrecke gibt es keine einheitliche Definition, jedoch können Strecken bis etwa 1.500 km den Kurzstrecken, bis 5.000 km den Mittelstrecken und länger den Langstrecken zugerechnet werden. Ein Kurzstreckenflugzeug ist bspw. der A319, ein Mittelstreckenflugzeug der A320 und ein Langstreckenflugzeug der A340.

2.2 Linienfluggesellschaften

Bei der Antriebsart wird zwischen Turboprop (Propellerturbine) und Düsenjet (Turbofan) unterschieden. Moderne Turboprop-Triebwerke sind besonders für neue Regionalverkehrsflugzeuge entwickelt wurden. Düsenjetmaschinen sind alle Airbus- und Boeingtypen mit einer Sitzplatzbelegung von mehr als 100 Sitzen. Dabei haben sie den Vorteil, dass sie größere Reichweiten und höhere digkeiten aufweisen.

 Airbus Airbus ist heute der führende Flugzeughersteller und konnte für das Jahr 2007 mehr als die Hälfte aller Bestellungen der Flugzeuge mit über 100 Sitzen verzeichnen. Airbus Industrie mit der Zentrale in Toulouse war von 1970 bis 1999 ein Luftfahrtkonsortium, an dem vier europäische Unternehmen beteiligt waren: Casa (Spanien), DaimlerChrysler Aerospace (Deutschland), British Aerospace britannien) und Aerospatiale (Frankreich). Im Oktober 1999 gelang es den unternehmen mit der Gründung von EADS (European Aeronautic Defence and Space Company), einen europäischen Luft- und Raumfahrtkonzern mit der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft zu bilden. Die Airbus-Produktpalette beinhaltet zwölf verschiedene Flugzeugmodelle und kann mit dem kleinen A318 und dem riesigen A380 die Lücken zu Boeing schließen. Airbus hat die einzelnen Flugzeugmuster in einer Familienkonzeption entwickelt, die den Fluggesellschaften Wartungs- und Trainingskosten sparen und dazu einen flexiblen Creweinsatz erlauben soll. Die größte Herausforderung für EADS war die Entwicklung und Vermarktung des größten zivilen Flugzeugs der Geschichte: der Airbus A380. Mit dem ehrgeizigen Projekt will Airbus die letzte verbliebene Domäne von Boeing brechen: das Monopol bei den Flugzeugen mit mehr als 500 Sitzen.  Boeing Boeing war jahrzehntelang der Marktführer für zivile Flugzeuge. Grund hierfür sind die revolutionären Flugzeugkonzepte und die richtige Einschätzung der Marktbedürfnisse. Boeing hat der zivilen Luftfahrt vor allem mit dem Jumbojet 747 die Richtung gewiesen. Zudem konnte Boeing lange Zeit als einziger Flugzeugbauer eine geschlossene Produktpalette von der 717 bis zur 747 anbieten. Die Boeing 737 mit seinen zahlreichen Versionen ist das erfolgreichste Verkehrsflugzeug, das bisher in der Geschichte der Luftfahrt flog, denn es wurde bis zum Jahr 2007 über 7.500 Mal bestellt. Die erste Generation 737-100 hob bereits 1967 ab. Die Boeing 777 basiert auf keinem Vorgängerflugzeugmodell, sondern stellt eine völlig neu konzipierte Maschine dar. Aufgrund der hervorragenden Leistungsdaten und der Wirtschaftlichkeit wurde die 777 bisweilen bei den Fluggesellschaften sehr gut verkauft. Eines der bekanntesten Flugzeuge der Welt ist die Boeing 747, der so genannte Jumbojet. Bis 2005 hatte die 747 mehr als 30 Jahre lang bei Flugzeugen mit einer

Modul B



23

24

2 Luftverkehr

Passagierkapazität über 400 Passagieren eine Monopolstellung. Diese Monopolstellung wurde jetzt jedoch mit dem Airbus A380 beendet. Boeings Antwort auf die Herausforderung der Europäer ist die schnelle, kleine und sparsame Boeing 787 Dreamliner. Dieses Flugzeug soll der erste einer neuen Generation von Jets sein, die nach und nach alle bisherigen Boeing-Produkte ablösen könnten. Mit der 787 möchte Boeing den effektivsten Jet für 200 bis 300 Passagiere anbieten. Der zweistrahlige Großraumjet bietet die Reichweite großer Passagierflugzeuge bei effizientem und niedrigem Treibstoffverbrauch. Die Auseinandersetzung mit dem europäischen Airbus-Konsortium führt Boeing sehr intensiv. Dennoch hat Airbus in den letzten Jahren mehr Flugzeuge verkauft als der ehemalige Marktführer. Auch die Entwicklung des A380 konnte Boeing trotz aller Bemühungen nicht verhindern. 2.2.2.2

Flugplan, Streckennetz und Netzwerk

Die Basis des Leistungsangebots einer Fluggesellschaft ist der Flugplan bzw. das damit verbundene Streckennetz. Laut Passagierbefragungen ist die Qualität des Flugplans bzw. Streckennetzes ein entscheidendes Argument für die Wahl einer bestimmten Fluggesellschaft.  Flugplan Der Flugplan ist die Zusammenstellung aller planmäßigen Flüge einer Fluggesellschaft in einer Flugplanperiode. Der Flugplan informiert über die angebotenen bindungen innerhalb des eigenen Netzwerkes sowie über die Anbindungen an die Netze von Kooperationspartnern. Bei Kurzstrecken im Geschäftsreiseverkehr ist der Flugplan sehr viel wichtiger als das Fluggerät oder der Komfort. Erstrebenswert ist, wochentags in beiden Richtungen eine hohe Frequenz anzubieten, da sich die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass der Passagier eine ihm angenehme Reisemöglichkeit findet. Hinflüge am Morgen und Rückflüge am frühen Abend, so genannte Tagesrandverbindungen, ermöglichen es dem Geschäftsreisenden, Termine innerhalb eines Tages zu erledigen. Die Höhe der Frequenz hängt vom Passagieraufkommen, der Länge der Flugstrecke sowie vom Verhalten der Konkurrenz ab.  Streckennetz Ein weiterer Bestandteil des Leistungsangebots einer Fluggesellschaft sind die zu bedienenden Strecken. Aus Sicht des Kunden besitzt derjenige Reiseweg die höchste Attraktivität, dessen Gesamtreisezeit am kürzesten und dessen Anzahl an Flugunterbrechungen am geringsten ist.

2.2 Linienfluggesellschaften

Punkt-zu-Punkt

Abb. 2.6

25

Drehkreuz

Multi-Drehkreuz

Möglichkeiten der Streckenverbindung

Der Vorteil von Punkt-zu-Punkt-Verbindungen besteht darin, dass alle Flüge zwischen Ausgangs- und Zielflughafen ausschließlich ohne Umsteigen, das heißt nonstop erfolgen. Auf vielen Punkt-zu-Punkt-Verbindungen ist das Aufkommen jedoch zu gering, um mehrere Flüge täglich anbieten zu können. Der Fluggast hat somit meist wenige Wahlmöglichkeiten bei den Flugzeiten. Billigfluggesellschaften sind typische Anbieter von Punkt-zu-Punkt-Verbindungen. Sie fliegen vor allem auf Strecken schen kleineren und mittelgroßen Flughäfen, abseits der großen Hubs und gen keine Schaffung von Umsteigemöglichkeiten. Ein großer Nachteil aller Punkt-zuPunkt-Verbindungen ist die vergleichsweise geringe Abdeckung mit unterschiedlichen Städteverbindungen. So können im dargestellten Punkt-zu-Punkt-Streckennetz lediglich fünf Städteverbindungen durchgeführt werden. Bei so genannten Drehkreuz-Streckennetzen (engl. Hub-and-Spoke) werden alle bindungen über ein Drehkreuz geführt. Die Anzahl der möglichen Verbindungen wird deutlich erhöht, im dargestellten Beispiel von 5 auf 55 Verbindungen bei gleicher Kapazität und bei einem Multidrehkreuz sogar 141 Verbindungen. Zudem wird die Attraktivität des Streckenangebots für Passagiere gesteigert und das Erlöspotential der Fluggesellschaft erweitert. Drehkreuznetzwerke haben aber auch einige Nachteile: Insbesondere der Passagierkomfort geht zurück, da die Fluggäste mit längeren zeiten und Umsteigeverbindungen rechnen müssen. Schließlich werden aufgrund des häufigen Umsteigens die Drehkreuzflughäfen stark überlastet.  Netzwerk Das Flugnetz einer Fluggesellschaft bezeichnet das gesamte Netzwerk von Luftverkehrsverbindungen dieser Fluggesellschaft. Das Netzmanagement hat die Aufgabe, das gesamte Netzwerk von Luftverkehrsverbindungen im Sinne der Fluggesellschaft zu optimieren. Ziel ist nicht mehr die punktuelle Streckenoptimierung, ein so genanntes lineares Netz, sondern eine Netzoptimierung durch die systematische Anpassung der Flugpläne an den Umsteigeverkehr im Rahmen der auf den Hauptbasen vorhandenen Slots (zugeteilte Start- und Landezeiten auf Flughäfen). Überdies werden die Streckennetze von Kooperationspartnern aus unterschiedlichen geographischen Re-

Modul B

Hinsichtlich des Streckenprogramms lassen sich Fluggesellschaften mit Punkt-zuPunkt-Verbindungen von Netzwerk-Fluggesellschaften mit Drehkreuz-Streckennetzen unterscheiden.

26

2 Luftverkehr

gionen durch eine Flugplanangleichung zeitlich besser koordiniert. Durch entsprechende Kooperationen und strategische Allianzen versuchen die Fluggesellschaften, ihre Streckennetze anschlussorientiert zu verknüpfen, um so dem Kunden eine möglichst nahtlose Reise („Seamless Travel“) zu ermöglichen. Innerhalb dieses Netzes sollen Flugreisende möglichst wenig davon merken, dass mehrere Fluggesellschaften am Transport beteiligt sind. Eine Flugreise, die sich über die Streckennetze von zwei oder gar mehreren Allianzpartnern erstreckt, soll möglichst „reibungslos“ vonstatten gehen, als ob eine Fluggesellschaft alleine das Produkt „Flugreise“ anbieten würde.

Fallbeispiel Streckennetz Lufthansa



Das weit verzweigte Hub-and-Spoke-Streckennetz der Lufthansa mit Frankfurt/Main, München und Zürich als Drehscheiben ermöglicht eine sehr hohe Anzahl von One-Stop-Flugverbindungen in alle Regionen der Erde. Aufgrund des großen Passagieraufkommens kann die Lufthansa ihren Fluggästen eine hohe Flugfrequenz mit vielen flexiblen Umbuchungsmöglichkeiten bieten. Die Deutsche Lufthansa hat seit 1994 ihre Flugplanorganisation auf ein Netzmanagement umgestellt. So hat sie in den 2000er Jahren ihr Flugnetz durch entsprechend günstige Kooperationen erheblich ausweiten und durch verbesserte und optimierte Umsteigeverbindungen in Frankfurt/Main und München seine zentrale Lage in Europa ausnutzen können.

2.2.3

Marketing & Vertrieb

 Nachfrage Die Nachfrage kann nach verschiedenen Nachfragegruppen segmentiert werden. Diese möglichst homogenen Käufergruppen erlauben eine differenzierte Marktbearbeitung. Eine Klassifizierung ist nach demographischen, psychographischen oder soziographischen Merkmalen möglich. Für den Luftverkehr ist vor allem die Unterscheidung nach dem Reiseanlass relevant, welcher sich weiter in die Teilsegmente des Geschäfts- und Privatreisemarkts unterteilen lässt. –



Die Geschäftsreisenden sind für die Fluggesellschaften eine sehr wichtige Zielgruppe, obwohl sie vergleichsweise klein ist: Mit knapp 3 Mill. Bundesbürgern waren 2012 nur 2,4 % der Bevölkerung über 14 Jahre geschäftlich mit dem zeug unterwegs. Besonders 30- bis 50-jährige Männer in höheren Einkommensgruppen verwenden das Flugzeug als Verkehrsmittel für ihre geschäftlichen Reisen. Die deutschen Privatreisenden unternahm im Jahr 2012 insgesamt 27 Mill. Ferienflugreisen, von denen ca. 82 % Haupturlaubreisen und nur 18 % zusätzliche Urlaubsreisen waren. Insgesamt 16,6 Mill. Flugreisen (ca. 60 %) hatten dabei das Mittelmeer zum Ziel. Hierbei geben die Flugreisenden im Durchschnitt ca. 1.200 € pro Person für ihre Flugreise (inklusive Hotel etc.) aus.

2.2 Linienfluggesellschaften

27

Privatreisende



geringere Reaktion auf Preisänderungen



elastische Reaktion auf Preisänderungen



Betriebsausgaben





höhere Ausgabebereitschaft

hohe Abhängigkeit vom Haushaltseinkommen



hohe Wertigkeit für Luftverkehr





weniger saisonale Abhängigkeit

höheres Kostenbewusstsein bei Familien



Prestigefunktion, soziale Entlohnung



60 % der Vielflieger machen mehr als  fünf Flüge pro Jahr



8 % der Kunden erbringen 20 % der Erträge

Abb. 2.7





schnellere Substituierbarkeit



eine Flugreise pro Jahr



Unterschiede Geschäfts- und Privatreisende

geringere Bedeutung von Flugfrequenz, Sitzverfügbarkeit bei wichtigen Familienangelegenheiten Verhalten wie Geschäftsreisen (Quelle: Lufthansa)

Produktpolitik

Die Flugzeugkabine wird von den Fluggesellschaften in verschiedene Bereiche unterteilt. Diese physische Unterteilung in Bereiche nennt man Beförderungs- oder Serviceklassen. Eine in den Klassen vorgenommene unterschiedliche Bestuhlung wird insbesondere durch den Sitzabstand, die Sitzbreite, die maximale Sitzneigung und die Anzahl der Sitze pro Reihe charakterisiert.

Beispiel für einen Businessclass-Sitz Gebräuchlich ist es, die Flugzeugkabine auf Kurzstrecken in Economy- und Businessclass einzuteilen. Auf Mittel- und Langstrecken gibt es eine zusätzliche First Class.

Modul B

Geschäftsreisende

28

2 Luftverkehr

Hier legen die Passagiere besonderen Wert auf die Beinfreiheit, die stark vom Sitzabstand abhängig ist. Üblicherweise beträgt der Sitzabstand in der Economy Class durchschnittlich 75 cm, in der Business Class ungefähr 150 cm und in der First Class mehr als 200 cm. Die Sitzabstände und die Ausstattung sind allerdings sehr von der jeweiligen Fluggesellschaft und dem jeweiligen Flugzeugtyp abhängig. Letztendlich steht die Festlegung der Sitzplatzdichte in einem Spannungsfeld zwischen den Interessen der Kunden und den Interessen einer Fluggesellschaft. Der Fluggast wünscht sich innerhalb der Kabine möglichst viel Platz und Komfort. Die Fluggesellschaft hingegen versucht, durch eine hohe Anzahl an Sitzen eine maximale Auslastung der Transportkapazität des Fluggerätes zu erreichen. Hierbei gilt es, eine ertragsoptimierte Sitzkonfiguration zu finden, die der Kabinenausstattung als wesentliches Produktmerkmal Rechnung trägt. Das Servicekonzept ist eine Erweiterung der bloßen physischen Unterteilung der Flugzeugkabine in die unterschiedlichen Klassen First, Business und Economy. Neben den Unterschieden im Sitzkomfort werden die Abstufung in Beförderungsklassen und die umfassende Betreuung durch ein breites Angebot an Zusatzleistungen vollständigt. Das Angebot verschiedener Serviceleistungen ist eine Antwort auf die jeweiligen Bedürfnisse der Fluggäste. Die weitere Individualisierung des ansonsten standardisierten Produktes erfolgt über zahlreiche Zusatzleistungen vor, während und nach der Flugreise. Economyclass

Businessclass

Firstclass

Sitze

78–89 cm Abstand 43–47 cm Sitzbreite 110–113° Neigung

145–152 cm Abstand 50 cm Sitzbreite 180° Neigung

216–234 cm Abstand 53 cm Sitzbreite 180° Neigung

Mahlzeiten

2–3 Menüs zur Auswahl

Frei wählbare, höherwertige Menüs, Spitzenköche, Vinothek

Sterneküche: Frei wählbare, noch höherwertige Menüs, Speisezeit frei wählbar

Unterhaltung

30 Spielfilme, 40 TVProgramme und 30 Audiokanäle

70 Video-, 40 TV-Programme und 30 Audiokanäle, 10 Spiele auf Video Player, Internet

Service

Standard

Individuelle Betreuung durch eigens zuständiges Personal

Lounge

keine

Business Lounges

Firstclass Lounges

Freigepäck

1 Stück à 23 kg

2 Stück à 32 kg

3 Stück à 32 kg

Schalter

Standard

Priority Check-in, Security Fast Lane, „eFly Services“ – online, Smartphone

Wie Business, auch per SMS möglich

Ein- bzw. Aussteigen

Standard

Priorisiert

Abb. 2.8

Beförderungsklassen bei der Deutschen Lufthansa AG

2.2 Linienfluggesellschaften

29

Im Rahmen der Produktdifferenzierung unterscheiden sich die Klassenkonfigurationen vor allem auf der Langstrecke in der First- und Businessclass in vielerlei Hinsicht. Von der Vorbestellung spezieller Magazine und Zeitungen als Lesestoff, über die Auswahl von verschiedenen, in jedem Sitz integrierte Bildschirme für Unterhaltung, wie Musik, Film und Information, bis hin zum Bordtelefon werden eine Vielzahl von Serviceleistungen angeboten. Sehr unterschiedliche Servicekonzepte verfolgen die unterschiedlichen Betriebstypen von Fluggesellschaften. Um Kosten einzusparen, verzichten Billigfluggesellschaften im Gegensatz zu Linienfluggesellschaften fast vollständig auf einen Bordservice.

Fallbeispiel Singapore Airlines



Ein Beispiel für eine gelungene Serviceinnovation ist ein erweitertes senkonzept von Singapore Airlines. Im Airbus A380 bietet die schaft eine aufgewertete Firstclass, in der Raumteiler den FirstclassPassagieren das Gefühl einer eigenen Kabine vermitteln. Die Schlafkabinen können mit Gleittüren verschlossen werden und sind mit einem Doppelbett sowie einem Flachbildfernseher ausgestattet.

 Preispolitik Bei keinem anderen Verkehrsmittel bereiten die Beförderungstarife dem Außenstehenden und oft auch den Fachleuten so viele Probleme wie im Flugverkehr. Obwohl die Grundstruktur leicht verständlich ist, entsteht häufig Verwirrung durch die verschiedensten Bezeichnungen für gleiche oder ähnliche Leistungen und durch die Vielfalt der Sondertarife mit entsprechenden Sonderbestimmungen. Die Beförderungsleistung (als Grundprodukt/-leistung) der Fluggesellschaften wird grundsätzlich nach Produkt (Beförderungsklasse) und Preis (Buchungs- bzw. Tarifklasse) differenziert. Entsprechend existieren bei Fluggesellschaften neben den Beförderungsklassen (First, Business, Econmony) auch maximal 26 Buchungsklassen mit einer Vielzahl von unterschiedlichen Tarifen. –

Bezugspunkt der Tarifpolitik ist der Normaltarif bzw. IATA-Tarif. Er berechtigt den Kunden zur Ausschöpfung aller Möglichkeiten des internationalen kehrs: kurzfristige Buchung, beliebige Umbuchung (Interlining) oder chungen (Stopover) auf der Strecke, Wechsel der Fluggesellschaft, Umwege (Rerouting, in begrenztem Umfang), keine Gültigkeitsbeschränkungen und rung sowie Rückerstattung (Refund) nicht benutzter Tickets oder Teilstrecken.

Modul B

Die Qualität des Services an Bord ist stark abhängig vom Kabinenpersonal. Freundliche Stewardessen und Stewards, die die Sprache des Gastes verstehen und sprechen und sich durch interkulturelle Kompetenz und Servicebereitschaft auszeichnen, prägen den Eindruck einer guten Serviceleistung. Es kommt auf die jeweilige Crew und nicht nur auf die Fluggesellschaft an, ob sich der Gast gut betreut fühlt. Zum Service an Bord zählen manche Passagiere auch die Begrüßung und Ansprache des Piloten, in der er die Reiseroute, die Ortszeit und die Temperatur am Zielort ankündigt.

30

2 Luftverkehr

Diese IATA-Tickets sind häufig sehr teuer, bieten den Kunden allerdings eine große Flexibilität und sind daher vor allem für Geschäftsreisende interessant. –

Sondertarife (engl. Carrier Fares) sind von den Fluggesellschaften individuell festgelegte Tarife mit einer Vielzahl an Einschränkungen. So weisen diese Tarife Beschränkungen hinsichtlich der Vorausbuchung, der Mindest- und/oder aufenthaltsdauer sowie Umbuchung oder Stornierung auf. Sehr häufig wird die so genannte „Sunday-Rule“ verwendet. Der Kunde kann einen Tarif mit einer Sunday-Rule nur buchen, wenn die Aufenthaltsdauer einmal den Sonntag beinhaltet. Hiermit wird eine klare Trennung von Geschäfts- und Privatreisenden erreicht, da Geschäftsreisende üblichweise spätestens am Freitag wieder Zuhause sein möchten, während Privatreisende häufig einen Wochenendausflug planen. Der Anteil der zu Sondertarifen fliegenden „Minderzahler“ liegt, je nach Fluggesellschaft und Destination, meist zwischen 50 % und 80 % des gesamten Fluggastaufkommens.



Kundenspezifische Tarife (engl. Customer Fares, bzw. Nego Fares) sind nicht allen Kundengruppen zugänglich, sondern werden nur über bestimmte kanäle zur Verfügung gestellt. Billigere Tickets gibt es meistens über die Tickethändler, die so genannten Konsolidatoren. Diese kaufen den Fluggesellschaften eine große Anzahl von Tickets ab, und erhalten im Gegenzug diese Tickets ger. Die Konsolidatoren verkaufen die vergünstigten Tickets weiter an die Reisebüros, von denen der Kunde sie letztendlich erwirbt.

 Kommunikation Fluggesellschaften nutzen die Kommunikation und Werbung, um ihr Streckennetz, ihre Tarife oder ihr Klassenkonzepte zu bewerben. Die Bedeutung der Werbung von Fluggesellschaften im Vergleich zu anderen Branchen ist relativ gering. 2012 befand sich keine Fluggesellschaft unter den 25 größten werbenden Firmen. Die Werbeaufwendungen aller Fluggesellschaften in Deutschland betrugen im Jahr 2012 lediglich rund 191,7 Mill. € für die klassischen Medien. Zu den wichtigsten Werbeträgern von Fluggesellschaften gehören Printmedien wie Zeitungen, Publikumszeitschriften und Fachzeitschriften.  Vertriebskanäle Die Quelle für die Distributionsprozesse ist das interne Inventarsystem, welches für jeden Flug die verkauften und noch verfügbaren Sitzplätze pro Buchungsklasse enthält. Die Reservierungen selbst werden über Reservierungssysteme verwaltet, entweder durch den Direktvertrieb der Fluggesellschaft (z. B. Internetvertrieb) oder über Reisemittler, die über externe Globale Distribution Systeme (GDS) Reservierungen durchführen. Eine Kopie der Buchung wird dann an das interne System weitergeleitet. Weitere IT-Systeme gibt es für Kundenbindung und Abfertigung.

2.3 Billigfluggesellschaften

Erkenntnisse Linienfluggesellschaften

31



 Linienfluggesellschaften sind weltweit marktbeherrschend.  Geschäftsmodelle sind: Traditionell, Virtuell, Konzern und Hybrid.  Streckenverbindungen sind: Punkt-zu-Punkt, Drehkreuz und Multi-Drehkreuz.  70 % der Gesellschaften sind Mitglied in den Allianzen Star Alliance, One World oder Sky Team.  Die wichtigste Kundengruppe sind Geschäftsreisende.

Billigfluggesellschaften

No Frills Airlines, Low Cost Carrier, Low Fare Airlines oder auch Discount Airlines sind nur einige Beispiele für die Bezeichnungen, die in der Literatur für Billigfluggesellschaften verwendet werden. Diese Begriffsvielfalt erklärt sich vor allem dadurch, dass es bei den Billigfluggesellschaften kein einheitliches Geschäftsmodell gibt. Der eine Anbieter verzichtet auf jeglichen Service, während einige Gesellschaften verschiedene Serviceleistungen anbieten. Allen Billigfluggesellschaften gemeinsam ist ihre alleinige Zuwendung zum Niedrigpreissegment, was im Weiteren ausschlaggebend für die Bezeichnung Billigfluggesellschaft ist.

2.3.1

Marktüberblick

Das Billigflugkonzept hat seinen Ursprung in den USA. Als Vorreiter gilt Southwest Airlines, die 1967 gegründet wurde und bis heute aufgrund kontinuierlichen Wachstums erfolgreich am Markt besteht. Die Billigfluggründungen in den USA nennt man die erste Gründungswelle, die in Europa die zweite Gründungswelle und schließlich die in Asien die dritte Gründungswelle. Auch in Kanada und Australien haben sich inzwischen einige Billigfluggesellschaften etabliert. Im europäischen Markt sind derzeit ca. 50 Billigfluggesellschaften tätig. 20 Gesellschaften bieten Verbindungen von Deutschland in europäische Destinationen an, lediglich fünf Gesellschaften bieten innerdeutsche Verbindungen an. Die wichtigsten deutsche Fluggesellschaften im Billigflugsegment sind die drei Anbieter Air Berlin, TUIfly und Germanwings.

Modul B

2.3

32

2 Luftverkehr

An erster Stelle im europäischen Vergleich rangiert Ryanair mit 305 Flugzeugen und – typisch für eine Billigfluggesellschaft – ausschließlich mit einem einzigen Muster, der Boeing 737. Der Konkurrent easyJet hat bereits zwei unterschiedliche Typen bei 214 Flugzeugen, wobei der griechische Besitzer Stelios Haji-Ioannou zukünftig nur noch den Airbus A320 einsetzen möchte. Die Air Berlin-Gruppe ist weniger homogen, so befinden sich seit der LTU-Übernahme sogar Langstreckenflugzeuge vom Typ A330 im Portfolio. Im Folgenden werden ausgewählte Billigfluggesellschaften eingehend vorgestellt. Die Geschäftsmodelle werden hierbei nicht immer im Detail analysiert, sondern es werden die Besonderheiten und die auftretenden Unterschiede zu den Wettbewerbern aufgeführt. 350

305

300 250

214

200 150

85

100

74 54

50

39

36

36

32

28

0 Ryanair

Abb. 2.9

Easyjet

Flybe

Norwegian Vueling

Wizz Air Aer Lingus

Top Ten der europäischen Billigfluggesellschaften nach Fluggerät

Jet2 GermanwingsAir Baltic

(Stand 2013)

 Geschäftsmodelle Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, eine Billigfluggesellschaft zu gründen: entweder geschieht dies durch Bildung einer Tochtergesellschaft oder durch Neugründung. Tochtergesellschaften wurden sowohl von Linien- oder Ferienfluggesellschaften gegründet. Andere Fluggesellschaften, gleichgültig ob als unabhängige Fluggesellschaft oder in Form eines integrierten Konzerns organisiert, wagten durch Produkterweiterung oder aus Gründen der Unternehmensumstrukturierung den Einstieg ins Billigflugsegment, wie dies beim irischen Pionier Ryanair der Fall war. Zu den neugegründeten Billigfluggesellschaften zählt bspw. die britische easyJet. Jede Gründungsform weist Stärken und Schwächen auf. Tochtergesellschaften haben meist mit Imageproblemen zu kämpfen und sind in ihrem Handlungsspielraum eingegrenzt. Überdies droht eine Kannibalisierung des bestehenden Geschäfts. Dafür haben sie einen erleichterten Ressourcenzugang und erhalten u. a. finanzielle Unterstützung durch die Muttergesellschaft. Im Gegensatz dazu haben neugegründete Gesellschaften Probleme beim Ressourcenzugang, was bspw. Slots und Flughäfen betrifft, und müssen ihre Kunden neu gewinnen, was zudem durch Vielfliegerprogramme der etablierten Fluggesellschaften erschwert wird. Ihre Stärken liegen darin, dass sie unbelastet von Restriktionen sind und bspw. tarif-, personal- und vertriebspolitische Freiräume besitzen.

2.3 Billigfluggesellschaften

Kostenvorteile

Die Grundleistung der Billigfluggesellschaften ist der Transport von A nach B in Form von Punkt-zu-Punkt-Verbindungen. Alle Operative Vorteile Höhere Sitzdichte 16 % Gesellschaften konzentrieren sich auf KurzIntensivere Flugzeugnutzung 3 % und Mittelstrecken mit Flugzeiten, die bei Geringere Crew-Kosten 3% max. vier Stunden liegen. Sie fliegen zumeist Billigere Flughäfen 6% kleinere Regionalflughäfen an, bei denen Flottenstandardisierung und 2% Fremdvergabe der Wartung niedrigere Gebühren anfallen als bei großen Flughäfen. Anschlussflüge sind im BilligProdukt- und Servicevorteile Geringere Kosten für Betreuung 10 % flugsegment nicht vorhanden bzw. nicht am Boden und Abfertigung üblich. Die Billigfluggesellschaften versuKeine freie Bewirtung an Bord 6% chen möglichst hohe Frequenzen mit gerinMarketingvorteile gen Flugzeugstandzeiten zu fliegen, also eine Einsparung von 8% maximale Flugdauer pro Tag zu erreichen. Verkaufsprovisionen Geringerer Verkaufs- und Re3 % Das Flugticket ist ausschließlich für den servierungsaufwand gebuchten Flug gültig und kann nicht für Sonstige Vorteile andere Fluggesellschaften verwendet werden. Kleinere Verwaltung 2% Der Vertrieb des Flugangebots wird meist Summe Kostenvorteile: 59 % direkt über die Medien Internet, Callcenter oder Telefon durchgeführt. Die Buchung im Reisebüro ist nur bei einigen Billigfluggesellschaften möglich. Die Billigfluggesellschaften bieten keine bzw. nur gegen Aufpreis Sitzplatzreservierungen an. Bei den Preisangeboten handelt sich häufig um One-Way-Tarife. Die angebotenen Niedrigpreise sind jedoch sehr stark kontingentiert. Aus Kostengründen verzichten die Gesellschaften auf Kundenbindungsprogramme, lediglich im Internet können Kundenprofile angelegt werden und die Kundenkommunikation erfolgt dann nur noch per E-Mail. Schließlich gibt es keine unterschiedlichen Beförderungsklassen, wie sie von traditionellen Linienfluggesellschaften angeboten werden, sondern eine einheitliche eng bestuhlte Economyclass. Vorteile

2.3.2

Kostenvorteile

Produktionsfaktoren

 Flotte und Netz Die meisten Billigfluggesellschaften verwenden aufgrund von Kosteneinsparungen nur ein Flugzeugmuster und erreichen so Kostenreduzierungen bei Fixkosten wie Ersatzteilen, Instandhaltung, Werkstättenausstattung, Personalschulung und Lizenzen. Von einer einheitlichen Flotte profitiert auch die Flugplanung, da sie nicht spezielle Leistungsmerkmale einzelner Flugzeugtypen berücksichtigen muss. Hauptziel ist es, die tägliche Rückkehr der Flugzeuge zum Heimatflughafen zu ermöglichen, da so Übernachtungs- und Lohnkosten beim Personal eingespart werden. Die meisten Billigfluggesellschaften verwenden die Boeing 737.

Modul B



33

34

2 Luftverkehr

Das Flugroutensystem der Billiggesellschaften besteht aus dem Punkt-zu-PunktVerkehr, der alle Ursprungs- und Zielorte durch Nonstopflüge verbindet. Die Unternehmen bedienen Kurz- und Mittelstrecken mit einer maximalen Flugzeit von drei Stunden und bieten Städteverbindungen in aufkommensstarke Wirtschaftszentren an. Die häufige Bedienung der Ziele, also eine möglichst hohe Frequenz, ist wichtiger als die Bedienung vieler unterschiedlicher Ziele.  Flugplan Die Koordination der Flüge ist für Billigfluggesellschaften vergleichsweise unkompliziert, da es kein Netzwerk gibt. Hierdurch ergeben sich Einsparungen bei Abstimmungs-, Transfer- und Folgekosten für eventuelle Verspätungen. Im optimalen Fall werden die Flugzeuge täglich bis zu zwölf Stunden in der Luft gehalten und damit eine möglichst hohe Frequenz erreicht. Da kein flächendeckendes Netz besteht, kann die Streckenaufnahme, aber auch die Streckeneinstellung flexibler erfolgen, wodurch eine schnelle Anpassung an Marktveränderungen möglich ist. Der Erfolg neuer Strecken wird von den Unternehmen folglich nicht langfristig analysiert, sondern vielmehr ausgetestet. Beim Scheitern werden die Strecken schnell wieder eingestellt.  Flughäfen Grundsätzlich achten Billigfluggesellschaften bei Flughäfen darauf, Kosten einzusparen. Die Billigfluggesellschaften benutzen daher häufig Regionalflughäfen. Die Bedienung von diesen so genannten Parallelmärkten hat sowohl für die Kunden als auch für Billigfluggesellschaften Vorteile. Die Kunden profitieren von geringeren Parkgebühren, kürzeren Wegen am Flughafen und geringerer Passagierdichte. Allerdings müssen sie mehr Zeit aufwenden, um die abgelegenen Flughäfen zu erreichen. Die niedrigeren Gebühren ermöglichen den Gesellschaften Kosteneinsparungen von bis zu 12 %. Die Vergabe der Start- und Landerechte verläuft unproblematisch und es entstehen keine Engpässe. Ein weiterer Vorteil ist, dass es bei den kleineren Flughäfen meist kein Nachtflugverbot gibt, was dem Ziel einer möglichst hohen Frequenz bei der Streckenbedienung entgegen kommt.

2.3.3

Marketing & Vertrieb

 Nachfragegruppen und Trends Alle Zielgruppen der Billigfluggesellschaften haben bei der Buchung ein Hauptziel: Sie wollen von A nach B transportiert werden und das zu einem möglichst geringen Preis. Die Kunden sind zumeist Freizeit- und Besuchsreisende. Eine wichtige Zielgruppe für die Billiggesellschaften sind die so genannten hybriden Konsumenten, die auf der Suche nach dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis bewusst eine günstige Fluggesellschaft auswählen, um dann anschließend in einem Luxushotel zu übernachten. Diese Entwicklung verstärkt den allgemein erkennbaren Trend weg vom mittleren Preissegment hin zu den Marktsegmenten Luxus und/oder Discount.  Produktpolitik Alle Billigfluggesellschaften konzentrieren sich in der Produktpolitik auf ihre Kernleistung. Zusatzleistungen werden nur im geringen Maße angeboten. Eine Differen-

2.3 Billigfluggesellschaften

35

zierung über Beförderungsklassen, wie bei den Linienfluggesellschaften üblich, gibt es bei den Billigfluggesellschaften nicht. Die Auslastung der Kapazitäten hat höchste Priorität. Die Sitzplatzdichte ist somit ein Produktmerkmal, da sie, je höher sie ausfällt, letztendlich den Flugpreis senkt, der für den Kunden wiederum der entscheidende Faktor ist.

Modul B

 Preispolitik In der Regel funktioniert der Ticketverkauf nach folgendem Schema: In geringer Anzahl sind pro Flug Tickets im Niedrigpreissegment vorhanden. Sind diese vergeben, werden die Preise Schritt für Schritt erhöht, bis sie kurz vor Abflug deutlich in die Höhe gehen. Geht man von einer Maschine mit 150 Personen aus, so macht eine Fluggesellschaft bei den ersten 50 Buchungen Verluste, die über die nächsten 50 ausgeglichen werden. Ab der 100. Buchung verzeichnet die Fluggesellschaft Gewinne. Der mittlere Preis, den sie pro Passagier und Flug einnehmen muss, beträgt ca. 100 €.

Guerilla-Marketing von Ryanair  Kommunikation Billigfluggesellschaften sind grundsätzlich dafür bekannt, aggressive bzw. freche Endverbraucherwerbung zu betreiben, wobei auch die Konkurrenz oftmals nicht verschont wird. Oftmals steht auch der Preis im Mittelpunkt. Besonders die Pressearbeit ist bei den Billigfluggesellschaften sehr effizient und vollzieht sich in Form von Pressemeldungen, Informationsbroschüren oder auch mit der Veröffentlichung von Bilanzen und Geschäftsberichten. Als Paradebeispiel gelten die Auftritte des RyanairVorstandes Michael O’Leary, der damit grundsätzlich öffentliches Aufsehen erregt und somit kostenlos für seine Fluggesellschaft wirbt.

36

2 Luftverkehr

 Vertriebskanäle Die Unternehmen nutzen hauptsächlich den Direktvertrieb mit Callcentern, Internet und Buchungsautomaten. Billigfluggesellschaften sparen sich oftmals den Anschluss an die kostenintensiven externen computergestützten Reservierungssysteme, da sie ohnehin überfunktional für deren Anforderungen sind. Der wichtigste Buchungskanal ist bei den Billigfluggesellschaften das Internet. Bei Ryanair buchen 90 %, bei easyJet sogar 95 % der Kunden online. Einige Gesellschaften forcieren die Internetbuchung, indem sie bei Buchung über Callcenter oder Reisebüros eine Bearbeitungspauschale verlangen.

Erkenntnisse Billigfluggesellschaften



 Ryanair, easyJet und Air Berlin sind in Europa führende Billigfluggesellschaften.  Billigflug gibt es für Kurz- und Mittelstrecke bis max. vier Std. Flugdauer.  Kostenvorteile von ca. 60 % werden realisiert.  Kleine regionale Flughäfen mit günstigen Landegebühren werden bevorzugt.  Zumeist existiert kein Vertrieb über Reisebüros, sondern ein Direktvertrieb (Internet, Callcenter).

2.4

Weitere Fluggesellschaften

2.4.1

Ferienfluggesellschaften

Ferienfluggesellschaften werden als die Fluggesellschaften definiert, die vorwiegend Reiseziele anfliegen, die Urlaubsziele der Deutschen sind. Sie übernehmen im Auftrag von Reiseveranstaltern die Beförderung von Pauschalflugreisenden im Bedarfsluftverkehr nach festen Abflugzeiten oder als Linienflüge. Synonym werden oftmals die Begriffe Charterfluggesellschaften oder Touristikfluggesellschaften bzw. tourismus-orientierte Fluggesellschaften verwendet. Derzeit wandeln sich die ursprünglichen Ferienfluggesellschaften von Bedarfsfluggesellschaften für Veranstalter zu preisorientierten Linienfluggesellschaften. Gerade die Zunahme der Einzelplatzbuchungen und der Ausbau der Städteverbindungen erfordern feste Flugpläne und einen ganzjährigen Betrieb. Unterscheidungsmerkmale im Vergleich zum Linienflugverkehr sind der Punkt-zu-Punkt-Verkehr und der Vertrieb, der zum Großteil über Reiserveranstalter und dem Verkauf von Pauschalreise-Paketen erfolgt.

2.4 Weitere Fluggesellschaften

37

Heute werden zwei Organisationsformen unterschieden: entweder sind die Ferienfluggesellschaften eine konzernunabhängige Gesellschaft, wie bspw. Air Berlin, oder sie sind innerhalb eines Konzerns organisiert, wie es bei TUIFly der Fall ist. Der Hauptvertriebsweg erfolgt aber immer noch über die Reiseveranstalter, daher sind die Fluggesellschaften von den Aufträgen der Veranstalter stark abhängig. Die Marktentwicklung in der Tourismusindustrie ist für die Ferienfluggesellschaften sehr nachteilig. Die klassische Pauschalreise mit den auf ein halbes Jahr festgelegten Katalogpreisen gilt als veraltetes Modell und muss im Zuge des neuesten Trends, dem Dynamic Packaging, angepasst werden. Hinzu kommen die Billigfluggesellschaften, die die Wettbewerbssituation im Markt verschärfen und zunehmend Druck auf die Ferienfluggesellschaften ausüben, insbesondere seitdem sie auch Warmwasserdestinationen bedienen. Durch die intensive Wettbewerbssituation bieten Ferienfluggesellschaften nun verstärkt die Mittel- und Langstrecke an, welche für die Billiglinien aufgrund ihrer Kostenstruktur nicht attraktiv sind. In kaum einem anderen Land teilen sich so viele Anbieter den Ferienflugmarkt wie in Deutschland. Es herrscht ein Überangebot an Kapazitäten und der deutsche Charterflugmarkt befindet sich in einem dramatischen Umbruchsprozess. Während das Wachstum im Veranstaltergeschäft stagniert, gewinnt der Einzelplatzverkauf zunehmend an Bedeutung. Im deutschen Markt gibt es insgesamt ca. zehn Fluggesellschaften, die derzeit als Ferienfluggesellschaften tätig sind. TUIfly ist im Tourismuskonzernen TUI integriert. Das Nischengeschäft wird z. B. von Sun Express durchgeführt, die als Tochter von Turkish Airways und Lufthansa den türkischen Ferienflugmarkt bedient. Air Berlin nimmt als Ferienfluggesellschaft und gleichzeitiger Tätigkeit als Billiggesellschaft eine Sonderstellung ein, auch wenn das Veranstaltergeschäft schon lange nicht mehr zum Kerngeschäft zählt. Das Einzelplatzgeschäft verbunden mit dem Angebot der „City Shuttles“ hat heute aufgrund der höheren Zuwachsraten die größere Bedeutung für die Fluggesellschaft. Die Tätigkeit als Ferien- und Billigfluggesellschaft erklärt, warum die Air Berlin in beiden Kapiteln betrachtet wird.

Modul B

Einstimmung auf den Urlaub

38

2 Luftverkehr

180

165

160 140 120 100 80 60

48

40

40

38

20

10

6

6

4

0 Air Berlin/LTU

Sunexpress

TUIfly

Condor

Air Malta

Edelweiss Air AGHelvetic Airways

Abb. 2.10

Vergleich der deutschen Ferienfluggesellschaften nach Fluggerät

2.4.2

Regionalfluggesellschaften

Hello

(Stand 2013)

Unter Regionalluftverkehr versteht man, dass eine Regionalfluggesellschaft zwei Regionalflughäfen oder einen Regionalflughafen und einen internationalen Verkehrsflughafen als Zubringer verbindet. Dabei werden in der Regel kleine Fluggeräte (Turboprops und Jets) mit einer Bestuhlung von 19 bis 120 Sitzplätzen verwendet. Grundsätzlich können im operativen Regionalflugverkehr folgende Typen unterschieden werden: – –



Verbindungen zwischen Regionalzentren und den großen internationalen Flughäfen als Zubringerverkehr für andere Fluggesellschaften, eigenständiger Flugverkehr zwischen Regionalflughäfen als Ergänzungsverkehr zu den von den großen Gesellschaften angebotenen Streckennetzen, diese sind in der Regel Punkt-zu-Punkt-Verbindungen ohne Anschlussmöglichkeiten, Flüge im Rahmen von Pauschalreisen von Regionalflughäfen aus zu Flughäfen mit touristischer Bedeutung, die von Regionalfluggesellschaften und nicht von Chartergesellschaften durchgeführt werden.

Ca. 70 % aller Flüge der Regionalgesellschaften finden zwischen einem internationalen Verkehrsflughafen und einem Regionalflughafen statt und werden zum Großteil in Kooperation mit einer großen Liniengesellschaft geflogen. Diese Kooperationen sind für beide Seiten von Vorteil: Die großen Fluggesellschaften könnten diese Strecken nicht rentabel bedienen, da das vorhandene Fluggerät zu groß für diese Verbindungen wäre. Die Regionalfluggesellschaften profitieren vom guten Namen und dem guten Image der großen Linienfluggesellschaft, in deren Auftrag sie fliegen. Es gibt aber auch Nachteile: die Regionalfluggesellschaften geben ihre Unabhängigkeit weitgehend auf und das Streckenangebot wird häufig auf die Bedürfnisse des großen Partners ausgerichtet. Auch dürfen die Regionalfluggesellschaften häufig nur die Strecken fliegen, welche die große Fluggesellschaft aufgrund fehlender Nachfrage nicht selber anbieten möchte.

2.4 Weitere Fluggesellschaften

39

Lufthansa City Line, 6,8 %

Air Nostrum 6,3 % Régional 5,9 % KLM Cityhopper 5,3 % Brit Air 4,6 % CityJet 3,8 %

Sonstige 56 %

Air Contractors Ireland Eastern Airways 3,7% 3,4 % Abb. 2.11

Überblick der europäischen Regionalfluggesellschaften

(Stand 2013)

Die Hauptzielgruppe sind die Geschäftsreisenden, die bei den verschiedenen Gesellschaften rund 70 % bis 85 % des gesamten Passagieraufkommens ausmachen. Nicht nur der Flugplan wird an den Bedürfnissen der Geschäftsreisenden ausgerichtet, sondern auch im Bereich der Servicekette wird laufend versucht, Verbesserungen und Zusatznutzen einzuführen, welche die Reise für den Business-Passagier so angenehm und komfortabel wie möglich machen. Im Distributionsbereich unterscheiden sich die Regionalgesellschaften kaum von den großen Gesellschaften.

2.4.3

Geschäftsreisefluggesellschaften

Den Geschäftsreiseflugverkehr kann man definieren als einen firmeneigenen Werksverkehr sowie den gewerblichen Betrieb bzw. die Durchführung von Geschäftsreisen mit Flugzeugen. Die dabei zum Einsatz kommenden Flugzeuge unterscheiden sich in technischer Sicht voneinander in Jets mit Düsenantrieb und Turboprops mit Propellerturbinentriebwerken. Die Jets haben ein geringeres Gewicht als Linienmaschinen und sind daher in der Lage, auch auf kürzeren Landebahnen zu landen. Durch diesen Vorteil kann ein Zielflughafen gewählt werden, der näher am eigentlichen Reiseziel liegt als die Großflughäfen. Der Abflug richtet sich nach dem Terminplan des Passagiers, nicht nach dem der Fluggesellschaften, man fliegt direkt zum gewünschten Reiseziel, es gibt kein Umsteigen und keine verpassten Anschlüsse.

Modul B

Widerøe's Flyveselskap 3,8%

40

2 Luftverkehr

Zur Zeit sind ca. 500 Jets und Turboprops verschiedenster Größenordnungen in Deutschland registriert. Deutschland zählt somit weltweit zu einem der größeren Absatzmärkte für Geschäftsreiseflugzeuge. Das Angebot des hiesigen Marktes ist auf rund 150 Fluggesellschaften aufgeteilt, von denen mehr als die Hälfte maximal zwei Flugzeuge besitzen. Als größter Anbieter bezeichnet sich die Cirrus Aviation, die über 25 Jets verfügt. Die einzelnen Unternehmen bevorzugen verschiedene Varianten zur Nutzung eines Geschäftsflugzeuges. Je nach jährlichem Flugvolumen und Transportbedürfnis sind die Betreibermodelle Charter, Kartenprogramm, Teilbesitz oder Besitz eines Geschäftsflugzeuges: –

Beim Chartern/Air Taxi eines Geschäftsflugzeuges wird das gewünschte Flugzeugmodell für den benötigten Zeitraum angemietet, wobei das Unternehmen eine Gebühr für die genutzten Flugstunden entrichtet. Ein Charter bzw. Air Taxi ist für Unternehmen sinnvoll, die weniger als 100 Flugstunden pro Jahr reisen. Grundsätzlich hängen die Charterpreise vom gewünschten Flugzeugtyp und der Flugstrecke ab. Der Preis pro Flugstunde beträgt zwischen 500 € bei Charterung einer kleinen Propellermaschine und bei mehr als 5.000 € für einen Langstreckenjet.



Bei dem Modell des Teilbesitzes (Fractional Ownership) wird ein Anteil eines Geschäftsflugzeuges in Form einer festgelegten Anzahl von Flugstunden ben. Das Teileigentum kann hierbei durch Kauf von Anteilen oder durch Leasing von Anteilen von einem Teilbesitzanbieter erworben werden. Je nach erworbenem Anteil erhält der Kunde das Recht auf eine bestimmte Anzahl Flugstunden pro Jahr. Das Management sowie Besatzung, Catering und Wartungsarbeiten werden durch den Teilbesitzanbieter übernommen. Fractional Ownership eignet sich für einen Flugbedarf von 50 bis 400 Stunden pro Jahr.



Die einfachste Form der Nutzung von Geschäftsreiseflugzeugen ist der alleinige Besitz des Flugzeuges. Der vollständige Besitz eines Geschäftsreiseflugzeugs eignet sich für Unternehmen mit mehr als 400 jährlichen Flugstunden. Der Eigentümer des Jets ist gleichzeitig Betreiber und muss daher auch das Jetmanagement organisieren.



Kartenprogramme sind eine Mischform von Teilbesitz und Charter, die den Unternehmen eine vorab definierte Anzahl von Flugstunden zu einem festgelegten Preis bieten. Im Unterschied zu Charterprogrammen wird die Verfügbarkeit der Flüge innerhalb einer bestimmten Vorausbuchungsfrist garantiert. Die Flugstunden verfallen nach Ablauf der festgelegten Nutzungsdauer und müssen im Voraus bezahlt werden.

Weltweit sind zurzeit etwa 25.000 Geschäftsflugzeuge im Einsatz. Der Markt wird durch die fünf Hersteller Bombardier, Gulfstream, Cessna, Dassault und Raytheon dominiert, die zusammen einen Marktanteil von 98 % am Gesamtmarkt für Geschäftsflugzeuge halten. Marktführer (nach Umsatz) ist Bombardier, gefolgt von Gulfstream, beide Unternehmen generieren ihren Hauptumsatz mit Geschäftsflugzeu-

2.5 Flughäfen

41

gen der oberen Marktsegmente. Mengenmäßig werden jedoch die kostengünstigen Cessna am häufigsten eingesetzt. Wichtiger Vorteil für den effektiven Einsatz eines Geschäftsflugzeuges ist die Erreichbarkeit des Zielorts inklusive eines nahen Flughafens. Internationale Flughäfen sind zumeist aufgrund der hohen Landegebühren und knappen Landeerlaubnissen nicht für Geschäftsreiseflüge prädestiniert. Jedoch bieten die Regionalflughäfen den Geschäftsreisenden eine sehr gute Infrastruktur. Während Linienflugzeuge in Europa etwa 200 Flughäfen ansteuern, stehen für kleine Geschäftsflugzeuge mehr als 1.500 Landeplätze zur Verfügung.

Erkenntnisse Weitere Fluggesellschaften



 Regionalfluggesellschaften bieten Verbindungen zwischen Regionalzentren oder Zubringer zu Drehkreuzen für Geschäftsreisende an.  Geschäftsreisefluggesellschaften bieten individuellen Flugbetrieb mit kleinen Maschinen an.

2.5 Flughäfen Der Flughafen stellt das Bindeglied zwischen Luft- und Oberflächentransport dar, das heißt er ist Voraussetzung zur Durchführung von Luftverkehr. Sie übernehmen als Knotenpunkte des Luftverkehrs eine wichtige Rolle. Die Passagiere und die zu transportierenden Güter sind auf eine funktions- und leistungsfähige Infrastruktur angewiesen, um den steigenden Anforderungen an die Mobilität gerecht zu werden. Auf den deutschen Verkehrsflughäfen hat sich die Anzahl der Passagiere in den letzten 30 Jahren vervierfacht und erreichte im Jahr 2012 ein Aufkommen von insgesamt 200,2 Mill. Passagieren. Doch mit dem Wachstum ergeben sich zahlreiche Probleme, die es mit politischen Entscheidungsträgern zu lösen gilt: Infrastrukturelle Kapazitätsengpässe aufgrund langwieriger Genehmigungsverfahren beherrschen die Branche. Außerdem treten neben die traditionell öffentliche Aufgabe der Infrastrukturbereitstellung zunehmend wirtschaftliche Interessen, die das Management von Flughäfen vor neue Anforderungen stellen. Die Arbeitsgemeinschaft deutscher Verkehrsflughäfen (ADV) verfolgt eine Kategorisierung nach operativen Gesichtspunkten und differenziert zwischen internationalen Verkehrsflughäfen, regionalen Verkehrsflughäfen und weiteren Flughäfen.

Modul B

 Bei Ferienfluggesellschaften sind die Hauptkundengruppen Reiseveranstalter und Einzelreisende.

42

2 Luftverkehr

Flughäfen

Internationale Verkehrsflughäfen - > 500.000 Paxe pro Jahr - Drehscheibenfunktion: Mega-Hubs & Sekundärhubs - kont. & interkont. Verkehr - Instrumenten-Landesystem - Flugsicherungsdienste - 20 int. Flughäfen in Deutschland

Abb. 2.12

Regionale Verkehrsflughäfen - < 500.000 Paxe pro Jahr - gewerblicher Flugverkehr - zumeist kleine Flugzeuge ( 45

30–45

< 45

o.A.

Passenger Crew Ratio

< 2,0

2,0–3,5

500 €

Tagespreise

Kaum Entertainment, Vorträge

Carnival Hurtigrouten Royal Caribbean Sea Cloud, Star MSC, Aida, u.a. Clipper u.a.

Abendunterhaltung (Musik & Tanz) Viking A-ROSA Phoenix u.a.

100–300 € Je nach Nische 50 € bis 300 €

> 150 €

Fahrtgebiete

Häufig Weltreisen

Attraktive Warm- Neue & unbewasserdestinakannte Destinationen tionen

Vor allem Donau & Nil

Publikum

Wohlhabende Senioren (55 +)

Babyboomer (35–65 Jährige)

Wohlhabende Senioren (55 +)

Senioren (55 +)

Fahrtdauer

7–14 Tage oder länger

7–14 Tage, aber auch Kurzreisen

7–14 Tage je nach Nische

Zumeist 7-tägig, aber auch Kurzreisen, selten 14 Tage

Abb. 3.2

Vergleich Kreuzfahrten

Modul B

Merkmale

51

52

3.2

3 Kreuzfahrten

Hochseekreuzfahrten

Die wichtigste Form des maritimen Tourismus bilden die Hochseekreuzfahrten. Diese auf einem Schiff durchgeführten Pauschalreisen lassen sich durch folgende typische Merkmale charakterisieren: Der Transport bildet nicht den Hauptgrund der Reise, wobei neben dem Ein- und dem Ausschiffungshafen noch mindestens ein weiterer Hafen angefahren wird. Die Reisedauer und -routen sowie Mindestteilnehmerzahlen werden im Vorhinein festgelegt und veröffentlicht. Im Reisepreis inbegriffen sind zumeist Leistungen wie Verpflegung, Übernachtung, Animation, Entertainment und Reiseleitung. Zudem besteht die Möglichkeit für kostenpflichtige Landausflüge.

3.2.1

Markt & Strategie Hochseekreuzfahrten

Es gibt auf dem Kreuzfahrtenmarkt viele verschiedene Arten von Hochseekreuzfahrten. Die wichtigsten Unterscheidungsmöglichkeiten sollen im Folgenden kurz skizziert werden. –

Die klassische Luxuskreuzfahrt wird noch heute häufig als einzige Form einer Kreuzfahrt wahrgenommen. Es geht dabei in erster Linie um die Seereise selbst. An Bord wird Entspannung, Ruhe und Erholung geboten. Exklusiver Service und hohe Qualität sind dabei ausgesprochen wichtig. Klassische Kreuzfahrten werden von Hapag-Lloyd Kreuzfahrten, von Deilmann und von Cunard angeboten.



Ein weltweiter Trend sind die so genannten Clubkreuzfahrten. Die Hauptmerkmale dieser Kreuzfahrten sind ein kommerziellen Unterhaltungsprogramm (Shows, Kabaretts, Musicals etc.) und die umfangreichen Sportmöglichkeiten (Freeclimbing, Schlittschuhlaufen, Golfsimulatoren etc.). Somit werden die erfolgreichen Cluburlaube an Land auf einen Schiffsurlaub übertragen. Hierbei sind die Kreuzfahrtschiffe die eigentliche Attraktion und nicht die Destination. So werden auch neue jüngere Kundengruppen angesprochen, welche eine klassische Luxuskreuzfahrt nicht buchen würden. In Deutschland setzen vor allem die Aida-Schiffe auf dieses Clubkonzept, während in den USA Clubkreuzfahrten eine sehr beliebte Urlaubsform sind.



Bei Nischenkreuzfahrten werden die Routen entsprechend wichtiger kultureller Sehenswürdigkeiten gelegt. Die Kreuzfahrt soll nicht nur dem Körper durch Erholung und Entspannung, sondern auch dem Geiste zugute kommen. Expeditionskreuzfahrten sind ebenfalls eine gerne gebuchte Variante der Nischenkreuzfahrt. Gefahren wird auf Routen, die abseits der sonst üblichen Fahrgebiete liegen. Dabei sind diese Gebiete häufig schwer zugänglich oder landschaftlich extrem, wie z. B. Routen durch die Antarktis.

 Marktumfeld Heute ist die Kreuzfahrtbranche die am stärksten boomende Touristikbranche. Die Zahl der Passagiere hat sich in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt und beträgt heute pro Jahr ca. 20. Mill. Passagiere weltweit. Der deutsche Kreuzfahrtmarkt

3.2 Hochseekreuzfahrten

53

Asien 5%

Rest der Welt 14%

USA 70%

Deutsch land 4% UK 7% Abb. 3.3

Nationalitäten der Kreuzfahrtteilnehmer

(Quelle: Berlitz Guide 2010, 2012)

Der bereits vorhandene Wettbewerb wird zukünftig weiter zunehmen. Gründe dafür liegen einerseits in den bestellten Neubauten, andererseits aber auch im Einstieg von TUI in das Kreuzfahrtgeschäft und in den zusätzlichen Angeboten der amerikanischen Reedereien, die verstärkt in den deutschen Markt drängen. Allein im Sommer 2011 schickten die US-Reedereien 16 Megaschiffe mit über 45.000 Betten ins Mittelmeer. Allerdings ist auch in der Kreuzfahrtindustrie die Zeit der Massenmärkte vorbei; austauschbare Produkte können nur noch über den Preis verkauft werden. Es bedarf heute zielgruppenorientierter maßgeschneiderter Angebote, um die Kreuzfahrten zu hohen Preisen verkaufen zu können.

Modul B

ist hierbei der drittgrößte Markt, nach den USA und Großbritannien. Aufgrund der starken Konkurrenz unter den Anbietern lässt sich allerdings auch ein verstärkter Verdrängungswettbewerb und Preiskampf verzeichnen. Ein Ende des Booms ist nicht in Sicht, da laut Umfragen langfristig alleine 20 Mill. Deutsche eine Kreuzfahrt buchen wollen. Um dieses Potential auch in tatsächliche Buchungen umzuwandeln, werden neue, moderne Schiffe in Dienst gestellt, die vorhandenen Produkte durch neue Routen oder Kurzkreuzfahrten verbessert und weitere Investitionen in Marketing- und Vertriebsaktivitäten getätigt. Dazu zählen Schulungen, Informationsveranstaltungen für Vertriebspartner und Kunden sowie die Kommunikation über die Medien.

54

3 Kreuzfahrten

Trend Passagiere Umsatz in Mill. € Ø Reisepreis in € Ø Reise in Tagen Abb. 3.4

   

2009

2010

2011

2012

1.025.968

1.219.473

1.388.199

1.544.269

1.900

2.100

2.400

2.600

1.881

1.696

1.710

1.710

9,7

9,3

9,2

9,2

Zahlen und Fakten Hochseekreuzfahrten deutscher Anbieter

(Quelle: DRV 2013)

 Deutsche Reedereien und Veranstalter Bei der Betrachtung der Anbieterseite muss zunächst eine Einordnung in die beiden Gruppen Reeder/Reederei und Kreuzfahrtveranstalter vorgenommen werden, wobei die Reederei der Schiffseigner und meist auch der -betreiber ist. Die Veranstalter hingegen verfügen über keine eigenen Schiffe, sondern chartern diese von den Reedereien. In der Gruppe der Veranstalter ist weiterhin zu differenzieren zwischen den reinen Seereiseveranstaltern, wie Phoenix, Delphin und Transocean Tours, und Unternehmen, die zu einem großen Touristikkonzern gehören, der in seinem breiten Angebot auch eine Kreuzfahrtabteilung hat. Der Markt wird allerdings von den Spezialisten dominiert. Die Umsätze der Reiseveranstalter mit einem Angebotsbereich für Kreuzfahrten sind bescheiden. Neben deutschen Anbietern gibt es zudem einige internationale Reedereien, die mit ihren Programmen auf dem deutschen Markt auftreten und ihr Angebot auf einzelnen Schiffen entsprechend der deutschen Zielgruppe anpassen; so sind z. B. das Personal, die Beschilderung an Bord sowie die Landausflüge deutschsprachig.

Phoenix Reisen 16 %

Arosa Flussschiff 3%

Aida Cruises 32 %

Hansa Kreuzfahrten 3% Nicko Tours 4%

Abb. 3.5

Marktanteile der Kreuzfahrtgesellschaften in Deutschland

Hapag-Lloyd Kreuzfahrten 13 % Hurtigruten 8% Transocean Tours 7% MSC Kreuzfahrten 7% Deilmann Reederei 7%

Quelle: G & J 2009

3.2 Hochseekreuzfahrten

Aida Cruises ist die bekannteste Kreuzfahrtgesellschaft in Deutschland. Unter den deutschen Namen „Clubschiff AIDA“ wurde das schon in den USA bekannte „Funschiff“-Prinzip übernommen sowie jüngere und aktivere Zielgruppen angesprochen. Zur Flotte gehören mittlerweile sieben Hochseeschiffe – weitere Schiffe sind im Bau und in der Planung.

„Kriegsbemalung“ des Clubschiffs AIDA cara –

Phoenix Reisen ist ein Spezialist für Kreuzfahrten, wobei Hochsee- und Flusskreuzfahrten angeboten werden. Zur eigenen Hochseeflotte zählen vier Schiffe. Phoenix verzichtet auf Werbemaßnahmen und investiert vornehmlich in die Qualität des Angebotes. Zudem werden nicht die klassischen Schmetterlingsrouten angeboten, sondern außergewöhnliche Reisen und insbesondere Weltreisen.



Hapag-Lloyd Kreuzfahrten ist ein Tochterunternehmen des führenden europäischen Touristikkonzern TUI. Die Reederei ist ein Anbieter von Premium- und Luxuskreuzfahrten im deutschsprachigen Raum. Die vier Schiffe umfassende Flotte ist auf allen Weltmeeren zu Hause. Im Rahmen eines Joint Ventures mit Royal Caribbean Cruise bietet TUI auch eine Eigenmarke TUI Cruises an.

 Kreuzfahrtmarkt in den USA und weltweit Die geringe Anzahl an Urlaubstagen der US-Amerikaner bedingen kurze Kreuzfahrten in relativ nah gelegenen, jedoch auch sehr attraktiven Zielgebieten. Daher kommen vor allem die Karibik, die US-Ostküste und Kanada, Mexiko und die USWestküste, Alaska sowie Hawaii als Fahrtgebiete in Betracht. Für typische Erholungskreuzfahrten wird jedoch die Karibik bevorzugt. Hier werden zu großen Teilen drei- bis fünftägige Kreuzfahrten angeboten. Mit ca. 12 Mill. Passagieren pro Jahr ist der US-amerikanische Markt doppelt so groß wie der restliche weltweite Kreuzfahrtmarkt. Zudem ist dieses Marktsegment mit jährlichen Steigerungsraten von 10–12 % der am stärksten expandierende Sektor im amerikanischen Tourismus.

Modul B



55

56

3 Kreuzfahrten

MSC 3% Star Cruises 6%

Royal Caribbean 13 %

Abb. 3.6

Rest der Welt 47 %

Carnival Corp. 31 %

Verteilung der 320 Kreuzfahrtschiffe weltweit

(Stand 2012)

Die drei großen Kreuzfahrtanbieter Carnival Cruise Lines, Royal Carribean International und Star Cruises decken dabei zwei Drittel des gesamten Passagieraufkommens ab. Aufgrund der deutlichen Dominanz der drei Unternehmen folgt nun eine eingehende Betrachtung.

Clubkreuzfahrten in den USA



Clubkreuzfahrten sind zumeist die US-amerikanische Vorstellung einer gelungenen Seereise mit viel Spaß und Aktion. Die Zielgruppe bilden vor allem junge Leute auf der Suche nach einem Themenpark auf See. Wichtig sind hierbei die drei „G“:

 Glitz (vielfältiges Animationsprogramm),  Glamour (vor allem durch Musical Shows) und  Gambling (Poker & einarmige Banditen in den Spielcasinos an Bord). –

Die britisch-amerikanische Carnival Cruise Lines ist die größte und gleichzeitig erfolgreichste Kreuzfahrtreederei auf dem nordamerikanischen Markt ist. Carnival betreibt über Tochtergesellschaften weltweit ca. 100 Schiffe unter den Marken Carnival Cruise Lines, Cunard Line, AIDA Cruises u.w. Entsprechend dem Club-Konzept sind auch die Architektur und die Ausstattung der Schiffe gewählt. Zudem gibt es auch eine gehobene Verpflegung und ein erstklassiges Showprogramm. Allerdings entsprechen nicht alle Tochtergesellschaften dieser Ausrichtung: Die Premiummarke Cunard Line

3.2 Hochseekreuzfahrten

57



Royal Caribbean International ist die zweitgrößte Reederei der Welt mit den beiden Hauptmarken Royal Caribbean und Celebrity Cruises. Die Flotte des Unternehmens, die zu einer der modernsten auf den Weltmeeren zählt, besteht aus 42 Schiffen. Zusätzlich sind noch weitere Schiffe in Auftrag gegeben worden. Mehr noch als der direkte Konkurrent Carnival beschränkt sich Royal Caribbean auf einen äußerst einfachen Standard ihrer Kabinen. Zusätzlich sind die Shopping Malls an Bord so konzipiert, dass die Teilnehmer einer Kreuzfahrt dazu verleitet werden, zusätzliche Ausgaben zu tätigen.



Star Cruises ist die drittgrößte Kreuzfahrtreederei weltweit. Zu dem Konzern zählt auch das bekannte Tochterunternehmen Norwegian Cruise Line. Die Flotte der Star Cruises ist vorzugsweise in folgenden exotischen Fahrtgebieten unterwegs: Rotes Meer, Australien, Neuseeland und Südpazifik sowie in Südostasien. Anders als bei den Clubschiffen in der Karibik ist das Schiff nicht die Hauptattraktion der Reise. Das Star Cruises-Konzept einer freien Tischwahl, der variablen Tischzeiten und dem gehobenen Service an Bord ist auch bei der Tochter Norwegian Cruise Line unter dem Motto „Freestyle Cruising“ verwirklicht worden.

3.2.1.1

Kennzahlen

Die ökonomische Bedeutung des touristischen Schiffsverkehrs ist von zwei Seiten zu betrachten. Zum einen sind besonders die Wachstumsraten des Kreuzfahrtmarktes abhängig von der wirtschaftlichen Stabilität des Quellgebietes, und damit von der Arbeitsplatz- und der Einkommenssituation der potentiellen Passagiere. Zum anderen ist auch der Tourismus, und in diesem Fall die Nachfrage nach Kreuzfahrten, ein Einflussfaktor auf die genannte Wirtschaftsstabilität, denn sie erzeugt Importe und Exporte, sichert Arbeitsplätze und schafft Einkommen. Letzteres kann wiederum für die Freizeitgestaltung also auch für seetouristische Leistungen ausgegeben werden; es handelt sich somit um einen Kreislauf. Für die ökonomische Beurteilung einer Branche müssen demzufolge die Kennzahlen Arbeitsplätze, erwirtschafteter Umsatz, Wachstum, Wertschöpfungsquote und Nettowertschöpfung sowie Anteil am BSP und an den Konsumausgaben verwendet werden.  Nautische Kennzahlen Nautik ist die Wissenschaft der Schifffahrt und Navigation. Es gibt eine Vielzahl verschiedener nautischer Kennzahlen und Begrifflichkeiten, die für die Führung eines Schiffes von Bedeutung sind. Die bekannteste und wichtigste Kennzahl ist die nautische Kilometer- bzw. Entfernungsangabe, das heißt die Seemeile, die 1,853 km misst.  Touristische Kennzahlen Touristisch relevante Kennzahlen der Kreuzfahrtbranche sind die Passagierzahlen, die Schiffskapazitäten, der durchschnittliche Reisepreis bzw. die Reiseausgaben der Passagiere und der durchschnittliche Aufenthalt, das heißt die Dauer einer Kreuzfahrt. Weiterhin interessant ist die Betrachtung der Zielgruppen.

Modul B

bietet mit den Flagschiffen Queen Mary 2, Queen Victoria und Queen Elisabeth „very british“ und luxuriöse Seereisen an.

58

3 Kreuzfahrten

 Raumzahl Um die verschiedenen Kreuzfahrtanbieter hinsichtlich ihrer Qualität zu vergleichen, bietet sich die so genannte Raumzahl (RZ) an. Dabei wird die Tonnage des Schiffes durch die Anzahl der Passagiere geteilt. Diese Zahl wird verwendet, um das Platzangebot auf den Kreuzfahrtschiffen anzugeben. Der Kreuzfahrtexperte Douglas Ward hat für die Raumzahl folgende Einteilung vorgenommen: eine Raumzahl unter 10 bedeutet „extrem beengter Raum an Bord“, 10 bis 20 „bescheidenes Platzangebot“, 20 bis 30 „vernünftiges“, 30 bis 50 „sehr geräumiges Platzangebot und eine RZ über 50 „ultimatives Platzangebot“. Führend mit einer Raumzahl von 48,1 ist die Reederei Seabourn, eine Tochter der Carnival Corporation. Bei allen amerikanischen Clubschiffen wird eine Raumzahl zwischen 30 und 45 erreicht, so dass hier von einer gleichbleibend hohen Qualität gesprochen werden kann. Im Vergleich zum amerikanischen Markt ist beim deutschen Kreuzfahrtmarkt eine größere Bandbreite an Raumzahlen zu erkennen. Diese reichen von „bescheidenem Platzangebot“ der HurtigrutenSchiffe bis hin zu „ultimativem Platzangebot“ der Reederei Hapag-Lloyd mit der RZ 50, wobei es das einzige 5-Sterne-plus Schiff der Welt, die MS Europa, sogar auf eine Raumzahl von 70 schafft.  Pax/Crew Ratio Neben der Raumzahl ist das Verhältnis der Mitarbeiter zu den Passagieren (engl. Pax/Crew Ratio; PCR) ein weiteres Qualitätsmerkmal von Kreuzfahrtschiffen. Während sich mit der Raumzahl Aussagen über das Platzangebot an Bord treffen lassen, gibt das Pax/Crew Ratio das Verhältnis der Anzahl der Mitarbeiter zur Anzahl der Gäste wieder und deutet somit auf die Servicequalität eines Schiffes hin. Hier ergäbe ein Verhältnis von 1:1 die Bestnote. In Deutschland ist auch bei dem Pax/Crew Ratio Hapag Lloyd mit 1,8 wieder führend. Das Flaggschiff MS Europa 2 bringt es sogar auf einen Wert von 1,3. Die MS Deutschland von Peter Deilmann schaffte 1,9, da sich um die 520 Gäste immerhin 280 Mitarbeiter kümmern. 3.2.1.2

Strategien und Geschäftsmodelle

Ziel eines jeden Kreuzfahrtanbieters ist es, sich in der Branche zu profilieren und Differenzierungsmerkmale aufzubauen, um sich von der großen Masse abzugrenzen und langfristigen Erfolg zu haben. Für die grundsätzliche Unternehmensausrichtung spielen die Unternehmensziele eine große Rolle. Hinter jedem Kreuzfahrtprodukt steht eine bestimmte Unternehmensausrichtung. So bestimmt die Zielgruppe die Unternehmensphilosophie, wobei diese wiederum den Typ des Schiffes und die Art der Reise impliziert. Unternehmen, die kleine Luxusschiffe mit luxuriösem Ambiente, hervorragender Küche sowie eleganten und großzügigen Kabinen anbieten, sprechen eher das obere Nachfragesegment an. Junge Menschen oder Familien buchen hingegen bevorzugt legere, ungezwungene Kreuzfahrten auf großen Megaschiffen mit großzügigen Aufenthaltsräumen, viel Sport- und Animationsmöglichkeiten. Nischenkonzepte sind dabei das Gegenstück zu den Megaschiffen; durch sie können die Reedereien ein besonders lukratives Marktsegment erfassen, um einen möglichst großen

3.2 Hochseekreuzfahrten

59

Marktanteil auf diesen Teilmärkten zu erlangen. Die möglichen Ausrichtungen der Anbieter zeigt folgende Abbildung: Geschäftsmodelle Kreuzfahrtanbieter Megaschiffe - Massenmarkt mit moderaten Preisen - günstige Economics of Scale

3.2.2

Nischenanbieter

- traditioneller Schiffstyp - Luxus- und Mittelklassenachfrage

- Spezialisierung auf Kundentyp und/oder Zielgebiet - hohe Kosten und Preise

Geschäftsmodelle der Kreuzfahrtanbieter

Produktionsfaktoren Hochseekreuzfahrten

Das Schiff steht als Unternehmensphilosophie und eigentliche Destination im Mittelpunkt der Reise; ein Kreuzfahrtschiff kann nicht nur als reines Transportmittel betrachtet werden, sondern auch als schwimmende Hotelanlage. Aus diesem Grund sind die Produktionsfaktoren für das Erlebnis einer Schiffsreise von maßgeblicher Bedeutung.  Transportmittel Schiff Im Gegensatz zu den normierten modernen Flugzeugtypen unterscheiden sich die auf dem Markt angebotenen Schiffe fast alle in Größe, Aussehen und Inneneinrichtung, das heißt sie repräsentieren ein ganzes Spektrum an unterschiedlichen Angeboten. Ein deutliches Unterscheidungsmerkmal für Schiffe ist deren Alter, das an ihrer Silhouette erkannt werden kann. Ältere Schiffe haben einen flachen Rumpf und einen langen Bug. Sie sind durch Deckaufbauten und einen Schornstein gegliedert, so dass sie insgesamt stromlinienförmig wirken. Moderne Kreuzfahrtschiffe werden häufig als „Schuhkarton“ bezeichnet, da sie höher aus dem Wasser ragen und durch einen kurzen Bug kompakter und rechteckiger wirken.

Abb. 3.8 Größenvergleich Titanic und Queen Mary 2

Hinsichtlich der Schiffsgröße zeichnet sich der Trend zu immer größeren Schiffseinheiten ab, so dass die durchschnittlichen Passagierkapazitäten pro Schiff in eine Größenordnung von 2.000 bis 6.000 Gästen vorstoßen. Die Grenzen der Schiffsgrößen-

Modul B

Abb. 3.7

Klassische Schiffe

60

3 Kreuzfahrten

entwicklung liegen vor allem in den erforderlichen Fahrwassertiefen, insbesondere auch bei den Hafenzufahrten und der Passierbarkeit von Kanälen. Durch steigende Schiffsgrößen steigen auch die Aufenthaltszeiten in den Häfen, was die Tagesraten erhöht. Weitere Kennzahlen der Schiffsgröße sind Länge, Breite, Höhe und Tiefgang. Der Tiefgang entspricht dem Teil des Schiffes, der unter Wasser liegt und ist damit die Tiefe, die ein Schiff benötigt, um sicher auf dem Wasser zu schwimmen. Heute beträgt der Tiefgang nur 6 m bis 8 m, was den Vorteil hat, dass die Schiffe auch in kleineren Häfen am Pier liegen können oder sich in relativer Nähe zum Hafen auf Reede, also vor Anker, legen können. Dadurch werden wodurch die Tenderzeiten zwischen Schiff und Hafen verkürzt. Die nachfolgende Abbildung gibt einen Überblick der üblichen Einteilung der Schiffsgrößen: Schiffsgrößen

Boutique < 250 Passagiere Abb. 3.9 

Mittelgroß

250 – 500 Passagiere

Groß 500 – 1.000 Passagiere

Sehr groß 1.000 – 2.000 Passagiere

Mega > 2.000 Passagiere

Unterscheidung Schiffsgrößen

Boutiqueschiffe

Diese kleinste Schiffskategorie hat lediglich eine Bruttoraumzahl von 1.000 bis 5.000 und wird häufig für küstennahe Kreuzfahrten eingesetzt. Aufgrund des geringen Tiefgangs der Schiffe ist das Anlaufen von wenig besuchten Häfen und Inseln möglich. Auch Fjordlandschaften oder Flussmündungen können problemlos befahren werden. Expeditionsschiffe für Arktisfahrten und Segelschiffe werden auch dieser Kategorie zugeordnet. Die Preise für eine Kreuzfahrt mit einem Boutiqueschiff sind zumeist sehr hoch, da die Fixkosten auf eine geringe Anzahl von Passagieren aufgeteilt werden muss. Allerdings ergibt sich durch die geringe Passagieranzahl schnell eine von den Gästen geschätzte vertraute Atmosphäre an Bord. 

Mittelgroße Kreuzfahrtschiffe

Die zumeist älteren Schiffe werden hauptsächlich im Mittelmeer eingesetzt. Ein hoher Anteil der Passagiere sind Stammgäste, die ähnlich wie bei den Boutiqueschiffen die Atmosphäre und die Möglichkeit, kleine Häfen anzulaufen, sehr schätzen. Auf den Schiffen dieser Kategorie wird häufig ein Unterhaltungsprogramm geboten oder es werden spezielle Themenkreuzfahrten durchgeführt. Allerdings sind diese Schiffe nur sehr schwer wirtschaftlich zu betreiben, da einerseits die Kosten überproportional hoch sind, andererseits die Bauart der Schiffe (Kabinengröße etc.) keine erhöhten Passagiertarife zulassen. Mittelgroße Schiffe werden daher nicht mehr gebaut.

3.2 Hochseekreuzfahrten 

61

Große Kreuzfahrtschiffe

Auch große Kreuzfahrtschiffe mit einer BRZ von 25.000 bis 50.000 werden heute kaum noch gebaut, da die Pro-Kopf-Kosten zu hoch sind. Zudem ergeben sich weitere Nachteile: In vielen Häfen ist ein Anlegen nicht möglich, sondern die Passagiere müssen umständlich mit den kleinen Beibooten (Tender) transportiert werden. Außerdem ist die vertraute Atmosphäre der kleineren Schiffe nicht vorhanden. Die Schiffe werden jedoch auf allen Weltmeeren eingesetzt und bieten den Passagieren aufgrund der Größe und des Tiefgangs eine sichere Fahrt auf hoher See. Sehr große Kreuzfahrtschiffe

Mit einer Bruttoraumzahl von 50.000 bis 110.000 und bis zu 2.000 Passagieren ist dieser Schiffstyp sehr rentabel zu betreiben und wird daher von den Reedereien häufig nachgefragt. Das Interesse der Passagiere ist besonders auf die Attraktionen an Bord des Schiffes fixiert. Das Schiff wird somit zur eigentlichen Destination. Mit ihrem breiten Angebot, das kaum Kundenwünsche offen lässt, sehen sich die Reedereien als attraktive Alternative zu Urlaubsressorts. Landausflüge werden zwar weiterhin angeboten, jedoch ist der logistische und zeitliche Aufwand sehr hoch. Die fokussierten Routen der sehr großen Schiffe sind die klassischen Ziele: Karibik, Ost- und Westküste Nordamerikas, Hawaii, der Süden Südamerikas und zunehmend das Mittelmeer. 

Megakreuzfahrtschiffe

Die Zukunft der Kreuzfahrtindustrie ist sicherlich auf die Megaschiffe ausgerichtet. Zur Zeit überbieten sich die Reedereien und Werften mit immer größeren Schiffstypen. Bis zu 4.000 Passagiere fassen diese Schiffe derzeit und mit der Auslieferung des Schiffes Oasis of the Seas im Herbst 2009 wurden mit 5.400 Betten neue Dimensionen erreicht. Um diese Personenanzahl ohne größerer Probleme abzuwickeln, sind vielfältige logistische Herausforderungen zu bewältigen. Zur Entzerrung an Bord gibt es weitreichende Einkaufspassagen, Spielkasinos, Kletterwände, Golfanlagen etc. Die Schiffe verkehren hauptsächlich in der Karibik, wo die Reedereien sogar eigene Inseln besitzen. Dadurch werden Liegegebühren gespart und ein Massenauflauf von Menschen beim Anlegen verschiedener Schiffe vermieden. Insgesamt sind im Jahre 2012 weltweit ca. 320 Kreuzfahrtschiffe mit je über 100 Betten im Einsatz, darunter 37 Post-Panamax-Schiffe, die wegen ihrer Größe den Panamakanal nicht durchfahren können. Bis 2014 sollen 31 der derzeit bestellten 43 Schiffe fertiggestellt werden, darunter sind 14 sehr große und 23 Megaliner. Eine Kapazität von mehr als 2.000 Passagieren haben sogar 35 von ihnen. Mittelgroße Schiffe mit 5.000 bis 25.000 BRZ sind überhaupt nicht im Auftrag. Bis Ende 2014 wird sich die Kapazität um ca. 120.000 Unterbetten erweitern, dennoch sieht die Branche aufgrund des großen Potentials keine Gefahr der Überkapazität. Die Mehrkapazitäten sind gut absetzbar, da die Unternehmen unter anderem Cluburlauber als ihre zukünftige Kundengruppe sehen. Die Entwicklung der Schiffe hat ihren Höhepunkt noch nicht erreicht, denn es sind bereits Kreuzfahrtschiffe mit einer Kapazität von 8.400 Passagieren in der Planungsphase.

Modul B



62

3 Kreuzfahrten

 Bewertungskategorien Wie auch in der Hotellerie üblich, werden Hochseekreuzfahrtschiffe in unterschiedliche Kategorien eingeteilt. In der Kreuzfahrtbranche hat sich ein weltweit gültiges System etabliert. Die Einstufung wird vom jährlich erscheinenden „Berlitz – Complete Guide to Cruising and Cruise Ships“ vorgenommen. Obwohl die Betreiber der Schiffe nicht verpflichtet sind, die für ihre Schiffe getroffene Kategorisierung zu akzeptieren, werden die darin vergebenen Sterne zumeist übernommen. Anzahl der Sterne +  +  +  +  +  Abb. 3.10

Gesamtpunktzahl 1851–2000 1701–1850 1551–1700 1401–1550 1251–1400 1101–1250 951–1100 801–950 651–800 601–650

Bedeutung Hervorragendes Luxuskreuzfahrterlebnis Exzellentes Kreuzfahrterlebnis Hoch qualitatives Kreuzfahrterlebnis Qualitativ sehr gutes Kreuzfahrterlebnis Qualitativ gutes Kreuzfahrterlebnis Angemessenes Kreuzfahrterlebnis Unterdurchschnittliches Kreuzfahrterlebnis Qualitativ bescheidenes Kreuzfahrterlebnis Einfaches Kreuzfahrterlebnis Mangelhaftes Kreuzfahrterlebnis

Vergabe der Sterne gemäß erreichter Punktzahl und deren Aussagekraft (Quelle: Berlitz 2008)

Die Einstufung der Schiffe wird anhand von fünf Kriterien vorgenommen, die für den Zweck einer exakten Einschätzung nochmals in insgesamt 20 Untergruppen aufgespaltet werden. Die Schiffe werden auf die einzelnen Kriterien hin untersucht, wobei pro Kriterium höchstens 100 Punkte zu erreichen sind. Daraus folgt, dass die maximal zu erzielende Punktzahl 2.000 ist. Auf die fünf Hauptkriterien entfallen dementsprechend folgende Prozentanteile: – – – – –

Schiff Unterkunft Küche Service Kreuzfahrt-Erfahrung

25 % 10 % 20 % 20 % 20 %

Der Berlitz-Guide gibt ausführliche Informationen darüber, wie die bewerteten Schiffe in den einzelnen Kategorien abgeschnitten haben. So dient er nicht nur dem potentiellen Kreuzfahrtpassagier als Hilfe zur Auswahl eines für ihn geeigneten Schiffes, sondern auch den einzelnen Unternehmen als Orientierung, wie sie gegenüber der Konkurrenz abschneiden. Daraus lassen sich, jeweils unter Beachtung der angesprochenen Zielgruppen und Preissegmente, Maßnahmen ableiten, die das Unternehmen besser im Wettbewerb bestehen lassen. Momentan sind ca. 320 Schiffe auf den Weltmeeren eingesetzt. Davon sind im Berlitz Guide 270 bewertet worden. Vernachlässigt man die Größe der Schiffe, ergibt sich folgende Verteilung hinsichtlich der

3.2 Hochseekreuzfahrten

63

Kategorien: Ca. 70 % aller Schiffe sind im Bereich Drei-Sterne-plus bis Fünf-Sterneplus angesiedelt. Lediglich ca. 30 % werden geringer als drei Sterne eingeschätzt.

MS Europa 2



 Schiffsaufbau Allgemein wird das Vorderteil eines Schiffes als Bug und das Hinterteil als Heck bezeichnet. Die in Fahrtrichtung betrachtet rechts liegende Seite heißt steuerbord, die linke Seite backbord. Mittschiffs bezeichnet die Mitte des Schiffes. Den Aufbau des Schiffsinneren gibt der Deckplan wieder, der dem Gast bei der Orientierung hilft und alle für ihn relevanten Räumlichkeiten aufzeigt. Üblicherweise werden die einzelnen Decks von oben nach unten übereinander abgebildet. In den untersten drei bis vier Decks befinden sich die Maschinen, die Lager- und Vorratsräume sowie die Mannschaftsräume. Auch die Kabinen sind im Deckplan aufgeführt; für die Orientierung und Wiedererkennung werden die einzelnen Kategorien in der gleichen Farbe gekennzeichnet, die auch im Katalog verwendet wird. Die genauen Einrichtungen und Ausstattung der Decks variieren stark von Schiff zu Schiff. Bei Schiffen, die in den letzten zehn Jahren gebaut wurden, sind ganze Decks vom Bug bis Heck der Unterhaltung gewidmet, so dass sich der Gast ohne Treppensteigen am Abend auf einem einzigen Deck vergnügen kann. Die Restaurants befinden sich nicht mehr im „Bauch“ des Schiffes, sondern wegen der besseren Aussicht auf den oberen Decks.  Routentypen Die Routenwahl ist für den Erfolg beim Publikum und somit auch für den wirtschaftlichen Erfolg maßgeblich, daher ist ihre Planung die zentrale Überlegung des Planungsprozesses. Die Route einer Kreuzfahrt ist ausschließlich auf Touristen zugeschnitten, das heißt es werden keine Umsätze durch nichttouristische Passagiere, wie Geschäftsreisende, generiert. Zu unterscheiden sind als grundlegende Routentypen die geschlossene und die offene Kette. Die geschlossene Kette entspricht der klassischen Rundreise, also einer Route, die im gleichen Hafen beginnt und endet; dazwischen werden verschiedene Destinationen besucht. Bei der offenen Kette ist der Ausschiffungs- nicht gleich dem Einschiffungshafen. Die meisten Passagiere bevorzugen offene Ketten, die allerdings teurer sind, da sie mit einem größeren organisatorischen Aufwand verbunden sind. Neben diesen beiden Grundtypen unterscheidet man weitere Routentypen in Bezug auf deren Organisationsform.

Modul B

Die „Europa“ und ihr neues Schwesterschiff „MS Europa 2“ behaupten sich seit Jahren auf dem Spitzenplatz im Berlitz-Guide: Im Jahr 2000, ein Jahr nach ihrer Jungfernfahrt, wurde sie erstmals bewertet und führt seitdem die Rangliste an – in der Ausgabe 2013 zum 13. Mal in Folge. „Nur auf einer privaten Yacht“ lasse es sich besser aushalten, resümiert Autor Ward. Service, Crew und Ausstattung des Schiffs bekommen immer wieder Bestnoten. So viel Luxus hat seinen Preis: Der Durchschnittspreis auf der MS Europa 2 liegt bei etwa 600 € pro Person und Nacht.

64

Turnuskreuzfahrten sind geschlossene Ketten, welche zudem immer an denselben Wochentagen ginnen. Ihr immer gleicher Ablauf hinsichtlich Route, Aktivitäten, Entertainment und Verpflegung senkt den Arbeitsaufwand erheblich. Außerdem sind die Schiffe Stammkunden in den Häfen, wodurch weitere Kostensenkungspotentiale entstehen. Oftmals erhalten sie die besseren Liegeplätze, was v. a. bei Megaschiffen durch die Lage am Pier von Vorteil ist, da das Tendern verhindert wird. Eine Alternative zu den wiederholenden Turnuskreuzfahrten sind Schmetterlingskreuzfahrten. Sie fahren im Wochen-Rhythmus jeweils zwei verschiedene Routen. Von einem Basishafen werden zwei verschiedene Himmelsrichtungen angesteuert. Ein wesentlicher Vorteil für die Anbieter ist, dass die Passagiere an verschiedenen Terminen ein- und aussteigen können, wodurch der Veranstalter sein Angebot verdoppelt. Positionierungskreuzfahrten werden bei klimabedingten Wechsel der Fahrtgebiete notwendig. Viele Kreuzfahrtschiffe sind im Sommer im Mittelmeer eingesetzt und im Winter in der Karibik. Zwischen beiden Fahrtgebieten findet im Frühjahr und Herbst eine Positionierungsfahrt statt. Aufgrund der vielen Seetage steht das Erlebnis an Bord im Vordergrund. Der durchschnittliche Tagespreis für Positionierungsfahrten ist daher erheblich günstiger als bei Turnus- bzw. Schmetterlingsfahrten. Unter dem Begriff freies Routing versteht man Kreuzfahrten, die in unregelmäßigen Abfolgen verschiedene Routen und Fahrtgebiete durchführen. Ein klassisches Beispiel für ein freies Routing sind Weltreisen. Allerdings sind nur sehr wenige Passagiere für die Gesamtzeit von ca. 150 Tage an Bord, sondern viele Gäste fahren lediglich auf kurzen Teilstrecken mit. Die Planung für die Reedereien bzw. Veranstaltern sind sehr aufwendig, da einmalig die unterschiedlichsten Häfen angelaufen werden und für die Passagiere Linienflüge zu allen Häfen organisiert werden muss.

3 Kreuzfahrten

Turnus

Schmetterling

Positionierung

Freies Routing

3.2 Hochseekreuzfahrten

65

 Planung von Kreuzfahrtrouten Die Planung von Kreuzfahrtrouten, auch Routing genannt, ist ein zweistufiger Prozess. Im ersten Schritt werden die anzulaufenden Häfen aus der Menge der möglichen Häfen ausgewählt, um im zweiten Schritt die eigentliche Route durch die Festlegung der Reihenfolge der ausgewählten Häfen zu bilden. Ziel ist es, eine möglichst optimale, das heißt strecken-, kosten- bzw. zeitminimale Lösung zu finden.

Die wirtschaftlich optimale Durchschnittsgeschwindigkeit beträgt meist 14 bis 16 Knoten. In der Summe liegt das Schiff 9 bis 13 Stunden im Hafen und hat 11 bis 15 Stunden Zeit, um den nächstfolgenden Hafen pünktlich zu erreichen. Meist legt das Schiff morgens zwischen 7 und 8 Uhr an, und abends zwischen 17 und 20 Uhr wieder ab.

3.2.3

Marketing & Vertrieb Hochseekreuzfahrten

3.2.3.1

Nachfrage

In der Vergangenheit hat die Kreuzfahrtindustrie mit ihren Angeboten und Preisen besonders ein zahlungskräftiges und gediegenes Publikum angesprochen. Auch heute gibt es viele Kreuzfahrtpassagiere, die bereits mehrmals an Schiffsreisen teilgenommen haben. Ihr Anteil wird auf 50 bis 90 % geschätzt. Dieses Segment bucht durchschnittlich nach 2,4 Jahren bereits seine nächste Kreuzfahrt. Einige Veranstalter konzentrieren sich sehr stark auf diese Gruppe von Kreuzfahrtteilnehmern. Dabei scheint allerdings unberücksichtigt, dass diese Nachfrager höhere Altersklassen verkörpern, das heißt, wenn keine (jungen) Neukunden gewonnen werden können, ist kein langfristiger Erfolg absehbar. Das Alter von Kreuzfahrtpassagieren hängt eng mit der gebuchten Art einer Kreuzfahrt zusammen. So ist die Klientel auf einem Clubschiff wesentlich jünger als auf einem Luxusschiff.  Einflussfaktoren Einer der wichtigsten Faktoren dürfte hier wohl das Image dieser Reiseform sein. Bei Reisen und ganz besonders bei Kreuzfahrten handelt es sich um Prestigeobjekte, das heißt, die Nachfrage ist sehr stark von subjektiven und emotionalen Imagekomponenten geprägt.

Modul B

Eine besondere Bedeutung kommt dabei dem Nachtrandansatz zu. Unter Nachtrand versteht man die Entfernung, die ein Kreuzfahrtschiff vom Auslaufen bis zum Einlaufen maximal zurücklegen kann, ohne dabei unwirtschaftlich betrieben zu werden. Der Nachtrand ist somit das Pendant zum Seetag. Die Berechnung des Nachtrandes ist eine einfache Multiplikation der möglichen Stunden außerhalb eines Hafens mit der wirtschaftlich optimalen Durchschnittsgeschwindigkeit.

66

3 Kreuzfahrten

Image der Luxuskreuzfahrten



Das Problem des Produktes Kreuzfahrt ist sein negatives, auf Vorurteilen basierendes Image. Herauskristallisiert haben sich die drei „L’s“:

 Luxus, im Sinne von „teuer, soziale Zwänge“,  Langeweile, die auf die Seetage, die alten Leute und den statischen Tagesablauf anspielt, und

 Leberschaden, der für das reichhaltige und viele Essen und Trinken steht.

Auch die Angst vor einer Seekrankheit hält potentielle Passagiere von einer Buchung ab. Am problematischsten dürfte aber der Eindruck der Überteuerung bzw. des schlechten Preis-Leistungs-Verhältnisses sein. Hier ist es dringend erforderlich, über die im Pauschalpreis enthaltenen Leistungen zu informieren. Die weiteren allgemeinen Einflussfaktoren für die Nachfrage nach Hochseekreuzfahrten zeigt die folgende Abbildung. Nachfrager - Motive - Einstellung - Soziodemographische Faktoren

Staat - politische Situation

Gesellschaft - Freizeit - Mobilität - Sozialstruktur - Werte & Normen

Kreuzfahrtnachfrage Wirtschaft - Einkommensstruktur - Inflation & Wechselkurse - Wirtschaftswachstum

Abb. 3.11

Umwelt - Ökologie - Verstädterung

Anbieter - Leistung - Preis - Marketing

Einflussfaktoren auf die Kreuzfahrtnachfrage

Ein wichtiges Entscheidungskriterium für die Nachfrage ist die Sicherheit der angefahrenen Ziele. Das gilt sowohl hinsichtlich der übergeordneten politischen Sicherheit im Sinne von politischen Unruhen und Terrorismus als auch hinsichtlich der Kriminalitätsrate und den Gesundheitsgefahren, mit denen ein Passagier bei den Landgängen in Kontakt kommen könnte.  Bestimmungsfaktoren für die Buchung einer Kreuzfahrt Das Schiff, seine Größe, Ausstattung und sein Service- und Programmangebot an Bord steht bei vielen seereiseerfahrenen Gästen im Vordergrund der Reiseentschei-

3.2 Hochseekreuzfahrten

67

Der Vorteil einer Kreuzfahrt, und damit Verkaufs- und Buchungsargument Nummer eins, ist, dass das Schiff eine schwimmende Ferieninsel der kurzen Wege darstellt, da sich immer alle Einrichtungen in der Nähe befinden. Sie verbindet das Erlebnis auf See mit der Entdeckung an Land, ohne dass der Gast auf den gewohnten Komfort verzichten muss. Daneben bietet sie zahlreiche Unterhaltungsmöglichkeiten bei Sport oder Spiel sowie Erholung beim Nichtstun, wobei sich der Gast seinen Tag individuell planen kann. Für diese Vielzahl an Leistungen sind Kreuzfahrten sehr preisgünstig, auch wenn sie durch ihren Pauschalpreis zunächst überteuert erscheinen. Der Passagier braucht seine Koffer nur einmal aus- und einzupacken, das Schiff ist für die gesamte Dauer der Reise sein bequemes Zuhause. 

Kreuzfahrtpassagiere

30% 12%

Bis 25 Jahre Abb. 3.12

26% 19%

14%

26-40 Jahre

41-55 Jahre

56-65 Jahre

Altersstruktur der deutschen Hochseekreuzfahrtpassagiere

> 65 Jahre (Quelle: DRV 2012)

Insbesondere der demographische Einflussfaktor „Alter“ ist bei der Analyse von Kreuzfahrtpassagieren von besonderem Interesse. Veränderungen in der Altersstruktur des Nachfragers führen zu neuen Anforderungen an die Angebots- und Marketingkonzeptionen der Kreuzfahrtindustrie sowie deren Umsetzung. Um konkurrenzfähig zu bleiben, müssen folglich demographische Veränderungen und deren Folgen frühzeitig erkannt werden, damit das jeweilige Unternehmen Anpassungen treffen kann. Je nach Altersgruppe kommen ganz unterschiedliche Wertevorstellungen und Motive zum Tragen. Die Zusammensetzung der Passagiere hängt dabei von Ziel und Dauer der Reise, Kosten und Jahreszeit ab. Zur Hauptferienzeit und bei niedrigen Preisen sinkt der Altersdurchschnitt. Im Vergleich zu den Flusskreuzfahrten ist der Altersdurchschnitt mit ca. 50 Jahren allerdings vergleichsweise jung. Aufgrund ihrer Eigenschaften, wie ein bequemer Transport oder organisierte Landausflüge, eignet sich eine Kreuzfahrt besonders für ältere Menschen. Allerdings müs-

Modul B

dung. Das Fahrgebiet, die darin gefahrene Route, die Zahl und die Charakteristik der angelaufenen Häfen sowie die damit verbundene Möglichkeit zu Landausflügen bestimmt ebenfalls, in manchen Fällen sogar ausschließlich, die Reiseentscheidung. In der Regel wirken jedoch beide Faktoren zusammen. Bestimmungsfaktoren bzw. Motive, die zur Buchung einer Kreuzfahrt führen, sind folgende sechs Punkte: Luxus, Geselligkeit an Bord, Abschalten vom Alltag, Land und Leute sehen, Vielseitigkeit und Bequemlichkeit.

68

3 Kreuzfahrten

sen bei der Ansprache von Senioren bestimmte Details beachtet werden. So legen sie viel Wert darauf, dass auf ihre speziellen Interessen, Wünsche und Bedürfnisse eingegangen wird, sie wünschen aber gleichzeitig keine Sonderbehandlung, die auf ihr Alter schließen lässt.  Produktpolitik Eine Kreuzfahrt ist die Verknüpfung der beiden Grundelemente Schiff und Fahrtroute. Die Kreuzfahrt ist hinsichtlich Reisezeitpunkt, -dauer und -ziel sowie hinsichtlich des Leistungsumfangs genau vordefiniert. Unterschieden wird zwischen den touristischen Hauptleistungen als Kernleistungen, wie Beförderung, Unterkunft, Verpflegung, Reiseleitung, und den touristischen Nebenleistungen als Zusatz, wie Information, Beratung, Versicherung. Kreuzfahrtschiffe unterscheiden sich nicht nur in ihrer Größe, sondern auch in ihren Ausstattungselementen voneinander. Neben den Standardausstattungselementen, wozu u. a. Restaurants, Bars, verschiedene Läden, ein Erholungsbereich und teilweise ein Kasino gehören, müssen Kreuzfahrtenanbieter Besonderheiten bieten, um sich von den Mitbewerbern zu differenzieren. Dafür lassen sich insbesondere die USamerikanischen Reedereien für ihre Neubauten immer spektakulärere Ausstattungselemente einfallen, z. B. Kletterwände, Schlittschuhbahnen und Minigolfanlagen. Auf den Kreuzfahrtschiffen werden unterschiedliche Kabinen angeboten, die sich in ihrer Lage, Größe und Ausstattung voneinander unterscheiden und somit verschiedene Kategorien bilden. Die Kategorien sind ein wichtiges Gestaltungselement in der Produkt- und Preispolitik des Kreuzfahrtenanbieters. Es gilt, je größer, je besser ausgestattet desto teurer sind die Kabinen. Hinsichtlich der Lage der Kabinen wird zwischen Schiffsvertikale und -horizontale unterschieden. Für die Vertikale gilt, je höher die Kabine im Schiffdeck ist, desto besser ist i. d. R. die Ausstattung und entsprechend höher ist der Preis. Bezogen auf die horizontale Lage sind die Kabinen im Mittelschiff im Allgemeinen ruhiger und vibrationsärmer als die Kabinen im Vorderund Hinterschiff. Zu unterscheiden ist außerdem zwischen Innen- und Außenkabinen. Außenkabinen werden dank der Fenster oder Bullaugen durch Tageslicht beleuchtet und haben oft sogar Balkone; die Beleuchtung der Innenkabinen hingegen erfolgt durch künstliches Licht. Da die Innenkabinen über keinen Tageslichtzugang verfügen, sind sie insbesondere auf Nordlandfahrten beliebt. Auch in der Größe unterscheiden sich die Kabinen. Über die kleinsten Kabinen verfügt die easyCruise One mit ca. 10 m². Die größte Suite an Bord eines Schiffes befindet sich auf der Norwegian Dawn und ist 497 m² groß. Die Kabinenausstattung variiert in Abhängigkeit zur gebuchten Kabinenkategorie, entspricht aber in der Regel den Standards die man auch aus guten Hotels gewohnt ist. Ausgestattet sind alle Kabinen mit einem WC und einem eigenen Bad oder einer Dusche. Weiterhin bieten sie einen Schrank, eine Sitzmöglichkeit, einen Tisch, einen Fernseher z. T. mit Video und Radio, zudem sind auch individuell regulierbare Klimaanlagen und ein Telefon vorhanden. Bei den Kabinen werden Einzel-, Doppel- und Zweibettkabinen unterschieden. Eine Doppelkabine hat entweder ein Unter- und ein Oberbett oder ein Unter- und ein Pullmannbett, ein aus der Wand klappbares Bett. Diese Kabinenart ist aufgrund der

3.2 Hochseekreuzfahrten

69

nötigen Kletterei und des geringen Platzangebotes für ältere Passagiere kaum geeignet. Die Zweibettkabine hat entweder ein Unter- und ein Sofabett oder zwei Unterbetten. Unterbetten sind zwei freistehende Betten. In seltenen Fällen findet man auch ein zusammenstehendes Bett. In der Regel werden Kabinen für zwei Personen angeboten. Da heute weitere Zielgruppen wie z. B. Familien erschlossen werden sollen, finden sich auf den Neubauten vermehrt Mehrbettkabinen oder Kabinen mit Verbindungstüren, um so den Ansprüchen dieser Zielgruppe gerecht zu werden. Wichtig sind auf modernen Kreuzfahrtschiffen auch das Vorhandensein behindertengerechter Kabinen, wobei dann auch der Zugang zu allen Einrichtungen und Räumlichkeiten für Behinderte möglich ist. 

Fahrtgebiete

USA/ Karibik 15%

Nordland 20% Über- Westsee Europa 12% 6%

Abb. 3.13

Modul B

Mittelmeer 37%

Ostsee 10%

Fahrtgebiete deutscher Hochseekreuzfahrtpassagiere

(Quelle: DRV)

Die Auswahl von Fahrtgebieten für die Kreuzfahrten stellt ein wichtiges Kriterium für den Erfolg bzw. Misserfolg dieser Reiseart dar. Die Bestimmung der Fahrtgebiete ist damit zu einem wesentlichen Element des Marketings geworden. Nachdem die Meere rund um Europa, vor allem Skandinavien und das Mittelmeer, anfänglich die ersten Fahrtgebiete der Kreuzschifffahrt darstellten, hat sich die Kreuzfahrtbranche heute die ganze Welt als Fahrtgebiet erschlossen. 

Mittelmeer

Man unterscheidet Fahrten im westlichen und östlichen Mittelmeer. Die beste Reisezeit ist von April bis Oktober. In den vergangenen Jahren zeichnet sich verstärkt der Trend ab, das Mittelmeer durch Winterrouten gezielt zur Ganzjahresdestination auszubauen. Außerdem drängen verstärkt auch die drei großen US-Reedereien in den Mittelmeermarkt. Für europäische Gäste ist das Mittelmeer das beliebteste Fahrtgebiet, da zum einem die Anreise nicht aufwendig ist und zum anderen eine Vielzahl

70

3 Kreuzfahrten

europäischer Städte und Sehenswürdigkeiten in unmittelbarer Nähe der Häfen leicht zu erreichen sind. Die wichtigsten Starthäfen für eine Kreuzfahrt im westlichen Mittelmeer sind Mallorca und Genua. Die meisten Kreuzfahrten im Mittelmeer dauern 7 oder 14 Tage. Sehr häufig sind Kombinationsreisen mit einer Woche Schiffsreise und einer Woche Badeurlaub. Eine typische 7-tägige Turnuskreuzfahrt startet von Mallorca nach Barcelona, St. Tropez, Portofino, Rom und endet wieder auf Mallorca. 

USA/Karibik

Von den ca. 320 Kreuzfahrtschiffen weltweit bieten ca. 50 % Karibikkreuzfahrten an. Gerade in der kalten Jahreszeit überwintern immer mehr Kreuzfahrtschiffe in dieser Region und befahren die unterschiedlichsten Routen zwischen den 35 Inselstaaten. Dies liegt einerseits daran, dass sich mit den USA der weltweit größte Kreuzfahrtmarkt in der Nähe befindet; andererseits liegt es daran, dass die klimatischen Bedingungen optimal sind. Die Karibik ist eine Ganzjahresregion, wobei die Monate Juni bis November zur Hurrikansaison gezählt werden. Zu den wichtigsten Abfahrtshäfen einer Karibikkreuzfahrt gehören Fort Lauderdale, Miami und Port Canaveral an der Westküste Floridas. 

Nordland

Das Nordland-Fahrtgebiet erstreckt sich von Norwegen im Osten über Spitzbergen und der Packeisgrenze im Norden bis Island im Westen und die Färöer-Inseln im Süden. Die beste Reisezeit ist der Hochsommer zwischen Mitte Juni und August, wobei besonders das Schauspiel der Mitternachtssonne für viele Passagiere unvergesslich ist. Ausgangshäfen für Kreuzfahrten sind Kiel, Bremerhaven und Hamburg, bei internationalen Anbietern auch Kopenhagen oder Amsterdam. NordlandKreuzfahrten sind ursprünglich nur von den Postschiffen auf den Hurtigruten befahren worden. In jüngster Zeit schicken vermehrt auch andere Reedereien ihre Kreuzfahrtschiffe in diese Region.  Preisgestaltung Das Produkt Hochseekreuzfahrt besteht aus einer Bündelung mehrerer touristischer Leistungen und ist im Vergleich mit anderen Touristikmärkten im Nachfrageverhalten unelastischer und weniger preissensibel. Immer eingeschlossen in den Reisepreis der Kreuzfahrt sind die Übernachtungen in der jeweils gebuchten Kategorie und Vollpension an Bord, in der Regel bis zu sechs Mahlzeiten täglich. Auch das Unterhaltungsprogramm und die Bordeinrichtungen sind zum größten Teil inklusive. Landausflüge sowie Beauty- und Wellnesseinrichtungen müssen hingegen stets extra bezahlt werden. Trinkgelder sind selten im Reisepreis enthalten, bei den meisten Anbietern werden sie an Bord noch zusätzlich bezahlt. Die europäischen Reedereien richten sich bei der Preisfestsetzung in erster Linie nach der Kosten-Plus-Preisbildung. Zur Errechnung des Durchschnittspreises einer Kreuzfahrt werden alle Kosten plus einer Marge für eine Reise berechnet und auf die Anzahl der Passagiere umgelegt. Dafür wird generell mit einer Break-Even-Auslastung von 75 % der Gesamtkapazität eines Schiffs gerechnet. Bei amerikanischen Reedereien gibt es schon vielmals Yield-Managementsysteme zur Preis- und Nachfragesteuerung.

3.2 Hochseekreuzfahrten

71

Leistungs- und Ausstattungsunterschiede nach Schiffs- und Kabinenkategorie bieten im Kreuzfahrtenverkehr besonderen Anlass zur Preisdifferenzierung. Ebenso variiert der Preis einer Kreuzfahrt grundlegend nach der Saison und der Personenanzahl pro Kabine. Klassifizierung

Kabinenkategorien

Reisezeit/-dauer

– Qualitätsstandard des

– Kabinentyp: Größe, Aus-

– Haupt-/ Nebensaison

Schiffes – Anzahl der Sterne

stattung und Lage – Vor- oder Achterschiff vs. Mittschiff – Höhe des Decks

– Anzahl der Tage – Anzahl Personen – Yield-Management

Bestimmungsfaktoren für den Preis einer Kreuzfahrt

Eine Differenzierung kann durch die Klassifizierung eines Schiffs nach Sternen erfolgen. Der Reisepreis (ohne Trinkgelder und Getränke) wird dabei in vier Größenklassen eingeteilt: Budget (75 bis 125 €, 22 % Marktanteil), Standard (125 bis 175 €, 28 %), Premium (175 bis 250 €, 29 %) und Luxus (> 250 €, 21 %) pro Tag eingeteilt. Auch die Kabinen eines Kreuzfahrtschiffs werden nach ihrer Größe, Ausstattung und Lage im Schiff preislich in Kategorien eingeteilt. Die Raumgröße ist ausschlaggebend für die Bezeichnung als einfache Kabine, Suite, Appartement oder Penthouse und steht gleichermaßen für Komfort und Bewegungsfreiraum. Angeboten werden auch Glücks- oder Garantiekabinen. Bei Glückskabinen zahlt man einen bestimmten festgelegten Preis. Welche Kabine in welcher Kategorie man am Ende wirklich bekommt, erfährt der Kunde erst kurz vor der Abfahrt. Bei der Garantiekabine hat der Kunde die Sicherheit, eine bestimmte Kategorie als Minimum zu erhalten. Jedes Fahrgebiet besitzt auf Grund von Wetter- und Klimaverhältnissen eine Saison, in der Kreuzfahrten durchgeführt bzw. nachgefragt werden. Saisonzeiten sind außerdem bestimmt durch eine hohe Nachfrage zu den Urlaubszeiten, Ferien und Feiertagen. Wird eine Fahrtroute zu verschiedenen Reisedaten angeboten, lässt sich bei den Kreuzfahrtunternehmen ein differenzierter Preis nach Haupt- und Nebensaison erkennen. Kleinere Reedereien in der Größenordnung von ca. zwölf Schiffen erheben lediglich unterschiedliche Preise zu den Saisonzeiten entsprechend der Nachfragestärke. Größere Reedereien vergeben täglich variierende Preise, die sich durch computergestützte Yield-Managementsysteme dem Buchungs- und Nachfrageverlauf automatisch anpassen.

Modul B

Abb. 3.14

– Auslastung

72

3 Kreuzfahrten

 Kommunikation Die zielgerichtete Kundenkommunikation spielt eine wichtige Rolle im MarketingMix da der Kunde das Produkt Kreuzfahrt nicht anfassen kann (Intangibilität und Immaterialität). Der Kunde erwirbt lediglich ein Leistungsversprechen; er sucht daher nach Hinweisen auf die Leistungsfähigkeit des Veranstalters. –

Ziel der Werbung ist es, den Bekanntheitsgrad des Kreuzfahrtenanbieters zu erhöhen. Wichtigstes Vertriebs- und auch Werbemittel ist dabei der jeweilige Anbieterkatalog.



Eine weitere Möglichkeit ist die Direktwerbung, die v. a. zur Stammkundenkommunikation dient; die vorhandenen Kundendaten ermöglichen eine sehr persönliche Ansprache bei Mailings und Katalogzusendungen.



Die Verkaufsförderung setzt direkt im Ladenlokal des Reisebüros an und meint hier die Ausstattung mit Dekorations- und Informationsmaterial, eine nautische Schaufenstergestaltung mit Schiffsmodellen oder Rettungsringen.



Zur Sonstigen Kommunikation gehören die Auftritte auf touristischen Messen, bei denen sich die Kreuzfahrtanbieter mit einem Stand präsentieren. Beispiele hierfür sind die ITB in Berlin oder die jährlich stattfindende Kreuzfahrtmesse „Cruise Live“ in Hamburg.



Ebenfalls wichtig ist das Product-Placement. Das bekannteste Beispiel aus dem Kreuzfahrtbereich ist die ZDF-Serie „Das Traumschiff“, bei deren Handlung den Zuschauern das Schiff und der Ablauf der Kreuzfahrt sowie die speziellen Eigenschaften der Reiseart näher gebracht werden, ohne jedoch das Schiff in den Vordergrund zu stellen.

 Vertriebskanäle und Buchung Da der Fixkostenanteil beim Produkt Kreuzfahrt sehr hoch ist (ca. 70 %), hat die Distributionspolitik die zentrale Funktion, die unverkauften Kapazitäten und damit auch die Leerkosten einer Kreuzfahrt möglichst gering zu halten. –

Der indirekter Vertriebsweg mit Hilfe der Reisebüros ist mit ca. 78 % Umsatzanteil der Hauptvertriebskanal. Wichtigstes Verkaufshilfsmittel sind die Reedereiund Veranstaltungskataloge. Sie geben eine Übersicht und Informationen über das Produkt Schiff und über die einzelnen Angebote.



Der direkte Vertrieb hat im Gegensatz zu anderen touristischen Leistungsträgern bei den Kreuzfahrtenanbietern nur einen geringen Anteil. Der Eigenvertrieb der Veranstalter (ca. 11 % Umsatzanteil), neue Medien (ca. 4 %) und weitere Vertriebsmedien (ca. 7 %) sind hier zu nennen.



Zur Buchung einer Kreuzfahrt dienen als Orientierungshilfe die Deckpläne und Kabinengrundrisse der Schiffe. Für die Buchung wird ein Anmeldeformular ausgefüllt. Das Reisebüro erfragt anschließend die gewünschte Kabine beim Anbieter der Kreuzfahrt; im Falle der Bestätigung wird die Kabine als Optionsbuchung an den Kunden weitergegeben.

3.2 Hochseekreuzfahrten

3.2.4

73

Dienstleistung Hochseekreuzfahrt



Bei der individuellen An- und Abreise bucht der Kunde lediglich die Kreuzfahrt ab und bis Hafen und führt die An- und Abreise auf eigene Initiative durch. Die verschiedenen Möglichkeiten der individuellen Anreise sind Anfahrt mit eigenem Pkw, Zug und Linienflug. Der eigene Pkw wird relativ selten für die Anreise verwendet, da einerseits hohe Parkgebühren anfallen und zudem viele Kreuzfahrten am Ende der Reise nicht im selben Hafen anlegen, so dass ein individueller Rücktransport organisiert werden müsste. Häufig ist zudem eine Hotelübernachtung notwendig, da der Anfahrtsweg inklusive Risikopuffer schon bei den nahen Mittelmeerzielen sehr weit ist. Auch bei Zugfahrten ist dies ein Nachteil, zudem muss der Gepäcktransport vom Bahnhof zum Hafen selbst organisiert werden. Die Verwendung eines Linienfluges ist somit die teuerste, aber auch bequemste und zeitminimalste Form der individuellen Anreise.



Eine organisierte An- und Abreise buchen die Passagiere zusammen mit ihrer Kreuzfahrt häufig wenn der Abfahrt- bzw. Ankunftshafen weiter entfernt liegt. Die Varianten Fly&Cruise, Rail&Cruise oder Coach&Cruise werden in das Leistungspaket und somit im Reisepreis eingeschlossen. Allerdings ist zu beachten, dass alle Bestandteile einer Reise in ihrem Niveau möglichst aufeinander abgestimmt sein sollten. Bei den Fly&Cruise-Angeboten führen Reisen mit unterschiedlicher Länge bei gleichem Schiff zu verschiedenen Tagessätzen, da die Kosten des Fluges auf eine unterschiedliche Zahl von Tagen umgelegt werden. Außerdem wird bei Linienflügen vor Beginn der Seereise häufig eine Übernachtung angeboten, um bei Flugverspätungen das Schiff nicht zu verpassen. Da die Kreuzfahrtanbieter auf bestimmten Strecken ein nennenswerter Umsatzträger der Fluggesellschaften sind, bekommen sie entsprechende Großkundenrabatte. Die Einbindung des Fly&Cruise-Konzeptes ist eine Voraussetzung für die Erschließung neuer Fahrtgebiete, da so auch weiter entfernte Ziele erschlossen werden können.



An Bord gehen ist auch unter dem Begriff „Einschiffen“ bekannt. An Bord werden die Passagiere vom Kreuzfahrtpersonal begrüßt und nach Aushändigung des Kabinenschlüssels bzw. der Schlüsselkarte zu ihrer Kabine geleitet. Es folgt eine kurze Erklärung der Kabineneinrichtung. Zusätzlich findet der Passagier in seiner Kabine wichtige gedruckte Informationen über Essenszeiten, Veranstaltungen, Ausflugsmöglichkeiten sowie Hinweise zum Schiff selbst vor. Die Begrüßung der

Modul B

 An- und Abreise Arrangements zur An- und Abreise sind oftmals ein wichtiger Produktbestandteil und auch ein entscheidender Wettbewerbsfaktor, da die meisten Passagiere eine längere Anreise haben bzw. nicht in der Nähe des Hafens wohnen. Aufgrund der zunehmenden Bedeutung dieser Arrangements, wie auch der Vor- und Nachprogramme, diversifizieren sich einige Kreuzfahrtgesellschaften nicht nur horizontal, sondern auch vertikal in der Wertschöpfungskette. So besitzt z. B. die Carnival Cruise Line eine eigene Flugzeugflotte und eigene Hotels.

74

3 Kreuzfahrten

Passagiere durch den Kapitän, die Offiziere und die Reisebegleitung erfolgt meist am ersten Kreuzfahrttag. Im Rahmen des Einschiffens wird den Passagieren auch ein Orientierungsrundgang auf dem Schiff angeboten, damit sie alle wichtigen Einrichtungen kennenlernen und eine erste Orientierungshilfe erhalten; ihm folgt auf Wunsch der Passagiere eine ausführlichere Inspektion. –

Das Gepäck wird bei Ankunft des Gastes auf dem Flughafen vom Personal der Reedereien entgegengenommen und wird von dort aus bis in die Gästekabine gebracht. Auch beim Check-out wird dessen Transport weitestgehend von den Angestellten übernommen. Bevor das Gepäck an Bord des Schiffes gelangt, muss es ebenso wie Passagiere und Handgepäck durch eine Sicherheitskontrolle. Im Normalfall gibt es keine zahlenmäßige Begrenzung der Stücke, die mit an Bord gebracht werden können. Einschränkungen ergeben sich jedoch durch eventuelle Anreise per Flug und Gewichtsbegrenzungen durch die Fluggesellschaften bzw. durch die Größe der Schiffskabine. Damit Gepäckstücke in die richtige Kabine gelangen, erhalten Passagiere zusammen mit den Reiseunterlagen farblich (jede Farbe steht für ein Passagierdeck) und mit Kabinennummer gekennzeichnete Kofferanhänger, die an die Koffer bzw. Taschen angebracht werden müssen.



Das von Bord gehen heißt in der Fachsprache „Ausschiffung“. Sie erfolgt in der Regel ohne Formalitäten und Kontrollen. Vorbereitet wird sie am Vortag. Die Passagiere erhalten ein Anweisungsblatt mit allen Hinweisen für einen reibungslosen Ablauf. Außerdem erfolgen die Gepäckbereitstellung vor der Kabine und die Bezahlung der offenen Rechnungen beim Purser. Passagiere, die für ihre Rückreise noch Informationen benötigen, erhalten diese im Informationsbüro oder im Bordreisebüro. Wer eine organisierte Heimreise gebucht hat, erhält die noch notwendigen Unterlagen dafür, falls er sie nicht schon zusammen mit anderen Reiseunterlagen erhalten hat. Am letzten Tag des Bordaufenthaltes finden üblicherweise auch die Abschiedscocktailparty und das Captainsdinner statt, bei dem der Kapitän in der Regel ein paar Worte über den Verlauf der Kreuzfahrt sagt. Nach der Ankunft des Schiffes im Hafen wird es von den Hafenagenten abgefertigt und für die Landung freigegeben. Danach wird zuerst das Gepäck von Bord gebracht und in der Zollhalle unter den Initialen der Passagiere bereitgestellt. Sobald der Aufruf zum Verlassen des Schiffes ertönt, gehen auch die Passagiere von Bord.

3.2.4.1

Leistungserbringung an Bord

Der Ablauf einer jeden Kreuzfahrt wird durch das ihr zugrunde liegende Gesamtprogramm der Reise bestimmt. Der Kreuzfahrtveranstalter muss das Gesamtprogramm in Tagesprogramme umsetzen und für deren Realisierung Sorge tragen. Im Rahmen der Vorbereitungen muss das Schiff betankt und mit den nötigen Versorgungsmitteln wie Frischwasser, Nahrungsmitteln und Getränken versorgt werden. –

Bei der Transportleistung unterscheidet sich die Kreuzfahrt grundlegend von den anderen Verkehrsmitteln. Kreuzfahrten sind mehrtägige Schiffsreisen mit Hotelcharakter, die nicht dem Transport von Passagieren oder der Ortsveränderung die-

3.2 Hochseekreuzfahrten

75



Die Verpflegung ist wesentlicher Bestandteil der Kreuzfahrt und entscheidet maßgeblich über deren Erfolg bzw. Misserfolg. Das fortwährende Essen ist eine der Hauptaktivitäten der Gäste an Bord. Dabei hängen Qualität und Vielfalt der Speisen von der Schiffskategorie ab. Es werden vier bis sechs Mahlzeiten am Tag gereicht, wobei dies auf großen Schiffen in zwei Sitzungen pro Mahlzeit geregelt wird. Grund hierfür ist die Platzkapazität der Restaurants, welche nur für ca. die Hälfte der Gäste ausreicht.



Ein typischer Tagesverlauf auf dem Schiff in Bezug auf Mahlzeiten beginnt um 6 Uhr morgens mit Kaffee und Tee an Deck, gefolgt von einem Frühstück im Hauptrestaurant oder Buffet in einem der anderen Restaurants. Danach wird ein warmes Mittagessen, wahlweise mit Service im Restaurant oder in Form eines Buffets in einem der Cafés, angeboten. Dem folgt um 16 Uhr ein English Afternoon Tea mit kleinen Snacks und Kuchen. Am Abend wird dann die Hauptmahlzeit, das Dinner, serviert. Ein weiteres großes Essen wird um Mitternacht angeboten. Die Präsentation und der Rahmen des Essens sind je nach Marktsegment der Kreuzfahrtveranstalter unterschiedlich. Die Angebote reichen von der einfachen Pizzeria bis hin zu exklusiven Galaabenden.



Die Freizeitgestaltung an Bord ist ein weiteres Produktmerkmal. Aufgrund der Vielzahl der angebotenen Aktivitäten werden Kreuzfahrtschiffe häufig als „schwimmende Ferieninsel“ bezeichnet. Qualität und Quantität des Bordprogramms bestimmen maßgeblich das Wohlbefinden der Gäste an Bord, da der Kreuzfahrer den größten Teil seiner Reise auf dem Schiff verbringt.



Bei den Unterhaltungsangeboten sind die Unterschiede zwischen den verschiedenen Kreuzfahrttypen und Schiffsgrößen besonders groß. Das vielfältigste Unterhaltungsprogramm wird an Bord der Megakreuzfahrtschiffe geboten. Es werden zumeist große Musicalshows gezeigt, die allen Zielgruppen gefallen. Auf Luxuskreuzfahrten wird häufig ein anspruchsvolles Kulturprogramm geboten (z. B. klassische Musik oder Lesungen). Auf den meisten Schiffen werden zudem Vorträge über die angelaufenen Häfen und die zu besichtigenden Sehenswürdigkeiten sowie die Geschichte und Kultur der besuchten Destination gehalten.

Modul B

nen, sondern bei der das Schiff sehenswerte Punkte des Fahrtgebietes anläuft. Das Beförderungsmittel Kreuzfahrtschiff ist selbst ein Urlaubsziel und damit signifikantes Produktmerkmal. Schiff und Route erzeugen beim Reisenden die Erwartung eines immateriellen Zusatznutzens, der bei keinem anderen Pauschalreiseprodukt so deutlich in Erscheinung tritt.

76

3 Kreuzfahrten



Der Spa-Bereich eines Schiffes besteht zumeist aus einem Fitnessstudio und einem umfassenden Wellnessbereich mit Saunen, Dampfbädern, Whirlpools sowie einem Schönheitssalon. Das Angebot von Anwendungen, für die extra gezahlt werden muss, beinhaltet klassische und moderne Massagetechniken, verschiedenen Therapieformen, Gesichtsbehandlungen und Maniküre. Die Spas werden in der Regel ebenfalls nicht selber von den Reedereien betrieben, sondern es werden Konzessionen an externe Betreiber vergeben.



Weitere wesentliche Punkte sind Kleidung & Trinkgeld. Beim Einschiffen erhält der Passagier die Informationen über die Kleider- und die Tischordnung. Die Kleiderordnung ist auf den Megakreuzfahrtschiffen eher leger, wobei nur zum Abendessen und v. a. für die traditionellen Anlässe, wie das Kapitänsdinner, festlichere Kleidung erforderlich und angebracht ist. Ein weiteres Thema ist die Regelung des Trinkgeldes. Zumeist wird es am Ende der Reise direkt an den zuständigen Steward gegeben oder direkt vom Kundenkonto abgebucht.

3.2.4.2

Zusatzleistungen

Die Zusatzleistungen beeinflussen in besonderem Maße das Qualitätsempfinden der Passagiere und somit auch ihre Gesamtzufriedenheit. Besonders Gäste, welche schon zahlreiche Kreuzfahrten unternommen haben, buchen verstärkt aufgrund des angebotenen Zusatznutzens. –

Die Reiseleitung untersteht dem Cruise Director und repräsentiert das gesamte Kreuzfahrtunternehmen. Zu den wichtigsten Aufgabengebieten der Reiseleitung bzw. Gästebetreuung zählen die Information der Gäste mit reisetechnischen Hinweisen, z. B. bezüglich Reiseablauf sowie die eigentliche Gästebetreuung.



Die Animation trägt entscheidend zum Gesamteindruck der Kreuzfahrt bei. Die Animation setzt ein inhaltliches Konzept ebenso voraus wie ein Mitarbeiterteam, das nicht nur fachlich (als Sport-, Musik-, oder Kinderanimateur) kompetent, sondern auch kontakt- und kommunikationsfähig, flexibel und belastbar ist.



Altersgerechte Kinderbetreuung wird insbesondere bei den Megakreuzfahrtschiffen angeboten. Besonders vielfältig ist das Kinderprogramm der Disney Schiffe, die u. a. ein komplettes Kinderdeck haben, auf das den Eltern der Zutritt verwehrt bleibt.



Die Ausflüge sind ein wichtiges Motiv für eine bestimmte Kreuzfahrt, da die Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Kreuzfahrt oftmals von der Anzahl und Ort der angelaufenen Häfen und der damit verbundenen Ausflüge abhängig ist. Sie sind als Zusatzleistung nicht im Pauschalpreis enthalten. Angeboten werden zumeist Halb- und Ganztagesausflüge, wobei die Passagiere häufig per Bus zu den Sehenswürdigkeiten befördert werden.



Vor- und Nachprogramme sollen in Kombination mit der Kreuzfahrt die Gesamtattraktivität der Reise steigern. Besonders beliebt ist eine Woche Kreuzfahrt und im Anschluss eine Woche Landurlaub.

3.3 Flusskreuzfahrten –

77

Auf einigen Luxuskreuzfahrtschiffen gibt es noch immer so genannte GentleHosts. Dies sind alleinstehende Männer zwischen 50 und 75 Jahren, die gleichaltrigen Frauen vom Kreuzfahrtenanbieter als Gesellschaftspartner vermittelt werden.

Erkenntnisse Hochseekreuzfahrten



 Die reine Transportleistung ist nicht der Hauptgrund der Kreuzfahrtreise.  Im Reisepreis inbegriffen sind zumeist Leistungen wie Verpflegung, Übernachtung, Animation, Entertainment und Reiseleitung.  Man unterscheidet zwischen Luxus-, Club- und Studienkreuzfahrten.

 Aus den USA (70 %), England (7 %) und der BRD (4 %) kommt ein Großteil der weltweiten Passagiere.  Die drei wichtigsten internationalen Anbieter sind Carnival Cruise, Royal Caribbean und Star Cruises.  Hauptzielgebiete sind das Mittelmeer und die Karibik.

3.3

Flusskreuzfahrten

Flüsse werden schon seit Jahrtausenden zur Fracht- oder Personenbeförderung genutzt. Der Flusstourismus begann bereits im 18. Jahrhundert für Adlige und Geistliche, die in der Sommerfrische den Komfort eines Schiffes bevorzugten. Der Beginn der modernen touristischen Flusskreuzfahrten begann erst in den 1960er Jahren mit dem Bau moderner Kabinenschiffe. Heute sind die Reisen auf den Flüssen aus dem touristischen Markt nicht mehr wegzudenken. Der Vorteil der Flussreisen ist, dass das Landerlebnis gleichberechtigt neben das Bordleben tritt und der Gast auf ganz bequeme Weise die Vielfalt und Schönheit der Landschaften genießen kann. Die Reise beginnt schon mit dem Einchecken an Bord. Das andauernde Aus- und Einpacken der Koffer entfällt. An den organisierten Ausflügen und Programmen kann ganz entspannt teilgenommen werden. Zudem stehen immer die gleichen Ansprechpartner zur Verfügung und für den Reisenden entstehen keine Sprachbarrieren. Besonders die Zielgruppe der 50-plus Generation schätzt diese bequeme Form des Reisens.

Modul B

 Der Reisepreis beträgt ca. 1.700 €, 75 % der Passagiere sind über 40 Jahre und die Reisedauer beträgt ca. neun Tage.

78

3.3.1

3 Kreuzfahrten

Arten von Flusskreuzfahrten

Ähnlich wie bei Hochseekreuzfahrten gibt es auch bei Flusskreuzfahrten verschiedene Angebotsbereiche. Es lassen sich jedoch deutliche Unterschiede in der Gestaltung des Programms und der Ausrichtung der Kreuzfahrt erkennen: Traditionelle Flusskreuzfahrten Die traditionelle Flusskreuzfahrt ist die Hauptreiseart der Flusskreuzfahrten. Es dominiert ein älteres und wohlhabendes Publikum. Inhaltlich besteht diese Art der Flusskreuzfahrt aus einer Kombination von Städtereise und reizvoller Landschaft. Die Ausflüge sind zumeist auf Stadtführungen und Fahrten in die nähere Umgebung beschränkt. Im Gegensatz zu den Hochseekreuzfahrtschiffen halten die Flussschiffe vorwiegend über Nacht. Tagsüber sind die Hauptprogrammpunkte entweder die erlebte Landschaft vom Schiff aus oder angebotene Ausflüge. Ein weiterer Bestandteil ist eine komfortable Umgebung an Bord, hervorragender Service und eine umfassende qualitativ hochwertige Verpflegung. 

 Themenkreuzfahrten Bei den Themenkreuzfahrten ist das gesamte Angebot der Reise, wie die Route, evtl. auch Termine, das Bordprogramm und die Ausflüge etc., auf ein bestimmtes Thema ausgerichtet. Das besondere Thema wird daher zum Hauptmotiv der Buchung für die betreffende Reise. Ein Beispiel sind Musikreisen mit dem Besuch von z. B. Konzerte, Ballett, Opern und Operetten sowie mit Konzerten an Bord, Seminaren und Vorträgen mitfahrender Künstler. Beliebte Themenreisen sind auch Gourmet- oder Weinkreuzfahrten. Auf Gourmetkreuzfahrten kochen Spitzenköche für die Passagiere an Bord der Schiffe und es werden Menüs und Spezialitäten der jeweiligen Länder sowie Ausflüge in berühmte Restaurants empfohlen. Weinkreuzfahrten beinhalten Weinseminare, Verköstigungen und Ausflüge zu Weinanbaugebieten und Winzereien. Daneben werden auch Film- und Literaturreisen, Sprachreisen mit Kursen an Bord sowie Esoterik-, Beauty- und Happy Single-Kreuzfahrten angeboten.  Weitere Angebote Weitere Angebotsarten sind besonders Kennenlern- oder Schnupperreisen mit reduzierten Preisen, die i.d.R. zwischen vier und sechs Tage dauern und bis auf wenige Ausnahmen in der Vor- bzw. Nachsaison (Winter) liegen. Eine weitere Angebotsart sind Festtagsreisen über Weihnachten und/oder Silvester mit einer Dauer von ca. acht

3.3 Flusskreuzfahrten

79

bis zwölf Tagen. Eine besondere Stellung nehmen sportlich- und fitnessorientierte Kreuzfahrten ein. Neben Pool und Sauna stehen ebenso Fitnessraum und Putting Green, Trekkingräder für Radtouren, Ausflüge zum Rafting und die Möglichkeit zum Golfspielen an Land zur Verfügung.

Produktbestandteile

Bei Flusskreuzfahrten steht in erster Linie die bequeme Form des Reisens im Vordergrund. Flussreisen bieten eine optimale Verbindung aus Entspannung und Entdeckungen. Im geruhsamen Reisetempo fährt man durch unterschiedlichste Landschaften, vorbei an historischen Bauten, Burgen, Schlössern, Dörfern, Städten, Wäldern und Weinberge. Somit erhält man von Deck aus einen großen kulturellen Einblick in die verschiedensten Regionen und Länder. Jeden Tag wird in anderen Städten angelegt und der Gast hat durch organisierte oder individuelle Landgänge die Möglichkeit, einen Einblick in die Städte und in das Leben dort zu bekommen. Die meisten Anlegestellen liegen sehr zentral, so dass sich die Gäste meist schon mit wenigen Schritten direkt im Zentrum befinden. Aufgrund der oft nahe gelegenen Abfahrtshäfen innerhalb Europas bieten Flusskreuzfahrten auch eine ideale Voraussetzung für einen Kurzurlaub.  Schiffskategorien Flusskreuzfahrtschiffe sind ihren Fahrtgebieten zumeist fix zugeordnet. So ist z. B. die Größe der Flussschiffe durch die Brücken, die unterquert werden, den Schleusenkammern oder auch durch die Breite der Kanäle, begrenzt. Die Flusskreuzfahrtschiffe lassen sich in zwei Größenklassen einteilen, die von touristischer Bedeutung sind. Dabei orientiert man sich am Bettenangebot. Die „Großschiffe“ verfügen i.d.R. über eine Anzahl von ca. 200 Betten und verkehren besonders auf der Donau, dem Rhein, der Mosel sowie auf den großen russischen und ukrainischen Flüssen. Die kleinere Kategorie verfügt über ca. 100 Betten. Die neu in Dienst gestellten Flusskreuzfahrtschiffe, die so genannten „Schiffe der dritten Generation“, entsprechen den heutigen Anforderungen an Technik und Sicherheit. Ermöglicht wurde dies durch geringere Maße, eine versenkbare Brücke und einen neuen (Pumpjet-)Antrieb. So verfügen die Schiffe über einen Doppelboden und drei durchlaufende Decks. Der Schallpegel in den Kabinen und Gesellschaftsräumen beträgt nicht mehr als 55 Dezibel.  Ausstattung Die Ausstattung der Schiffe reicht von einfach bis luxuriös. Je nach Kategorie beträgt das Verhältnis von Mitarbeitern zu Passagieren (PCR) ca. 1:4 bis 1:8. Fast alle Schiffe bieten ausschließlich Außenkabinen und z.T. eine eigene Veranda an. Die Kabinengröße variiert zwischen 8 bis 25 m². Auf allen Schiffen gibt es ein Restaurant, eine Bar, eine Bibliothek, eine Boutique und ein Sonnendeck mit Liegestühlen. Manche

Modul B

3.3.2

80

3 Kreuzfahrten

Schiffe sind zudem mit Swimmingpool und Fitnessraum ausgestattet. Die Küchen bereiten ein vielfältiges Speisenangebot. Auch Sonderwünsche der Gäste, wie Schonoder Diätkosten, werden dabei berücksichtigt. Die Ansprüche der Gäste sind in den letzten Jahren stark gestiegen und sie möchten sich immer öfter „etwas gönnen“. Auf dem Markt werden daher fast nur noch 4-Sterne-Schiffe nachgefragt.

Fallbeispiel Serenité River Cruising Gleiten durch den Tag

Mit der Masse der gleichförmigen Flusskreuzfahrtschiffe hat der 38 m lange und nur 5 m breite kleine Flusskreuzer nur wenig gemeinsam. Die geringe Größe hat den Vorteil, dass auch kleinere Flüsse und besonders die schmalen französischen Kanäle befahren werden können. Die Passagiere werden von nur fünf Besatzungsmitgliedern versorgt. Das Schiff bietet Platz für zwölf Passagiere, welche ca. 2000 € pro siebentägige Reise zahlen. In diesem Preis sind alle Leistungen (Gourmetessen, Getränke und Ausflüge) enthalten. Die Einrichtung ist elegant und die sechs Kabinen bieten trotz einer Größe von nur 12 m² ausreichend Platz. Das Hauptdeck besteht aus einem einzigen Raum, der mehrfach unterteilt ist. Dieses schwimmende Wohnzimmer ist Speisesaal, Bar, Lounge, mobiles Büro der Eigner und Steuerstand in einem. Das Schiff durchquert Europa auf seinen Wasserstraßen. Bei allen Strecken wird darauf Wert gelegt, dass abwechselnd eindrucksvolle Landschaften und wenige aber sehenswerte Ausflugsziele angesteuert werden. Nachts wird am Hafen angelegt, schließlich möchte man die schaft tagsüber entdecken. Erarbeiten Sie in einem Verkaufsgespräch den Mehrwert der Serenité!

 Fahrtgebiete Das Angebot an Flusskreuzfahrtrouten in Europa ist sehr vielfältig. Insgesamt sind über 15.000 km in Europa auf dem Wasser befahrbar. Außerhalb Europas hat der Nil die größte Bedeutung. Seit Öffnung des Ostblocks werden auch Flusskreuzfahrten auf der Wolga angeboten. In Südamerika hat der Amazonas die größte touristische Anziehungskraft. Die beste Reisezeit ist in den Monaten von April bis Oktober.

3.3 Flusskreuzfahrten

Russl./Ukr. 10,5 %

81

Nil 19,5 %

Italien 0,1 %

Sonstige 3%

Deutschland 15,7 %

Frankreich 8,4 %

Abb. 3.15



Fahrtgebiete deutscher Flusskreuzfahrtpassagiere

(Quelle: DRV)

Donau

Auf einer Länge von 2.888 km, von denen 2.510 km schiffbar sind, erstreckt sich die Donau über zehn europäische Länder und stellt ein optimales Fahrgebiet für Flusskreuzfahrten dar. Für die meisten Fahrten ist Passau der Ausgangsort. Jedes Jahr legen in Passau ca. 1.500 Kreuzfahrtschiffe an und transportieren dabei ca. 213.000 Passagiere. Viele angebotene Reisen führen nach Wien und weiter nach Budapest, einige auch bis hin zum Donaudelta.

Blick in die Wachau 

Rhein

Der Rhein gehört zu den traditionsreichsten Flusskreuzfahrtgebieten in Europa. Mit einer Länge von 1320 km ist er Deutschlands längster Fluss. Ursprünglich wurde der Fluss nur mit Tagesschiffen zwischen den Städten Köln, Koblenz und Mainz befahren. Heute fahren über 30 Flusskreuzfahrtschiffe auf dem Rhein. Eine Reise von Ba-

Modul B

Donau 37,2 %

Benelux 5,6 %

82

3 Kreuzfahrten

sel nach Amsterdam dauert im Schnitt sieben Tage. Bei den Fahrtrouten gibt es jedoch eine Vielzahl an Möglichkeiten für Kombinationen mit den Nebenflüssen des Rheins. 

Wolga

Die Wolga ist der längste und wasserreichste Strom Europas. Sie entspringt nordwestlich von Moskau und mündet nach 3530 km unterhalb von Astrachan ins Kaspische Meer. Die Reisen auf der Wolga werden meist in Verbindung mit den Nebenflüssen Newa, Swir, Moskwa und Don angeboten. Durch die Breite des Stroms können hier die größten Passagierschiffe Europas mit einer Kapazität von bis zu 300 Personen eingesetzt werden. Zu einer der populärsten Strecken gehört eine Fahrt von Moskau nach St. Petersburg. Diese Fahrt dauert im Schnitt zwischen 8 und 13 Tagen. 

Nil

Auf einer Länge von 6.671 km reihen sich neun Länder des afrikanischen Kontinents entlang des Nils, bis dieser letztendlich in das Mittelmeer mündet. Der Tourismus in Ägypten hat mit schwankenden Tourismuszahlen aufgrund von Kriegen und Anschlägen im eigenen Land zu kämpfen. Internationale Reiseveranstalter bieten Kreuzfahrten auf dem Nil größtenteils in Kombination mit Landaufenthalten im Rahmen von Studien- bzw. Rundreisen in Ägypten an. Ca. 60 und 85 % aller Ägyptenurlauber buchen eine Kreuzfahrt auf dem Nil. 

Weitere Routen

In Deutschland bieten neben den bekannten Rhein und Donaurouten die Nebenflüsse Mosel, Saar, Main und Neckar viele Kombinationsmöglichkeiten mit Rheinreisen an. Jeder dieser Flüsse hat seinen eigenen Charakter und durchfließt unterschiedliche Landschaften. In den Niederlanden und den nördlichen Teil von Belgien bieten Rhein, Ijsselmeer, Schelde und Maas vielfältige Routenkombinationen. Die Reisen auf den französischen Flüssen Saone und Rhone sind in den letzten Jahren immer populärer geworden. In Italien ist der Po mit 600 km der längste Fluss. Eine Reise auf dem Po beginnt oder endet in Cremona bzw. in Venedig und führt durch die Poebene in Oberitalien. Weitere genutzte Strecken für Flusskreuzfahrten sind: Douro (Spanien/ Portugal), Djnepr (Ukraine), Havel, Oder, Elbe und Moldau.

3.3.3

Marktüberblick

Flusskreuzfahrten gehören zu den am stärksten wachsenden Marktsegmenten in der Touristik. Die führenden Anbieter auf dem Flusskreuzfahrtenmarkt sind überwiegend See- und Flussreisenspezialisten. Der Markt ist sehr zersplittert und es gibt eine Vielzahl von nationalen Anbietern. Ein großer Teil des nationalen Angebotes wird allerdings mit von internationalen Reedereien gecharterten Schiffen abgewickelt. Die großen Touristikkonzerne (insbesondere TUI) bieten auch Reisen auf dem Wasser an, können mit ihren Umsätzen jedoch nicht mit den Flussreisenspezialisten konkurrieren.

83

Trend Passagiere Umsatz in Mill. € Ø Reisepreis in € Ø Reisedauer Abb. 3.16

   

2008

2009

2010

2011

2012

383.690

396.075

432.766

461.695

436.628

434

424

472

496

455

1.154

1.070

1.090

1.075

1.043

7,6

7,9

7,3

7,6

7,5

Marktüberblick Flusskreuzfahrten

(Quelle: DRV)



Viking River Cruises ist ein weltweit tätiger Konzern mit Hauptsitz in Basel (Schweiz). Im Jahr 2012 machte die Gesellschaft ca. 400 Mill. USD Umsatz mit ca. 100.000 Passagieren, wobei mittlerweile ca. 70 % der Gäste aus Nordamerika kommen. Viking River Cruises ist Markführer in Deutschland und weltweit. Mit modernen Flusskreuzfahrtschiffen ist Viking auf vielen Flüssen in Europa und der ganzen Welt unterwegs. Ab 2014 wird Viking sich allerdings aus dem deutschen Markt zurückziehen.



Phoenix Flussreisen ist in Deutschland der größte Veranstalter von Flussreisen. Ca. 45 Flussschiffe fahren exklusiv unter Phoenix Flussreisen-Flagge, denn Phoenix chartert die Flusskreuzfahrtschiffe komplett und hat somit maßgeblichen Einfluss auf Reiseroute und Bordprogramm. Vom einfacheren 3-Sterne-Schiff mit Betreuung durch den Kapitän bis hin zum luxuriösen 5-Sterne-Schiff werden Reisen für jeden Geschmack angeboten. Phoenix Flussreisen gilt zudem als Spezialist für Nil-Reisen.



Nicko tours veranstaltet Flussreisen auf eigens dafür angecharterten Schiffen auf den Flüssen Wolga, Dnjepr, Donau, Oder, Rhein und Mosel sowie Nil und Jangtse. Insgesamt fahren 30 Schiffe unter Nicko tours-Flagge mit einer Gesamtkapazität von ca. 5.000 Passagierbetten. Der Schwerpunkt liegt im 3- und 4-Sterne-Segment. Im Jahr 2011 verzeichnete Nicko tours knapp 90.000 Reiseteilnehmer



Die A-ROSA Flussschiff GmbH ist einer der führenden Spezialisten für hochwertige Kreuzfahrten auf Flüssen. Zurzeit fahren für A-ROSA zwölf Schiffe, sechs davon auf der Donau, vier auf dem Rhein und zwei Schiffe auf der Rhône. Das Unternehmen hat Büros in Rostock und der Schweiz mit insgesamt ca. 520 Mitarbeitern und machte 2010 einen Gesamtumsatz von 64 Millionen Euro.

3.3.4

Nachfragegruppen

Der Wachstumstrend der Flusskreuzfahrten in den letzten Jahren ist ungebrochen. Die Zahl der Neukunden nimmt ständig zu und auch für die kommenden Jahre rechnen die führenden Anbieter weiterhin mit einem Nachfrageanstieg. Die Hauptzielgruppe der Flusskreuzfahrtkunden liegt in der 50-Plus-Generation. Damit sind die Teilnehmer der Flusskreuzfahrten im Schnitt um bis zu zehn Jahre älter als bei den Hochseekreuzfahrten. Im Hinblick auf die demografische Entwicklung in Deutschland und

Modul B

3.3 Flusskreuzfahrten

84

3 Kreuzfahrten

Gesamteuropa mit einem ständig wachsenden Anteil von Personen über 50 Jahren ist mit einem starken Wachstum der Hauptzielgruppe zu rechnen.

34,9 %

35,1 %

56-65 J.

über 65 J.

20,6 %

0,5 % 1 - 14 J. Abb. 3.17

1,6 %

7,3 %

15 - 25 J. 26 - 40 J.

41-55 J.

Altersstruktur der deutschen Flusskreuzfahrtpassagiere

(Quelle: DRV)

Die Senioren gehören zudem zu einer der lukrativsten Zielgruppe des Tourismus. Es wird demnach auch ein stetig wachsendes Marktpotenzial für Flusskreuzfahrten geben. Reiseveranstalterstudien zufolge haben viele Flusskreuzfahrtkunden das Erwerbsleben bereits hinter sich gelassen, verfügen über eine hohe Kaufkraft und sind weniger anfällig für konjunkturelle Schwankungen. Zudem zeigen sie ein überproportional starkes kulturelles Interesse. Ein weiterer Punkt für die starke Ausrichtung auf die Zielgruppe ist auch die bequeme und sichere Form des Reisens. Der Komfort, das mitreisende Hotel, kulinarische Genüsse und eine Betreuung durch kompetente Reiseleiter sind die maßgeblichen Entscheidungskriterien dieser Zielgruppe für eine Flusskreuzfahrt. Betrachtet man die länderspezifische Nachfrage, so gehört Deutschland zu dem europäischen Land mit dem größten Passagieraufkommen. Neben den deutschen Touristen sind in Europa noch der englische, der schweizerische, der französische und der italienische Markt von großer Bedeutung. Ebenfalls von großer Bedeutung ist das Passagieraufkommen von US-Amerikanern auf den europäischen Flüssen.

Erkenntnisse Flusskreuzfahrten



 Bei Flusskreuzfahrten sind Landerlebnis und Bordleben gleich wichtig. Es gibt traditionelle und Themenfahrten.  Wichtige Anbieter sind Viking River Cruises, Phoenix, A-ROSA u.w. Alle Anbieter sind im Vier-Sterne-Segment tätig.  Der Reisepreis beträgt ca. 1.100 €, 70 % der Passagiere sind über 55 Jahre alt und die Reise-dauer beträgt ca. acht Tage.  Hauptzielgebiete sind die europäischen Flüsse, besonders die Donau und der Rhein. Wichtiges außereuropäisches Ziel ist der Nil.

3.3 Flusskreuzfahrten

85



Vertiefungsfragen

 Wodurch unterscheiden sich die Luxus- von den Clubkreuzfahrten?  Was sind die Unterscheidungskriterien der einzelnen Kreuzschiffskategorien?

 Welche unterschiedlichen Produktbestandteile haben Hochsee- und Flusskreuzfahrten?

 Welche Produkttypen und beliebten Fahrgebiete gibt es bei Flusskreuzfahrten?

 Welche Zukunftsperspektiven erwarten Sie für Kreuzfahrten?

Literaturhinweise Dowling R.K. (Hrsg.), Cruise Ship Tourism, Joondalup 2006

Mundt J., Baumann E., Kreuzfahrten, in: Mundt J., Reiseveranstaltung, München 2007, S. 369–402



Schäfer C., Kreuzfahrten – Die touristische Eroberung der Weltmeere, Dissertation, Nürnberg 1998

  

Schüssler O., Kreuzfahrtmarkt 2012, Studie des DRV, Frankfurt/Main 2013 Schulz A., Verkehrsträger im Tourismus, München 2009 Schulz A., Kreuzfahrten und Schiffsverkehr im Tourismus, München 2010

Internetquellen 



www.tourismus-grundlagen, www.tourismus-kreuzfahrten.de Weitere Fallbeispiele, Folien und aktuelle Informationen zum Buch



www.shippax.se Sehr gute Seite mit aktuellen Informationen und Zahlen zu allen Bereichen der Passagierschifffahrt



www.reederverband.de Offizielle Homepage des Verbands deutscher Reeder (VDR) mit Statistiken, Berufsbildern, Berichten und Pressemitteilungen



www.shipparade.com Englischsprachige Seite mit Infos und Bildern von Kreuzfahrtschiffen. Bilder und Informationen über Kreuzfahrthäfen sind ebenfalls abrufbar.



www.flusskreuzfahrten.de Internetauftritt eines Expertenreisebüros für Flusskreuzfahrten, Beschreibungen von Reedereien, Schiffstypen und Fahrtrouten

Modul B

 



4

Bahnen

Lernziele



 Die Besonderheiten des Bahnverkehrs herausarbeiten;  Einen Überblick des Unternehmens Deutsche Bahn AG geben;  Unterschiedliche Zugtypen erläutern;  Das Vertriebs- und Tarifsystem der Deutschen Bahn beurteilen;  Die Zukunft des Hochgeschwindigkeitsbahnverkehrs in Europa skizzieren;

 Die verschiedenen Luxuszüge benennen können.

Zukunft der Bahn? ICE und TGV Weitere Informationen, Fallbeispiele & Übungen unter www.tourismus-grundlagen.de

Modul B

Am Ende dieses Kapitels sollten Sie Folgendes können:

88

4 Bahnen

4.1

Überblick

Eisenbahnen sind schienengebundene Verkehrsmittel zum Transport von Gütern und Personen. Die Fahrzeuge werden an mechanischen oder magnetischen Schienen geführt. Zu den mechanisch geführten Systemen gehören vor allem die Schienenbahnen, die das Rad-Schiene-System nutzen. Nach demselben technischen Prinzip funktionieren auch andere Bahnen, bspw. Straßenbahnen, Stadtbahnen, U-Bahnen, Hochbahnen und Bergbahnen. Großer Vorteil des Bahnverkehrs ist der niedrige Energieverbrauch infolge der geringen Rollreibung zwischen Rad und Schiene. Aufgrund der notwendigen spezifischen Infrastruktur (Gleise, Bahnhöfe, Signalanlagen) sind jedoch hohe Investitionen erforderlich.

Bahnverkehr Schienenverkehr Schienennahverkehr

Schienenfernverkehr

- U-Bahnen - Stadtbahnen - Schnellbahnen (S-Bahn) - Straßenbahnen - Kabelbahnen - Hochbahnen - Hängebahnen

- Linienverkehr - Charterverkehr - Hochgeschwindigkeitszüge - Luxuszüge - Nachtzüge - Magnetschwebebahn - Güterverkehr

Abb. 4.1

Weitere Bahnen

-

Bergbahnen

Bahnen im Freizeitbereich

Zahnradbahnen Seilbahnen Reibradbahnen Sessel- & Schlepplifte

- Historische Züge/ Museumsbahnen - Achterbahnen - Geisterbahnen

Überblick Bahnverkehr

Eine weitergehende Unterscheidung der Verkehrsformen in Schienenpersonenfernverkehr und öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) ist in Deutschland üblich. Zum ÖPNV gehört neben dem Schienennahverkehr auch der öffentliche Busnahverkehr. Beide Nahverkehrsarten werden im Weiteren nicht näher betrachtet, da sie für den Tourismus nur eine untergeordnete Rolle spielen. Für die Tourismusindustrie ist die Unterscheidung zwischen Linien- und Charterverkehr üblich. Große Teile des touristischen Bahnverkehrs werden allerdings im Rahmen des normalen Linienverkehrs abgewickelt.

4.2

Markt & Strategie Bahn

4.2.1

Historie

89

Vorläufer der Eisenbahn sind die Holzspurbahnen der spätmittelalterlichen Bergwerke. Eiserne Gleisbahnen gab es in englischen Hüttenwerken gegen Ende des 18. Jahrhunderts, welche allerdings durch Pferde oder menschliche Muskelkraft bewegt wurden. Erst die Erfindung der Dampfmaschine durch James Watt ermöglicht den maschinellen Betrieb. Am 13.2.1804 fuhr der erste mit Dampfkraft bewegte Eisenbahnzug der Welt auf der Hüttenwerkbahn von Merthyr Tydfil in Südwales. Die Maschine zog auf fünf Wagen zehn Tonnen Fracht und zusätzlich 70 Mann in vier Stunden und fünf Minuten über die neun Meilen lange Strecke (ungefähr 15 km). Der Beginn des personengestützten Eisenbahnzeitalters wird durch die Eröffnung der Strecke Stockton – Darlington 1825 markiert. Die ersten bedeutenderen Städte, die durch eine Eisenbahn miteinander verbunden wurden, waren 1830 Liverpool und Manchester. Die Eisenbahn verbreitete sich von hier aus zunächst langsam, dann immer schneller über die ganze Erde. 1835 wurde in Deutschland die erste Eisenbahnstrecke (6 km lang) zwischen Nürnberg und Fürth eröffnet, 1839 die 116 km lange Eisenbahnstrecke zwischen Leipzig und Dresden. In den folgenden Jahrzehnten wurden in ganz Deutschland Eisenbahnlinien gebaut. Diese wurden teilweise privatwirtschaftlich geführt, teilweise unterstanden sie der Leitung des Staates, daher war das Netz nicht flächendeckend und ärmere Landesteile wurden vom Bahnverkehr nicht erschlossen. Die deutschen Eisenbahnen wurden deshalb 1895 verstaatlicht und blieben in dieser Organisationsform bis nach dem Ersten Weltkrieg bestehen. Durch den Zweiten Weltkrieg wurde ein Großteil der Lokomotiven und Waggons zerstört, aber nach Ende des Krieges war die Eisenbahn das einzige überregionale Verkehrsmittel und wurde von Flüchtlingen, Kriegsheimkehrern, Reisenden und für den Güterverkehr genutzt. Nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland entstand 1949 die Deutsche Bundesbahn, während die Bahn in der DDR weiterhin die Deutsche Reichsbahn blieb. Der Schienenverkehr war bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts das Hauptverkehrsmittel in Deutschland. Dann wurde die Automobilindustrie in Deutschland immer stärker und das Autofahren beliebter. Der Staat investierte mehr Finanzmittel in den Straßenverkehr als in das Schienennetz und die Bahn verlor an Bedeutung. Die Wiedervereinigung von Ost- und Westdeutschland im Jahr 1990 machte es möglich, eine dringend benötigte Reform des Eisenbahnwesens durchzuführen.

4.2.2

Marktumfeld & -teilnehmer

Die Schiene zeichnet sich gegenüber anderen Verkehrsträgern durch eine Reihe von Marktbesonderheiten aus, die mitunter erheblichen Einfluss auf den Betrieb und die Erfolgsaussichten des Schienenverkehrs nehmen: –

Der Verkehrsweg Schiene stellt besondere Anforderungen an das System Eisenbahn. So muss ein Eisenbahnunternehmen die hohen Kosten für die Infrastruktur

Modul B

4.2 Markt & Strategie Bahn

90

4 Bahnen

durch eine intensive Nutzung der Gleisanlagen sicherstellen. Schlüsselfaktoren zur bestmöglichen Auslastung von Strecken sind die zu Verfügung stehende Streckenkapazität bzw. -leistungsfähigkeit. –

Eine weitere Besonderheit des Schienenverkehrs betrifft die Besitzverhältnisse, da andere Verkehrsträger durch eine Trennung der Eigentumsverhältnisse des Verkehrsträgersystems gekennzeichnet sind. Das Eigentum bzw. die Kontrolle für Verkehrswege liegt meist beim Staat, während die Bereitstellung der Verkehrmittel (Flugzeuge, Busse) sowie die Bereitstellung von Stationen (z. B. Flughäfen, Schiffshäfen) jeweils durch private Unternehmen erbracht werden. Dies ist bei dem System Schiene anders, da bei den staatlichen Bahnen Schienenfahrzeuge, Gleise und Bahnhöfe im Besitz einer Gesellschaft sind.



Zudem ist die Bahn aufgrund der staatlichen Besitzverhältnisse von der Verkehrspolitik und wechselnden Regierungen abhängig. Schließlich war die Bahn bis 1994 als Behörde organisiert und damit an staatliche Weisungen direkt gebunden. Betriebswirtschaftlich sinnvolle Entscheidungen und marktorientierte Entwicklungen waren deshalb kaum möglich. Die Bahn wurde – neben der Landwirtschaft und dem Kohlebergbau – zu einem der größten Empfänger staatlicher Subventionen. Die Verschuldung belief sich Anfang der 1990er Jahre auf fast 35 Mrd. €.

4.2.3

Zahlen & Fakten Deutsche Bahn

Konzernumsatz (Mill. €) Betriebsergebnis (Mill. €) Mitarbeiter Betriebsstellen (Bahnhöfe etc.) Schienennetz (km) Reisende (Mrd.) Personenkilometer (Mrd.) Trassen-km DB-Züge (Mill.) Trassen-km externe Unternehmen (Mill.) Abb. 4.2

Unternehmenszahlen der Deutschen Bahn

2010

2011

2012

34.410 1.866 276.310 5.700 33.723 1,950 76.772 838,6 195,4

37.979 2.177 284.319 5.685 33.576 2,738 79.228 831,1 219,9

39.296 2.529 287.508 5.645 33.505 4,181 82.366 808,4 230,6

(Quelle: DB Geschäftsberichte)

Als Aktiengesellschaft unterliegt das Unternehmen der Deutschen Bahn den Bilanzierungsvorschriften des HGB und veröffentlicht ihre Konzernabschlüsse jährlich. Wichtige wirtschaftliche Kennzahlen sind bspw. Umsatz, Anlagevermögen, Eigenkapital, Cashflow vor Steuern und Investitionen. Maßgeblich für die Umsatzentwicklung der DB AG sind außerdem Leistungskennzahlen, zu denen im Personenverkehr die Anzahl der Reisenden, Reisendenkilometer,

4.2 Markt & Strategie Bahn

91

Betriebsleistung und im Schienengüterverkehr die Anzahl der beförderten Güter, Transportleistung, Transportweite, Anzahl der Bahnhöfe und die Betriebsleistung gehören. Die wesentlichen Zahlen sind in der nachfolgenden Abbildung zusammengefasst:

Der Nah- und Regionalverkehr ist für die kurzen Distanzen bis ca. 100 km zuständig und bietet ein weit verzweigtes Regionalverkehrsnetz. Ziel ist das Angebot eines integrierten Angebots von Schiene und Bus. Das Geschäftsfeld „Stadtverkehr“ wurde im Dezember 2010 aufgelöst. Der Geschäftsbereich wurde mit dem Segment DB Regio zusammengefasst und heißt jetzt „DB Bahn Regio“. DB Fernverkehr

DB Bahn Regio

Reisende/Jahr 131,3 Mill. Mitarbeiter Züge/Tag 1.353 Umsatz Schiene Lokomotiven 443 Reisende/Jahr 1,84 Mrd. Triebzüge 253 Züge/Tag 23.838 Reisezugwagen 3.006 Lokomotiven 1.115 Mitarbeiter 15.947 Triebwagen 9.525 Umsatz 4,1 Mrd € Reisezugwagen 4.122

36.959 8,9 Mrd. Bus Reisende/Jahr 725,2 Mio. Busse 13.429 - Eigenbestand 4.810 - Fremdbestand 8.619

DB Bahn Vertrieb 5.900 Mitarbeiter 7.323 Automaten 3.600 Reisebüros 420 Reisezentren 6 Callcenter Abb. 4.3

Betriebsleistungen der Deutschen Bahn

Ca. 314 Mill.Tickets/Jahr bahn.de:ca.488 Mill. Reiseauskünfte/Jahr Kanalmix: ca. 30 % personenbedient Ca. 70 % systembasiert

(Quelle: Deutsche Bahn)

Der Personenverkehr befindet sich heute auf dem Weg zum ganzheitlichen Mobilitätsdienstleister. Schon jetzt umfasst die Bahn nicht nur die Eisenbahn, sondern auch ergänzende Dienstleistungen, wie das stunden- oder tageweise Mieten von Autos (DB Carsharing) oder Fahrrädern (Call a bike) und die feste Vernetzung mit dem öffentlichen Personennahverkehr. In Zukunft ist eine weitere Verflechtung zwischen allen Verkehrsträgern zu geschlossenen Mobilitätsketten geplant.

Modul B

Das wesentliche touristische Aufgabengebiet umfasst den Fernverkehr der Deutschen Bahn, wobei der Schwerpunkt auf mittleren Entfernungsbereichen (100 bis 450 km) zwischen Ballungsgebieten im In- und Ausland liegt. Der Fernverkehr findet sowohl im Linien- als auch im Charterverkehr statt. Das Zugangebot im Fernverkehr von 1.353 Zügen täglich nutzen 2012 131,3 Mill. Reisende, wobei die Auslastung der Fernzüge lediglich 50,3 % betrug. Im touristischen Bereich hat sich die Deutsche Bahn AG von maßgeblichen Beteiligungen getrennt, um sich verstärkt auf ihr Kerngeschäft konzentrieren zu können.

92

4.3

4 Bahnen

Produktionsfaktoren Bahn

Das Transportmittel Eisenbahn ist zusammengesetzt aus Lokomotiven und Eisenbahnwagen. Lokomotiven unterscheiden sich nach der primären Antriebsenergie in Dampf-, Diesel- und Elektrolokomotiven. Der Wagenpark differenziert sich nach Funktion in Personen- und Güterwagen. Im Bereich des Personenverkehrs gibt es besondere Wagenformen, wie z. B. Doppel-, Schlaf-, Salon- und Speisewagen. Der Unternehmensbereich DB Fuhrpark-Gruppe stellt die Fahrzeuge in Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen bereit. Der ICE 1 z. B. entstand gemeinsam mit den Unternehmen ABB, AEG, Siemens, Thyssen-Henschel, Krupp und Krauss-Maffei. Die Lokomotiven und Triebwagen sind mit Baureihennummern gekennzeichnet, die den Typ des Transportmittels erkennbar machen. So entspricht die Baureihe 401 z. B. dem ICE 1. Hinsichtlich der Produktqualität differenziert sich das Leistungsangebot der Bahn in zwei Klassen. Die Bahn gilt allgemein als ein sicheres Verkehrsmittel. Ausgereifte Sicherheitseinrichtungen gibt es sowohl in den Triebfahrzeugen als auch für die Bahnanlagen. Auf den Schienen fahren unterschiedliche Zugtypen. Diese sind nach Funktionszweck, Schnelligkeit und Komfort zu unterscheiden:  Intercity-Express (ICE) Der Intercity-Express (ICE) ist das Flagschiff der Deutschen Bahn. Die Triebzüge verteilen sich auf fünf Baureihen (59 ICE 1, 44 ICE 2, 67 ICE 3, 71 ICE T und 19 ICE TD), von denen rund 60 Triebzüge ins Ausland verkehren. Die Züge erreichen im Fahrgastbetrieb Höchstgeschwindigkeiten zwischen 200 und 320 km/h und befördern über die Hälfte der Reisenden im deutschen Eisenbahnfernverkehr. Seit 1991 nutzten etwa 550 Mill. Fahrgäste den ICE, allein im Jahr 2007 waren es ca. 70 Mill. Menschen.

Der ICE 3 wurde von der Deutschen Bahn AG erstmals im Sommer 2000 als Zubringer für die Weltausstellung (Expo) in Deutschland eingesetzt. Er kann auch international eingesetzt werden, da er für die verschiedenen Stromsysteme der Niederlande, Belgiens und Frankreichs ausgelegt ist. Die Antriebsmotoren befinden sich beim ICE 3 nicht mehr in den Triebköpfen an den Enden des Zuges, sondern sind unter den Fahrgasträumen verborgen und auf mehrere Wagen verteilt. Während beim ICE 1 nur 8 von bis zu 64 Achsen angetrieben werden, sind es beim ICE 3 16 von 32 Achsen. Dadurch verbessert sich die Beschleunigung erheblich: Um eine Geschwindigkeit von 100 km/h zu erreichen, benötigt der ICE 3 49 Sekunden gegenüber 80 Sekunden beim

4.3 Produktionsfaktoren Bahn

93

ICE 1. Ein großer Vorteil ist daher der beträchtliche Fahrzeitgewinne auf Strecken mit vielen Geschwindigkeitswechseln. Insgesamt beschleunigen 8000 kW die acht Wagen des ICE 3 auf seine Reisegeschwindigkeit von 300 km/h (Höchstgeschwindigkeit: 330 km/h). Eingesetzt wird der ICE3 zumeist unter den Marketingnamen ICE Sprinter. Diese Zuggattung pendelt früh morgens und spät abends zwischen Deutschlands Metropolen und ist besonders für Geschäftsleute interessant.

 DB Autozug Für Reisende, die im Urlaub nicht auf ihr Auto oder Motorrad verzichten wollen, gibt es den DB AutoZug. Mit ihm werden touristisch relevante Gebiete in Deutschland, Frankreich, Italien und Österreich angefahren. Die Züge sind in Sitzwagen, Liegewagen und Schlafwagen unterteilt. Die Preise richten sich nach Teilnehmer, Autogröße und Reiseziel. Sie variieren zudem nach Abfahrtsdatum; in der Hauptreisesaison liegen die Kosten höher. Pro Fahrzeug werden zwischen 50 € und 250 € in der günstigsten, zwischen 100 € und 600 € in der höchsten Preisklasse fällig. Je nach Komfort, bspw. bei einem eigenen Abteil mit Dusche und WC, kann sich der Preis weiter erhöhen. In jüngster Zeit wurden trotz guter Auslastungen einige Strecken gestrichen, da die Trassenpreise für die in- und ausländischen Strecken stark gestiegen sind.  City Night Line (CNL) Zum Fahrplanwechsel im Dezember 2007 wurden die Nachtzugangebote der Bahn (DB Nachtzug, UrlaubsExpress und CityNightLine) in der Marke City Night Line zusammengeführt. Diese einheitliche und internationale Marke setzt neue Maßstäbe im internationalen Nachtreiseverkehr. Die Markenvereinheitlichung umfasst neben dem gemeinsamen Namen und einem einheitlichen Zugauftritt im rot-weißen DBDesign insbesondere eine Angleichung der Standards bei Komfort, Qualität und Service und setzt so neue Maßstäbe im internationalen Nachtreiseverkehr. Das Angebot umfasst zahlreiche Verbindungen in folgende Länder: Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Italien, Niederlande, Österreich, Schweiz und Tschechien. Der DNachtzug (D-Nacht) ist ein Angebot verschiedener Bahngesellschaften und fährt in die meisten Länder Osteuropas. Der EuroNight ist ein Angebot der Partnerbahnen aus Österreich, Italien, Ungarn und Rumänien.

Modul B

 Intercity (IC) Im Jahre 2007 fuhren 52 Mill. Fahrgäste mit den Intercity-Zügen und ihren 1618 Reisezugwagen. Der IC verbindet im Ein- oder Zwei-Stunden-Takt größere Städte und erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h. Züge gleicher Qualität, die die Metropolen der Nachbarländer mit Deutschland verbinden, fahren unter dem Namen EuroCity. Die meisten ICs und ECs verfügen über ein Bordrestaurant oder ein Bordbistro. Für die Fahrt muss ein Aufpreis gezahlt werden, der jedoch geringer ist als beim ICE. Die Intercity-Züge der Deutschen Bahn wurden inzwischen modernisiert. Unter anderem finden die Kunden Notebook-Steckdosen in den Abteilen der 1. Klasse und an den Tischplätzen im Großraum beider Wagenklassen.

94

4.4

4 Bahnen

Marketing & Vertrieb Bahn

 Nachfrage Vielen Bahnkunden ist ein hohes Maß an Flexibilität wichtig. Sie wollen sich spontan für einen Zug entscheiden. Diese Zielgruppe will sich nicht im Vorfeld auf einen Zug festlegen und deshalb sind die Frühbucherangebote der Bahn für sie nicht interessant. Da ältere Menschen häufig nicht mehr in der Lage sind, über längere Strecken mit dem Auto zu fahren und ihren Urlaub oft im Inland verbringen, nutzen sie gerne die Bahn als Verkehrsmittel. Fast jeder fünfte Rentner fährt mit der Bahn in den Urlaub. Die Bahn bietet spezielle Angebote für Geschäftsreisende an. Geschäftskunden haben den Anspruch, zeitsparend, komfortabel, ruhig und vermehrt auch kostengünstig zu reisen.  Tarifsystem Die Preispolitik der Bahn ist durch das Tarifsystem vorgegeben. Es erfolgt eine Mischkalkulation. Sondertarife gibt es z. B. für Reiseveranstalter oder Jugendreisen. Von Reisezeit, Klasse, Zugart und Strecke, Anzahl der reisenden Personen und Zeitkarten abhängig ist die Differenzierung der Preise. Die Bahn vertreibt seit 2008 außerdem kurzzeitig Tickets zu Sonderkonditionen in Supermarktketten und bei Ebay. Yield-Management spielt bei der Bahn nur eine geringe Rolle, da anders als bei anderen Verkehrsmitteln bei der Bahn der Fahrscheinkauf meist nicht im Zusammenhang mit der Festlegung auf einen bestimmten Zug steht. Dennoch versucht die Deutsche Bahn ihre Auslastung ansatzweise mit Hilfe der Prinzipien von YieldManagement zu steuern, indem Kunden für frühzeitige Buchungen besondere Rabatte erhalten. Das umfangreiche Angebot hinsichtlich unterschiedlicher Regionen und verschiedener Zugtypen hat zu einer heterogenen Preislandschaft der Deutschen Bahn geführt. Grundsätzlich ist jedoch zwischen „Normalpreisen“ und „Sonderpreisen“ zu unterscheiden. Normalpreise sind die Kilometerpreise, die Relationspreise und die Pauschalen. Sondertarife gibt es z. B. für Reiseveranstalter oder Jugendreisen. Von Reisezeit, Klasse, Zugart und Strecke, Anzahl der reisenden Personen und Zeitkarten abhängig ist die Differenzierung der Preise. Zudem wird zwischen Fern- und Nahverkehr unterschieden. Räumliche Differenzierung - LOCOPreissystem Abb. 4.4

Zeitliche Differenzierung - SchönesWochenende-Ticket - Frühbucherrabatte

Personelle Differenzierung - Seniorenrabatt - Familienrabatt

Quantitative Differenzierung - BahnCard - Großkundenabo - NetzCard

Preisdifferenzierung bei der Deutschen Bahn AG

Bei einer räumlichen Preisdifferenzierung wird die Verkehrsdienstleistung an unterschiedlichen Orten zu verschiedenen Preisen angeboten. Diese Differenzierung bietet die Bahn beim so genannten LOCO-Preissystem des ICE an. Hier wird der Preis nicht

4.4 Marketing & Vertrieb Bahn

95

Die zeitliche Preisdifferenzierung wird gezielt zur Steuerung von Nachfrage und Kapazitäten eingesetzt. Dabei werden die Preise zu nachfragestarken Zeiten höher festgelegt als zu nachfrageschwachen Zeiten. Typische nachfragestarke Zeiten sind ab Freitagnachmittag bis Sonntagabend, sowie Morgen- und Abendverbindungen. Eine weitere Preisdifferenzierungsstrategie der DB ist die personelle Preisdifferenzierung. Diese setzt an nachfragespezifischen Merkmalen an. So werden verschiedene Tarife und Angebote für Jugendliche, Familien mit Kindern, Senioren u. a. offeriert. Für Gruppen von bis zu fünf Personen bietet die DB das Wochenendticket und die Ländertickets an. Das zentrale Instrument der Preispolitik der DB ist die BahnCard. Mit der BahnCard besteht die Möglichkeit, Fahrscheine zu einem vergünstigten Preis zu erwerben. Dieses Ticketangebot gilt in fast allen Zügen der DB – an allen Tagen und für den Verlauf eines Jahres. Die Gültigkeit der BahnCard wurde weiterhin auf viele regionale Busgesellschaften der DB und auf Strecken der Regionaleisenbahngesellschaften, sowie auf Züge der CityNightLine ausgedehnt. Ausgeschlossen sind jedoch DB Autozüge und Sonderzüge. Ende 2012 waren 4,94 Mill. Bundesbürger im Besitz einer BahnCard, wovon ca. 68 % eine BahnCard 25 und ca. 31 % eine BahnCard 50 haben. Weniger als 1 % sind Inhaber einer BahnCard 100.  Distribution Die Distribution erfolgt im Direktvertrieb durch die DB AG und im Fremdvertrieb. Insgesamt werden 89 % der Zugtickets direkt von der deutschen Bahn vertrieben. Bahneigene Vertriebskanäle sind vor allem die DB Reisezentren. Des Weiteren werden Fahrscheine im Zug, an Automaten, über das Internet sowie in Callcentern vertrieben. In der nachfolgenden Abbildung ist die derzeitige prozentuale Verteilung der Absatzkanäle zu sehen. Es ist zu beachten, dass sich die Darstellung auch auf den Fahrscheinverkauf für den Nahverkehr bezieht.

Modul B

mehr über die Entfernung, sondern unter Berücksichtigung der relativen Wettbewerbssituation auf dieser spezifischen Relation festgelegt.

96

4 Bahnen

Reisebüros 11%

Call Center 9% Automaten 28%

DB Reisezentren 24%

Abb. 4.5

Internet 26%

Prozentuale Verteilung der Absatzkanäle

Erkenntnisse Deutsche Bahn



 Die Deutsche Bahn hat mehr als 250.000 Beschäftigte und ca. 4 Mrd. Reisende jährlich.  Relevant für den Tourismus ist der Fernverkehr mit 131 Mill. Reisenden. Allerdings sind die Züge nur zu ca. 50 % ausgelastet.  Die Deutsche Bahn ist kein rein privatwirtschaftliches, sondern ein staatliches Unternehmen.  Im Gegensatz zu anderen Verkehrsträgern ist die Infrastruktur der Bahn (Bahnhöfe, Gleise usw.) im Besitz einer Gesellschaft.  Wichtige Zugtypen sind der ICE, der IC, der DB Autozug und der City Night Line.  Es gibt verschiedene Instrumente der Preispolitik, z. B. BahnCard, Ländertickets oder Angebote für Senioren. Bahntickets werden vor allem direkt von der Deutschen Bahn vertrieben.

4.5 Weitere Bahnen

4.5

97

Weitere Bahnen

Die Deutsche Bahn AG ist nach beförderten Passagieren die größte Bahngesellschaft in Europa. Auf den Plätzen zwei und drei folgen die englische Bahngesellschaft ATOC und die französische SNCF. Weltweit die meisten Passagiere hat die japanische Bahngesellschaft JR, die mehr Passagiere als alle europäischen Bahngesellschaften zusammen transportiert hat. In Europa ist in den letzten Jahren ein leichter Anstieg im Bahnverkehr zu verzeichnen. Weltweit fährt niemand so häufig Bahn wie die Schweizer. Bei je 40 Fahrten legte jeder Eidgenosse 2006 rein rechnerisch insgesamt 2001 km zurück. Japan (1800 km), und Frankreich (1288 km) folgen mit deutlichem Abstand. Deutschland liegt mit im Schnitt 907 km je Einwohner auf Platz zehn.

Hochgeschwindigkeitszüge

Ein Hochgeschwindigkeitszug ist ein Zug, der mit hoher Geschwindigkeit (200 bis 500 km/h) verkehrt. Um diese hohen Geschwindigkeiten zu erreichen, wird eine große elektrische Antriebsleistung montiert und der Zug gleichzeitig so leicht wie möglich gebaut. Hierzu werden Materialien, Bauweisen und Verfahren aus der Luft- und Raumfahrtindustrie übernommen. Aufgrund der starken Motorisierung sind die Hochgeschwindigkeitszüge in der Lage, wesentlich größere Steigungen zu überwinden als herkömmliche Züge. Die speziellen Schnellfahrstrecken können so freier trassiert werden und Baukosten für Neubaustrecken werden gesenkt. In Zukunft sollen die Hochgeschwindigkeitszüge durch den Neubau von europaweiten Trassen zu einer ernsthaften Konkurrenz der Linien- und Billigfluggesellschaften ausgebaut werden. Bei Strecken von bis zu drei Stunden Fahrzeit können diese Züge den Geschwindigkeitsvorteil der Düsenflugzeuge egalisieren, da die Bahnhöfe zumeist im Stadtzentrum sind und ein umständliches Check-in entfällt. Unter diesem Zeitlimit ist die Bahn schneller, günstiger und direkter. Zurzeit entsteht ein europäisches Hochgeschwindigkeitsnetz, welches bis 2025 in ganz Europa ausgebaut werden soll.

Modul B

4.5.1

98

Abb. 4.6

4 Bahnen

Hochgeschwindigkeitsnetz in Europa

(Quelle: UIC)

 Frankreich Bereits seit 1981 fahren die ersten TGV-Züge (Train à Grande Vitesse = Hochgeschwindigkeitszug) auf der Neubaustrecke von Paris nach Lyon. Die Fahrzeit zwischen Paris und Lyon wurde von vier auf zwei Stunden verkürzt. Mit 20 Mill. Reisenden jährlich und einem Marktanteil von 57 % war die Neubaustrecke sofort ein großer Erfolg. Zwischen den angebundenen Städten haben die Reisen per TGV aufgrund der Zeitersparnis die Flugreisen verdrängt und den Markteintritt von Billigfluggesellschaften bis heute weitgehend verhindert.

Von Paris aus geht es auf 1540 km eigenem TGV-Netz in alle Richtungen: in den Südosten bis zum Mittelmeer, in den Südwesten nach Bordeaux, in den Westen nach Rennes und mit Geschwisterzügen nach London, Brüssel und Köln. Der im Juni 2001 in Betrieb genommene TGV Méditerranée braucht für die 750 km zwischen Paris und Marseille nur noch drei Stunden. Des Weiteren gibt es zwei neue Strecken, welche München und Frankfurt/Main mit Paris verbinden.  Spanien Im Jahre 1992 fand in Sevilla die Weltausstellung EXPO statt. Die Eisenbahn benötigte für die 574 km lange Strecke zwischen Madrid und Sevilla fast sechs Stunden.

4.5 Weitere Bahnen

99

Modul B

Nach einer Planungs- und Bauzeit von lediglich viereinhalb Jahren wurde am 19. April 1992 einer Hochgeschwindigkeitsstrecke durch die spanische Eisenbahngesellschaft RENFE eingeweiht. Durchgehende Züge von Madrid nach Sevilla benötigen heute lediglich 2 Stunden 15 Minuten Fahrzeit. Für den Alta Velocidad Española (AVE) mussten neue Schienen gebaut werden, denn die spanische Bahn benutzt eine größere Spurbreite als die anderen europäischen Bahnen. Heute umfasst das spanische Hochgeschwindigkeitsnetz bereits 1957 km mit Verbindungen von Madrid nach Malaga, Sevilla, Cordoba, Valldolid und Barcelona. Besonders die neueröffnete Strecke zwischen den beiden wichtigen Zentren Madrid und Barcelona wird eine große Zukunft vorhergesagt. Diese Verbindung benötigt nur noch 2 Stunden und 37 Minuten für die 600 km lange Strecke. Der Fahrpreis beträgt zwischen 40 und 170 €, welcher allerdings bei einer mehr als sechsminütigen Verspätung wieder erstattet wird.

Hochgeschwindigkeitszug AVE  Transeuropäischer Hochgeschwindigkeitsverkehr Nachdem feststand, dass der Eurotunnel gebaut werden sollte, mussten sich die Ingenieure um die Konstruktion neuer Hochgeschwindigkeitszüge kümmern. Der neue Zug musste eine ganze Reihe von Bedingungen erfüllen, um für den Einsatz von Paris nach London gerüstet zu sein. So muss der Zug drei verschiedene Stromsysteme und vier Signalsysteme verarbeiten können. Zudem müssen die Einstiege sich an die verschieden hohen Bahnsteige anpassen, die sich auch unterschiedlich weit von den Schienen befinden. Die Eurostar-Züge fahren vom Pariser Nordbahnhof aus nach London Waterloo International bzw. von Brüssel nach London W.I. Wer von Paris aus nach Brüssel fahren möchte, muss den Thalys nehmen. Für die Verbindung zwischen Deutschland und Frankreich stehen die beiden Verbindungen zwischen Paris und Stuttgart bzw. Frankfurt/Main zur Verfügung und schließlich gibt es auch noch eine TGV Verbindung nach Zürich.

100

4.5.2

4 Bahnen

Luxuszüge

Am Anfang waren Bahnreisen sehr unbequem. Die Waggons waren schlecht beheizt und kaum beleuchtet. Die Gleise schüttelten die Reisenden auf ihren Holzbänken durch. Gepolsterte Sitze gab es noch nicht. Auch Direktverbindungen waren eine Seltenheit. An jeder Landesgrenze mussten die Reisenden aussteigen und in einen Zug des anderen Fürstentums oder Staates umsteigen. So dauerten längere Strecken eine Ewigkeit und waren mit vielen Reisestrapazen verbunden. Nach einem Besuch in den USA im Jahr 1872 und inspiriert durch die dortigen Erfolge der Gebrüder Pullman entschloss sich der 27-jährige Belgier Georges Lambert Nagelmackers, Sohn des Besitzers der ältesten belgischen Handelsbank, die „Compagnie Internationale des Wagons-Lits“ (CIWL) zu gründen. Er wollte den PullmanBrüdern auf dem noch nicht erschlossenen, europäischen Schnellzugreisemarkt zuvorkommen. Seine Vision war, das seine Züge nicht nur die komfortabelsten und luxuriösesten sein sollten, sondern sie sollten auch quer über die innereuropäischen Landesgrenzen hinweg durch ganz Europa fahren können. Um diese Ziele zu erreichen, entwickelte er den ersten komfortablen Reisewaggon mit Abteilen und Polstersitzen. Außerdem entwarf er einen Schlafwagen, einen Salonwagen und einen Gepäckwagen sowie den allerersten Speisewagen samt eingebauter Küche. Seine Idee war es, den Reisenden auf langen Strecken eine Art Hotel auf Rädern zu bieten. Sämtliche Luxuszüge auf dem europäischen Kontinent wurden bis zum Ersten Weltkrieg ausschließlich von Wagon Lits betrieben. Die ersten Luxuszüge verbanden die europäischen Hauptstädte Berlin, London, Paris, Rom, St. Petersburg und Wien. Später richtete die CIWL saisonale Luxuszüge zu den bekannten Kurorten Cannes, Karlsbad und Marienbad ein.  Orient-Express Anfang Juni 1883 fand dann die Jungfernfahrt des Orient-Express statt. Dieser erste Luxuszug bestand aus zwei Schlafwagen, einem Speisewagen dessen Innenraum mit einer Wandbekleidung aus Gobelins, Maroquinleder und Samt ausstaffiert war, einem Wagen der den Smoking Room mit angeschlossener Bibliothek für die Herren und ein Boudoir für die Damen enthielt, ein Wagen für die Angestellten mit Büro und Küche und einem Gepäckwagen. Die Reisezeit von Paris nach Istanbul betrug ca. 70 Stunden und der Zug legte eine Strecke von 3186 km zurück. In den durchfahrenen Ländern gab es jeweils lokale Speisen und Folkloredarbietungen. Bekannt wurde der OrientExpress nicht nur durch seinen Luxus und sein Publikum, sondern durch spektakuläre Vorfälle. 1891 wird der Zug von Räubern überfallen, die mit einer Beute von 120.000 Britischen Pfund entkommen konnten. Im Jahr darauf wird der Zug wegen einer Choleraepidemie an Bord unter Quarantäne gestellt. 1894 eröffnete die Betreiberfirma CIWL in Istanbul ein eigenes Hotel ausschließlich für Orient-Express-Passagiere. Im Jahr 1917 wurde Mata Hari, eine Spionin der Deutschen, im Zug festgenommen und von der französischen Armee exekutiert. 1929 steckte der Zug fünf Tage lang in einem Schneesturm in der Türkei fest. Dieser Vorfall diente 1934 Agatha Christie als Kulisse für ihr Buch „Mord im Orient-Express“. Im Jahr 1963 wurde ein Teil des James-Bond-Filmes „Liebesgrüße aus Russland“ an Bord des Orient-Express gedreht.

4.5 Weitere Bahnen

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In der heutigen Zeit verwenden mehrere Reiseveranstalter den Namen OrientExpress, um luxuriöse SchienenkreuzfahrHummer mit Brandysauce ten durchzuführen. Ein englischer UnterFrikassee aus Frühlingsgemüse nehmer schickt seit Mai 1982 einen detailgebratene Ente getreu renovierten Luxuszug mit der techmit weißem Trüffel, nischen Ausstattung des 20. Jahrhunderts parfümierte Gänseleberpastete, auf Jungfernfahrt: den Venice-SimplonBabykürbis und Silberzwiebeln, Orient-Express. Da der Orient-Express sautierte Kartoffeln noch mit Originalwaggons fährt, ist der Komfortstandard nicht so hoch wie bei französische Käsespezialitäten anderen Luxuszügen. In den Abteilen gibt knusprige Zartbitterschokolade und es z. B. nur eine Waschnische mit WaschBergamotte-Eisdessert becken und warmem Wasser. Dusche und Toilette sind an den Enden der Waggons Konfektauswahl eingebaut. Außerdem müssen die StockbetKaffee aus Kolumbien ten tagsüber heruntergeklappt werden, um Sitzmöglichkeiten im Abteil zu bieten, da ein Doppelabteil nur 2,8 m² groß ist und somit nur sehr wenig Raum bietet. Zum Ausgleich ist ein eigener Barwagen mit integrierter Cocktailbar Teil des Zuges. Dazu spielt nachmittags und abends ein Pianist an einem Flügel. Passagiere, die abends in diese Bar gehen möchten, müssen sich allerdings an die Kleidervorschriften halten. In den Empfehlungen zur Reisebekleidung während einer Reise mit dem Orient-Express heißt es: „You can never be overdressed“. Der Zug bietet seinen Gästen drei Bordrestaurants. In zwei Restaurants können die Gäste léger gekleidet essen gehen, aber im Lalique gibt es eine Kleiderordnung: Herren müssen im Smoking, Damen im Abendkleid erscheinen. Neben dem abgebildeten Menu kann im Restaurant auch à la Carte bestellt werden. Alle Gerichte werden frisch zubereitet. Tischreservierungen können tagsüber beim verantwortlichen Steward abgegeben werden. Zur Verpflegung gibt es an Bord aller Züge auch einen 24-Stunden-Kabinen-Service der den Passagieren rund um die Uhr kleinere Gerichte in die Abteile bringen kann. Der Luxus hat allerdings auch seinen Preis: Die einfache Strecke von Paris nach Istanbul kostet ca. 6500 € pro Person. Die Fahrt dauert sechs Tage, wobei die Gäste lediglich drei Nächte im Zug übernachten. Das Unternehmen betreibt noch weitere Luxuszüge, unter anderem seit 1993 den „Eastern & Oriental Express“. Die Stammstrecke dieses Zuges ist die Verbindung von Singapur nach Bangkok über Kuala Lumpur. Die Reise dauert drei Tage. Beide Nächte werden im Zug verbracht.  Pride of Africa Einer der bekanntesten Züge im südlichen Afrika trägt den Namen „Pride of Africa“ (Stolz von Afrika). Er wird von dem Unternehmen Rovos Rail (gegründet 1989 und benannt nach dem Eigentümer Rohan Vos) betrieben, welches seinen Sitz in Pretoria hat. Rovos Rail ist mit drei Zügen und einer Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h im südlichen Afrika unterwegs. Die landschaftlich schönste Route ist jene von Pretoria nach Kapstadt. Der Pride of Africa bietet die größten aller Kabinen an. Die Deluxe-

Modul B

Menubeispiel

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4 Bahnen

Suiten messen 11 m², die Royal-Suiten sogar ganze 16 m² und nehmen somit jeweils einen halben Waggon ein. Die Zugreisenden haben ihren eigenen privaten Aufenthaltsraum und im Badezimmer steht zusätzlich zur Dusche auch eine Badewanne. Die Waggons stammen aus den 1920er und 1930er Jahren, sie sind liebevoll restauriert und auf den neusten technischen Stand gebracht worden. Neben den Kabinenwaggons verfügt jeder Zug noch über einen Panoramawaggon mit großen Scheiben, einen Bar-, Lounge- und Club-Waggon sowie einen Restaurantwaggon im Stil der Belle Epoque. Die Gourmetküche auf dem Niveau eines 5-Sterne-Hotels wird hohen Ansprüchen gerecht. Die Dauer und Kosten der Fahrten variiert stark – angefangen von einer Eintagestour entlang der Gartenroute von Kapstadt bis George (760 €) bis hin zu einer 13-tägigen Sonderfahrt über 6100 km von Kapstadt bis nach Daressalam für 6900 €.  Blue Train Ein weiterer berühmter Zug im südlichen Afrika ist der Blue Train (Blauer Zug). Ihn gibt es schon seit dem Jahr 1946, zuerst fuhr er unter dem Namen Union Limited. Der Blue Train befährt insgesamt vier Routen: drei davon jeweils von Pretoria zu den Victoria Falls in Sambia, nach Hoedspruit und nach Kapstadt. An allen Bahnhöfen der Start- bzw. Zielorte sind spezielle Lounges mit Rezeptionen eingerichtet, in denen die Fahrgäste wie in einem Hotel einchecken können und ihr Gepäck abgeben können, das von Angestellten in die entsprechenden Waggons gebracht wird. Pretoria ist der zentrale Abfahrtsbahnhof der Blue Trains. Die Strecke Pretoria – Kapstadt wird dreimal wöchentlich befahren.

Layout des Blue Train  Royal Scotsman In Schottland gibt es seit 1985 den Royal Scotsman, der durch die schottischen High- und Lowlands fährt. Der Royal Scotsman bietet viele verschiedene, manchmal auch nach Themen klassifizierte Rundreisen durch Schottland an. So werden Golftouren, kulinarische Rundreisen oder so genannte Shootingtours (Fünf-Tages-Touren mit den Royal Scotsman bei denen man, von einem Jäger begleitet, von einem Jagdrevier ins andere reist und Wild jagt) angebo-

4.5 Weitere Bahnen

103

 Glacier Express Eine außergewöhnliche Bahnfahrt, jedoch lediglich ein Tagesausflug, ist die Fahrt mit dem Glacier Express in der Schweiz. Die Strecke führt von St. Moritz über Davos bis nach Zermatt und ist 291 km lang. Über ebenso viele Brücken und durch 91 Tunnel fährt man knapp acht Stunden mit dem Glacier Express. Der höchste Punkt der Reise wird bei der Überquerung des Oberalppasses mit 2033 Metern erreicht. Der Zug verbindet den Kanton Graubünden, die Zentralschweiz mit dem Vierwaldstädtersee und den Kanton Wallis. Der gesamte Zug ist mit Panoramawaggons bestückt, das heißt, jeder Waggon hat große Aussichtsfenster an den Seiten und auch noch Fenster im Dach für die Blicke nach oben auf die Berggipfel.

Erkenntnisse Weitere Bahnen



Hochgeschwindigkeitsbahnverkehr:  Für Hochgeschwindigkeit (200–500 km/h) sind spezielle Züge und Gleisanlagen notwendig.  Von einer Fahrtzeit von bis zu drei Stunden sind die Züge eine große Konkurrenz für Linien- und Billigfluggesellschaften.  Zurzeit entsteht in Europa ein länderübergreifendes Hochgeschwindigkeitsnetz.  In Europa sind Frankreich (TGV), Spanien (AVE) und Deutschland (ICE) führend. Luxuszüge:  Trotz des geringen Platzangebots sind Luxuszüge sehr beliebt und teuer.  Bekannte Luxuszüge sind Orient-Express, Pride of Africa, Blue Train, Royal Scotsman und Glacier Express.  Luxuszugreisen sind zumeist mehrtägige Schienenkreuzfahrten und durchaus vergleichbar mit Schiffskreuzfahrten.

Modul B

ten. Das Besondere an diesem Zug sind nicht nur seine perfekt restaurierten historischen Speisewagen, Schlafwagen sowie sein Panoramawagen, sondern auch, dass sich die Fahrgesellschaft aus maximal 36 Gästen zusammensetzt, die von 16 Zugbegleitern exklusiv betreut werden. Angeboten werden Reisen von ein bis sieben Tagen bzw. Nächten. Eine weitere Eigenheit ist, das der Zug nachts entweder auf einem Seitengleis oder in einem ruhigen Bahnhof hält und somit seinen Passagieren einen ruhigen Schlaf ohne Erschütterungen und anderen Störungen ermöglicht.

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4 Bahnen



Vertiefungsfragen

 Hochgeschwindigkeitszüge könnten für die Linienfluggesellschaften eine starke Konkurrenz werden. Nennen und begründen Sie lohnende Strecken in Deutschland?

 Warum lässt sich das Tarifsystem der Fluggesellschaften nicht auf die Deutsche Bahn übertragen?

 Der Orient-Express ist der bekannteste aller Luxuszüge. Erläutern Sie dessen Serviceleistungen!

 Vergleichen Sie die Transportleistungen von Flug & Bahn auf der Strecke zwischen Stuttgart und Paris!

Literaturhinweise   



Deutsche Bahn (Hrsg.), Deutsche Bahn Geschäftsbericht 2012, Berlin 2013 Deutsche Bahn (Hrsg.), Deutsche Bahn Zahlen und Fakten 2012, Berlin 2013 Meffert, H. (Hrsg.): Verkehrsdienstleistungsmarketing – Marktorientierte Unternehmensführung bei der Deutschen Bahn AG, Wiesbaden 2000



Mehdorn H., Klein-Bötting R., Möglichkeiten und Grenzen der marktorientierten Führung in deregulierten Märkten am Beispiel der Deutschen Bahn, in: Bruhn M., Kirchgeorg M., Meier J. (Hrsg.), Marktorientierte Führung im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel, Wiesbaden 2007, S. 197–208

 

Monheim, H., Nagorni, K. (Hrsg.), Die Zukunft der Bahn, Karlsruhe 2004 Schulz A., Verkehrsträger im Tourismus, München 2009

Internetquellen 



www.tourismus-grundlagen.de, www.tourismus-verkehr.de Weitere Fallbeispiele, Folien und aktuelle Informationen zum Buch



www.uic.asso.fr Homepage des Internationalen Eisenbahnverbandes



www.bahn.de Homepage der Deutschen Bahn AG und die am häufigsten besuchte deutsche Internetseite im Tourismus



www.eurailpress.com. Sehr nützliche Seite, welche eine Volltextsuche in den wichtigsten Zeitschriften bietet.



www.pro-bahn.de Interessenvertretung der Fahrgäste des öffentlichen Verkehrs. Meist kritische Thesen, Themenpapiere und Artikel zum Thema Bahn.

Straßenverkehr

Lernziele



Am Ende dieses Kapitels sollten Sie Folgendes können:

 Teilnehmer und Leistungsanbieter im Straßenverkehr kennen;  Produkttypen von Busreisen herausarbeiten;  Marktüberblick der Mietwagenunternehmen geben;  Verschiedene Formen des Individualverkehrs benennen und erläutern können.

Verkehrsmittel im Straßenverkehr Weitere Informationen, Fallbeispiele & Übungen unter www.tourismus-grundlagen.de

Modul B

5

106

5 Straßenverkehr

5.1

Überblick

Das Reisen auf Straßen zählt zu den ältesten Fortbewegungsarten der Menschheit. Im Hinblick auf die Bedeutung im Tourismus wurde diesem Sektor bislang jedoch nur relativ wenig Beachtung geschenkt. Trotz der Entwicklung neuer Transportmittel und der Verlagerung auf Flugreisen zählt das individuelle Reisen auf der Straße nach wie vor zu einem der bedeutendsten Sektoren im Tourismus. Neben den bekannten Sparten Busreiseverkehr und Autovermietung spielt natürlich besonders der Individualverkehr mit den eigenen Personenkraftwagen, Motorrädern oder Caravans eine bedeutende Rolle. Busverkehr • Linienverkehr • Gelegenheitsverkehr

Abb. 5.1

Autovermietungen • Firmengeschäft • Ferienautovermietung • Unfallersatzwagen • Leasing

Individualverkehr • Personenkraftwagen • Motorradverkehr • Caravaning & Reisemobile

Klassifizierung des Straßenverkehrs und touristischen Gesichtspunkten

 Historie Die ersten Grundlagen für das Reisen auf der Straße sind schon im Römischen Reich entstanden. Bereits damals gab es ein gut entwickeltes, vorbildliches Straßennetz, dessen Hauptverkehrsrouten um 300 n. Chr. bereits 90.000 km umfassten und vom heutigen Großbritannien zum Indischen Ozean und von Spanien nach Ägypten führten. Daneben existierten noch ca. 200.000 km an Nebenstrecken. Als Fortbewegungsarten an Land kamen bis Ende des 19. Jahrhunderts nur zu Fuß, zu Pferd oder mit der Kutsche in Frage, was das Reisen damals sehr viel langsamer und beschwerlicher machte. Ein römischer Kurier konnte z. B. etwa 80 km am Tag zurücklegen. Der große Ausbau des Straßensystems und die wachsende Bedeutung des Reisens auf der Straße kamen mit der Entwicklung des ersten Automobils im Jahre 1886 von Carl-Friedrich Benz. Schon vier Jahre später gab es in Deutschland bereits 265.000 Autobesitzer. Im Jahr 1950 waren es ein halbe Mill. und heute hat der gesamte Bestand in Deutschland 60 Millionen motorisierte Fahrzeuge erreicht. Die Idee, ein Autobahnnetz zu schaffen, entstand in den 1920er Jahren. Der erste Abschnitt wurde 1932 zwischen Köln und Bonn in Betrieb genommen. Mit dem bau des Straßennetzes und der zunehmenden privaten Motorisierung stieg auch die Mobilität der Bevölkerung und das Auto gewann immer mehr an Bedeutung als semittel. Der Prozentsatz der Autourlauber erreichte in den 1960er Jahren die gleiche Bedeutung wie zuvor der Urlaub mit der Bahn. Im Jahr 1968 benutzten mit 60 %

5.2 Busverkehr

107

bereits mehr als die Hälfte aller Urlauber das Auto für ihre Urlaubsreise. Dieser Wert ist bis heute fast konstant geblieben.

 Mobilitätsverhalten Grundsätzlich kann der Verkehr in zwei Bereiche unterteilt werden, den Alltagsverkehr, wozu der Berufsverkehr, der Ausbildungsverkehr und der Wirtschaftsverkehr zählen, und den Freizeitverkehr. Dieser wird noch in den alltäglichen Freizeitverkehr und in den nichtalltäglichen Freizeitverkehr unterteilt, wozu Urlaubsverkehr, Kurzreisen, Tagesausflugsverkehr und Erlebniseinkauf zählen. In der Bevölkerung hat sich der Freizeitanteil in den letzen Jahren stark erhöht, daraus resultiert eine deutliche Zunahme des Freizeitverkehrs. So ist die Zahl der Freizeitwege in den letzten 20 Jahren von 70 Mill. auf etwa 80 Mill. Wege täglich gestiegen. Bezogen auf die Jahreskilometerleistung entfallen ca. 420 Mrd. Pkm auf diesen Bereich. Der Anteil des Freizeitverkehrs liegt damit mit 40 % deutlich über dem des Arbeits- und Ausbildungsverkehrs mit knapp 23 %. Bezogen auf die gesamten Kilometerleistungen werden fast die Hälfte aller Kilometer für den Bereich Freizeit und Urlaub zurückgelegt. Ein Grund für das starke Anwachsen des Freizeitverkehrs ist, dass unter anderem das Autofahren bereits als Freizeitbeschäftigung angesehen wird und die Freizeitmobilität für viele ohne Auto schon nicht mehr denkbar ist.

5.2

Busverkehr

Die Busunternehmen bieten ihre Omnibusse als reines Transportmittel im Linienoder Gelegenheitsverkehr an. Innerhalb von Deutschland überwiegt der Nahverkehr. Der Überlandverkehr mit dem Omnibus hat die Rolle der Ergänzung des Schienenverkehrs und soll Gebiete ohne Bahnlinien erschließen. Im touristischen Bereich hat der Linienverkehr mit dem Bus keine große Bedeutung. So sind viele Busunterneh-

Modul B

 Verkehrsinfrastruktur in Deutschland Laut Statistischem Bundesamt umfasst das derzeitige Straßennetz in Deutschland insgesamt 231.000 km. Auf die einzelnen Bereiche aufgeteilt, entfallen auf die Bundesautobahnen eine Länge von 12.800 km, auf die Bundesstraßen 39.700 km, auf die Bundesfernstraßen 53.400 km sowie auf Land- bzw. sonstige Straßen 178.200 km. Beim Vergleich der Entwicklung der einzelnen Bereiche ist zu erkennen, dass besonders die Autobahnen verstärkt ausgebaut werden, wobei auch Bundesstraßen in Autobahnen umgewandelt werden. Bei den Landesstraßen hat sich die Gesamtlänge in den letzten zehn Jahren um circa 2 % reduziert. Die Kreisstraßen hingegen wurden aufgrund der Vergrößerung der Dörfer und Städte um 6 % erweitert. In Deutschland werden täglich circa 3 Mrd. Personenkilometer (PKm) zurückgelegt. Umgerechnet auf die Jahresverkehrsleistung werden ca. eine Billion Personenkilometer zurückgelegt. Die Verteilung auf die einzelnen Verkehrsträger zeigt, dass mit ca. 900 Mrd. km mehr als 90 % auf den motorisierten Individualverkehr entfallen.

108

5 Straßenverkehr

men keine rein touristischen Firmen, sondern überwiegend im Linienverkehr des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) tätig. Die meisten Busunternehmen führen beide Verkehrsarten mit jeweils unterschiedlichen Schwerpunkten durch. So werden Überlandbusse unter der Woche als Linienbusse eingesetzt und können an den Wochenenden z. B. für Vereinsausflüge genutzt werden. Neben dem öffentlichen Personennahverkehr existiert in vielen Ländern ein ausgeprägter nationaler und internationaler Fernlinienverkehr. In Deutschland haben solche Fernlinien nur eine geringe Bedeutung für die Bustouristik, da die benötigten Linienkonzessionen von den zuständigen Behörden selten vergeben werden. Beim Mietomnibusverkehr wird lediglich die Beförderungsleistung des Busses angeboten. Ziel und Ablauf der Fahrt werden vom Auftraggeber bestimmt. Vereinsausflüge, Klassenfahrten und Betriebsausflüge sind typische Reisen, die unter diese Verkehrsart fallen. Große Busreiseveranstalter wie RUF-Jugendreisen oder Studiosus sehen ihre Kernkompetenz in der Organisation von Busreisen und lassen diese dann von ausgesuchten Busunternehmen durchführen. Der Mietomnibusverkehr nimmt eine wichtige Stellung im Gelegenheitsverkehr ein. Rund drei viertel des Gelegenheitsverkehrs wird unter dieser Verkehrsart durchgeführt. Gelegenheitsverkehr Busreiseveranstalter Abb. 5.2

Mietomnibusse

Linienverkehr Ausflugsverkehr

Fernlinienverkehr

ÖPNV

Arten des Busverkehrs

Die spezifischen Vorteile im Vergleich zu anderen Verkehrsträgern spielen eine große Rolle: Mit dem Bus kann nahezu jedes Ziel direkt angefahren werden. Der Bus ist weder zeitlich noch streckenmäßig an einen Fahrplan gebunden, somit können Kundenwünsche bezüglich der Zeiten oder Fahrtrouten berücksichtigt werden. Außerdem wird das Gepäck mitbefördert und dies bis hin zur Eingangstür der Unterkunft. Der Bus ist zudem ein sicheres, umweltverträgliches und sehr günstiges Verkehrsmittel.

5.2.1

Marktüberblick Bus

Nur ca. 20 % der Busunternehmen treten selbst als Reiseveranstalter auf. Zusätzliche touristische Leistungen wie Unterkunft, Verpflegung und Freizeitprogramm werden zu einem Reisepaket geschnürt und meist über den eigenen Katalog vermarktet. Merkmale der Bustouristik sind insbesondere der vom Unternehmer fest aufgestellte Plan, der von allen Teilnehmern gemeinsame Ausflugszweck (bei der Ferienzielreise die Erholung), der allen Fahrgästen vorliegende Fahrausweis (bei Pauschalreisen ersetzt durch die Angabe des Gesamtpreises) und die Rückkehr zum Ausgangsort (die

5.2 Busverkehr

109

so genannte Rundfahrt mit geschlossener Tür). Die Ferienzielreise ist außerdem noch durch das einheitliche Reiseziel, sowie die Mindestleistungen Beförderung und Unterkunft gekennzeichnet. Schließlich werden Busse vor allen in Zielgebieten bei Transfers, Rundfahrten und Ausflügen eingesetzt.

Die mittelständische Unternehmensstruktur ist in der Bustouristik vorherrschend, das heißt, dass die Mehrzahl der Unternehmen auf regionalen Märkten mit einem Einzugsgebiet von bis zu 250 km vertreten ist. Im Durchschnitt hat ein Busunternehmen zwischen zehn und elf Fahrzeuge und beschäftigt ca. 13 Mitarbeiter. Es sind jedoch sowohl kleine Familienunternehmen mit ein bis zwei Fahrzeugen, Mittelbetriebe als auch Großbetriebe mit mehr als 50 Fahrzeugen und über 100.000 Reisende im Jahr auf dem Busreisemarkt präsent.  Geschäftsmodelle Der Vorteil der zumeist kleinen Unternehmen liegt darin, sich individuell auf die Kunden einzustellen zu können und die Reiseangebote dementsprechend anzupassen. Dennoch ist es für die Busreiseveranstalter schwer, sich in bestimmten Segmenten zu differenzieren, da sich Angebote wie bspw. 3–5-Tage-Städtereisen kaum voneinander unterscheiden. Die meisten Busreiseveranstalter verfolgen lediglich die Marktdurchdringungsstrategie, um ihren Marktanteil durch gezielte Zielgruppenansprache zu erhöhen. Allerdings wird es für Busreiseveranstalter immer wichtiger, sich von der Konkurrenz durch Schaffung von Alleinstellungsmerkmalen zu differenzieren. Gerade die günstigen Angebote der Billigfluggesellschaften, aber auch der Deutschen Bahn, stellen für die Busbranche eine erhebliche Gefahr vor allem im Segment Städtereisen dar.  Rechtliche Rahmenbedingungen Die wichtigsten Rahmenbedingungen regelt das Personenbeförderungsgesetz (PBefG). Jede Art der gewerblichen Personenbeförderung ist in Deutschland genehmigungspflichtig. Für jede Verkehrsart, also Ausflugsfahrten, Mietomnibusverkehr, Ferienzielreise sowie für den Linienverkehr gibt es eigene Genehmigungen, die von der zuständigen Genehmigungsbehörde erteilt werden. Nur wenn die Sicherheit und Leistungsfähigkeit des Betriebes gewährleistet ist, und zudem die persönliche und fachliche Eignung des Antragstellers nachgewiesen werden kann, wird die entsprechende Genehmigung erteilt. Die Gültigkeit ist im Gelegenheitsverkehr auf maximal vier Jahre, im Linienverkehr auf acht Jahre beschränkt.

Modul B

 Kennzahlen In Deutschland gibt es etwa 4.700 private Omnibusunternehmen. Die Mehrheit der Unternehmen führt neben dem öffentlichen Personennahverkehr nur Ausflugfahrten durch, nur ca. 1.100 Busreiseveranstalter haben ein eigenes Programmen und einen Katalog. Die Busbranche verfügt über rund 21.400 Linienbusse, ca. 10.000 reine Fernreisebusse und 10.150 Busse, die sowohl für Reisen als auch für den Linienverkehr eingesetzt werden können. Für Reisen und Ausflugsfahrten werden somit rund 21.000 Busse eingesetzt. Der gesamte Busbestand der privaten Busunternehmen in Deutschland 2012 beläuft sich auf 41.410 Busse.

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5 Straßenverkehr

 Fernlinienbusverkehr Ende 2012 kam es zu einer Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes. Bisher sind Fernbuslinien innerhalb Deutschlands jedoch noch die Ausnahmen. So waren z. B. 2009 gerade einmal 78 Unternehmen im Linienfernverkehr tätig, was nicht einmal einem Prozent aller deutschen Busunternehmen entspricht. Entscheidend verantwortlich dafür ist der §13 des Personenbeförderungsgesetzes, der besagt, dass Verkehre nur dann genehmigungsfähig sind, wenn sie zu „keiner Beeinträchtigung des öffentlichen Verkehrsinteresses“ führen und damit eine „wesentliche Verbesserung der Verkehrsbedienung“ verbunden ist. Der Begriff der „wesentlichen Verbesserung“ ist in diesem Zusammenhang eine Frage der Auslegung. Ziel dieser bereits seit 1931 bestehenden Regelung ist vorrangig die Verhinderung einer Konkurrenzsituation zwischen verschiedenen Unternehmen, d. h. insbesondere mit der Deutschen Bahn. So bestätigte das Bundesverfassungsgericht schon 1960 die Regulierung des Busverkehrs als legitimes Mittel zum Schutz der Bahn vor Konkurrenz. Als Gründe hierfür werden zum einen die Sicherstellung der Gemeinwohlaufgaben der Bahn, wie die Bedienung der Fläche zu einheitlichen Preisen, sowie die Auswirkungen auf den Schienenverkehr genannt. Eine Liberalisierung des Busfernverkehrs könnte Kundenrückgänge im Schienenverkehr auslösen, die schließlich zur Stilllegung schwach bedienter Strecken führen würden. Jedoch wird diese Reglementierung vermehrt als Wettbewerbsbehinderung für den Buslinienfernverkehr in Deutschland eingeschätzt und stark kritisiert. Infolgedessen wurde 2009 im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und FDP eine Änderung des Personenbeförderungsgesetzes angekündigt und Buslinienfernverkehr zugelassen. Regierung und Opposition einigten sich September 2012 nach monatelangen Verhandlungen darauf, Fernbuslinien ab 2013 zu erlauben. Die Bundesländer setzten allerdings Einschränkungen durch, so wurden zum Schutz des regionalen Zugverkehrs, Fernbusangebote für Fahrtstrecken unter 50 Kilometern Länge und weniger als einer Stunde Fahrtzeit verboten. Zudem wurde entschieden, dass Fahrzeuge auf Fernbuslinien bis 2019 barrierefrei sein müssen. Bislang werden etwa 180 innerdeutsche Buslinien betrieben. Der Bundesverband deutscher Omnibusunternehmer rechnet mit einem Anstieg auf etwa 200 Strecken im Jahr 2013. Dennoch handelt es sich immer noch um einen vergleichsweise kleinen Markt. 2012 gab es nach Schätzungen lediglich 2,5 Millionen innerdeutsche Fernbusreisende. Fernzüge der Bahn hingegen beförderten im gleichen Zeitraum 131 Millionen Passagiere. Beispiele für Fernbusstrecken und –betreiber sind meinfernbus.de, deinbus.de und city2city.de. Bedient werden neben innerdeutschen Strecken auch Routen ins europäische Ausland, wie z. B. nach Prag, Budapest, Wien oder Kopenhagen.

5.2 Busverkehr

5.2.2

111

Transportmittel Bus

Der Funktionsfähigkeit des Personenbusverkehrs liegt der bedarfsgerechte Einsatz der drei Produktionsfaktoren Bus, Verkehrswege und Stationen zugrunde. Für den Betrieb eines Busunternehmens und die Leistungserbringung sind der Einsatz von Omnibussen und die Nutzung der Verkehrswege und Stationen die Grundvoraussetzung. 

Busmodelle Reisebus

Kleinbus

Standardbus

Standardbus lang

Doppeldeckerbus

Größenklassen von Reisebussen

Hinsichtlich der Größe lassen sich Reisebusse in fünf Kategorien einteilen. –

Die kleinste Kategorie sind die Kleinbusse. Sie haben Platz für 9 bis 17 Fahrgäste und eine durchschnittliche Länge zwischen fünf und sieben Metern. Sie werden meistens für Kurzstrecken, Tagestouren oder Transferfahrten eingesetzt.



Die nächstgrößere Klasse wird als Midibus bezeichnet. Der Vorzug dieser kompakten Reisebusse liegt in der Wendigkeit in engen Städten und auf Bergstrecken. Sie haben Platz für 18 bis 38 Fahrgäste. Von den Maßen sind sie den großen Reisebussen ähnlich, jedoch kürzer. Die Länge dieser Busse liegt zwischen 7 m und 10 m, die Höhe kann bis zu 3,30 m betragen.



Als Standardbus bezeichnet man Reisebusse, die Platz für 40 bis 49 Personen, je nach Ausstattung, bieten. Die durchschnittliche Buslänge in dieser Klasse beträgt ca. 12 m und diese Busse sind meist zweiachsig. Sie sind multifunktional einsetzbar und dadurch für den Busunternehmer äußerst wirtschaftlich.



Als Standardbus lang werden Reisebusse bezeichnet, die eine Länge von knapp 13 bis 14 m aufweisen. Modelle dieser Kategorie haben Platz für 52 bis 59 Personen plus Begleiter und sind in ihrer Ausstattung den Standardbussen ähnlich. Sie sind außerdem dreiachsig und dadurch ist eine höhere Zuladung, im Vergleich zu den Standardbussen, möglich.



Die Kategorie der Doppeldeckerbusse weist die größte Sitzplatzanzahl aus. In einen solchen Bus finden je nach Ausstattung auf zwei Etagen zwischen 72 und 89 Personen Platz. Die durchschnittliche Länge beträgt 13 bis 14 m. Die Bauweise ist immer dreiachsig. Durch ihre Größe sind sie besonders wirtschaftlich für den Busunternehmer auf Strecken mit hohem Personenaufkommen.

Modul B

Abb. 5.3

Midibus

112

5 Straßenverkehr

Innenansicht eines Neoplan Cityliners  Klassifizierung Grundlage für das System der Klassifizierung des Sitzkomforts sind Kriterien wie Beinfreiheit und Qualität der Rückenlehne. Außerdem werden auch Serviceeinrichtungen wie Bordtoilette, Miniküche oder Klimaanlage in der Klassifizierung mit berücksichtigt. Die verschiedenen Komfortstufen werden in 1- bis 5-Sterne-Ränge eingeteilt. Je mehr Sterne desto höher die Leistungskriterien, die das Fahrzeug erfüllen muss. Der Sitzkomfort im Reisebus wird laut einer EU-Richtlinie definiert. Die Beinfreiheit muss bei Reisebussen mindestens 68 cm betragen, welches einem 3-SterneBus entspricht. Die Bezeichnung der Gütestufe und die zu erfüllenden Kriterien werden wie folgt definiert: –

Standardclass (), der Bus für den kurzen Trip ist ausgestattet mit einer Abfallbeseitigung, einem Mikrofon für die Reiseleitung und einer Musikanlage. Zudem gehören eine Heizung, Lüftung und Nachtbeleuchtung zur Grundausstattung.



Touristclass (), der Bus für kleinere Ausflüge enthält zusätzlich Sonnenschutz an den Seitenfenstern. Außerdem steht ein Stauraum von 15 Litern für Gepäck jedem Reisegast zur Verfügung.



Komfortclass (), der Reisebus bietet zusätzlich eine Toilette mit Waschbecken, verstellbare Rückenlehnen, eine Gepäckablage, einen Fahrgasttisch, eine Doppelverglasung, eine Leselampe sowie eine Klimaanlage. Zudem gibt es eine Miniküche an Bord. Das Komfortmaß beträgt mindestens 68 cm und die Rückenlehne muss mindestens 3 cm stark sein.



Firstclass (), der Fernreisebus besitzt auch Fußstützen und hat im Heck des Fahrzeuges besonders viel Platz, da sich nur 4 Sitze in einer Reihe befinden dürfen. Das Komfortmaß muss mindestens 74 cm und die Stärke der Rückenlehne mindestens 4 cm betragen.

5.2 Busverkehr –

113

Luxusclass (), der Bus bietet ein Komfortmaß von 81 cm sowie eine Rückenlehnenstärke von mindestens 5 cm. Weiterhin verfügt der Reisebus über variierenden Bordkomfort.

Über den jeweils vorgeschriebenen Komfort hinaus können in jedem klassifizierten Bus Sonderausstattungen eingebaut sein, die durch Symbole eindeutig ausgewiesen sind. Die Symbole stehen von links nach rechts für: Miniküche, Bordküche, Klimaanlage, Toilette, Garderobe, Videoanlage, Telefon und Audioanlage.

5.2.3

Symbole für Serviceeinrichtungen in Bussen

Marketing & Vertrieb Bus

Busreiseveranstalter müssen ihre Reisen auf die Bedürfnisse ihrer Kunden ausrichten. Dazu ist zunächst eine Analyse der Zielgruppen und Nachfrage erforderlich, aus der sich die Zielsetzung und Strategie des Unternehmens ableiten lassen. Schließlich können diese im Marketing-Mix über das Produkt, den Preis, die Kommunikation und den Vertrieb kundengerecht umgesetzt werden.  Nachfrage Die Kunden der Busreiseveranstalter haben im Vergleich zu anderen touristischen Segmenten einen hohen Anteil an Stammkunden. Die teilnehmerstärksten Kundengruppen von Busreisen sind Singles, Paare ohne Kinder, Jungsenioren (Generation 50plus) und Senioren (Generation 60plus) in den mittleren und unteren Einkommensgruppen. Für die Abstimmung des Angebots auf die Zielgruppe ist es wichtig, den Wertewandel der Zielgruppe der Senioren zu berücksichtigen. So sind Senioren heute finanziell unabhängiger, allgemein gesünder und mobiler, reiseerfahrener und konsumfreudiger als noch vor einigen Jahren. Ihre Reisemotive sind vor allem der Wunsch nach sozialen Kontakten und Geselligkeit, Aktivität und persönliche Unabhängigkeit. Zudem haben sie im Gegensatz zu jüngeren Reisenden ein sehr stark ausgeprägtes Sicherheitsbedürfnis. Die größte Zielgruppe ist die der Senioren (Generation 60+), deren Anteil sogar 58,8 % beträgt. Die zweitgrößte Zielgruppe der Busreisendem mit einem Anteil von 15,6 % ist die der Jugendlichen (14–29 Jahre). Der Besuch von Großveranstaltungen wie Festivals und Konzerte, der Besuch von attraktiven Städten und die Besichtigung historischer Sehenswürdigkeiten stellen häufig Reisemotive dieser Zielgruppe dar. Bei beiden Zielgruppen ist die Gruppenzugehörigkeit das Entscheidungskriterium. Außerdem ist eine großzügige Ausgabebereitschaft auf beiden Seiten festzustellen. Ein großer Vorteil für die Busunternehmen ist der überdurchschnittlich hohe Stammkundenanteil im Vergleich zu anderen touristischen Segmenten. Allerdings kommen

Modul B

Abb. 5.4

114

5 Straßenverkehr

die Kunden der regionalen Busreiseveranstalter aus einem sehr begrenzten Quellgebiet. 

Produktpolitik

Auch bei der Produktgestaltung können Busreisen ebenso wie andere Pauschalreisen in unterschiedliche Kategorien eingeteilt werden, je nach dem, welches Kriterium angelegt wird: u. a. nach der Reisedauer (Ausflugs-, Kurzreise, Wochenend-, Urlaubsund Langzeitaufenthalt), der demographischen Zielgruppe (Jugend-, Seniorenreisen oder Single-, Familienurlaub), oder dem dominierenden Urlaubsmotiv (Erholungs-, Gesundheits-, Kultur-, Studien-/Bildungs-, Aktiv-, Abenteuerreisen). Bei der Reisedauer ist zwischen Tages-, Kurz- und Urlaubsreisen zu unterscheiden. Jedoch hat sich in der Bustouristik eine andere Art der Kategorisierung durchgesetzt: Produkttyp Erläuterungen Ausflugsfahrt

– Tagesausflug mit vorgegebenem Reisezweck – keine Reiseleitung, Betreuung erfolgt durch Busfahrer – Durchführung erfolgt nach Plan des Unternehmers – Rückkehr an Ausgangsort – sehr günstiger Reisepreis – Sonderfahrten zu Theater, Musicals ...

Kurzreise

– Reisezweck ist durch ausgeschriebenes Reiseprogramm vorgegeben – fakultativ können Ausflüge, Stadtrundfahrten angeboten werden – Zielreise, evtl. thematisch bedingte Zwischenstopps – evtl. örtliche Reiseleitung – Preisniveau sehr niedrig

Städtereise

– Zweck ist Aufenthalt in einer Stadt mit historischer od. kultureller Be-

kanntheit – Reiseleitung oder Stadtführung sind obligatorisch – Reisedauer > 3 Tage – Qualität der Reise ist abhängig von der Übernachtung

Rundreise

– Besuch mehrerer Orte mit Besichtigungsprogramm – Besichtigungs- und Aufenthaltsorte sind fester Programmbestandteil,

Ausflüge sind fakultativ – Reisedauer > 5 Tage – ständige Reisebegleitung ist obligatorisch

Studienreise

– Reisezweck ist ausgeschriebene und detaillierte Thematik – geschulte Reiseleitung – Ziel- oder Rundreise

Urlaubsreise

– Reisezweck ist Urlaubsaufenthalt – Zielreise – Aufenthaltsdauer min. eine Woche

Abb. 5.5

Produkttypen der Buspauschalreise

5.2 Busverkehr

115

 Kommunikation Über 60 % des Werbebudgets der Busreiseunternehmen fallen dabei auf den Bereich Printmedien. Das Hauptinstrument für die Kommunikation und den Vertrieb ist der Reisekatalog. Manche Reiseveranstalter veröffentlichen neben dem Hauptkatalog einen Winterkatalog oder einen zusätzlichen kleinen Katalog für bestimmte Zielgruppen, wie z. B. einen Sonderkatalog für Radreisen. Busunternehmen haben im Allgemeinen einen sehr großen Stammkundenanteil, der mit Hilfe von Direktmarketing angesprochen werden soll.  Vertriebskanäle/Buchung Der Eigenvertrieb macht im Durchschnitt mit etwa zwei Drittel den größten Anteil am Gesamtvertrieb bei den Busreiseveranstaltern aus. Vereins- und Clubreisen werden z. B. hauptsächlich über den direkten Vertriebsweg der Busreiseveranstalter verkauft. Mit dem Eigenvertrieb wird vorwiegend der bereits vorhandene Kundenstamm angesprochen. Beim Fremdvertrieb werden Vertriebspartner mit einbezogen und die touristischen Produkte über Agenturen, Reisebüros, Internetplattformen etc. angeboten. Die am häufigsten gewählte Form des Fremdvertriebs sind klassische Reisebüros.

Erkenntnisse Bus



 Man unterscheidet zwischen Gelegenheits- und Linienverkehr.  Von ca. 4.700 Omnibusunternehmen sind nur ca. 1.100 Busreiseveranstalter.  Fernlinienbusverkehr ist erst 2013 in Deutschland zulässig.  Busse werden nach Größe und nach Sternen klassifiziert.

Modul B

 Preisgestaltung Eine wichtige Grundlage für die Kalkulation ist die zu erwartende Teilnehmerzahl, welche im Schnitt bei 30 bis 32 Gästen liegt. Durch eine Mindestteilnehmerzahl von 15 Personen sichern sich die meisten Busreiseveranstalter gegen hohe Verluste ab. Die Differenzierung der Busreiseveranstalter erfolgt in Anlehnung an die Unternehmensphilosophie und der gewünschten Zielgruppe zumeist über den Preis. In der Preiskalkulation der Beförderungsleistung werden die Kosten, die Preise der Wettbewerber (Marktpreise) und die Ausgabebereitschaft der Nachfrager berücksichtigt. Als Preisuntergrenze werden kurzfristig die variablen Kosten und langfristig die Deckung der gesamten Kosten angesetzt

116

5.3

5 Straßenverkehr

Mietwagen

Im Gegensatz zu allen bisher diskutierten Verkehrsträgern übernimmt der Kunde bei der Autovermietung eine sehr aktive Rolle. Er ist selber der Fahrer und damit für die Beförderung verantwortlich. Ihm wird nur der Mietwagen als Transportmittel zur Verfügung gestellt. Er kann frei entscheiden, in welcher Geschwindigkeit und auf welcher Route er die gewünschte Strecke zurücklegen will.

5.3.1

Marktüberblick Mietwagen

Die Mietwagenbranche kann in die Geschäftsfelder Firmengeschäft (54 % Marktanteil), Freizeit- und Privatgeschäft (16 %), Tourismus (18 %) sowie Unfallersatzwagen (9 %) untergliedert werden. Der Bereich Leasing bzw. Weiterverkauf der Mietwagen wird üblicherweise gesondert betrachtet. Je nach Mietwagenunternehmen, abhängig von der Unternehmensgröße, liegen die Umsatzschwerpunkte in einem oder mehreren Geschäftsfeldern. Der Mietwagenmarkt besteht aus tausenden Klein- und mittelständischen Unternehmen und wenigen großen Anbietern. Auf die Vielzahl von verschiedenen Unternehmen kann an dieser Stelle nicht einzeln eingegangen werden. Der Anbietermarkt wird in die Hauptgruppen Geschäftsreiseanbieter, Mietwagenkooperationen und -broker, Ferienautoanbieter und Billiganbieter aufgeteilt. –

Die meisten Autovermietungen sind Geschäftsreiseanbieter. Die Unternehmen bieten die volle Produktpalette in einem weltweiten Netz an. Hierbei werden auch Privatpersonen und Touristen angesprochen.



Bei den Mietwagenkooperationen handelt es sich um einen Zusammenschluss von vielen regionalen Kleinanbietern zu einem großen nationalen Verbund, ohne dass

5.3 Mietwagen

117



Anders sieht es bei den Mietwagenbrokern aus. Da diese über keine eigenen Stationen und Fahrzeuge verfügen, arbeiten sie weltweit mit kleinen lokalen Anbietern zusammen und vermitteln diese lediglich. Diese Kooperation bietet den kleinen Anbietern die Möglichkeit, internationale Kunden zu gewinnen. Für den Broker bedeutet diese Art der Zusammenarbeit, dass er seinen Kunden ein weltweites Stationsnetz anbieten kann, ohne über ein eigenes umspannendes Netz zu verfügen.



Die Anbieter von Ferienmietwagen haben sich auf die Kundengruppe der Touristen spezialisiert. Ihre Stationen befinden sich häufig an internationalen Flughäfen in beliebten Feriengebieten. Sie treten dabei meist als Broker auf.



Wie bei den Fluggesellschaften schon längst üblich, drängen inzwischen auch immer mehr Billigmietwagen auf den Mietwagenmarkt. Easycar oder Laudamotion versuchen, ihre Billigstrategie von ihren Fluggesellschaften easyJet und Lauda Air auf die Autovermietung zu übertragen. Ähnlich wie bei den Billigfluggesellschaften oder Billigkreuzfahrten sind bei den Mietwagen nur sehr wenige Basisleistungen inkludiert. Der Vertrieb dieser Anbieter beschränkt sich meist nur auf ihre eigenen Internetseiten.

Im weltweiten Gesamtmarkt gehören Enterprise Rent a Car als Marktführer sowie Hertz, die Avis Budget Group, Vanguard mit National/Alamo, Sixt, Avis Europe und Europcar zu den führenden Unternehmen. Sie beherrschen mit 64 % knapp zwei Drittel des gesamten weltweiten Mietwagenvolumens.

Sonstige 19%

Europcar 26%

Hertz 10% Avis 14%

Abb. 5.6

Sixt 31%

Anteil Autovermietstationen in Deutschland

Modul B

diese durch den Zusammenschluss ihre Eigenständigkeit verlieren. Dadurch können die angeschlossenen Kleinanbieter bspw. Mengenvorteile beim Einkauf oder Synergieeffekte bei der Vermarktung nutzen und ihren Kunden durch ein flächendeckendes Netz an Vermietstationen einen besseren Service bieten.

118

5 Straßenverkehr

Der europäische Markt ist nach dem US-Markt der zweitwichtigste Markt weltweit. Die wichtigsten Märkte in Europa sind Deutschland und Großbritannien, gefolgt von Frankreich und Italien. Die wichtigsten Anbieter auf europäischer Ebene sind Avis Europe, Hertz und Europcar, die zusammen annähernd 50 % des Marktes abdecken. Der deutsche Markt wird zu über zwei Drittel von den großen Vermietketten Sixt, Europcar, Avis und Hertz dominiert. Ein weiteres Drittel teilen sich rund 580 meist klein- oder mittelständische Unternehmen. Der Anteil der „Großen Vier“ hat sich von 40 % im Jahr 1988 auf 64 % im Jahr 2000 daher stark erhöht und erreichte im Jahr 20012 sogar 81 %.

5.3.2

Marketing & Vertrieb Mietwagen

Das Marketing und die Vertriebsstruktur sind mit entscheidend über den Erfolg eines Mietwagenunternehmens. Im nachfolgenden Kapitel wird zunächst die Struktur der Nachfragegruppen analysiert. Anschließend erfolgt im Rahmen der Produkt- und Preispolitik sowie der Kommunikation und Vertriebskanäle eine Analyse der Marketinginstrumente.  Nachfrage Der Nachfragemarkt kann in verschiedene Zielgruppen mit deren jeweiligen typischen Bedürfnissen differenziert werden. Einzelkunde

B

Freizeitanmieter

E

Urlauber

D

Fun-Autofahrer

Ü R

Internet-User Reisender Unfallgeschädigter

F N I S

Vertragshändler S Flottenabnehmer Firmenkunde

Abb. 5.7

E

Individuelle Bestimmung der Mietart, Kurzzeit, Langzeit, flexibel, variabel Mittelfristige Planung, freizeittaugliche Fahrzeuge (z.B. Kombi, Allrad, Fun) Mittelfristige Planung, reisetaugliche Fahrzeuge, saisonbedingte Buchung Kurzfristige Buchungsmöglichkeit, spezifische Fahrzeuge, flexibel, variabel Konkrete Planung, verbindliche Reservierung, kostengünstige Fahrzeuge unbegrenzte Laufleistung, Navigation, gehobene Ausstattung Sofortige Verfügbarkeit, offene Laufzeit, unbegrenzte Laufleistung Angepasster Fuhrpark, günstige Mietmöglichkeit, Rahmenabkommen Einheitlicher Fuhrpark, Rahmenabkommen, Fuhrparkmanagement Kontinuierliche Anmietung, konstante Planung, Fuhrparkmanagement

Nachfragestruktur bei Autovermietungen

5.3 Mietwagen

119

 Preisgestaltung Die Preisgestaltung der Mietwagenunternehmen stellt für den Kunden einen sehr unübersichtlichen Tarifdschungel dar. So reichen die Bezeichnungen von Feiertags-, Ferien- und Freizeittarif, über Flughafen- oder Bahnstationstarif, Schnäppchentarif, Frühbuchertarif, Internettarif, Hochzeitstarif bis hin zum Studententarif. Die wichtigsten Tarife sind jedoch zeitabhängig: Tages-, Wochend- und Wochenpauschalen.  Vertriebskanäle Auch bei den Mietwagenanbietern wird zwischen den direkten Vertriebskanälen mit Internet, Telefon und Vermietstationen und den indirekten mit Reisebüros und Reiseveranstalter unterschieden. Der direkten Vertriebskanal wird sehr häufig genutzt (ca. 50–75 %) und bietet dem Mietwagenanbieter zwei entscheidende Vorteile: Zum einen können Vertriebskosten eingespart werden, da keine Vermittlungsgebühren anfallen, und zum anderen erhalten die Mietwagenfirmen mehr Informationen über den Kunden und dessen Buchungsverhalten.

Erkenntnisse Mietwagen



 Mietwagen werden von Geschäftsreise-, Ferienauto- und Billiganbietern sowie Kooperationen und Broker angeboten.  Marktführer sind Avis, Hertz, Europcar und Sixt mit einem Marktanteil von 81 %.  Mietwagen werden häufig direkt gebucht.

Modul B

 Produktpolitik Jedes Mietwagenunternehmen teilt seinen Fuhrpark in unterschiedliche Kategorien nach Fahrzeuggröße ein. Bei der Reservierung wird dem Kunden kein konkretes Fahrzeugmodell bestätigt, sondern nur die entsprechende Kategorie. In den USA werden die Fahrzeuge in der Regel in die fünf Kategorien Economy, Compact, Intermediate, Premium und Luxury aufgeteilt. Diese nehmen rund 90 % des Gesamtfuhrparks ein, wobei schon die kleineren Klassen Economy und Compact zwei Drittel der Fahrzeuge ausmachen. Die Servicequalität spielt in einer Dienstleistungsbranche wie in dem Mietwagenunternehmen eine bedeutende Rolle. Oft bietet allein der Service die Möglichkeit, sich gegenüber der Konkurrenz abzuheben, da das Produkt an sich nur geringe Unterschiede aufweist. So bietet bspw. Sixt einen Express-Service an, bei dem der Kunde den Autoschlüssel mit Hilfe einer Reservierungsnummer am Automaten abholen kann. Gleichzeitig erhält er eine Wegbeschreibung, die ihn zu seinem Mietwagen führt.

120

5.4

5 Straßenverkehr

Individualverkehr Individualverkehr

PKWverkehr Abb. 5.8

Motorradverkehr

Caravaning & Reisemobile

Fahrradtourismus

Unterscheidungsformen des Individualverkehrs

Im Gegensatz zum öffentlichen Verkehr benutzt der Einzelne beim Individualverkehr ein zumeist eigenes Verkehrsmittel für den Transport. Der Individualverkehr erbringt den größten Anteil der gesamten Beförderungsleistungen in der Bundesrepublik. Dementsprechend ausführlich wird diese Verkehrsart statistisch erfasst und ausgewertet. Auch wenn die Privatpersonen selbst keine statistischen Zahlen liefern, so kann doch aufgrund von Verkehrszählungen und verbrauchten Treibstoffen die Beförderungsleistung im Individualverkehr ermittelt werden. Allerdings werden bei dieser Methode zumeist nicht die Beweggründe für eine Autofahrt ermittelt, so dass der touristische Aspekt des Individualverkehrs nur schwer zu ermitteln ist. Eine Besonderheit ist der Fahrradverkehr, da diese Verkehrsform als einzige ohne maschinellen Antrieb auskommt.

5.4.1

Personenkraftwagen

Das gesamte Straßennetz und die Kraftfahrzeugindustrie dienen im weitesten Sinne dem Reiseverkehr. In den 1950er und 1960er Jahren erlebte der Pkw-Tourismus einen rasanten Anstieg. Seit Ende der 1980er Jahre geht dieser Anteil langsam zurück. Grund hierfür ist die steigende Zahl der Flugreisen. Trotzdem ist der Pkw noch immer das am häufigsten genutzte Verkehrsmittel für Urlaubsreisen. Laut des Statistischen Bundesamts verfügt im Durchschnitt jeder bundesdeutsche Haushalt über 1,1 Autos. Nach dem jahrzehntelangen Anstieg der Pkw-Zulassungen nimmt ihre Zahl auf deutschen Straßen heute nur noch geringfügig zu. So kommen z. B. zurzeit auf 1.000 Einwohner 575 Pkws. Grundsätzlich zählen alle Führerscheinbesitzer zur Zielgruppe für Reisen mit dem Personenkraftwagen (Pkw). Der Anteil der Führerscheinbesitzer ist in den letzten Jahren stetig angewachsen. Die jüngeren Jahrgänge bis zu einem Alter von 40 Jahren haben generell fast vollständig einen Führerschein. Da die Pkw-Touristen einen so hohen Anteil an den Gesamtreisenden ausmachen, ist ihre Struktur mit der der Gesamtbevölkerung sehr ähnlich.

5.4 Individualverkehr

121

Der Pkw wird zu den unterschiedlichsten Zwecken genutzt. Die Nutzungszwecke der Personenkraftwagen können in drei große Bereiche eingeteilt werden. Dies sind der Berufsverkehr, wozu Berufs-, Ausbildungsfahrten und Geschäftsreisen zählen, der Einkaufsverkehr und der Freizeit- bzw. Tourismusverkehr. Würden heute alle deutschen Pkw-Urlauber gleichzeitig mit ihrer Urlaubsreise beginnen, entstünde ein Stau, der in seiner gesamten Länge zweimal um die Erde reichen würde.

Die Nutzung des Autos als Reisemittel ist stark abhängig von den Reisezielen und damit von den jeweiligen Entfernungen der Urlaubsdestinationen. Bei Unterscheidung der Nutzung der einzelnen Verkehrsmittel nach Deutschlandreisen und den Reisen insgesamt wird deutlich, dass sich bei Reisen innerhalb Deutschlands 75 % und in die Alpenregion fast gleichviel mit 74,4 % der Reisenden für das Auto als Transportmittel entscheiden. Über 40 % aller deutschen Autoreisenden haben sich im Jahr 2003 für ihr Heimatland als Ziel entschieden und sind damit die wichtigste Zielgruppe für den Tourismus in Deutschland. Zu den beliebtesten Auslandszielen zählen Italien, Österreich und Frankreich. Die Gründe hierfür liegen vor allem darin, dass diese Ziele nur eine relativ geringe Entfernung haben und oftmals am bequemsten mit dem Auto zu erreichen sind. Als alternatives Verkehrsmittel kommt bei diesen Zielen meist nur die Bahn in Frage. Die Bedeutung des Pkws als Urlaubsmittel nimmt mit steigender Entfernung rapide ab. Besonders bei Reisezielen, die nicht über Landwege erreichbar sind, bzw. die Fernreisen sind, ist der Anteil des Autoreiseverkehrs verschwindend gering.

5.4.2

Motorrad In Deutschland sind laut des Statistischen Bundesamtes zurzeit insgesamt rund 3,8 Mill. Motorräder, Leichtkrafträder und Roller sowie etwa 1,6 Mill. Mopeds, Mokicks und Mofas registriert. Bezogen auf die einzelnen Haushalte besitzen ca. 10 % ein Motorrad. Der Trend bei den Motorradtypen zeigt deutlich, dass der Anteil der leistungsstarken Motorräder über 750 ccm in den letzten Jahren konstant angestiegen ist. Fast jedes dritte neu zugelassene Motorrad hat eine Motorleistung über 1000 ccm, womit diese Quote

Modul B

Die Vorteile des Autos als Urlaubsmittel, und damit die Hauptgründe für die Wahl, sind vor allem der hohe Grad an Freiheit, Flexibilität, Spontanität und die Möglichkeit der individuellen Gestaltung der Reise im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln. Zudem sind Urlaubsziele schnell und bequem erreichbar.

122

5 Straßenverkehr

doppelt so hoch ist wie in Gesamteuropa. Im Allgemeinen werden die Straßenmotorräder in vier Typen wie Enduromaschinen, Chopper, Cruiser und Tourenmaschinen unterteilt. Bei den Neuzulassungen nach Motorradtypen entfällt auf die Chopper mit 30 % der größte Anteil. Mit ca. 90 % ist der überwiegende Anteil der Halter männlich. Bei einer Betrachtung nach Altersgruppen fällt auf, dass die Altersgruppe von 40 bis 44 Jahren am stärksten vertreten ist. Das Durchschnittsalter von 41,8 Jahren hat sich in den letzten Jahren stetig nach oben geschraubt. Der typische Motorradfahrer wird als männlicher Akademiker mit einem Altersdurchschnitt von circa 40 Jahren und einem guten bis sehr gutem Einkommen skizziert. Insgesamt zeichnet eine deutliche Verlagerung des Motorrades als Nutzobjekt hin zum Lifestyle- und Prestigeobjekt ab. Ein Großteil der Motorradfahrer möchte einfach zum Spaß fahren. Auch Ausflüge an Wochenenden oder in der Freizeit sind beliebter geworden. Der zweckgebundene Transport, wie zur Arbeit und Ausbildung, ist hingegen weiter rückläufig. Neben der Nutzung in der Freizeit spielt das Motorrad auch bei Urlaubsreisen als Verkehrsmittel eine bedeutende Rolle. Das Besondere bei den Urlaubreisen mit dem Motorrad ist, dass die Freizeitaktivität Motorradfahren mit einem Urlaub verbunden werden kann. Zudem ist die Fahrt in den Urlaub wichtiger als der Aufenthalt am Zielort selbst. Entscheidend bei der Auswahl der Zielgebiete ist die landschaftliche Strecke. Bei den Zielgebieten ist Norditalien der klare Favorit. Jeder Fünfte entscheidet sich für eine Fahrt auf den italienischen Bergstrecken und kurvigen Straßen. Jeweils circa 14 % verbringen ihren Motorradurlaub in Frankreich bzw. in Deutschland. Zu einer der beliebtesten Routen innerhalb Deutschlands zählt unter anderem die Deutsche Alpenstraße. Schließlich gibt es bei Motorradreisen gibt es eine Vielzahl an Organisationsformen. Der Grund dafür liegt vor allem darin, dass neben Veranstaltern von Motorradreisen eine Vielzahl an Motorradclubs in Deutschland existieren, die regelmäßig ihre eigenen Reisen organisieren. Daneben gibt es noch eine große Anzahl derjenigen, die ihre Route komplett individuell organisieren. Insgesamt ist bei der Organisation von Motorradreisen zu erkennen, dass diese zumeist in Gruppen bzw. für Gruppen organisiert werden.

5.4.3

Caravaning

Beim Campingtourismus ist Deutschland das Hauptreiseland der einheimischen Bevölkerung. Von allen Reisenden entschieden sich 9 % für einen Campingurlaub in Deutschland. Die große Bedeutung Deutschlands für den Campingtourismus spiegelt sich in der großen Anzahl an Campingplätzen wider. Deutschland bietet den Camping- und Caravaningurlaubern sehr unterschiedliche Ferienziele, die in kurzen Entfernungen erreichbar sind. Bayern und Mecklenburg-Vorpommern zählten mit jeweils über einer Millionen Ankünften und über drei Millionen Übernachtungen von Touristencampern zu den wichtigsten Zielgebieten für Campingurlauber innerhalb Deutschlands. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer liegt hier jeweils bei drei bis vier Näch-

5.4 Individualverkehr

123

ten. Neben den deutschen Reisezielen sind auch die nahen südeuropäischen Gebiete von großer Bedeutung für den Campingtourismus. Der Bereich touristisches Camping ist in den letzten Jahren in Deutschland sehr stark angewachsen. Der Urlaub auf Rädern mit einem Pkw und Wohnwagen (Caravan), oder mit motorisierten Wohnmobilen (Motor-Caravan), liegt derzeit im Trend. Insgesamt sind in Deutschland laut Kraftfahrtbundesamt aktuell etwa 350.000 Wohnmobile und über 600.000 Wohnwagen zugelassen. Beim Caravanbestand wird jedoch von einer Dunkelziffer von über 50 % ausgegangen, da die auf den Dauerstandplätzen abgestellten und nicht angemeldeten Fahrzeuge nicht registriert werden. Bei den Wohnmobilen liegt die Dunkelziffer bei ca. 20 %, da diese oft als Pkw, Lkw oder Büromobil angemeldet werden. In den letzten Jahren entschieden sich 7 % der deutschen Reisenden bei ihrer Haupturlaubsreise für die Unterkunftsform Camping. Bei den Inlandsreisen liegt dieser Anteil mit 9 % noch deutlich höher.

Dauercamping (Teilmobiles Freizeitwohnen) Zelt

Touristisches Camping

Motor-Caravan (=Wohnmobil)

Caravan (Wohnwagen)

Wohnmobil mit abnehmbarem Aufbau: Pick-up-Wohnmobil

Wohnwagen mit nichtfestem Anbau: - Falt- und Klappcaravan

Wohnmobil mit festem Aufbau: Campingbusse/Kastenwagen, Alkoven Mobil, teilintegriertes Wohnmobil, vollintegriertes Wohnmobil.

Wohnwagen mit festem Anbau: TouringCaravan, MittelklasseCaravan, OberklasseCaravan, LuxusCaravan.

Caravaning Abb. 5.9

Unterscheidungsformen des Campings und Caravanings

(Quelle: Gross 2011)

Beide Arten des touristischen Caravaning haben spezifische Besonderheiten. So kann bei einem Wohnmobil der Wohnraum auch bei der Fahrt genutzt werden und der Motor-Caravan ist leichter zu fahren bzw. zu manövrieren. Wohnmobile sind unabhängiger von Campingplätzen, da hier das Freistehen zumeist erlaubt ist. Auch Bergstraßen, die für Gespanne gesperrt sind, dürfen meist befahren werden. Des Weiteren hat ein Wohnmobil bei einem Gewicht bis zu 3,5 t kein Tempolimit. Ein Wohnwagen hingegen muss sich an ein vorgeschriebenes Tempolimit von 80 km/h halten, nur in Ausnahmefällen ist auch eine Geschwindigkeit von 100 km/h erlaubt. Allerdings ist ein Caravan kostengünstiger, ca. 30–60 % der Kosten bei der

Modul B

Camping

124

5 Straßenverkehr

Anschaffung und ca. 40 % hinsichtlich des Unterhalts. Zudem ist ein Wohnwagen geräumiger und komfortabler. Ein Zweitfahrzeug ist nicht notwendig, da man den Wohnwagen einfach abhängen kann und mit dem Auto Ausflüge machen kann. Während ein Wohnmobil weniger Platz, Schlaf- und Wohnkomfort bietet, kann man einen Caravan problemlos mit einem Vorzelt kombinieren. Ein Wohnwagen ist somit für einen längeren Aufenthalt besser geeignet, da man sich in einem Wohnwagen häuslich einrichten kann und wochenlang auf einem Campingplatz verbringen kann. Der Vergleich der Entwicklung von Wohnwagen mit den Wohnmobilen zeigt, dass in Deutschland ein klarer Trend hin zu selbstfahrenden Wohnmobilen geht. Die Zielgruppe für Caravaningurlauber gilt als jung, urban, gebildet und besser verdienend. Bei der Verteilung des Alters wird deutlich, dass die über 55-jährigen 2 % und die 14-bis 34-jährigen 9 % der Reisenden ausmachen. Campingtouristen kommen mit verstärkt aus Großstädten, haben im Durchschnitt einen höheren Bildungsstand besitzen und zählen zu den besserverdienenden Haushalten. Dies bedeutet, dass bei dieser Zielgruppe weder Kosten noch Mühen gescheut werden, um den Urlaub mit einem Höchstmaß an Individualität und Beweglichkeit verbringen zu können.



Erkenntnisse Individualverkehr

 Unterscheidungsformen sind: Pkw, Motorrad und Caravaning.  Jeder Haushalt in Deutschland besitzt 1,1 Pkw.  Pkw werden für Berufs-, Einkaufs- und Freizeitverkehr genutzt.  Motorräder sind häufig Lifestyle Objekte für ältere männliche Akademiker.  Caravaning & Reisemobile sind heutzutage sehr beliebt. Besonders die teuren Reisemobile werden bevorzugt.

Vertiefungsfragen



 Skizzieren Sie die Vertriebswege der Autovermieter!  Erläutern Sie die Stärken und Chancen des touristischen Busreiseverkehrs!

 Busse werden mit einer Einteilung in Sterne kategorisiert. Welche Unterschiede ergeben sich zwischen einem 1-Sterne-Bus und einem 4-Sterne-Bus?

 Wodurch unterscheidet sich das Konzept der Firma Rotel von normalen Busreisen?

 Recherchieren Sie im Internet eine optimale Motorradtour durch die Alpen (Hotels, Routenverlauf, Sightseeing)!

5.4 Individualverkehr

Literaturhinweise 

125



Becker O., Goslich W., Müller G., Bus- und Gruppenreisen, Marktchancen, Produkte, Erfolgsfaktoren, Meßkrich 2006

  

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Modul B



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Schiffsreisen Baumann E., Mundt J. W., Kreuzfahrten, in: Mundt, J. W. (Hrsg.), Reiseveranstaltung, 6. Auflage, München 2007 Berger A., Ocean Travel and Cruising; A Cultural Analysis, New York 2004 Charlier J., McCalla R., A Geographical Overview of the World Cruise Market and its seasonal Complementarities, in: Dowling R.K. (Hrsg.), Cruise Ship Tourism, Joondalup 2006, S.18–30 Dammer U., Destination Ship, in: Food Service Europe & Middle East, 14.02.2007, S.88–92 Dickinson, B., Vladimir, A., Selling the Sea. An Inside Look at the Cruise Industry, New York, 1997 Dowling R.K. (Hrsg.), Cruise Ship Tourism, Joondalup 2006 Dowling R.K., The Cruising Industry, in: Dowling R.K. (Hrsg.), Cruise Ship Tourism, Joondalup 2006, S.3–17 Dowling R.K., Looking Ahead: The Future of Cruising, in: Dowling R.K. (Hrsg.), Cruise Ship Tourism, Joondalup 2006, S.414–434 Foerster, H.-D., Ortel, K., Fährschifffahrt der Welt, Hamburg, 1998 FVW: Fremdenverkehrswirtschaft International (Hrsg.), Spezial Fit for Cruises, verschiedene Artikel, 11.04.08, Hamburg 2008

Modul B

Wacket M., Mehdorn H., die Bahn und die Börse: Wie der Bürger auf der Strecke bleibt, Wuppertal 2008

132

Literaturverzeichnis

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Modul B

Straßenverkehr

134

Literaturverzeichnis

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Stichwortverzeichnis 75 52 22 73 76 21 97 108 121 99

B Balkon 68 Beförderungsklassen 27 Bergbahn 88 Berlitz – Complete Guide to Cruising and Cruise Ships 62 Bestuhlung 27 Betriebsausflüge 110 Blue Train 102 Boutique Schiffe 60 British Aerospace 23 Buchungsklassen 29 Bug 63 Busfahrer 116

D DaimlerChrysler Aerospace DB AutoZug Deckplan Discount Airlines Djnepr Donau Doppeldeckerbus Douro Düsenjet

23 93 63 31 82 81 113 82 23

E Eastern & Oriental Express Eigenvertrieb Einschiffen Eisenbahn Enduromaschinen EuroCity

101 117 73 89 124 93

F

C Carnival Carnival Cruise Lines Carrier Fare Casa Celebrity Cruises. Chopper City Night Line

Club-Kreuzfahrt 52 Compagnie Internationale des WagonsLits 100 Cruiser 124 Cunard Line 56 Customer Fares 30

56 56 30 23 57 124 93

Fahrtgebiete Färöer-Insel Ferieninsel Fernlinien Firmengeschäft First Class Flugnetz Flugplan

69 70 75 110 118 114 25 24

Modul B

A Afternoon Tea Aida-Schiffe Aisle An- und Abreise Animation Anti-Trust-Immunity ATOC Autobahnnetz Autoschlüssel AVE

136

Stichwortverzeichnis

Flugreise Fractional Ownership freies Routing Freizeitverkehr

14 40 64 109

G Gang Garantiekabinen Gelegenheitsflugverkehr Gentle-Hosts Geschäftsreiseanbieter Geschäftsreisende Glacier Express Globale Distribution Systeme Globalen Allianzen Glückskabinen Gourmetkreuzfahrten Großraumflugzeuge

22 71 14 77 118 26 103 30 20 71 78 22

H Hapag-Lloyd Havel Heck Holzspurbahn Hub-and-Spoke Hurtigruten Hybride Fluggesellschaft

29 92 82 109 68 92 29

K Kabinenausstattung Kalkulation Klassenfahrten Kleiderordnung Kleinbus Kletterwände

114 30 52 67 65 22

L Langstrecken Leasing Leichtkrafträder Linienschifffahrt LOCO-Preissystem Low Cost Carrier Low Fare Airlines Luftverkehrskonzern Luxus Class Luxus-Kreuzfahrt

22 118 123 50 94 31 31 19 115 52

M 55 82 63 89 25 70 19

I IATA-Tarif IC 93 ICE Ijsselmeer Individualverkehr Innenkabinen Intercity-Express Interlining

Komfort Class Konsolidatoren Kreuzfahrtbranche Kreuzfahrtpassagiere Kreuzfahrtrouten Kurzstrecken

68 117 110 76 113 68

Main Marcobody Mega-Kreuzfahrtschiffe Midibus Mietomnibusverkehr Mietwagen-Broker Minderzahler Mittelstrecken Mitternachtssonne Mittschiffs Moldau Mosel Motorräder

82 22 61 113 110 119 30 22 70 63 82 82 123

N Nachtrand Narrowbody Nautische Kennzahlen Neckar Nego Fares Netzmanagement Netzwerk Nicko tours No Frills Airlines Nordatlantik

65 22 57 82 30 26 25 83 31 50

Stichwortverzeichnis

70 57

O Öffentlicher Personennahverkehr Omnibusunternehmen Orient-Express

16 58 16, 109 54 83 55 8 82 64 70 101 23 100 79 25

Q Queen Mary 2 Queen Victoria

50 57

R Raumzahl Refund Regionalverkehr Reisekatalog Reiseleitung Reisemobile RENFE Rerouting Rhein Rhone Roller Routing Rovos Rail Royal Caribbean

102 110

S 88 111 100

P Passenger Kilometers offered Pax-Crew Ratio Personenkilometer Phoenix Phoenix Flussreisen Phoenix Reisen PKW-Urlauber Po-Ebene Positionierungskreuzfahrten Postschiffe Pride of Africa Propellerturbine Pullman Pumpjet-Antrieb Punkt-zu-Punkt-Verbindung

Royal Scotsman RUF-Jugendreisen

58 29 91 117 116 125 99 29 81 82 123 65 101 57

Saar Saone Schienengüterverkehr Schienenverkehr Schiffsaufbau Schlittschuhbahnen Schmalrumpfflugzeuge Schmetterlingskreuzfahrten Seamless Travel Seat Load Factor Seemeile Serenité Service-Innovation Serviceklassen Servicekonzept Single-Kreuzfahrten Sitzkilometer Sitzladefaktor Slots Sondertarife Southwest Airlines Stadtbahn Standard Class Standardbus Standardbus-Lang Star Alliance Star Cruises Stopover Straßenbahn Strech-Version Studienkreuzfahrten Studiosus Sunday-Rule

82 82 91 89 63 68 22 64 26 16 57 80 29 27 28 78 16 16 25 30 31 88 114 113 113 21 57 29 88 22 52 110 30

T Tagesrandverbindung Tarifklassen TGV Themenkreuzfahrten Thyssen-Henschel Tickethändler

24 29 10, 98 78 92 30

Modul B

Nordland Norwegian Cruise Line

137

138

Stichwortverzeichnis

Tourenmaschinen Tourist Class Transportmittel Transporttechnologien Triebfahrzeuge TUI Cruises Turbofan Turboprop Turnuskreuzfahrten

124 114 5 8 92 55 23 23 64

U U-Bahn Unfallersatzwagen Urlaubsmotiv

88 118 116

V Viking River Cruises Von Bord gehen

83 74

W Weinkreuzfahrten Weltreisen Widebody Wohnanhänger Wolga

78 64 22 125 82

Y Yield Management

70

Modul B

Zur Person

Prof. Dr. Axel Schulz lehrt seit 1995 an der Hochschule Kempten. Nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre erfolgte die Promotion an der Universität ErlangenNürnberg zum Thema globale Distributionssysteme (GDS) und elektronische Märkte im Tourismus. Gleichzeitige Tätigkeit bei der Deutschen Lufthansa AG im Marketingbereich, Projektleiter für Neue Medien. Anschließend Beschäftigung bei Lufthansa Systems als Produktlinienmanager. Seine Forschungsschwerpunkte sind Verkehrsträger und Informationsmanagement im Tourismus. Weitere Informationen zur Person unter www.tourismus-schulz.de Internet-Seiten www.tourismus-schulz.de www.tourismus-grundlagen.de www.tourismus-verkehr.de www.tourismus-it.de www.tourismus-kreuzfahrten.de www.flughafen-management.de

Modul C Grundlagen der Hotellerie und des Hotelmanagements im Tourismus

Marco A. Gardini

Modul C

Hotelbranche – Hotelbetrieb – Hotelimmobilie

Vorwort zur 2. Auflage

Dieses Buch wendet sich in erster Linie an Studenten im Grund- und Hauptstudium aus Tourismus, Hotellerie und Immobilienwirtschaft, die sich einführend mit dem Themengebiet Hotellerie und Hotelmanagement auseinandersetzen. Ziel des Buches ist es eine Einführung in das Thema Hotellerie und Hotelmanagement zu geben, die grundlegend und gleichzeitig anschaulich ist. Die Hotellerie als touristischer Leistungsträger bietet dabei im Spannungsfeld zwischen Hotelmanagement und Hotelimmobilie zahlreiche Ansatzpunkte, die eine Vertiefung verdienen. Eine Einführung erfordert daher die Konzentration auf besonders grundlegende Aspekte und Fragestellungen aus dem facettenreichen Gebiet der Hotellerie und des Hotelmanagements. Dementsprechend soll zunächst die Hotellerie als Branche und Wirtschaftszweig in ihren strukturellen Merkmalen skizziert werden, bevor im zweiten Kapitel die Dienstleistungsbesonderheiten der Hotellerie dargestellt werden. Im Fokus der folgenden Kapitel stehen drei Themen im Mittelpunkt, die zum Verständnis der Besonderheiten der Hotelbranche essentiell sind: „Hotelmanagement und Hotelbetrieb“, „Akteure, Produkte und Märkte in der Hotellerie“ sowie „Hotelinvestitionen und Hotelimmobilie“. Damit die Einführung anschaulich ist, wird das Buch von zahlreichen Beispielen, Zusatzinformationen und Vertiefungsfragen begleitet. In der Hoffnung, den an der Hotellerie interessierten Lesern einen inspirierenden Einblick in eine faszinierende Branche zu geben, wünsche ich allen Lesern viel Spaß bei der Lektüre. Lob und Kritik sind natürlich jederzeit willkommen und so bin ich für eine angeregte Diskussion sowie Ergänzungs- und Optimierungsvorschläge jedweder Art dankbar.

Modul C

Die Hotellerie ist eine spannende und lebendige Branche. Die Anziehungskraft einer Dienstleistungsbranche, die in Deutschland mit ca. 35.000 Hotels, ca. 20 Mrd. Euro Umsatz, ca. 455.000 Beschäftigten und einem potenziellen Marktvolumen von ca. 620 Millionen zu vermarktenden Betten im Jahr 2012 beeindruckende Herausforderungen bereithält, ist ungeachtet aller strukturellen Probleme der Hotelbranche nach wie vor ungebrochen. Die Schwere der Aufgabe ein Hotelunternehmen erfolgreich zu führen, ist angesichts steigender Anforderungen in nahezu allen funktionalen Bereichen eines Hotelunternehmens dabei nicht geringer geworden. Nicht zuletzt die globale Wirtschafts- und Finanzkrise der Jahre 2008 und 2009 hat uns gelehrt die Hotellerie weniger als Handwerk zu verstehen, denn als eine internationale und vernetzte Branche, deren Entscheider, Eigentümer und Manager im intensiven und länderübergreifenden Wettbewerb stehen.

IV

Vorwort zur 2. Auflage

Mein besonderer Dank gebührt an dieser Stelle wie immer meiner Familie. Euch, Christine, Luca und Matteo, sei für Eure willkommenen Ablenkungen und Eure Geduld gedankt. Ohne Euch wäre mein Leben halb so lustig und halb so spannend. Euch sei daher dieses Buch gewidmet.

Marco A. Gardini

Kempten im Allgäu, Mai 2013

Inhaltsverzeichnis III

1

Die Hotellerie als Branche und Wirtschaftszweig

1.1

Einordnung der Hotellerie in das Gesamtsystem Tourismus.......................... 2

1.2

Begriff und Erscheinungsformen von Hotelunternehmen .............................. 3

1.3

Branchenstruktur der Hotellerie ..................................................................... 6

1.4

Organisationsformen in der Hotellerie ......................................................... 10

1.5

Qualitätskategorien und Hotelklassifizierung .............................................. 13

1.6

Die deutsche Hotellerie im Wandel .............................................................. 15

1.7

Grundlegende Strukturen und Akteure der internationalen Hotellerie ......... 18

2

Dienstleistungsbesonderheiten der Hotellerie

2.1

Begriff und Dimensionen von Dienstleistungen........................................... 26

2.2 2.2.1

Zum Dienstleistungscharakter der Hotelleistung.......................................... 29 Zur „Erlebniswelt“ Hotel als materielles und immaterielles Leistungssystem .............................................................. 30 Konsequenzen der Dienstleistungsbesonderheiten für die Hotellerie .......... 34

2.2.2 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3

1

25

Dienstleistungsqualität und Kundenzufriedenheit als Erfolgsfaktor in der Hotellerie ............................................................................................ 38 Begriff der Qualität ...................................................................................... 38 Qualitätsdimensionen von Dienstleistungen ................................................ 39 Wirkungszusammenhänge zwischen Kundenerwartungen, Kundenzufriedenheit und Dienstleistungsqualität ....................................... 42

3

Hotelmanagement und Hotelbetrieb

3.1

Grundlegende Leistungs- und Organisationsbereiche eines Hotelbetriebs... 50

3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3

Der Hotelbetrieb und seine Leistungen ........................................................ 54 Besonderheiten der Leistungspolitik in der Hotellerie ................................. 54 Zur Bedeutung der Standortwahl in der Hotellerie....................................... 61 Gestaltungsbereiche des Leistungsprogramms in der Hotellerie .................. 64

49

Modul C

Vorwort zur 2. Auflage

VI

Inhaltsverzeichnis

3.3

Angebots- und Nachfragestrukturen in der Hotellerie .................................. 69

3.4

Ausgewählte betriebswirtschaftliche Kennziffern in der Hotellerie ............. 72

3.5

Personalqualität als Erfolgsfaktor in der Hotellerie ...................................... 75

4

Akteure, Produkte und Märkte in der Hotellerie

4.1 4.1.1 4.1.2

Ausgewählte Anbieter und Produktkonzepte in der Hotellerie ..................... 82 Strategische Gruppen und Schlüsselanbieter in der Hotellerie ..................... 82 Ausgewählte Produktkonzepte in der Hotellerie........................................... 87

4.2 4.2.1 4.2.2

Ausgewählte Märkte und Marktsegmente in der Hotellerie ......................... 96 Der Geschäftsreisemarkt ............................................................................... 96 Der Freizeitreisemarkt .................................................................................. 99

5

Hotelmanagement und Hotelimmobilie

5.1

Zum Verhältnis von Hotelimmobilie und Hotelmanagement ..................... 108

5.2

Eigentumsverhältnisse und Vertragsstrukturen........................................... 111

5.3

Entwicklungen auf dem deutschen Hotelimmobilienmarkt ........................ 116

5.4

Arten von Hotelinvestitionen ...................................................................... 118

5.5 5.5.1 5.5.2 5.5.3

Kriterien von Investitionsentscheidungen in der Hotellerie ........................ 120 Markt- und Standortkonzept ....................................................................... 121 Betreiber- und Vertragsmodell ................................................................... 128 Finanzierung und Finanzierungspartner...................................................... 130

81

107

Literaturverzeichnis

135

Stichwortverzeichnis

145

1

Die Hotellerie als Branche und Wirtschaftszweig

Lernziele



Am Ende dieses Kapitels sollten Sie Folgendes können:

 die Hotellerie als Teil der Tourismusindustrie einordnen;  einen Überblick über den Hotelmarkt und die Branchenstruktur der Hotellerie geben;

 die verschiedenen Betriebsarten und Erscheinungsformen von Hotelunternehmen unterscheiden;

herausarbeiten;

 die Aufgaben und Probleme der Hotelklassifizierung benennen;  den Strukturwandel der Hotellerie von unternehmerzentrierten

Hotelbetrieben, hin zu konzern- bzw. kooperationsgebundenen Organisationseinheiten verstehen;

 die grundlegenden Strukturen und Akteure der internationalen Hotellerie skizzieren.

The Fairmont Banff Springs, Alberta, Kanada

Modul C

 die Unterschiede zwischen Hotelketten und Hotelkooperationen

2

1 Die Hotellerie als Branche und Wirtschaftszweig

1.1

Einordnung der Hotellerie in das Gesamtsystem Tourismus

Die Hotellerie ist ein wesentlicher Bestandteil des wirtschaftlichen Bezugsrahmens Tourismus und repräsentiert einen bedeutsamen Anteil an der touristischen Wertschöpfungskette. Das in Abb. 1.1 dargestellte Bezugssystem des Tourismus unterscheidet drei Dimensionen: die eigentlichen Kernfunktionen des Tourismus, die drei Arten von Institutionen, die die einzelnen Kernfunktionen erfüllen, sowie die notwendige Infrastruktur für den Tourismus (Schultze 1993, S. 73). Zu den Kernfunktionen innerhalb der Wertschöpfungskette des Tourismus zählen die Entwicklung und der Vertrieb der touristischen Dienstleistungen bzw. der Pauschalangebote für Transport und Aufenthalt, die Transportleistung, die Beherbergung und Verpflegung sowie touristische Nebenleistungen (Kaspar 1990, S. 24; Pompl 1997, S. 1f.). Kernfunktionen Institutionen Reine Tourismusbetriebe

Infrastruktur

Touristische Beherbergung/ Distribution/ Transport Verpflegung Nebenleistung Packaging • Reisevermittler • Airlines • Hotel, Pension, • Kongreß- und Motel, Gasthof, Tagungswesen • Reiseveranstalter • Bahn Sonstige • Messen und • Schiffahrt • FremdenverAusstellungen • Gastronomie kehrsämter, /• Straßengeb. verbände,.. Verkehr • Kuren und Bäderwesen • Terminalbetreiber Transportsysteme ReservierungsFremdenverkehrsort (Straße, Schiene..) systeme

Tourismusspezialisierte Betriebe

•Marktforschungs- • Produktion institute - Fahrzeugbau • Werbeagenturen - Anlagenbau •... • Dienstleistung - Autovermieter - Gepäckträger

Tourismusabhängige Betriebe

•Marktforschungsinstitute • Werbeagenturen •...

Abb. 1.1

Bezugsrahmen des Tourismus

• • • • •

Bergbahnen Skilifte Fähren Tankstellen ...

• Produktion - Möbel - Küchentechn. • Dienstleistung - Berater - Architekten

• Produktion - Souvenirind. - Reiseausrüst. • Dienstleistung - Fremdenführ. - Versicherung

• Gastronomie

• Produktion - Sportartikelind. - Fotoind. • Dienstleistung - Kulturanbieter - Spielbanken

(Quelle: Schultze 1993, S. 73)

In diesem Rahmenkonzept gehört die Hotellerie zu den reinen Tourismusbetrieben, deren Existenzgrundlage originär vom Angebot touristischer Leistungen abhängt. Tourismusspezialisierte oder tourismusabhängige Betriebe bieten hingegen derivative Leistungen im Tourismussektor an und sind in unterschiedlichem Maße wirtschaftlich von den Nachfrageentwicklungen im Fremdenverkehr abhängig. Die grundsätzliche Vernetztheit der vier touristischen Kernfunktionen im Zusammenhang mit der dazugehörigen Infrastruktur hat in der jüngeren Vergangenheit dazu

1.2 Begriff und Erscheinungsformen von Hotelunternehmen

3

geführt, einzelne bzw. die gesamten Kernfunktionen der touristischen Wertschöpfungskette zu bündeln und im Rahmen vertikaler, betrieblicher oder überbetrieblicher Zusammenarbeit zu einer integrierten Vermarktungsleistung zusammenzufassen. So sind bspw. auf der Ebene überbetrieblicher Zusammenarbeit zunehmend gemeinsame Vermarktungsanstrengungen zwischen den verschiedenen Bereichen zu beobachten, die in der Literatur unter dem Stichwort Destinationsmanagement subsumiert werden.

1.2

Begriff und Erscheinungsformen von Hotelunternehmen

Eine exakte wissenschaftliche und juristische Definition des Begriffs Hotel gestaltet sich aufgrund der Vielfalt der Leistungsfacetten im Hotel- und Gastgewerbe als außerordentlich schwierig. Konstitutives Merkmal und Hauptleistung eines jeden Hotels ist unbestritten die Befriedigung des Bedürfnisses nach Beherbergung und Verpflegung, wobei die Beherbergungsfunktion als der wesensbestimmende Teil eines Hotelunternehmens gilt. Das Verhältnis, in dem beide Leistungen zueinander stehen, kann sehr verschieden sein und setzt sich – wie später noch dargestellt – aus einer Vielzahl von Kombinations- und Einzelleistungen zusammen. Innerhalb der Beherbergungsunternehmen lassen sich die Beherbergungsformen in zwei Gruppen einteilen, die sich aus den Entwicklungen und Anforderungen der touristischen Nachfrage ergeben haben: die traditionelle Hotellerie einerseits und die ergänzende Hotellerie (Parahotellerie) andererseits. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) bzw. das Statistische Bundesamt differenzieren dabei in ähnlicher Form, indem einerseits das klassische Beherbergungsgewerbe (Hotels, Hotels Garni, Pensionen, Gasthöfe) und andererseits das sonstige Beherbergungsgewerbe (Camping, Ferienhäuser etc.) unterschieden werden. Abb. 1.2 gibt einen Überblick über die Systematik der Beherbergungsformen.

Modul C

Auf einzelbetrieblicher Ebene lässt sich dieses Phänomen der Wertkettenverknüpfung, beispielhaft an der Entwicklung der Preussag AG festmachen, die seit Mitte 2002 als TUI (Touristik Union International) firmiert. Neben dem betriebswirtschaftlich bemerkenswerten, strategischen Wandel vom Stahlunternehmen zu einem Touristikanbieter, spiegelt sich im Portfolio der TUI AG die Entwicklung zu einem integrierten Touristikkonzern mit Zugriff auf alle Kernfunktionen der touristischen Wertschöpfungskette wider. So ist die Hoteltochter der TUI AG, die TUI Hotels & Resorts aktuell mit 339 Hotels in über 30 Ländern nicht nur die größte deutsche Hotelkette, sondern ist darüber hinaus auch als die größte europäische Ferienhotelkette im Größenvergleich der weltweit größten Hotelgesellschaften auf Rang 12 platziert. (Stand 2012)

4

1 Die Hotellerie als Branche und Wirtschaftszweig

Beherbergung

Hotellerie Synonyme: Traditionelle Hotellerie Eigentliche Hotellerie

Parahotellerie Synonyme: Zusätzliche Beherbergung Ergänzende Hotellerie

Hôtellerie proprement dite

Hébergement complémentaire

• Hotel • Gasthof • Pension • Motel

• • • • •

Appartement Ferienwohnung/-haus Camping/Caravaning Jugendherbergen Sonstige Kollektivunterkünfte

• Aparthotel • Boarding House • Long/Extended stay Abb. 1.2

Systematik der Beherbergungsformen

(Quelle: Kaspar 1982, S. 77)

Die wesentlichen Unterschiede der Beherbergungsformen und Betriebsarten im Bereich der klassischen bzw. traditionellen Hotellerie und der Parahotellerie sind dabei Folgende (DEHOGA 2013):

 –







Klassische Hotellerie Hotel garni Ein Hotel garni ist ein Hotelbetrieb, der Beherbergung, Frühstück, Getränke und höchstens kleine Speisen anbietet. Gasthof Der Gasthof ist üblicherweise ein ländlicher Gastronomiebetrieb, der Speisen und Getränke anbietet und auch einige Unterkünfte bereithält. Motel Das Motel ist ein Hotel mit einem auf Kraftfahrer ausgerichteten Standort und nahe gelegener Parkmöglichkeit. Pension Eine Hotelpension/Pension ist ein Betrieb, der sich von den Hotels durch eingeschränkte Dienstleistungen unterscheidet. Mahlzeiten werden nur an Hausgäste abgegeben. Die Bezeichnung Hotelpension ist häufiger in Städten zu finden. Ein Fremdenheim ist ein Pensionsbetrieb einfacher Art.

1.2 Begriff und Erscheinungsformen von Hotelunternehmen



 –





Aparthotel (Apartment-Hotel) Ein Aparthotel oder Apartment-Hotel ist ein Hotel, in dem die Unterbringung in Studios oder Apartments erfolgt. Boardinghouse (Serviced Apartment) Das Boardinghouse (Serviced Apartment) ist ein Beherbergungsbetrieb in städtischer Umgebung, in dem die Unterbringung für längere Zeit erfolgt. Der Service reicht von sehr geringem Angebot bis hin zu einem hotelmäßigen Room Service. Parahotellerie Appartement/Ferienwohnung/Ferienhaus Ein Appartement bzw. eine Ferienwohnung ist eine abgeschlossene Unterkunft innerhalb eines Hauses mit eigenem Sanitärbereich und Selbstverpflegungseinrichtung, in der zum vorübergehenden Aufenthalt Gäste aufgenommen werden. Camping (Caravaning) Camping/Caravaning umfasst das Übernachten auf einem Campingplatz mit einem Zelt oder Wohnwagen (Caravan) beziehungsweise Wohnmobil. Jugendherberge Eine Jugendherberge ist ein Beherbergungsbetrieb, in dem in erster Linie junge Leute zu meist kurzfristigem Aufenthalt aufgenommen und in dem Speisen und Getränke nur an Hausgäste abgegeben werden. Jugendherbergen bieten Programme und Aktivitäten für zwanglose pädagogische oder der Erholung dienende Zwecke an.

Eine weitere Dimension des Hotelbegriffs sind bestimmte Standards, die in den zahlreichen Bemühungen um eine Definition als Beschreibungsmerkmale herausgestellt werden. Die Standards sind eine Funktion der Bedürfnisse des Hotelgastes, der Anforderungen des Gesetzgebers und der Verbände, sowie der Beurteilungskriterien unabhängiger oder durch die Hoteliers bestellter Bewertungsinstanzen (Schultze 1993, S. 68). Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband bzw. der Schweizer Interessenverband – der Schweizer Hotelier-Verein – beschreiben Hotelunternehmen wie folgt: –

SHV (Schweizer Hotelier Verein 1992): „...als Betriebe, die über eine vollständige Einrichtung für den Aufenthalt, die Unterkunft und die Verpflegung seiner Gäste verfügen. Sie zeichnen sich durch einen der Kategorie angemessenen Wohnund Aufenthaltsstandard und durch entsprechende Dienstleistungen aus.“



DEHOGA (Deutscher Hotel- und Gaststättenverband 1988): „...als einen Beherbergungsbetrieb mit angeschlossenem Verpflegungsbetrieb für Hausgäste und Passanten. Es zeichnet sich durch einen angemessenen Standard seines Angebots und durch entsprechende Dienstleistungen aus.“ Als Mindestvoraussetzungen setzt der DEHOGA mindestens 20 Gästezimmer voraus, von denen ein erheblicher Teil mit eigenem Bad/Dusche und WC ausgestattet sein muss sowie die Existenz eines Hotelempfangs.

Modul C



5

6

1 Die Hotellerie als Branche und Wirtschaftszweig

Die Schwierigkeit einer exakten Definition des Hotelbegriffs findet in den Bemühungen um eine möglichst vollständige Erfassung der zahlreichen Hoteltypen ihre Fortsetzung. So lassen sich die vielfältigen Erscheinungsformen in der Hotellerie durch einen mehrdimensionalen Ansatz erfassen, der nach kunden-, unternehmens- und standortspezifischen Kriterien differenziert. Ein Hotel kann dabei auch mehrere der aufgeführten Kriterien gleichzeitig in sich vereinigen (Abb. 1.3).

Differenzierungskriterien

Kundenbezogene

Kriterien

Hoteltypen

• Aufenthaltszweck - Geschäft - Ferien • Aufenthaltsdauer • Qualitätsanspruch

Tagungshotel Ferienhotel Residenzhotel Luxushotel

Unternehmensbezogene

Kriterien

Hoteltypen

Kriterien

Hoteltypen

• Betreiberform

Eigentum-/ Franchise-/ Pacht-/ Managementbetrieb

• Infrastruktur

Flughafenhotel Bahnhofhotel Motel

• Standort

Stadthotel Land-/Berghotel Seehotel

• Öffnungsdauer

Abb. 1.3

1.3

Standortbezogene

Typologie von Hotelunternehmen

Zweisaison-/ Einsaisonbetrieb

(Quelle: Gardini 2009, S. 30)

Branchenstruktur der Hotellerie

Der deutsche Hotelmarkt gilt mit ca. 35.000 Hotels, ca. 20 Mrd. Euro Umsatz im Bereich der klassischen Hotellerie, ca. 455.000 Beschäftigten und einem potenziellen Marktvolumen von ca. 620 Mio. verfügbaren Betten im Jahr 2012, zwar als einer der attraktivsten, aber auch als einer der schwierigsten Märkte in Europa. Große Überkapazitäten seit der Wiedervereinigung drücken dauerhaft auf die Preisentwicklung so wie auch lange Rezessionsphasen seit den 1990er Jahren dazu geführt haben, dass der deutsche Hotelmarkt seit 1995 nur in fünf Jahren nennenswerte Wachstumsraten von mehr als 1 % erzielt hat, wobei das bereits auch die Sondereffekte durch die Fußballweltmeisterschaft im Jahr 2006 mit einbezieht (IHA 2013, S. 20). Um die Branchenstruktur der Hotellerie im Detail zu beleuchten, ist es sinnvoll, zunächst die Betriebsarten und Größenverhältnisse in Bezug auf die Marktteilnehmer zu untersuchen, um im Anschluss daran auf die Markt- und Wettbewerbsverhältnisse eingehen zu können.

1.3 Branchenstruktur der Hotellerie

7

 Umsatzentwicklung in der Hotellerie Einen ersten Einblick in die Branchenstruktur der Hotellerie in der Bundesrepublik vermittelt der gastgewerbliche Zahlenspiegel des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Abb. 1.4).

Umsätze, Marktteilnehmer und Beschäftigte im Gastgewerbe im Jahr 2012 (Quelle: DEHOGA 2013b)

Die Umsatzentwicklung im traditionellen Beherbergungsgewerbe (Klassische Hotellerie) stellt sich im vergangenen Jahrzehnt dabei wie folgt dar (Abb. 1.5).

Abb. 1.5

Umsatzentwicklung im Beherbergungsgewerbe 2002 bis 2012

(Quelle: IHA 2013, S. 20)

Modul C

Abb. 1.4

8

1 Die Hotellerie als Branche und Wirtschaftszweig

 Betriebsarten und Größenklassen in der Hotellerie Als Maßstab für Größenverhältnisse in der Hotellerie lassen sich die Anzahl der Zimmer bzw. Betten, der Umsätze oder die Anzahl der Beschäftigten heranziehen. Hierbei wird nach Betrieben der Klein-, Mittelstands- und Großhotellerie unterschieden, ohne dass es jedoch hierfür eine einheitliche quantitative Systematik bzw. offizielle Größenklassifikation der Hotelunternehmen gäbe. Nach Betriebsarten lassen sich dabei für das traditionelle Beherbergungsgewerbe (Klassische Hotellerie) im Jahr 2012 folgende Strukturen in Deutschland identifizieren:

Durchschnittlich ca. 44 Zimmer/ 80 Betten pro Hoteleinheit Hotel

Hotel Garni

Gasthöfe

Betriebe

13.384

7.681

8.158

5.355

34.578

Zimmer

588.253

189.231

104.388

66.953

948.825

Betten

1.068.536

335.464

187.363

116.410

1.707.773

Abb. 1.6

Pensionen Klassische Hotellerie Gesamt

Die Struktur der traditionellen Hotellerie nach Betriebsarten im Jahr 2012 (Quelle: IHA 2013, S. 40)

In Bezug auf die hotelspezifischen Betriebsgrößenklassen weisen die Zahlen des Jahres 2012 für das klassische Beherbergungsgewerbe ca. 34.500 Hotelunternehmen aus, von denen ca. 88 % über weniger als 49 Zimmer verfügen (Abb.1.7). Aktuell gibt es in Deutschland nur 24 Hotels mit einer Zimmerkapazität über 500 Zimmern und nur drei mit einer Kapazität von mehr als 1.000 Zimmern. Neben dem Park Inn Alexanderplatz in Berlin mit 1.012 Zimmern und dem Sheraton Frankfurt Hotel Towers am Frankfurter Flughafen mit 1.008 Zimmern, weist das aktuell größte und umsatzstärkste deutsche Hotel – das Estrel Residence & Congress Hotel Berlin – mit 1.125 Zimmern und 2.250 Betten Dimensionen auf, die in der klein- und mittelständischen Hotellerie in Deutschland kaum anzutreffen sind. Andere Größenordnungen findet man bspw. in den USA, wo Hotelunternehmen mit einer Kapazität von unter 300 Betten als klein, unter 600 als mittel und erst Hotels mit einer Kapazität von über 600 Betten als Großbetriebe angesehen werden (Horwath et al. 1970, S. 456f.). Das aktuell größte Hotel der Welt ist dabei das The Venetian in Las Vegas mit 7.128 Zimmern, so wie sich auch weitere 14 Hotels in Las Vegas unter den 20 größten Hotels der Welt befinden (Stand 2012).

1.3 Branchenstruktur der Hotellerie

9

Klassische Hotellerie nach Betriebsgrößenklassen im Jahr 2012 Betriebsgrößenklassen von...bis 0 – 49 Zimmer

Hotels 30.339

50 – 99 Zimmer

2.606

100 – 249 Zimmer

1.395

250 und mehr Zimmer Summe Abb. 1.7

ca. 88 % der Hotels Haben weniger als 49 Zimmer

238 34.578

Die klassische Hotellerie nach Betriebsgrößenklassen im Jahr 2012 (Quelle: IHA 2013, S. 39)

Steuerpflichtige Hotelunternehmen und deren Umsatzanteile nach Umsatzgrößenklassen im Jahr 2010 Umsatzgrößenklassen von...bis

17.500 - 250.000 €

70,8%

250.000 – 1.000.000 €

22,0%

1.000.000 € und mehr

7,1 %

Summe Abb .1.8

Anteil Hotels

100,0%

Die klassische Hotellerie nach Umsatzgrößenklassen im Jahr 2010 (Quelle: Statistisches Bundesamt 2012)

Modul C

Betrachtet man im Weiteren die Umsatzsteuerstatistik im Hotelgewerbe im Detail, zeigt sich denn auch, dass Hotels verglichen mit anderen Wirtschaftszweigen mit ca. durchschnittlich 920.000 Euro Jahresumsatz relativ geringe Umsätze aufweisen (Henschel 2008, S. 39). Überträgt man im Weiteren die Zahlen der Umsatzsteuerstatistik auf die Größenklassifikation des Handelsrechts für Kapitalgesellschaften, wie sie das HGB in § 267 vorsieht, so stellt man fest, dass knapp 95% aller Hotelunternehmen in Deutschland am Umsatz gemessen zu den kleinen Gesellschaften zählen würden. Die Größenklassifikation nach Umsatz in der traditionellen Hotellerie in Deutschland ergibt für das Jahr 2010 denn auch das in Abbildung 1.8 dargestellte Bild.

10

1 Die Hotellerie als Branche und Wirtschaftszweig

 Top Ten der Hotelbetriebe und Hotelgruppen Betrachtet man die deutsche Hotellerie auf einzelbetrieblicher Ebene bzw. auf der Ebene der Hotelgruppen, ergeben sich für die Top Ten der Hotelbetriebe bzw. Hotelgruppen in Deutschland folgende Größenordnungen. (Abb. 1.9):

Rang

Hotelbetrieb

Nettoumsatz 2012 in Mio.€

Hotelgruppe

Nettoumsatz 2012 in Mio.€

1

Hotel Bayerischer Hof, München

59,6

Accor Hotellerie Deutschland

836,80

2

Estrel Residence&Congress Hotel, Berlin

53,9

Best Western Hotels Deutschland

683,4

3

Sheraton Frankfurt Hotel&Towers, Frankfurt/Main

50,8

InterContinental Hotels Group

516,0

4

Hotel Adlon Kempinski, Berlin

49,6

Starwood Hotels & Resorts Worldwide Inc.

381,1

5

InterContinental Berlin, Berlin

46,1

Maritim Hotelgesellschaft

373,7

6

Center Parcs Bungalowpark, Bisbinger Heide, Bisbingen

43,7

Steigenberger Hotels

364,9

7

Kempinski Vierjahreszeiten München

36,8

Hospitality Alliance AG/Ramada Worldwide

309,3

8

Hotel Sport- und Kurhotel Sonnenalp, Ofterschwang

36,5

Grand City Hotels

290,4

9

Park Inn Berlin-Alexanderplatz

36,2

NH Hoteles Deutschland

283,5

10

The Westin Grand München

36,1

Marriott International Inc.

272,5

Abb. 1.9

1.4

Die zehn umsatzstärksten Hotelbetriebe und Hotelgruppen in Deutschland 2011 (Quelle: Kinkopf 2012a, S. 2 und 2012b, S. 2)

Organisationsformen in der Hotellerie

In der Hotellerie werden – wie in Abb. 1.10 überblickartig dargestellt – mit der Individualhotellerie, der Kettenhotellerie und den Hotelkooperationen unterschiedliche Organisations- und Wettbewerbsformen unterschieden. Im Folgenden werden diese Organisationsformen kurz skizziert.  Individualhotellerie Die Individualhotellerie und damit das in privater Hand geführte Hotel ist für die meisten Märkte Europas ein charakteristisches Strukturmerkmal. Unter einem Eigentums- bzw. Privathotel wird das traditionelle Hotel verstanden, bei dem sich Immobilie (Grundstück, Gebäude) und operatives Geschäft, sprich die Betreibung des Hotels, in einer Hand befinden (z. B. Sonnenalp, Hotel Bareiss, Traube Tonbach). Die Rechtsform der Hotelunternehmen ist in der Regel die der Einzelunternehmung; Personenoder Kapitalgesellschaften sind zumeist nur bei großen Betriebseinheiten anzutreffen.

1.4 Organisationsformen in der Hotellerie

11

Der Hoteleigentümer trägt das volle unternehmerische Risiko, mit entsprechender Umsatz-, Kosten-, Gewinn- und Personalverantwortung. Hotelunternehmen Markenhotellerie Hotelkooperation

Einzel-/ Individualhotel

Hotelkette Franchisehotel

Filialsystem

Hotelkonzern

einzelbetrieblich

mehrbetrieblich

mehrbetrieblich

mehrbetrieblich

mehrbetrieblich

Rechtlich und wirtschaftlich selbständige Hotels

Horizontaler Zusammenschluss rechtlich und wirtschaftlich selbständiger Hotels; teilweise gehören Konzernhotels zugleich einer Hotelkooperation an (z.B. ist das Münchner Rocco Forte The Charles Hotel zudem eines der Leading Hotels of the World)

Vertikaler Zusammenschluss rechtlich und wirtschaftlich selbständiger Hotels

Unternehmen mit mehreren rechtlich unselbständigen Hotels (Filialbetriebe)

Rechtlich selbständige und zumeist wirtschaftlich abhängige Hotels unter einheitlicher Leitung

Abb. 1.10

Unterscheidungsformen von Hotelunternehmen

(Quelle: Gruner et al. 2008, S. 161)

 Hotelketten Unter einer Hotelkette wird eine Gruppe von Hotelbetrieben bzw. -unternehmen verstanden, die organisatorisch unter einheitlicher und zentraler Leitung operieren, am Markt unter gleichem Namen auftreten und hinsichtlich ihres Angebots den gleichen qualitativen Standard bieten (z. B. Steigenberger Hotels und Resorts, NH Hoteles, Hilton, Intercontinental, Marriott). Hotelketten können dabei – wie in Abb.1.10 dargestellt – entweder als Filial- bzw. Franchisesystem oder als Hotelkonzern organisiert sein. Charakteristisch ist hierbei, dass wesentliche betriebswirtschaftliche Teilfunktionen, wie z. B. Werbung, Marktforschung oder Qualitätsmanagement, aus den einzelnen Häusern ausgegliedert und der Kettenzentrale übertragen sind. Hotelketten können dabei auch unterschiedliche Qualitätssegmente bedienen, wobei die einzelnen Hotels nach dem Grad ihrer Ausstattung und des Serviceangebots unter bestimmten Markennamen zusammengefasst werden (z. B. Accor mit Sofitel, Pulmann, Mercure, Novotel, Ibis etc.). Je nach Organisationsform der Hotelketten bzw. Hotelkonzerne gibt es zum einen reine Betreibergesellschaften, die sich ausschließlich auf das Management von Hotelunternehmen spezialisiert haben, oder es gibt Hotelketten, die sowohl das Immobilienvermögen (Grundstück, Gebäude) als auch das operative Geschäft kontrollieren (siehe Kapitel 5). In der Praxis existieren zahlreiche Mischformen zwischen diesen gegensätzlichen Ansätzen.

Modul C

Individualhotellerie

12

1 Die Hotellerie als Branche und Wirtschaftszweig

 Hotelkooperationen Hotelkooperationen verkörpern eine je nach Kooperation mehr oder weniger formalisierte Form des Zusammenschlusses von Einzelunternehmen, bei der die rechtliche und wirtschaftliche Selbständigkeit der Einzelhotels erhalten bleibt. Ziel von Hotelkooperationen ist es, über gemeinsame Aktivitäten eine werbewirksame Marke aufzubauen, den Verkauf zu intensivieren und die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, um derart ein Gegengewicht zu den finanzstarken internationalen Hotelketten zu schaffen (z. B. Romantik Hotels, Ringhotels, Familotels). Gegenwärtig sind in Deutschland 65 Hotelkooperationen aktiv, in denen 1.948 einzelne, rechtlich selbständige Hotels zu einem Verbund im Sinne einer institutionalisierten Vermarktungskooperation zusammengeschlossen sind (IHA 2013, S. 190). Die Aufnahme in eine Hotelkooperation ist an bestimmte Auflagen und Kriterien gebunden, die von der Vermarktungszentrale („Systemkopf“) festgelegt werden (z. B. Eigentümerstruktur, Klassifizierungsniveau, Betriebstyp, Standort, Marktfokus, Ambiente etc.). Die Mitgliedschaft in einer Hotelkooperation ist mit unterschiedlichen Kostenkomponenten verbunden, deren Struktur und Zusammensetzung sich kooperationsabhängig unterscheidet. In der Regel sind jedoch eine einmalige Aufnahmegebühr, laufende Mitgliedsbeiträge, Kosten für das Reservierungssystem und Umlagen für bestimmte Marketing- und PR-Aktivitäten zu entrichten.

Markenname(n)

Gesellschaft

Hotels Zimmer in Deutschland

1. Accor Hospitality Germany

Sofitel, Suitehotel, Novotel , Mercure, Ibis, Adagio etc.

330

43.532

2. Best Western Hotels Deutschland

Best Western

192

19.366

3. Intercontinental Hotel Group

Intercontinental, Holiday Inn, Indigo etc.

71

14.500

4. Steigenberger Hotels

Steigenberger, Intercity

66

13.672

5. Grand City Hotels

Wyndham, Tryp Hotels etc.

94

11.500

6. Maritim Hotelgesellschaft

Maritim

37

10.753

7. NH Hoteles

NH, NHow

59

10.436

8. Motel One Group

Motel One

39

8.500

9. Hospitality Alliance

Ramada, Treff Hotels etc.

55

8.204

10. Ringhotels

Ringhotels

127

8.200

Abb. 1.11

Top Ten der deutschen Markenhotellerie 2012 nach Anzahl der Zimmer (Quelle: IHA 2013, S. 193)

1.5 Qualitätskategorien und Hotelklassifizierung

13

 Markenhotellerie Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) und der Hotelverband Deutschland (IHA) differenzieren dabei nicht mehr zwischen Hotelgesellschaften bzw. Hotelketten und Hotelkooperationen, sondern haben hierfür den Begriff der Markenhotellerie geprägt. Unter diesem Oberbegriff werden Hotelgesellschaften und Hotelgruppen geführt, die – – –

über mindestens vier Hotels verfügen, wovon sich mindestens eins in Deutschland befindet und die mit einer Dachmarkenstrategie am deutschen Hotelmarkt operieren, die sich unter anderem im Hotelnamen dokumentiert (IHA 2013, S. 186).

1.5

Qualitätskategorien und Hotelklassifizierung

Charakteristisch für die Hotellerie ist die Klassifikation von Hotels nach Angebotsbzw. Qualitätskategorien. Die entscheidende Kategorisierungsaufgabe besteht darin, die Vielfalt gastgewerblicher Angebotsformen zu ordnen, um dadurch in- und ausländischen Touristen Vergleichsmöglichkeiten zu verschaffen. Die vom Gesetzgeber oder von der betreffenden Standesorganisation vorgenommene objektive Unternehmensklassifikation dient demnach der Preis- und Leistungstransparenz für den Konsumenten. Aber auch aus der Sicht der Hotellerie bietet eine objektive Klassifikation eine Reihe von Vorteilen. So ist beispielsweise eine offizielle Unternehmensklassifikation – in Verbindung mit der stets einhergehenden Preisnormierung – als objektives Werbeargument für einen bestimmten Qualitätsstandard zu betrachten. Des Weiteren schafft eine Unternehmens- und Preisklassifikation die Voraussetzungen für die Durchführung von Betriebsvergleichen und ermöglicht jedem Unternehmen eine Überprüfung der eigenen Leistungsfähigkeit, sowie eine Beurteilung der Wettbewerbsfähigkeit im Hinblick auf die Konkurrenz. Die meisten Fremdenverkehrsländer verfügen über staatliche Einrichtungen oder Verbandsorganisationen, welche über das Leistungs- und Qualitätsniveau des Hotels

Modul C

Auch wenn der Begriff der Markenhotellerie aus Markengesichtspunkten nicht kritikfrei ist, hat er sich aus Vereinfachungsgründen und Gründen der Markttransparenz durchgesetzt, da die zahlreichen Kooperationen in der Hotellerie sich im Marktverhalten und Marktauftritt zunehmend den Kettenhotels angleichen und die Grenzen zwischen Kette und Kooperation aus Kundensicht immer mehr verschwimmen. Gegenwärtig werden 180 Unternehmen mit 3.863 Betrieben auf dem deutschen Markt gezählt, die der o.g. Definition der Markenhotellerie genügen (IHA 2013, S. 191), wobei hier auch unklare definitorische Abgrenzungen zu Doppelzählungen führen. Abb. 1.11 zeigt die zehn größten Hotelanbieter auf dem deutschen Hotelmarkt nach Anzahl der Zimmer aus dem Bereich der Markenhotellerie.

14

1 Die Hotellerie als Branche und Wirtschaftszweig

befinden und daraus eine Klassifizierung ableiten. Diese Systeme können entweder formeller oder informeller Natur sein, sie sind entweder staatlich oder privatrechtlich organisiert und sie sind entweder freiwilliger oder verpflichtender Natur. In der Bundesrepublik Deutschland wird erst seit 1996 seitens der DEHOGA eine einheitliche, formelle und privatrechtlich organisierte Klassifizierung vorgenommen, die für Hotelbetriebe – anders als bspw. in Österreich oder Südtirol – jedoch nicht zwingend vorgeschrieben ist. Seitdem wurde der Kriterienkatalog dreimal aktualisiert und überarbeitet (zuletzt 2009), neue technische Innovationen wurden aufgenommen und alte nicht mehr zeitgemäße Standards entfernt. Aktuell sind ca. 8.300 Hotelbetriebe klassifiziert, was einem Anteil von ca. 23 % an der klassischen Hotellerie entspricht. Die Mehrzahl der zertifizierten Hotels (ca. 90 %) sind dabei Betriebe in der 3- und 4Sternekategorie. Die Zertifizierung ist im Zeitalter des Onlinevertriebs auch ein wichtiges Suchkriterium in zahlreichen Internet-Hotelplattformen (z. B. hrs.com, booking.com) geworden und sichert zertifizierten Betrieben eine entsprechende Markt präsenz über die nicht zertifizierte Betriebe nicht verfügen. Darüber hinaus nehmen in Deutschland zahlreiche weitere private Anbieter entsprechende Klassifizierungen vor, die, obwohl teilweise nicht in der Fremdenverkehrsbranche tätig, in der Veröffentlichung von Hotel- und Restaurantführern einen guten Werbeträger sehen (z. B. Varta, Michelin, Shell). Weltweit existieren derzeit ca. 100 verschiedene Klassifikationssys-

Komfort • Einzelzimmer 14 qm, Doppelzimmer 18 qm • 90% der Zimmer mit Dusche oder Bad/WC • Erweitertes Frühstück oder Frühstücksbüffet • 12-stündig besetzte Rezeption, Telefon im Zimmer • 70% der Zimmer mit TV-Anschluss • Restaurant Luxus • Einzelzimmer 18 qm, Doppelzimmer 26 qm • Suiten • 4 Stunden besetzte Rezeption mit Concierge-Bereich • Alle Zimmer mit Dusche/WC,davon 80% mit Bad/WC • Hotelhalle mit Getränkeservice, Restaurant, Hotelbar • Konferenz- und Bankettmöglichkeit First Class • Einzelzimmer 16 qm, Doppelzimmer 24 qm • Alle Zimmer mit Dusche oder Bad/WC • Frühstücksbüffet und Zimmerservice • Bademantel auf Wunsch, Kosmetikspiegel, Fön • Alle Zimmer mit TV-Anschluss • Empfangshalle, Restaurant, Hotelbar

Abb. 1.12

Standard • Einzelzimmer 12qm, Doppelzimmer 16 qm • 50% der Zimmer mit Dusche oder Bad/WC • Getränkeautomat • Sitzgelegenheit pro Bett • Tisch

Tourist • Einzelzimmer 8 qm, Doppelzimmer 12 qm • Empfangsdienst • Kontinentales Frühstück • Fließend Kalt-/ Warmwasser • Kofferablage • Aufenthaltsraum

Auszüge aus dem Kriterienkatalog der Hotelklassifizierung nach DEHOGA (Quelle: hotelsterne.de, Einsehdatum 13.6.2011)

1.6 Die deutsche Hotellerie im Wandel

15

teme, wobei diese Hotelklassifizierungen sich unterschiedlichster Bewertungssystematiken (Sterne, Diamanten, Punkte, Prozente etc.) und inhaltlicher Bewertungskriterien bedienen. So liegen bspw. der deutschen Hotelklassifizierung insgesamt 230 Kriterien über die verschiedenen Kategorien zugrunde (hotelsterne.de 2011).

Die Qualität des Outputs, sprich die Kundenzufriedenheit, die nicht zuletzt durch zahlreiche immaterielle bzw. qualitative Faktoren im Dienstleistungsprozess beeinflusst wird, bleibt bei derartigen Qualitätskategorien außen vor, so dass die Staatsbzw. Verbandsklassifizierungen aus Kundensicht nicht mehr als ein erster Orientierungspunkt sind. Insofern werden existierende Hotelbeurteilungssysteme vielfach als nicht ausreichend marktorientiert, einengend, bürokratisch und nicht zeitgemäß angesehen. Insbesondere im Zeitalter von Web 2.0 stehen dem Gast mittlerweile neben einer Fülle an Informationen der Anbieter zudem tagesaktuelle Bewertungen und Beschreibungen von Gästen in zahlreichen Hotelbewertungsportalen zur Verfügung, die die bestehenden Systeme der deutschen Klassifizierung als relativ unflexibel erscheinen lassen. Darüber hinaus glauben viele Hotelgesellschaften/-ketten, dass aufgrund ihrer Produktsegmentierung und ihres Markennamens jegliche Beurteilungssysteme überflüssig geworden sind, insbesondere wenn es sich um international etablierte Marken handelt, die nationale Bewertungsschemata überschreiten. Dies zeigt sich in Entwicklungen in der internationalen Hotellerie, die mit prägnanten Klassifizierungsbegriffen bzw. Namenszusätzen im Markennamen eine gewisse Preis- und Leistungstransparenz gegenüber den Kunden schaffen wollen (Budget, Economy Limited Service, Economy Full Service, Mid Price-Full Service, Premier, First Class, Luxury).

1.6

Die deutsche Hotellerie im Wandel

Die Hotelbranche in Deutschland hat sich bis dato wie oben gezeigt, im Gegensatz zu den Entwicklungen in den USA, bis in die heutige Zeit noch ihren Mittelstandscharakter bewahrt. Eine klein- und mittelständisch geprägte Struktur ist ein signifikanter

Modul C

Die Kategorisierungs- und Klassifizierungsnotwendigkeit von Hotels ist nicht unumstritten (Rainer 2009). Die Hauptargumente der Klassifizierungskritik münden im Tatbestand, dass Klassifizierungen in obigem Sinne oftmals einem absoluten, angebotsorientierten Qualitätsbegriff folgen, und nicht einem relativen, der charakterisiert durch die Erfüllung spezifischer Anforderungen die Kundenerwartungen in den Mittelpunkt der Betrachtung stellt. Qualität wird in derartigen Klassifizierungssystemen im Wesentlichen mit dem Vorhandensein und dem Zustand zählbarer Kriterien und Ausstattungsmerkmale assoziiert und somit inputorientiert aufgefasst (Abb. 1.12). So entziehen sich vielfach neuere Hotelkonzepte immer mehr den Klassifikationsmöglichkeiten, da vielfach die Hardware zwar eine Einordnung in bestimmte Kategorien ermöglicht, diese aber nicht zwingend mit dem angebotenen Serviceniveau bzw. dem Produktkonzept übereinstimmen (z. B. 25hours, Motel One, H2O, Meiniger Hostels).

16

1 Die Hotellerie als Branche und Wirtschaftszweig

Indikator für das Vorhandensein einer fragmentierten Branche. PORTER charakterisiert eine fragmentierte oder zersplitterte Branche als Branchentypus, in dem „...die Wettbewerber weder signifikante Marktanteile besitzen noch das Branchenergebnis beeinflussen können“ (Porter 1999, S. 249). Dieses Merkmal ist auch aktuell für die Mehrzahl der weltweiten Hotelmärkte wesensbestimmend (Schultze 1993, S. 164). So zeigt ein Blick auf die Branchenstrukturen aller EU-Mitgliedstaaten, dass sich im Durchschnitt aller Länder noch im Jahr 1990 ca. 75 % der Gesamtkapazität in der Hotellerie im Besitz kleiner, unabhängiger Familienbetriebe befanden und im Schnitt nur ca. 15 % von Hotelketten kontrolliert wurden. In der Budgethotellerie (1 bis 2-Sterne) sind aktuell bspw. in Deutschland noch ca. 96 % der Hotels individuell geführte Hotels, in Italien sogar 98 % (Nadrowski 2009, S. 156). Einschränkend muss hier jedoch berücksichtigt werden, dass eine differenzierte Betrachtung der verschiedenen Sternekategorien und Standorte unterschiedlich hohe Konzentrationsmaße ergibt. So dominiert in den städtischen Ballungszentren oftmals die Kettenhotellerie das Hotelangebot, während in der Ferienhotellerie nach wie vor noch die unabhängigen und inhabergeführten Einzelunternehmen überwiegen. Städte wie Frankfurt/Main (74 %), Düsseldorf (65 %), Dresden (63 %) oder Berlin (57 %), weisen entsprechend hohe Konzentrationsgrade der markengebundenen Häuser in Deutschland auf (hotelbiz consulting 2003, S. 8). Aktuell wird der Grad der Marktdurchdringung konzern- bzw. kooperationsgebundener Organisationseinheiten – sprich der Markenhotellerie in Europa – im Durchschnitt auf 25 % geschätzt, während in den USA der geschätzte Marktanteil der Hotelketten bzw. Kooperationen auf 70 % beziffert wird (TREUGAST Solutions Group 2009, S. 50). Obwohl die deutsche Hotellerie im Vergleich zu anderen Hotelmärkten und anderen Wirtschaftszweigen noch einen relativ geringen Konzentrationsgrad aufweist, schreitet der Konzentrationsprozess seit den 1990er Jahren verstärkt fort und wird in den nächsten Jahren mit weiteren Marktbereinigungen zu Lasten der Individualhotellerie verbunden sein. Die Wettbewerbsintensität zwischen Individual- und Kettenhotellerie hat entsprechend deutlich zugenommen und so finden sich in der jüngeren Zeit in der öffentlichen Diskussion denn auch verstärkt Beiträge (vgl. Gardini 2006, Peters 2007), die den Strukturwandel in der Hotellerie thematisieren und deutschland- bzw. europaweit einen merklichen Übergang von ehemals mittelständischen, fragmentierten Branchenstrukturen und familien- bzw. unternehmerzentrierten Hotelbetrieben, hin zu konzern- bzw. kooperationsgebundenen Organisationseinheiten konstatieren: „ …the hotel sector in Europe has changed faster in the past ten years than any time of history“ (Harrison/Enz 2005, S. 356). Die in diesem Zusammenhang zitierten strukturellen Veränderungstreiber lassen sich – stark vereinfacht – sowohl im globalen Umfeld als auch auf der Wettbewerbsebene folgendermaßen verorten (Gardini 2009a, S. 25): – –

eine voranschreitende Globalisierung der Hospitality Industrie und die damit verbundenen Fusionen, Übernahmen und Allianzen in vielen Märkten; Marktbereinigungen zu Lasten der mittelständischen Hotellerie, was langfristig zu Konzentrationsmaßen in der Hotelbranche führen wird, die sich den heutigen Verhältnissen in den USA annähern;

1.6 Die deutsche Hotellerie im Wandel –







17

veränderte Eigentumsstrukturen, die zu einer Neutarierung des Verhältnisses zwischen Betreibern, Investoren und Immobilienbesitzern führen und darüber hinaus einen starken Professionalisierungsdruck ausüben werden, mit klarer Ausrichtung auf ein ertrags- bzw. renditeorientiertes Management; Technologiesprünge, die sowohl auf lokaler wie auf globaler Ebene Operations (z. B. Informationstechnologie, Facility/Utility Management, Telekommunikation) sowie Marketing und Vertrieb (z. B. E-Distribution, Web 2.0, Mobile Commerce, CRM) nachhaltig beeinflussen werden; Demographische Entwicklung in vielen Industrieländern, die sowohl auf dem Arbeits- als auch dem Absatzmarkt in den nächsten 20 bis 30 Jahren zu massiven Veränderungen in den jeweiligen Angebots- und Nachfragestrukturen führen wird; Polarisierung und Vernischung der Märkte, was Hotelunternehmen immer deutlicher vor die Notwendigkeit stellt, sich klar und konsequent im Wettbewerb zu positionieren. 180 Gesellschaften

121 Gesellschaften

1.068 Hotels

1985

Abb. 1.13

1.224 Hotels

1990

95 Gesellschaften

1.949 Hotels

1995

2.301 Hotels 2000

3.863 Hotels

2012

Entwicklungsdynamik der Markenhotellerie in Deutschland von 1985 bis 2012 (Quelle: IHA 20013, S. 191)

Ohne Anspruch auf eine erschöpfende Benennung aller Veränderungstreiber und ohne im Einzelnen bei Betrachtung der aktuellen Strukturveränderungen auf die absolute oder relative Bedeutung dieser Umweltimpulse für die Hotellerie einzugehen, verdeutlicht auch die Entwicklung der Markenhotellerie in den letzten 25 Jahren, die zunehmende Bedeutung von markengebundenen Organisationseinheiten (Kooperationen und Ketten) gegenüber der klassischen Individualhotellerie. Unterzieht man die Konzentrationsentwicklungen in der deutschen Hotellerie einer näheren Betrachtung, so muss man zwischen einer mengenbezogenen (Kapazität) und einer wertbezogenen (Umsatz) Perspektive unterscheiden. Im Jahr 2012 waren – wie in Abbildung 1.13

Modul C

41 Gesellschaften

71 Gesellschaften

18

1 Die Hotellerie als Branche und Wirtschaftszweig

dargestellt – 180 auf dem deutschen Markt agierende Hotelgesellschaften (Ketten und Kooperationen) bekannt, die im Sinne des oben genannten Markenbegriffs der DEHOGA als Markenhotellerie über 3.863 Betriebe verfügen. Diese Betriebe erwirtschafteten nach Schätzungen des Hotelverbands Deutschland (IHA) im Jahr 2012 einen Marktanteil von über 50 % des Gesamtumsatzes der Hotelbranche, obwohl sie mit 3.863 Beherbergungsbetrieben nur knapp 11.2 % (2008: 9,9 %) der Betriebe stellt (IHA 2013, S. 198.). Legt man anstelle der Umsatzzahlen die Zimmerkapazität zugrunde, so stellten Ketten und Kooperationen im Jahr 2012 39 % (2008: 34,9 %) der Hotelkapazität in Deutschland. Insofern verzeichnet der Markttrend im letzten Jahrzehnt einen deutlichen Anstieg der markengebundenen Hotellerie und einen Rückgang der Individualhotellerie. Institutionelle Investoren fördern dabei das Wachstum der Markenhotellerie in Europa und so werden sich Schätzungen zufolge denn auch die Strukturen in der Europäischen Union und somit auch in Deutschland zunehmend den Verhältnissen in den USA angleichen (Gardini 2008, S. 7).

1.7

Grundlegende Strukturen und Akteure der internationalen Hotellerie

Die Globalisierung in der Hotellerie zeigt in den letzten ca. 20 Jahren eine ungleichmäßige geographische Entwicklung. Sie zeigt sich bspw. darin, dass die weltweite Hotelkapazität von 1980 bis 1997 insgesamt nur um ca. 77,9 % gestiegen ist, während die Boomregion Asia-Pacific in diesem Zeitraum um beeindruckende 879 % zulegte. (Hentschel 2008, S. 45f.) Dies hatte zur Folge, dass die Region Asia-Pacific ihren weltweiten Marktanteil in der Vergangenheit rasant steigern konnte. Neuere Prognosen gehen davon aus, dass sich die Anteile an der weltweiten Bettenkapazität in den Kernregionen bis zum Jahre 2016 weiter angleichen werden (Westeuropa (28,4 %); USA (25,1 %); Asia-Pacific (27,8 %)). Weltweit gesehen befinden sich die meisten Hotelkapazitäten zwar noch in Europa, jedoch bei sinkender Tendenz, da insbesondere Nord- und Südamerika, die BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China) sowie der Mittlere Osten im zukünftigen Fokus internationaler Expansionsprozesse stehen (Mintel 2008). Nichtsdestoweniger verzeichnete der Hotelinvestmentmarkt Europa in den letzten Jahren eine deutlich über dem Durchschnitt der vorangegangenen Jahre liegende Performance. So wies der europäische Hotelinvestmentmarkt in den Jahren 2005 bis 2007 über den Betrachtungszeitraum von zehn Jahren, absolute Höchstwerte auf (2006 mit 21,6 Mrd. Euro und im Jahr 2007 mit 18,7 Mrd. Euro). Diese Investmenteuphorie hat sich jedoch nach der Finanzkrise im Jahr 2008/2009 abgeschwächt und pendelt sich aktuell wieder auf den Langzeitdurchschnitt von ca. 10 Mrd. Euro im Jahr ein. Knapp die Hälfte dieses Transaktionsvolumens entfällt dabei in der Regel

1.7 Grundlegende Strukturen und Akteure der internationalen Hotellerie

25,1% Nordamerika: 138 Mrd. US $

19

Globaler Hotelmarkt Prognose 2016 550.000.000.000 US $ 3,4% 28,4% Westeuropa 156 Mrd. US $

Osteuropa 19 Mrd. US $

27,8% Asia/Pacific: 153 Mrd. US $

8,9% Lateinamerika: 49 Mrd. US $

Mittlerer Osten/Afrika 27 Mrd. US $

4,9%

1,4% Australasia: 8 Mrd. US $

Prognostiziertes Wachstum in den globalen Hotelmärkten bis 2016 (Quelle: Euromonitor 2012)

Abb. 1.15

Die größten Hotelkonzerne der Welt 2013

Modul C

Abb. 1.14

(Quelle: MKG Consulting 2013)

auf die drei größten europäischen Märkte Großbritannien, Deutschland und Frankreich (Deka Bank 2008). Betrachtet man die Verteilung der globalen Marktanteile in der weltweiten Hotellerie, bezogen auf die nationale Herkunft der Hotelgesellschaften, wird deutlich, dass die weltweiten Hotelmärkte insbesondere von den US-amerikanischen Hotelgesellschaf-

20

1 Die Hotellerie als Branche und Wirtschaftszweig

ten dominiert werden (IHA 2013, S. 202). So finden sich unter den Top Ten der größten internationalen Hotelkonzerne des Jahres 2013 allein sieben US-Unternehmen. Während sich die amerikanischen Hotelgesellschaften schon seit Längerem international betätigen, expandieren in Europa viele Hotelunternehmen erst in den letzten Jahren verstärkt über ihre Grenzen hinaus (z. B. Accor, NH Hoteles, Sol Melia, Barceló). Die größte deutsche Hotelkette stellt die Hotelgruppe des Reiseveranstalters TUI dar, die mit ihren 339 Hotels in ca. 30 Ländern in der Liste der weltweit größten Hotelgesellschaften auf Rang 12 geführt wird. Als erste reine Hotelgesellschaft deutschen Ursprungs befindet sich Kempinski auf Platz 40, gefolgt von der Maritim Hotelgesellschaft (Platz 45) sowie der Steigenberger Hotels AG (Platz 52). Global gesehen, spielt die deutsche Hotellerie denn auch nur eine untergeordnete Rolle (IHA 2009, S. 113).

Hotels 35.000

30.000

25.000

Prozentuale Entwicklung bezogen auf die Anzahl der Hotels

Im Jahr 2013 4.561.793 Zimmer 37.315 Hotels + 17% (zu 2006)

Zimmer 4.500.000

4.000.000 3.903.050 3.500.000

61%

3.000.000 32.207

20.000

2.500.000 2.402.645

15.000

2.000.000

291%

1.500.000

20.048 10.000

38%

1.229.887

1.000.000

5.000 502.508

500.000

6.888

4.987 0

0 1970

1986

1996 Hotels

Abb. 1.16

2006

Zimmer

Wachstum der weltweit zehn größten Hotelketten im Zeitraum 1970 bis 2013 (Quelle: In Anlehnung an Frehse 2009, S. 238; MKG Consulting 2013)

Die seit Beginn der 80er Jahre zu verzeichnenden Expansionsbestrebungen der internationalen Konzerne halten auch zukünftig weiter an (Abb. 1.16). So kündigten die 20 größten Hotelgesellschaften der Welt unlängst an, bis zum Jahr 2015 1,1 Millionen neue Zimmer schaffen zu wollen, wobei 480.000 Zimmer in Nord- und Südamerika sowie 300.000 im pazifischen Raum bzw. im Mittleren Osten entstehen sollen. Marriott will in den nächsten sieben Jahren ca. 80.000 neue Zimmer schaffen, Choice International ca. 78.000, während Accor bis zum Jahr 2010 ein Wachstum um weitere 200.000 neue Zimmer anstrebt, nachdem das Zimmerkontingent des Konzerns in den letzten fünf Jahren bereits um 28 % gewachsen ist. Hilton plant die insgesamt größte Expansion in der Geschichte der Kette. In Kooperation mit dem US-amerikanischen

1.7 Grundlegende Strukturen und Akteure der internationalen Hotellerie

21

Finanzinvestor Blackstone will das Unternehmen in den nächsten zehn Jahren weltweit ca. 900 neue Hotels mit 120.000 Zimmer eröffnen. Und auch die spanische Gruppe NH Hoteles will bis 2009 die Anzahl ihrer Hotelzimmer vorrangig in Europa von derzeit 38.990 auf 71.387 erhöhen, während InterContinental ankündigte, ihr Konzept „Express by Holiday Inn“ solle sich in den nächsten Jahren zur am schnellsten wachsenden Hotelmarke in Europa entwickeln (Härle/Haller 2007). Abbildung 1.16 verdeutlicht das Ergebnis dieser globalen Expansionsbestrebungen. Während die weltweit zehn größten Hotelketten im Jahre 1970 über 4.987 Hotels mit 502.502 Zimmern verfügten, waren es Ende 2013 bereits 37.315 Hotels mit 4.561.793 Zimmern (Abb. 1.16). Bezogen auf den Weltmarkt vereinen die zehn größten Hotelgesellschaften damit ca. 20 % der weltweiten Hotelkapazität auf sich.

Venedig Paris London München Rom Amsterdam Mailand Istanbul Florenz Barcelona Wien Brüssel Frankfurt am Main Brighton Köln Madrid Prag Hamburg Berlin Athen

Apr 12 236,00 181,00 197,00 120,00 162,00 172,00 176,00 157,00 152,00 156,00 129,00 131,00 128,00 129,00 96,00 108,00 125,00 118,00 95,00 87,00

Mai 12 261,00 194,00 212,00 156,00 171,00 182,00 153,00 154,00 169,00 159,00 135,00 129,00 115,00 133,00 137,00 114,00 130,00 127,00 105,00 96,00

Jun 12 251,00 209,00 225,00 134,00 161,00 171,00 143,00 142,00 174,00 145,00 132,00 126,00 129,00 142,00 102,00 104,00 117,00 119,00 103,00 90,00

Jul 12 200,00 179,00 261,00 125,00 127,00 139,00 129,00 137,00 138,00 133,00 115,00 101,00 91,00 138,00 96,00 85,00 96,00 106,00 89,00 84,00

Aug 12 182,00 147,00 229,00 129,00 111,00 136,00 125,00 117,00 114,00 127,00 111,00 88,00 95,00 133,00 101,00 77,00 99,00 110,00 89,00 80,00

Sep 12 260,00 218,00 204,00 198,00 158,00 177,00 199,00 153,00 157,00 150,00 151,00 130,00 148,00 145,00 146,00 104,00 126,00 134,00 132,00 88,00

Okt 12 237,00 213,00 206,00 169,00 165,00 158,00 154,00 152,00 151,00 149,00 135,00 132,00 127,00 123,00 123,00 123,00 112,00 112,00 102,00 83,00

Hotelpreise in Euro

Abb. 1.17

Hotelpreise im internationalen Vergleich: Der Trivago Hotelpreisindex (Quelle: trivago.de 2013)

Der weltweite Hotelmarkt befindet sich denn auch in den letzten zehn Jahren in einem tiefgreifenden Strukturwandel. Insbesondere die großen Ketten streben zunehmend danach in allen Ländern präsent zu sein, und so prägen – ähnlich wie im deutschen Hotelmarkt – eine hohe Wettbewerbsintensität und starke Konzentrationsprozesse auch international das Bild. Im Gegensatz zu seinen amerikanischen und asiatischen Mitbewerbern ist der europäische Hotelmarkt wie oben skizziert nach wie vor durch ein fragmentiertes Angebot charakterisiert. Die Strukturproblematik der deutschen Hotellerie zeigt sich insbesondere in einem europäischen Vergleich der Hotelpreise

Modul C

Trivago Hotelpreis Index für Hotels in Europa von April 2012 bis Oktober 2012 (in Euro)*

22

1 Die Hotellerie als Branche und Wirtschaftszweig

(Abb. 1.17) und Leistungskennzahlen der Hotellerie wie durchschnittlicher Zimmererlös, Auslastung und RevPAR, in dem die deutsche Hotellerie in der Regel deutlich schlechter abschneidet als der europäische Durchschnitt (Deloitte Hotelbenchmark Survey 2008). Auch wenn die Globalisierung im Wesentlichen einen Prozess darstellt, den hauptsächlich die großen Hotelkonzerne verfolgen können, bleibt jedoch auch die Individualhotellerie von den Wirkungen dieser Aktivitäten nicht unberührt. So führt die verstärkte Expansion der internationalen Hotelketten in die Niedrig- und Mittelpreissegmente und die Ausweitung des weltweiten Hotelangebots in vielen nationalen Märkten zu einem intensiven Preiswettbewerb, den die klein- und mittelständische Individualhotellerie auf der Kostenseite kaum erwidern kann. Auch dem gestiegenen Markenbewusstsein wird aus Sicht internationaler Kunden, eher von der Kettenhotellerie als von der Individualhotellerie, entsprochen werden können. Einheitliche Qualitätsstandards, ein hohes Maß an Dienstleistungsbereitschaft und Freundlichkeit bei einem optimalen Preis-/Leistungsverhältnis gehören heutzutage zu den selbstverständlich gewordenen Erwartungen eines Hotelgastes. Diese Anforderungen können derzeit nur mehr größere Hotelgesellschaften bzw. Hotelkooperationen standort- und länderübergreifend erfüllen und auch garantieren. In Erwartung dieser Entwicklung wird der gegenwärtig bereits zu Lasten der Individualhotellerie geführte Verdrängungswettbewerb weltweit auch in Zukunft weiter an Härte zunehmen. Das expansive Vordringen der internationalen Kettenhotellerie in die aus Sicht der Individualhoteliers einst sicheren europäischen Märkte, wird erst dann zum Erliegen kommen bzw. an Dynamik verlieren, wenn das angestrebte Wachstum von internationalen Hotelinvestoren nicht länger finanziert wird (Peters 2007, S. 81).

Wichtige Erkenntnisse



Der Hotelbegriff ist kein geschützter Begriff. Die deutsche Hotellerie ist eine klein- und mittelständisch geprägte Branche (ca. 90 % der Betriebe haben weniger als 49 Zimmer). Der Strukturwandel in der Hotellerie führt mittel- bis längerfristig dazu, dass immer mehr Hotelunternehmen Teil einer Kette oder einer Kooperation sein werden (Stichwort: Markenhotellerie). Der Nutzen der Hotelklassifizierung ist umstritten. Die internationale Hotellerie wird von US-amerikanischen Hotelketten dominiert.

1.7 Grundlegende Strukturen und Akteure der internationalen Hotellerie

Vertiefungsfragen

23



 Welche vier Wertschöpfungsfunktionen im Tourismus unterscheidet man?  Nach welchen Kriterien lassen sich die verschiedenen Betriebsarten und Erscheinungsformen in der Hotellerie unterscheiden?  Was versteht man unter dem Begriff der Markenhotellerie?  Was ist der Unterschied zwischen einer Hotelkette und einer Hotelkooperation?

 Was versteht man unter dem Stichwort „Strukturwandel in der Hotellerie“?

Literaturhinweise



 Clarke, A., Chen, W.: International Hospitality Management, Amsterdam 2007.

 Gardini, M.A.: Handbuch Hospitality Management, Frankfurt/Main 2009.

 Gardini, M.A.: Marketing-Management in der Hotellerie, 2. Aufl.,

mie, 8. Aufl. München 2011.

 Walker, J.: Exploring the Hospitality Industry, New Jersey 2008.

Internetquellen  www.dehoga.de



Offizielle Homepage des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands, der Branchenvertretung der Hotellerie und Gastronomie mit Statistiken, Berichten, Pressemitteilungen etc.  www.dagusta.de Presseplattform mit News, Personalien, Berichten, Pressemitteilungen aus der Hotellerie und Gastronomie etc.  www.hospitalityinside.de Kostenpflichtiges Online-Magazin mit Marktanalysen, Statistiken, News, Personalien, Berichten, Pressemitteilungen aus der Hotellerie und Gastronomie etc.  www.mkgconsulting.com Interessante Seite einer der führenden europäischen Marktforschungs- und Beratungsunternehmen im Bereich der Hotellerie.

Modul C

München 2009.

 Henschel, U.; Hotelmanagement, 3. Aufl., München 2008  Hänssler, K.H. (Hrsg.): Management in Hotellerie und Gastrono-

2

Dienstleistungsbesonderheiten der Hotellerie

Lernziele



Am Ende dieses Kapitels sollten Sie Folgendes können:

 die konstitutiven Merkmale von Dienstleistungen erläutern und verstehen;

 den Dienstleistungscharakter der Hotellerie und dessen Konsequenzen für das Management eines Hotelbetriebs verstehen;

 das Hotel als materielles und immaterielles Leistungssystem  die besondere Bedeutung des Wettbewerbsfaktors Qualität für den Erfolg eines Hotelunternehmens erkennen;

 die Qualitätsdimensionen von Hotelleistungen beschreiben;  die Wirkungszusammenhänge zwischen Kundenerwartungen, Kundenzufriedenheit und Dienstleistungsqualität verstehen.

Rocco Forte, Hotel Villa Kennedy, Frankfurt

Modul C

begreifen;

26

2.1

2 Dienstleistungsbesonderheiten der Hotellerie

Begriff und Dimensionen von Dienstleistungen

Die Systematisierungsansätze von Dienstleistungen sind in der Literatur überaus vielfältig. Ausgangspunkt vieler Dienstleistungsdefinitionen ist oftmals eine DreiPhasen-Betrachtung der Dienstleistung, anhand derer in einem zweiten Schritt die konstitutiven Merkmale von Dienstleistungen herausgearbeitet werden. Dabei wird zwischen potenzial-, prozess- und ergebnisorientierten Definitions- und Erklärungsansätzen unterschieden (Meffert/Bruhn 2009, S.16ff.; Corsten/Gössinger 2007, S. 19ff.):  Potenzialorientierte Dienstleistungsdimension Dienstleistung wird in dieser Definition als das Potenzial eines Unternehmens interpretiert, das mit Hilfe von Menschen oder Maschinen als Absatzobjekten seine Leistungsfähigkeit anbietet bzw. seine Bereitschaft vermittelt, diese marktlich zu verwerten. Blois spricht in diesem Zusammenhang von Signalen „...as an indication that the service will be performed satisfactorily.“ (Blois 1983, S. 254). Differenzierungen von Dienstleistungen ergeben sich durch die jeweilige Mensch- und/oder ObjektAusprägung der angebotenen Leistungsfähigkeiten. Handelt es sich vornehmlich um menschliche Leistungsfähigkeiten, die zur Erstellung einer Dienstleistung eingesetzt werden, spricht man von einer klassischen, persönlich erbrachten Dienstleistung, wie sie bspw. für eine Rechtsberatung oder eine ärztliche Konsultation kennzeichnend ist. Ist die angebotene Dienstleistung jedoch durch einen vollkommenen Ersatz menschlicher durch maschinelle Leistungsfähigkeiten gekennzeichnet, spricht man von einer vollautomatisierten (maschinellen) Dienstleistung (z. B. Geldautomaten, Waschanlage). Ungeachtet der Tatsache, ob es sich um menschliche oder maschinelle Leistungsfähigkeiten des Anbieters handelt, stellen Dienstleistungen in dieser Phase zunächst lediglich ein Leistungsversprechen des Anbieters dar – Levitt spricht hier von „…buying promises“ (Levitt 1981, S. 96).  Prozessorientierte Dienstleistungsdimension Schwerpunkt dieser Perspektive ist der Tätigkeits- bzw. Prozesscharakter von Dienstleistungen sowie die daraus resultierende Zeitdimension. Dienstleistungen stellen vielfach eine Tätigkeit oder einen Prozess dar und werden um ihrer selbst willen nachgefragt, d. h. der Kunde fragt genau diesen Prozess bzw. die Teilnahme an diesem Prozess nach (z. B. Massage, Konzert, Theater). Rathmell weist in diesem Zusammenhang auf die Unterschiede zur Sachleistung hin: „Goods are produced, services are performed“ (Rathmell, 1974, S. 58). Berekoven definiert demzufolge auch Dienstleistungen als „...der Bedarfsdeckung Dritter dienende materielle und/oder geistige Prozesse, deren Vollzug und deren Nutzung einen (zeitlich und räumlich) synchronen Kontakt zwischen Leistungsgeber und Leistungsnehmer (bzw. dessen Verfügungsobjekt) technisch bedingen und von der Bedarfsdeckung her erfordern.“ (Berekoven 1974, S. 29). Wesentliche Merkmale der prozessorientierten Dienstleistungsperspektive sind demnach zum einen die Notwendigkeit der Einbindung des

2.1 Begriff und Dimensionen von Dienstleistungen

27

Kunden bzw. dessen Verfügungsobjekten in den Dienstleistungsprozess – Meyer spricht von der Integration eines externen Faktors (Meyer 1994b, S. 21 ff.). – und zum anderen das Charakteristikum der Immaterialität von Dienstleistungen, da, „...letztlich jede Verrichtung immaterieller Natur ist.“ (Corsten/Gössinger 2007, S. 22).

Die Dienstleistungsbesonderheiten basieren demzufolge auf den Kernmerkmalen der Immaterialität (Intangibilität), des weitgehenden Zusammenfalls von Produktion und Absatz im Zuge der Endkombination (Uno-Actu-Prinzip) sowie aus dem – zumindest in persönlichkeitsintensiven Dienstleistungskontexten – notwendigen Einbezug des Kunden in den Prozess der Leistungserstellung. Die Dienstleistungsproduktion verläuft dabei üblicherweise in zwei Phasen: Vorkombination und Endkombination (Corsten/Gössinger 2007; S. 110 ff.). Im Rahmen der Vorkombination werden die notwendigen Leistungspotenziale aufgebaut, wobei das generelle Leistungspotenzial eines Unternehmens als Kapazität bezeichnet wird und die damit verbundene potenzielle Verfügbarkeit der Leistung als Leistungsbereitschaft (z. B. das Hotel mit seiner Bettenkapazität, dem Personal, dem Gebäude- und Freizeitanlagen, den Kücheneinrichtungen etc.). Im Rahmen der Endkombination werden schließlich in einem zeitlich synchronen Prozess durch das Zusammenspiel zwischen den internen Produktionsfaktoren (Einrichtungen, Personal etc.) sowie der Integration des externen Faktors (Kunden bzw. deren Verfügungsobjekte) absatzfähige Dienstleistungen erstellt (Meffert/Bruhn 2009, S. 37 f.). Ein weiteres Merkmal das in der Literatur oftmals genannt wird, ist die Nichtlagerfähigkeit von Dienstleistungen. So kann im Gegensatz zu anderen Industrien wie bspw. der Automobilindustrie ein Hotelzimmer das an einem Tag nicht verkauft wird, nicht gelagert und zu einem späteren Zeitpunkt verkauft werden, während dies hingegen mit einem Fahrzeug möglich ist. Jedes nichtverkaufte Zimmer ist angesichts der fixen Kapazität als Umsatzbringer bzw. Deckungsbeitrag verloren. Als ein weiteres Merkmal wird die Volatilität der Dienstleistungsqualität genannt, d. h., die Qualität der Leistungserbringung hängt sehr stark davon ab, wer wann welche Dienstleistung für wen zu erbringen hat. Auch dies ein Unterschied im Vergleich zur Automobilindustrie, wo aufgrund der weitestgehenden Automatisierung der Produktionsprozesse und der Möglichkeit zahlreicher prozessbe-

Modul C

 Ergebnisorientierte Dienstleistungsdimension Die ergebnisorientierte Dienstleistungsinterpretation geht davon aus, dass nicht die Teilnahme an der Dienstleistungserstellung (zeitraumbezogene Sichtweise), sondern das Ergebnis der dienstleistenden Tätigkeit nachgefragt wird (zeitpunktbezogene Sichtweise). Eine Dienstleistung wird demzufolge als der Output von anbieterinternen Faktorkombinationsprozessen charakterisiert, also als ökonomisches, nutzenstiftendes Endergebnis der Dienstleistungsproduktion. Dieses nutzenstiftende Endergebnis besteht aus Kundensicht zumeist in einem individuellen Wohlbefinden auf der Basis einer Problemlösung, eines Erlebnisses oder einer physischen bzw. psychischen Weiterentwicklung. Dabei wird nicht verkannt, dass materielle Trägermedien als Basis für die Erzielung des Leistungsergebnisses eine Rolle spielen können, oftmals steht jedoch der immaterielle Charakter der originären Dienstleistung im Vordergrund (z. B. der Erholungszustand nach einem Urlaub).

28

2 Dienstleistungsbesonderheiten der Hotellerie

gleitender Qualitätskontrollen, Qualitätsunterschiede im Endprodukt sehr gering bzw. selten sind (Grönroos, 2007, S. 53 ff.; Lovelock/Wright 2002, S. 9 ff.). Aus den Kernmerkmalen von Dienstleistungen folgen bestimmte Sekundäreigenschaften, die aus Anbieter und Nachfragersicht von Bedeutung im Konsumprozess sind (Nelson 1970, S. 312):

Konstitutive Merkmale von Dienstleistungen Intangibilität/Immaterialität

Zusammenfall von Konsum und Produktion (Uno Actu-Prinzip= Leistung wird am Kunden oder an dessen Verfügungsobjekt erbracht) Integration des externen Faktors/ Bedeutung des persönlichen Kontaktes

Abb. 2.1

Besonderheiten von Dienstleistungen

Eigenschaften von Dienstleistungen Sucheigenschaften („search qualities“) Erfahrungseigenschaften („experience qualities“) Glaubenseigenschaften („credence qualities“)

(Quelle: Gardini 2009, S. 20)

So mangelt es vielen Dienstleistungen aufgrund der Immaterialität an sog. Sucheigenschaften (search qualities), d. h. Produkt-/Leistungseigenschaften, die vor dem Kauf einer Überprüfung unterzogen werden können, wie bspw. die Probefahrt beim Autokauf. Ob ein Hotel hingegen den Ansprüchen genügt (z. B. ruhiger Schlaf, gepflegte Zimmer, angenehmes Ambiente), kann man i. d. R. nicht vorher ausprobieren. Dies führt dazu, dass die Mehrzahl von Dienstleistungen durch sog. Erfahrungseigenschaften (experience qualities) definiert sind, die der Konsument erst nach dem Kauf beurteilen kann. Bei einer Vielzahl von Dienstleistungen ist jedoch auch nach der Nutzung nicht immer ein sicheres Werturteil über bestimmte Leistungseigenschaften möglich, so dass man hier auch von den sog. Vertrauenseigenschaften (credence qualities) von Dienstleistungen spricht. Dies ist bspw. in Dienstleistungskontexten der Fall, in denen der Produzent einer Dienstleistung gegenüber dem Konsumenten über einen deutlichen Wissensvorsprung verfügt (z. B. Rechtsanwalt, Steuerberater, Arzt), der Zusammenhang einer Leistung mit den dazugehörigen Input- oder Potenzialfaktoren nicht immer eindeutig auszumachen ist und/oder die Wirkungen und Eigenschaften einer Leistung sich erst nach einer längeren bzw. unsicheren Zeitspanne einstellen. Ob eine ärztliche Therapie, eine Kapitalanlage oder ein anwaltlicher Ratschlag unter gegebenen Umständen die beste aller möglichen Alternativen für den Kunden darstellt, ist denn auch in der Retrospektive oftmals mehr eine Vertrauensangelegenheit als ein rational abgesichertes Werturteil. Credence qualities spielen jedoch im Kontext von Hotelleistungen eine sehr geringe Rolle.

2.2 Zum Dienstleistungscharakter der Hotelleistung

2.2

29

Zum Dienstleistungscharakter der Hotelleistung

Barth und Theis charakterisieren Hotelunternehmen als personenbezogene, kundenpräsenzbedingte Dienstleistungsbetriebe, die durch den Einsatz materieller und immaterieller interner Faktoren, direkte Leistungen an Dritte abgeben, wobei diese als externe Faktoren in den Leistungserstellungsprozess zu integrieren sind (Barth/Theis 1998, S. 15 ff.). Während Beherbergung und Verpflegung, wie später noch detailliert skizziert, Kernleistungen darstellen (siehe Kapitel 3), übernehmen die Nebenleistungen zusätzliche Dienstleistungsfunktionen und stellen in ihrer Ausgestaltung ein wichtiges Differenzierungsmerkmal für Hotelunternehmen in ihrem jeweiligen Kunden-/Marktsegment dar. Immaterielle Komponenten Prozessuale K. Beherbergung

Alles was dem Gast im Zusammenhang mit dem Zimmer angeboten wird

Speisen/Getränke

Alles was dem Gast zum Verzehr angeboten wird

Komfort

Alles Materielle, das dem Gast zur Verfügung gestellt wird

Sensuelle K.

Service

Atmosphäre

Alle Dienste, die im Beherbergungs-, Verpflegungs-, NL-Bereich geleistet werden

Alles Immaterielle, das auf das Empfinden und Erlebnis des Gastes Einfluss hat

Ambiente Alles was der Gast rund um den Aufenthalt im Hotel wahrnimmt und erlebt

Zentrale Komponenten

Abb. 2.2

Dimensionen der Hotelleistung

Komplettierende Komponenten

(Quelle: nach Poggendorf 1991, S. 98)

Das Ausmaß und die Bedeutung des persönlichen Kontakts zwischen Leistungsanbieter und Leistungsnachfrager wird in der Hotellerie im Wesentlichen durch die jeweilige Hotelkategorie bzw. das Qualitätssegment determiniert. Die Dominanz der Dienstleistungsaspekte, die Individualität der Leistungserstellung und die große Bedeutung des persönlichen Kontaktes zwischen Hotelmitarbeitern und Hotelgästen in weiten Teilen der Hotellerie charakterisieren demzufolge Hotelleistungen als Erfahrungsgüter, ein Merkmal, welches dazu führt, dass Kunden im Vorfeld die relative Leistungsqualität eines Hotels nur sehr schwer oder nur indirekt einschätzen können. Weitere Dienstleistungsspezifika, wie das Erfordernis der Kundenpräsenz bzw. Kundenbeteiligung, die Immaterialität zumindest von Teilen und Ergebnissen der angebotenen

Modul C

Materielle Komponenten

30

2 Dienstleistungsbesonderheiten der Hotellerie

Leistungen, die Erstellung und der Absatz der Leistungen nach dem Uno-ActuPrinzip sind typische Merkmale bzw. wesentliche Bestandteile der Hotelleistung und kennzeichnen demzufolge das Hotel eindeutig als ein Dienstleistungsunternehmen. In den folgenden Abschnitten sollen die Dienstleistungsspezifika der Hotelleistung und deren Konsequenzen, sowohl in Bezug auf die Erbringung und Vermarktung von Hotelleistung als auch im Hinblick auf die Qualitätswahrnehmung durch die Kunden, näher untersucht werden.

2.2.1

Zur „Erlebniswelt“ Hotel als materielles und immaterielles Leistungssystem

Zu einer „Erlebniswelt“ oder – wie manche Autoren es ausdrücken – zu einer „sozialen Bühne“ (Goffmann 1969, S.187) wird ein Hotelunternehmen erst dann, wenn es gelingt, das ökonomische bzw. materielle System mit dem sozio-emotionalen bzw. immateriellen System so zu koppeln, dass sowohl den bewussten als auch den unbewussten Bedürfnissen und Erwartungen des Gastes auf der Sach- und Beziehungsebene entsprochen wird. Es ist unbestrittener Konsens in der Dienstleistungsliteratur, dass die Augenblicke, in denen ein Kunde mit einem Dienstleistungsunternehmen bzw. ihrer Personifizierung in Gestalt der Mitarbeiter der Unternehmen in Kontakt tritt, als entscheidende Momente – sog. „Moments of Truth“ – der Qualitätswahrnehmung und -beurteilung durch den Kunden angesehen werden und daher der besonderen Aufmerksamkeit des Management unterliegen sollten (Carlzon 1987; Grönroos 1990). Anhand der grundsätzlichen Gestaltung von Dienstleistungsinteraktionen ergeben sich verschiedene Erkenntnisse und so lassen sich aus dem Wirkungszusammenhang zwischen Leistungsmerkmalen, Interaktionspartnern, Interaktionsumfeld, Interaktionsprozess und dem daraus resultierenden Interaktionsergebnis, die wesentlichen Determinanten zwischenmenschlicher Interaktionen sowie deren Implikationen für das Marketing von Hotelleistungen aufzeigen (Klaus 1995, S. 260 ff.; Lehmann 1995, S. 31 ff.; Gardini 2001, S. 31 ff.):  Interaktionspartner „Although a service is an interaction between a customer and a complex system, a very important element of many services is a person-to-person encounter“ (Mattsson 1994, S. 46). Im Mittelpunkt der Dienstleistungsinteraktion in der Hotellerie steht denn auch der Mensch, der – geprägt durch psychische (z. B. Wissen, Einstellungen, Motive, Emotionen), physische (z. B. Alter, Gesundheit, Geschlecht) und soziale (z. B. Normen, Werte, Kulturstandards) Determinanten – individuell verschiedene Verhaltensweisen und Voraussetzungen in den Interaktionsprozess mit einbringt. Diese können sowohl auf Kunden- als auch auf Mitarbeiterseite im Rahmen der Mensch-zu-Mensch-Interaktionen sehr dynamische und sich wechselseitig verstärkende Austauschprozesse generieren und dadurch sehr unterschiedliche und vielschichtige Dienstleistungssituationen und -ergebnisse hervorbringen.  Interaktionsumfeld Das Interaktionsumfeld bildet sich aus unternehmensexterner und unternehmensinterner Umwelt. Unternehmensextern unterliegen sowohl Kunde, Mitarbeiter als auch das

31

Hotelunternehmen als organisatorische Einheit den sozio-kulturellen Umwelteinflüssen, wie sie sich durch Normen, Werte und Verhaltenskodexe aus dem gesellschaftlichen Umfeld ergeben. Diese externen Rahmenbedingungen wirken unternehmensintern auf die normative Dimension des Dienstleistungsmanagement ein. So prägt das organisationale Umfeld in den Kundenkontaktmomenten über Faktoren wie Unternehmenskultur, Struktur- und Prozessgestaltung, Führungs- und Anreizsysteme oder die jeweilige Kommunikation nach innen und außen, das Zusammenspiel zwischen Mitarbeiter und Kunden. Bitner erweitert diese unternehmensinterne Betrachtungsperspektive und verweist darüber hinaus auf die Funktion der physischen Gestaltung des Interaktionsumfeldes, wie zum Beispiel den Standortcharakteristika oder der Gebäude-, Anlagen- und Lichtarchitektur. „In interpersonal servicescapes, special consideration must be given to the effects of the physical environment on the nature and quality of the social interaction between and among customers and employees“ (Bitner 1992, S. 58). Aus Perspektive des Gastes gilt es über die Innengestaltung von Zimmern, Aufenthaltsräumen und Hotelanlagen eine Stimmung bzw. Atmosphäre zu schaffen, die als wohltuend empfunden wird. Die atmosphärischen Aspekte der baulichen Gestaltung im Sinne eines solchen Stimmungsmanagement sind dabei vielfältig und können so unterschiedliche Komponenten umfassen wie die Raumgestaltung, das Raumklima, die Raumbeduftung, Dekorationen, den Einsatz von Farben und/oder Licht, musikalische Untermalung etc. (Dreyer/Dehner 2003, S. 41 f.). Die effektive und effiziente Gestaltung sowohl interner als auch marktgerichteter Organisationsund Dienstleistungsprozesse, die positive Beeinflussung von Interaktionen über die bewusste Einrichtung und Strukturierung von Kommunikationszonen und Begegnungsabläufen sowie die potenzielle akquisitorische Wirkung eines über entsprechende bauliche Gestaltungsansätze transportierten Qualitäts-/Markenimage eines Hotelunternehmens, sind demzufolge entscheidende Gestaltungsfaktoren eines KundeMitarbeiter-Interaktionskontextes (Bitner 1992, S. 67 f.).  Interaktionsprozess und -ergebnis Die unmittelbaren Austauschbeziehungen zwischen Unternehmen, Kunde und Mitarbeiter, finden dabei sowohl auf einer sach-rationalen als auch auf einer sozioemotionalen Ebene statt. Die Befriedigung technisch-ökonomischer Qualitätsansprüche dient der Erfüllung der Kundenanforderungen auf der Sachebene, während den psycho-sozialen Ansprüchen auf der Beziehungsebene des Interaktionsprozesses entsprochen wird. Die Qualität der Gesamtleistung, sprich des Interaktionsprozesses und des Interaktionsergebnisses, ergibt sich in einer Bedürfnisbefriedigung auf beiden Ebenen. Die Einflussfaktoren der Kunde-Mitarbeiter-Interaktionen im Hotelbereich sind je nach Leistungsprofil vielschichtig und können in unterschiedlicher Stärke auf die Qualitätswahrnehmung der Kunden einwirken. Leistungscharakteristika, wie die individuelle oder standardisierte Form der Leistungserstellung, das unterschiedliche Maß nicht sichtbarer Leistungselemente (z. B. Freundlichkeit, Ambiente, Wohlbefinden), die Anzahl/Güte der Mitarbeiter, mit denen man in Kontakt kommt, oder der situative Kontext einer Interaktion, die sich oftmals auch unter Zeitdruck oder Stress vollziehen kann, prägen das Qualitätsempfinden von Kunden. Auch auf Mitarbeiterseite spielen unterschiedliche Faktoren eine Rolle und können ein Serviceereignis

Modul C

2.2 Zum Dienstleistungscharakter der Hotelleistung

32

2 Dienstleistungsbesonderheiten der Hotellerie

positiv oder negativ beeinflussen: die grundsätzliche Einstellung zu Arbeit bzw. Leistung, charakterliche Merkmale (Kommunikationsfreude, Menschenkenntnis usw.), die jeweilige Ausbildung und Berufs- bzw. Branchenerfahrung, die Tagesform oder ganz einfach die Frage, ob der Kunde lieber von einem männlichen oder weiblichen Mitarbeiter bedient werden möchte. Kunden wiederum sind unterschiedlich gut informiert über ein Produkt, sind Neuem gegenüber aufgeschlossen oder eher risikoavers, haben je nach Nationalität oder Kulturkreis eine unterschiedliche Auffassung darüber was Servicequalität sein soll oder bringen in Abhängigkeit vom Einkommen oder Interesse einen unterschiedlichen Grad an Involvement in den Interaktionsprozess ein (Gardini 2001, S. 31 f.). Abbildung 2.3 fasst diese Erkenntnisse nochmals zusammen.

Leistungsmerkmale • Heterogenität • Immaterialität • Individualität • Integrationsgrad • Multipersonalität • Innovationsgrad • Dimensionierung • Situativer Kontext • ...

Mitarbeitermerkmale • Eigenschaften • Einstellungen • Fähigkeiten • Ausbildung/Qualifikation • Berufserfahrung • Branchenerfahrung • Geschlecht • „Tagesform“

Einflussfaktoren der Dienstleistungsinteraktion

•...

Kundenmerkmale • Individualität • Involvement • Risikodisposition/-wahrnehmung • Vertrauensdisposition • Information/Produkt Know-how • Loyalität • Kultureller/Sozialer Hintergrund • „Tagesform“ •...

Organisationsmerkmale • Unternehmensphilosophie/-kultur • Ziele • Strategien • Strukturen/Prozesse • Führungs-/Anreizsysteme • Personalsysteme • Kommunikation •...

Abb. 2.3

Ausgewählte Einflussfaktoren der Dienstleistungsinteraktion

(Quelle: Gardini 2001, S. 32)

Um die Komplexität der Hotelleistungen vor allem im Hinblick auf einen kundenorientierten Ansatz transparenter zu gestalten, empfiehlt sich aus Marketingperspektive die bereits oben skizzierte, gedankliche Trennung des Leistungssystems in ein materielles und ein immaterielles Subsystem (Duch 1980, S. 27; Lockwood 1989, S. 352 f.). Für eine Sensibilisierung des Marketing-Managements im Hinblick auf eine verstärkte Kundenorientierung ist die Konsequenz einer solchen Zweiteilung von wesentlicher Bedeutung. Die Qualitätsbeurteilung bzw. -wahrnehmung des Hotelkunden differenziert auf unterschiedliche Art und Weise zwischen materiellen und immateriellen Faktoren. Grönroos unterscheidet in seinem Modell zwischen der technischen (Tech Quality) und der funktionalen (Touch Quality) Dimension von Dienst-

2.2 Zum Dienstleistungscharakter der Hotelleistung

33

leistungsangeboten (Grönross 1984, 1990). Während die technische Dimension sich mit der Frage des „Was erhält der Kunde?“ im Sinne der materiellen Leistungselemente befasst (z. B. Etagen- oder Restaurantservice), stellt die funktionale Dimension auf das „Wie wird die Dienstleistung dargeboten?“ ab (z. B. schnell, zuvorkommend, zuverlässig) und unterliegt somit sehr stark der subjektiven Wahrnehmung des Kunden. Dabei ist von dem Tatbestand auszugehen, dass Kundenzufriedenheit sich nicht über die reine Erfüllung von materiellen Leistungselementen einstellt (dies verhindert nur Unzufriedenheit), sondern entscheidend von den immateriellen Faktoren und der damit einhergehenden Erfüllung von hierarchisch nachfolgenden Bedürfnissen beeinflusst wird.

Potentialebene

Prozessebene

Ergebnisebene

Abb. 2.4

Immaterielle Wirkungsebene „Touch Dimension“

• Makro/Mikro-Standort • Unternehmensklassifikation • Kooperations-/Kettenzugehörigkeit • Hotelarchitektur (Anlage, Gebäude) • Hotelausstattung (Technik, Funktionalität) • Preisniveau • Breite/Tiefe des Leistungsangebots • Image • Personal • ...

• Atmosphäre • Lage der Hotelanlage/-gebäude • Stil/Ästhetik der Hotelanlage/-gebäude • Personal (Aussehen, Kleidung) • ...

• Anzahl der Mitarbeiter • Lage der Zimmer • Ausschilderung innerhalb des Hotels • Sauberkeit • Öffnungs-/Servicezeiten • Technischer Zustand der Anlagen (z.B. TV, Klima, Garten, Sauna,..) • Tagungs-/Sport-/Freizeiteinrichtung • ...

• Zimmer/Restaurant/Baratmosphäre (Farbgestaltung, Duft, Dekor,...) • Serviceeinstellung/-mentalität • Hilfsbereitschaft, Freundlichkeit Verläßlichkeit, Kompetenz, Reaktionsfähigkeit, Einfühlungsvermögen des Personals • Betriebsklima • ...

• • • • •

• Kundenzufriedenheit • Erholung, Entspannung,... • Übereinstimmung von Kundenerwartung und Kundenerlebnis • After Sales Marketing • ...

Kundenzufriedenheit Folgebuchungen Empfehlungen Schnelligkeit Check-In/Out ...

Qualitäts- und Dienstleistungsdimensionen in der Hotellerie

In Anlehnung an die oben beschriebene Drei-Phasen-Betrachtung von Dienstleistungen lassen sich den Potenzial-, Prozess- und Ergebnismerkmalen der Hotelleistungen denn auch jeweils eine immaterielle (High Touch) und eine materielle (High Tech) Wirkungsebene zuordnen (Faust 1993, S. 23 f.; Dreyer/Dehner 2003, S. 43). Abbildung 2.4 fasst diese Betrachtungen noch einmal zusammen.

Modul C

Materielle Wirkungsebene „Tech-Dimension“

34

2 Dienstleistungsbesonderheiten der Hotellerie

2.2.2

Konsequenzen der Dienstleistungsbesonderheiten für die Hotellerie

Ausgehend von den verschiedenen Dimensionen und Merkmalen der Hotelleistung können im Folgenden die wesentlichen Anforderungen und Besonderheiten der Vermarktung von Hotelleistungen abgeleitet werden. Die Konsequenzen der Dienstleistungsspezifika in der Hotellerie sind wie bereits gesehen vielfältig und äußern sich – wie in Abbildung 2.5 dargestellt – aus Kunden- und Produzentensicht zusammenfassend wie folgt (Bieger 2000; Meffert/Bruhn 2009):

Konsequenzen für Anbieter

Konsequenzen für Nachfrager

• Mangelnde Konkretisierbarkeit • Informationsarmut • Keine Vorratsproduktion, Lagerbarkeit • Standortgebundenheit • Einwirkung des Kunden im Leistungserstellungsprozess • Steuerungsproblematik sozialer Interaktionen • Mitarbeiterqualität als Differenzierungsfaktor • Eingeschränkte Standardisierungsmöglichkeiten • Probleme der Messung und Bewertung der Leistungsqualität (Qualitätskontrolle) • Kein Eigentumstransfer • ...

• Intransparenz über die zu erwartende Leistung • Individuelle, unvorhersehbare Qualität • Hohes Kauf-/Qualitätsrisiko • Informationsasymmetrie • Hoher Informationsbedarf • Bevorzugung persönlicher Informationsquellen • Mitwirkung im Leistungserstellungsprozess • Probleme kollektiver Dienstleistungsangebote • Mitarbeiter als Engpassfaktor • Komplexität der Bewertung der Leistungsqualität • Kein Eigentumstransfer • ...

Abb. 2.5

Konsequenzen der Dienstleistungsbesonderheiten

 Kundensicht Aufgrund der wenigen physisch wahrnehmbaren Leistungsmerkmale ist die Auswahl und Bewertung der Leistungsfähigkeit eines Hotelangebots durch den Kunden erschwert und trotz intensiver Suchprozesse lassen sich diesbezügliche kundenseitige Informationsdefizite nur begrenzt abbauen. Diese Unsicherheit ist vor allem bei Erstkäufen von Dienstleistungen bedeutsam. Dadurch muss der Kunde bei einer Vielzahl von Dienstleistungen seine Kaufentscheidung unter erheblicher Unsicherheit hinsichtlich der Bedarfsgerechtigkeit angebotener Unternehmensleistungen treffen. Des Weiteren unterliegen Vergleiche zwischen Anbietern gleichartiger Dienstleistungsangebote besonderen Schwierigkeiten. Als Folge davon ist der Dienstleistungsnachfrager im Vergleich zum Käufer von Sachleistungen einem generell höheren Kaufrisiko ausgesetzt, das sich in seiner Gesamtstruktur aus einer Anzahl von Einzelrisiken zusammensetzt (Schiffman/Kanuk 2007, S. 214 f.). Der Abbau dieser Informationsdefizite erfolgt im Dienstleistungsbereich bevorzugt über persönliche Informationsquellen (z. B. Familie, Freunde, Geschäftspartner), wobei auch oftmals der Preis als Indikator zur Bewertung des Kauf- bzw. Qualitätsrisikos herangezogen wird. Auch Unsicher-

2.2 Zum Dienstleistungscharakter der Hotelleistung

35

 Anbietersicht Viele Dienstleistungen weisen aufgrund ihres immateriellen Charakters im Gegensatz zu Sachleistungen eine allgemeine Informationsarmut auf, d. h., sie definieren sich nicht über wahrnehmbare Produkteigenschaften wie bspw. ein Automobil, das man mit nahezu allen Sinnen erfahren kann (z. B. Geruchssinn, Optik, Haptik), sondern sie sind wenig konkret in ihren sinnlich wahrnehmbaren Leistungsmerkmalen (z. B. Versicherungs-/Bankprodukte, Consultingleistungen). Dies führt zu Visualisierungs- und Präsentationsproblemen von Dienstleistungsangeboten. Des Weiteren stellt die Messung und Bewertung des Nutzens und der Qualität von Dienstleistungen ein quantitatives und qualitatives Bewertungs- und Messproblem dar. So ist aufgrund des Uno Actu-Prinzips und der damit zusammenhängenden fehlenden Speicherbarkeit von Dienstleistungen auch keine nachgelagerte Qualitätskontrolle möglich, sondern es müssen andere Formen der proaktiven Qualitätssicherung gefunden werden. Insbesondere die Erbringung von personenbezogenen Dienstleistungen unterliegt vielfältigen inter- und intraindividuellen Schwankungen in Bezug auf die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft des Anbieterpersonals, so dass die Steuerbarkeit sozialer Interaktionen problembehaftet bleibt. Die Art und der Umfang der Kundenbeteiligung an der Leistungserstellung hat ebenfalls zur Folge, dass die Standardisierungsmöglichkeiten eingeschränkt sind und die Gewährleistung eines gleichbleibend hohen Qualitätsniveaus situativen Unwägbarkeiten unterliegt. Hier spielen auch Probleme der Auslastung und Kapazitätsfestlegung eine Rolle. Durch die weitgehende Simultanität von Produktion und Absatz wird auch die Bedeutung der Standortfrage in vielen Dienstleistungsbereichen unterstrichen. Überall dort, wo immobile Produktionsfaktoren (z. B. Anlagen, Grundstücke) als Vorkombination der Leistungsfaktoren zum Einsatz kommen und die Ergebnisse dieser Faktorkombinationen zeitraumbezogen und somit nicht transportierbar sind, kann man von einer Standortgebundenheit der Dienstleistungsanbieter sprechen, wie z. B. in der Hotellerie oder bei Krankenhausleistungen. Aus Marketingsicht haben die genannten dienstleistungsspezifischen Besonderheiten verschiedene Auswirkungen (Abb. 2.6). Da es sich bei der Leistung eines Dienstleistungsanbieters in erster Linie um ein Leistungsversprechen handelt, das auf internen Fähigkeitspotenzialen beruht, ist es für ein Dienstleistungsunternehmen demnach von besonderer Bedeutung, möglichen Kunden diese Potenziale zu kommunizieren und ihnen den Nutzen der angebotenen Dienstleistung zu verdeutlichen. Um der Immaterialität und der damit verbundenen Unsicherheit und Leistungsintransparenz auf Kundenseite zu begegnen, übernimmt das Marken- bzw. Unternehmensimage als Qualitäts- und Vertrauenssignal die wichtige Funktion der Profilierung und Orientierung gegenüber dem Kunden. Die Möglichkeit über verbale und/oder visuelle Surrogate die Darstellung des Leistungsversprechens (z. B. in Form von Räumlichkeiten, Prospekten, Filmen, Virtuelle Rundgänge) tangi-

Modul C

heiten über das erforderliche Ausmaß und die Art der Beteiligung im Leistungserstellungsprozess beeinflussen die Kaufentscheidung nachhaltig. Bei kollektiven Dienstleistungen, wie bspw. der Hotellerie oder bei vielen Tourismusangeboten, bestehen Risikopotenziale aus Kundensicht in der Gefahr unangenehmer Hotelgäste oder Mitreisender.

36

2 Dienstleistungsbesonderheiten der Hotellerie

bler zu gestalten (im Sinne von begreifbar oder erfahrbar) oder die Materialisierung von immateriellen Dienstleistungselementen (z. B. persönliche Zuweisung eines Ansprechpartners, Papierbezüge auf Toilettenbrillen oder Namenslisten des Reinigungspersonals auf den Toiletten im Hotel zur Demonstration von Hygiene und Pflege) sind dabei ebenfalls Optionen, um auf die Art und Qualität der Dienstleistung hinzuweisen (Meffert/Bruhn 2009, S. 61 f.).

Eigenschaften der Leistung

Konsequenzen für das Marketing

• Intangibilität/Immaterialität - Intransparenz, Unsicherheit, hohe Suchkosten des Kunden

• Bedeutung der Kommunikation ( Image, Marke,...) • Bedeutung eines kompletten Leistungssystems

• Zusammenfall von Konsum und Produktion (Uno Actu-Prinzip) - Keine Vorratsproduktion, Lagerbarkeit - Standortgebundenheit

• Bedeutung flexibler Absatz- und Preisgestaltungsmöglichkeiten für die Abstimmung von Angebot und Nachfrage

• Integration des externen Faktors/ Bedeutung des persönlichen Kontaktes - Individuelle, unvorhersehbare Qualität - Probleme der Messung und Bewertung von Leistungen

• Bedeutung des internen Marketings • Marketingorientierung im Leistungserstellungsprozeß • Steuerung von Kundenerwartungen • Bedeutung des Qualitätsmanagement

Abb. 2.6

Besonderheiten des Marketing von Hotelleistungen (Quelle: In Anlehnung an Meffert/Bruhn 2009, S. 40ff.)

Die Nichtlagerfähigkeit von Dienstleistungen und die Standortgebundenheit unterstreicht die Bedeutung flexibler Absatz- und Preisgestaltungsmöglichkeiten für die Koordination von Angebot und Nachfrage. Ein effizientes Kapazitätsmanagement im Spannungsfeld zwischen Produktions- und Marketinganforderungen gewinnt dabei an Bedeutung. Dabei ist auch dem Zielkonflikt zwischen langfristigen Marketingzielen im Sinne einer glaubwürdigen Markenpositionierung und kurzfristigen, flexiblen Absatzoptimierungen durch strategische (z. B. Segmentdifferenzierung) und operative Maßnahmen (z. B. aktionsspezifische Kommunikation) entgegenzuwirken. Aus der Integration des Kunden in den Dienstleistungserstellungsprozess und der Bedeutung des persönlichen Kontakts lassen sich für das Dienstleistungsmarketing folgende Implikationen ableiten: die Erstellung einer Dienstleistung und somit auch das Ergebnis eines solchen Prozesses wird durch die Einwirkung eines Fremdfaktors mitbestimmt. Daraus können Qualitäts- und Standardisierungsprobleme resultieren, da die Fähigkeit und der Willen zur Mitwirkung bei Kunden sehr individuell ausgeprägt sein kann (z. B. bedingt durch Informationsasymmetrien oder kundenspezifische Einstellungen). Hier gilt es, durch geeignete Maßnahmen die gewünschte Rollenverteilung zwischen Kunde und Unternehmen respektive Mitarbeitern im Rahmen des Interaktionsprozesses zu kommunizieren. Darüber hinaus ist durch die Präsenz des

2.2 Zum Dienstleistungscharakter der Hotelleistung

37

Kunden die Marketingorientierung auch während der Erbringung der Dienstleistung sicherzustellen, d. h. im Gegensatz zur industriellen Fertigung ist hier auch im Produktionsprozess unmittelbar auf die Bedürfnisse des Kunden Rücksicht zu nehmen (z. B. durch angenehme Raumgestaltung, Temperatur, Hintergrundmusik).

Promotion

Product

Product Place Promotion Place

4 P´s des klassischen Konsumgütermarketing Abb. 2.7

Die sieben P´s des Dienstleistungsmarketing

Personnel Price Physical facilities

7 P´s des Dienstleistungsmarketing (Quelle: Magrath 1986)

Um den zahlreichen betriebswirtschaftlichen Implikationen, die sich aus den Besonderheiten von Dienstleistungen ergeben, gerecht zu werden, geht man in der Dienstleistungsliteratur davon aus, dass ein erweitertes Verständnis von Marketingorientierung vonnöten ist, das neben den klassischen externen Aufgaben des Marketing auch die internen Prozesse zwischen Unternehmen und Mitarbeitern sowie die interaktiven Prozesse zwischen Mitarbeitern und Kunden im Zuge des Kundenkontakts prägt (Grönroos 1984, Magrath 1986; Bitner 1992). So wird argumentiert, dass im Dienstleistungsbereich den klassischen vier Instrumenten des externen Marketing (product, price, promotion, place) drei weitere Aktivitätsbereiche hinzugefügt werden müssen, um aus Marketingsicht erfolgreich zu sein: process, people, physical facilities. Process als fünftes Element des Marketing-Mix im Dienstleistungsbereich stellt auf die kundengerechte Gestaltung der Dienstleistungsprozesse ab, d. h., die optimale Gestaltung der Kundenkontaktsituationen im Sinne eines effizienten Zeitmanagements, des gewünschten Ausmaßes an Kundenintegration, der Unterstützung durch die internen Geschäftsprozesse im back-office und Ähnlichem mehr. People als Marketinginstrument greift die Bedeutung der Mitarbeiter als Differenzierungsfaktor im Wettbewerb auf und skizziert die Aufgaben im Rahmen des Internen Marketing, die ein Dienstleistungsunternehmen durchführt, um das gesamte Personal zu befähigen und zu motivieren, den Kunden in jeder Phase des Dienstleistungsprozesses voll zufriedenzustellen. Physical facilities ist als Erweiterung der Produktpolitik zu sehen und stellt auf die

Modul C

Price

Process Management

38

2 Dienstleistungsbesonderheiten der Hotellerie

Bedeutsamkeit von Aspekten ab, die über den eigentlichen Produktkern hinausgehen, sprich das Hotelprodukt Zimmer bzw. Übernachtung, die aber nichtsdestotrotz einen wesentlichen Bestandteil der Qualitätswahrnehmung der Kunden darstellen (z. B. Gebäude-, Raum- und Anlagengestaltung eines Ferienressorts, sonstige Infrastruktur).

2.3

Dienstleistungsqualität und Kundenzufriedenheit als Erfolgsfaktor in der Hotellerie

2.3.1

Begriff der Qualität

Qualität gilt als ausschlaggebender Faktor für den Erfolg eines Dienstleistungsunternehmens. Da die Bedeutung des Wortes Qualität (etymologisch: Beschaffenheit, Eigenschaft, Güte oder Wert) an sich wertneutral ist – es gibt gute und schlechte Qualität – ist die eindeutige Festlegung eines unternehmensspezifischen Qualitätsbegriffs Voraussetzung, um zu einem klaren Verständnis für Qualitätsaspekte im Unternehmen zu gelangen. Der Zugang zum Begriff der Qualität ist dabei durchaus komplex und spiegelt sich in der Vielfalt der Ansätze der betriebswirtschaftlichen Literatur wider, den Qualitätsbegriff umfassend und abschließend zu definieren. GARVIN fasst die unterschiedlichen Facetten der Qualität in fünf Definitionsansätzen zusammen (Garvin 1984, S. 25 ff.):  Absoluter Qualitätsbegriff (transcendent) Qualität in diesem Sinne definiert, entspricht am ehesten der umgangssprachlichen Auffassung, die Qualität mit eher abstrakten und nicht unmittelbar messbaren Eigenschaften wie einzigartig, vollkommen, hochwertig beschreibt (z. B. Das beste Hotel Deutschlands).  Produktorientierter Qualitätsbegriff (product-based) Die Qualität eines Produktes oder einer Dienstleistung wird als Eigenschafts- oder Merkmalsbündel interpretiert. Qualitätsunterschiede ergeben sich aus dem Vergleich entsprechender Eigenschaften und Leistungsmerkmale (z. B. Qualitätssegmente der Hotelklassifizierung).  Kundenorientierter Qualitätsbegriff (user-based) Qualität ergibt sich als Ergebnis eines subjektiven Bewertungsprozesses durch den Kunden. Ist der individuelle Verwendungszweck erfüllt, wird ein Produkt oder eine Dienstleistung als qualitativ zufriedenstellend oder hochwertig betrachtet (z. B. Kundenzufriedenheit als Qualitätsmaßstab).

2.3 Dienstleistungsqualität und Kundenzufriedenheit als Erfolgsfaktor

39

Herstellungsorientierter Qualitätsbegriff (manufacturerbased) Qualität wird gleichgesetzt mit der Einhaltung unternehmensinterner Spezifikationen und Standards (z. B. check-out-Dauer max. 3 min.; Zimmereinigung in 10 min.). 

Die verschiedenen Ansätze zeigen, dass es, um zu einem praktikablen und nutzbringenden Qualitätsverständnis zu gelangen, notwendig ist, Qualität nicht als absolute Größe zu betrachten, sondern dass Qualität immer in einem relativen Kontext steht. Als Vergleichs- bzw. Bezugsgrößen lassen sich kunden-, unternehmens- und umfeldseitige Qualitätsanforderungen identifizieren, zu denen die Beschaffenheit einer Leistung in Beziehung gesetzt werden kann (Bruhn 2003, S. 27 f.). Die Deutsche Gesellschaft für Qualität (DGQ) definiert denn auch Qualität als die „...Gesamtheit von Eigenschaften und Merkmalen eines Produktes oder einer Tätigkeit, die sich auf deren Eignung zur Erfüllung gegebener Erfordernisse bezieht“ (DGQ 1995). Ausgangspunkt und Endpunkt der Qualitätsbemühungen eines Unternehmens ist immer der Kunde, denn nur er generiert Umsatz und Gewinn und so muss Qualität denn auch, als die Summe der geforderten Eigenschaften eines Produktes oder einer Dienstleistung, die sich zur Erfüllung von Kundenbedürfnissen eignen, verstanden werden.

2.3.2

Qualitätsdimensionen von Dienstleistungen

Ergänzend zu diesen Ausführungen und den phasenperspektivischen Dienstleistungsdimensionen von Hotelleistungen (Potenzial-, Prozess- und Ergebnismerkmale), wie sie in Kapitel 2.2.1 beschrieben wurden, sind für die Hotellerie die Ergebnisse der amerikanischen Forschergemeinschaft Parasuraman/Zeithaml/Berry zur Operationalisierung der Qualitätsdimensionen von Dienstleistungen von Bedeutung (Parasuraman et al. 2001; Zeithaml et al. 1992). Mit Hilfe eines von ihnen entwickelten Instrumentes zur Messung von Dienstleistungsqualität – dem SERVQUAL-Ansatz – zeigen Zeithaml et al. fünf Qualitätsdimensionen für Dienstleister auf, die für das Qualitätserleben und die Qualitätsbeurteilung von entscheidender Bedeutung sind und die Kundenerwartungen und -wahrnehmungen in nachhaltiger Form prägen:  Materielles (Tangibles) Gesamtheit des physischen Erscheinungsbildes des Anbieters wie Hoteleinrichtungen, Ausstattung, Mitarbeiterkleidung, Kommunikationsmittel usw. (z. B. Sind Eingangshalle und sonstige Räume architektonisch attraktiv gestaltet? Sind Zimmer, Tischdecken, Geschirr und Besteck sauber?).

Modul C

 Wertorientierter Qualitätsbegriff (value-based) Qualität wird im Sinne eines günstigen Preis-/Leistungsverhältnisses definiert, d. h. auch Low-Budget-Hotelkonzepte können bei einem so definierten Qualitätsbegriff, aus Kundensicht qualitativ hochwertiger eingeschätzt werden als ein Hotel der 5-Sternekategorie)

40

2 Dienstleistungsbesonderheiten der Hotellerie

 Zuverlässigkeit (Reliability) Fähigkeit, die versprochenen Leistungen verlässlich und präzise auszuführen (z. B. Werden Nachrichten prompt weitergeleitet? Ist die Hotelrechnung korrekt? Wird der Wake-up-call pünktlich ausgeführt?).  Einfühlung (Empathy) Individuelle Aufmerksamkeit und Fürsorge für die Belange des Kunden, d. h. die Fähigkeit und Bereitschaft, auf spezifische Kundenwünsche einzugehen, im Sinne des sich Hineinversetzens in den Kunden (z. B. Werden Stammgäste mit Namen angesprochen? Ist der Hoteldirektor schnell zu erreichen, wenn der Gast ein Problem hat?).  Souveränität (Assurance) Kompetenz, Vertrauenswürdigkeit und Zuvorkommenheit der Mitarbeiter sowie deren Fähigkeit, Sicherheit zu vermitteln, d. h. Kunden das Gefühl zu geben, mit ihren Wünschen und Bedürfnissen gut aufgehoben zu sein (z. B. Handelt es sich beim Servicepersonal um Fachkräfte oder um Aushilfen? Ist die Empfehlung und das Verhalten des Concierge überzeugend?).  Entgegenkommen (Responsiveness) Schnelligkeit und Aufgeschlossenheit bei der Lösung von Kundenproblemen, d. h. die Fähigkeit auf spezifische oder unvorhergesehene Probleme und Wünsche der Kunden unbürokratisch und lösungsorientiert zu reagieren (z. B. Wenn eine Reservierung falsch gelaufen ist, bringt das Hotel es schnell in Ordnung? Wird eine Beschwerde schnell und unkompliziert behandelt?). Auf diesen Ergebnissen aufbauend, stellen die Autoren das in Abb. 2.8 dargestellte GAP-Modell vor, das anhand von fünf strategischen Qualitätslücken (Gaps) mögliche Ursachen für mangelnde Servicequalität dokumentiert und damit implizit die Aufgaben des Qualitätsmanagement festlegt. Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen dabei vier unternehmensinterne Lücken, die Qualitätsprobleme verursachen und die für die entscheidende und wettbewerbsrelevante fünfte Qualitätslücke – die Diskrepanz zwischen der vom Kunden erwarteten und der von ihm tatsächlich erlebten Leistung – verantwortlich sind:

2.3 Dienstleistungsqualität und Kundenzufriedenheit als Erfolgsfaktor

Mündliche Empfehlungen

Persönliche Bedürfnisse

41

Bisherige Erfahrungen

Erwarteter Service Dienstleistungsnachfrager

Lücke 5 Erlebter Service

Geleisteter Service Dienstleistungsanbieter

Lücke 1

Lücke 4

Dienstleisterkommunikation nach außen (Versprochener Service)

Lücke 3 Normen für Servicequalität Lücke 2

Abb. 2.8

Das GAP-Modell der Dienstleistungsqualität

(Quelle: Zeithaml et al.1992, S. 62)

 Lücke 1 Disparität zwischen Kundenerwartungen und den Vorstellungen und Wahrnehmungen des Dienstleistungsanbieters bezüglich dieser Erwartungen. (z. B. während die Hotelleitung möglicherweise der Ansicht ist, dass ihre Kunden Wert auf große Zimmer legen, erwarten die Gäste hingegen in Wirklichkeit einen 24-Stunden Room Service).  Lücke 2 Disparität zwischen den vom Dienstleistungsanbieter wahrgenommenen Kundenerwartungen und deren Umsetzung in unternehmensinterne Qualitätsspezifikationen, -normen und -standards. Konsequenz dieser mangelhaften Kundenorientierung sind Service- und Qualitätsstandards, die unter Umständen an den Bedürfnissen der Kunden vorbeigehen. (z. B. in der Außengastronomie werden nur Kännchen Kaffee serviert; Check-out bis spätestens 10 Uhr; Frühstück nur bis 9.30 Uhr etc.).  Lücke 3 Disparität zwischen unternehmensinternen Qualitätsspezifikationen, -normen, -standards und tatsächlich erstellter Dienstleistungsqualität. Die Leistungsausführung wird i.d.R. von vielen Faktoren beeinflusst: schlechte Ausbildung, mangelhafte Kommunikation mit dem Management, fehlende Rollenklarheit, ungeeignete Technik für die

Modul C

Vorstellungen des Managements von Kundenerwartungen

42

2 Dienstleistungsbesonderheiten der Hotellerie

Serviceaufgaben, mangelnder Handlungsspielraum etc. (z. B. Kundenbeschwerden die aufgrund mangelnder Befugnis vom Kundenkontaktmitarbeiter nicht bearbeitet werden können, überlastete Telefonzentralen, die Anrufe erst nach häufigen Klingeln entgegennehmen etc.).  Lücke 4 Disparität zwischen tatsächlich erstellter und in externer Kommunikation versprochener Dienstleistungsqualität. Viele Unternehmen machen den Fehler des „Overpromising“, d. h. sie wecken beim Kunden falsche Erwartungen, indem sie Leistungen ausloben, die das Unternehmen im betrieblichen Alltag nicht in der versprochenen Qualität liefern kann. (z. B. übertriebene Fotos in Verkaufsprospekten/im Internet; Garantieversprechen, die nur in absoluten Ausnahmefällen greifen etc.). Zeithaml et al. kommen in ihren Forschungen zu dem Schluss, dass der Ausgangspunkt für unbefriedigende Leistungsergebnisse, im Sinne der fünften Lücke, in einer unzureichenden Markt- und Kundenkenntnis der Marketingverantwortlichen liegt, die zwangsläufig zu falschen oder unvollständigen Vorstellungen des Managements, von dem was Kunden wirklich erwarten führt. Ursächlich sind dafür, neben einer mangelhaften Betonung von Marktforschungsaktivitäten, das geringe Ausmaß und/oder Interesse an direktem Kundenkontakt, die unzulängliche Kommunikation zwischen dem Kundenkontaktmitarbeitern und dem Management sowie eine oftmals tief gestaffelte Unternehmenshierarchie, die die Stimme des Kunden nur selten zur Unternehmensspitze durchdringen lässt.

2.3.3

Wirkungszusammenhänge zwischen Kundenerwartungen, Kundenzufriedenheit und Dienstleistungsqualität

Entscheidende Einflussgrößen erfolgreicher Dienstleistungskonzepte sind die Bedürfnisse, Wünsche, Erwartungen und Nutzenvorstellungen von Kunden bezüglich einer bestimmten Dienstleistung. Allein die subjektive Aussage des Kunden über den Grad der Erfüllung dieser Bedürfnisse ist dabei maßgebend für das Ausmaß seiner Kundenzufriedenheit. Kundenzufriedenheit wird in der Literatur definiert als das Resultat eines komplexen psychischen Vergleichs- und Informationsverarbeitungsprozesses und beschreibt einen Zustand, der sich aus dem Zusammenwirken zwischen den exante Erwartungen von Kunden bezüglich einer bestimmten Leistung und den ex-post Wahrnehmungen und Erfahrungen der Kunden nach Inanspruchnahme dieser Leistung ergibt (Homburg/Rudolph 1998, S. 38 ff.). Die Bestimmungsgrößen von Kundenerwartungen und deren Einfluss auf die wahrgenommene Leistungsqualität sind denn auch Gegenstand vielfältiger Diskussionen in der Dienstleistungsliteratur. Kundenerwartungen werden dem allgemeinen Begriffsverständnis folgend als Standards interpretiert, mit denen die erfahrene Qualität einer Dienstleistungstransaktion abgeglichen wird. Dabei werden in der Dienstleistungsliteratur grundsätzlich folgende Erwartungsbegriffe unterschieden ((hierzu anstatt vieler Parasuraman et al. 2001; Bruhn 2000):

2.3 Dienstleistungsqualität und Kundenzufriedenheit als Erfolgsfaktor

43

 predictive expectations Erwartungen definieren sich als Prognose- oder Eintrittswahrscheinlichkeit positiver/negativer Ereignisse im Rahmen einer Dienstleistungstransaktion, im Sinne von allgemein als typisch betrachteten Abläufen spezifischer Dienstleistungen (z. B. beim Check-in/Check-out gibt es immer lange Warteschlangen).  normative expectations Erwartungen definieren sich als gewünschter Ablauf oder Form einer Dienstleistungstransaktion im Sinne einer Idealleistung, die zu einer 100 % Entsprechung der Kundenerwartung führt (z. B. Es wäre schön, wenn man max. eine Minute warten müsste, bevor man an der Reihe ist).

Angesichts der Existenz verschiedener Arten von Kundenerwartungen stellt sich mit Blick auf die Kundenzufriedenheit die Frage, welcher Art der Kundenerwartung entsprochen werden muss, um zu einem – aus Sicht des Hotelkunden – befriedigenden Werturteil zu gelangen. Die verschiedenen Dimensionen von Standards sind zum Teil dabei auch ursächlich für die von Zeithaml et al. in ihren Forschungen zum GAPModell der Dienstleistungsqualität konstatierte Disparität zwischen den tatsächlichen Kundenerwartungen und den prognostizierten Kundenerwartungen aus der Sicht des Anbieterunternehmens (Zeithaml et al. 1992, S. 62 ff.). In verschiedenen Untersuchungen zu den Erwartungen und Prioritäten von Hotelgästen und den Vorstellungen des Managements bezüglich zu erfüllender Kundenanforderungen, konnte diese Kommunikationslücke nachgewiesen werden (Nightingale 1985; Saleh/Rhyan 1991). Zeithaml et al. kommen zu der Schlussfolgerung, dass die Kunden zwischen einem gewünschten (desired service) und einem noch als ausreichend akzeptierten (adequate service) Qualitätsstandard unterscheiden und von einer Disparität zwischen Kundenerwartungen und Kundenwahrnehmung und damit einhergehender Unzufriedenheit des Kunden erst dann gesprochen werden kann, wenn die erfahrene Dienstleistungsqualität weder einem gewünschten noch einem akzeptablen Niveau entspricht. Zwischen der Maximalforderung (oberer Sollwert) und der der Minimalanforderung (unterer Sollwert) an eine Dienstleistung existiert eine sog. „zone of tolerance“, die der Absorption anbieterseitiger intra- und interindividuellen Qualitätsschwankungen dient und deren Bandbreite im Wesentlichen durch den Minimalstandard determiniert ist (Zeithaml et al. 1993, S. 5 ff.). Dies erklärt sich durch den Tatbestand, dass ein gewünschtes Qualitätsniveau im Sinne einer Idealvorstellung über den Zeitablauf wesentlich stabiler ist und sich eher sukzessiv aufgrund von Erfahrungswissen verändert, während ein gerade noch toleriertes Qualitätsniveau sich als höchst volatil erweist und stark durch Kontextfaktoren beeinflusst wird. Als prädisponierende Einflussfaktoren der Erwartungshaltung von Kunden, auf die Unternehmen zum großen

Modul C

 comparative expectations Erwartungen definieren sich als Vergleichsgrößen zu ähnlichen bzw. gleichartigen Dienstleistungstransaktionen (z. B. Bankangestellte sind freundlicher als Hotelangestellte).

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2 Dienstleistungsbesonderheiten der Hotellerie

Teil Einfluss nehmen können, sind in Erweiterung der Ergebnisse von Zeithaml et al. folgende Variablen zu nennen (Zeithaml et al. 1993, S. 5 f.):  Kontextvariablen Betreffen bestimmte situative Umstände auf Anbieter- bzw. Nachfragerseite, die sich der jeweiligen autonomen Disponierbarkeit entziehen (z. B. ein Computerausfall, die Erwartung schneller Reaktionszeiten von Anbieterseite bei Notfällen wie einem Unfall oder das Verständnis auf Nachfragerseite in Ausnahmesituationen, wie z. B. bei Hotels in Katastrophengebieten).  Kognitive Variablen Betreffen die Informationsaufnahme, -verarbeitung und -speicherung im Hinblick auf bestimmte Bedürfnisse und Nutzenvorstellungen des Nachfragers bezüglich einer Dienstleistung (insbesondere Preis-/Leistungsrelationen stellen ein wesentliches Einflusspotenzial im Hinblick für das erwartete Qualitätsniveau dar).  Emotive Variablen Betreffen Prozesse der Aktivierung, Emotion, Motivation und Einstellung und ihre Bedeutung für die kognitive Informationsverarbeitung in Bezug auf das Kaufentscheidungsverhalten (z. B. Involvement, bestimmte persönliche Grundeinstellungen; Auffassungen von Dienstleistungskultur und/oder -qualität).  Vergleichsvariablen Betreffen potenzielle Alternativen, die in Anspruch genommen werden können. Dies können Anbieteralternativen sein oder „Do it yourself“-Alternativen, im Sinne einer Anbietersubstitution durch den Kunden (z. B. Etagenservice vs. Minibar).  Erfahrungswissen Betrifft die bereits vorliegenden Erfahrungswerte bezüglich einer bestimmten Dienstleistung (z. B. Wiederholungskauf, Frequent Traveller, Meetingplaner).  Unternehmenskommunikation Betrifft die gezielte Kommunikationspolitik eines Dienstleisters (z. B. Werbung, PR etc.).  Informelle Kommunikation Betrifft die informellen Informationskanäle des Dienstleistungsnachfragers (z. B. Hotelbewertungsportale, Freunde, Geschäftspartner etc.).  Image Betrifft das ‚Overall Standing‘ des Dienstleistungsunternehmens im Markt.

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2.3 Dienstleistungsqualität und Kundenzufriedenheit als Erfolgsfaktor

Kundenzufriedenheit sehr zufrieden

Begeisterungseigenschaften

Leistungseigenschaften

Leistungserfüllung

völlig unzureichend

Basiseigenschaften

vollständig

völlig unzufrieden

Kano-Modell der Kundenzufriedenheit

(Quelle: Bailom 1998, S. 48)

Das Konstrukt der Kundenzufriedenheit als Ergebnis spezifischer Dienstleistungstransaktionen bzw. -ereignisse bedarf demzufolge einer differenzierten Annäherung. So ist davon auszugehen, dass unterschiedliche Faktoren zur Kundenzufriedenheit respektive -unzufriedenheit führen, was auch mit den Beobachtungen von Zeithaml et al.bezüglich der Minimal- bzw. Maximalerwartungen von Dienstleistungsnachfragern korrespondiert. Diese entsprechen dem Dualismus einer Routine- bzw. Minimumkomponente und einer Ausnahme- bzw. Werterhöhungskomponente der Qualitätswahrnehmung, wie er auch dem Kano-Modell der Kundenzufriedenheit zugrundeliegt (Hermann et al. 2000a, S. 47; Bailom 1998, S. 48 f.). Die Routinekomponente (Basiseigenschaften) ist durch die Erfüllung grundlegender Anforderungen gekennzeichnet, die der Nachfrager als normaltypisch für die jeweilige Dienstleistung betrachtet, während die Ausnahmekomponente (Begeisterungseigenschaften) Qualitätsmerkmale umfasst, die als Zusatzleistung empfunden werden. Unterschreitet eine Dienstleistung das Minimumlevel, so wird dies als qualitätsmindernd wahrgenommen, während die Erfüllung von Ausnahmemerkmalen als qualitätssteigernd wahrgenommen wird. So trägt ein sauberes Hotelzimmer nicht unmittelbar zur Kundenzufriedenheit bei, sondern hilft nur, Unzufriedenheit zu vermeiden, während ein für die Kategorie übergroßes Zimmer unter Umständen als qualitätssteigernd wahrgenommen wird und damit einen positiven Beitrag zur Kundenzufriedenheit leistet.

Modul C

Abb. 2.9

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2 Dienstleistungsbesonderheiten der Hotellerie KontextKontextVariablen Variablen

Kognitive Kognitive Variablen Variablen

Emotive Emotive Variablen Variablen

VergleichsVergleichsVariablen Variablen

Kundenerwartungen a.d.Dienstleistungsqualität =Sollwert Kundenerwartungen a.d.Dienstleistungsqualität =Sollwert Ideale Akzeptable DL-Qualität DL-Qualität Toleranzzone = = Oberer Sollwert Unterer Sollwert

ErfahrungsErfahrungswissen wissen

Formelle Informelle Formelle Informelle Kommunikation Kommunikation Kommunikation Kommunikation

Soll-Ist Vergleich Soll-Ist Vergleich

Stabilisierende Zufriedenheit Stabilisierende Zufriedenheit

Erhöhung des Erhöhung des Anspruchsniveaus Anspruchsniveaus

Aufrechterhaltung Aufrechterhaltung des Anspruchsniveaus des Anspruchsniveaus

Image Image

Kundenwahrnehmung Kundenwahrnehmung der tatsächlichen der tatsächlichen Dienstleistungsqualität Dienstleistungsqualität = = Istwert Istwert

Diffuse Unzufriedenheit Diffuse Unzufriedenheit

Senkung des Senkung des Anspruchsnive aus Anspruchsnive aus

Aufrechterhaltung Aufrechte rhaltung des Anspruchsniveaus des Anspruchsniveaus

Verfälschung der Ohne neue Ohne neue Verfälschung der SituationsProblemlösungsProblemlösungsSituationswahrnehmung versuche versuche wahrnehmung

Progressive Progressive Zufriedenheit Zufriedenheit = Oberer Sollwert = Oberer Sollwert

Stabilisierte Stabilisierte Zufriedenheit Zufriedenheit = Unterer Sollwert = Unterer Sollwert

Resignative Resignative Zufriedenheit Zufriedenheit = Unterer Sollwert = Unterer Sollwert

Neue ProblemNeue Problemlösungsversuche lösungsversuche

PseudoFixierte Konstruktive PseudoFixierte Konstruktive Zufriedenheit Unzufriedenheit Unzufriedenheit Zufriedenheit Unzufriedenheit = Istwert